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KOLUMNE: SCHNELL! NACH ITALIEN

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WIPFELSTÜRMER

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Schnell! Nach Italien!

Gut, dass Sie diese Zeitschrift lesen, denn: die Zeit drängt. Zum einen ist der ganz große globale Reisetourismus noch nicht vollständig wieder nach Italien zurückgekehrt, weshalb es höchste Zeit ist, in den nächsten Wochen und Monaten noch einmal all jene touristischen Höhepunkte zu besuchen, die man sich sonst mit tausenden Menschen teilt – von der Fontana di Trevi in Rom bis zum Markusdom in Venedig oder die Uffizien in Florenz. Zum anderen führt Italien erdgeschichtlich gesehen ohnehin ein riskantes Leben und auch wenn die Italiener gerne wetten: Ich würde nicht mein letztes Hemd einsetzen, dass Italien in 150 Millionen Jahren noch genauso aussieht, wie heute.

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Denn wie ich aus einem Kinderbuch beim Zahnarzt erfuhr, lebt Italien nicht nur wegen der diversen Vulkane im südlichen Teil des Landes gefährlich – auch die kontinentale Plattentektonik meint es nicht gut mit unserem Lieblingsland. Die afrikanische Erdplatte bewegt sich millimeterweise nach Norden und wird sich laut diesem Szenario irgendwann mit Eurasien verbinden. Der lapidare Rat im Kinderbuch: „Tipp: Kauf dir kein Strandgrundstück am Mittelmeer. In 150 Millionen Jahren ist es verschwunden.“ Könnte die afrikanische Platte nicht lieber alle Baggerseen in Deutschland plattmachen und Italien verschonen? Freundin S. hat sich tatsächlich kürzlich ein meernahes Grundstück in Ligurien gekauft, ich hoffe auf häufige Besuche. Und was ist mit allen wunderbaren Lieblingsstränden von Sizilien bis Jesolo?

Wie auch immer ein italienisches Strandlokal in 150 Millionen Jahren aussieht, den letzten Abend bevor sich der letzte verbleibende Millimeter Mittelmeer zuschiebt, kann man sich sicher recht melancholisch vorstellen: Aus der Jukebox kommt ein flehendes „Lasciate mi cantare“ von Toto Cotugno, es weht eine sanfte Brise, der Strandliegenvermieter klopft den letzten Sand herunter, der Barista spendiert noch einmal eine Runde Aperol Spritz – dann, um Mitternacht, schließt sich der letzte schmale Streifen Mittelmeer für immer, Menschen, Roboter und andere Wesen, die in 150 Millionen Jahren die Erde bevölkern, liegen sich traurig in den Armen und singen „Bella ciao!“

Im alten Rom gab es das Ritual, dass siegreichen Feldherrn beim Triumphzug ständig gemahnt wurden: „Memento Mori! Gedenke, dass Du sterblich bist.“ Das sollte den stolzen Sieger auf dem Teppich halten. Für alle, die in diesem Jahr noch nicht in Italien waren: „Memento Mori! Gedenke, dass Dir immer noch einzelne Dörfer und Sehenswürdigkeiten Italiens fehlen, schwing Dich endlich auf und fahre nach Süden!“ Nicht, dass Sie sich in 150 Millionen Jahren den Vorwurf machen müssen, zu selten am italienischen Mittelmeer gewesen zu sein. •

MARTIN ZÖLLER IST AUTOR VON „MADONNA, EIN BLONDER! GANZ UND GAR NICHT ALLTÄGLICHE GESCHICHTEN AUS ROM“ MARTIN

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