crescendo 6/2013, Premium Ausgabe Oktober/November 2013

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Ausgabe 06/2013 Oktober – November 2013 www.crescendo.de 7,90 Euro (D/A)

PREMIUM AUSGABE

CD

inkl.

Anne-­ Sophie

Mutter Ein ausführliches und sehr offenes Gespräch mit Deutschlands bekanntester Geigerin

Ein Kaffee mit... Armin Mueller-Stahl „Wenn Celibidache kam, musste ich aus der Wohnung raus.“ Sol Gabetta und ihr Lehrer Ivan Monighetti „Er ist wie ein musikalischer Vater für mich.“ Schwerpunkt: Backstage Wie entsteht eine Aufnahme von Brittens „War Requiem“? Die wichtigsten Alben Für den Herbst Was taugt die neue Horowitz-Box? B47837 Jahrgang 16 / 06_2013

International Telekom Beethoven competition bonn 6. bis 14. Dezember 2013 28 junge internationale Pianisten treten in Ludwig van Beethovens Geburtsstadt Bonn zum großen Wettbewerb an.


OPER UND BALLETT

KONZERTE DER SÄCHSISCHEN STAATSKAPELLE DRESDEN

eleKtrA Christian Thielemann, Barbara Frey

Premiere 19. Januar 2014 22., 25., 31. Januar & 22., 29. Juni 2014

guntrAm

7. SymPHOnieKOnzert Christian Thielemann

2., 3., 4. märz 2014 (konzertant)

Omer Meir Wellber

8. SymPHOnieKOnzert

Premiere 23. Februar 2014 28. Februar & 2. märz 2014

Christoph Eschenbach

30., 31. märz & 1. April 2014

AriAdne AuF nAxOS

4. AuFFüHrungSAbend

Omer Meir Wellber, Marco Arturo Marelli

Christian Thielemann

9., 16. märz & 15., 18. April 2014

15. mai 2014

SAlOme

11. SymPHOnieKOnzert

Cornelius Meister, Peter Mussbach

Christian Thielemann

21., 25., 27. märz 2014

8., 9. Juni 2014

richard Strauss zum 150. geburtstag SOnderKOnzert zum 150. geburtStAg vOn ricHArd StrAuSS

ArAbellA Christian Thielemann, Florentine Klepper

Koproduktion mit den Osterfestspielen Salzburg Premiere 12. April 2014 21. April 2014 Osterfestspiele Salzburg 2014

Christian Thielemann

11. Juni 2014

KlASSiK PicKnicKt Christian Thielemann

FeuerSnOt

12. Juli 2014

(Open Air)

Stefan Klingele

Premiere 7. Juni 2014 9., 10. Juni 2014

Freuen Sie SicH u.A. AuF Renée Fleming, Anja Harteros, Evelyn Herlitzius, Waltraud Meier, Camilla Nylund, Marjorie Owens,

legenden – HOmmAge An ricHArd StrAuSS

Nina Stemme, Erika Sunnegårdh, Rachel Willis-Sørensen,

Paul Connelly, Stijn Celis, Alexei Ratmansky

Rudolf Buchbinder, Gautier Capuçon, Burkhard Fritz,

Premiere 28. Juni 2014 30. Juni & 5., 9., 11. Juli 2014

Thomas Hampson, Jürgen Müller, René Pape,

Romy Petrick, Anne Schwanewilms, Barbara Senator,

Tómas Tómasson, Georg Zeppenfeld Informationen und Karten

PA R T N E R D E R S E M P E R O P E R U N D D E R S TA AT S K A P E L L E D R E S D E N

T +49 (0) 351 49 11 705

Der Richard-Strauss-Schwerpunkt wird

bestellung @semperoper.de

an der Semperoper Dresden in der

semperoper.de

Spielzeit 2014 / 15 fortgesetzt.


p r o l o g

Die CD bleibt!

w inf r i e d h a n u s c hi k Herausgeber

Liebe Leser, vielen Dank für die zahlreichen Glückwünsche und persönlichen Gratulationen zu unserem Jubiläum und zur Jubiläumsausgabe. Das freut uns natürlich sehr! Besonders gespannt waren wir auch auf die Ergebnisse der Umfrage aus dem letzten Heft: Wie waren Ihre Erfahrungen mit dem Angebot, klassische Musik per Internet über den Computer hören zu können? 14 % der Abonnenten haben den Fragebogen ausgefüllt und zurückgeschickt. Diese weit überdurchschnittliche Antwortquote zeigt uns, wie sehr Ihnen das Thema am Herzen liegt. Das Ergebnis ist sehr eindeutig. Die beigelegte CD wird als bequemer in der Handhabung und inspirierender empfunden. So begründen einige Leser: „Einfach einlegen, reinhören und entdecken! Dies kann ein Internet-Angebot nicht leisten!“ – „Eine CD lässt sich nebenbei hören, für eine Library muss man sich Zeit nehmen. Das fällt nicht immer leicht, daher favorisiere ich die CD, auch wenn es old-fashioned ist.“ Die Wiedergabequalität der CD wird sehr geschätzt, insbesondere weil der CDPlayer üblicherweise an eine hochwertige Stereoanlage angeschlossen ist. „Die Akustik meines PCs ist nicht so gut, daher

bevorzuge ich weiterhin die CD.“ – „Ich höre nicht ernsthaft Musik auf dem Computer – Qualität!“ Hinzu kommt, dass sehr viele Leser CDs gern im Auto anhören. Diese Argumente haben uns überzeugt, die crescendo Premium-CD weiterzuführen, diesmal mit einem echten Highlight auf dem Cover: eine Originalzeichnung des Schauspielers Armin Mueller-Stahl, den wir für diese Ausgabe in Berlin auf einen Kaffee trafen. Der inzwischen 82-Jährige plauderte völlig frei über vergangene Liebschaften, von denen er eine an Sergiu Celibidache abgeben musste. Ich kann Ihnen also nur empfehlen, das Gespräch auf Seite 14 zu lesen. Außerdem trafen wir für diese Ausgabe die Geigerin Anne-Sophie Mutter, Barockstar Simone Kermes, Klarinettistin Sharon Kam und den Dirigenten Riccardo Chailly. Dazu gibt's den Schwerpunkt „Backstage“: Unter anderem mit einer Reportage der „War Requiem“-Aufnahme in Rom (Seite 48), und ein Gespräch mit Sol Gabetta und ihrem Lehrer Ivan Monighetti (Seite 52). Was mich sehr freut: Unser ehemaliger Chefredakteur Axel Brüggemann schreibt von dieser Ausgabe an in einer neuen Kolumne, was die Musikwelt und ihn ganz persönlich gerade bewegt. Immer polarisierend. Diesmal: „die Intendantitis“ und ihre Folgen (Seite 44).

Fotos Titel: Lillian Birnbaum / DG; Norbert Ittermann; Lucian Hunziker

Herzlichst,

An dieser Stelle ist keine Abo-CD vorhanden? Sie sind Premium-Abonnent, aber die CD fehlt? Dann rufen Sie uns unter 089/85 85 35 48 an. Wir senden Ihnen Ihre Abo-CD gerne noch einmal zu.

Ihr Winfried Hanuschik

ONLINE PREMIUM-SERVICES: TRETEN SIE EIN!

Ihre Abo-CD In der Premium-Ausgabe finden Sie nicht nur doppelt so viel Inhalt: mehr Reportagen, Porträts, Interviews und ­ Hintergründe aus der Welt der Klassik – in einer besonders hochwertigen Ausstattung, sondern auch unsere ­ crescendo Abo-CD. Sie ist eine exklusive Leistung unseres c­ rescendo Premium-Abonnements. Premium-Abonnenten erhalten sechs Mal jährlich eine hochwertige CD mit Werken der in der aktuellen Ausgabe vorgestellten Künstler. Mittlerweile ist bereits die 44. CD in dieser crescendo Premium-Edition erschienen.

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* Als Premium-Abonnent registrieren Sie sich beim ersten Eintritt mit Ihrer E-Mail-Adresse und Ihrer Postleitzahl. Alle anderen crescendo PremiumKäufer oder -Leser brauchen für die erstmalige Registrierung den Registrierungscode. Dieser lautet für die aktuelle Ausgabe: Registrierungscode:

23041972

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Einladung

P r o g r a m m

zum Klangtest

G

uten Tag, mein Name ist Günther Nubert. Meine Liebe gehört der Musik, meine Leidenschaft ihrer unverfälschten Wiedergabe. Seit fast 40 Jahren entwickeln und bauen wir hochwertige, durch und durch ehrliche Lautsprecher, mit denen wir anspruchsvolle, aber preisbewusste Musik- und Heimkino-Liebhaber begeistern.

Über 600 Test-Erfolge und Auszeichnungen unterstreichen die Qualität und das hervorragende Preis-Leistungs-Verhältnis unserer Boxen, Subwoofer und Surround-Sets.

Testen Sie unsere Lautsprecher einen Monat lang zu Hause, in aller Ruhe, mit Ihrer Musik und Ihren Filmen, an Ihrer Anlage. Die beste Grundlage für ein unbeeinflusst eigenes Urteil.

10 Patricia Petibon Ein Anruf bei.... der Opernsängerin, die für zwei Tage einen Radiosender leitete.

14 Armin Mueller-Stahl Ein Kaffee mit... dem Weltstar, der sehr unterhaltsame Geschichten erzählte.

38 Vladimir Horowitz Wie ist die neue Box, auf der die Carnegie-Hall-Konzerte des großen Pianisten verewigt sind?

STandards

Künstler

hören & Sehen

03.... Prolog Der Herausgeber stellt die Ausgabe vor. 06.... Ensemble Mit unseren Autoren hinter den Kulisssen. 08.... Blickfang Das Lucerne Festival unterstützt die TsunamiKatastrophe in Japan. 10..... Ouvertüre Ein Anruf bei Patricia Petibon, Britten-Wissen und die Playlist von „Schiller“. 28.... Personalia Zum Tod von Paul Kuhn. 31..... Impressum

14..... Ein Kaffee mit ... Armin Mueller-Stahl. 16..... A nne-Sophie Mutter Die Geigerin über ihre erste Aufnahme mit den Berliner Philharmonikern nach 30 Jahren. 20.... Sharon Kam Die Klarinettistin veröffentlicht ein Album mit Opernarien. 22.... Simone Kermes Der Barockstar auf neuen Wegen – im Belcanto. 24..... R icCardo Chailly Ein Treffen mit dem Dirigenten in Salzburg. 27.... N EWCOMER Zsofia Boros verzaubert das Publikum mit ihrer Gitarre.

Stellen auch Sie fest: Unsere Lautsprecher halten wirklich, was wir versprechen!

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44.... Kolumne Axel Brüggemann über die neue „Intendanditis“. 46.... R ätsel des Alltags

29.... DIE WICHTIGSTEN EMPFEHLUNGEN DER REDAKTION 30.... Attilas Auswahl Die wichtigsten CDs unseres Kolumnisten. 36.... Die SchlürenKolumne: Über den Komponisten Norbert Burgmüller. 38.... Horowitz Die Box mit den Aufnahmen seiner Carnegie-Hall-Konzerte ist ein echtes Bonbon. 40.... Countertenöre Holger Wemhoff über ein Stimmphänomen, das erst jetzt richtig gewürdigt wird. 42.... Ak ustik Streaming: Wie kommt die Musik aus dem Computer?

82.... Die Letzte Seite mit Daniel Hope, der beim ECHO Klassik war.

Ehrliche Lautsprecher Günstig, weil direkt vom Hersteller ■ 4 Wochen Rückgaberecht ■ Direktverkauf und HiFi-/Heimkino-Studios: D-73525 Schwäbisch Gmünd und D-73430 Aalen ■ Bestell-Hotline mit Profi-Beratung gebührenfrei in Deutschland 0800-6823780

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Fotos: Felix Broede / DG; TomWagner.com; Klemens Beitlich

Nubert Lautsprecher erhalten Sie nur bei uns im Direktversand. Die gesparten Vertriebskosten investieren wir in die Ausstattung und Güte unserer Produkte.


1 CD · 0300530BC

Neuheiten bei Berlin Classics

»Reveries«

Schumann · Saint-Saëns · Glasunov · Strauss

FELIX KLIESER Horn Christof Keymer

Klavier

68 Richard Wagner Der Blanc-Verlag hat die originalen Kupferplatten von Franz Hanfstaengl.

76 Philippe Jaroussky Wo der Countertenor und andere Stars auftreten, finden Sie auf den Termine-Seiten.

gesellschaft

Lebensart

erleben

62..... Reise crescendo zu Besuch bei den Meraner Musikwochen und im schönen Südtirol. 65.... Reisetipps Das Grand Hotel Zell am See. 66.... Weinkolumne Dirigent John Axelrod über den Wein, der zu Witold Lutosławski passt. 68.... Kupferdruck Der Blanc-Verlag fertigt aufwändige Kupferdrucke nach historischem Verfahren.

70.... Konzertreise Die Audi Jugendchorakademie in Italien – wir waren dabei. 72..... wettbewerb Die international Telekom Beethoven Competition in Bonn sucht junge Beethoven-Interpreten. 74..... Simon Gaudenz Der Dirigent über seine Ziele mit der „Hamburger Camerata“. 76..... Vorschau Die wichtigsten Termine für den Herbst.

Fotos: privat; Marc Ribes licensed to Erato / Warner Classics

47..... K lassik in Zahlen 48.... Backstage Wie entsteht eine Aufnahme von Brittens „War Requiem“? 50.... Interview Der Tonmeister Martin Sauer über eine revolutionäre Aufnahme der Matthäuspassion. 52..... Sol und ihr Lehrer Ein Gespräch mit Sol ­Gabetta und ihrem Lehrer Ivan Monighetti. 54.... Junge Oper Mit ungewöhnlichen Aktionen finanziert die Sommer Oper Bamberg ihren „Don Giovanni“. 56.... K lavier LerneN Ein Lehrer bietet Schnupperkurse für Erwachsene. Wir waren dabei und haben's ausprobiert. 58.... Woher kommt... ... der Tristanakkord? 60.... Das erste Mal Musiker erzählen, wie sie mit der Welt der klassischen Musik in Berührung kamen.

Exklusiv für Abonnenten

»Vienna 1789«

Mozart · Haydn · Beethoven

SEBASTIAN KNAUER

Klavier

Zürcher Kammerorchester Sir Roger Norrington

Mozarts spätestes und Beethovens frühestes Klavierkonzert: eine Momentaufnahme großer Kompositionen, faszinierend dargeboten.

1 CD · 0300532BC

52 Sol Gabetta Die Cellistin und ihr Lehrer Ivan Monighetti über ihre gemeinsame Arbeit.

1 CD · 0300551BC

Reizvolle romantische Stimmungsbilder: Der junge Ausnahmehornist spielt auf seinem CD-Debüt Werke aus Frankreich, Russland und Deutschland.

»Trialog – Music for the One God«

Hören Sie die Musik zu u­ nseren Texten auf der ­crescendo Abo-CD – exklusiv für Abonnenten. Infos auf den Seiten 3 & 67.

Vivaldi · Schütz · Hafiz Post · Mesut Efendi

PERA ENSEMBLE Gesänge aus dem Christentum, Islam und dem Judentum – eine Verbindung stiftende Musikcollage dieser drei Weltreligionen.

JETZT IM HANDEL SOWIE ALS DOWNLOAD ERHÄLTLICH.

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Weitere Informationen und den Katalog erhalten Sie bei: Edel Germany GmbH, Hamburg · Telefon (040) 89 08 53 13 www.edelclassics.de

Videos auf youtube.com/berlinclassics


E n s e m b l e

Hinter der Bühne

Die Welt von crescendo lebt von den Künstlern & Mitarbeitern, die sie mit Leben füllen. Deshalb der gewohnte Blick hinter die Kulissen der Produktion.

Holger Wemhoff Unser Autor und Klassik Radio-Chefmoderator durfte für das aktuelle Heft einen dieser seltenen Gesprächstermine wahrnehmen: Wemhoff traf in Berlin Weltstar Armin Mueller-Stahl auf einen lockeren Kaffee. Wemhoff, stets gut vorbereitet, wusste zwar viel, Mueller-Stahl überraschte ihn aber dann doch mit ein paar echt spektakulären Anekdoten. Als Mueller-Stahl das Interview zur Ansicht bekam, sagte er nur: „Sehr schön. Ich hätte gar nicht gedacht, dass ich in diesem Alter noch so unterhaltsam sein kann.“ Das wirklich lesenswerte Interview finden Sie auf Seite 14/15.

Robert Kittel Der crescendo Chefredakteur reiste für diese Ausgabe zu den M ­ eraner Musikwochen ins schöne Südtirol. Als er kurz nach der Anreise zur Matinee spazierte, stand gleich ein wahres Highlight auf dem Programm: Klaus-Maria Brandauer las Mozart-Briefe, begleitet von Daniel Hope und Sebastian Knauer. Da Hope als crescendo-Kolumnist quasi zur Familie gehört, durfte Kittel nach der Vorstellung in die Katakomben und dem inzwischen 70-jährigen Schauspieler „Servus“ sagen. Danach widmete sich Kittel wieder der Recherche über die Destination. Seinen Bericht lesen Sie auf Seite 62. PS: Das Foto schoss übrigens Sebastian Knauer, Brandauer gab ihm die Anweisungen, wo sich der Auslöser befindet.

Peter Krause Zu Hause ist unser Autor in der Stadt des Hafens und des Handels, aus der er gern über musikalisch Bedeutsames, u.a. in „Die Welt“ berichtet. Und doch weiß unser Autor wohl, dass Hamburg keine Musikstadt ist und allein durch den Bau der Elbphilharmonie auch nicht werden wird. Auf der Suche nach mehr musikalischem Geist schweift er deshalb gern in die Ferne. Seine letzte Pilgerfahrt führte ihn nach Rom, wo er einen der weltbesten Chöre hörte und mit dem von Renzo Piano konzipierten Auditorium Parco della Musica ein integratives Kulturzentrum kennenlernte, das er den Politikern seiner Heimatstadt zur Inspiration empfiehlt. Hier beobachtete er auch die CD-Einspielung von Brittens „War Requiem“, über die er auf Seite 48 berichtet.

Herzlich bedanken möchten wir uns bei den wirklich zahreichen Gratulationen und Gratulanten, die uns zum Jubiläum „50 Jahre Klassikzeitschriften im Hause Hanuschik – 15 Jahre crescendo“ erreicht haben. Vor allem hat uns gefreut, dass unsere Jubiläumsausgabe mit den goldenen Lettern auf dem Cover anscheinend sehr gut ankam. Manche, wie zum Beispiel unser treuer Anzeigenkunde Günther Nubert, sandten sogar Geschenke wie den abgebildeten Rotwein (eine Nubi-Sonderedition sozusagen). Wir werden uns nun bemühen, die nächsten 50 Jahre Klassikzeitschriften so angenehm, informativ und unterhaltsam wie möglich zu gestalten.

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Fotos: privat, Sebastian Knauer;Tom Wagner.

Geschenke


AKTUELLE NEUHEITEN bei Sony Classical

MARTIN STADTFELD BACH: ENGLISCHE SUITEN 1-3 Martin Stadtfeld hat die ersten drei englischen Suiten von Johann Sebastian Bach im Konzerthaus Dortmund aufgenommen. Als Bonustrack ist Bachs berühmtes „Air“ in einer Bearbeitung von Alexander Siloti zu hören.

VITTORIO GRIGÒLO AVE MARIA Wer könnte diese besinnliche geistliche Musik aus dem Umfeld der Sixtinischen Kapelle in Rom schöner singen als der italienische Star-Tenor, der als Junge im Chor der Sixtinischen Kapelle Singen lernte.

SIMONE KERMES BEL CANTO Von Monteverdi bis Verdi spannt Simone Kermes den Bogen auf dieser CD. Für sie sind die Arien von Verdi, Bellini, Rossini, Donizetti oder Mozart auf dieser CD nicht ohne Bezug zur barocken Tradition denkbar. Begleitet wird sie vom Concerto Köln auf historischen Instrumenten.

CHRISTINE SCHÄFER BACH CANTATAS Christine Schäfer hat mit den Berliner Barock Solisten und dem RIAS Kammerchor drei Bach-Kantaten aufgenommen: „Ich habe genug“, „Mein Herze schwimmt im Blut“ und „Ich bin vergnügt mit meinem Glücke“.

VLADIMIR HOROWITZ GREAT MOMENTS AT CARNEGIE HALL Ein Jahrhundert-Pianist in der legendären Carnegie Hall: eine hochwertige Doppel-CD mit den musikalischen Höhepunkten aus den größten Konzerten und einem umfangreichen Essay zur Geschichte von Horowitz und „seiner“ Carnegie Hall.

www.sonymusicclassical.de www.martinstadtfeld.de www.simone-kermes.de www.vittoriogrigolo.com www.christine-schaefer.com www.davidorlowskytrio.com

DAVID ORLOWSKY TRIO SYMPHONIC KLEZMER Das David Orlowsky Trio hat die schönsten Klezmer-Kompositionen erstmals für Trio und Orchester arrangiert. Sie spannen damit einen musikalischen Bogen von Weltmusik über Jazz bis hin zu Filmmusik. Gemeinsam mit der Kammerakademie Potsdam bekommen diese Neufassungen so eine völlig neue Dimension und Größe.


o u v e r t ü r e

„Man hat einen Knopf im Ohr, der säuselt“ Frau Petibon, wobei stören wir Sie gerade? Wie bereiten Sie sich auf die Tage als Redakteurin vor? Gestern habe ich eine Vorstellung von „RigoletNatürlich mache ich vorher einen genauen Plan, ich mag to“ gesungen, deswegen bin ich heute erschöpft. das Radio – und wenn ich dort die Gelegenheit habe, Ich fühle mich wie ein Marshmallow. (lacht). über die Schönheit von Musik und Kunst zu sprechen, dann ist das großartig! Wir haben gehört, Sie tauschen bald für zwei Tage Ihren Job und gehen zum Rundfunk... Sind Sie vor dem Mikro nervöser als auf der Bühne? Ja, ich werde kurz mal Chefredakteurin Wahrscheinlich. Es ist ganz schön kompliziert, diesen Job beim Radiosender France Musique. zu machen. Das ist deren Konzept: Sie laden MuSie sind kein Neuling im Rundfunk – letztes Jahr waren siker ein, für einen oder zwei Tage Sie einen Tag beim Fernsehen. Erinnern Sie sich noch mitzuarbeiten. Ich bin keine Modean einen besonderen Moment? ratorin, aber ich mag es, mit LeuOh ja, wenn man Fernsehen macht, muss man wirkten über Musik zu sprechen – nicht lich sehr geduldig sein. Man hat einen Knopf im Ohr, technisch oder oberflächlich, sondern der einem Sachen ins Ohr säuselt: „Achtung, seien ganz aus dem Herzen heraus! Sie vorsichtig, ihr nächster Gast ist sehr nervös...“ In diesem Moment musste ich schmunzeln, weil Sie dürfen in diesem Format auch anich diejenige sein musste, die als Moderatorin der dere Musiker für Gespräche einladen. Show Ruhe ausstrahlen und die anderen beruhiWissen Sie schon, wen? gen musste. Dabei bin ich ja auch eine KünstleDas wird sehr gemischt sein, ich werde rin. Für mich war es lustig zu sehen, weswegen Musiker aus Pop, Jazz und Klassik einlasich die Leute verrückt machten. Ich kenne die den. Wahrscheinlich nicht nur Musiker – Bühne, da wirft mich nichts mehr um. es könnte zum Beispiel auch ein Astrophysiker dabei sein. Ich mag die Mischung! Würden Sie die Bühne gegen das Fernsehstudio eintauschen? Ist es einfacher, Musiker zu interviewen, wenn man selbst Nein, ich bin so glücklich auf der Patricia Petibon (43) veröffentlichte im vergangenen Jahr „NouBühne! Aber als Künstler sollte Musiker ist? veau Monde“, ein Album mit Barockarien. Bevor sie Sängerin man immer neugierig bleiben und Ich glaube schon, denn du weißt wurde studierte die Französin übrigens Musikwissenschaft. alle Möglichkeiten ergreifen, über genau, worum es geht. Wichtig die guten Sachen zu sprechen. ist, dass man eine Vorstellung von den Menschen hat, die zuhören. Es geht nicht nur um die Diskus- Deswegen fange ich jetzt auch an, Meisterkurse zu geben und in sion mit einer anderen Person, sondern im Prinzip mit einem großen Kontakt mit der neuen Sängergeneration zu treten. Man muss einfach immer modern bleiben! Publikum. Man muss ein Vokabular benutzen, das alle verstehen. Interview: Anna Novák

1. AMERICA: VENTURA HIGHWAY

Playlist Welche Werke hört ­Christopher von Deylen* auf seinem iPod? Und vor allem, warum?

„Mehr Fernweh geht nicht - dieser Song von Amerika klingt genauso wie das Land in seinen besten Momenten: nach endloser Weite, rastloser Melancholie.“ 2. BOHREN & DER CLUB OF GORE: WELK

„Die Entdeckung der Langsamkeit. Eine Offenbarung für wirklich neugierige Musikfreunde. Man muss das gehört haben, es lässt sich mit Worten nicht beschreiben...“ 3. MANUAL: SANCTUARY

„Traumhafte, atmosphärische Ambient-Klänge aus Dänemark.“ 4. BURIAL: STREET HALO

„Vom Soundmagier Burial aus London. Wunderbar.“ * von Deylen ist der Kopf des Musikprojekts „Schiller“, auf dessen neuem Album „Opus“ auch Anna Netrebko, Hélène Grimaud und Albrecht Mayer mitwirken.

5. THE BELOVED: THE SUN RISING

„Einmal gehört, vergisst man die sanfte Stimme von Jon Marsh nicht mehr. Dazu ein betörendes Sopran-Sample.“

+++ Musikalisches Gedenken: Vor 50 Jahren wurde US-Präsident John F. Kennedy erschossen. Anlässlich seines Todes gab damals die Oakland Symphony beim Komponisten Darius Milhaud eine Komposition in Auftrag: „Murder of a Great Chief of State“. Dieses Werk erklingt nun vom Dallas Symphony Orchestra erneut zum Gedenken an Kennedy, ergänzt durch ein zeitgenössisches Werk des erst 18-jährigen Komponisten Conrad Tao, der das Attentat aus heutiger Sicht reflektiert: „The World is very different now“. +++ Das hätte John Cage gefallen: Im Rahmen des Jubiläums-Festivals „Cage100“ wurde im Oktober als Gemeinschaftsprojekt des Forum Zeitgenössischer Musik Leipzig und des Miller Theatre New York eine Mammut-Komposition weiter auf S. 12

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Foto: Felix Broede / DG

Ein Anruf bei ... Opernsängerin Patricia Petibon, die für zwei Tage Chefredakteurin beim Radiosender France Musique werden durfte.


Jubiläumsausgabe

Üb er

100

Persönlich keiten erzählen e xklusiv üb er d as M eer

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mare – Die Zeitschrift der Meere


bli c kf a n g

Lucerne Festival Ark Nova, Matsushima Puh, ist das die Zukunft des klassischen Konzertsaals? Zumindest ist es eine grundsätzlich sehr lobenswerte Variante, denn dieses aufblasbare mobile Ding verfolgt einen guten Zweck: Es steht nämlich in Japan, genauer in Matsushima, ein paar Kilometer nördlich von Sendai gelegen. Die Region leidet noch immer unter den Folgen des Tsunamis von 2011. Initiiert wurde das Projekt vom Lucerne Musikfestival und seinem Intendanten Michael Haefliger. Die Halle dient vom 27. September bis 13. Oktober als Spiel- und Begegnungsort für Künstler und Bevölkerung. Gustavo Dudamel eröffnete sie mit dem Tohoku Youth Orchestra, einem eigens für dieses Projekt zusammengestellten Orchester aus einheimischen Kindern und Jugendlichen. www.lucernefestival.ch

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Foto: Lucerne Festival Arknova

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o u v e r t ü r e

Britten-Wissen: Nachdem Benjamin Britten (1913 – 1976) dieses Jahr 100. Geburtstag feiert, sollten Sie mitreden können. Unsere Liste der wichtigsten (und unwichtigen) Fakten: Hochkultur

Familie

Multimedial

In 140 Städten und 30 Ländern werden Brittens Werke dieses Jahr aufgeführt. Ganz oben in den Charts finden sich „The Young Person‘s Guide to the Orchestra“ (über 90 Mal) und das „War Requiem“ (46 Mal).

Für die Schule, an der sein Bruder Robert Direktor war, komponierte Britten den Liederzyklus „Friday Afternoons“. Als besonderes Ständchen sollen die Lieder nun an seinem Geburtstag in Schulen überall in Großbritannien erklingen – insgesamt nehmen etwa 75.000 Kinder teil!

Streng limitiert und numeriert gibt es jetzt bei Decca erstmals sämtliche Kompositionen Brittens als CD-Box zu kaufen – immerhin über 100 einzelne Werke! Auch dabei: Ein dickes Booklet mit Fotos, Essays und Kommentaren.

Sogar eine Uraufführung findet sich im Programm: Brittens „Elegy for Strings“ erklang erstmals im August 2013 im Rahmen der BBC Proms.

Neu aufgelegt wurde die Biographie „My brother Benjamin“ von Brittens Schwester Beth. Darin erinnert sie sich an die gemeinsame Kindheit, veröffentlicht aber auch Briefe aus späterer Zeit.

Decca gratulierte übrigens auch schon zum 50. Geburtstag des Komponisten: Die Plattenfirma veröffentlichte 1963 einen Mitschnitt der Proben für die Einspielung des „War Requiems“.

Kein Staatsbesuch ohne Britten: Der Bariton Tom Appleton wollte mit einer Petition durchsetzen, dass in Zukunft Brittens Version der britischen Nationalhymne verwendet wird. Allerdings war das nicht sehr erfolgreich: Es unterschrieben nur 121 Leute.

Seine musikalische Ausbildung verdankte Britten übrigens vor allem seiner Mutter Edith. Die Hobbysängerin und -pianistin war überzeugt, dass ihr Sohn einst ein großer Musiker werden würde und vermittelte ihm schon früh die Grundlagen auf dem Klavier.

Darf im 21. Jahrhundert natürlich nicht fehlen: Ein Britten-App! „A Young Person‘s Guide to the Orchestra“ soll Kinder anhand von Brittens Musik, Spielen, Illustrationen und kurzen Texten in die Welt der Musik einführen.

Komplett mit Originaleinrichtung (inklusive Flügel) kann seit diesem Jahr auch Brittens Atelier im „Red House“ in Aldeburgh besichtigt werden. Ebenfalls neu eröffnet wurden dort unter anderem eine Ausstellung und der „Britten Trail“, auf dem sich wichtige Orte in Aldeburgh erleben lassen.

Eigene Kinder hat Britten zwar nicht, mit dem britischen Komponisten Michael Berkeley dafür aber ein würdiges Patenkind.

Einen Film über Brittens Jugendzeit bringt zu dessen Geburtstag Tony Britten (kein Verwandter!) heraus. In „Benjamin Britten - Peace and Conflict“ soll vor allem der Pazifismus des Komponisten beleuchtet werden.

Immerhin 6,5 Millionen Pfund lässt sich die Britten-Pears-Foundation den runden Geburtstag kosten. Auch wenn wir nicht ganz so viel investieren – Happy Birthday, Benjamin Britten!

„Er (ein Radioreporter) wollte wissen, wie ich mit einem so wütenden Judenhasser wie Richard Wagner denn eigentlich zurechtkomme. Ich habe ihm spontan geantwortet: „Es gab und gibt viele edle Menschen auf Erden, aber sie haben weder den Tristan geschrieben noch die Meistersinger.“ aus der Autobiografie „Mein Leben“

G E L E S E N N O T I E R T Die schönsten Zitate von Marcel Reich-Ranicki über Musik

„Dass Webers ‚Oberon‘ misslungen ist, weiß jeder Tankwart in Deutschland.“

Britten ist der erste britische Komponist, dem eine eigene Münze gewidmet wird: Neben Namen und Geburtsdatum sind darauf die Worte „Blow, bugle, blow: set the wild echoes flying“ zu lesen, die aus Brittens „Serenade for Tenor, Horn and Strings“ stammen.

Außerdem wurden zu Brittens Geburtstag auch eine Briefmarke, eine Süßigkeit und sogar ein eigenes Bier kreiert. Cheers!

„Was meine Frau und ich sehr im Fernsehen vermissen, ist klassische Musik – es muss ja nicht immer Karajan sein. Stattdessen wird man viel zu oft mit dieser ­Volksmusik belästigt, das ist ganz schlimm.“ im Interview mit „arte“

im Interview mit der „Welt am Sonntag“

uraufgeführt und im Internet übertragen: „Party Pieces“ besteht aus 125 einzelnen Kompositionen. +++ Sommer der Absagen: Wegen Feueralarm in der Royal Albert Hall (durch „geringfügige Probleme mit der Stromversorgung“ gab es Rauchentwicklung) fiel die „Classic FM Live“-Night aus, in der New Yorker Carnegie Hall musste ein Konzert des Geigers Joshua Bell wegen Streik der Bühnenmitarbeiter abgesagt werden. +++ Andris Nelssons verlässt das City of Birmingham Orchestra. Er scheidet 2015 als Chefdirigent aus. Stattdessen übernimmt der 34-Jährige die musikalische Leitung des Boston Symphony Orchestra. +++ Texte schreiben auf dem Klavier? Informatiker aus Saarbrücken haben ein System entwickelt, mit dem man auf der Klavier-

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Fotos: Steinway; itunes/apple; Adnams

Brittens Musik lebt weiter – die Incorporated Society of Musicians hat einen Wettbewerb für junge Komponisten ausgeschrieben. Aufgabe: Ein Werk für Gesang, das von Brittens Musik inspiriert wurde.

Nun gut


Wagners Steinwayo u v e r t ü r e AUF REISEN

Wandernder Wagner Der Komponisten-Steinway auf Reisen

pa s d e D e u x

Im Jahr 1876 schenkte die berühmte Klavierbauerfirma Steinway & Sons New York dem Komponisten Richard Wagner einen ihrer Flügel. Als „Festgruß aus Steinway Hall“ übergaben sie das Instrument zur Eröffnung der ersten Bayreuther Festspiele auf dem Grünen Hügel. Seither steht das wertvolle Instrument in der Villa Wahnfried und kann dort von Wagnerianern aus 14. allerbis Welt begutachtet MÜNCHEN 20. Oktoberwerden. Außer Richard Wagner spielte einst auch Franz Liszt auf diesem Flügel und zeigte sich davon begeistert. Das können nun auch „Normalsterbliche“. HAMBURG 21. bis 27. Oktober Anlässlich Wagners 200. Geburtstag gastiert der original WagnerFlügel Opus 34304 in diesem Jahr in verschiedenen deutschen Städten: BERLIN 28. Oktober Bis 20. Oktober in München, vom 21.bis bis 3. 27.November Oktober in Hamburg, vom 28. Oktober bis 3. November in Berlin, in Düsseldorf steht er vom DÜSSELDORF 4. bis vom 10. November 4. bis 10. November und in Frankfurt 11. bis 17. November. Auf dem Flügel darf auch richtig gespielt werden! Einen persönlichen Anspieltermin kann man per Mail11. an bis wagner@steinway.de FRANKFURT 17. Novembervereinbaren.

Fotos: PR

Viele Künstler aus der Welt der klassischen Musik ähneln anderen Prominenten derart, dass wir sie in diese Rubrik packen müssen. Diesmal: Kristjan Järvi und John Travolta.

Noch ein Double in der Järvi-Familie: Kristjan Järvi sieht aus wie John Travolta – zumindest als der noch jünger war.

Hornisten hörgefährdet Für das Blech ist es im Orchester zu laut. Das australische „Journal of Occupational and Environmental Hygiene“Sie sorgt sich um Vereinbaren Ihren Anspiel-Termin die Gesundheit von Hornisten das Risiko unter wagner@steinway.de eines Gehörschadens sei bei dieser Instrumentengruppe besonders hoch. In einer Veröffentlichung anlässlich eines Hornistentreffens im australischen Brisbane hatte ein Forscherteam der Universitäten Sydney und Queensland 142 Hornisten untersucht und befragt. Das Ergebnis: Rund die Hälfte der Hornisten zeigte Hörverluste, die auf erhöhten Lärm zurückgeführt werden konnten. Ein Fünftel litt unter Tinnitus.

12.10.– 29.11.2013 www.luxembourgfestival.lu

tastatur schreiben kann. Die Forscher haben nach diversen Rechenverfahren den Noten und Akkorden bestimmte Worte und Buchstaben zugeordnet. Klingt kakophon, macht aber Spaß. Weitere Infos auf pianotext.mpi-inf.mpg.de +++

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«Emigrant / Chants du Friûl» / Nadia Fabrizio – «La Forza del Destino» de Giuseppe Verdi – Orchestre Philharmonique du Luxembourg – Quatuor Ebène – Ciné-Concert The Artist – Ernst van Tiel – Ludovic Bource – Francesco Tristano & Saburo Teshigawara – Venice Baroque Orchestra – Andrea Marcon – Philippe Jaroussky – Tito Muñoz – Christian Gerhaher – Hofesh Shechter’s «Sun» – Grigory Sokolov – «Plexus» / Aurélien Bory & Kaori Ito – Emmanuel Krivine – «Anna» / Cécile de France – Filarmonica della Scala – Andrés Orozco-Estrada – Wayne Shorter Quartet – The Cleveland Orchestra – Franz Welser-Möst – «Remember Shakti» / John McLaughlin – Zakir Hussain – «Hors–Champ» / Compagnie Michèle Noiret – Philipp Pickett – Vesselina Kasarova – «Le crocodile trompeur / Didon et Énée» – Orchestra of the Mariinsky Theatre – Valery Gergiev – Yuri Vorobiev


o u v e r t ü r e

Auf einen Kaffee mit ...

Foto: TomWagner.com

Armin MUeller-Stahl

Schauspieler Armin Mueller-Stahl (82) beim crescendo-Kaffee-Termin in Berlin.

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Herr Mueller-Stahl, Sie wollten eigentlich Geiger werden. Nun spielen Sie in Ihrem Konzertprogramm „Es gibt Tage“ immer mal wieder selbst. Wie fühlt sich das an? Armin Mueller-Stahl: Ich habe ja fünfzig Jahre nicht Geige geübt, die hole ich jetzt erst wieder für meine Konzerte raus. Ich habe eigentlich immer ganz gut gespielt, das kommt nun wieder durch. Das ist wie Radfahren. Wenn man das einmal irgendwie gelernt hat, dann kann man’s. Ich habe früher zum Beispiel Mozarts D-Dur-Violinkonzert konzertreif gespielt. In jungen Jahren wollte ich immer, dass es möglichst schwer klingt. Und die Haare sollten fliegen! Haare? Welche Haare? (lacht) Damals hatte ich noch Haare. Da hatte ich Paganini im Auge. Ich habe sogar mal die „Zigeunerweisen“ öffentlich gespielt – ich weiß nicht wie – und die Haare flogen! Also spielt das Geigenspiel immer noch eine Rolle? Zumindest nehme ich momentan die Geige beinahe jeden Tag raus und spiele kurz darauf, dass die Finger laufen. Das ist wie Zähneputzen. Wann kamen Sie mit klassischer Musik in Berührung? Das war schon als kleiner Junge. Mein Nachbar war Geiger. Er spielte Vivaldi und hat mir die hohen Töne vorgespielt. Die klangen für mich wie Mücken am Ohr. Aber ich war fasziniert von seinem Instrument. Außerdem nannte sich meine wunderbare Mutter, wenn ihr beim Kochen etwas missglückt war, immer selbst das „H-Mollchen“. Als ich gerade in die Schule gekommen war, gingen wir mal ins Konzert, und dort wurde Schuberts „Unvollendete“ gespielt – in h-Moll. Und da klärte sich: Meine Mutter war die „Unvollendete“, wenn ihr etwas nicht gelungen war. Diese Musik hat mich damals umgeworfen. In unserem Haus war immer Musik: Mein Vater sang LoeweBalladen, meine Mutter begleitete mich auf dem Klavier, wenn ich Geige spielte – sie spielte hervorragend. Doch dann kam der Krieg und spielte die Hauptrolle, da wurde die Geige natürlich weggelegt. Dann kam die Zeit nach dem Krieg … ... und mit ihr die Zeit des geistigen Frühlings. Ich zog mit dem Handwagen mit ein paar Kartoffeln, die ich irgendwo aufgegabelt hatte, darauf durch Berlin. Wir mussten und wollten ja überleben. Aber gleichzeitig hatte ich auch ein paar Barockputten gefunden, die ich noch mehr wollte als die Kartoffeln. Zu diesem Zeitpunkt war die Seele verdorrt und lechzte nach Kultur. Ich sah den großen Horst Caspar als „Josef K.“ im Schlossparktheater und als Hamlet am Deutschen Theater. David Oistrakh spielte im Osten, Yehudi Menuhin im Westen. Keilberg im Osten, Celibidache im Westen. Ich habe alle Konzerte dort gehört! Zu dieser Zeit begannen Sie auch Ihr Musikstudium? Ja. Die Philharmonie war damals im Titaniapalast beheimatet. Sonntagmorgens um elf Uhr gab es ein Konzert, das montagabends wiederholt wurde. Beide Konzerte habe ich mir immer angehört. Ich hatte einen Freund, der immer übersah, wenn ich mich reinschummelte. Wenn die Massen dort warteten, links und rechts an der Flügeltür die Kartenabreißer, dann hielt ich mich in der Mitte auf. Gerade rief ich nach hinten „Robert, die Karten! Kommt, kommt, kommt!“, und schwupps, war ich durch. Irgendwann wurde ich natürlich mal entdeckt, aber es gab dann einen Kartenabreißer, der immer die Augen zudrückte – und der mir sogar zuflüsterte, wo noch was frei war. Haben Sie besondere Konzerte in Erinnerung? Ich erlebte einmal Furtwängler im Konzert. Er dirigierte, unterbrach plötzlich mittendrin und schimpfte darüber, wie er empfangen wurde in London. Er schimpfte ungeheuerlich: „Meine Herren,

das ist wirklich Verrat an der Musik!“ Und er schimpfte und schimpfte, ich weiß gar nicht mehr, was er alles sagte. Und dann dirigierte er weiter. Sie haben also die ganzen Legenden noch erlebt! Man munkelt, Sergiu Celibidache habe Ihnen gar einst die Freundin weggeschnappt … Naja, nicht weggeschnappt. Sie war einfach viel mehr vom Maestro fasziniert als von mir! Immer wenn er nach Berlin kam, spielte er auch in der Hochschule für Musik. Wenn er kam, dann musste ich aus der Wohnung raus. Ich habe ihr mal ein schönes großes Bild gemalt und habe es in unserer gemeinsamen Wohnung an die Wand gehängt. Als ich wiederkam, war es weg. Da musste ich nicht lange raten: Dem Meister hatte das Bild nicht gefallen. Vor allem hat ihm nicht gefallen, dass sie noch einen Freund hatte. Und da hat er die Rache gleich an dem Bild vollzogen. Woran hat’s gelegen, dass sie ihn Ihnen vorzog? Nun ja, er war ein berühmter, junger, gutaussehender Mann. Da war er klar im Vorteil. Ich sah zwar als junger Mann auch ganz proper aus, aber ich war nicht berühmt, noch nicht (lacht). Diese Frau war eine sehr schöne Frau, ein Model, die einem aber eigentlich unglaublich auf die Nerven ging. Hin und wieder hatte sie sogar vor, sich das Leben zu nehmen. Sie kokettierte damit. Als sie einmal auf eine Straßenbahn zulief, bin ich hinterhergerast und habe sie gerettet. Dann lief sie ein zweites Mal. Und beim dritten Mal sagte ich: „Lauf in die andere Richtung!“, daraufhin verschwand ich ebenfalls – in die entgegengesetzte. Gibt es Komponisten, die Sie besonders schätzen? An erster Stelle muss ich da die vier Brahms-Sinfonien nennen. Die hätte ich auch alle dirigieren können. Ich hatte sie deswegen so verinnerlicht, weil ich sie von so vielen unterschiedlichen Dirigenten gehört habe. Aber auch Mahler. Auch Schostakowitsch, über den Sie mal einen Film gemacht haben? Mir hat der Mensch Schostakowitsch so leid getan, wie er in Amerika die moderne Musik ableugnen musste. Wie er sein Rückrat brechen hörte. Was für Scheißmusik hat er beispielsweise für Filme machen müssen, weil Stalin sie gerne hören wollte. Er war ein genialer Musiker. Unglaublich, was er an Musik im Kopf hatte. Wie ist es um Ihre Leidenschaft für die Oper bestellt? Die hat in der ersten Phase meines Lebens sehr nachgelassen. Für mich wurde die Oper ein ferneres Medium, weil ich als Schauspieler gerne reale Figuren sehen wollte. Die Sänger, die frontal dem Dirigenten zugewendet Liebeslieder singen – wie sollte das was werden: eine Beziehung, wo beide zum Dirigenten starren? Das hat mich immer irgendwie abgestoßen. Wenn ich die Oper mit geschlossenen Augen hörte, dann war es schön. Aber ich hatte meine Schwierigkeiten, sie live zu ertragen. Haben Sie noch Zeit und Muße, Konzerte zu besuchen? Immer! Wenn ich wo hingehen will, dann in Konzerte. Die Berliner Philharmoniker haben mich gerade zu ihrem Jubiläumskonzert eingeladen. Da will ich unbedingt hin. Dieses Orchester war mein Lieblingsorchester, das ich hörte, wann ich konnte. Ich habe so schöne Sachen erlebt im Konzert. Yehudi Menuhin beispielsweise, der die Chaconne von Bach spielte, 1947. Er unterbrach mittendrin, holte einen Zettel aus der Brusttasche und las den Brief einer Holocaust-Überlebenden. Er war der erste Jude, der in Deutschland wieder auftrat. Dann steckte er den Zettel zurück und spielte weiter – und plötzlich hatte die Chaconne eine andere Bedeutung. Ich habe nur Tränen gesehen in den Augen der Leute. Es sind viele Dinge, die ich erleben durfte, für die ich sehr dankbar bin – und die immer über die Kunst kamen. Interview: Holger Wemhoff

„Wenn ich wo hin gehen will, dann in Konzerte!“

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Das Mikrofon und die Ewigkeit Anne-Sophie Mutter veröffentlicht nach 30 Jahren erstmals wieder ein Album mit den Berliner Philharmonikern. Ein Gespräch über die Wiederbelebung des DvořákViolinkonzerts, Mutters Online-Videoblog und Roger Federers Facebook-Freunde. Intervie w: Anna Novák

„Die Spontaneität verschwindet und dann ist plötzlich diese Anspannung da. Das Mikrofon – oh! Die Ewigkeit – ah!“

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Foto: Harald Hoffmann / DG

crescendo: Stimmt es, dass Sie nach unglaublichen dreißig Jahren das erste Mal wieder mit den Berliner Philharmonikern im Studio saßen? Anne-Sophie Mutter: Ja! Erstaunlich, oder? Als wir mit der Aufnahme begannen, hatte noch niemand nachgerechnet. Dann, im Laufe des Tages, hieß es: „Stell dir vor: Es sind 30 Jahre!“ Das ist natürlich eine beachtliche Lebenszeit, in der sehr viele Aufnahmen entstanden sind, die eben nicht mit diesem wunderbaren Orchester waren. Die Welt ist groß, aber die Zusammenarbeit mit den Berlinern und besonders auch mit Herrn Honeck, mit dem ich ja bereits im Februar das Dvořák-Konzert in Berlin spielte, war derart großartig, und es hat irrsinnigen Spaß gemacht, mit diesem wunderbaren Orchester zu spielen. Ich glaube, das hört man auch! Auf jeden Fall! Wird man da nostalgisch? Wenn einem plötzlich auffällt: „Wow, 30 Jahre!“? Nein, gar nicht, außerdem ist das Orchester ja personell ein völlig neues – ich habe das bereits bemerkt, als ich dreizehn Jahre nach Karajans Tod das erste Mal wieder mit dem Orchester aufgetreten bin. Es gibt, glaube ich, aus meiner Kinderzeit nur noch ein oder zwei Musiker, und der Rest der Truppe hat sich völlig verjüngt und erneuert. Aber dieses Traditionsgefüge der Vergangenheit, dieses Klangverständnis und auch die Spieltradition, die ein Orchester so singulär prägt, sind geblieben. Das vererbt sich von Generation zu Generation. Die Berliner sind sich selbst treu geblieben, nur natürlich mit einem erweiterten Repertoire-Spektrum. Sie haben das beschrieben, was bleibt. Wenn Sie aber die – auch akustische – Veränderung in Worte fassen müssten, wie würden Sie diese beschreiben? Wir haben in der Philharmonie aufgenommen, einem Saal, den ich kenne, seit ich dreizehn war. Ich habe dort für Herrn von Karajan vorgespielt. Die Berliner sind genauso in der Lage, ihren Klang abzurufen – ihren ganz spezifischen Karajan-Berliner-Klang der Vergangenheit, wie sie auch in der Lage sind, einen sehr viel strafferen, klareren Klang an den Tag zu legen, wenn die Partitur das erfordert. Für den Dvořák brauchten wir natürlich schon dieses ganz typische, sehr Bass- und Cello-lastige, satte Berliner-Philharmoniker-Samt-Schnurren, das sich aber dann natürlich – wenn notwendig – auch in eine Raubkatze verwandeln kann. Ich finde, dass dieses Ensemble wie kein zweites über die Fähigkeit verfügt, mit ungeheurer Klangwucht aufzuspielen, sich dann aber auch zu einem Hauch zurückzuziehen, der immer noch Substanz besitzt, wenn es die Partitur fordert. Der Solist, das sind ja in diesem Falle Sie. Wenn Sie jetzt einmal zurückschauen auf diese dreißig Jahre – wie lange spielen Sie das Dvořák-Violinkonzert jetzt schon? Ja, sicher länger als dreißig Jahre ... Wieso war ausgerechnet jetzt der richtige Zeitpunkt, es auf CD aufzunehmen? Der richtige Zeitpunkt ist eigentlich seit einigen Jahren, weil ich mich verstärkt mit dem Repertoire beschäftigt habe. Das heißt, ich habe es immer wieder im Konzert aufgeführt, und spätestens, als wir das Konzert im Februar für die Digital Concert Hall auf Film aufnahmen, war uns klar, dass jetzt dringend auch die CD aufgenommen werden muss, weil diese symbiotische musikalische Beziehung zwischen Honeck, dem Orchester und mir im Dvořák sozusagen „pflückreif “ im Raum stand. Wir fanden sehr kurzfristig diese Aufnahme-Daten, die allerdings in den Terminkalendern von

Orchester, Dirigent und Solist wirklich nicht günstig lagen. Ich war gerade von einer dreiwöchigen Fernost-Reise mit völlig anderem Repertoire zurückgekommen, das Orchester hatte sie zwischen Orchesterdiensten und Konzerten eingeschoben, und Herr Honeck kam aus Amerika. Das war schon eine Willensanstrengung. Aber vielleicht waren wir auch gerade deshalb derart inspiriert und haben uns vom ersten Tag an mit voller Kraft und ungeachtet aller möglichen Anflüge von Jetlag oder sonstiger Störungen auf die Aufnahme eingelassen. Es hat ungeheuren Spaß gemacht, und wir hatten so ein Glück! Ich kann Ihnen gar nicht beschreiben, was das für ein wunderbarer Moment war, am Ende der Aufnahmen! Wie lange haben Sie dann letztlich für die Aufnahme gebraucht? Wir hatten insgesamt nur wenige Stunden zur Verfügung. Ich bin keine Musikerin, die gerne wiederholt. Die Spontaneität verschwindet, und dann ist plötzlich diese Anspannung da. Das Mikrofon – oh! Die Ewigkeit – ah! Für mich steht im Vordergrund immer: der große Wurf, die Emotion, das Zusammenspiel, auch wenn manches manchmal nicht auf die Sekunde genau zusammen ist. Das ist ein ästhetisches Moment, das mir im Konzert genauso begegnet, wie es auch auf der CD hörbar sein muss. Ist Ihre Interpretation des Dvořák-Violinkonzerts, wie Sie es heute spielen, eine andere als diejenige, die Sie vor über dreißig Jahren gespielt haben? Sicherlich. Besonders auch im Hinblick auf den letzten Satz, diesen schnellen Tanz, den man traditionell etwas gesetzter spielt und damit leider auch diesen wunderbaren Kontrast zu dem schwermütigen, melancholischen, langsameren „Dumka“-Thema in der Mitte verpasst. Also ich glaube, dass man im Laufe des Lebens sehr oft diese extreme Lebensfreude erfährt, die sich sowohl im Mendelssohn-, das ja dem Dvořák-Konzert in der Anlage sehr ähnelt, als auch im Dvořák-Konzert manifestiert. Vielleicht auch, weil man

„Werke, in denen das Orchester degradiert wird zu einer höflich summenden Begleitband, lagen mir noch nie besonders“ sich im Umgang mit der zeitgenössischen Musik einfach etwas freier fühlt, seine ganz persönliche Meinung zu dem Werk eines Komponisten zu sagen. Apropos persönliche Meinung: Sie sagen, dass Sie bereits sehr früh Ihre Liebe zu Dvořák entdeckt haben. Was fasziniert Sie so an ihm? Es ist das Unverwechselbare, das einen großen Komponisten auszeichnet, und wie immer ist es natürlich auch der Volkston, der in dem slawischen Lied- und Tanzgut bei Dvořák eine wichtige Rolle spielt. Sowohl das Melancholische als auch das überschäumend Lebensfrohe. Bei Dvořák ist es einfach so, dass in seiner Orchestration im Bezug auf das Violinkonzert auch eine Ästhetik des Kampfes liegt, die eigentlich wenig Rücksicht nimmt auf das Soloinstrument, die mir als Solist aber sehr gut gefällt. Werke von beispielsweise Vieuxtemps, Wieniawski, Viotti, Paganini, in denen das Orchester eigentlich degradiert wird zu einer kleinen, höflich summenden Begleitband, lagen mir noch nie besonders. Ich liebe es, 17


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Dirigent Manfred ­Honeck und Anne-Sophie Mutter bei den Aufnahmen in Berlin.

wenn ich gleichberechtigte Partner habe, gegen die ich mich, wenn nötig, auch durchsetzen muss. Joseph Joachim, der die Uraufführung spielen sollte, hat das Konzert damals aber „abgelehnt“ … Der gute Dvořák hatte das Unglück, dass sich Joseph Joachim erst einmal Jahre mit der Verbreitung des gerade erst uraufgeführten Brahms-Konzerts beschäftigt hatte und Dvořák praktisch ein Jahr nach dieser Uraufführung mit seinem Werk auf der Schwelle stand. Joachim befand sich aber – und ich halte das durchaus für erwähnenswert – in einem Rosenkrieg, und das drei oder vier Jahre lang, das zog sich mit Scheidung „on and off “ einige Jahre hin. Das hat ihn sicherlich emotional ziemlich verbraucht und bestimmt auch den Blick auf eine mögliche Uraufführung getrübt. Und das war mit ein Grund, dass er gesagt hat „Lieber Herr Dvořák, ich kann das Konzert leider doch nicht spielen.“? Ja. Ich meine: welch eine Ohrfeige, das Dvořák-Konzert zweimal mit einem Studentenorchester zu proben und es dann abzulehnen! Da muss noch mehr als nur das rein Künstlerische gewesen sein. Wie dem auch sei, ich bin gerne bereit, das Dvořák-Konzert jetzt noch einmal in den Mittelpunkt zu rücken, und vielleicht gelingt es ja 2013, dass das Dvořák-Konzert gleichberechtigt neben dem von Brahms bestehen darf. Was ist denn anstrengender: die Aufnahme-Session an sich oder die Listening-Session hinterher? Die Listening-Session hinterher, ohne Frage. Sich selbst anhören zu müssen, das habe ich immer schon als sehr schwierig empfunden. Es gibt natürlich glückliche Momente, es gibt aber auch Passagen, bei denen man denkt: „Mmh, das hätte ich im Zusammenspiel auch anders spielen können.“ Man hört nun mal die Geige, wenn man selbst spielt, anders, als es dann aus dem Lautsprecher erschallt. Es sind so viele „Out-of-Body-Experiences“, die da aufeinander treffen, dass das Anhören schwierig ist, auch weil man sich natürlich gnadenlos, mit dem Skalpell gezückt in der Hand, zuhört und eigentlich in erster Linie nur das identifizieren muss, was einen stört. Da geht es gar nicht um Nabelschau, sondern es geht

wirklich ans Innerste, und das ist natürlich auch ein schmerzhafter Prozess. Aber es ist schön, wenn dann etwas Gutes übrig bleibt. Na, das wollen wir dann doch mal ganz konkret wissen: Hatten Sie jetzt bei der Aufnahme einen Fall, wo Sie hinterher dachten „Hätte ich das doch anders gespielt …“? Es gibt, glaube ich, ein a im zweiten Satz, das nicht richtig anspricht (lacht). Nein, ich muss sagen, ich bin im Reinen mit dem Werk, und näher an dem, was ich über das Werk und mit dem Werk sagen wollte, war es in dem Moment nicht möglich. Ich habe mein Bestes gegeben, und das Orchester und der Dirigent wahrhaftig auch. Sprechen wir doch mal über den Dirigenten Manfred Honeck. Wie haben Sie die Zusammenarbeit mit ihm erlebt? Ich habe ihn kennengelernt, als er in Verbier für James Levine einsprang. Das Konzert dort sollte im Zelt stattfinden. Nun, die akustischen Umstände waren nicht besonders gut, es regnete an dem Abend, und bei Regen könnte man dort eine Pantomime aufführen, das wäre genauso gut. Aber ich war von Anfang an hingerissen von seiner Werkkenntnis. Honeck hat in dem Brahms-Konzert, das ich ja nun auch schon mit Herbert von Karajan und in den letzten Jahrzehnten mit wirklich großen Musikern gespielt habe, so viel Neues und für mich bisher Unauffälliges entdeckt. Ich war von Anfang an einfach hingerissen von seiner Fähigkeit, nicht nur ein Orchester zu inspirieren, sondern eben auch für ein spezifisches Werk ganz entscheidende Details und Charakteristika herauszuarbeiten, was sich dann auch wieder im Dvořák bewiesen hat – ausgesprochen ungewöhnlich! Zur etwa gleichen Zeit, ich glaube es war 2007, wurde er Chef des Pittsburgh Symphony Orchestra, und wir begannen auch mit dem Orchester eng zusammenzuarbeiten. Jetzt gehe ich mit ihnen auf meine dritte Europatournee. Es ist eine Zusammenarbeit, die auch dadurch so positiv geprägt ist, dass Honeck eine Geiger-Vergangenheit hat. Ich würde nicht sagen, dass ein Geiger zwangsläufig ein besserer Dirigent ist – weiß Gott vor allem dann nicht, wenn er keine saubere Schlagtechnik hat. Aber Honeck verbindet beides: diese Fähigkeit mitzuatmen, aber

„Sich selbst anhören zu müssen, das habe ich immer schon als sehr schwierig empfunden.“

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„Wir proben wie die Besessenen und schlagen uns – nur verbal gesagt – unsere musikalischen Ideen um die Ohren.“

Blog tiefer in die Substanz der auch seine sehr gute SchlagMusik eingestiegen sind? technik. Dadurch steht er als Ich denke schon, es geht mir Dirigent wirklich in der ersten selbst auch so: Es hilft, wenn ich Reihe. Eine eigentlich selten zu mehr über die Entstehungsgefindende Kombination, denn schichte weiß und man mich bei sehr oft ist ein dirigierender einem zum Beispiel sinfonischen Instrumentalist zufrieden mit Werk an die Hand nimmt, mir kompositorische Zusammenhänge der Musikalität, die er ausstrahlt und umsetzen kann, und bemüht oder Entstehungsprozesse vorführt und dann erst das ganze Werk sich nicht um eine wirkliche Perfektionierung der Schlagtechnik. präsentiert. Außerdem: Wissen hat noch nie geschadet. Wissen Bei Honeck ist es das ganze Paket: Er ist ein großartiger Mensch erhöht auf jeden Fall in der passiven Rezeption den Genussfaktor, mit wirklich bewundernswerten Werten im Leben. Es ist ein bissund es ist einfach eine Vertiefung des Empfindens. Genau darum chen wie mit Lambert Orkis, mit dem ich in diesem Jahr 25 Jahre geht es mir. Musik wird direkt ans Herz angeschlossen. Aber denkünstlerisch und auch menschlich verbunden bin, wir proben wie noch schadet es nicht, wenn man weiß, wohin man hören kann. die Besessenen und schlagen uns – nur verbal gesagt – unsere Und ich glaube, dieses genaue Zuhören, das wir zusehends verliemusikalischen Ideen um die Ohren. Aber am Ende des Tages ist es ren, auch weil wir in so einer wahnsinnig lärmenden Welt leben einfach immer dieses gemeinsame Atmen, das Fühlen, was der müssen, wird durch so einen Blog sicherlich angeregt, und darum andere will, wohin er geht, und das spontane Reagieren, was diese ging es mir letzten Endes: dass man genauer hinhört. Zusammenarbeit für mich so außergewöhnlich macht. Ähnlich ist Wie wichtig ist Ihnen diese mediale Präsenz im Internet? Bei es mit Manfred Honeck: Es passt einfach! Facebook haben Sie circa 60.000 Fans. Ist das dann auch ein Grund dafür, dass es trotz des knappen Ach, wirklich? Nicht ganz so viele wie Roger Federer, aber okay. Zeitrahmens so gut funktioniert und so ein tolles Projekt dabei (lacht) rauskommt? Wie viele hat der? Wir hatten im Februar bereits zusammen gespielt. Wir hatten eine Ach, über 13 Millionen. längere Probenphase und haben das Werk fast in der identischen Wahnsinn. Na, das ist doch dann ein Ziel. Besetzung für die Digital Concert Hall aufgenommen, so dass wir (lacht) Naja, da muss ich, glaube ich, das Genre wechseln … Facequasi die Vorproben für die Aufnahme schon mental im Gepäck book ist ja eine Seite, die ich nicht persönlich betreue. Meine Zeit hatten. Natürlich hat sich dann alles wieder ganz anders gestaltet, erlaubt es nicht, aber ich freue mich natürlich, wenn ich ab und zu aber mit diesem Wissen des „Wir waren schon mal da, wo wir jetzt nochmal hinwollen“ und natürlich auch der Zeitnot, die ich immer beim Durchschauen die vielen netten Mails sehe, aber das ist ein Medium, in das ich nicht persönlich einsteigen werde. schon als positiv empfunden habe, lief es sehr gut. Ich sehe das Was war der letzte gute Film, den sie gesehen haben? auch an meinen Kindern: Wenn die unter Zeitdruck stehen, also „Midnight in Paris“ ist schon hundert Jahre her, aber den fand ich wenn sie beispielsweise wissen, ein Examen ist in 24 Stunden, sind eigentlich wunderbar inspirierend. Ich war auch kürzlich in Paris, sie auch in der Lage, kurzfristig wirklich unglaublich viel „reinzuund da haben meine Kinder und ich beschlossen, wir werden mal packen“ und dann unter Stress und diesen druckvollen Bedinguneine kleine Tour machen, und zwar auf den Spuren dieses Films. gen alles abzurufen. Komfort von Zeit oder Umständen macht nur Ich gehe oft ins Kino, aber wirklich gute Filme sind rar. Ich schaue bequem und schlapp. Das Dvořák-Konzert verlangt ja genau das eigentlich vieles an, und ab und zu ist da auch mal ein Film dabei, Gegenteil. der einem irgendwie im Gedächtnis bleibt. „Side Effects“ war beiSie sind auf der Internetseite Ihres Labels Deutsche Grammospielsweise auch sehr interessant. phon ja ganz modern mit einem Videoblog vertreten, haben Also verreisen Sie auch privat noch gerne? dort online den kompletten Aufnahmeprozess begleitet. Von Ehrlich gesagt, bin ich wahnsinnig gerne zuhause, da bin ich dann diesem ersten Konzert im Februar bis jetzt zum Schluss. Macht schrecklich langweilig und möchte nicht gleich wieder den Koffer Ihnen diese Art von Medium Spaß? packen. Sehr zum Leidwesen meiner Kinder. Ja. Ich habe mich natürlich intensiv damit beschäftigt, was ich wie Die würden gerne noch ein bisschen reisen? sage, also in kompakter, informativer, aber doch nicht langweiliger Form, und manchmal war es auch schwierig, alles zeitlich hinzube- Wir arrangieren uns in der Mitte: Wir reisen, und dann sitzen wir aber auch gerne wieder zuhause kommen. Wenn ich auf Recital-Tourund schauen uns die Bäume an. nee war beispielsweise, dann habe ich Konzert-tipp Kurz noch zu Ihrem Jubiläum: Sie den einzig freien Vormittag dazu sind gerade 50 geworden, haben genutzt, erst mal die Kamera auf so 31.10.13 20.00 Uhr Sie gefeiert? einem komischen Stativ zu installieren Baden-Baden, Festspielhaus Ja, mit Familie und Freunden. Deutsche Erstaufführung von „Ringtone Variations“, (lacht). Aber sonst hat sich der Videoeinem Auftragswerk der Anne-Sophie Mutter StifEs ist einfach wunderbar, wenn ich Blog eigentlich auch in meinen Tertung, außerdem Werke von Kreisler, Grieg, Debussy meinen Bruder sehen kann, seine minkalender ganz gut einbauen lassen. und Franck. Recital mit Anne-Sophie Mutter, Familie und natürlich die Familie Ihr Blog hat ja auch einen richtig Lambert Orkis und Roman Patkoló meines verstorbenen Mannes, dann musikvermittelnden Aspekt … noch ein paar Freunde, StipendiaNa, hoffentlich! Das neue Album: „Dvořák“ Anne-Sophie Mutter, Berliner Philharmoniker, Manfred Honeck ten und so weiter. Das war ein Fest Können Ihre Zuhörer, die die CD (Deutsche Grammophon) für mich. jetzt kaufen, die Musik besser n aufnehmen, weil sie durch diesen 19


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„Die Klarinette hat eine größere Tessitur als die Stimme!“ Ein Treffen mit Sharon Kam, die auf ihrem neuen Album mit origineller Zusammenstellung überrascht. v on C l e m e n s M a t u s c h e k

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er Hund ist echt! Ja, wirklich!“ Lachend beantwortet Sharon Kam die skeptische Nachfrage des Interviewers. Bei dem offenbar musikliebenden Vierbeiner handelt sich nicht etwa um eine Gipsnachbildung von Nipper, dem legendären lauschenden Wappentier des Plattenlabels „His Master’s Voice“, sondern um Annie, die Hündin der Fotografin Maike Helbig. „Sie wuselte während des ganzen Shootings um uns herum und wollte unbedingt mit aufs Foto“, erzählt die Klarinettistin Sharon Kam fröhlich, „und da haben wir uns eben einen kleinen Spaß erlaubt.“ Und Ent20

warnung für alle Tierschützer: Die Ohren wehen nicht etwa im Schalldruck der Klarinette, sondern sehen immer so aus. „Ganz sanft“ habe sie gespielt, versichert Sharon Kam. Dass sie tatsächlich über einen samtweichen Ton verfügt, demonstriert sie auch auf ihrem Album „Opera!“, das soeben erschienen ist. Wir treffen uns zum Gespräch in der Künstlergarderobe der Hamburger Laeiszhalle – sozusagen Sharon Kams Wohnzimmer hier in der Hansestadt; ihr Hauptwohnsitz ist Hannover. Sie lässt sich auf einem schwarzen Ledersofa nieder, legt ihre offenen Haare von der einen auf die andere Seite und ein Bein über das andere.

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Fotos: Maike Helbig

Klarinettistin Kam: „Ein Wirbelwind, quirlig und fröhlich, und eine exzellente und wunderbar zugängliche Musikerin.“


Spätestens seit die in Tel Aviv geborene Musikerin den renommier- Arie die Tradition, eigene Verzierungen einzubauen. Rossinis Rohten ARD-Wettbewerb in München 1992 gewann, spielt sie regel- fassung ist nämlich ziemlich ‚nackt’. Warum also nicht?“ Allzu mäßig mit den bedeutendsten Orchestern und Kammermusik- große Skrupel legten Tarkmann und Kam ohnehin nicht an den partnern. Im Mai 2014 wird sie hier in Hamburg wieder ihr Instru- Tag. „Nacqui all’affano“ beispielsweise setzten sie einen Halbton ment auspacken, um gemeinsam mit befreundeten Stars wie höher, die Maometto-Arie eskaliert mittendrin um eine Quinte. Isabelle van Keulen und Gustav Rivinius die Klarinettenquintette „Sonst wäre es einfach zu langweilig“, sagt Sharon Kam und wirkt von Mozart und Brahms aufzuführen. Diese beiden Werke bilden dabei weder arrogant noch schuldbewusst. „Die Klarinette hat nun zusammen mit den großen Klarinettenkonzerten von Mozart und mal eine größere Tessitur als die menschliche Stimme. Die tollsten Weber den Kern eines reichhaltigen Repertoires, das viele hervor- Koloraturen wirken simpel, wenn ich sie eins zu eins nachspiele. Ich ragende Solisten ernährt: neben Sharon Kam etwa Sabine Meyer, möchte aber immer alles bis zum Äußersten ausreizen. Also habe Martin Fröst oder Jörg Widmann. Bei den Holzbläserkollegen aus ich zu Andreas gesagt: ‚Sorry, aber bis zum hohen C müssen wir rauf.’“ Dafür übt Sharon Kam auch etwa drei Stunden tägden Abteilungen Flöte, Oboe und Fagott sieht es da personell lich. Ganz ohne innere Überwindung geht das nicht, und repertoiremäßig deutlich dünner aus. wie sie selbst mit entwaffnender Offenheit zugibt: Dennoch hatte Sharon Kam zuletzt wieder ein„Ich fühle mich dann wie ein Kind, das in die mal Lust, aus dem Kanon auszubrechen. Den Badewanne soll: Erst will es nicht rein, dann Anlass lieferte ihr Ehemann, der Operndirigent will es nicht wieder raus.“ Gregor Bühl. „Wir sind seit fast 20 Jahren verEin weiterer wichtiger Partner ist für heiratet, und in dieser Zeit habe ich natürlich Sharon Kam das Württembergische Kamviel von der Oper mitbekommen, Produktiomerorchester Heilbronn (WKO), das sich auf nen begleitet, mitgefiebert. Ich liebe die Oper!“ dieser Aufnahme als sensibler Begleiter allerIhre braunen Augen leuchten, ihre Hände flieerster Güte präsentiert. Die Verbindung reicht gen durch die Luft. „Aber konkrete Berührungslange zurück: „Das WKO war eines der ersten punkte hatten wir eigentlich nie. Ich habe auch deutschen Orchester, mit dem ich nach dem Gewinn noch nie im Orchestergraben gespielt, was ich mir des ARD-Wettbewerbs zusammenarbeitete“, erzählt wahnsinnig stressig vorstelle. Na, jedenfalls erlebte er Sharon Kam. 1998 nahm man zusammen das Mozart-Konzert einmal einen tollen Arienabend mit Cecilia Bartoli und schlug auf, und obwohl Kam inzwischen eine neue Einspielung mit der mir sofort vor, so etwas auch zu machen.“ Die Idee fiel auch deshalb auf fruchtbaren Boden, weil Sharon Haydn-Philharmonie und – der entscheidende Knackpunkt – auf Kam ohnehin stets vom Gesang her denkt. „Schon mein erster Leh- der Bassettklarinette nachgelegt hat, riss der Kontakt nie ab. „Ich rer, Chaim Taub, bezog sich – etwa bei Fragen der Phrasierung – wusste, dieses Orchester und sein Leiter Ruben Gazarian sind immer auf die menschliche Stimme. ‚Wie würde man diese Melodie genau die Richtigen für dieses Projekt.“ WKO-Intendant Chrissingen?’, lautete die Frage. Singen kann ich zwar leider nicht wirklich toph Becher gibt das Kompliment artig zurück: „Sharon Kam ist gut – das überlasse ich lieber meinen drei Kindern –, aber auf dieser ein Wirbelwind, quirlig und fröhlich, und eine exzellente und musikalischen Grundlage arbeite ich noch heute. Von daher fand ich wunderbar zugängliche Musikerin. Wir freuen uns immer wieder aufs Neue über die Zusammenarbeit mit ihr.“ es naheliegend, tatsächlich mit der Klarinette zu singen.“ Im November geht man gemeinsam auf Tournee, um das Gesagt, getan. Doch einfach nur die beliebtesten Arien nachzuspielen, war Sharon Kam zu platt. „Das gibt es ja schon en masse. neue Album live vorzustellen. Sonst konzertiert Sharon Kam Und was bringt es, wenn man im Hinterkopf die ganze Zeit das überraschend wenig, nur etwa 50 Abende im Jahr. Es gibt KolleOriginal hört? Nein, wir mussten schon intensiv auf die Suche gen, die locker auf die doppelte Zahl kommen. Doch mehr gehen, um ein originelles Programm zusammenzustellen.“ Der möchte sie gar nicht machen, schließlich soll das Familienleben Arrangeur Andreas Tarkmann entpuppte sich dabei als optimaler nicht zu sehr leiden. Und vielleicht lässt sich am Ende ja doch ein Partner. Er bearbeitete weithin unbekannte Kunstlieder von Verdi persönlicher Wunsch verwirklichen. Sharon Kam besitzt nämund Puccini und stellte aus Opernzwischenspielen des „Zuspätro- lich (noch) keinen Hund. „Mein Mann und ich müssen ja schon unsere Termine koordinieren und mantikers“ Ermanno Wolf-Ferrari abstimmen, wer für die Kinder da ist. ein veritables Klarinettenkonzert Wie ist ihr neues Album? Wer soll da mit dem Hund Gassi zusammen. Die Bandbreite der gehen? Außerdem gibt es ja auch erspielten Gefühlszustände ist daher Wer die Klarinette mag, muss Sharon Kam lieben. Hunde, die bei Musik immer mitsinSo technisch makellos und doch gefühlvoll, so spritähnlich hoch wie auf konventionelzig und schmelzend muss auch ein Sänger die Melogen möchten und fürchterlich jaulen. len Arienzusammenstellungen, aber dien ihrer neuen Platte erstmal über die Rampe brinSo einer wäre nichts für mich.“ einen Tick raffinierter. gen. Dazu ein delikater Begleiter wie das WürttemIrgendwann aber, wenn die Kinder Arien finden sich streng bergische Kammerorchester Heilbronn unter Ruben größer und die Konzerttermine genommen nur zwei auf der CD: eine Garzarian – fertig ist der gelungene Opernabend. weniger werden, könnte schon ein aus der erst jüngst wiederentdeckten Vierbeiner ins Haus kommen. Shaund entsprechend unbekannten Rosron Kam weiß auch schon, was für sini-Oper „Maometto II“ und der „Opera!“ Sharon Kam (Berlin Classics) einer: „Ein Vizsla. Ein schöner und Hit „Nacqui all’affano“ aus „La Track 2 auf der crescendo Abo-CD: sehr intelligenter ungarischer JagdCenerentola“. „Das haben wir uns „Nacqui all’affano“ aus „La Cenerenhund.“ Ob er sich auch so gerne auf gewissermaßen als Zugabe tola“ von Giachino Rossini der Klarinette vorspielen lässt wie gegönnt“, lacht Sharon Kam, „und Annie, wird sich zeigen. außerdem gibt es gerade bei dieser

„Singen kann ich nicht gut – das überlasse ich lieber meinen drei Kindern.“

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Foto: Gregor Hohenberg

„Das Publikum will nicht für dumm verkauft werden, sondern es möchte spüren, dass man in einem speziellen Moment mit ihnen zusammen Musik empfindet.“

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Kommt hoch und tanzt! Barockstar Simone Kermes über ihr neues Belcanto-Album, Interpretationen der „Königin der Nacht“ und warum sie ihr Publikum auch gerne mal zu sich auf die Bühne holt. v on R a i n e r A s c h e m e i e r so lyrisch, so traurig, so schön, dass man das nicht als hysterisch Von „Lava“ über „Dramma“ sind Sie nun beim „Belcanto“ bezeichnen kann. Vielleicht kann man die „Königin der Nacht“ ja gelandet. Entsprechend scheint die Haarfarbe softer geworden auch mal heroisch begreifen. Innerhalb der „Zauberflöte“ ist die zu sein. Sind Sie auch braver geworden? Rolle jedenfalls sehr undankbar, und ich möchte die Partie auch Ja, ich hab meinen Typ ein bisschen geändert. Das hat aber mit überhaupt nicht mehr singen. Wenn man die „Königin“ singt, hat „brav“ nichts zu tun. Gucken Sie mal die Popmusiker an: Die verman gar keinen Kontakt zu den anderen Sängern. Man fühlt sich ändern sich doch ständig. wie eine Abtrünnige oder wie eine Außerirische. Und dann hat Zumindest ist das neue Cover wieder ziemlich abgefahren. Wer man nur diese zwei Arien. Die sind zwar ganz toll, doch alle wardenkt sich so was eigentlich aus? ten nur darauf, ob man die hohen Töne packt. Dabei ist das gar Das war meine Idee. Der Grundgedanke war, einen Zustand des nicht das Schwierige daran. Somnambulen darzustellen, wo man zwischen Himmel und Erde Auf der Bühne sieht man Sie manchmal tanzen oder Sie fordern schwebt, etwas verrückt ist, abgedreht, gleichzeitig Göttin ist, aber das Publikum zum Mitklatschen auf. Ist es das, was der heutigen auch einen gewissen kühlen Abstand hat. Auch das Jungfräuliche Klassikszene abgeht? spielte diesmal eine Rolle. Alle diese Metaphern hatte ich im Kopf. Ich komme gerade aus Australien zurück, wo mein Album NumIch wollte ein Cover, das eine Story erzählt. Und da hat nun jeder mer eins der Charts ist – und ich muss das erst mal verarbeiten. Bei seine eigene Fantasie, um sich eine Geschichte dazu auszudenken. Das Album trägt den Titel „Bel Canto“. Hören wir rein, sind wir den Zugaben habe ich das Publikum eingeladen: Kommt hoch und tanzt mit mir! Und dann sind zum Schluss sogar Leute auf die trotzdem wieder mitten in der Welt des Koloratursoprans. Wie Bühne gekommen, die haben meine Arien mitgesungen. Das war passt das zusammen? unglaublich! Daran sieht man, dass klassische Musik nicht langNaja, da sind ja auch ganz ruhige Stücke dabei. Wo es allerdings weilig sein muss und dass man die Zuhörer anstecken kann. Das Koloraturen gibt, da mache ich das mit vielen Kadenzen und VerPublikum will nicht für dumm verkauft werden, sondern es zierungen, die man bei der Musik von Donizetti, Rossini und Belmöchte spüren, dass man in einem speziellen Moment mit ihm lini vielleicht nicht so oft hört. Mir war es wichtig, dass ich ein Orchester auf dem Album habe mit historischen Instrumenten, die zusammen Musik empfindet. Aber nicht jeder Sänger kann das leisten, denn man muss dazu ein Level erreicht haben, wo man auf um die 430 Hz – also in älterer Stimmlage – gestimmt sind. Und der Bühne nicht ständig mit Gesangstechnik beschäftigt ist. Ein abgesehen davon: Was heißt denn „Belcanto“? Es heißt „SchöngeSänger muss über der Technik stehen. Erst dann kann er glaubhaft sang“, und der beginnt für mich im Barock. Emotionen vermitteln. Uns ist schon aufgefallen, dass Sie immer tolle Orchester und Braucht Klassik denn noch mehr Entertainment? Dirigenten auf Ihren Alben haben. Wer wählt die denn aus? Ich finde, das gehört zur klassiIch. Und ich wollte noch nie ein „norschen Musik mit dazu. Wir müsmales“ Orchester. Bei vielen RecitalWie ist ihr neues Album? sen uns orientieren an der PopmuAlben wird gespart. Das sehen Sie Auf „Bel Canto“ gibt es reichlich Gelegenheiten, die sik, vor allem an der Energie, die auch sofort. Da haben Sie dann Wendigkeit und Bandbreite von Kermes’ Stimmakrodort erzeugt wird. Das darf aber irgend so eine osteuropäische Truppe. batik auszukosten. Doch wir bewegen uns mit diesem nicht das Ergebnis verwässern. So etwas wollte ich auf keinen Fall. Album überwiegend nicht im Bereich der virtuosen BaDiese Crossover-Alben, die heute „Concerto Köln“, das Orchester auf rockarie, sondern linsen wie durch ein so viel gemacht werden, die finde meinem neuen Album, ist selbstbeSchlüsselloch schwerpunktmäßig in die ich zum Beispiel ganz furchtbar. wusst und sehr eigen, was DirigenOper der Klassik und der Romantik. BelliIch bin mir aber darüber im Klaten angeht. Und ich wollte unbeni, Verdi, Donizetti und Rossini bekommen ren, dass meine Meinung die dingt mit Christoph M. Müller dabei Gesangsgirlanden verpasst, die man Lager spaltet. zusammenarbeiten, der bislang sonst bei diesem Repertoire selten hört. Sie machen immer wieder Opern noch gar nicht groß bekannt ist, als CD-Einspielungen in Sibider mich aber versteht und unter„Bel Canto“ Simone Kermes, Concerto Köln, Christoph M. Mueller (Sony) rien. Wie hat es Sie denn ausgestützt. Ich bin also glücklich, dass das rechnet dahin verschlagen? Orchester sofort begeistert von ihm Das liegt wohl am Dirigenten Teodor Currentzis, uns verbindet viel war. Mein Musizier-Ideal ist, wie es wohl im Barock war. Man hat nicht einen Dirigenten, der alles bestimmt, sondern jeder hat seine miteinander. Wir haben dieses Jahr in Moskau die „Goldene Maske“ zusammen gewonnen. Das ist der bedeutendste russische Freiheiten. Auch das Orchester. Dieses Album haben alle zusammen miteinander entwickelt, und wir hatten dabei tierischen Spaß. Kulturpreis. Die dortigen Orchestermusiker können – wenn Sie müssen – 24 Stunden am Stück spielen. Da sind Musiker, die sind Auf dem neuen Album singen Sie auch die berühmte Rachekeine 30 Jahre alt, haben die renommiertesten Wettbewerbe Arie der „Königin der Nacht“ aus Mozarts Zauberflöte. Diese gewonnen und sitzen in sibirischen Orchestern in der vierten Rolle ist ziemlich ambivalent, und deswegen macht sie jeder Reihe. Ich bin dort übrigens nicht nur für CD-Einspielungen, sonetwas anders. Was ist die „Königin“ denn für Sie: eher leidende dern stehe in Nowosibirsk oder Perm auch regelmäßig auf den Mutter oder eher Furie? Opernbühnen. Natürlich ist sie eine Mutter. Hören Sie mal den ersten Teil: Der ist 23


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Der

Stratege Dirigent Riccardo Chailly gewährte uns in Salzburg Audienz und verriet, was er mit seinem Gewandhausorchester plant und warum seine Leidenschaft, die Oper, oft zu kurz kommt. v on F l o r i a n O b e r h u m m e r

S

alzburg. Ein Hauch von Wehmut liegt über der Stadt, die letzten Atemzüge eines langen Festspielsommers sind spürbar. Riccardo Chailly nimmt entspannt auf der Presseterrasse Platz. Vor ihm liegen zwei Festspiel-Matineen, zwei „Neunte“ – Beethoven und Mahler. crescendo: Maestro Chailly, Sie haben bereits vor rund 20 Jahren mit dem Concertgebouworkest die vier Sinfonien von Johannes Brahms aufgenommen. Nun haben Sie sich mit dem Leipziger Gewandhausorchester wieder an diesen Zyklus gewagt. Was hat Sie zu dieser Neueinspielung bewogen? Riccardo Chailly: Zuerst einmal ist da der Klang des Gewandhausorchesters. Der Klang gehört zu einer langen Brahms-Tradition, da er selbst mit dem Gewandhausorchester gearbeitet hat. Er hat ja unter anderem das 1. Klavierkonzert mit den „Leipzigern“ kurz nach der Uraufführung erarbeitet – bekanntlich nicht sehr erfolgreich. Können Sie den Klang „Ihres“ Orchesters beschreiben? Dunkel, aber durchsichtig – mit bestimmter Expressivität. Die Wärme des Spiels und die Disziplin, menschlich wie musikalisch, kennzeichnen das Orchester. Was war für Sie noch ausschlaggebend, sich mit den Symphonien wieder zu beschäftigen? Ich wollte einen anderen Weg gehen, vielleicht weniger in der Tradition verhaftet – auch als Konsequenz meiner Erfahrung mit den Beethoven-Sinfonien. Obwohl die Werke in einer anderen Zeit entstanden sind, gibt es klare verbindende Elemente zwischen Beethoven und Brahms. Dann hat sich auch mein Fokus hin zur Struktur entwickelt. Wir haben beispielsweise vier völlig unbekannte Takte am Anfang des ersten Satzes der 4. Sinfonie aufgenommen. Das habe ich in Brahms’ Manuskript gefunden, Brahms hat also mit dem Gedanken eines Chorals gespielt und diesen wieder gestrichen. Das Thema, das so modern klingt, könnte also eine Folge einer Choral-Passage sein. Weiter haben wir die Urfassung des Andante aus der 1. Sinfonie aufgenommen. Ein wunderbares Stück; viel kürzer als die endgültige Fassung, aber viel moderner. Diese Novitäten haben Sie erst jetzt entdeckt? Ja. Dazu zählen auch die „Liebeslieder-Walzer“ in einer OriginalOrchestrierung von Brahms selbst, ohne Stimmen. Man denkt: Was? Liebesliederwalzer ohne Chor? Doch das funktioniert großartig. Ich wollte damit auch zeigen, dass auch ein Johannes Brahms 24

sein eigenes Werk komplett neu konzipieren kann. Man hört die Melodie – ohne Worte (lacht). Zudem nahmen wir zwei Intermezzi aus op. 116 und 117 in einer Orchestrierung von Paul Klengel auf. Dieser war 40 Jahre lang Erster Cellist in Leipzig, und das in der Brahms-Zeit. Auch das gehört zur Verbindung zwischen Brahms und dem Gewandhausorchester. Beim ersten Hören fiel mir die Linearität des Spiels gerade in den Kopfsätzen auf. Sind die Rubati zu stark, dann zerstören sie die Struktur. Auch all diese Tempoänderungen, die wir kennen: Sie stehen nicht in Brahms’ Partitur. Ich selbst habe das vor 20 Jahren so aufgenommen, das Choral-Thema im 4. Satz der 1. Symphonie „meno mosso“ genommen. Heute bin ich nicht mehr damit einverstanden. Ich war zu jung, um gegen die Aufführungstradition zu kämpfen. Heute habe ich mehr Mut und Willen. Ich kann meine Vorstellungen jedoch dank dem Gewandhausorchester realisieren, wir erarbeiten alles gemeinsam. Immerhin spielen sie ja seit jeher Beethoven, Mendelssohn und Schumann. Was steht für Sie und das Orchester in nächster Zukunft bevor? Wir spielen zunächst einmal an sechs Tagen alle vier Sinfonien und die vier Solokonzerte. Ich habe zwar alle großen Werke von

„Brahms hat also mit dem Gedanken eines Chorals gespielt und diesen wieder gestrichen.“ Brahms dirigiert, aber in meinem ganzen Leben noch nie so intensiv. Ein dichtes Programm für einen 60-Jährigen. Wie bereitet man sich auf solch einen Marathon vor? Der Beethoven-Zyklus mit allen neun Sinfonien in fünf Tagen war für mich die anstrengendste Erfahrung meines Lebens. Bei diesem Brahms-Zyklus ist es ähnlich, und ich muss ein bisschen vorsichtig sein (lacht). Das geht auch deshalb, weil ich mich bei diesem Orchester zuhause fühle. Und wir haben ja für jedes Konzert andere Solisten. Wir spielen mit Pierre-Laurent Aimard und Arcadi Volowww.crescendo.de

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Riccardo Chailly wurde 1953 in Mailand geboren und ist derzeit Kapellmeister des Gewandhausorchesters Leipzig.

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„In meiner Jugend habe ich fast nur Oper dirigiert.“

Foto: Decca / Gert Mothes

Leipzigs? Oper ist ja bekanntlich eine große Leidenschaft seit dos die beiden Klavierkonzerte, mit Leonidas Kavakos das ViolinIhren Anfangsjahren … konzert und – gemeinsam mit Cellist Enrico Dindo – das DoppelDazu fehlt mir die Zeit. Das Gewandhausorchester und ich, wir konzert. Das Violinkonzert haben wir in dieser Besetzung auch haben eine gemeinsame Linie und Reise- und Aufnahmepläne eingespielt, diese Aufnahme wird im Oktober erscheinen. zusammen entwickelt – ich möchte mich wirklich auf Leipzig konWie geht es dann weiter mit Ihnen und den Leipzigern? Sie zentrieren. Auch als Gastdirigent habe ich wenig Zeit: Einmal pro haben ja laut Vertrag noch sieben Jahre Zeit … Zunächst nehmen wir die Sinfonien und Tondichtungen von Rach- Jahr Konzerte mit dem Concertgebouworkest, den Berliner Philharmonikern und den Wiener Philharmonikern – mehr geht nicht. maninov auf, dann habe ich vor, die fünf Beethoven-KlavierkonZudem dirigiere ich seit 20 Jahren das Orchestra Filarmonica della zerte mit Nelson Freire einzuspielen. Wir werden sehen, wie weit Scala. Oper zu dirigieren, wäre natürlich schön. wir kommen. 2015/16 stehen Gastspiele in London, Paris und Aber Sie werden doch bei der EXPO 2015 in Mailand eine Wien mit Mozart-Konzerten und Tondichtungen von Richard „Turandot“ dirigieren, wie man hört … Strauss an. 2016 sollten wir mit dem Mahler-Zyklus fertig sein, die Das ist eine Neueinstudierung der gemeinsamen Arbeit mit 10. Sinfonie in der Komplettierung von Deryck Cooke bildet den Schlusspunkt. Wenn wir das beendet haben, dann möchte ich mich Regisseur Nikolaus Lehnhoff in Amsterdam aus dem Jahr 2002. Das war übrigens die einzige Aufführung der Fassung mit dem Anton Bruckner widmen. Die Leipziger Bruckner-Tradition hat ja Schluss von Luciano Berio, mit der Berio einverstanden war. Nicht bereits ihren Anfang genommen, als Arthur Nikisch 1884 die nur musikalisch, sondern 7. Sinfonie in Leipzig zur Uraufvor allem szenisch. In meiführung gebracht hat. Nikisch Sein Neues Album ner Jugendzeit habe ich fast war ja auch der Erste, der in Nach einem Beethoven-Zyklus im Jahr 2011 macht sich Riccardo nur Oper dirigiert. SelbstDeutschland alle Bruckner-SinChailly mit dem Gewandhausorchester an das Werk von Johannes verständlich war ich dem fonien aufgeführt hat. Brahms. Die vier Sinfonien erscheinen als 3-CD-Box mit weiteren italienischen Fach sehr Wie präsent ist Bruckner denn Brahms-Raritäten und -Kompositionen, wie den Haydn-Variationen verbunden: Rossini, Puccini, in Leipzig? op. 56a und drei der Ungarischen Tänze in der Orchesterfassung. Verdi. Vielleicht kann ich Ich würde sagen, so präsent wie Spannend ergänzt werden die Klavierintermezzi op. 116 Nr. 1 und 4 2020 noch einmal in meine Brahms und Beethoven. Nach orchestriert von Paul Klengel. Lohnenswert! Jugendzeit zurückkehren Nikisch und Furtwängler (lächelt sanft). hat Bruno Walter die TraJohannes Brahms: „The Symphonies“ Gewandhausorchester Leipzig, Riccardo Chailly (Decca) Gibt es eine Oper, die Sie in dition weitergeführt. Das Ihrem Leben noch nicht Gewandhausorchester dirigiert haben und noch kennt Bruckner formidamachen wollen? bel, gerade erst im verganJa, es gibt eine. Die Einzige, genen Jahr haben wir die die man nicht nennen Sechste beim Brucknerfest in darf … (lange Pause) … St. Florian aufgeführt. Bruckner wegen dem Schicksal … hat einen Platz in meinem Her„La forza del destino“? zen. Im Januar 2014 werde ich Richtig. Diese Oper zählt mit den Wiener Philharmonifür mich zu Verdis Meisterkern und Bruckners Sechster werken. Bislang bot sich auf eine lange Europa-Reise noch nicht die Gelegenheit, gehen. Mit der Siebten gehen dieses schwierige Stück mit die Leipziger und ich 2014 auf dem richtigen Regisseur Amerika-Tournee, danach und der richtigen Sängerdirigiere ich die Achte mit den riege zu realisieren. Wiener Philharmonikern bei Das führt mich zu einer den Salzburger Festspielen. früheren Aussage von Haben Sie eine spezielle AffiIhnen: „Ich dirigiere nität zu Bruckner? wenig Musiktheater, weil Bruckner hat seine eigene Spraich davon ausgehen kann, zwei Mal enttäuscht zu werden, che. Bei Brahms etwa spürt man die Würze Beethovens, Bruckner wegen der Sänger und wegen der Regisseure“? hingegen war ein Genie in seinem eigenen Universum. Die neuen Das war eine Zeit, in der ich mit den Regisseuren sehr unglücklich großen Hauptstrukturen in der Sinfonie – das ist in meiner Sicht Bruckners großes Verdienst. Wenn Sie die Grabenkämpfe zwischen war. Gott sei Dank sehe ich in der neuen Generation viele positive Figuren. Meine Ästhetik ist nicht rückwärtsgewandt. Es geht um die Brahms und Beethoven bedenken: Ihre Musik fliegt viel höher als Einheit von Musik und Szene. Ich bin nicht gegen Provokation, diese diese ganze Polemik, beide sind in einer eigenen Klangwelt – muss nur in Verbindung mit der Musik stehen. „Prima la Musica“ – unvergleichbar. aber nicht im konservativen Sinne. Theater braucht Erneuerung. Haben Sie noch Energien für andere Großprojekte außerhalb 26

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„Es muss brennen!“

Newcomer

Foto: benePikt

In Prag geboren, in Budapest musikalisch erzogen, mit viel Liebe für den argentinischen Tango: Zsófia Boros.

Zsófia Boros hat ein wunderbares Debut-Album bei ECM eingespielt. Auf „En otra parte“ führt sie uns von Wien nach Spanien, Brasilien, Buenos Aires, Kuba und Nordamerika.

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anchmal beginnen Karrieren noch mit einem Brief: Vor zwei Jahren schickte Zsófia Boros einen solchen an das Plattenlabel ECM. Dem legendären Chef des Hauses, Manfred Eicher, legte sie eine historische Aufnahme bei – dazu die Worte: Es sei ein Traum von ihr, das einspielen zu dürfen. Eine Woche später meldete sich Eicher, ein Jahr darauf traf man sich in Lugano, um „En otra parte“ aufzunehmen. Jetzt sitzt Zsófia Boros, geboren in Prag, aufgewachsen in Bratislava und Budapest, in ihrem Atelier in Wien. Es ist klein und fein, etwas versteckt und auf einer Tafel am Eingang steht: „In Dir muss brennen, was Du in anderen entzünden willst.“ Wir hören ins Album rein. Und schon in den ersten Tönen ist man versucht, zu glauben, es wären ihre eigenen Stücke, die sie da spielt. Alles klingt wie aus einem Guss, intim und persönlich. Man hört zum Beispiel „Se ela preguntar“ von Dilermando Reis (1916–1977). Boros sagt: „Wenn ich dieses Stück zu spielen beginne und immerzu wiederhole, habe ich das Gefühl, dass die Töne ihre eigene Richtung nehmen möchten.“ Es sei wie eine Reise, bei der man tief einatmet und die Eindrücke ausklingen lässt. Eine Reise, die etwas länger dauern kann: Das Album enthält Stücke aus Wien, dann geht es nach Spanien, Brasilien, Buenos Aires, Kuba und Nordamerika. Für Zsófia Boros sind die unterschiedlichen Werke wie unterschiedliche Sprachen, die sie „verstehen und sprechen will. Jeder Komponist hat seine eigene Sprache. Ich versuche sie zu lernen, und obwohl es jedes Mal etwas anderes ist, ist es immer das, was ich gerne sagen würde.“ Auf „Cancion triste“ von Francisco Calleja (1891–1950), einem Gitarristen, der von Spanien über Uruguay nach Argentinien kam, ist sie zum Beispiel schon als Teenager gesto-

ßen. Sie hatte aber schon viel früher mit der Musik begonnen, im Alter von vier Jahren: Ihre Eltern hatten sie zu einem Klavierkonzert mitgenommen. Diese Welt erschien ihr als die wunderbarste, und sie wollte ein Klavier haben. Ihr Vater war Diplomat, die Familie reiste viel, also bekam sie lieber eine Gitarre geschenkt. Ein Video davon beeindruckt sie noch heute, „weil ich so aus dem Häuschen war über dieses Instrument“. Sie studiert das Instrument in Bratislava, Budapest und Wien, gewinnt in ihren Studienjahren fast jedes Jahr einen Preis und gründet 2004 mit einer Flötistin das Duo AgiLeo. Jetzt ist sie 33 und hat ihre eigene Vorstellung von Musik. Auch bei der Interpretation: Leo Brouwer’s „Un dia de Noviembre“ spielt sie nicht nach Noten, sondern dem Gehör nach. Sie sagt: „Ich könnte das Stück nicht zweimal hintereinander gleich spielen. Es ist ein schöner Moment, wenn man erkennt, ein Stück darf man so spielen, wie man es selber gestalten würde.“ Nicht sehr üblich, denn in ihrer Ausbildung legte man sehr viel Wert darauf, mit der Interpretation bei der vorgegebenen Stilistik zu bleiben. Der Interpret bleibe dabei am Rande, die Individualität gehe verloren, sagt Boros. Auch bei „Callejon de la luna“ des Flamenco-Gitarristen Vicente Amigo (1967) hat sie sich nicht verleiten lassen, die raue, spitze, ja perkussive Anschlagsweise des Originals zu übernehmen. Skurril ist das schon: Wenn Zsófia Boros „Te vas milonga“ spielt, hört man die argentinische Seele. Dabei war sie selbst noch nie dort! Sie sei einfach fasziniert von der Melancholie und Sentimentalität und dieser unglaublichen Leidenschaft, die der Tango verkörpert. Stefan Sell Zsofia Boros „En otra parte“ (ECM) 27


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tulierte: „Wir sind stolz, einen Musiker von ten Liat Cohen wird folgen. Auf dem ProWeltrang wie Mariss Jansons als Chefdiri- gramm steht dabei brasilianische Musik. gent für unseren Chor und unser Sympho- Zudem überlegt Dessay, die von den Krinieorchester zu haben“. Erst im Juni hatte tikern oft nicht nur für ihre große Stimme, Jansons seinen Vertrag bis 2018 verlängert. sondern auch für ihr hervorragendes Schauspiel auf der Bühne gelobt wurde, einige Lesungen zu geben. Im Dezember beginnt

natal ie ­d essay

Ma r iss janso ns Am 4. Oktober überreichte Bundespräsident Joachim Gauck dem in Lettland geborenen Dirigenten in Berlin das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern. Jansons, der seit 2003 Leiter des Chores und des Symphonieorchesters des BR ist, wurde für seine besondere Leistung als Kulturvermittler geehrt. „Mariss Jansons ist einer der großen Musiker unserer Zeit. Sein Wirken als Dirigent der bedeutendsten Orchester der Welt, ist herausragend. In beeindruckender Weise hat Mariss Jansons sich auch um die Kultur in der Bundesrepublik Deutschland verdient gemacht,“ heißt es in der offiziellen Begründung. Auch der Intendant des Bayerischen Rundfunks, Ulrich Wilhelm, gra-

Die französische Koloratursopranistin verkörperte gerade erst Jules Massenets jugendliche „Manon“ in einer Reihe von Aufführungen in Toulouse. Nun verabschiedete sie sich in eine „zwei bis drei Jahre“ lange Auszeit von der Oper. Bereits im Juni hatte sie in San Francisco bekanntgegeben, dass sie keine Manon, Violetta oder Olympia mehr singen möchte: „Mein Repertoire verkleinert sich stetig. Ich bin keine junge Frau mehr. Es passt nicht, wenn ich ein Mädchen spiele, das sich zum ersten Mal verliebt.“ Für die nächste Zeit hat sich Natalie Dessay ein vielfältiges Programm überlegt. Im März und April nächsten Jahres wird sie Liederabende mit dem Pianisten Philippe Cassard in Kanada, den USA und Asien spielen, die auch auf CD aufgenommen werden sollen. Eine Serie von Konzerten mit dem Gitarris-

zunächst eine Tour mit Oscar- und Grammypreisträger Michel Legrand. Das gemeinsame Album „Entre elle et lui“, eine Sammlung französischer Chansons, erscheint am 21. Oktober. Dennoch betonte der Opernstar ausdrücklich: „Das Chanson wird die klassische Musik nicht ersetzen.“ Nach der Pause möchte sie neue Rollen einstudieren.

G e s t o r b e n

Er war „Der Mann am Klavier“: Paul „Paulchen“ Kuhn widmete sich sein Leben lang der Musik. Als Pianist, Bandleader, Komponist und Sänger gab er seine Begeisterung an das Publikum weiter. Seine Karriere begann, als ihm der Onkel zu Weihnachten ein Akkordeon schenkte, mit dem der erst sechsjährige Junge auf Festen und in Kneipen spielte, um die kleine Familienkasse aufzubessern. Als der Krieg kam, ließ er sich mit einem Freund in die Brandwache des musischen Gymnasiums einteilen, um heimlich auf dem Dachboden Radio hören zu können. In den verbotenen Programmen der BBC retten, Kaffee und Notenhefte aus Amerika. lauschten sie - unter einer Decke versteckt Als einziger Deutscher wurde er beim Sol- die Musik von Glenn Miller und ande- datensender AFN als Bandleader angestellt. ren Jazzkünstlern. Da beschloss Paul Kuhn, In den fünfziger Jahren komponierte Kuhn sobald der Krieg vorbei wäre, Jazzmusi- Unterhaltungsmusik und wurde durch den ker zu werden. Nach Kriegsende begann von Horst-Heinz Henning komponierten er jedoch ein klassisches Musikstudium Schlager „Der Mann am Klavier“ einem am Wiesbadener Konservatorium. Seine breiten Publikum bekannt. Obwohl sein Eltern wünschten sich, dass er Konzert- Herz weiterhin dem Jazz und insbesondere pianist würde. So spielte Paul Kuhn tags- dem Swing gehörte, folgten weitere Schlaüber Bach und nachts Duke Ellington. Mit ger wie „Es gibt kein Bier auf Hawaii“ und selbst gegründeten Ensembles trat er in „Jeden Tag, da lieb ich dich ein kleines bissBars für die GIs auf. Die Gage waren Ziga- chen mehr“. Seine unglaubliche Bühnen-

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präsenz verhalf ihm zu eigenen Formaten im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. In Sendungen wie „Pauls Party“ und „Hallo Paulchen“ zeigte sich sein Talent als Entertainer. Auch als Schauspieler hatte er Erfolg: Im Fernsehfilm „Der Mann am Klavier“ verkörperte sich Paul Kuhn 1985 selbst. Zwölf Jahre lang leitete er das Unterhaltungsorchester des Senders Freies Berlin. Als das Orchester 1980 aufgelöst und sein Plattenvertrag gekündigt wurde, wagte er mit seinem eigenen Orchester und dem „Paul Kuhn Trio“ einen Neuanfang. Nach 50 Jahren bekam er endlich die volle Anerkennung als Jazzmusiker. 2011 erfüllte Paul Kuhn sich einen großen Traum: zum 85. Geburtstag reiste er nach Los Angeles und nahm gemeinsam mit John Clayton und Jeff Hamilton sein Album „The L.A. Session“ auf. Die drei Jazzgrößen spielten in den Capitol-Studios, wo schon Frank Sinatra und Nat King Cole musizierten. „Meine Auftritte machen mich glücklich. Ich mache weiter, bis der liebe Gott mir beim Klavierspielen auf die Finger klopft und sagt: Jetzt reicht‘s!“, sagte Kuhn einmal mit seinem verschmitzten Lächeln. Er spielte bis zuletzt.

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Fotos: BR Bundesregierung / HenningSchacht; Simon Fowler / Virgin Classics; Rafael Toussaint IN+OUT Records

pa ul kuhn


hören & sehen •

Die besten CDs & DVDs des Monats von Oper über Jazz bis Tanz Christoph Schlüren über Norbert Burgmüller (Seite 32) Früher unterschätzt, heute geliebt: Countertenöre (Seite 40)

Eliana Burki

Ein Horn? Die Schweizerin Eliana Burki tat schon immer, was ihr beliebte: Mit neun spielte sie zwischen gestandenen Mannsbildern Alphorn. Mit 16 brach sie eine Ausbildung ab und wandte sich der Musik zu. Als sie dann auch noch Jazz und Blues mit ihrem Alphorn spielte, schien es ganz sicher: Sie ist die Rebellin der Bläserszene. Auf „alpine horn symphonic“ ist sie nun zusammen mit dem Münchner Rundfunkorchester zu hören. Den zentralen Mittelteil bildet die Komposition des Schweizers Daniel Schnyder: „Concerto for Alphorn and Orchestra“. Hier wird der Klang der Alpenwelt symphonisch eingefangen und eine spannungsgeladene Symbiose mit Jazz, Blues und klassischer Avantgarde entwickelt. Auch in Burkis eigene Kompositionen fließen reales Heimweh nach der Schweiz und musikalisches Fernweh nach der ganzen Welt ein. Eine wunderbare Mischung. Hä

Foto: Edel

Alpine Horn Symphonic: Eliana Burki, Münchner Rundfunkorchester, Johannes Schlaefli (Edel:Content)

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h ö r e n & s e h e n

Die wichtigsten CDs des Monats, ausgewählt von Attila Csampai

Respekt und Engagement Die Herbst-Auswahl des Über-Kritikers versammelt diesmal hochmotivierte Musiker, die sich dem Werk verpflichtet fühlen und mit Leidenschaft neue Wege gehen! nommen und seinen tiefen Respekt vor diesem „facettenreichsten“ Werk Beethovens durch eine zweifache Einspielung unterstrichen, die er 2012 auf zwei historischen Flügeln vornahm: Sowohl das Miah Persson, Angela Brower, Adam Plachetka, 1820 gebaute, perfekt restaurierte Brodmann-Fortepiano als auch Rolando Villazón, Mojca Erdmann, u.a., Chamber der 1921 entstandene Bechstein unterscheiden sich deutlich von der Orchestra of Europe, Yannick Nézet-Séguin orchestralen Brillanz (und der energischen Eintönigkeit) heutiger (Deutsche Grammophon) Steinways und gewähren so dem akribischen Feingeist Schiff völlig Die Oper sollte eigentlich „Così fan tutti“ heis- neue, differenzierte und tiefschürfende Einblicke in die komplexe sen, spottete schon Mozart-Biograph Wolfgang Hildesheimer, und Physiognomie und Psychologie von Beethovens 33 Altersweisheitatsächlich ist Mozarts letzte opera buffa ein böses Lehrstück über ten. Der Brodmann besticht durch seine Farbenpracht, seine Schatdie seelische Grausamkeit und Niedertracht zweier junger Offiziere, tierungen, der Bechstein durch die Wärme und Klarheit seines rundie an ihren Bräuten psychische Vivisektion betreiben. Mozarts den Tons. Und wir erleben in beiden Fällen einen intimeren, humorMusik unterläuft die fragwürdige „Moral“ der Handlung, indem sie voll-weisen, hintergründig experimentierenden Beethoven, der den Unterschied zwischen Lüge und Wahrheit aufhebt: Der Orches- jetzt, auf „Tuchfühlung“, wieder ganz neue Rätsel bereithält. tersatz fungiert dabei als Handlungsmotor. So weist Yannick NézetSéguin auch in seiner zweiten Mozart-Produktion dem schlanken, Franz Schubert: Sinfonien Nr. 3 D-dur aber scharf zupackenden Chamber Orchestra of Europe die Fühund Nr. 4 c-moll Freiburger Barockorchester, rungsrolle zu. Mit sehr schnellen Tempi und einer trockenen, präziPablo Heras-Casado sen Diktion gibt es den atemlosen Lebenspuls vor und stellt den (Harmonia mundi) dramatischen Kontext über das extensiv ausgestellte Leiden der Track 1 auf der crescendo Abo-CD: „Adagio molFiguren. Diesem „historisch orientierten“, ungemein frischen to - Allegro vivace“ aus der Sinfonie Nr. 4“ Ansatz des 38-jährigen Kanadiers folgt das Solisten-Sextett mit erstaunlicher Disziplin. Lediglich Alessandro Corbelli als Don Noch immer gelten Schuberts frühe Sinfonien als schwächere Alfonso wirkt etwas müde und ausgesungen. Nobel und feinfühlig „Jugendwerke“ im Schatten Mozarts und Beethovens. Wie es sich gibt Rolando Villazón den Ferrando, während man den kernigen dagegen anhört, wenn man diesen Experimenten einer neuen, von Adam Plachetka (Guglielmo) und die jugendliche Angela Brower der Wiener Klassik sich loslösenden Ästhetik unvoreingenommen (Dorabella) als echte Mozart-Entdeckungen feiern kann. Die drei und mit Unterstützung eines Kollektivs von hochmotivierten TopStunden rauschen im Nu vorüber. musikern entgegentritt, das kann man jetzt beim ersten SchubertAlbum des andalusischen Senkrechtstarters Pablo Heras-Casado staunend erfahren. Er hat da die Dritte und Vierte des 18- bis Ludwig Van Beethoven: 19-jährigen Schubert aus dem Dornröschenschlaf einer verfehlten Diabelli-Variationen András Schiff (ECM) Rezeption gerissen und sie mit furiosen Tempi und großer SensiNeben Bachs „Goldberg-Variationen“ markie- bilität als frühe Geniestreiche eines weit vorausblickenden Sinforen Beethovens späte „Diabelli-Variationen“ nikers glänzend rehabilitiert. Das Freiburger Barockorchester einen absoluten Gipfelpunkt der Gattung Varia- folgt dem temperamentvollen Andalusier mit atemberaubender tion. Zugleich bilden sie die Quintessenz und Präzision und einer besessenen Spiellaune, die selbst in den rasandas Schlusswort von Beethovens einzigartigem Klavierkosmos. ten Finalsätzen niemals den lockeren Spielfluss, den pulsierenden Jahre nach seiner großartigen Einspielung aller Klaviersonaten hat Swing verliert: So spannend, so authentisch, so suggestiv klangen sich András Schiff jetzt auch diesen enigmatischen Koloss vorge- diese Werke noch nie. Wolfgang Amadeus Mozart: „Così fan tutte“

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Im p r e s s u m Felix Mendelssohn: The piano concertos Oliver Schnyder, Musikkollegium Winterthur, Douglas Boyd (Sony/RCA)

Der jüdische Protestant Felix Mendelssohn leidet bis heute unter dem Verdikt der Nazi-Barbaren. Seine Klaviermusik wird noch immer kaum aufgeführt, ebenso seine Klavierkonzerte. So betritt der Schweizer Pianist Oliver Schnyder auf seinem neuen Album mit allen drei Klavierkonzerten Mendelssohns wahrlich keine ausgetretenen Pfade. Es gelingt ihm auch sehr überzeugend, im perfekten Zusammenspiel mit dem beherzt aufspielenden Musikkollegium Winterthur unter Douglas Boyd die innere Erregung und das neue leidenschaftliche Pathos der beiden reifen Konzerte in g-Moll und d-Moll energisch zu entfachen. Die exzellente Klangregie der Mehrkanalaufnahme weist ihn mit seinem großen Steinway als primus inter pares aus, so dass der Eindruck eines lebendigen kammermusikalischen Dialogs überwiegt gegenüber der üblichen Trennung von Solist und rauschender Orchesterkulisse. Man mag etwas den romantischen Zauber Mendelssohns vermissen, dafür erhält man scharf fokussierte Einblicke in die pulsierende Polyphonie seines Orchestersatzes. Peter Iljitsch Tschaikowsky: Symphonie Nr. 5 e-moll, Suite aus „Schwanensee“ Arctic Philharmonic Orchestra, Christian Lindberg (BIS)

In den letzten Jahren ist Tschaikowsky etwas aus der Mode gekommen und vor allem durch Mahlers wildere Romantik in den Hintergrund gedrängt worden. Da mit diesem Rückzug auch viele Ressentiments abgebaut wurden, hat es ihm letztlich kaum geschadet. Wir können heute seine populären Werke wieder unvoreingenommener hören, so auch etwa seine von Adorno verteufelte Fünfte, die jetzt von dem neugegründeten norwegischen „Arctic Philharmonic Orchestra“ nördlich des Polarkreises, aber durchaus nicht unterkühlt eingespielt worden ist, und sich mit recht flotten Tempi und eher schlanker Anmutung wieder als ein Meisterwerk kompositorischer Logik und perfekter Instrumentation entpuppt. Dirigent Christian Lindberg meidet alles dröhnende Pathos und erweist sich auch in der angefügten „Schwanensee“-Suite als ein feinsinniger Tschaikowsky-Choreograph. Wolfgang Amadeus Mozart: Klavierkonzerte d-moll KV 466 und B-dur KV 595 Ronald Brautigam, Die Kölner Akademie, Michael Alexander Willens (BIS)

Erst in der Juniausgabe empfahl ich die Klavierkonzerte KV 459 und 488 mit Ronald Brautigam und der „Kölner Akademie“. Jetzt haben der holländische Fortepiano-Crack und die 24-köpfige Solistentruppe (unter M.A.Willens) das d-Moll-Konzert (KV 466) und das abgeklärte letzte Konzert in B-Dur (KV 595) vorgelegt, und ihre kontrastreiche und lebendig zupackende „demokratische“ Interaktion noch weiter zugespitzt, die dramatische Pulsfrequenz noch weiter erhöht: Das ist die aufregendste Synthese von historischem Klangideal und aktuellem Lebensrhythmus, und ein weiteres klar durchstrukturiertes Manifest einer aufgeklärten und empfindsamen Mozart-Rationalität, die vor allem im d-Moll-Konzert allem wabernden Pathos, aller wattierten Sentimentalität, endgültig abschwört, um auf dem historischen Fortepiano von 1802 zum „Klartext“ der Mozartschen Botschaften zurückzufinden. Dagegen hat ein moderner Konzertflügel keine Chance mehr.

Verlag Port Media GmbH, Senefelderstraße 14, 80336 München Telefon: +49-(0)89-741509-0, Fax: -11 info@crescendo.de, www.crescendo.de Port Media ist Mitglied im Verband Deutscher Zeitschriftenverleger und im AKS Arbeitskreis Kultursponsoring

Herausgeber Winfried Hanuschik | hanuschik@crescendo.de

Verlagsleitung Petra Lettenmeier | lettenmeier@crescendo.de

Chefredakteur Robert Kittel (RK, verantwortlich)

Art director Stefan Steitz

REdaktion Anna Novák (AN), Sina Kleinedler (SK)

schlussREdaktion Edigna Hackelsberger, Antonia Emde

Autoren Tobias Haberl, Teresa Pieschacón ­Raphael (TPR), Antoinette Schmelter de Escobar (SDE)

Kolumnisten Attila Csampai, Daniel Hope, John Axelrod, Axel Brüggemann, Christoph Schlüren (CS)

Mitarbeiter dieser Ausgabe Angelika Rahm (AR), Uwe Schneider (US), Klaus Härtel (HÄ), Stefanie Paul, Götz Bühler (GB), Rainer Aschemeier, Maximilian Stössel (STÖ), Malve Gradinger (GRA), Julia Hartel (JH), Hartmut Krafczyk, Clemens Matuschek (CM), Florian Oberhummer, Antonia Emde, Holger Wemhoff, Peter Krause, Stefan Sell & Bob Coat.

Projektleitung plus regional Liselotte Richter-Lux | richter-lux@crescendo.de

Verlagsrepräsentanten Tonträger: Petra Lettenmeier | lettenmeier@crescendo.de Kulturbetriebe: L. Richter-Lux | richter-lux@crescendo.de Hifi & Marke: Heinz Mannsdorff | mannsdorff@crescendo.de Verlage: Hanspeter Reiter | reiter@crescendo.de

Auftragsmanagement Petra Lettenmeier | lettenmeier@crescendo.de Anna Hermann | hermann@crescendo.de

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Beilagenhinweis: Diese Ausgabe enthält (Teil-)Beilagen/Beihefter von ECM und dem Versandhaus Walz

Das nächste crescendo erscheint Am 27.11.2013

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h ö r e n & s e h e n

Hélène Grimaud

Foto: Mat Hennek / DG

Feingefühl mit Spannung

Mit den beiden ausladenden Klavierkonzerten von Johannes Brahms hat Publikumsliebling Hélène Grimaud ihrer Diskographie nun ebenso kraftvolle wie feinfühlig ertastete Einspielungen hinzugefügt. Beide Konzerte sind in ihrer Lesart Monumente romantischer Konzertarchitektur, gewichtig und aussagestark, persönlich gefärbt und erkämpft von Komponist und Interpretin. Das Spiel der Grimaud ist spannend in seinem dunklen Sinnieren, im zarten Fabulieren und leidenschaftlichem Aufbegehren. Klangmagier Andris Nelsons, dem diese Epoche ohnehin

besonders liegt, zieht überzeugend mit. Mit dem Symphonieorchester des BR und den Wiener Philharmonikern inszeniert er den Wandel von existenzieller Orchesterwucht und zerbrechlicher Besinnung. Intensiv sind diese zwei mal 50 Minuten, weil Grimaud und Nelsons in den oft gehörten Konzerten über nichts hinweg huschen und zahlreiche Facetten ausmusizieren, die sonst unter Virtuosenattitüden gerne untergehen. US

Johannes Brahms: “The Piano Concertos”, Hélène Grimaud, Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Andris Nelsons (DG)

Herbert Schuch

Lars Vogt

Beth Levin

Poetischer Tonfall

Vogt & Järvi? Gut!

In einem Atemzug

Herbert Schuch ist heute einer der feinsten, reflektiertesten und poetischsten Pianisten der jüngeren Generation. Und die Programmzusammenstellung – Schuberts Wanderer-Fantasie und Sonate A-Dur D 664 umrahmen den zweisätzigen Sonatentorso Leos Janáčeks – ist eine sehr gelungene Idee, wenngleich ich nach dem Janáček eine der gewichtigeren späteren Sonaten für noch passender empfunden hätte. Gerade Janáčeks Tonfall trifft Schuch vorzüglich, charakterstark und wendig, und in aller Schärfe der Zeichnung ohne unnötige Härten. Seine Tempoflexibilität ist bei Schubert durchaus unwillkürlich aus der musikalischen Energetik heraus plausibel, doch manchmal tendiert er gerade in tänzerischer Bewegtheit zu wienerischer Übertreibung, was dann auf Kosten des weitertragenden Momentum geht. Auch aufnahmetechnisch ist diese eigenständige Darstellung sehr ansprechend. CS

Lars Vogt, das HR Sinfonieorchester und Paavo Järvi musizieren Mozart: Was für eine aufregende Kombination! Herausgekommen ist dabei eine Mozart-Interpretation, die so zackig und durchmetronomisiert ist, dass man die Uhr danach stellen kann. So berauschend hier auch Lars Vogts makellose Sauberkeit bis in die hinterste 32tel-Note hinein ist, so faszinierend Paavo Järvi auch die gesamte Dynamikpalette seines nur mäßig „historisch informiert“ aufspielenden Frankfurter Orchesters von hauchzart bis knackig ausnutzt: Irgendwie fehlt hier die Seele. Der hochauflösende, großartige HifiKlang dieses Albums ist in der Kombination mit der technisch brillanten Leistung der Beteiligten vordergründig zwar frappierend, doch gerade bei Mozart ist Technik einfach nicht alles. Und so wird dieses Album sicher je nach Geschmack unterschiedlich beurteilt werden und für Diskussionsstoff in der Szene sorgen. RA

In einem Atemzug habe er sie komponiert, sagte Beethoven, kurz nachdem er seine letzten drei Klaviersonaten geschrieben hatte, über diese drei Werke. Drei Kompositionen von tiefer, oft intimer Schönheit, die Beethoven in den Jahren 1820 bis 1822 in einer für ihn durchaus schwierigen Lebensphase schuf. Durch die Straßen von Wien sei er geirrt, schmutzig wie ein Bettler, beschreiben Zeitgenossen. Der Musik dieser letzten drei Sonaten merkt man das nicht an – die US-amerikanische Pianistin Beth Levin kitzelt aus den Kompositionen eine innige Transzendenz heraus. Ihr eher weicher Klavierton passt hervorragend dazu. Dennoch spielt sie konturiert und präsentiert einen stimmungsfarbigen, lebendigen Beethoven. Die vorliegende Aufnahme entstand übrigens in einem einzigen, durchgehenden Take im Studio – beeindruckend! AN

„Schubert & Janáček“ Herbert Schuch (Oehms Classics) Track 10 auf der crescendo Abo-CD: „Der Tod. Adagio“ aus der Sonata I von Janáček

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„A Single Breath. Beethoven‘s last three Piano Sonatas“ Beth Levin (Navona Records)

W. A. Mozart: „Klavierkonzerte Nr. 21 & 27“ Lars Vogt, hr-Sinfonieorchester, Paavo Järvi (Avi)

Track 3 auf der crescendo Abo-CD: „Moderato cantabile molto espressivo“ aus der Klaviersonate Nr. 31, op.110

Track 6 auf der crescendo Abo-CD: „Larghetto“ aus dem Klavierkonzert Nr. 27 www.crescendo.de

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h ö r e n & s e h e n L’Arte dell’Arco

Abschluss der Tartini-Edition 1996 setzten sich die Violinvirtuosen Giovanni und Federico Guglielmo einen waghalsigen Plan: Mit ihrem damals noch kaum bekannten, heute hoch geschätzten Ensemble L’Arte dell’Arco wollten sie in einer nie dagewesenen Edition sämtliche Violinkonzerte Giuseppe Tartinis einspielen. Dieser schrieb mehrere hundert hochvirtuose Violinkonzerte, die zwar stilistisch ganz anders geartet sind, aber in Schönheit und Anspruch denen seines prominenten Zeitgenossen Vivaldi in nichts nachstehen. Die Guglielmos hatten viel zu tun: Die allermeisten der Tartini-Konzerte lagen lediglich in handschriftlichen Manuskripten vor. Bei vielen mussten einzelne Teile rekonstruiert werden. Die Brüder Guglielmo standen nun also nicht nur einigen hundert haarsträubend schwierigen Violinkonzerten gegenüber, sondern mussten auch hohe musikwissenschaftliche Hürden überwinden. Es ist der große Verdienst des traditionsreichen italienischen KlassikLabels Dynamic, dass wir nun – 17 Jahre nach Projektbeginn – tatsächlich das abschließende Album eines grandiosen Zyklus in Händen halten können, der einmalig in der Tonträgergeschichte ist. Einmalig nicht nur, weil er etliche Tartini-Konzerte erstmals in Weltersteinspielungen hörbar macht, sondern auch weil die Guglielmos und L’Arte dell’Arco sich mit der Zeit zum ultimativen Referenzensemble für die Musik Tartinis entwickelten. Editionsprojekte wie dieses, wo sich Hingabe zum Werk und Qualität in der Ausführung die Hand reichen, kann man nicht genug loben. Und die Musik Tartinis, die mit zum Faszinierendsten gehört, was der italienische Spätbarock zu bieten hat, müsste sowieso ein breiteres Gehör finden. RA

Giuseppe Tartini: „Sämtliche Violinkonzerte Vol. 17“, Giovanni und Federico Guglielmo, L’Arte dell’Arco (Dynamic) Track 7 auf der crescendo Abo-CD: „Allegro“ aus dem Violinkonzert a-Moll, D 114 von Giuseppe Tartini

Benjamin Schmid

Ligetis Nagel auf den Kopf getroffen Hannu Lintu ist seit mehr als 20 Jahren ein Qualitätsgarant, wenn es um Neue Musik und klassische Musikmoderne geht. Mit Orchestern aus seiner Heimat Finnland legte er bei Ondine und Naxos teils herausragende Aufnahmen vor. Zu diesen hinzugekommen ist nun eine repräsentative Ligeti-Auswahl in glänzenden Interpretationen. Das Violinkonzert mit dem österreichischen Geigen-As Benjamin Schmid bildet dabei den Höhepunkt. Aber auch das aus Kubriks „2001“-Film bekannte „Atmosphères“ ist vertreten. Lintu zeigt, wie hellsichtig er diese Musik durchschaut. Und so interpretiert er Ligeti als Musikrevolutionär, der im Kern Romantiker geblieben ist – und trifft damit den Nagel auf den Kopf! Ligeti wird hier so schön musiziert, wie man es sich überhaupt nur wünschen kann. Ich könnte mir auch kaum eine bessere CD vorstellen, um in die nach wie vor hochgradig spannende Klanglichkeit des Komponisten hineinzuschnuppern. RA

György Ligeti: „Violinkonzert und Orchesterwerke“, Benjamin Schmid, Finnisches Radiosinfonieorchester, Hannu Lintu, Benjamin Schmid (Ondine) Orchestra Sinfonica di Roma

Reife Meisterwerke Die vierte Folge der Brilliant Classics-Edition von Ottorino Respighis Orchesterwerken mit dem Orchestra Sinfonica di Roma unter Francesco La Vecchia enthält nicht nur die zauberhaften Bearbeitungen alter Meister in den 3 Suiten, „Antiche Danze ed Arie“ und später Rossini-Klavierstücke in „Rossiniana“ (mit Schwung und Freude recht pauschal vorgetragen), sondern auch zwei seiner anspruchsvollsten symphonischen Schöpfungen: das große Klavierkonzert „in modo misolidio“, von Désirée Scuccuglia natürlich musikalischer vorgetragen als zuvor von Mustonen, Scherbakow oder Tozer, wenngleich das unter Liszt-Glitter und Impressionismen verborgene gregorianische Idiom der Musik auch hier nicht erwischt wird; und die späten Orchestervariationen „Metamorphoseon“, sein kaum bekanntes, mannigfaltige Verwandlungen durchlaufendes, hinreißendes Meisterwerk, nicht gerade subtil, aber endlich einmal ordentlich eingespielt. CS

Ottorino Respighi: „Orchestermusik Vol. 4“ Orchestra Sinfonica di Roma, Francesco La Vecchia (Brilliant) Track 4 auf der crescendo Abo-CD: „Arie di corte“ aus der Suite Nr. 3

Vittorio Grigolo

Hol Dir den Erfolg! Mit 11 Jahren sang er im Chor der Sixtinischen Kapelle, mit 13 an der Seite von Luciano Pavarotti in „Tosca“, weshalb sie ihn „Il Pavarottino“ (der kleine Pavarotti) nannten. Mit 23 folgte das Debüt an der Mailänder Scala. Mit 30 der Segen des Meisters: „Du bist kein Tenor“, soll Pavarotti ihm an seinem Sterbebett gesagt haben. „Du bist ein StarTenor und davon gibt es zu wenige. Geh’… und hole Dir den Erfolg, den Du verdienst“. Und Vittorio Grigolo ist auf bestem Wege. 2011 gewann er den Echo-Klassik. Und er scheut weder Pop, noch Crossover noch manchen geistlichen Kitsch, wie auf dieser Aufnahme mit eher seichten Arrangements von Werken von Caccini, Schubert, Mozart u.a. Aber dies gekonnt. Mit viel Schmelz in der Stimme, volltönend und warm im mittleren Register, mühelos in der Höhe, elegant und schwärmerisch. Ein Frauentyp. Pavarotti hatte Recht. Grigolo hat das Zeug, Fußballstadien zu füllen. TPR

„Ave Maria“ Vittorio Grigolo (Sony Classical) Foto: Alex James

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The Royal Ballet

Tänzer und Erzähler Ashton Diese wunderbare DVD stellt den großen britischen Choreographen Sir Frederick Ashton (1904-88) in seiner Vielseitigkeit vor. Ab Mitte der 1930er Jahre (von 1963-70 auch als Leiter des Londoner Royal Ballet) hat Ashton den britischen neoklassischen Stil maßgeblich geprägt: einen hochästhetischen, immer vornehmen und – pointiert den Oberkörper einbeziehend – ungemein musikalisch-tänzerischen Stil. Sein Ravel-Ballett „La Valse“ (1958) ist ein einziger eleganter, sich ständig wiegend-walzernder Tanzrausch für 21 Ball-Paare, ein spritzigfrecher technisch virtuoser Pas de deux dagegen sein „Voices of Spring“ für eine Inszenierung von Johann Straussens „Fledermaus“. In Kontrast dazu der trancehaft lyrische Pas de deux „Méditation“ (1971) für die Massenet-Oper „ThaÏs“.

Noch erstaunlicher anders die pointiert verlangsamte skulpturale Bewegung von je drei Tänzern in „Monotones I and II“ (1965/66), seine beiden mysteriös-poetischen Satie-Ballette. Und in der von dramatischem Gefühl durchflammten Liebesgeschichte „Marguerite and Armand“ nach Dumas‘ „Kameliendame“ – interpretiert von der darstellerisch umwerfenden Tamara Rojo und dem Jungstar Sergei Polunin – hat man dann noch den grandiosen Erzähler Ashton. Ergänzend die Extras mit Solisten und Coaches. GRA

„Ashton Celebration. The Royal Ballett dances Frederick Ashton“ (Opus Arte)

Jean-Guihen Queyras, Jiří Bělohlávek

Traumwandlerisch Jean-Guihen Queyras ist heute einer der feinsinnigsten und makellosesten Cellisten und bildet in diesem romantischen Programm (wie schon im Konzert von Dvořák) mit Jiří Bělohlávek am Pult des BBC Symphony Orchestra ein idealtypisches Gespann. Unter Bělohlávek blüht das Londoner Orchester mit innig schwärmerischer Lyrik und zugleich klarer struktureller Zeichnung auf und trifft den Charakter Elgars in seinem rezitativisch melancholischen Konzert und Dvořáks in „Waldesruhe“ und dem Konzertrondo traumwandlerisch. Queyras zeigt in den Ausdrucksextremen bewundernswerte Kontrolle und Geschmack, und in Tschaikowskys Rokoko-Variationen (in Fitzenhagens populärer Fassung) bezirzt er mit Leichtigkeit und Reinheit der Tongebung. Dvořák ohnehin, aber auch Elgar und Tschaikowsky haben wir kaum je mit solcher Noblesse gehört, und bis auf das Adagio des Elgar-Konzerts sind auch die kontrastierenden Tempi absolut schlüssig. CS

„Elgar, Tschaikowsky, Dvořák“ Jean-Guihen Queyras, Jiří Bělohlávek (harmonia mundi) Track 5 auf der crescendo Abo-CD: „Adagio“ aus dem Cello Concerto op. 85 von E. Elgar

Calmus Ensemble

Nina Proll, Trio de Salón

Bach ungewohnt

Lieder eines armen Mädchens

Das Calmus Ensemble Leipzig und die Lautten Compagney Berlin begeistern vor allem durch eine musikantische Herangehensweise, sprudelnde Spielfreude – und ein spannendes, kontrastreiches Programm. Die Pfeiler dieser BachArkaden bilden teils traditionelle, teils neue und ungewöhnliche Versionen von Chorälen Johann Sebastian Bachs. Da wird das sonst so ernste „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ schon mal zu einem ansteckendend-fröhlichen Tanz: „Hallo Tod!“, einmal freundlich lächeln, winken – und mit jazzigen Scat-Elementen die Auferstehungs-Vorfreude zum Klingen bringen. Totensonntag mit Groove. Wo traditionalistische Puristen (die hier auch auf ihre Kosten kommen) vielleicht den Untergang der abendländischen Kultur sehen, lohnt eine genaue Beschäftigung mit der informierten, reflektierten, aber unbefangenen Auseinandersetzung mit Bachs Musik auf dieser CD, die zeigt wie reichhaltig und polyvalent sie ist! STÖ

Mit einem szenischen Liederabend gastieren die Schauspielerin, Sängerin und Tänzerin Nina Proll sowie das Trio de Salón derzeit erfolgreich auf den österreichischen Bühnen. Benannt nach Friedrich Hollaenders Zyklus „Lieder eines armen Mädchens“ führt das Programm in die deutschsprachige Kabarettszene der 1920er und 30er Jahre, erzählt mit gesprochenen und gesungenen Texten das Schicksal einer fiktiven Sängerin. Eine Auswahl der musikalischen Nummern von Hollaender, Weill und Eisler wurde auf CD festgehalten, Sprödes, Witziges, Kritisches, Skurriles, neu arrangiert für die ungewöhnliche Besetzung mit Violine, Kontrabass und Knopfakkordeon. Das Ergebnis ist ein ebenso unterhaltsames wie eindrückliches Hörerlebnis, weil die drei Herren ganz famos aufspielen und es Nina Proll wagt, sich vom Vorbild der historischen Diseusen zu lösen und ihr so eine ganz eigene, eigenwillige Interpretation gelingt. AR

BACHArkaden. Calmus Ensemble, Lautten Compagney, Wolfgang Katscher (Carus) Track 9 auf der crescendo Abo-CD: „Ach wie flüchtig, ach wie nichtig“ von J. S. Bach

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Holländer, Eisler, Weill, Wunder: „Lieder eines armen Mädchens“ Nina Proll & Trio de Salón (Gramola)

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Jazz

Andy Bey

Andacht

Die ganze Welt in elf Songs – eine Herausforderung, der sich kaum ein Musiker unserer Zeit so souverän stellen könnte wie Andy Bey. Der Sänger und Pianist aus New York widmet sich „The World According To Andy Bey“ solo, nur zur eigenen Klavierbegleitung singend. Dabei ist nicht nur entscheidend, was er singt – immerhin fünf neue Eigenkompositionen und Standards von Harold Arlen oder George Gershwin – sondern wie er es tut. Der 73-jährige bringt jeden Ton von Balladen wie „It Never Entered My Mind“ oder „But Not For Me“ in solch essentielle Schwingungen, dass sie einem direkt in die Seele klingen. Auch am Klavier sitzt jeder Ton, etwa wenn es um „Cheryl“ geht. Aber auch in „The Demons Are After You“ oder „Being Part of What’s Happening Now“ harmonieren Stimme und Klavier. Es soll möglich sein, diese Musik nebenbei zu hören. Trotzdem empfiehlt es sich, ganz genau zuzuhören – je andächtiger man sich dieser konzentrierten Weltsicht widmet, desto tiefer ergreift sie. GB

BB Promotion GmbH in cooperation with Sundance Productions, Inc. NY presents a production of Michael Brenner

DER BROADWAY-KLASSIKER

“The World According To Andy Bey” Andy Bey (HighNote) Ensemble Denada

Fallobst bringt Glück Erlebt man in England oder den USA einen „Windfall“, meint es der Zufall gut mit einem und bringt das, was man hierzulande einen „unerwarteten Geldsegen“ nennt. Doch eigentlich übersetzt sich das Wort mit „Fallobst“. Diese drollige Doppeldeutigkeit steht dem Ensemble Denada des norwegischen Posaunisten und Komponisten Helge Sunde perfekt. Sunde schreibt Stücke voll wilder Ideen und polierter Zufallsprodukte, die etwa von einem verirrten Elch inspiriert wurden, der durch einen Fjord schwimmt, ihren Titel durch amüsante Schreibfehler fanden oder auf den erfolgreichen Gedichten eines westnorwegischen Apfelbauern basieren. Das fünfzehnköpfige Ensemble füllt all das mit spielerischem Leben, mit lyrischen Wohlklängen im Verbund, darüber solistischen Meisterleistungen. Das Ergebnis klingt auf dieser hervorragenden Aufnahme aus dem Sendesaal Bremen gleichermaßen beeindruckend und entkrampft, nicht überraschend, um irgendeiner Verwirrung willen, sondern gekonnt ungewöhnlich. Ein musikalischer „Windfall“. GB

Helge Sunde: “Windfall” Ensemble Denada (Ozella Music) Pablo Held

Vorsprung durch Vorfahren Der junge Pianogott Pablo Held widmet sein erstes „Konzeptalbum“ seinen musikalischen und biologischen „Elders“. Dafür hat der 26-jährige vier Stücke seines Vaters, ebenfalls Pianist und Komponist, neu arrangiert, dazu Klassiker von Manuel de Falla, Wayne Shorter oder „Macie“ von Joni Mitchell. Letzteres ist ein Lieblingslied seiner Mutter, einer Klavierbauerin. Eine Eigenkomposition ist auch dabei: „Pastorale“. Auf welch subtile, humorige und schöne Art und Weise diese Verbeugung vor den Älteren auch ein weiterer Schritt in die Eigenständigkeit ist, kann man am Titelstück erkennen. „Elders“ stammt vom Saxophonisten Wayne Shorter, der es 1978 mit seiner Gruppe Weather Report für das Album „Mr. Gone“ aufnahm. Das neunte Album der Fusion-Protagonisten wurde nicht nur im Downbeat als „zu kommerziell“ und „überorchestriert“ verrissen, erreichte aber schon kurz darauf Gold-Status. Vielleicht ist es kein Zufall, dass sich auf dem Weather Report-Album „Mr. Gone“ auch ein sehr schöner Titel von Jaco Pastorius fand, den er „Punk Jazz“ nannte. GB

*0,14 €/Min. aus dem Festnetz, Mobilfunk max. 0,42 €/Min.

19.12.13 -11.01.14 · Alte Oper Frankfurt 28.01. - 02.02.14 · Festspielhaus Baden-Baden 04.02. - 09.02.14 · Festspielhaus Bregenz 11.02. - 16.02.14 · Festspielhaus Salzburg 18.02. - 16.03.14 · Theater 11 Zürich 18.03. - 27.04.14 · Deutsches Theater München Tickets: 01806 - 57 00 70* · www.westsidestory.de

“Elders” Pablo Held (Pirouet)

35 *0,20 €/Anruf aus dem dt. Festnetz, max. 0,60 €/Anruf aus dem dt. Mobilfunknetz


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Die Christoph Schlüren-Kolumne: Unerhörtes und neu Entdecktes

Norbert Burgmüller Schuberts Bruder im Geiste

W

ährend die etablierten Meister zu jedem Jubiläum Kopitz und ein grundlegendes kommentiertes Werkverzeichnis von gefeiert werden, haben selbst die, die für die kulturelle Klaus Zehnder erschienen, sowie ein Nota-Bene-Büchlein von Kopitz Vielfalt Verantwortung trügen – Musikwissenschaftler, und dem Pianisten Tobias Koch mit Schwerpunkt zur Klaviermusik, alles Verlage, Fachmedien –, meist nur gelegentlich einen zu sehr moderaten Preisen. Dieses Projekt, von den führenden FachleuSeitenblick übrig für jene weniger bekannten Kompo- ten der Burgmüller-Forschung aufs Sorgfältigste durchgeführt, ist angenisten, die im Schatten der ganz großen Namen stehen, jedoch oftmals sichts der immer noch viel zu unbekannten Musik einmalig und wäre Ebenbürtiges schufen. Allein in der deutschen Romantik – was gibt es da auch anderen vergessenen Meistern wie etwa Robert Volkmann, Hernicht alles noch neben Beethoven, Schubert, Weber, Mendelssohn, Schu- mann Goetz oder dem großen Schweizer Sinfoniker Hans Huber drinmann, Wagner, Bruckner und Brahms, und wie viel nachhaltigen Enga- gend zu wünschen. Norbert Burgmüllers Musik neigt wie Mendelssohns zu elegischer gements bedarf es, auch nur einen weiteren Namen im Bewusstsein der Öffentlichkeit zu verankern. Wie viele von uns kennen Musik von Robert Introversion bei straffer und zugleich heiterer rhythmischer Bewegtheit. Volkmann, Friedrich Gernsheim, Felix Draeseke, Hermann Goetz oder Er ist ein wirklicher Sinfoniker, der die konzentrierte thematische Arbeit liebt, weite harmonische Spannungsbögen mit geheimnisvollen Robert Fuchs? Und die haben wirklich Substantielles geschrieben! Ein ganz besonderer Fall war der Düsseldorfer Norbert Burgmül- Modulationen errichtet und auf natürliche, unprätentiöse Weise zykliler. 1810 im selben Jahr wie Robert Schumann geboren, zeigte er eine sche Bezüge einfließen lässt. Die Musik entfaltet sich stringent wie von Frühreife wie Felix Mendelssohn Bartholdy, seine ersten meisterhaften selbst, sie lebt aus einer unaufhaltsam vorwärtstreibenden Energie. Werke vollendete er als 15-jähriger. Doch verblieben ihm nur weitere elf Besonders interessant ist, dass Burgmüller nicht nur von Mozart, BeetJahre, die teils von ungezügeltem Liebeskummer, Depressionen und hoven, Weber, Mendelssohn oder seinem kurzfristigen Lehrer Louis Trunksucht überschattet waren, und so hatte Burgmüller, als er 1836 Spohr Einflüsse aufgenommen hat, sondern vor allem eine innige Nähe starb, nur wenige vollendete Werke hinterlassen: seine Erste Sinfonie zu den großen Formen des späten Franz Schubert besteht, wie dieser sie und ein Klavierkonzert, ein paar kleinere Sachen für Orchester, vier in seinen letzten Klaviersonaten, dem Streichquintett und der großen Streichquartette und ein bisschen weitere Kammermusik, einige Lieder- C-Dur-Sinfonie manifestierte. Im großartigen Andante seiner Zweiten Sinfonie scheint Burgzyklen, und eine Sonate sowie drei Miniaturen für Klavier solo. Von der Zweiten Sinfonie, seinem wohl meisterhaftesten Werk, hatte er nur die müller unmittelbar daran anzuknüpfen, wie ein Bruder im Geiste, denn ersten zwei Sätze abgeschlossen, und 15 Jahre später war es Robert gekannt hat diese Musik damals noch niemand fern von Wien. Die beiSchumann, der sich das Scherzo daraus vornahm und zu Ende orchest- den Sinfonien sind 2010 mit der Hofkapelle Stuttgart unter Frieder Berrierte – Schumann, der schon Burgmüllers Erste Sinfonie als „das nius bei Carus erschienen. Nun haben diese Musiker zusammen mit bedeutendste, nobelste Werk im Sinfonienfach, das die jüngere Zeit dem Pianisten Tobias Koch das weitere Orchesterschaffen nachgelegt: hervorgebracht, ihrer musikalischen Natur, ihres ungewöhnlich schön die Ouvertüre zu Burgmüllers einziger, unvollendet verschollener Oper und kräftig ausgeprägten Instrumentalcharakters wegen“, bezeichnet „Dionys“, vier feinsinnige Entr’Actes, und das herrlich symphonische hatte. Für keinen seiner Zeitgenossen hat sich Schumann so intensiv angelegte Klavierkonzert – nicht nur bezüglich der Erfindung und und fortdauernd eingesetzt, und er hat wahrlich oft zur Feder gegriffen, Dauer ein großes Konzert, sondern auch das überhaupt erste Klavierkonzert mit Posaunen, was den Orchesterklang mächtiger, zauberhafter wenn es für etwas einzutreten galt. Das einzige Problem der Musik des 26-jährig infolge eines epilepti- und dunkler erscheinen lässt. Ganz besonders empfehlen möchte ich schen Anfalls beim Baden ertrunkenen Norbert Burgmüller ist, dass es so die stürmisch drängende Klaviersonate und das dicht gearbeitete späte wenig von ihr gibt. Dieses Wenige ist in den vergangenen Jahren in einer 4. Streichquartett – beide Gipfelwerke der Gattung, und eine wirkliche schmucken Hardcover-Gesamtausgabe des Verlags Christoph Dohr in Freude für alle, die Schubert, Mendelssohn und Schumann lieben und Neu- und Erstdrucken in vorbildlichster Weise zugänglich gemacht wor- es nicht dabei belassen wollen. den, und so kann jetzt jeder Interessent sämtliche Werke Burgmüllers in Partitur, Stimmenmaterialien und Aufnahmen erwerben. Außerdem ist Gesamtausgabe der Werke von Norbert Burgmüller, bei Dohr eine umfassende Biographie vom Herausgeber Klaus Martin erschienen im Dohr Verlag Köln – erhältlich über www.dohr.de 36

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Caitríona O ’Leary

Besessen „Possessed“ heißt das Album - da hört man hin. Und schaut auf die faszinierend charismatische Sängerin Caitríona O’Leary mit ihrer engelgleichen und ätherischen Stimme. 2006 gründete die leidenschaftliche Irin das Ensemble eX, besessen von der Idee, das Repertoire des 11. bis 18. Jahrhunderts (halb) szenisch wie ein Gesamtkunstwerk für alle Sinne zu interpretieren. „Besessenheit“ heißt es diesmal, in all ihren bizarren, wahnhaften Ausprägungen: von der mystisch christlichen Ekstase einer Hildegard von Bingen, Jeanne d’Arc oder Teresa de Avila über Goody Glover, die 1688 als „Hexe“ in Boston gehängt wurde, bis hin zu den Initiations-Riten des afro-brasilianischen Candomblé und dem süditalienischen Tarantismus, der nach dem Volksglauben von einem Tarantelbiss ausgelösten wilden Tanzwut. Tänze, Gesänge und Improvisationen – einmalig hier von O’Leary und Kollegen zusammen- und vorgetragen – evozieren Götter und Geister. Und versetzen in Trance. Aufregend anders! TPR

„Possessed“ eX, Caitríona O’Leary (Heresy) Track 11 auf der crescendo Abo-CD: „Canienoro de Paris“

Johannes Brahms: „The Cello Sonatas“ Harriet Krijgh, Magda Amara (Capriccio)

Harriet Krijgh & Magda Amara

Im Dialog Als Johannes Brahms seine erste Cellosonate e-Moll op. 38 gemeinsam mit dem Widmungsträger Joseph Gänsbacher im engen Freundeskreis uraufführte, war er von dessen Cellokünsten maßlos enttäuscht. Nachdem der Jurist und Hobbymusiker sich schließlich auch noch beschwerte, das Klavier sei so laut, dass man ihn kaum hören könne, erwiderte Brahms bissig: „Glücklicherweise!“. Bei dieser Einspielung ist es anders: Magda Amara erweist sich als überaus einfühlsam agierende Pianistin, sodass der warme und nuancenreiche Celloton der bereits mehrfach ausgezeichneten jungen Cellistin Harriet Krijgh wunderbar zu Geltung kommt. Gemeinsam lassen sie die schwermütige Sonate mal wie ein vertrautes Flüstern, dann wieder wie ein aufbrausendes Gespräch klingen. Ganz in Brahms ursprünglicher Intention ist das Klavier dabei nicht zur bloßen Begleitstimme degradiert, sondern vielmehr ein ebenbürtiger Partner für das Cello. Auch Brahms zweite Cellosonate F-Dur op. 99 haben die beiden Künstlerinnen eingespielt. In diesem strahlenden, kraftvollen Werk umspielen sie abwechselnd sanft die Melodien der Anderen und scheinen dann wiederum plötzlich im Unisono zu „singen“. Harriet Krijgh versteht es die gegensätzlichen Temperamente der doch so unterschiedlichen Sonaten hervorzubringen und gemeinsam mit Magda Amara gelingt ein spannender Dialog. SK Track 8 auf der crescendo Abo-CD: „Allegretto quasi Menuetto“ aus der Sonate für Cello und Klavier Nr. 1

DAS ULTIMATIVE DOPPEL-ALBUM VOM GRÖSSTEN TENOR ALLER ZEITEN 50 unvergessliche Hits, von Nessun dorma über La donna è mobile bis O sole mio. Mit den special guests: Frank Sinatra, Eric Clapton, Bono und Sting. Vollkommen neu remastert für den besten Sound, den es je gab.

Inklusive einer bisher unveröffentlichten Arie von 1961!

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Ab jetzt überall erhältlich! www.luciano-pavarotti.de


h ö r e n & s e h e n

Vladimir Horowitz

Der Jahrhundert-Pianist!

Fotos: Holger Schneider

Ein Fest für Klavierfans: Sony hat alle auf Tonträger festgehaltenen Live-Konzerte Horowitz’ in der Carnegie-Hall in einer vorbildlichen CD-Edition zusammengefasst.

Vladimir Horowitz in Berlin, 1986.

W

enn es jemand gegeben hat, der das Prädikat „Jahrhundertpianist“ – ohne jeglichen Einwand – für sich beanspruchen konnte, dann war es der 1989 in New York verstorbene russisch-amerikanische Weltbürger Vladimir Horowitz. Er war nicht nur ein furchterregender Virtuose, sondern vor allem ein begnadeter Klangfarben-Zauberer und ein hochsensibler Lyriker, der seinen großen Steinway zum Singen, zum Schweben bringen konnte wie kein anderer. In seinem Herzen blieb der 1903 im Zarenreich geborene Horowitz stets ein Romantiker, der auch die Wirkung seiner bis ins letzte Detail ausgefeilten Interpretationen bedachte, und der sich im Lauf seiner beispiellos erfolgreichen, auch von persönlichen Krisen geprägten Karriere vom auftrumpfenden Tastenakrobaten der Anfangsjahre mehr und mehr zu einem 38

Poeten und Klangmagier weiterentwickelte. Sein Repertoire reichte von Bach bis Prokofjew, war aber relativ schmal, denn als Gourmet alter Schule spielte er stets nur seine Lieblingsstücke, und vielleicht war diese kindlich anmutende, naive Musizierfreude, gepaart mit einer ans Dämonische grenzenden Musik-Besessenheit ein Grund dafür, dass er sein Publikum nie langweilte und dass er kein Stück zweimal gleich spielte. Noch im hohen Alter verstand er es, seine Zuhörer durch seine dämonische Virtuosität zu erschüttern: Als Martha Argerich den damals 75-jährigen Horowitz zum ersten Mal live erlebte, fand sie seine Ausdruckskraft „unheimlich und beängstigend“. Wenige Jahre nach der Gesamtedition all seiner amerikanischen Studioaufnahmen in der „Original Jacket Collection“ (mit 70 CDs) würdigt Sony ihre Pianisten-Legende jetzt erneut durch eine

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Film Sergiu Celibidache

Bruckners Kosmos Kunstreich wechseln die Aufnahmen von Bruckners großer Messe in f-moll zwischen Chorproben mit Klavier, Orchesterproben in der Münchner Philharmonie und – in teils anderer Besetzung – Probe und Aufführung in der St. Florianer Stiftskirche, wo Bruckner gewirkt hat. Statt einer dürften es locker drei Stunden sein, um ein klareres Gespür für Celibidaches Arbeit zu entwickeln, jene Arbeit an Struktur und Klang, die stets ausschließlich im Dienst des Gesamtzusammenhangs steht. Das können Ausschnitte, auch längere, natürlich nur andeuten, doch die Grundausrichtung höchster innerer Spannung bei vollendeter äußerer Entspanntheit, und viel von der Magie des Augenblicks springt auf den Betrachter über. Tiefer ist niemand je in Bruckners Kosmos eingedrungen, mit seinem ganzen Wesen und ohne jede Selbstdarstellung. Ergänzend sei Jan Schmidt-Garrés Portraitfilm „Man will nichts, man lässt es entstehen“ (auch bei Arthaus) empfohlen. CS

„Celibidache in St. Florian – Bruckners Messe in f-moll” (Arthaus Musik) Rudolf Barshai

Frontaler Monolog

lückenlose Dokumentation aller seiner Live-Auftritte in der New Yorker Carnegie-Hall in der Zeit von 1943 bis zu seinem letzten „Golden Jubilee Concert“ im Jahr 1978. In diesen 35 Jahren wurden 17 Solo-Recitals von Horowitz komplett mitgeschnitten, dazu drei Klavierkonzerte (1943, 1953 und 1978), sowie das „Concert of the Century“ im Jahr 1976 mit dem Kammermusiker Horowitz. Ferner enthält die aufwändig gestaltete 41-CD-Box vier weitere CDs mit live gespielten Einzelaufnahmen aus dem Privatbesitz des Künstlers, die zwischen 1945 – 1950 aufgezeichnet wurden und eine Reihe selten gespielter Werke enthalten – so von Barber, Kabalewsky, Poulenc und Haydn, und eine frühe Version der „Bilder“ Mussorgskys. Ein 300-seitiges Begleitbuch mit exzellentem Bildmaterial und vielen klugen Essays sowie eine DVD mit seinem ersten TV-Recital im Jahr 1968 runden die exzellente Edition ab. Eigentlich ist es egal, an welcher Stelle man einsteigt in diese mit zahlreichen Erstveröffentlichungen gespickte Dokumentation einer unendlichen musikalischen Odyssee, ob in die scharfkantigtrockenen Mono-Attacken der frühen 1950er Jahre vor seiner großen Krise, oder ob in die raffinierten Klangfarbenspiele, die hochsensible Poesie des älteren, geläuterten Horowitz – man ist augenblicklich gebannt vom charismatischen Zauber seines Spiels, von der Urgewalt seiner Forteschläge, von der unendlichen Zärtlichkeit seiner Piani. Kein anderer Pianist hat die gestalterischen Möglichkeit seines Instruments so extensiv genutzt und so suggestiv umgesetzt wie Horowitz. Einen solchen Musiker wird es nie mehr geben. Attila Csampai Great Moments of Vladimir Horowitz live at Carnegie Hall (Sony)

Ein alter Herr resümiert sein Leben, schlicht, offen, direkt in die Kamera, ein russischer Monolog mit deutschen Untertiteln, eine intensive Autobiographie. Und was für ein Leben! Rudolf Barshai, 1924 in Russland geboren und 2010, wenige Wochen nach dieser Aufzeichnung in der Schweiz gestorben, war Bratschist und Gründungsmitglied des legendären Borodin-Quartetts, Gründer des Moskauer Kammerorchesters, Zeitzeuge („Ich habe am selben Tag bei Stalins und Prokofjews Beerdigung gespielt“) und nach 1977 international renommierter Dirigent. ­Fesselnd erzählt er von Motivation und Alltag als Musiker in der Sowjetunion, von den wahnwitzigen Repressalien, den Begegnungen mit Schostakowitsch, David Oistrach und Svjatoslav Richter, seinen Ehen, dem Exil. Und von seiner „Mission, diese unglaubliche, großartige Sinfonie (gemeint ist Gustav Mahlers Fragment gebliebene Zehnte) zu Ende zu komponieren.“ AR

Rudolf Barshai: The Note (DVD)

Georg Baselitz

Kompromisslose Arbeiten 2012 war er laut Kunstkompass-Ranking die Nummer Drei hinter Gerhard Richter und Bruce Naumann. Trotzdem ist Georg Baselitz nie zufrieden und auch mit 75 Jahren noch auf der Suche. Um herauszufinden, was den Maler und Bildhauer bei seiner kompromisslosen Arbeit antreibt, hat Evelyn Schels ihn für den Dokumentarfilm „Georg Baselitz“ begleitet, interviewt und ausgiebig im Atelier beobachtet. Ergänzt durch Blicke in sein Familienalbum und Statements wichtiger Wegbegleiter hat sie das Puzzle einer Ausnahme-Persönlichkeit zusammengetragen, die alles außer Mainstream sein wollte und dafür z.B. alle Bilder auf den Kopf stellte. 105 Minuten lang werden Baselitz’ Stärken genauso wie seine schwachen Momente gezeigt, wenn er an sich zweifelt. Oder ihn das Hantieren mit Kettensäge und Axt beim Herstellen einer Holzskulptur erschöpft. SDE

„Georg Baselitz. Ein Film von Evelyn Schels“ (Alamode Film) 39


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Ein Hoch auf die Countertenöre

Die Sänger-Alben des Jahres!

Fotos: Julian Laidig; Andrew Goldie

Zwischenzeitlich durch Mezzosoprane ersetzt, erlebt das Fach des Countertenors eine Renaissance: Holger Wemhoff über seine neuen Lieblings-Alben und die Männer, die früher die eigentlichen Superstars waren.

„Arias for Caffarelli“ Franco Fagioli, Il Pomo d‘Oro, Riccardo Minasi (Naive)

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is in die 1970er-Jahre hinein war man als Fan von Barockmusik unter dem Stichwort „historische Aufführungspraxis“ im Nachteil. Vivaldi, Bach und Händel, so sie denn auf den Konzertprogrammen standen, wurden von großen Sinfonieorchestern aufgeführt und „störten“ die damaligen Hörgewohnheiten nicht, Gleiches galt für Schallplattenaufnahmen. Diejenigen allerdings, die wussten, wie das eigentlich zu klingen hatte, wandten sich mit Grausen ab oder suchten ihr Heil bei den wenigen Musikern und Dirigenten, denen das Musizieren auf historischen Originalinstrumenten Pflicht war. Mit solchen Größen wie Harnoncourt, Gardiner, Pinnock und Co. drehte sich dann allmählich der Spieß um und verkehrte damit auch die Hörgewohnheiten ins genaue Gegenteil. Die wenigsten großen Sinfonieorchester von heute würden sich trauen, Bach und Zeitgenossen dem Publikum im Gewand von vor 30 Jahren zu präsentieren. Genauso verhält es sich mit barocken Opern. Die Aufnahmen von Marilyn Horne, Joan Sutherland und weiteren Legenden in allerhöchsten Ehren, aber auf heutige Ohren wirkt das fast befremdlich. Und das Wichtigste, was diesen Aufnahmen fehlt: Die Partien

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„Rivals“ David Hansen, Academia Montis Regalis, Alessandro De Marchi (Deutsche Harmonia Mundi)

des Countertenors wurden mit einem Mezzo besetzt. So ist es nicht gedacht und so war es nie gedacht. Was die zuvor genannten Herren Harnoncourt und Co. für die Dirigenten geleistet haben, das waren Jochen Kowalski, Derek Lee Ragin und andere für die „Counter“. Und sie leiteten damit eine tatsächliche Renaissance der Countertenöre ein, die sich zum jetzigen Zeitpunkt in einer Blütezeit befindet, wie man sie kaum für möglich gehalten hätte. Die größten Barockkomponisten ihrer Zeit, Vivaldi, Händel, aber eben auch Vinci, Bononcini, Leo, Porpora oder Hasse komponierten den damaligen Kastraten-Stars in die Goldkehlchen. Und „Stars“ ist noch untertrieben. Der Kult, der Hype um diese (bedauernswerten) Persönlichkeiten lässt sich nicht mal annähernd mit dem um die heutigen Sopranistinnen vergleichen. Was heute die „Primadonna“, war damals der „Primo Uomo“. Und um den verbreitete sich eine regelrechte Hysterie. Allen voran um den größten aller Kastraten-Stars: Farinelli (wie bei all seinen Kollegen ein Künstlername, eigentlich hieß er Carlo Broschi)! Und DER duldete keine weiteren Stars neben sich und versuchte, sie alle nach und nach auszustechen, seine „RIVALEN“, was ihm auch auf nahezu ganzer Linie gelang. Und so entstanden vor www.crescendo.de

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300 Jahren regelrechte Sängerschlachten - zur hysterischen Freude des Publikums und der Komponisten, die ihre Geldbeutel füllen konnten. Farfallino, Succianoccioli (welch Wortschöpfung!) und vor allem Senesino und Caffarelli buhlten um die Gunst des Publikums, die damit verbundene höchste gesellschaftliche Anerkennung und nicht zuletzt kämpften sie für die Niederlage ihres größten Konkurrenten Farinelli. Schaut man sich unter heutigen Sängerstars um, findet man in kaum einem anderen Stimmfach so eine Vielzahl von großartigen Weltklasse-Sängern wie im Fach des Countertenors. Was über Jahre unterdrückt schien, drängt nun mit aller Macht nach vorne, wie die letzten Jahre beweisen, die solche Stars wie Philippe Jaroussky, Valer Barna-Sabadus, Iestyn Davies oder Max Emanuel Cencic hervorgebracht haben, die allesamt die lang totgeglaubte Barockoper zu einer ungeahnten Popularität getrieben haben. Nun gesellen sich zu diesen heutigen Counter-Rivalen zwei neue hinzu - und sorgen für gehörigen Wind in der Szene, zumal beide nach dem Anhören ihrer Neuaufnahmen jetzt schon als unverzichtbar gelten müssen. Da ist zum Einen der in Deutschland schon etwas bekanntere Argentinier Franco Fagioli, der nicht zuletzt durch seine Mitwirkung am großartigen „Artaserse“-Projekt (Virgin Classics) mit ACHT(!) Countertenören und seine Zusammenarbeit mit Cecilia Bartoli (Steffanis „Stabat mater“) für Aufsehen gesorgt hat. Fagioli hat sein Album ganz den für den Kastraten-Star Caffarelli komponierten Arien gewidmet, wunderbar vollmundig begleitet vom italienischen Barock-Ensemble „Il Pomo d‘oro“. Beim ersten Hören ist der Eindruck überwältigend. Ich kenne keinen Countertenor unserer Zeit, der mich so sehr zweifeln lässt: Höre ich hier wirklich einen Mann, oder ist es nicht doch eine Frau? Fagiolis Stimme ist ohne jede Brüche, in jeder Lage ausgeglichen, unglaublich virtuos in den Koloraturen, mit einer bombensicheren Höhe ausgestattet und mit genügend Raum für Emotion in den intimeren Arien. Auf der anderen Seite steht der junge Australier David Hansen, norwegischer Abstammung und in seiner Heimat schon ein echter Superstar, der auch optisch diversen Hollywood-Beaus ohne Weiteres das Wasser reichen kann. Sein neues Album beschwört die oben beschriebenen Sänger-Wettstreite und lässt sie vor dem heutigen Ohr und Auge wieder aufleben. Dementsprechend ist der Name seiner CD im wahrsten Sinne des Wortes Programm: „RIVALS“ – Rivalen! Höhepunkt von Hansens Aufnahme ist die Arie „Son qual nave“, von Farinellis Bruder, Riccardo Broschi, komponiert, der anscheinend wie kein anderer um die Fähigkeiten seines Verwandten wusste. So hört man hier erstmals sämtliche Auszierungen und Koloraturen in dieser Arie, mit der der damalige Star sein Publikum verzückte: Eine stimmliche Tour de Force, von David Hansen bravourös gemeistert. Hansens Stimme ist nicht so bruchlos wie die von Kollege Fagioli. Hansen setzt mehr auf Risiko. Seine Interpretationen sind stimmliche Drahtseilakte, Tänze über dem Abgrund und verursachen damit noch größere Gänsehaut, während beim Kollegen alles eine Spur glatter und gelackter klingt. Und das ist es auch, was David Hansen für mein Ohr einen hauchdünnen Vorsprung vor Franco Fagioli gibt, und der damit dieses „RIVALEN“-Duell auf den letzten Metern für sich entscheidet: Hansen fängt mit seinem Album eine Ahnung der bestehenden Hysterie vor 300 Jahren ein! Und trotzdem: Wenn man sich für eine CD entscheiden müsste... Ich könnte es nicht. Beide sind unverzichtbar und nehmen die vordersten Plätze ein, in Sachen „Sänger-CD des Jahres“! 41

LANG LANG SIMON RATTLE BERLINER PHILHARMONIKER P R O K O FJ E W 3 B A R T O´ K 2

DIE ERSTE GEMEINSAME EINSPIELUNG AUS DER BERLINER PHILHARMONIE MIT DEM DRITTEN KLAVIERKONZERT VON PROKOFJEW UND BARTÓKS ZWEITEM KLAVIERKONZERT LIMITIERTE ERSTAUFLAGE ALS DELUXE-CD MIT „MAKING-OF“-DVD www.langlang.com www.sonymusicclassical.de Photo © H. Hoffmann/Sony Classical


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Musik hören ohne CD! Beim Audio-Streaming gelangt Musik aus dem Internet oder Heimnetzwerk selbst auf ältere Stereoanlagen. Die hierfür nötige Technik ist bezahlbar und leicht zu beherrschen

Pioneer SC-LX87 Wo ist denn das CD-Regal? Mit diesem Mehrkanal-Receiver wird es überflüssig. Er streamt Musik aus dem Internet oder dem Netzwerk . Ein WLAN-Adapter wird mitgeliefert. Auch perfekt fürs Heimkino. Info: www.pioneer.de – Preis: 2.499 Euro

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ie CD? Völlig überflüssig. Nicht einmal mehr eine Musikdatei auf dem PC oder MP3-Spieler benötigt derjenige, der über das Internet ferne Computerserver anzapft und über einen permanenten Datenstrom seine HiFi-Anlage mit Musik versorgt. Genau so funktioniert das „Streaming“ – die Musik wird geladen, übertragen und sogleich abgespielt. Im Gegensatz zum Musikdownload landet also keine Datei auf der Festplatte des Nutzers. Zum Streaming benötigt der Klassikfreund nur einen Anbieter für diesen Dienst sowie ein geeignetes Empfangs- bzw. Abspielgerät, damit Musik aus der Datenwolke herabregnen kann. Entweder erklingt jedes Stück auf Wunsch, so als würde er zu Hause eine CD einlegen, oder er hört ein von einem Internetsender festgelegtes Programm, als würde er das Radio einschalten. Das alles mag vielleicht ein wenig kompliziert und abstrakt klingen, ist aber einfacher, als mancher denkt. Viele Menschen haben bereits eine fürs Streaming ausreichende Hardware zu Hause, ohne diese dafür zu nutzen. Schon ein Computer mit Internetanschluss, den ich mit der Stereoanlage verbinde, kann genügen, um Musik aus dem Netz zu hören. Aber natürlich gibt es noch viel elegantere und praktischere Wege, Streaming zu nutzen. Der einfachste Weg ist es, am Computer über den Browser die Adresse eines WebRadios aufzurufen. Dies können exotische Angebote weltweiter 42

Herkunft sein. Aber auch viele herkömmliche Radiostationen wie Klassik Radio und öffentlich-rechtliche Sender wie MDR Klassik und BR Klassik bieten auf ihren Internetseiten einen Link, über den man das laufende Programm online hören kann. Allerdings läuft dann immer nur die Musik, die das Programm vorsieht.

Ihr Wunschprogramm aus dem Netz Wer seine Titel selbst auswählen möchte, muss sich bei einem oder mehreren der vielen Streaming-Anbieter wie Simfy, Spotify, Deezer, Napster oder Naxos Music Library anmelden. Bei ihnen kann der Klassikliebhaber die Musik abrufen, die er gerade hören möchte. Und das Angebot ist keineswegs klein: Bis zu 25 Millionen Titel stellen einzelne Anbieter bereit – und bis zu 2 Millionen davon sind klassische Musik bekannter Labels. Die Dienste kosten allerdings fünf bis zehn Euro pro Monat, nur vereinzelt kann man sie auch gratis nutzen, wer Werbung, eine geringere Klangqualität oder andere Einschränkungen akzeptiert. Gegen Gebühr erhält man das Recht, seine Lieblingsmusik jederzeit abzurufen. Dafür muss man nicht zwangsweise immer online sein. Einzelne Dienste bieten einen so genannten Offline-Modus an, dann wird die Musik vorübergehend gespeichert. Zudem muss man bei den meisten Anbietern eine kleine Software installieren, um den Dienst nutzen zu können. www.crescendo.de

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A k u s t i k

Yamaha Pianocraft MCR-N560 Der Klassiker der Micro-HiFi-Anlagen ist jetzt auch mit Streaming-Funktion erhältlich. Über eine Datenbank kann sie auf tausende Web-Radio-Stationen zugreifen. Gegen 50 Euro mehr ist auch das Modell MCR-N560D mit DAB+-Tuner erhältlich. Preis: 499 Euro – Info: www.yamaha.de

Aber wie kommt nun die Musik vom Computer auf die Stereoanlage? Am einfachsten über ein Kabel. Die simpelste Lösung hierfür ist ein Audiokabel mit Klinkenstecker, das den Audioausgang des Computers mit dem AUX-Eingang der Stereoanlage verbindet. Verfügt der PC oder das Notebook über keinen Audioausgang, kann man auch den Kopfhöreranschluss hierfür nutzen. In einigen Fällen ist vielleicht ein Adapter nötig, zum Beispiel, wenn die Stereoanlage nur über einen AUX-Eingang für zwei Stereo-Cinch-Stecker verfügt, Teufel Raumfeld von denen meistens einer rot und der Connector 2 andere weiß ist. Um die Musik an der Verbindet jede Stereoanlage per Stereoanlage zu hören, muss man an WLAN oder Kabel mit dem Interder Hifi-Anlage „AUX“ als Quelle net oder dem Heimnetzwerk. oder Zuspielgerät einstellen. VerfüMehrere Streamingdienste sind gen PC und Stereoanlage über digivorinstalliert. Info: www.teufel.de – tale Audio-Ein- und Ausgänge, könPreis: 200 Euro nen auch diese verwendet werden. Viel praktischer ist es allerdings, Streaming-Musik ohne Computer und sogar ohne Kabel zu nutzen. Über das heimische WLAN lässt sich auch ein Tablet-PC oder ein Smartphone für den Zugang zum Internet nutzen. Spezielle Apps stellen viele Streaminganbieter hierfür zur Verfügung. Die mobilen Geräte lassen sich wie der PC über ein Kabel an jede Stereoanlage anschließen. Bei neueren Geräten kann man oft auch eine kabellose Verbindung via Bluetooth-Funk herstellen. Moderne Hifi-Anlagen und Receiver sind heute oft schon für das Streaming-Zeitalter vorbereitet. Sie verfügen über einen Anschluss fürs Internet oder integriertes WLAN. Teilweise ist der Zugriff auf Streaming-Dienste sogar bereits vorinstalliert, so dass man diese nach dem Kauf testen darf und sich bei Gefallen später nur noch anmelden muss. Die Verbindung zum Internet stellen solche Geräte selbst her – ein Computer, Tablet-PC oder Smartphone ist nicht mehr nötig. Für den Anschluss an den Router oder das Modem gibt es drei Möglichkeiten: Zunächst entweder über ein

Netzwerkabel (Ethernet) oder via WLAN. Besitzt das Gerät keinen integrierten WLANEmpfänger, kann man einen solchen in der Regel für wenig Geld extern nachrüsten. Die dritte und weniger bekannte Option ist Powerline. Dabei verwendet man die Kabel des heimischen Stromnetzes zur Datenübertragung. Für eine Powerline-Verbindung müssen zwei Adapter in beliebige Steckdosen gesteckt werden. Einer wird per Netzwerkkabel mit dem Router, der andere mit der Musikanlage verbunden. Einige Adapter erzeugen auch ein WLAN, so dass man den Signalweg zum Abspielgerät auch kabellos einrichten kann.

Auch die eigene Musik kann man streamen Wer seine alte Hifi-Anlage ohne PC fürs Streaming nutzen möchte, findet in einem Netzwerkplayer wie den Raumfeld Connector (s. links) eine Lösung. Er verbindet jede Hifi-Anlage mit dem Internet. Auch Fernseher mit der Smart-TV-Funktion können fürs Streaming genutzt werden. Die radikalste technische Lösung stellen jedoch Geräte wie das System von Sonos dar (s. unten), das spziell fürs Musikstreaming entwickelt wurde. Es bedient sich aber nicht nur im Netz, sondern sieht auch eine private Musikquelle vor. Schließlich funktiert das Streamen nicht immer nur von einem fernen Server, sondern auch von einer Festplatte im eigenen Heimnetzwerk, die die Musik auf verschiedene Abspielstationen im Haus oder in der Wohnung verteilt. Auf ihr können Musikdateien gespeichert sein, die man im Onlineshop gekauft und herunter geladen hat, oder die man aus den eigenen CDs erstellt hat. So lässt sich in letzter Konsquenz sogar die private Musiksammlung vollständig per Streaming übers Heimnetzwerk nutzen. Sonos Streaming-System Ein Musiksystem fürs kabellose Streaming per WLAN aus dem Internet und dem Heimnetzwerk. Viele System-Komponenten wie Abspielgeräte, Empfänger, Sender, Subwoofer etc. sind erhältlich. Info: www.sonos.de – Preise der Komponenten: www.sonos.com/shop

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G e s e l l s c h a f t

Die Axel Brüggemann-Kolumne

Die neue Intendantitis Salzburg wagt mit Markus Hinterhäuser einen Neuanfang – und setzt ein Signal auch für die deutschen Stadttheater. Ein neuer Intendantentypus ist im Kommen: der Mensch!

Markus Hinterhäuser also – wer sonst? Der Klavierspieler, der Intellektuelle und der Denker wird neuer Intendant der Salzburger Festspiele. Gut so! Auch, wenn es eine Ehrenrunde lang dauerte, bis Österreichs Politiker und die Salzburger Gremien begriffen hatten, dass Spitzenposten in der Kultur besser an uneitle und kompetente Menschen vergeben werden als an inhaltslose Selbstdarsteller. Dass der Mehrwert von Kunst nicht bei der marktwirtschaftlichen Frage beginnt, sondern bei der Inspiration – dass der eigentliche Mehrwert von Kultur ihr Inhalt ist. Nachdem Hinterhäuser beim letzten Wahlgang bereits aus der Endrunde gemobbt wurde, ist die Spirale der Selbstgefälligkeit bei den Salzburger Festspielen durch seine Benennung nun endlich gebrochen. Jeder neue Intendant war ein Stückchen eitler: Peter Ruzicka trat noch als stiller Mozart-Retter auf, Jürgen Flimm gab den aufbrausenden Opern-Apparatschik und

gramm erhalten, das er auf die Bühne stellte, sondern durch seine Nähe zu Politikern, Gremien und Sponsoren, denen er längere, bessere und glanzvollere Festspiele versprach. Freilich nicht, ohne sie – wenn sie ihm nicht folgten – wüst zu beschimpfen und durch seinen Weggang zu erpressen. Pereira hat sich mit dem Dirigenten Franz Welser-Möst, der Sängerin Elisabeth Kulman, mit FestspielDirektorin Helga Rabl-Stadler und allerhand Personal hinter der Bühne verkracht. Seine Amtszeit ist auch deshalb gescheitert, weil mit ihr ein Prinzip zu Ende geführt wurde: der Intendant als politischer Strippenzieher, cholerischer Diktator und abgehobener Gott. Einige Theater-Haudegen mit Vokabeln, die an dieser Stelle lieber haben noch gehofft, Pereira mit den alten nicht zitiert werden sollen. Er kultivierte Mitteln beerben zu können. Allen voran den Hochmut und dachte als Festspiel- Luc Bondy, der versuchte, seinen Konkurrenten Markus Hinterhäuser etwa in Falstaff nicht an den eigenen Fall. Pereira hat sein Publikum für sehr einem „Deutschlandfunk“-Interview zu viel Geld als sehr dumm verkauft. Seine bashen. Es ist eine Genugtuung, dass dieMacht wollte er nicht durch das Pro- ser Stil nun eine Absage erhalten hat. Dass

Alexander Pereira schließlich den selbstverliebten Boulevard-Intendanten für das Klunker-Publikum. Er verwandelte die Festspiele zu seiner ureigenen Bühne, gab Audienzen im „Tomaselli“ und im „Triangel“, und es war keine Ausnahme, dass der selbsternannte Gentleman bei Herausgebern und Chefredakteuren anrief, um seinen cholerischen Wutausbrüchen Luft zu machen. Dabei beschimpfte er Kritiker

„Pereira hat sein Publikum für sehr viel Geld als sehr dumm verkauft“

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die Salzburger Festspiele begriffen haben, Sinnkrise: Was kommt nach dem Regie- nommen. Bremen hatte sich nach dem dass am Anfang der Kunst die Mensch- theater? Will man national bedeutend Haudegen alter Schule, nach Klaus Piersein oder die Vor-Ort-Kultur absichern? woß, zunächst entschlossen, den Versprelichkeit steht. Markus Hinterhäuser hat dieses Wie kann man mit schrumpfenden Etats chen des Kulturmanagers Hans-Joachim Spiel nie mitgemacht. Das letzte Mal habe noch Ensembles finanzieren? All diese Frey zu vertrauen, der dem bankrotten Stadtstaat mehr Kunst für ich ihn in einem verräucherten weniger Geld anbot – und am China-Restaurant in Wien Ende ein Millionen-Defizit mit getroffen. Er hat sich nicht an Laufenberg hat die Kölner KulturMusicalaufführungen hinterder Nachfolgedebatte beteiligt, ließ. Während Frey inzwischen lieber über seinen Lieblingsmafia nach Italien verlegt und arbeials Freund von Wladimir Putin schriftsteller Gabriel Josipovici in Sibirien inszeniert und seine geplaudert, dessen Buch tet sich an Giorgio Grigio ab, dem alte Masche am Brucknerhaus „Unendlichkeit“ er gerade herpostengeilen Kulturmanager, in dem in Linz fortsetzt, versucht Börausgegeben hatte: Ein amüsangerding in Bremen mit viel zu ter, unbedingt lesenswerter sich leicht Ex-Kulturdezernent Georg kleinem Etat ein Pseudo-IntelRoman über den Komponisten lektuellen-Theater zu machen, Giacinto Scelsi, der von seinem Quander wiedererkennen lässt“ das auf abgehalfterte Regietheahnungslosen Chauffeur chaater-Provokateure wie Sebasrakterisiert wird. Eine literaritian Baumgarten setzt und sche Absage an jede Form von Eitelkeit! Natürlich hat Hinterhäuser Fragen müssen auf der Bühne beantwor- dabei das Publikum verprellt. Egal, ob auch damals schon über Salzburg nachge- tet werden. Innerhalb der Kunst. Nicht in man seinen Kurs inhaltlich angreift (eine dacht, über die Pernerinsel als Standort endlosen Debatten, und vor allen Dingen Widerlegung seiner Thesen für das Theaeines ureigenen Mozartensembles, das darf die Kulturpolitik nicht zur größeren ter der Zukunft) oder satirisch (und ihn über Jahre hinweg in einer Art Workshop Oper werden als die Aufführungen im als „Hamburger Kulturschnösel“ bezeichnet) – Börgerding weigert sich beharrlich, an der Neudeutung des Salzburger Kom- Theater. Jüngstes internationales Beispiel sein Handeln öffentlich zu debattieren. Er ponisten tüfteln sollte. Hinterhäuser ging es nie um den Posten, sondern um die dafür ist die Degradierung Gerard Mor- sieht keine Notwendigkeit, sich der Kritik tiers in Madrid, während er sich einer zu stellen und glaubt, es nicht nötig zu Möglichkeiten der Festspiele. Die Salzburger Festspiele haben Krebs-Behandlung unterzog. Jüngstes haben, jene Subventionen, die er verwaleinen Intendanten gewählt, der nicht sein nationales Beispiel ist Kölns Ex-Intendant tet, zu legitimieren. Stattdessen schließt Ego, sondern die Kunst in den Vorder- Uwe Eric Laufenberg. Aus zugegeben er die Augen, versucht seine Position grund stellt. Und damit haben sie auch berechtigtem Frust über den Kulturklün- durch politische Loyalität zu bewahren ein Zeichen für eine neue Ära von Thea- gel hat er gerade ein eBook unter dem und versteht am Ende nicht, warum das Titel „Palermo“ herausgegeben. Laufen- Publikum ihm den Rücken kehrt. All das terleitern gesetzt. Einer von ihnen ist Andreas Mölich- berg hat die Kölner Kulturmafia nach Ita- wäre kein Problem, wenn es dabei nicht Zebhauser vom Festspielhaus in Baden- lien verlegt und arbeitet sich an Giorgio um mehr als um seine Person ginge. Baden. Viele haben ihn als Salzburg- Grigio ab, dem postengeilen Kulturmana- Ebenso wie Pereira die Salzburger FestNachfolger gesehen. Weil er jahrzehnte- ger, in dem sich leicht Ex-Kulturdezer- spiele mit verschlossenen Augen in die lang Demut gegenüber der Kunst gezeigt nent Georg Quander wiedererkennen Sinnlosigkeit führte, schaffen es Stadtthehat, Sponsoren durch Begeisterung lässt. Laufenberg lüftet erotische Eskapa- ater-Intendanten gerade in Krisenzeiten gewonnen hat und vom unbedingten den, Amtsmissbrauch und Eitelkeiten auf nicht, den Diskurs ihrer Städte dort zu Willen getrieben ist, sein Festspielhaus als Kosten der Kultur und bewegt sich dabei verankern, wo er nötig wäre: mitten in der „beste Gastgeberin“ für alle Künstler und auf dem Niveau eines Groschenromans. Gesellschaft und auf der Bühne, jenseits jeden Zuschauer zu etablieren. Aber Nächstes Jahr wird Laufenberg Intendant ihrer Eitelkeiten – sie regieren ohne Mölich-Zebhauser hat sich inzwischen in Wiesbaden – dort schweigen die Politi- Selbstkritik und Rücksicht auf Debatte. Salzburg hat dieser eitlen Berufsaufein Haus in München gekauft, wird sich ker noch über seinen Schlüsselroman. irgendwann dort zur Ruhe setzen, nahe Aber ihnen muss klar sein, dass sie sich fassung nun eine Absage erteilt, Köln hat bei seinen Kindern, gemeinsam mit sei- jemanden geholt haben, für den seine sich durch den Kultur-Klüngel schlussner Frau. Die Besten wissen eben, dass es eigene Karriere eine größere Oper ist als endlich selbst abgeschossen, in Bremen ist ein Leben neben der Kunst gibt - und dass die von Verdi, Wagner oder Mozart. Und die Situation noch offen. Sicher aber ist auf jeden Fall: die beste Kunst nur dann entsteht, wenn damit bleibt Laufenberg genau so klein Wenn wir es ernst mit der Kraft des Theawie seine Kontrahenten. man selbst Mensch bleibt. Eine ganz andere Uralt-Eigenschaft ters meinen, brauchen wir mehr IntenEs ist zu hoffen, dass die Salzburger Intendantenwahl auch ein Zeichen für die des alten Pereira-Intendantenmodells danten à la Hinterhäuser, denn nur die deutschen Provinzen setzt. Viele deut- erlebe ich derzeit in Bremen. Hier hat Kunst selbst wird die Kunst langfristig sche Stadttheater stecken in einer tiefen Michael Börgerding das Theater über- retten! n

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r e s o n a n z

Rätsel des klassischen alltags Was verbirgt sich hinter diesem Text?

Mein lieber Händel, ist das wirklich dein Ernst? Zwei Frauen, gleichzeitig? Die auch noch voneinander wissen! Hast du etwa nichts aus der Geschichte gelernt? Ist so etwas denn jemals gut ausgegangen? Hat die eifersüchtige Hera etwa jemals tatenlos zugesehen, während ihr Göttergatte Zeus sich hier und da vergnügte, mit dieser und jener unglückseligen Dame? Eine Spur der Verwüstung hat sie hinterlassen, dutzende Verwunschene und Unglückliche. Dionysos, Lamia, Semele, Io, Leto – die Liste ist lang. Oh lieber, guter Händel, du hättest es kommen sehen können! Zwei Frauen sind eben eine zu viel, grundsätzlich. Grauenvoll und blutig soll es zwischen den beiden Damen zugegangen sein, so berichten es zumindest Zeitzeugen. Als Schlampe und Hure sollen sie sich gegenseitig bezeichnet haben. So etwas war noch nie besonders schön, weder damals noch heute. Dabei ging es nicht einmal um schnöde Liebe. Es ging um viel mehr: um die hohe Kunst. Um Musik! Was für eine Schande. Zickenkrieg würde man heute wohl neudeutsch dazu sagen. Den Zickenkrieg haben die beiden Damen aber weder erfunden noch für sich gepachtet. In diesem Punkt bist du also entlastet, lieber Händel. Wahrscheinlich gehört das einfach dazu, wenn man diesen Titel tra-

gen will. Denn es kann nur eine geben. Nicht nur in den schottischen Highlands, sondern auch auf der Bühne – und gerade dort. Schließlich geht es auch hier um ein Stück Unsterblichkeit. Zuverlässig gab es deshalb auch immer wieder Zwei, die dem Vorbild nachgeeifert haben. Ob nun tatsächlich oder nur vermeintlich, in jeden Fall war es ein gefundenes Fressen für die Presse. Ach war das nicht ein herrlicher Spaß, als die eine sich selbst mit Champagner und die Konkurrentin mit Coca-Cola verglich. Das eine edel und prickelnd. Das andere süß und klebrig. Was für ein Skandal. Dabei war doch aber alles ganz anders! Champagner und Cognac – das war der Mix. Und was für einer, tatsächlich ein Unsterblicher. Als Cocktail allerdings auch irgendwie ungenießbar. Es ist halt nicht einfach, die Erste zu sein. Vor allem dann, wenn man gewisse Herren dabei arbeitslos gemacht hat. Man kann eben nicht aufsteigen, ohne dass dabei andere auf der Strecke bleiben. So ist das Leben. Vielleicht war es auch einfach an der Zeit, für richtige Frauen. Auf den Vorwurf, sie verdiene mit einem einzigen Konzert mehr als der amerikanische Präsident im ganzen Jahr, entgegnete eine von ihnen einmal kühl: „Let him sing“.

rätsel lösen und „Mussorgsky-Edition“ gewinnen Wenn ­Sie die Antwort kennen, dann schreiben Sie Ihre Lösung unter dem Stichwort „Alltags-Rätsel“ an die crescendo-­ Redaktion, Senefelderstraße 14, 80336 München oder per E-Mail an redaktion@crescendo.de. Unter allen richtigen ­Einsendungen verlosen­wir die „Mussorgsky Edition“ von Brilliant Classics (14 CDs). Einsendeschluss: 27. November 2013. Viel Glück! Die Gewinner unseres letzten Alltagsrätsels sind Reinhold Herden, Waldkraiburg, Karen Wicke, Halle (Saale) und Ekaterini Mikiozou, München. Die richtige Lösung war Festspiele.

Leserbriefe Diesmal: Glückwunschpost zur Jubiläumsausgabe und eine kleine Richtigstellung! Zunächst die Richtigstellung, bei der wir uns auch fragen: Wie konnte das passieren? In der Geschichte „meine schönsten Klassik-Erlebnisse“ hatten wir einen schönen Text über die Reise nach Mailand und Verona von Irene Kolb veröffentlicht, ihn jedoch mit einem anderen Namen versehen. Da sind wohl zwei Texte miteinander vermischt worden. Das tut uns natürlich leid. gez. Die Redaktion Betreff: „50 Jahre klassische Musik“ Neben ein paar Geschenken, die nach der Jubiläumsausgabe in der Redaktion eintrafen, bekamen wir natürlich in erster Linie Post. Hier eine kleine Auswahl der Zitate, denn die ganzen Schriftstücke wären aus Platzgründen nicht veröffentlichbar. Wir haben uns aber über jeden einzelnen sehr gefreut!

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crescendo... wunderschönes Layout crescendo… eine herrliche Quelle des Wissens für Klassik-Einsteiger. Mario Ehrmann, Prien Vielen Dank für dieses interessante und relevante Interview, das ich wohl auch in dem mir gerade zugesandten Jubiläumsheft hätte lesen können. Aber um so mehr freue ich mich auf dieses Heft und die Buch-Beilage und bin SEHR froh, “crescendo” nach meiner Rückkehr aus 37 Jahren “Exils” in den USA entdeckt zu haben. Gerhard F. Strasser, online zum Artikel „Auf einen Kaffee mit Winfried Hanuschik“ Ich habe seit Anfang der 1970er Jahre “Oper und Konzert” mit großem Interesse gelesen. Die Kritiken waren zum teil sehr scharf, auch unge-

recht, so richtig mit Biss eben, anders als heute, wo alles nivelliert ist und viel gleichförmiger als damals. Man konnte zu der Zeit in München (und anderswo) richtig schlechte, aber auch ganz herausragende Leistungen erleben. Alles hatte mehr Ecken und Kanten, war lebendiger und der Applaus oft äußerst kontrovers. Das hat großen Spaß gemacht. Schöne Grüße an Frau Huber aus Stuttgart! Dr. Michael Strobel, Online-Kommentar zu „Ein Besuch bei Helga Huber“ Ich freue mich immer schon auf die crescendo Premium-CD und bin gespannt auf die Auswahl. Bisher hat sie mir immer gefallen! Ihr begeisterter Leser Volker Sparre, Pritzwalk

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gesellschaft

Schwerpunkt Backstage: Wie entsteht die Aufnahme des War Requiems in Top-Besetzung? (Seite 48) Sol Gabetta und ihr Lehrer Ivan Monighetti (Seite 52) Serie: Woher kommt...der Tristanakkord?“ (Seite 58)

Backstage am Beispiel der Neuinszenierung des „Ring des Nibelungen“ 2012/13 an der Bayerischen Staatsoper Klassik in Zahlen

Besucher insgesamt bei allen Ring-Vorstellungen:

38.785 Stunden, die jeder Statist auf der Bühne verbrachte:

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Mitwirkende einer „Siegfried“-Vorstellung auf der Bühne (Sänger & Statisten):

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Foto: ebraxas/Fotolia.com

Mitwirkende hinter den Kulissen (Orchestermusiker, Dirigent, Einlasspersonal, Technik, Requisite, Maske…):

Quelle: Jahresbericht der Bayerischen Staatsoper

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Achtung Aufnahme! Wie kommt das „War Requiem“ schlussendlich auf die CD? crescendo durfte eine komplette Produktion begleiten. Nicht irgendeine, sondern die des Produktionsprofis Antonio Pappano in Rom – mit Thomas Hampson und Ian Bostridge.

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inten rechts im Orchester gibt’s immer noch ein Handy, das nicht ausgeschaltet ist. Aufnahmeleiter David Groves und seinen sensiblen Mikrofonen entgeht nichts: Der britische Produktionsprofi gibt Antonio Pappano seine Rüge durch, und der Maestro ermahnt sogleich sein Orchester, die „telefonini“ wirklich komplett abzuschalten. Im Land der gleichermaßen mächtigen Mamas und Mobiltelefone ist das eine Ansage von geradezu deutscher Disziplin. Jetzt gilt also: „Prima la musica“ – nur noch die Musik. Schließlich reicht ein tonloses Signal, um ein perfektes „Take“ unbrauchbar zu machen, wertvolle Zeit für Proben und Aufnahmen geht verloren. Wir befinden uns im Auditorium Parco della Musica in Rom, wo gerade zum 100. Geburtstag von Benjamin Britten die CD-Aufnahme seines „War Requiem“ stattfindet. Eine Best-Besetzung von Weltstars wurde dafür verpflichtet: Anna Netrebko, Ian Bostridge und Thomas Hampson als Gesangssolisten, dazu Sir Antonio Pappano und sein Orchestra dell’Accademia nazionale di Santa Cecilia nebst hauseigenem und namensgleichem Chor. Italiens einziges internationales Spitzensinfonieorchester in dem sonst so stark durch die Oper geprägten Land widmet sich der bedeutendsten Requiem-Vertonung nach Verdi. Natürlich soll es eine Referenzeinspielung werden, neben den zahlreichen Live-Mitschnitten der letzten Jahre womöglich gar 48

anknüpfen an die legendäre Platte, die 1963 im Nachgang der Uraufführung entstand und zu der sich – welch hoch symbolischer Akt – für die Solopartien Sänger dreier Nationen versammelten, die unter dem Zweiten Weltkrieg besonders gelitten hatten, ungeachtet ihrer politischen Rollenzuschreibung als Opfer oder Täter: Brittens Lebenspartner, der Tenor Peter Pears, stand neben dem deutschen Bariton und einstigen jungen Wehrmachtssoldaten Dietrich Fischer-Dieskau, und Galina Wischnewskaja, der die sowjetischen Behörden die Teilnahme an der Uraufführung noch verwehrt hatten, gab den Sopranpart. Die Schallplatte unter Brittens eigener Stabführung verkaufte sich gleich eine Viertelmillion Mal – eine Sensation für ein Stück extra frischer Neuer Musik, das den lateinischen Requiem-Text mutig mit Gedichten Wilfred Owens konfrontierte – Lyrik eines englischen Soldaten, der in den letzten Tagen des Ersten Weltkrieges auf einem Schlachtfeld im Norden Frankreichs fiel. Er war 25 Jahre alt. Benjamin Britten – der Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen, der Pazifist im Kalten Krieg – er kontrapunktiert das Gebet für die Toten, das inständige Erlösungsflehen ironisch beißend, er stellt den tradierten Text der Totenmesse kirchenkritisch in Frage. Und wagt im „Strange Meeting“ eines deutschen und englischen Gefallenen, zwei seelenverwandten Feinden, dennoch nicht weniger als die Vision der Versöhnung. Das „War Requiem“ sollte eben auch Musik der Hoffnung sein und als Zeichen der Mahnung und Verständigung dienen, als es 1962 zur www.crescendo.de

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Szenen einer Aufnahme: Thomas Hampson, Antonio Pappano, Ian Bostridge, Orchestra dell’Accademia nazionale di Santa Cecilia.

Einweihung des Neubaus der von deutschen Bombern zerstörten Kathedrale von Coventry erstmals erklang. „Operation Mondscheinsonate“ hatte die Luftwaffe im Herbst 1940 zynisch die Bombardierung Englands genannt. Tektonischen Platten gleich reiben sich die Zeit- und Textschichten in Brittens Meisterwerk. Dies ganz konkret musikalisch spürbar zu machen, gehört zu den großen Herausforderungen in Pappanos aktueller Einstudierung. Denn es ist hoch spannend zu beobachten, wie unmittelbar sich die italienischen Instrumentalisten und Choristen das Werk zu Eigen machen. Hier findet eine Anverwandlung statt, die im Zeitalter der musikalischen Globalisierung und kalten Professionalisierung eine beglückende Ausnahme darstellt. Es fließt viel VerdiMelos im Blut der Italiener; im Land, in dem die Gattung „Oper“ vor über 400 Jahren erfunden wurde, leben auch heute noch Meister des Melodischen. Wenn der Chor erstmals im Eröffnungssatz das „Kyrie eleison“ nach harmonischer Gespanntheit und der Gegenwart des „Diabolus in Musica“, der übermäßigen Quart des Tritonus, plötzlich in ein berückend bukolisches F-Dur wendet, dann blitzt Frieden auf, zwar fragil und pianissimotastend, doch als bewegende Botschaft, die stets „die Traurigkeit und Nostalgie für die verlorenen Menschen“ einschließt, so Pappano. Der wohlig warme, die Kantabilität der Musik plastisch unterstreichende Uterus-Klang des von Renzo Piano konzipierten Konzerthauses am Stadtrand von Rom entspricht mit seinen weiblichen Weinberg-Rundungen so ganz der Erdigkeit des Orchesters und der Pracht des Chores. Begeistert bescheinigt Pappano den Sängerinnen und Sängern die „Bellezza estrema“, die extreme Schönheit ihres Singens, und fügt fordernd – Zuckerbrot und Peitsche geschickt dosierend – hinzu, statt langen, schwelgenden, klangvollen Noten doch bitte markante Akzente zu setzen und, zumal im „Dies Irae“,

die sprechenden Konsonanten zu schärfen. In der Beschwörung des Jüngsten Gerichts mit seinen durchaus plakativen Tonmalereien erlaubt sich Britten – von der Tonart g-Moll, über die Instrumentierung bis zum Chorsatz – verblüffende Anleihen bei einem anderen großen Mann des Musiktheaters: Giuseppe Verdi. Diese Parallelen muss man hören, nur nicht als einlullende Erinnerung an die Konvention, sondern als Kontrastfolie des Kollektivs zur radikalen Subjektivität der Owen-Vertonungen. Der alte Kampf zwischen Wort und Ton wird da ausgetragen und immer wieder sensibel ausbalanciert im Abgleich von dramatischer Wahrheit und vokaler Schönheit. Ciro Visco weist darauf hin, wie sehr sein Ensemble, seine „erste Liebe“, vom Geist seines einstigen eigenen Lehrmeisters, den er dezidiert seinen „Maestro“ nennt, geprägt sei: Norbert Balatsch stand den Italienern lange vor, neben seiner Position als Chorleiter-Legende der Bayreuther Festspiele. „Dieser Chor vereint die disziplinierte nordische Schule mit großer mediterraner Wärme. Und er kann geschmeidig von extremsten Pianissimi zum gewaltigsten Forte wechseln.“ Ciro Visco hebt hervor, dass der theatralische Effekt des Stücks, dieses innere Drama, sehr wohl durch eine wortklare, auch konsonantenstarke, deklamatorische Deutlichkeit hervorgerufen werden müsse. Einen feinen Ausgleich der Parameter gelte es herzustellen, wie ihn das lateinische Sprichwort fordert: „In medio stat virtus.“ Und Pappano, der den Farbreichtum und die Flexibilität des Chores so schätzt, ergänzt: „Der italienische Charakter des Musizierens ist genuin gesanglich. Das liegt hier in der Natur der Menschen und ist unglaublich positiv. Aber doch muss man manchmal, das gilt für die Sänger ebenso wie für die Streicher im Orchester, die Vertikale und das Eckige betonen.“ Das Schwierigste an diesem Werk aber sei, sagt Pappano, „Sentimentalität zu vermeiden und trotzdem Pathos zuzulassen. Und

„Der warme Uterus-Klang des von

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Fotos: Musacchio & Ianniello licenced to Warner Classic

Renzo Piano konzipierten Konzerthauses entspricht ganz der Erdigkeit des Orchesters“


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dann muss man unter der Oberfläche der Musik aufspüren, was an Geheimnissen darunter in diesem komplexen Künstler steckt. Dann kommt vielleicht der echte Britten zum Vorschein – selten eindeutig, sondern schillernd.“ Wie Antonio Pappano es schafft, solche Schichten freizulegen, spürt man in den CD-Sessions immer wieder. Hingabe und Humor sind es, mit denen der Begeisterungsdirigent und das Energiebündel Pappano einfach jeden im Saal zugleich fokussiert und entflammt. Magisch wird es, wenn die italienischen Momentmusiker nach den jeweils kurzen Proben eines Satzes merken, dass es ernst wird. Wenn die rote Lampe neben Pappanos Pult an ist, laufen die Mikros und mit ihnen alle Spuren heiß. Beim Umschalten der Italiener – jenen geborenen Live- und Lebenskünstlern – von plappernden Pennälern zu mucksmäuschenstillen Musikern, die ganz Ohr sind für die kleinste Nuance ihrer Kollegen, da hält man mitunter selbst als Beobachter den Atem an. Wenn schließlich das Take einer diffizilen Chorstelle perfekt gelungen ist und durch die Durchsage eines „beautiful“, „fantastic“ oder „lovely“ aus der Aufnahmekabine durch David Groves bestätigt wurde, brandet schon mal Applaus des Orchesters für die Chorkollegen auf: Es gibt ein enormes Gemeinschaftsgefühl der Ensembles, in das der Kinderchor ganz natürlich eingeschlossen ist. Auf der Empore hoch oben sind die Ragazzi postiert. So wirkt auch in Rom der ursprüngliche Raumeffekt wieder, wie er 1962 einst in der Kathedrale von Coventry evoziert wurde. Unglaublich geduldig erklärt Pappano den kleinen Sängern, was er unter rhythmischer Präzision versteht. Und setzt sich, nachdem auch dieses Take nach manchen Anläufen im Kasten ist und die Kollektive in die Pause entlassen sind, für wenige Minuten allein auf die Bühne: Neben seinem Pult schaut er still in die Partitur – ein seltener Moment der Sammlung in diesen durchgetakteten Tagen der Aufnahme. Auch eine zweite Geigerin bleibt auf der Bühne und liest ganz versunken in ihrem Buch, und einige Chorsänger sind noch im Raum, wollen warm bleiben. Die anderen wandern zum Quatschen und für einen Kaffee zur Kantine oder fangen ein paar Sonnenstrahlen ein an diesem warmen römischen Sommertag, schalten die Handys ein und rufen La Mama an. Nur Thomas Hampson spricht derweil in seiner Garderobe von „diesem tiefsinnigen Werk“, das uns „zu einer höheren Erkenntnis des Ketzerischen des Krieges führen soll. Für mich ist das 'War Requiem' eines der wichtigsten Werke, das jemals erdacht wurde, in meinem persönlichen Pantheon rangiert es ganz oben, ich bin zutiefst dankbar, dass es dieses Stück gibt.“ Es stelle große Fragen an uns: „Werden wir jemals gescheiter und irgendwann wirklich friedlich? Oder sind diese Gräueltaten einfach menschlich? Es geht um unser Bewusstsein. Das Stück hat eine politische Aussage, die für jede Generation relevant ist.“ Das Unerhörte der Uraufführung, als die Überlebenden des Krieges selbst das Werk im Angesicht der akuten Gefahr eines atomaren Konflikts spielten und hörten, ist heute freilich der Wahrnehmung des „War Requiem“ als Repertoire-Werk gewichen: „Wir müssen uns als verantwortliche Künstler grundsätzlich fragen, worum es hier geht. Es darf nicht einfach ein netter Beitrag zum Britten-Jahr sein, wir dürfen es nicht beliebig werden lassen, sondern müssen das Besondere erhalten.“ Der amerikanische Bariton ist überzeugt, dass dies gelungen ist: „Ich bin froh, dass wir mit dem großen Operndirigenten Antonio Pappano dank seines dramatischen Gespürs eine von der lebendigen erzählerischen Kraft getriebene Aufnahme machen.“ Hier ist jedes perfektionierte Kurzstrecken-Take von maximaler Leidenschaft und Live-Intensität durchpulst. Von trockener Studio-Atmosphäre keine Spur. Als das Stück im Kasten ist, brandet Jubel auf über das gemeinsam Erreichte. Es ist vollbracht. Handys an. Raus in die römische Sommernacht. n B. Britten: „War Requiem“ Netrebko, Bostridge, Hampson, Coro e Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia, Antonio Pappano (Warner) 50

„Welt­ premiere“ Bachs Matthäus-Passion gibt es hundertfach auf CDs und Schallplatten. Doch so, wie sie nun die Akademie für Alte ­Musik Berlin unter Leitung von René Jacobs eingespielt hat, war sie noch nie zu hören. Crescendo sprach mit dem Ton­ingenieur, Martin Sauer, über eine völlig neue Hörerfahrung. Der frühere Teldec-Toningenieur Martin Sauer nahm sich 2002 eines Aufnahmestudios in Berlin an, in dem jahrzehntelang Einspielungen für Telefunken und Teldec mitgeschnitten wurden. Seit einem Umbau im Jahr 2003 ist das Studio als teldexStudio bekannt. Es gilt als Deutschlands erste Adresse für klanglich herausragende Klassik-Aufnahmen. Als das französische Label Harmonia Mundi für eine Neuaufnahme der MatthäusPassion von Johann Sebastian Bach eine geeignete Aufnahmeumgebung suchte, war das teldex-Studio erste Wahl. In was für einer revolutionär neuen Klangästhetik das Werk dort verwirklicht wurde, hätte sich aber wohl auch das Label nicht in seinen kühnsten Träumen ausgemalt. Crescendo: Herr Sauer, erklären Sie unseren Lesern bitte, was genau so revolutionär an der neuen Aufnahme der Matthäus-Passion aus dem Hause Harmonia Mundi ist! Martin Sauer: Die Matthäus-Passion ist ein doppelchöriges Werk. Chor und Orchester sind geteilt in zwei Gruppen. Der erste und zweite Chor, wie Bach das bezeichnet hat, sind bei Konzerten in aller Regel etwa gleich groß besetzt und zwar links und rechts vom Dirigenten positioniert. Für Stereo-Aufnahmen hat das die frustrierende Folge, dass man eine Arie aus Chor eins minutenlang nur aus einem Lautsprecher hört. Wirklich schön klingt es also nur, wenn beide Gruppen gleichzeitig musizieren, und das kommt in Bachs Werk nur bei einer begrenzten Anzahl von Stücken vor. Und was haben Sie anders gemacht? Mit René Jacobs wollten wir von dieser starren Links-RechtsFixierung wegkommen. Dafür lag uns eine wissenschaftliche Untersuchung vor, die besagte, dass die einstige Uraufführung der Passion in der Leipziger Thomaskirche mit einer Aufstellung stattgefunden hat, in der es keine Links-Rechts-, sondern eine Vorn-Hinten-Aufstellung gab. Vorne, auf der großen Orgelbühne, stand ein relativ großes Ensemble, hinten auf einer kleinen Orgelbühne spielte ein kleineres Ensemble. Im teldex-Studio haben wir nun ebendiese Aufstellung zum allerersten Mal überhaupt nachvollzogen. Warum haben Sie die Matthäuspassion nicht gleich in der Thomaskirche einspielen lassen? Die hintere, kleinere Orgelbühne ist schon zu Bachs Lebzeiten abgerissen worden. In der Thomaskirche hätte man die Auf-

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Zum 100. Geburtstag von Benjamin Britten

Foto: Harmonia Mundi

Benjamin Britten (1913 – 1976)

War Requiem

Tonmeister Martin Sauer in seinem Element.

beide Gruppen gemeinsam spielen, hört man also die Unterschiede zwischen hinterem und vorderem Ensemble. Wie haben die Musiker reagiert? Ich dachte erst, es wird bestimmt ein großes Geschrei geben, weil die Aufstellung so ungewohnt und unkonventionell ist. Aber das Gegenteil war der Fall: Wie begeistert alle von diesem Klangerlebnis waren, können Sie am besten auf der Filmdokumentation über die Aufnahmen sehen, die als DVD der Einspielung mitgegeben ist. Wie rechnen sich solche Aufnahmeprojekte in einer Zeit, in der der Trend weniger zu hochwertiger Hifi-Technik geht, als vielmehr dazu, möglichst viel Musik mit möglichst wenig Speicheraufwand stets und ständig mit sich herumzutragen? Ich bin fest davon überzeugt, dass das Publikum für diese Matthäus-Passion groß genug ist, damit sich das Projekt auch rechnet. Sicher: Wer Bach auf seinem Telefon hören will, kann das zwar auch mit unserer Einspielung tun, kauft sich aber vielleicht eher etwas anderes. Doch täuschen Sie sich nicht: Der Trend geht auch wieder in Richtung Qualität. Viele Menschen erkennen gerade, dass die CD qualitativ betrachtet historisch ist. Das ist eine 30 Jahre alte Technologie! Heute sind wir in der Lage 1:1 die klangliche Auflösung des Studiomasters ins Wohnzimmer zu transportieren. Das geschieht entweder über Medien wie SACD oder Blu-ray-Audio oder über den Download der 96 khz, 24-bit-Version, die über die Website des Labels zu beziehen ist. Ich persönlich bin ein Fan von physischen Tonträgern, schon allein, weil es in dem Dorf, in dem ich wohne, gar keine Internetleitung gibt, die schnell genug für einen HD-Download wäre. Aber ich bin zuversichtlich, dass gerade die jüngsten Entwicklungen im Internetsektor qualitativ einen Sprung nach vorn bedeuten werden, keinen Schritt zurück. Interview: Rainer Aschemeier J. S. Bach: „Matthäuspassion“ Rias Kammerchor, Staats- u. Domchor Berlin, Akademie für Alte Musik Berlin, René Jacobs (Harmonia Mundi)

Sopran

Christoph Prégardien Tenor

Thomas E. Bauer Bariton

Bachchor Mainz Chor der Hochschule für Musik Mainz Knabenstimmen des Mainzer Domchors

Bachchor Mainz

stellung also nicht nachvollziehen können. Außerdem müssen Sie sich vorstellen: Die zwei Chöre stünden in einer Kirche ungefähr 30 Meter auseinander. Das mag für Konzerte irgendwie klappen, aber für ein Aufnahmeprojekt würde das immense Schwierigkeiten mit sich bringen. Im Studio, dessen akustische Gegebenheiten wir bestens kennen, haben wir alle Möglichkeiten, um optimal mikrofonieren zu können und die Musiker in der akustisch besten Art und Weise zu positionieren. Ist denn die Vorn-Hinten-Aufstellung bei einer Stereo-Aufnahme überhaupt darstellbar? Darüber haben wir uns viele Gedanken gemacht. Die Einspielung liegt ja auf SACD vor, also im Surround-Verfahren, so dass es bei der mehrkanaligen Art der Wiedergabe mit dem räumlichen Klangeindruck keine Probleme gibt. Das bietet sich einfach an. Für die normale CD-Stereo-Spur, die ja auch auf der SACD enthalten ist, gab es mit einer solchen Anordnung der Musiker weniger Erfahrungswerte. Wir haben einfach ausprobiert, wie es am besten funktioniert. Dabei kam es uns zugute, dass auch die Probenphase des Orchesters und der Sänger bei uns im Studio stattfand. „Studio“ meint in Ihrem Fall ja auch nicht das, was wir von Pop- und Jazzmusikstudios her kennen, also relativ kleine, schallgedämmte Räume ohne eigene Akustik. Auf keinen Fall! Das teldex-Studio ist ein richtiger Konzertsaal, nur ohne Publikum. Er misst 450 m2, und wir haben die Musiker hier wirklich gegenüber aufgestellt, mit René Jacobs als Dirigenten in der Mitte – natürlich nicht 30 Meter auseinander, sondern vielleicht fünf Meter. Doch man kann auf der resultierenden Aufnahme ganz klar hören: Es gibt ein kleineres Ensemble hinten, das etwas weiter weg ist, und eines vorn, das größer und näher dran ist. Außerdem sind beide Gruppen punktsymmetrisch aufgestellt. Das heißt: Der Dirigent ist ein Spiegelpunkt. Dort, wo bei dem ersten Chor die Geigen links sitzen, sind sie beim zweiten Chor rechts aufgestellt. Auch wenn

Susanne Bernhard

Einstudierung: Domkapellmeister Karsten Storck

Petra Morath-Pusinelli Orgel

Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern Ralf Otto Leitung

Donnerstag, 21. November 20 Uhr Metz, Arsenal Freitag, 22. November 20 Uhr St. Ingbert, Industriekathedrale Alte Schmelz Samstag, 23. November 19.30 Uhr Mainz, Christuskirche

Weitere Informationen: www.bachchormainz.de

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Gefördert durch:


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„Er ist wie ein musikalischer Vater für mich.“ Ein Gespräch mit den Cellisten Sol Gabetta und Ivan Monighetti über ihre besondere Geschichte, den Einfluss ihrer Lehrer und das Unterrichten an sich.

Fotos: privat

v on S i n a K l e i n e d l e r

Drei Generationen und ein bewegender Moment: Beim Weltcellokongress 1997 standen Mstislaw Rostropowitsch, Ivan Monighetti und Sol Gabetta gemeinsam auf der Bühne. Als Dirigent, Solist und Konzertmeisterin des Celloensembles.

S

ol Gabetta hat sich längst einen Namen in der Spitzenliga der Cellisten gemacht, in diesem Jahr erhält sie gleich zweimal den ECHO Klassik. Doch sie ist ihren Weg zu den großen Konzertpodien dieser Welt nicht alleine gegangen. Zehn Jahre lang begleitete sie der in Riga geborene Cellist Ivan Monighetti, der seit 1990 Celloprofessor in Basel ist und den Rostropowitsch einst als einen seiner Lieblingsschüler bezeichnete. „Er ist wie ein musikalischer Vater für mich.“, sagt die Argentinierin mit den französisch-russischen Wurzeln heute. Seit 2005 unterrichtet sie ebenfalls an der Musikhochschule - an der Seite ihres Lehrers. Bevor sie Ivan Monighetti kennenlernte, fuhr Sol Gabetta regelmäßig mit ihrem Vater die fast 600 km von ihrer Heimatstadt Villa María bis nach Buenos Aires, wo sie bei der berühmten Cellistin Christine Walewska Unterricht bekam: „Sie hat immer gesagt: ’Ich bin keine Lehrerin, du musst mir einfach zusehen und nachma-

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chen. Was willst du spielen?‘ Sie hat fest daran geglaubt, dass man alles erreichen kann, wenn man es nur wirklich will. Christine hat die Bühne sehr geliebt. Sie hat mir das Träumen beigebracht.“ „Dann kam Ivan und mit ihm die Realität...“, sagt Sol Gabetta und lacht: „Aber das war auch gut so, denn nur mit dem Träumen wäre ich sicherlich nicht sehr weit gekommen.“ Beide scheinen sich gerne an den Beginn ihrer gemeinsamen Arbeit zu erinnern. Irène Gabetta, Sols Mutter, war es, die zuerst von der „Escuela Superior de Música Reina Sofía“ in Madrid hörte. Einer Hochschule für besonders talentierte Nachwuchsmusiker. Gemeinsam mit den Kindern Sol und Andrès, einem Violinisten reiste sie zur Aufnahmeprüfung. „Sol hat dort ganz brav vorgespielt.“, erinnert sich Monighetti „und von Anfang an habe ich gesehen, dass sie eine besondere Persönlichkeit ist, ein ‚Ausnahmekind‘. Es war gut, dass sie all diese Träume in sich hatte. Ich sah es sofort als meine Aufgabe an, diese Liebe zur Musik zu unterstützen und zu versuchen, ihr immer wieder neue www.crescendo.de

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Die (ganz) junge Sol Gabetta:

Horizonte zu eröffnen.“ Die Kommunikation der beiden multilingualen Musiker war am Anfang eine bunte Mischung aus Russisch und Spanisch. „Sol hat nur zugehört, ihre Mutter musste übersetzen“, erzählt Monighetti, „jetzt spricht sie fließend Russisch, noch besser als die Mutter.“ In ihrer gemeinsamen Sprache, der Musik, verstanden sie sich auf Anhieb perfekt. „Sol konnte sich schon sehr früh sehr gut konzentrieren, sodass direkt eine schöpferische Zusammenarbeit entstehen konnte, scheinbar ohne Grenzen.“ Für die Ausbildung ihrer Kinder zog die Familie Gabetta von Argentinien nach Europa. Zwar blieb der Vater zunächst mit den beiden älteren Geschwistern in Argentinien, um den Lebensunterhalt zu sichern, während sich die Mutter um die künstlerische Ausbildung und Erziehung kümmerte, aber als Monighetti sich schließlich entschloss, ausschließlich in Basel zu unterrichten, zog die gesamte Familie ins Elsass. „Wir haben in Saint-Louis gewohnt, dicht an der Grenze zur Schweiz. Als wir angekommen sind, bekamen wir einen Schock und haben uns gesagt: „Hier bleiben wir sicher nicht länger als ein Jahr!“, erzählt Sol Gabetta und fährt dann fort: “Mittlerweile sind es fast zwanzig Jahre! Man kann eben nie wissen.“ Im Nachhinein spricht sie von einer Reihe von glücklichen Sternen: „Stern Nr.1 ist, solche Eltern zu haben und Stern Nr.2 ist es, so einen Lehrer gefunden zu haben und damit ist natürlich alles andere verbunden.“ „Es ist wirklich ein Glück, jemanden zu finden, der sich so um dich kümmert, es war viel mehr als nur Cellounterricht.“, fügt Sol Gabetta ernst hinzu: „Wir haben gemeinsam Bücher gelesen und Opern gehört, wir haben über Filme diskutiert und sind ins Ballett gegangen. Ivan hat mich in Museen mitgenommen und dafür gesorgt, dass ich mich entspanne, aber auch laufen gehe, um eine Energiequelle zu haben. Solche Pädagogen gibt es heute fast gar nicht mehr - leider!“ Ivan Monighetti legt viel Wert darauf, auf den einzelnen Schüler einzugehen: „Ich habe keine vorgefertigen Rezepte, keine Fingersätze oder Bogenstriche, die ich pauschal jedem Studenten geben kann. Ich schätze es sehr, wenn jemand eine eigene Meinung hat und vielleicht auch mal protestiert, dann entstehen oft spannende Diskussionen. Leonard Bernstein sagte einmal: „When I teach, I learn and when I learn, I teach“, ein Zitat, dem auch Ivan Monighetti zustimmt: „Die besten Lehrer sind diejenigen, die selbst stetig lernen und man kann sehr viel von begabten Schülern lernen.“ Unter seiner Obhut gewinnt Sol Gabetta einige wichtige Wettbewerbe. Monighetti, selbst mehrfacher Preisträger, sieht diese Veranstaltungen ambivalent: „Ich glaube, es ist nicht der einzige Weg, der zur großen Karriere führt – und nicht unbedingt zum besseren Verstehen von Musik oder zur Vertiefung der Interpretation, aber junge Leute kämpfen gerne, sie wollen sich vergleichen und ausprobieren. Diese Wettbewerbsatmosphäre kann sehr positiv wirken, ist aber mit Vorsicht zu genießen.“

Noch bevor sie 2006 ihr Konzertdiplom bei David Geringas in Berlin erhielt, bekam Sol Gabetta selbst eine Assistenz-Professur an der Musik-Akademie Basel – und unterrichtet wann immer sie Zeit hat gemeinsam mit Monighetti, dem man einen gewissen Stolz anmerkt: „Ich höre Sols Unterricht immer mit großem Interesse zu und die Studenten sind auch ganz begeistert.“ „Unser Unterricht ist verschieden, ergänzt sich aber gut“, findet Gabetta. „Ich versuche die Arbeit mit dem Schüler so intensiv zu gestalten wie meine eigene und gleichzeitig auch individuell. Oft frage ich mich: Soll ich vorspielen oder lieber nicht? Soll ich singen, soll ich tanzen mit dem Schüler, soll ich eine Geschichte erzählen, Farben zeigen?“ Bei öffentlichen Meisterkursen, einer ganz anderen Art des Unterrichtens, fehlt ihr dafür oft die Zeit: „Bis man es schafft, dass ein Schüler etwas von sich geben kann, ist die Stunde schon fast vorbei.“, sagt sie und Monighetti ergänzt: „Allerdings hat man dort die Gelegenheit, seine eigenen Ideen weiterzugeben, zu vermitteln, was die Musik einem persönlich bedeutet. Ein intelligenter Student kann das annehmen und später für sich bearbeiten.“

„Es ist wirklich ein Glück, jemanden zu finden, der sich so um dich kümmert, es war viel mehr als nur Cellounterricht.“ Auf die Frage, wie ihn seine Zeit als Schüler von Rostropowitsch geprägt hat, muss Ivan Monighetti nicht lange überlegen: „Die klassische Musik sollte für Menschen so wichtig sein wie Luft und Wasser. Musik ist ja nicht bloße Unterhaltung, sie ist Nahrung für die Seele. Ohne Musik wird unsere Zivilisation nicht überleben. Wir Künstler haben in der heutigen Gesellschaft eine Mission zu erfüllen. Das empfinde ich als Rostropowitschs Nachlass. Er hat unermüdlich gekämpft und war so viel mehr als nur ein Musiker. Er war in vielen Bereichen aktiv und ich versuche, so viel wie möglich davon zu bewahren. Seiner Schülerin Sol Gabetta konnte er bereits eine Menge weiterreichen und noch immer sucht sie seinen Rat. Bevor sie ein neues Stück mit Klavier oder Orchester probt, geht sie zu Monighetti und spielt es ihm vor. Warum? „Weil ich volles Vertrauen zu ihm habe. Ich mache zwar meine Arbeit, aber die Welt wird nicht leichter, eigentlich ist die Welt knallhart. Wenn man dann einen Lehrer und eine Familie hat, die einen kritisch anschauen können, aber gleichzeitig mit Liebe - was kann man sich mehr wünschen?“ „Il Progetto Vivaldi 3“ Sol Gabetta, Capella Gabetta (Sony Classical) 53


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Opera creativa Hinter den Kulissen der Sommer Oper Bamberg: intensive Opernproben, Meisterkurse und ungewöhnliche Aktionen zur Finanzierung von Mozarts „Don Giovanni“.

Probe in Bamberg: Über mehrere Wochen wachsen die jungen Sänger aus aller Welt zu einem Opernensemble zusammen.

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ontagnachmittag in Bamberg: Amerikanische Touristen gehen mit Bilderbuchblick auf die ehemalige Fischersiedlung „Klein Venedig“ an der Regnitz spazieren. Deutsche Reisegruppen steigen durch enge Altstadtgassen hinauf zum Dom mit seinem berühmten Reiterstandbild aus Sandstein. Einheimische sitzen auf den Terrassen der Straßencafés, lesen Zeitung und trinken Latte Macchiato oder ein Glas Rauchbier. Für solche Dinge haben die Teilnehmer der Sommer Oper Bamberg vier Tage vor der Premiere von „Don Giovanni“ keine Zeit. Stattdessen wuseln junge Sänger und Orchestermusiker aus der ganzen Welt aufgeregt durch das E.T.A.-Hoffmann-Theater, weil die letzten Vorbereitungen zu ihrer Inszenierung von Mozarts „Dramma giocoso in zwei Akten“ auf Hochtouren laufen. Erst Anfang bzw. Mitte September haben die 50 Auserwählten, deren Alter zwischen 21 und 33 Jahren genauso unterschiedlich ist wie ihr Ausbildungsstand oder die internationale Herkunft, als Unbekannte mit ihrer gemeinsamen Arbeit begonnen; Ende desselben Monats sind sie zu einer Großfamilie auf Zeit zusammengewachsen, die ein Ziel verbindet: in sechs Vorstellungen „Don Giovanni“ so gut wie möglich auf die Bühne des traditionsrei-

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chen Hauses zu bringen, das Intendant Rainer Lewandowski als wichtiger Kooperationspartner zur Verfügung gestellt hat. Dreh- und Angelpunkt dieses buntgemischten Ensembles ist Till Fabian Weser. 2005 organisierte der Dirigent und Musiker bei den Bamberger Symphonikern in seiner fränkischen Wahlheimat rund um Puccinis „Tosca“ den ersten Opernworkshop, mit dem er zwei Dinge erreichen wollte: zum einen, jungen Instrumentalisten die Erfahrung zu ermöglichen, nicht wie sonst in einem Kammeroder Sinfonieorchester „im Fokus“ auf der Bühne, sondern unten im Graben zu sitzen und ein Gesangsensemble zu begleiten. Denn „dabei sind ein ganz anderer Energielevel sowie eine besondere Spieltechnik und viel Flexibilität gefragt, die im Studium nicht vermittelt werden,“ weiß der 1965 Geborene. Ähnlich sei es um die spezifische Karriereförderung für Sänger bestellt, die während der Ausbildung zu kurz komme. Deshalb wird in öffentlichen Meisterkursen, die 2013 schon zum zweiten Mal in Folge von Angelika Kirschschlager abgehalten wurden, an Stimm- und Atemtechnik oder Haltung gefeilt. Zusätzlich informieren u.a. Gespräche mit Intendanten die Nachwuchs-Sopranistinnen, -Tenöre und –Baritone darüber, wie eine ideale Bewerbung aussehen sollte und was

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Opernarien im Nahverkehr: Mit dem „Opernbus“ warben die jungen Sänger für ihr Projekt auf den Straßen Bambergs.

außerdem noch die Chancen auf ein Engagement steigert. Mittlerweile hat sich diese Qualität und Effektivität des Angebots so herumgesprochen, dass nur ein Bruchteil der Bewerber Plätze bekommt: „Von 327 Sängern wurden 2013 die 70 besten eingeladen und 15 ausgewählt“, fasst Weser zusammen. „Für die Musiker bin ich rund 10.000 Kilometer durch Europa gereist, um aus 300 Bewerbern 35 Streicher und Bläser aus 14 Nationen herauszufiltern.“ Dieses halbe Hundert hat er seit September in Bamberger Ferienwohnungen „gut untergebracht“, die auch dank Spenden zahlreicher Unterstützer auf der Internetseite Startnext.de bezahlt werden konnten. Und es mit seinem Team in aufeinander aufbauenden Schritten vom Workshop Historische Aufführungspraxis bis zur Nachhilfestunde in Opernitalienisch an die „Don Giovanni“-Produktion herangeführt, die allen Beteiligten „einen geschützten Raum“ zur Entfaltung ihrer Fähigkeiten bieten soll. Dass das Resultat all dieser Bemühungen abschließend mehrfach unter professionellen Bedingungen im E.T.A.-Hoffmann-Theater vor Publikum gezeigt werden kann, freut Weser genauso wie die positiven Auswirkungen, die eine Teilnahme an der Sommer Oper Bamberg auf die Laufbahn ihrer Absolventen haben kann. „Eine Mimi aus unserer ‚La Bohème’-Produktion kann jetzt die gleiche Rolle am Staatstheater Stuttgart singen. Die andere stand an der Mailänder Scala zu Proben auf der Bühne, um u.a. Angela Gheorghiu als Mimi bei der diesjährigen Produktion von ‚La Bohème’ zu covern.“ Auf einen ähnlichen Karriere-Kick hoffen Julia Makarevich und Hyunjin Park, die bei der diesjährigen Sommer Oper Bamberg als Donna Anna bzw. Donna Elvira zu hören sind. Beide 33 Jahre alt, versuchen die Deutsche und die Südkoreanerin seit dem Ende ihres Gesangsstudiums in einem „vollen“ Markt Fuß zu fassen. Entsprechend hilfreich fanden sie zum Beispiel die von Weser organisierten Gespräche mit dem Intendanten des Landestheaters Coburg, der ihnen unter anderem erklärt habe, worauf sie beim Vorsingen oder dem Abschluss eines Vertrags achten sollen. Und auch der Meister-

kurs mit Angelika Kirchschlager habe ihr „neue Perspektiven für die Bühnenarbeit“ eröffnet, so Julia Makarevich über dieses willkommene „Geschenk“. Besser auf die Berufswelt vorbereitet fühlen sich jetzt ebenfalls Sophie Keiter und Yasin Gündisch. „Bei einer Probenspiel-Simulation haben uns Coaches zu verstehen gegeben, wie wichtig außer Können auch unsere Körpersprache ist“, erzählt der 21-jährige, der im fünften Semester Bratsche und JazzKlavier studiert. Der 27-Jährigen, die kurz vor Ende ihrem Masterabschluss im Fach Geige steht, hat besonders gut das mehrwöchige Gemeinschaftserlebnis gefallen – egal ob in ihrer „gut funktionierenden“ Bamberger WG mit vier anderen Orchestermitglieder, bei den „Don Giovanni“-Proben, „wo alle einen gemeinsamen Klang finden müssen“, oder im Rahmen der Vorbereitung eines zusätzlichen Kammermusik-Konzertes, bei der sie die Bamberger Symphoniker unterstützt hätten. „Der Aufenthalt war aber trotzdem alles andere als eine Dauer-Party,“ fasst Sophie Keiter zusammen, was Julia Makarevich nur unterschreiben kann: „Nach den Proben haben wir schon hin und wieder zusammen gegessen und gelacht. Mir persönlich war es aber auch wichtig, mich zurückzuziehen, um noch einmal in Ruhe die Noten durchzugehen oder meine Rolle beim Joggen zu singen.“ Nach fünf Jahren Sommer Oper Bamberg begrüßt Weser so viel Einsatz und Ernsthaftigkeit. „Früher fühlte sich das Ganze ein bisschen wie Klassenfahrt an“, blickt er zurück. „Aber jetzt gibt es viel mehr Professionalität.“ Dass er 2015 voller Elan in die nächste Runde gehen wird, steht für ihn deshalb außer Frage – von A wie Akquisition der Finanzmittel, die er 2013 u.a. mit einem durch die Weltkulturerbe-Stadt tourenden Opernbus und anderen Crowdfunding-Aktionen zusammentrug, bis zu V wie Vier-AugenGesprächen mit Nachwuchstalenten. Noch aber kreisen seine Gedanken hochkonzentriert um die aktuelle „Don Giovanni“-Premiere, die für so manchen Mitwirkenden zum Sprungbrett werden könnte. Antoinette Schmelter de Escobar 55


G e s e l l s c h a f t

Endlich Klavierspielen! Es ist der Traum vieler Erwachsener: endlich ein Instrument spielen zu können. Aber ist es da nicht schon viel zu spät? Pianist Jens Schlichting sagt nein, und bietet Schnupperkurse in schönem Umfeld. Unsere Mitarbeiterin Sina Kleinedler reiste hin und übte mit.

E

igentlich möchte ich schon lange Klavier spielen lernen. Allerdings fehlte dafür immer der richtige Zeitpunkt, das passende Instrument und zwischen Cello, Hobby-Quartett, Abitur und Aufnahmeprüfung fehlte dann auch noch die Zeit. Umso mehr freue ich mich auf meinen „Selbstversuch“ beim Schnupper-Wochenendkurs in Bayreuth. Schon im Zug höre ich zur Einstimmung Rubinsteins Einspielung der Chopin Nocturnes. Der Kurs findet im Steingraeber-Haus in Bayreuth statt, einer berühmten Klaviermanufaktur. Vorsichtig, beinahe andächtig schleichen die ersten Teilnehmer im Erdgeschoss durch die kleinen, hellen Räume mit den wertvollen Instrumenten. Noch beeindruckender ist der prunkvolle Rokokosaal, in dem die Begrüßung stattfindet. In der Mitte des aufwändig mit Stuck verzierten Raumes steht der originale Liszt-Flügel und auch in den beidseitig angrenzenden Räumen befinden sich besondere Instrumente: Links, in einem dunklen Raum mit edler brauner Tapete und altem Tigerfell, steht der Steingraeber, der einmal Richard Wagner gehörte. Der rechte Raum ist heller eingerichtet, die Fenster sind von roten Samtvorhängen gesäumt und ein großer Kristallleuchter wirft sein Licht auf Steingraebers „Opus 1“, das erste Meisterwerk des Klavierbauers. Der Kursleiter Jens Schlichting stellt sich vor und spielt alle drei Instrumente kurz an. Faszinierend, wie unterschiedlich sie klingen. Im „Unterrichtsraum“, der sich im Nebengebäude befindet, sitzen wir schließlich im Halbkreis um einen der sechs Konzertflügel herum. Bevor wir mit der Vorstellungsrunde beginnen, einigen wir uns auf ein allgemeines „Du“. Es ist spannend, was die Teilnehmer dazu bewegt hat sich zu dem „Schnupperkurs“ anzumelden: Da ist Bettina, der als Kind der Wunsch Klavier zu lernen abgeschlagen wurde, sodass sie über die Gitarre zum Schlagzeug kam. Jetzt hat sie selbst eine klavierspielende Tochter und der Wunsch ist noch stärker geworden. Da ist Jimmy, der im letzten Jahr während des Kurses am Steingraeber-Haus vorbeilief, „Geklimper“ hörte und spontan dachte: 56

„Das würde mir auch gefallen!“ Und Brigitte, die an der Uni nur noch den Gitarrenkurs ausprobieren konnte, weil der Einsteiger-Kurs für Klavier bereits besetzt war. Dirk hat den Kurs von seiner Frau - einer Musikerin - geschenkt bekommen. Da jetzt auch die beiden Kinder mit dem Instrumentalspiel beginnen, wird es für ihn langsam Zeit, ein wenig „nachzuholen“. Auch Jens Schlichting verrät seine musikalische Geschichte: Er kommt aus einer „vernünftigen“ Familie „ganz ohne Künstler“, erzählt er mit einem Schmunzeln. Als er in der dritten Klasse war, hatte seine Musiklehrerin einen Trompeter in den Unterricht eingeladen und jeder durfte einmal probieren, dem Instrument einen Ton zu entlocken. „Die meisten dachten wohl, es funktioniert wie eine Blockflöte, aber bei mir hat es geklappt. Eine Woche vorher hatte mich ein Freund meiner Eltern, ein passionierter Jäger, das Horn ausprobieren lassen. Natürlich waren alle beeindruckt. Daraufhin bin ich nach Hause gerannt und habe gerufen ‚Mama, ich bin musikalisch, ich muss Trompete lernen!‘ Sie war jedoch wenig überzeugt.“ Die Nachbarin der Großmutter schenkte der Familie schließlich ein Klavier, weil sie so traurig war, dass niemand mehr darauf spielte. Auf die Frage der Mutter, ob er denn nun Klavier lernen wolle, antwortete er: „Ja, wenn das so etwas Ähnliches ist wie Trompete, dann mache ich das.“ Somit war der Grundstein für seine Karriere als Musiker gelegt. Schon als Schüler begann Jens Schlichting zu unterrichten, um das Taschengeld aufzubessern. Auch Erwachsene kamen zum Unterricht. Als er beginnt, sein Unterrichtskonzept vorzustellen, fällt schnell auf, dass er sich seit einigen Jahren intensiv mit der Lern-psychologie beschäftigt, die ihn nicht nur hinsichtlich des eigenen Lernprozesses fasziniert. Erst einmal räumt er mit den gängigen Stereotypen und Zweifeln auf: „Kinder lernen nicht leichter, sie lernen anders!“. Und: Die klassische Methode das Klavierspiels nur über das Notenlernen zu erarbeiten ist – als einzelner Weg – denkbar ungünstig. „Inzwischen weiß man, dass es in den Kulturen, die Musik ohne schriftliche Symbole vermitteln, keinen Begriff für ‚unmusikalisch‘ gibt, weil die www.crescendo.de

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Fotos: privat

crescendo-Autorin Sina Kleinedler am WagnerSteingraeber und das Tor der Bayreuther Klaviermanufaktur. Jens Schlichting führt die richtige Haltung am Klavier vor, geübt wird abwechselnd einzeln und in der Gruppe. Teilnehmerin Manuela übt Tonleitern mit der „Handschablone“.

Vorstellung dort einfach nicht existiert. Besonders gefällt mir der Satz: „Es ist wichtig, dass man sich schon bevor man etwas kann, vorstellen kann, dass man es kann.“ Auch in seiner eigenen Arbeit hat Jens Schlichting herausgefunden, dass es beim Klavierspielen zunächst nur um die Beschäftigung mit sich selbst und mit der Musik gehen sollte und dass dieser Prozess alleine schon viel wertvoller ist als das Endresultat. „Ich kann euch nicht versprechen, dass ihr am Sonntag das und das Stück soundso gut spielen könnt, aber wenn ihr ein Klavier zuhause habt, werdet ihr nicht mehr ratlos davor stehen. Ihr werdet voller Ideen sein und dabei die schönste Form des Lernens erleben: Lernen, ohne zu merken, dass man gerade lernt“. Er sagt das und spätestens jetzt verspürt jeder ein Kribbeln in den Fingern. Endlich Klavierspielen! Aber welches Stück – und vor allem wie? Wir beginnen mit einer kleinen Rhythmusübung zum Warmwerden. Danach zeigt uns Jens, wie wir unsere ideale Haltung am Klavier finden und „die Glocke“, eine Übung, die dabei helfen soll, ein erstes Gespür für eine angenehme und natürliche Handhaltung zu bekommen. Am Ende des ersten Tages steht die Improvisation. Nacheinander sollen wir an den Flügel im Halbkreis gehen und „einfach spielen“. Die einzige Regel: es darf nur mit der rechten Hand auf den weißen Tasten gespielt werden. Jens sitzt an einem zweiten Flügel und spielt eine improvisierte Begleitung. Es berührt mich, zu hören und zu sehen, wie sich die kleinsten Gehversuche durch die einfühlsame Begleitung zu musikalischen Ideen spinnen und wie glücklich die Spielenden sind. Als ich schließlich an der Reihe bin, bin ich dennoch etwas unsicher. Ich setze mich auf den mit Samt bezogenen Hocker und suche meine richtige Position. Dann schlage ich das c an. Ein dissonanter Klang. Aber halt: „Bei der Improvisation gibt es keine falschen Töne, es gibt nur überraschende“, erinnere ich mich und beginne meine Finger einfach über die Tasten laufen zu lassen. Ich höre, wie sich kleine Motive in der Begleitung leicht variiert wiederspiegeln, ein tolles Gefühl. Ich werde mutiger, Melodie und Begleitung fügen sich mehr und mehr zu einem Ganzen. Manchmal scheint Jens schon vorauszuahnen was als nächstes passiert – dabei weiß ich es doch selbst noch gar nicht. Es ist erstaunlich, wie viel individuelle Persönlichkeit in diesen teils wenigen Minuten zu hören ist. Manuela findet Gefallen an großen Sprüngen und lauten Einwürfen, während Brigitte ihre Finger zaghaft von Taste zu Taste wandern lässt. Aber obwohl jeder zu demselben kleinen Motiv in der Begleitung beginnen darf, ähneln sich die Improvisationen kaum und es ist unheimlich spannend, den Ideen – oder vielmehr Intuitionen – zu lauschen. Es scheint sich zu bestätigen, was Jens zuvor gesagt hat: „Wenn ich Erwachsene vor mir habe, dann

habe ich keine Anfänger vor mir. Ihr alle lebt seit Jahren und Jahrzehnten mit Musik. Ihr wisst was euch gefällt und ihr habt Melodien im Kopf, die ihr auf Anhieb abspielen könnt. Es ist schon etwas da!“ Als wir uns schließlich verabschieden, sehe ich viele leuchtende Augen und habe das Gefühl, dass einige noch die ganze Nacht durchspielen könnten. Der nächste Tag ist abwechslungsreich gestaltet: In Vierergruppen erarbeiten wir kleine Stücke nach der „Flohwalzermethode“: Jens spielt vor, zeigt die Fingersätze, wir imitieren ganz ohne Noten. „Den Flohwalzer können in der Regel nur Leute spielen, die nicht Klavier gelernt haben und die haben es wiederum gelernt von jemandem, der auch nicht Klavier spielt. Die Noten dazu sehen abenteuerlich aus!“ Ich bin in der „Chopin-Gruppe“, zwar spielen wir nicht die Nocturnes, aber eine Mazurka in vereinfachter Bearbeitung. In jeder der fünf Gruppenstunden kommt ein kleiner Teil hinzu. Wenn wir gerade nicht im Unterricht sind, können wir üben gehen. Dazu dürfen wir uns tatsächlich an jedes Instrument in den Ausstellungsräumen setzen. Die Entscheidung ist dabei ein echtes Luxusproblem. Der Gruppenunterricht nimmt die letzten „Berührungsängste“ mit der teils gefürchteten Theorie. Beim Tonleiterspielen eifern die anderen Gruppenmitglieder mit: „Halbton! Los, das schaffst du!“ und als Dirk „Sur le pont d‘Avignon“ in einer anderen Tonart spielen soll, summt Christa neben mir begeistert mit. Am Abend bekommen wir die Gelegenheit, unseren Dozenten in einem besonderen Konzert zu erleben: Jens Schlichting improvisiert zu einem Wagner-Stummfilm aus dem Jahre 1913. In einigen Momenten verschmilzt die Musik so sehr mit den Bildern, dass man meinen könnte, sie entspränge direkt dem Geschehen der Schwarz-Weiß-Biographie. Sonntags lernen wir den Rest unserer Stücke und beschließen, das spannende Wochenende mit einem kleinen Konzert und einer „Abschieds improvisation“. Es ist verblüffend zu sehen, welche Unterschiede sich nach den wenigen Tagen zeigen. Fast alle sind sich sicher: Es soll weitergehen mit dem Klavierspiel. Auch ich bin noch entschlossener, nun endlich Unterricht zu nehmen. „Endlich Klavierspielen“ ist eigentlich mehr als ein Schnupperkurs, denn das anfangs gegebene Versprechen wird gehalten: Am Ende der drei Tage ist man voller Ideen zum Klavierspielen und auch mit musikalischen Vorkenntnissen wird es nicht langweilig, denn Schlichtings Ansätze und Überlegungen zum Lernen, zum Üben und zum „Erlebnis Musik“ als Ganzes sind so interessant, dass es sich einfach lohnt, genau zuzuhören. Die nächsten Kurse: 15.-17.11. in Limburg und 6.-8.12. in Montreux. Weitere Termine 2014, Informationen und den Kontakt zu Jens Schlichtings Kursen gibt es unter www.klavier-kurse.de. 57


s e r i e

Woher kommt eigentlich ... der Tristanakkord

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Woher

Sechs Jahre zuvor hatte Haydn Beethoven in „Meister, Meister, dieser Akkord!“ Nein, noch ist nicht Bonn kennengelernt, ihn 1792 ermuntert als sein der berühmte Akkord gemeint, sondern ein einfacher eigentlich ... Schüler mit nach Wien zu kommen. 1804 erschien E-moll Dreiklang aus „Siegfried“, dessen Ausarbeitung Beethovens Klaviersonate Nr. 18 (op. 31 Nr. 3), darin: Wagner 1857 unterbrochen hatte, um sich seinem „Triseine weitere Variante des mehrdeutigen Akkords. Wagtan“ zu widmen, der 1865 in München uraufgeführt wurde. ner war von Beethovens Musik so angetan, dass er eine „Pil„Meister, Meister, ich flehe Sie an, dieser Akkord!“ Camille Saint Saëns, augenzwinkernder Zitatmeister im „Karneval gerfahrt zu Beethoven“ beschrieb: „wenn ich mit der Zeit wohl auch der Tiere“, schätzte die Musik Wagners, nicht aber den Wagneris- andere schöne Musik kennen lernte, ich doch Beethoven vor Allem mus. Er erzählt, wie einst eine Schriftstellerin Wagner bat, „diesen“ liebte, verehrte und anbetete.“ In Wien besuchte Beethoven häufig seinen Künstlerkollegen unglaublichen Akkord aus Siegfried zu spielen, worauf Wagner klarstellte, was sie meine, sei ein E-moll Akkord, auf das Drängen Louis Spohr, auch wenn er Spohrs Musik „zu dissonanzenreich“ der Dame tatsächlich ans Klavier schritt, die Töne e, g, h spielte und fand und meinte, sie beeinträchtige „durch ihre chromatische Melodik das Wohlgefallen“. Spohr war als Geigenvirtuose wie sein Zeitdie Verehrerin verzückt aufs Diwan sank. Wagners Werk dürfte auf einer CD keine Einzeltracks haben, genosse Paganini erfolgreich durch Europa gereist und hatte 1830 ja nicht einmal auf mehrere CDs verteilt sein, um die „Kunst des mit „Der Alchymist“ erneut eine faust‘sche Oper vorgelegt. Hier Übergangs“ seiner „unendlichen Melodie“ ungeteilt genießen zu taucht die Tristan-Chromatik im 2. Akt auf. Wagner hatte ein „Ohr können. In diesem Sinne gibt es bei ihm keinen losgelösten Tristan- für Spohr“ und schrieb, dieser sei „ein ernster, redlicher Meister seiakkord, sondern ein Klangbild um diesen vieldeutigen Akkord ner Kunst“. 1840 kehrte die Komponistin Fanny Hensel von einer inspiherum, ein Motiv, das Wagner in sein „Musikbild“ kunstvoll einzuweben wußte und als Leitmotiv in immer neuem Kontext wieder- rierenden, belebenden Italienreise zurück und beschrieb mit kehren ließ. Bei Wagner gibt es nur das Ganze: Musik,Text, Gesang, ihrem Klavierstück den „Abschied von Rom“ - beginnend mit einem Tristanakkord. Ihr vier Jahre jüngerer Bruder Felix MenOrchesterklang und Dramaturgie. delssohn Bartholdy schrieb mit 20 „Könnt ich doch Arien schreiben seine „Reformations-Sinfonie“. Darin und Duette, wie leicht würde mir ertönt eine Klangformel, die man bei dies; jetzt muß jedes ein kleines Zum Nachhören: Wagner im „Liebesverbot“, im „TannMusikbild sein, dabei aber den häuser“, aber ganz besonders als Fluß nicht unterbrechen;“ zitierte Richard Wagner: Complete OperasGrals-Motiv im „Parsifal“ zu hören Liszts Tochter und zweite Ehefrau Deutsche Grammophon, 2012 bekommt. Diese aufsteigende HarmoWagners Cosima ihren „R.“ in J. Haydn: Die Schöpfung, Nikolaus niefolge geht auf das „Dresdner den Tagebüchern. ­Harnoncourt, dhm 2012 Amen“ zurück, von dem man sagt, sie Hatte nun ihr Vater den stamme von Johann Gottlieb NauL. v. Beethoven: Klaviersonate Nr. 18, Tristanakkord in seinem Lied Glenn Gould Collection, Sony 2012 mann (1741 bis 1801), der Kapell„Ich möchte hingehen“ bereits meister in Dresden war. 1843 wurde zehn oder 15 Jahre vorher „entL. Spohr: Der Alchymist, Oehms 2011 Wagner dort Kapellmeister, um deckt“? Ebenso könnte man sich F. Mendelssohn Bartholdy: Sinfonien „Dresden musikalisch emanzipieren an Mozart, Haydn oder Spohr Nr. 1 & 5 ‚Reformationssinfonie‘, Marcus zu helfen“, doch man mokierte sich halten. Bosch, Coviello Classics, 2009 über seine „überspannten Ideen“. Mozart ließ sich von Haydns Der kaum ältere Liszt, als KomStreichquartetten op. 33 von 1781 ponist ebenso virtuos, wie er als Klainspirieren und erntete zwei Jahre vierspieler gefeiert wurde, hat ihn mit später als „Frucht einer langen und mühevollen Arbeit“ sechs Streichquartette, die er „al mio caro Fürsprachen, Aufführungen, Geld und durch seine Musik unterAmico Haydn“ widmete. Darunter der zweite Satz des Es-Dur- stützt. Wagner habe „herrlich heiter erklärt, er habe so vieles aus Quartetts (KV 428), worin sich schon der geheimnisvolle Tristan- den Symphonischen Dichtungen ,gestohlen‘.“ So hörte er, was seine Vorgänger gefunden hatten, verband, akkord und sein Klanggefüge ankündigte. Nachdem Haydn die Quartette gehört hatte, meinte er Mozarts was einzeln war zu einer Welle, einer Woge im „Meer der HarmoVater gegenüber: „Ihr Sohn ist der größte Componist“ und erin- nie“. Wie ihm dies gelungen ist, wie unverwechselbar seine „Musiknerte sich vielleicht noch 13 Jahre (1796 – 1798) später an diese bilder“ und Klangtürme sind, ist im Jubiläumsjahr überall zu hören Klangformel, denn als er seine „Schöpfung“ schuf, war gleich zu und zu erleben. Wagner: „ja das soll mir einer nachmachen“ Beginn wieder dieses Klangbild zu hören. Stefan Sell

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G e s e l l s c h a f t

Die ersten Schritte Wir haben uns oft die Frage gestellt, wie einzelne Künstler und Musiker überhaupt in der klassischen Musik landeten. In unserer Serie antworten acht weitere Dirigenten und Künstler. v on A n t o i n e t t e S c h m e l t e r d e Es c o b a r

Christian Thielemann Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle Dresden Die Musik von Richard Wagner hörte ich erstmals in einer konzertanten Aufführung der Berliner Philharmoniker mit Herbert von Karajan, „Walküre“, erster Akt, es muss wohl 1967 gewesen sein. Ich war acht Jahre alt. Dass mich meine Eltern mitgenommen haben, finde ich heute noch erstaunlich. Ich habe das gehört und war einfach platt. Das nächste Mal war es eine Aufführung der „Meistersinger“ in der Deutschen Oper. Den dritten Akt fand ich furchtbar langweilig, was meinen Vater ganz schön in Harnisch brachte. Bald darauf erlebte ich allerdings meinen ersten „Tristan“. Da hat mich der Schlag getroffen und ich dachte: Das ist es!

Peter Ruzicka, Komponist, INtendant & Dirigent Mein Schlüsselerlebnis lässt sich auf den Tag genau datieren. Es war der 22. Mai 1960, mein allererster Besuch einer Opernaufführung, und dies war die Premiere von Hans Werner Henzes Oper „Der Prinz von Homburg“ in der Hamburgischen Staatsoper. Meine Eltern gaben mir eine Karte ihres Abonnements. Eigentlich mussten einem knapp Zwölfjährigen diese Klänge und Bilder zunächst ganz fremd sein. Gleichwohl war es für mich ein großer und nachwirkender Eindruck von einer Musiksprache, die ich einige Jahre später selbst zu lernen beginnen sollte. Ich sah auch den Komponisten Hans Werner Henze beim Schlussbeifall (in den sich auch einige mir damals unerklärliche „Buhs“ mischten!) und neben ihm eine Lichtgestalt, von der ich erst viel später mehr wusste: Ingeborg Bachmann, die Librettistin der Oper. Und dieses Erlebnis hatte Folgen für die folgenden Jahrzehnte meines Lebens. Nicht nur be60

gannen bald meine ersten Ansätze, selbst zu komponieren. Ich wollte mehr Musik von Henze kennenlernen, besuchte fünf Jahre später die Premiere seiner „Bassariden“ bei den Salzburger Festspielen, um schließlich auch bei ihm zu studieren, was tatsächlich im Sommer 1969 in Rom geschah. Seither dirigierte ich viele seiner Werke, und als ich 1988 selbst Intendant der Hamburgischen Staatsoper wurde, war es eine meiner ersten Entscheidungen, Henzes „Bassariden“ auch in Hamburg aufzuführen. 1996 bat mich Henze, die künstlerische Leitung der Münchener Biennale von ihm zu übernehmen. Und 2003 durfte ich ihm als Intendant der Salzburger Festspiele dann persönlich den Auftrag für ein neues Werk, die Oper „L’Upupa“, geben. So schloss sich ein bemerkenswerter Kreis, der mein Leben als Komponist, Dirigent und Intendant seit dem Schlüsselerlebnis vor 53 Jahren bestimmt hat.

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Max Emanuel Cencic, Countertenor „Als kleiner Junge war ich nicht begeistert von der Idee, in den Kindergarten zu gehen und weigerte mich erfolgreich. Stattdessen nahmen mich meine Mutter und mein Vater, die an der Zagreber Oper als Sängerin und Dirigent angestellt waren, mit zu Proben oder Vorstellungen. Am stärksten in Erinnerung geblieben ist mir Mozarts „Zauberflöte“, die ich als Dreijähriger zum ersten Mal sah. Als die Königin der Nacht aus dem Dunkel auftauchte und sehr hoch sang, schien es mir unfassbar, dass ein Mensch solche Klänge produzieren kann. Dieses Erlebnis beeindruckte mich und so begann ich, bei meiner Mutter früh Gesangsunterricht zu nehmen.“

Patricia Petibon

Franz Welser-Möst

Sopranistin

generalmusikdirektor der Wiener Staatsoper

Ich muss ungefähr vier Jahre alt gewesen sein, als ich mir die Operette „Im weißen Rössl“ anschauen durfte. Dieses Erlebnis hat mich sehr beeindruckt – weniger wegen der Musik. Sondern aufgrund der Möglichkeit, auf diesem Weg in eine Welt der Bilder und Schönheit zu gelangen. Vermutlich passte das zu meinem damaligen Berufswunsch, Astronautin zu werden und so Zugang zu anderen, transzendenten Sphären zu bekommen. Später bin ich dann zwar Opernsängerin geworden und nicht ins Weltall geflogen. Aber auch diese Arbeit ermöglicht mir nicht nur geographisch große Reisen, weil ich mit meiner Vorstellungskraft sehr weit gehen und auch die spirituell-poetische Seite der klassischen Musik ausloten kann.

Ich bin mit klassischer Musik aufgewachsen, da beide meine Eltern Musikliebhaber sind und Wert auf musikalische Erziehung gelegt haben. Als ich 10 Jahre alt war gab mir eine Freundin der Familie eine LP von Bruckners 2. Sinfonie, die mich so faszinierte, dass ich mir sie jeden Tag nach der Schule zu Hause mit voller Lautstärke mehrmals am Tag anhörte. Nach drei Wochen sagte meine Mutter trocken: „Es reicht, wir kennen jetzt das Stück!“ Das war aber für mich meine erste ernsthafte Auseinandersetzung mit dem sinfonischen Repertoire.

Simone Young Intendantin der Hamburgischen Staatsoper „Aus einer nicht musikalischen Familie kommend, saß ich mit 12 Jahren in Australien in einem Sinfoniekonzert, das von keinem Geringeren als Leonard Bernstein dirigierte wurde. Unter ihm spielten die New Yorker Philharmoniker. Ich saß ganz oben im 4. Rang, und während des letzten Satzes von Tschaikowskys 6. Sinfonie hatte ich das Gefühl, dass sich mir eine ganz neue Welt eröffnen würde. Und das war erst der Anfang…“

Fotos: Matthias Creutziger; Klaus Lefebvre; Wiener Staatsoper, Michael Pöhn

Peter Dijkstra Dirigent Ein Schlüsselerlebnis war, als ich mit vielleicht sieben oder acht Jahren zum Geburtstag eine Schallplatte bekam mit Musik von Bach. Ich kannte schon die Matthäus-Passion, die ich als Knabe oft mitgesungen hatte, und war neugierig nach mehr von dem großen Meister: Es waren die sechs Bachmotetten. Sigiswald Kuyken dirigierte Chor und Orchester seiner La Petite Bande, und ich saß dann oft mit der Partitur und Kopfhörern im großen Sessel und sang mit. Da habe ich gespürt, dass Vokalmusik was ganz Besonderes ist, und es wuchs der Wunsch, dies auch selbst zu tun.

Rafał Blechacz Pianist Meine erste musikalische Liebe war im Kindergartenalter die Orgel. Wann immer wir in die Kirche gingen, faszinierte mich ihr mächtiger Klang, vor allem bei Bach-Stücken. Entsprechend stolz war ich, als ich dieses Instrument eines Sonntags nach der Messe ausprobieren durfte, wobei meine Beine aber noch viel zu kurz waren, um an die Pedalen zu kommen. Zuhause habe ich versucht, das Gehörte auf unserem Klavier nachzuspielen und mich dabei wohl so gut angestellt, dass mich meine Eltern in die örtliche Musikschule schickten. Spätestens nach dem ersten Konzert mit acht Jahren war mir klar, dass das Klavier die Nummer eins in meinem Leben sein sollte. Denn ich mochte es sehr, vor Publikum zu spielen, das vor der Bühne saß und mir zuhörte. Außerdem gefiel mir besonders bei Chopin, dass man mit seiner Musik sowohl Melancholie und Traurigkeit, aber auch Energie und Freude ausdrücken kann. An eine Orgel setze ich mich übrigens bis heute hin und wieder: einerseits zum Vergnügen. Andererseits, weil ihre Art des polyphonen Klangs und der Technik mir helfen, nach dem richtigen Weg am Klavier zu suchen.


l e b e n s a r t

Südtirol ... aus der Sicht des Musikwochen-Direktors Mischa Maisky lernte hier seine Ehefrau kennen, Pavarotti kam jährlich zur Kur und auch Gustav Mahler wusste die Schönheit der südlichen Alpen zu schätzen. Also höchste Zeit, diesen Spuren mit Hilfe eines Experten zu folgen.

Fotos: Bobby Coat.

V on R o b e r t K i t t e l

In der Giuseppe-Verdi-Straße zu wohnen ist ein guter Anfang, dazu die Südtiroler Bergwelt genießen, ein Glas Wein im Gasthof Kohlern, oder ein Konzert bei den Meraner Festwochen, Speisen im Schloss St. Lorenzen, Südtiroler Speck, das „Rosalpina“ und der grünste Pianist von Meran.

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Foto: Karolina Doleviczenyi / sounding images

Andreas Cappello, Chef der Meraner Musikwochen.

S

als Klaus Maria Brandauer gibt sich die Ehre, zusammen mit Sebaschon zwanzig Autominuten nach dem Brennerpass, der Straße, die Österreich und Südtirol miteinander verbin- tian Knauer (am Piano) und Geiger Daniel Hope, der 2013 als artist in residence einen Großteil des Programms mitgestalten durfte. Als det, sieht man hinein, in das wuchtige Tal mit den kleinen der wirklich hübsche und stilvolle Kursaal gefüllt ist, spaziert ein Bergdörfern oben am Hang. Man wundert sich über die gut gelaunter Brandauer auf die Bühne und liest Briefe, die Leopold Idee der Bewohner, ihre Landwirtschaft so hoch oben in Mozart und Sohn Amadeus austauschten. Es gibt ganz wenige auf den Hügeln anzulegen, vor allem damals, vor 500 Jahren, als es noch keine Maschinen gab und die Autobahn noch ein Kutschen- der Welt, die eine solche Empathie aus einer Lesung herausholen weg für Pferde war. Kurz vor Bozen biegen wir ab, Richtung Nord- können wie Brandauer. Jedenfalls bebt er wie zu alten Zeiten. Das Publikum ist begeistert. Westen, ins Zentrum des gut situierten Kururlaubs – nach Meran. Kristjan Järvi und Fazil Say waren im vergangenen Jahr artists Wer noch nie in Meran war, dem sei verraten: Meran ist anders als das Südtirol der Postkarte. Meran ist die Stadt der Grandhotels, in residence in Meran, sie komponierten ebenfalls ein illustres ProThermenanlagen, Souvenirläden und des organisierten Kaffeefahrt- gramm und die Leute nahmen es wohlwollend an. Man kann schlecht sagen, wie viele aus der Region kommen und viele Touristourismus. Und es ist nicht das typische Südtiroler Bergdorf, um ten sind, aber die Meraner Musikwochen versuchen, die Spielstätdas sich die silbergrauen Spitzen der Dolomiten gruppieren! Meran ten geografisch einzugrenzen. Anders als im Engadin beispielsliegt in einer eher hügeligen Landschaft – mit unglaublich vielen weise finden die Konzerte hier sehr vorteilhaft Palmen am Straßenrand. im Umkreis von wenigen Kilometern statt. Im Dschungel der etwas in die Jahre Nach dem Konzert treffen sich die Musigekommenen Grandhotels ist es nicht ganz ker und Intendanten auf der Terrasse des leicht, hier die passende Unterkunft zu finden, Hotels Therme. Man speist zusammen mit doch wer für crescendo arbeitet, sucht in der Blick auf die grandiose Bergwelt der Alpen. Es Giuseppe-Verdi-Straße und findet dort eine wirkt wie die First Class eines in die Jahre der schönsten Herbergen des gesamten Alpengekommenen Alitalia-Jets. Hinten, also drauraumes: Das Ottmanngut, das bis vor kurzem ßen, das Fußvolk mit Fotohandy und Tourisnoch eine typische Oma-Pension gewesen ist. tenshorts bewaffnet, vorne, also drinnen in der Das lag auch daran, dass es von der FamilienTypisch Südtirol: Gästebuch aus Filz. Therme, Mille Feuille und ein Glas GewürztraOma betrieben wurde und die ist auch jetzt miner des lokalen Weinhelden Alois Lageder. noch die Besitzerin des Anwesens und spaziert Wir dürfen Andreas Cappello interviewen. Obwohl er noch gleich bei der Ankunft durch den himmlischen Garten, weil sie ihre sehr jung wirkt, ist Cappello schon seit langer Zeit dabei, arbeitete Wohnung im ersten Stock behalten durfte. Die neuen Chefs, die sich unter dem Präsidenten der Kurverwaltung, Hermann SchnitEnkel Martin und Clemens Kirchlechner, erzählen beim ersten zer, zum Intendanten der Meraner Musikwochen hoch. Cappello Südtiroler Glas Wein dann auch von den Herausforderungen der erzählt ein wenig von der Geschichte Merans, die wirklich große Renovierung: Sie seien weder Architekten, noch hätten sie die Bedeutung hat, im europäischen Vergleich: Denn Meran sei um große Expertise in der Renovierung von Altbauten gehabt (das Haus ist über 700 Jahre alt!). Aber als sie im Frühjahr 2013 das 1850 neben dem tschechischen Karlsbad und dem österreichischen Ergebnis ihrer Idee eines stilvollen, authentischen Hideaways sahen, Bad Gastein die größte Kurstadt Europas gewesen – auch gemessen an den 5-Sterne Hotels. Überhaupt galt und gilt das Südtiroler Land waren sie beeindruckt. Die Highlights des Anwesens sind sicherlich die originale Orangerie, in der auch ein Frühstück serviert wird, als eines der gesündesten: Die Mischung aus Quellwasser, frischer Bergluft und mediterranem Klima schien die Grafen und Fürsten dann der wunderschöne Garten mit den Zitronenbäumen, in dem anzulocken. Auch der österreichische Kaiser urlaubte hier, der Vatiman auch einen ganzen Nachmittag auf einer Liege faulenzen kann und dem zum Anwesen gehörenden kleinen Weingut (es ist wirk- kan ließ Häuser zur Behandlung seiner Tuberkulose-Patienten lich klein, also keine großen Erwartungen!). Und: Die beiden Sui- erbauen und – klar – auch die bekannte Sissi stattete den Südtiroten im Erdgeschoss – mit Antiquitäten aus dem Familienbestand. lern später viele Besuche ab. In den vergangenen Jahren hat Cappello aber auch die großen Vater Kirchlechner ist ein leidenschaftlicher Sammler. Stars der Klassikszene ins Tal von Meran gebracht. Er betont jedoch, Im Ottmanngut würden es auch Musiker aushalten, vor allem jene, die nicht auf der Suche nach Trubel und Boulevard sind. Gri- die kämen nicht nur, weil sie einen Abend konzertieren sollen, sondern weil es zum Beispiel auch familiäre Verbindungen gibt: Mischa gori Sokolov würde einem da einfallen oder auch Alfred Brendel. Maisky ist mit einer Meranerin verheiratet, sie lernten sich hier auf Am nächsten Morgen: Matinée im Festspielhaus, denn wir einem seiner Konzerte kennen. Auch Maiskys Klassik-Partnerin besuchten Meran in den Tagen der Musikwochen. Kein geringerer 63


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das Komponierhaus Gustav Mahlers, Martha Argerich sei bekennender wo er die „Neunte Sinfonie“, die Meran-Fan: 2007 verlängerte sie ihren unvollendete „Zehnte Sinfonie“ und Aufenthalt, um im Pavillon des Fleurs „Das Lied von der Erde“ schuf. Für ungestört üben zu können. Und DiriMahlerfans eine Art Pilgermuseum. gent Sir John Eliot Gardiner, der in der Allerdings ist es derart klein, dass eine Pfarrkirche von Meran eine CD seiner Busladung Touristen ausreicht, um es Bach Cantata Pilgrimage eingespielt nicht mehr zu sehen, vor allem wähhatte, wollte gleich seine geplante rend der Toblacher Musikwochen. Hochzeit nach Meran verlegen. Ganz Wer die Reise nach Toblach auf sich abgesehen davon, dass Luciano Pavanimmt, sollte die Gelegenheit nutzen, rotti früher so gut wie jedes Jahr hier in einem der spektakulärsten Bauernseinen Kururlaub verbrachte. Gute Stimmung nach der „Konzertlesung“: höfe der gesamten Region zu überAchso, ja – was er denn so empKnauer, Brandauer & Hope. nachten. Auf dem Glinzhof schläft der fehlen könne, der Herr Cappello, vor oder vor allem nach dem Konzert? Ja, sagt er, kulinarisch sollte man Gast oben am Berg mit Blick auf eine riesige Gebirgskette. Das alles dem Restaurant Kallmünz einen Besuch abstatten. Dessen Chef- zu sehr moderaten Preisen und mit sehr angenehmen Gastgebern. Wir bleiben zwar auch auf dem Berg, aber wieder etwas südlikoch Luigi Ottaiano – aus Neapel stammend – singt auch mal selbst eine Opernarie am Tisch, und etwas wichtiger vielleicht: sein Essen cher, in Bozen. Genauer gesagt, am Hang von Bozen, denn das Haus Kohlern liegt wunderbar majestätisch über der Stadt. Das Kohlern schmeckt vorzüglich. Er könne aber vor allem empfehlen, wirklich in die Tiefen des gehört zu den „idyllic places“, einer Vereinigung von Hotels, die Südtiroler Landes einzusteigen – Weingüter besuchen, historische guten Gewissens von sich behaupten können, stilvoll eingerichtet Gaststätten und auch das nicht sehr weit entfernt gelegene Reinhold- zu sein und idyllisch zu liegen (siehe auch deren Website Messner-Museum sei in jedem Fall keine schlechte Idee für einen www.idyllicplaces.com). Viele von ihnen wurden von lokalen Architekten aus der Umgebung eingerichtet, das Holz stammt aus alten Besuch! Am späten Nachmittag geht die Reise erst einmal weiter ins Beständen und die Schränke sind allesamt antike Schätze. Im KohPustertal, das auf der anderen Seite der Brennerautobahn liegt, lern bleibt der Gast aber nicht, um jeden Abend die 20-minütige etwas nördlicher. Das Pustertal wird nach einer Weile zu einem die- Serpentinenstrecke in ein Bozener Konzerthaus zu bewältigen, sonser malerischen Täler, die man von Südtiroler Postkarten kennt: dern um auszuspannen vom Leben in der Stadt. Dass der Chef des unten die historischen Kirchtürme, leicht beleuchtet von der Abend- Hauses den gleichen Nachnamen eines bekannten südamerikanisonne und am Horizont die Felsspitzen der Dolomiten. Das große schen Tenors hat, ist eher ein Zufall. Joseph Schrott ist durch und Phänomen ist: die Felsen sehen in Wahrheit tatsächlich so aus wie durch Gastronom und empfiehlt seinen Gästen am Abend persönauf den Bildern. Von Brixen geht es nach Toblach, einem kleinen lich die Kreationen aus der Küche. Diese ist allerdings klassisch – Ort mit einer Handvoll Hotels und einem witzigen Antikmarkt am klassisch südtirolerisch. Straßenrand. Etwas versteckt im benachbarten Altschluderbach:

Tipps, Infos & Adressen

Die wichtigsten Reiseinformationen rund um einen Besuch in Südtirol

Festivals:

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Fotos: Bob Coat

Die wichtigsten drei Klassik-Veranstaltungen der Südtiroler sind: 1. Die Meraner Musikwochen (Ende August bis Anfang September: www.meranofestival.com), das Musikfestival Bozen (Ende Juli bis Mitte August) und die Toblacher Musiktage (­immer im Juli – www.gustav-mahler.it), die natürlich in Toblach stattfinden.

Wo übernachten? In Meran auf jeden Fall ins „Suite & Breakfast“ Ottmanngut von Familie Kirchlechner (Auf Foto 2 sieht man das Palmenzimmer), Adresse: Giuseppe-Verdi-Straße 18, www.ottmanngut.it. DZ ab 110 Euro pro Person. In Toblach (zu den Toblacher Musiktagen): Glinzhof. Spektakuläre Aussicht, schöne Zimmer aus Holz, das ganze oben auf dem Berg. Adresse: Via Monte San Candido, 5, Innichen. www.glinzhof.com. Zimmer ab 55 Euro, Chalets ab 90 Euro. In Bozen: Haus Kohlern (4) – in Kohlern. www.kohlern.com. DZ ab 73 Euro p.P. mit Halbpension. Mitten im Gebirge am Berg Plose: Rosalpina. Ehemaliges Sanatorium, das wunderschön zum Hotel umgebaut wurde. www.rosalpina.eu DZ ab 90 Euro. Und für Gourmets: Gasthof Krone (1 & 3) in Aldein, Dorfplatz 3, Aldein. www.gasthof-krone.it. DZ ab 79 Euro p.P. mit Halbpension (die HP ist sehr zu empfehlen).

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Majestätisch crescendo

Foto: Grand Hotel Zell am See

Hoteltipp

Im Grand Hotel Zell am See ist auch der Spa „grand“

Die Familien Porsche und Piëch können sich aussuchen, wo sie leben möchten. Doch entschieden haben sie sich für Zell am See. Hier kann man Österreich auf gehobene Art geniessen. Auf einer kleinen privaten Halbinsel des Sees steht das majestätische „Grand Hotel“, das mit seiner klassischen Fassade seinem Namen alle Ehre macht. Dieser besondere An- und Ausblick hat sich schon auf der ganzen Welt herumgesprochen. Hoteldirektorin Gabriele van der Boom hat auch Fahrräder für die Gäste angeschafft, mit denen man

den See bei einem gemütlichen Ausflug umrunden kann. Im Sommer kommen die Gäste zum Golfen (es sind sieben 18 bzw. 36-Lochplätzen in der näheren Umgebung) und Bergwandern und im Winter natürlich zum Skifahren auf dem Zeller Hausberg „Schmittenhöhe“. Ein besonderes Highlight ist das „Grand Spa“, der großzügige Wellnessbereich über zwei Etagen mit einem sagenhaften Ausblick. Preis im DZ mit HP pro Person im Sommer ab 80 EUR, im Winter ab 94 EUR, www.grandhotel-zellamsee.at.

MARISS JANSONS

BEETHOVEN DIE SYMPHONIEN auf CD und DVD

Mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks

3-DVD/Blu-ray-Box ArthausMusik 107537/107536

6-CD-Box BR-KLASSIK 900119

Der lang erwartete, erste komplette Beethoven-Zyklus von Mariss Jansons in höchster Qualität auf CD und DVD/ Blu-ray. Entstanden auf der Japan- Tournee, Suntory Hall in Tokio und im Münchner Herkulessaal im Herbst 2012. Die CD-Box enthält Werke von sechs zeitgenössischen Komponisten, die von Mariss Jansons beauftragt wurden. Eine umfangreiche Dokumentation über den gefeierten Dirigenten bei der Probe der Eroica rundet die DVD/ Blu-ray-Edition ab.

Im exklusiven Vertrieb von NAXOS Deutschland І www.naxos.de • info@naxos.de І www.arthaus-musik.com І www.br-klassik.de/label


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John AXELRODS Weinkolumne

Improvisation ist alles Unser Kolumnist hat zum 100. Geburtstag des Komponisten Witold Lutosławski einen feinen Wein herausgesucht und beschreibt, was dieser mit Lutosławskis Musik zu tun hat. Auch wenn sie als ein Meisterwerk des 20. Jahrhunderts gilt, wird Lutosławskis Nr. 3 weiterhin eher selten aufgeführt. Hoffentlich hilft der 100. Geburtstag des Komponisten in diesem Jahr, seine Werke – und vor allem diese geniale Sinfonie – bekannter zu machen. Ich durfte diese Sinfonie erfreulicherweise kürzlich bei der Biennale in Venedig dirigieren und sie inspirierte mich dazu, einen Wein zu finden, der ähnliche Qualitäten besitzt wie diese Musik. Der „Raisins de la Colère“, eine Rebsorte aus dem Maison de la Tour Penedesses aus der Languedoc-Region in Südfrankreich wird, genauso wie Lutosławski, unterschätzt und ist eigentlich ein Meisterwerk vom ersten Schluck an. Dieser Wein, der aus Syrah, Grenache und Mourvèdre-Reben gewonnen wird, wird auf einer Höhe von über 400 Metern angebaut. Das bewahrt den Trauben ihre Frische, Säure und die Finesse der „Weinernte auf dem Gipfel“. Dieser Wein hat großes Potenzial zum Altern und als Sammlerstück. Dass er so unbekannt ist, könnte daran liegen, dass lediglich 500 Flaschen dieses besonderen Weins abgefüllt werden. Dennoch: WeinLiebhaber sollten ihn kennen. Und je mehr Leute diesen Wein bestellen, desto mehr wird davon auch produziert werden. Man kann den Wein entweder direkt über das Weingut beziehen oder aber auch bei ausgewählten

Händlern in Deutschland und Österreich Lutosławski war in seinen Kompositionen kaufen. Dennoch erstaunt es mich immer sehr von der Zufallsmethodik von John Cage wieder, wie viele Weinläden noch niemals inspiriert. Doch obwohl er den kompositorivon diesem Wein gehört haben, und dass schen Avantgarde-Stil technisch meisterhaft sich die Verkäufer auch nicht an das span- beherrschte, hat Lutosławski seine Wurzeln nende Etikett mit Matadoren und Stieren in der romantischen Musik. Obwohl seine darauf erinnern. Und doch: Jedesmal, wenn Sinfonie um verschiedene Episoden, rhythjemand etwas von diesem besonderen Wein mische Motive und Themen, die von allen probiert, möchte er mehr davon. Genau so ist Seiten des Orchesters viel Improvisation erfordern, herumkomponiert ist, erfordert diese Musik doch eine konstante Aufmerksamkeit auf Klang, Schönheit, Veredelung und Eleganz. Elemente, die nötig sind, um sinfonische Werke von Schumann bis Brahms, von Mahler bis Bartók aufzuführen. es mit Lutosławski. Gib den Leuten ein klei- Gleich der erste Satz der Sinfonie bietet eine nes Stück Lutosławski zu hören und sie wer- Palette an Material, mit verschiedenen Aspekten, die entweder von ihrem Rhythmus, den süchtig danach! Es ist nicht nur der volle Geschmack, die ihrer Dynamik oder ihrer musikalischen intensive Frucht und der Zucker sowie die Form definiert werden – die meisten von satten Tannine, die bemerkenswert sind. Es ihnen sind Improvisationen, die in einer Ferist die improvisierte Art, mit der dieser Wein mate ausgehalten werden. Der zweite Satz gemacht wird, die ihn immer wieder einzig- und der Epilog sind die Kulmination all des artig und neu erscheinen lässt. Anders als musikalischen Materials in einer großen andere Weine, die leicht zu beschreiben sind, melodischen Aussage. fordert dieser Wein die Vorstellungskraft – Das ist die Art der Improvisation, in der die und weil der Wein nur produziert wird, wenn Freiheit der Form und des Ausdrucks in der die äußeren Bedingungen auf so hoher Höhe Summe größer sind als die einzelnen Teile. stimmen, schmecken manche Flaschen voll- Genauso ist der „Raisins de la Colère“ als kommen anders als andere, jedoch alle auf Wein großartiger als die einzelnen Trauben.. Alles Gute zum 100., Witold. einem hohen, edlen, köstlichen Level!

„Gib den Leuten ein kleines Stück, sie werden süchtig danach!“

John Axelrod ist musikalischer Leiter des Orchestre­National des Pays de la Loire in Frankreich und Dirigent des Orchestra Sinfonica di Milano „Giuseppe Verdi“. Nebenbei schreibt er Bücher („Wie großartige Musik entsteht ... oder auch nicht. Ansichten eines Dirigenten“) und philosophiert über sein Lieblingshobby: guten Wein. 66

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»Ich lese crescendo« Rudolf Buchbinder, Pianist

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Hanfstaengls Erben Der Blanc Kunstverlag hält eine alte Druckertradition hoch: aus den alten Gravuren Franz Hanfstaengls werden exklusiv einzigartige Kupferdrucke gefertigt – auf Maschinen, die man heutzutage nur noch sehr selten sieht.

Wie entsteht ein farbiger Wagner? Gravurenplatte von Hand bemalt, später auf der Handpresse aufs Büttenpapier übertragen.

Ein Besuch in der Druckerei Blanc ist eine Reise in die Vergangenheit: überall stehen Raritäten; das fängt bei den Druckmaschinen an, Carl Krause, Leipzig steht auf der größten, sie kann bis zu 24 Tonnen Druck erzeugen, für frisch bedruckte Papiere, die über Nacht trocknen und keinerlei Verformung bekommen sollen. 24 Tonnen, das ist etwa so als würde das Papier unter drei Lastwägen übernachten. Vor dem Krause-Ungeheuer sind noch zwei weitere Druckmaschinen aus dem Jahr 1875: „Das sind die original Handpressen“, sagt Herr Blanc, der Chef des Hauses, der die Druckerei zusammen mit seiner Tochter, Toni Marie Pichelmaier führt. Peter Blanc hatte die 170 Jahre alte Kupferdruckerei 1980 gekauft. Die Maschinen haben nur eine Walze und können mit Hilfe der Platten die Bilder herstellen. Der Blanc Kunstverlag hat sich darauf spezialisiert, auch weil er einen Großteil der Original-Platten des bekanntesten Lithografen Franz Hanfstaengl besitzt. Vor allem die großen Komponisten wurden ja von Franz Hanfstaengl persönlich porträtiert. Zum Kauf stehen daher die originalen und bekannten Porträts von Gustav Mahler, Ludwig van Beethoven, Wolfgang Amadeus Mozart, Franz Schubert und – natürlich Richard Wagner. 68

Franz Duchatsch, Blancs Drucker und Kreativchef, hatte sein Handwerk sogar noch im ehrwürdigen Hanfstaengl-Verlag gelernt: er erklärt jedem Besucher gerne, wie ein solches Kunstwerk zustande kommt. Denn im Prinzip ist jeder Kupferdruck aus dem Hause Blanc ein Unikat: Franz Duchatsch koloriert bei jedem Druck die original Kupferplatte mit den feinen Linien mit speziell hierfür angefertigten Farben. Es ist eine millimetergenaue Handarbeit, die nur noch wenige beherrschen. Dann schickt er die Platte mit einem hochwertigen Büttenpapier auf die Reise in die Walze, die – und das ist die einzige Neuerung – von einem Motor angetrieben wird. Heraus kommt das fast fertige Kunstwerk, das sofort getrocknet und anschließend noch zwei Tage unter dem 24-Tonnen-Monster geglättet wird. Aufgrund der Reportage entstand bei crescendo und dem Blanc Verlag die Idee einer modernen Pop-Edition „Richard Wagner“ in limitierter und nummerierter Auflage von 100 Stück. Jedes Bild ein Unikat sozusagen. Wir können das wirklich empfehlen. Alle weiteren Informationen zu diesem Angebot finden Sie auf der gegenüberliegenden Seite.

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A K T I O N

crescendo & Blanc Kunstverlag bieten exklusiv in einer limitierten Auflage von 100 Stück

Original Richard Wagner Kupferdruck auf feinstem Büttenpapier! Größe: 40 x 60 Zentimeter Bestellung direkt bei: Blanc Kunstverlag, Levelingstraße 8, 81673 München Tel: 089- 4312811, E-Mail: mail@blanc-kunstverlag.de, www.blanc-kunstverlag.de, Stichwort: Wagner Farb-Edition. Preis ungerahmt: 148 Euro / Echtholzrahmen Olivenfurnier braun: 135 Euro / zzgl. Versandkosten

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Hinter den Kulissen: Auf Italien-Konzertreise mit der Audi Jugendchorakademie.

zwischen dolce vita und Stimme schonen V on A nna N ov á k

Die Audi Jugendchorakademie unter der Leitung von Martin Steidler im imposanten Dom zu Forlì in der Emilia Romagna.

W

ie kriegt man 67 Sänger, einen Chorleiter und seine Assistentin, vier Journalisten und ein Filmteam sowie vier Hornisten der Bayerischen Staatsoper in zwei Reisebusse? Einfach: Tür auf, alle rein, Tür zu. Aber: Wie kriegt man bloß die Harfe der ebenfalls mitreisenden Harfenistin in den Bus? Wir stehen vor dem ersten großen Reiseproblem – und das, obwohl wir noch gar nicht losgefahren sind. Nach intensivem Gepuzzel werden erstmal wieder alle Koffer ausgeladen, bis der große hölzerne Harfenkasten verstaut ist. Nach einer Asien-Konzertreise im vergangenen Jahr wartet diesmal eine Woche Italien auf die Sänger der Audi Jugendchor­ akademie. Zwei Konzerte führen den jungen Konzertchor zum renommierten Ravello Festival und nach Forlí in die Emilia Romagna, wo der Chor gemeinsam mit den Munich Opera Horns, der Horngruppe der Bayerischen Staatsoper, gastiert und ein Programm mit romantischer Chormusik präsentieren wird. Als Förderprojekt für junge begabte Sänger im Alter zwischen 16 und 27 Jahren arbeitet der Chor projektbezogen. Teile des aktuellen Programms mit Werken von Brahms, Schumann, Schubert, Strawinsky und Mahler werden nach der Konzertreise auf CD gebrannt, unter der Leitung von Kent Nagano. Die Italienreise dient nicht nur zur Festigung des Programms, sie soll Momente der Begegnung schaffen. Mit dem Publikum in einem fremden Land, aber auch untereinander. Sieht man die Audi Jugendchorakademie auf der Bühne, erfährt man wenig über diesen bunten Haufen an Sängern, denn 70

wenn sie singen, sind sie ein homogenes Ganzes. Was der Konzertbesucher nicht weiß: Eigentlich sind die meisten Mitglieder keine hauptberuflichen Sänger: Daniel zum Beispiel fliegt kleine Flugzeuge über das Saarland, Verena arbeitet als Logopädin in einer Praxis in Regensburg, Maxi macht eine Ausbildung zum Maurer, Nynke studiert Biologie und Mathias ist gerade in einer großen Anwaltskanzlei als Rechtsanwalt eingestellt worden. Für eine Woche lassen nun aber alle ihr eigentliches Leben hinter sich und werden zu Vollzeit-Sängern. Sechs Tage lang Proben und Pasta. Und zwei Konzerte. Im Bus gehen wir gleich der Frage nach, ob das Sättigungsgefühl länger anhält, wenn man sein Lunchpaket direkt komplett verspeist oder wenn man sich bis kurz vor Schluss Vorräte behält. Die www.crescendo.de

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Uhr (und das sei früh für Italien, so heißt es) herrscht im Dom gähnende Leere. Dann, plötzlich, strömen die Menschen auf den Domplatz, drängen in die Kirche, innerhalb von wenigen Momenten sind alle Plätze besetzt. Die Akustik ist zum Singen so opulent, dass man sich am liebsten in den Klang hineinlegen möchte, so sehr schwingen die Stimmen und der Klang der Hörner im Raum. Den Zuschauern gefällts. Und das, obwohl wir im Land der Oper Lieder singen, noch dazu auf deutsch. Während die Männer vorne auf der Bühne Jagdlieder von Schubert und Schumann singen, sitzt der Pastor an seinem Schreibtisch im großen alten Seitenschiff des imposanten Doms. Neben ihm prangt das Bild des ehemaligen Papst Benedikt, über ihm wacht Papst Francesco. Der Pastor schaut dem Konzert über einen kleinen Bildschirm zu. Das Konzert läuft hier nur schwarz-weiß, aber wenigstens hat er Ton. „Bravissimi!“ flüstert er uns zu, als wir in die Garderobe huschen, um wenigstens für einen kurzen Moment die hohen Konzertschuhe ausziehen zu können. Und als wir schließlich mit den Mahler-Stücken in den Notenmappen zurück zu Bühne schreiten, lacht er breit und sagt: „Oho! Il grande finale!“ Am nächsten Morgen geht es weiter in den Süden. Fast 600 Kilometer müssen sich unsere zwei Tourbusse die italienischen Autobahnen entlangquälen. Eins ist schnell klar, wenn man sich im Bus umschaut: Eine Konzertreise ist keine Klassenfahrt. Denn obwohl sich kein Mitreisender dem italienischen Dolce Vita und der Aussicht auf Pasta und spätsommerwarmes Meerwasser entziehen kann, sind sich alle ihrer Verantwortung als Sänger bewusst. Bei allen Albernheiten steht das Wohl der Stimme im Vordergrund, und die ist durch die langen Busfahrten ordentlich gefährdet. „Stimme schonen!“ hat sich als halb lustig, halb ernst gemeinter Running Gag etabliert, wenn im Bus laut bayerische Volkslieder gesungen werden. Als wir an Tag fünf Ravello erreichen, verschlägt es uns die Sprache. Der Konzertsaal, das Auditorium OscarNiemeyer (vom namensgebenden Architekten entworfen), prangt wie ein weißleuchtendes Ufo direkt über dem Mittelmeer. Aus großen Fenstern kann man sogar von der Bühne aus das Wasser sehen. „So etwas Schönes habe ich noch nie gesehen“, sagt eine Chorsängerin staunend. Und auch die staubtrockene Akustik des Konzertsaals, die sich wie Singen gegen einen Wattebausch anfühlt, kann uns nicht mehr schocken. Die Stunden im Stau sind vergessen: Was zählt, ist im Konzertmoment einzig die Musik. Und so albern sich alle noch beim Umziehen in der Garderobe verhalten haben, so konzentriert, ernsthaft und professionell ist man in diesem Moment auf der Bühne. Nynke denkt nicht an irgendwelche biochemischen Formitgereisten Hornisten spielen Karten, zehn Stunden lang. In der meln, Mathias rezitiert keine Paragraphen und für mich ist die creBank nebenan dirigiert Thomas, der in München Orchesterleitung scendo-Redaktion weit weg. Wir sind ganz bei uns, beim Chorleiter, studiert, stumm vor sich hin. Vor ihm liegt eine Partitur, an seiner bei Mahler und Brahms und Schumann. So fühlt sich Zuhause an, Schulter lehnt seine Freundin Christina und schläft. Erst nach fast auch wenn das eigentlich gerade weit entfernt liegt. Glückselig verlassen wir spätnachts Ravello. Das Konzert war 12 Stunden erreichen wir unser erstes Ziel: Imola. Zwei Tage wohnen wir hier. Skurril: Wir proben in einem Raum, der direkt an den ein voller Erfolg. Stehende Ovationen auf Seiten des italienischen Frühstückssaal angrenzt – Frühstück bis 8:55 Uhr, dann nimmt Publikums, Gänsehaut beim Singen für uns. Mitten in der Nacht jeder seinen Stuhl mit hinüber und um 9:00 Uhr geht‘s los mit dem erreichen wir nach einer spektakulären Fahrt durch italienische Serpentinen unser Hotel. Der Pizzabäcker von gegenüber verpflegt uns Einsingen. Für unser erstes Konzert fahren wir am dritten Tag der Reise spontan mit den letzten Leckereien aus seinem Steinofen. Es ist eine nach Forlì. Der Dom, in dem wir singen dürfen, ist imposant: Bemalte warme, lange, italienische Spätsommernacht. In den Köpfen klingt Fenster tauchen das alte Gebäude in warmes Licht, tünchen den Mar- immer noch Mahler, jemand summt Brahms. Wir freuen uns auf mor in goldgelbe Farbtöne. Die Italiener entpuppen sich gleich als den freien Tag an der Amalfiküste, der vor uns liegt. Das Stimme spannendes Publikum. Denn bis kurz vor Konzertbeginn um 21:30 schonen hat sich gelohnt – doch jetzt ist Zeit für Dolce Vita. 71

Fotos: Severin Vogl; Robert Brembeck

Konzertvorbereitungen, Probe, das Einsingen vor dem Auftritt und Anstehen für das leckerste Eis in Forlí. Der übergroße Harfenkoffer, ein Blick in die Männergarderobe und ein Ausflug an die Amalfiküste.


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Gesucht: Beethoven-Könner Ein besonderer Wettbewerb: Die International Telekom Beethoven Competition in Bonn sucht mit einer hochkarätig besetzten Jury nicht nur gute junge Pianisten, sondern vor allem herausragende Beethoven-Interpreten. V on T e r e s a P i e s c h a c ó n R a p h a e l Über zweihundert Klavierwettbewerbe gibt es auf der Welt, zu denen sich alljährlich Heerscharen angehender Tastengenies anmelden in der Hoffnung auf eine Auszeichnung, die eine fulminante Pianistenkarriere in Gang setzen könnte. Denn welcher Pianist träumt nicht davon, mit einem Konzertbrocken wie etwa dem Fünften Klavierkonzert von Beethoven und großem Orchester aufzutreten? Die International Telekom Beethoven Competition in Bonn, die vom 6. bis 14. Dezember 2013 stattfindet, ist ein Ort, wo sich solche Hoffnungen für Manchen erfüllten können – nicht nur, weil Bonn, die Geburtsstadt von Ludwig van Beethoven, Inspiration genug sein könnte. „Wir möchten der klassischen Musik, besonders auch jungen Künstlern eine Plattform geben und weniger in große Bühnen oder bekannte Stars investieren, sondern jungen Menschen zum Durchbruch verhelfen“, sagt auch Timotheus Höttges, Finanzvorstand der Deutschen Telekom, über den Wettbewerb, der in Koope72

ration mit dem Beethovenfest Bonn ausgetragen wird und mit hoch dotierten Preisen lockt. Von 86 jungen Talenten aus 27 Ländern, die sich heuer beim Wettbewerb bewarben, haben es 28 Künstler in die letzte Runde geschafft: 11 Frauen und 17 Männer aus insgesamt 13 Nationen und vier Kontinenten, sie alle zwischen 20 und 32 Jahren alt. „Unser Ziel war es, nicht nur gute Pianisten auszuwählen“, sagt Professor Pavel Gililov, Präsident und künstlerischer Leiter des Wettbewerbs, „sondern insbesondere gute Beethoven-Interpreten. Die 28 jungen Pianisten haben alle eine persönliche Beziehung zu Beethovens Musik, was sie mit ihren Bewerbungen bereits unter Beweis stellen konnten.“ Alles kreist also um den genius loci, um Ludwig van Beethoven. Mit großen Schlachtrössern aus der russischen Spätromantik oder dem französischem Impressionismus, wie vielerorts auf anderen Wettbewerben, wird man hier nicht punkten können. Sie stewww.crescendo.de

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International Telekom Beethoven ­competiton Bonn 6. bis 14. Dezember 2013 in Bonn www.telekom-beethoven-competition.de

Foto: Norbert Ittermann

Links: Die 28 Teilnehmer in diesem Jahr stammen aus 13 verschiedenen Nationen. Unten: Die Wettbewerbsinstrumente sind Flügel von Steinway & Sons.

hen nicht auf dem Wunschzettel der Juroren, es sei denn, sie weisen national bekannte Konzertpianisten wie Oleg Maisenberg, İdil Biret einen Bezug zu Beethoven oder zu seinem Schaffen auf. Die Kan- gehören unter anderen ebenso dazu wie der erfahrene Musikmadidaten müssen also besonders fit im Beethovenschen Klavieroeu- nager und Konzertagent Till Janczukowicz und die einflussreiche vre sein, dürfen aus dem Klavierrepertoire von Zeitgenossen wie Musikkritikerin der FAZ Eleonore Büning. Start ist der 6. Dezember. Dann werden die Kandidaten aus Joseph Haydn, Johann Nepomuk Hummel, Ferdinand Ries oder Carl Czerny wählen; oder auch von Franz Schubert, der sich zeitle- Australien, Bulgarien, China, Deutschland, Frankreich, Georgien, bens mit Beethoven beschäftigte. Und aus der Klaviermusik ande- Israel, Japan, Lettland, Österreich, Russland, Südkorea und den rer Meister, die im Banne Beethovens standen, etwa von Brahms, USA um die Preise kämpfen. Der erste Preisträger erhält ein PreisLiszt und Schumann, von Alban Berg, Schönberg und Webern und geld von 30.000 Euro, der zweite Gewinner 20.000 Euro und der Drittplatzierte 10.000 Euro. Zudem wird ein Publikumspreis vergeanderen. Ein interessanter Aspekt ist, dass der Schwierigkeitsgrad der ben, ein Sonderpreis Kammermusik und ein Beethoven-Haus-Preis Beethoven-Klavierwerke nicht unbedingt pro Wettbewerbsrunde für den Publikumsfavoriten der 2. Wettbewerbsrunde. Der Preisträzunimmt. Für das am 12. Dezember vorgesehene Semifinale dür- ger der International Telekom Beethoven Competition Bonn erhält fen die Teilnehmer zwischen Beethovens op. 2, Nr. 1 und anderen die Möglichkeit, in der Beethoven-Nacht des Beethoven OrchesSonaten mittleren Schwierigkeitsgrades wählen. Für die erste ent- ters Bonn am 16. Dezember in der Beethovenhalle Bonn aufzutrescheidende Vorrunde, die Bewerbung, müssen sie allerdings neben ten. Der Gewinner in der Publikumsgunst präsentiert sich am 15. einer Fuge von Johann Sebastian Bach oder Georg Friedrich Händel Dezember im Beethoven-Haus. Mittelfristig möchte man hoch hinaus. Ilona Schmiel, Inten(ohne Präludium!) auch eine der interpretatorisch und musikalisch sehr anspruchsvollen drei letzten Sonaten von Ludwig van Beetho- dantin des Beethovenfestes Bonn, formuliert es so: „Die Telekom ven op. 109, op. 110 oder op. 111. vorweisen können. Es ist so, als Beethoven Competition Bonn ist auf einem sehr guten Weg. Ich wolle man gleich von Anfang an den technisch kompetenten bloßen will erreichen, dass man weltweit darauf schaut, wer der jeweilige Gewinner ist und darüber spricht. Das ist mein Fernziel: eine Klavierspieler vom spirituell inspirierten Interpreten abgrenzen. In der Auswahl der Jury bewies man Gespür für die unter- Bekanntheit zu erlangen wie der Tschaikowsky-Wettbewerb in schiedlichen Bedürfnisse eines angehenden Berufspianisten. Inter- Moskau oder der Warschauer Chopin-Wettbewerb.“ n 73


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Simon Gaudenz

Ein Schweizer in Hamburg Dirigent Simon Gaudenz über seinen musikalischen Werdegang und seine Ziele als ­künstlerischer Leiter der „Hamburger Camerata“. V on J u l i a H a r t e l

Wenn Simon Gaudenz Ruhe, neue Kraft und Inspiration sucht, fin- wegs. Wie lautet nun seine Zwischenbilanz nach einem Jahr „Hamdet er all das beim Wandern in den Bergen. Ursprünglich aus Basel burger Camerata“? „Es war schön, zu einem Orchester dazuzustostammend, hat der 39-Jährige nun seit einem Jahr die Position des ßen, das sich gerade selbst im Aufbruch befand. Dank verschiedener Chefdirigenten der „Hamburger Camerata“ inne. Ist das nicht ziem- personeller Wechsel und einer allgemeinen ‚Verjüngung‘ habe ich lich weit weg von den Bergen? „Ja, ich vermisse die Berge schon“, nun nicht mit ‚Altlasten‘ zu kämpfen, sondern kann das, was da ist, meint er und lacht, „aber die Stadt Hamburg ist ja unglaublich direkt in Richtung Zukunft entwickeln. Besonders gut gefällt mir schön. Außerdem gefällt mir die Mentalität der Menschen hier: die- das Konzept, jedes Programm unter ein bestimmtes Motto zu stelses Direkte, manchmal vielleicht etwas Raue, aber immer Positive, len. Mit Hilfe außermusikalischer Bezüge kann man die Menschen diese Offenheit für Neues – all das imponiert mir!“ Hinzu kommt, dann auch an neue Werke heranführen, von denen sie sich vielleicht abgeschreckt fühlen würden, wenn dass der Vater einer kleinen Tochter mit seiner sie einfach so trocken auf dem Hamburger camerata Familie nicht in Hamburg, sondern in München Konzertplakat stünden.“ lebt, von wo aus er in die Hansestadt pendelt. 6. November 2013, Laeiszhalle Hamburg Dennoch bilden die Werke Von 2004 bis 2011 hatte er das „ColleRichard Strauss: „Metamorphosen“ der Wiener Klassik bis zurück gium Musicum Basel“ und zuvor die „camerata W.A. Mozart: Konzert für Oboe und in die Romantik seinen derzeitivariabile basel“ geleitet. Seit Beginn der SaiOrchester C-Dur KV 314 gen künstlerischen Schwerpunkt. son 2010/2011 wirkt er zudem als Erster GastGyörgy Ligeti: „Ramifications“. Schumann, Mendelssohn, Beethodirigent des „Odense Symphony Orchestra“ in Leitung: Simon Gaudenz, Solist: Stefan Schilli ven, Mozart und Haydn, so meint Dänemark und ist auch in anderen Ländern www.hamburgercamerata.com Gaudenz, würden sich sehr gut regelmäßig als gefragter Gastdirigent unter74

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Ok tober – November 2013


Fotos: Jürgen Keiper; Hamburger Camerata

Die Musiker der Hamburger Camerata bei der Probe in der Hamburger Laeiszhalle.

für ein Kammerorchester wie die „Hamburger Camerata“ eignen. „Man könnte sagen: Ich habe jetzt ein Orchester gefunden für das Repertoire, das ich so sehr liebe. Und ich finde, wenn man dieses Repertoire in verschiedenen stilistischen Zugangsarten beherrscht, ist man sehr gut aufgestellt, um auch weiterzugehen in Richtung 20. und 21. Jahrhundert.“ Dabei hat Gaudenz, der 2006 den Internationalen Dirigentenwettbewerb „Gennady Rozhdestvensky“ und 2009 den „Deutschen Dirigentenpreis“ gewann, übrigens auch ein sehr klares Ziel vor Augen, was die Außenwirkung des Ensembles angeht: Er möchte es zu dem ersten Kammerorchester Hamburgs machen, und zwar auch in der internationalen Wahrnehmung. Für den Beruf des Dirigenten entschied sich der zunächst schwerpunktmäßig fußballbegeisterte Gaudenz, wie er sagt, „gar nicht so früh“. Er begann seine musikalische Karriere am Klavier – unter anderem als Mitglied einer Rockband, die eigene Lieder in Schweizer Mundart komponierte –, studierte dann Klarinette und Komposition in Luzern und Graz und entschied sich schließlich für ein Dirigierstudium in Freiburg und Salzburg. Die Klarinette legte er zu diesem Zeitpunkt endgültig beiseite. Als Dirigent ist es ihm heute ein Anliegen, die Musiker in die Interpretation der zu erarbeitenden Werke miteinzubeziehen. Natürlich, erklärt er, könne auch bei 30 oder 40 Musikern nicht immer jeder den künstlerischen Prozess mitbestimmen, aber er versuche durchaus, die Mitwirkenden einzeln anzusprechen und zu jedem eine Art der künstlerischen Beziehung aufzubauen. Und das nicht nur mit dem Ziel der Motivation, sondern auch, um persönlich von diesen „hochqualifizierten Musikern“ zu lernen: „Um jede Interpretation muss gerungen werden, und einen guten Dirigenten zeichnet meiner Meinung nach auch aus, dass er hier nicht nur gibt, sondern auch nehmen kann.“ n

Die hamburger camerata Die „Hamburger Camerata“ wurde 1986 gegründet. Seit Beginn der Saison 2012/2013 steht Simon Gaudenz dem Kammerorchester als Chefdirigent vor. Zu den Aktivitäten des Ensembles gehören eine seit 1990 bestehende Konzertreihe in der Laeiszhalle Hamburg sowie jährlich rund 45 weitere Konzerte im In- und Ausland. Eine Neuerung betrifft die konzeptionelle Seite hinter den Konzertprogrammen, wie Geschäftsführer Henry C. Brinker erläutert: „Unsere Idee besteht im ‚Konzept-Konzert‘: Ausgehend von Schwerpunkten des Publikumsinteresses und der aktuellen Zeitthemen loten wir Ereignisse und Zusammenhänge musikalisch aus, die so eine neue Dimension gewinnen.“ Dies solle mittels performativer Darstellungsformen wie Audio-/Video-Elementen, Tanz, Lesung und neuen Beteiligungsmöglichkeiten für das Publikum geschehen. „Unser nächstes Konzert am 6. November beleuchtet mit den ‚Metamorphosen‘ von Richard Strauss die Auswirkungen von Hass, Krieg und Zerstörung. 75 Jahre ‚Reichskristallnacht‘ und 70 Jahre Bombardierung von Hamburg bilden einen Bezugsrahmen, der zeitgeschichtliche Zusammenhänge verdeutlicht; mit Ligeti und Strauss schaffen wir die musikalische Folie für ein Stück Hamburger Erinnerungskultur.“

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Oktober – november Diese Termine sollten Sie nicht versäumen

Oktober bis 29. November, Festival Luxembourg, verschiedene Orte

Premieren 18.10. Meiningen/Südthüring. Staatstheater Rigoletto/Verdi 19.10. Hildesheim/Lambertikirche Noah und die Flut/B. Britten 19.10. St. Gallen/Theater (CH)

Jaroussky

Essen/Theater

19.10.

Graz/Oper (A) Im weissen

München/Cuvilliéstheater Semele/G. F. Händel 25.10. Dresden/Semperoper

27.10.

Salzburg/Landestheater

Rigoletto/G. Verdi

Un Ballo in Maschera/G. Verdi

(A) Die Pilger von Mekka/C. W.

Gluck 30.10.

Hamburg/Alleetheater

31.10.

Baden-Baden/Festspiel-

Die Italienerin in Algier/G. Rossini haus Ringtone Variations, ein Auf-

tragswerk der Anne-Sophie Mutter Stiftung (Deutsche EA)

1.11.

Dessau/Anhaltisches The-

ater Nicht tot zu kriegen. Ein Siegfriedlied (UA) 2.11.

Magdeburg/Theater

2.11.

Freiburg/Theater

3.11.

Plauen/Vogtlandtheater

Macbeth/G. Verdi

Die sizilianische Vesper/G. Verdi Così fan tutte/W. A. Mozart 3.11.

Aachen/Theater

3.11.

Bonn/Oper

7.11.

Ulm/Theater

8.11.

Hamburg/Engelsaal

Rusalka/A. Dvořák Tosca/G. Puccini

Hänsel und Gretel/E. Humperdinck Das Land des Lächelns/F. Lehár 76

17.11.

Berlin/Deutsche Oper

17.11.

Bern/Stadttheater (CH)

Strauss

The Producers/M. Brooks (Musical)

Das Rheingold/R. Wagner

Leipzig/Oper

München/Nationaltheater Die Frau ohne Schatten/R.

Philippe Jaroussky im Grand Auditorium der Philharmonie Luxembourg

Seit einem Monat steht es in den Regalen, das aktuelle Album von Philippe Jaroussky. Auf diesem intoniert der Countertenor Arien, die Nicola Porpora für den berühmten Kastraten Farinelli geschrieben hat. Jaroussky begibt sich mit diesem Projekt auf die Spuren von Farinellis Lehrer und Meister. Porpora ist der Mann, der Farinelli entdeckt, ja: gemacht hat. Er war wahrscheinlich für Farinellis grausame Kastration verantwortlich, bildete seine Stimme in jahrelangem Training hinter verschlossenen Türen aus, um dann der Welt einen Sänger zu präsentieren, bei dessen Auftritten jeder den Atem anhielt und der es zu solchem Ruhm und materiellem Reichtum bringen sollte wie kein Künstler vor ihm. Und dieses Album hat nun

Foto: Marc Ribes licensed to Erato Warner Classics

Linz/Landestheater (A)

16.11.

21.11.

Nordic Lights/P. Lidberg, J. Inger, A. Ekman (Ballett)

26.10.

Karlsruhe/Staatstheater

La Traviata/G. Verdi

24.10.

Coburg/Landestheater

16.11.

Falstaff/G. Verdi

Der Nussknacker/P. I. Tschaikowsky (Ballett)

26.10.

Nordhausen/Theater

Pax 2013/M. Schröder, U. Scholz, U. Zimmermann, J. S. Bach (Ballett)

Falstaff/G. Verdi

Augsburg/Theater

15.11.

Dornröschen - Die letzte Zarentochter/P. I. Tschaikowski (Ballett)

La Battaglia di Legnano/G. Verdi

26.10.

Frankfurt/Oper

Der Vogelhändler/C. Zeller (Operette)

Mönchengladbach/Theater Rienzi/R. Wagner 20.10. Hamburg/Staatsoper

Schwerin/Theater

10.11.

Ezio/C. W. Gluck

20.10.

25.10.

Regensburg/Velodrom

Bieder/E. Streul, O. Schenk

Butterfly/G. Puccini (Ballett, UA)

Berlin/Deutsche Oper

8.11.

9.11. Neustrelitz/Landestheater Die Sternstunde des Josef

19.10. Innsbruck/Tiroler Landestheater (A) Madama

23.10.

Lübeck/Theater

Zwischen.Welten!/Y. Mori, S. Nemoto (Ballett, UA)

Rössl/R. Benatzky (Operette)

Stuttgart/Staatstheater

8.11.

Don Carlo/G. Verdi

Macbeth/G. Verdi

20.10.

Halle/Oper

Anna Karenina/J. Ulrich (Ballett)

Der fliegende Holländer/R. Wagner 19.10.

8.11.

Philippe Jaroussky im Gepäck, wenn er am 24. Oktober mit dem Venice Baroque Orchestra erstmals in der Philharmonie Luxemburg Station macht. Das Konzert findet im Rahmen des Luxembourg Festivals 2013 statt. Das Festival bietet reichlich Gelegenheit, sich in alle Richtungen von der Qualität der 27 Produktionen zu überzeugen. Auf dem Programm stehen Oper, Tanz, Musiktheater, Ciné-Concert, Jazz und World Music sowie Konzerte zeitgenössischer und Barockmusik. Außerdem stehen acht große Orchesterkonzerte an, wie zum Beispiel am 14. November mit dem Cleveland Orchestra unter der Leitung von Franz Welser-Möst. Luxembourg Festival, Oktober bis 29.11. www.luxembourgfestival.lu

www.crescendo.de

21.11.

München/Cuvilliéstheater

22.11.

Weimar/E-Werk

22.11.

Gera/Bühnen der Stadt

Berlin 1920 – Eine Burleske/K. A. Schreiner (Ballett, UA) Eugen Onegin/P. I. Tschaikowsky Der Joker/S. Schröder (Ballett, UA)

Mannheim/Nationaltheater Carmina Burana/C. Orff (kon-

22.11.

zertant) 22.11.

Schwerin/Theater

La Bohème/G. Puccini

Osnabrück/Theater am Domhof Der Vogelhändler/C. Zeller

23.11.

(Operette) 23.11.

Zürich/Oper (CH)

24.11.

Altenburg/Landestheater

24.11.

Altenburg/Landestheater

Das Gespenst von Canterville/M. F. Lange West Side Story/L. Bernstein

Die Dreigroschenoper/K. Weill

Bremen/Theater am Goetheplatz La Traviata/G. Verdi 24.11. Saarbrücken/Saarländisches Staatstheater Tosca/G. 24.11.

Puccini

Wien/Theater a.d. Wien (A) La Cenerentola/G. Rossini 25.11. Leipzig/Oper 25.11.

Die Walküre/R. Wagner

28.11. Meiningen/Südthüringisches Staatstheater Anya 17/A.

Gorb (UA)

Berlin/Staatsoper im Schillertheater Il Trovatore/Verdi 29.11.

Ok tober – November 2013


Die Fränkischen Musiktage, eines der traditionsreichsten Festivals für junge Künstler, stehen in ihrem 38. Jahr unter dem Thema „Impuls Romantik – Das Erbe“ mit besonderer Berücksichtigung des Jubilars Paul Hindemith. Das „Festival der Jungen“ - wie die Fränkischen Musiktage Alzenau auch genannt werden - präsentiert hierbei auch 2013 sowohl Nachwuchskünstler der ersten Garde als auch renommierte Ensembles. Zu erleben sind unter anderem die Bratschistin Mirjam Tschopp, der Tenor Julian Prégardien, die 18-jährige Geigerin Mariella Haubs und der Süddeutsche Kammerchor. Veranstaltungen an his­ torischen Orten, wie dem Rittersaal der Burg Alzenau, dem Schlösschen Michelbach und der Wallfahrtskirche Kälberau bieten hierbei ein besonderes Ambiente. Alzenau, 18.10. – 24.11. www.fraenkische-musiktage.de

verfilmte Wunderwelten Mit einem öffentlichen Galakonzert gehen am 2. November die Filmmusiktage SachsenAnhalt zu Ende. Die Staatskapelle Halle unter der Leitung von Bernd Ruf wird auch in diesem Jahr mit namhaften Künstlern der Filmbranche zusammen arbeiten. So haben u.a. Christian Brandauer (Filmmusik zu „Krupp, Eine deutsche Familie“) und das Komponisten-ProduzentenTeam der Bestsellerverfilmung Rubinrot (mit Filmkomponist Philipp F. Kölmel) zugesagt. In Halle (Saale) entstehen zuvor „Wunderwelten. Märchen – Mythen – Fantasy“, so das Motto in diesem Jahr. Die Veranstalter versprechen spannende Präsentationen und Diskussionen beim Fachkongress und zauberhaften Hörgenuss beim Publikumshighlight. Halle (Saale), verschiedene Orte, 28.10.-2.11. www.filmmusiktage.de

Musikalische Dialoge

Missa Bruxellensis Im wahrsten Sinne des Wortes mit Pauken und Trompeten, aber auch Streichern, Zinken und Posaunen, sowie Continuo-Orgel und dem Chor „Concenti musicali“ unter der Leitung von Peter Adler wird im Rahmen „300 Jahre Barockkirche Attel“ die „Missa Bruxellensis“ in einem außergewöhnlichen Konzert aufgeführt. Diese Festmesse ist eine Fortsetzung der berühmten „Missa Salisburgensis“ und wird nach neuesten Erkenntnissen dem Wasserburger Abraham Megerle zugeschrieben. Attel am Inn, Klosterkirche St. Michael, 20.10. www.concentimusicali.de

„Licht ist ein Musikinstrument‘‘, sagt der Komponist Georg Friedrich Haas. „Eine Veränderung der Farben verändert die Wahrnehmung der Klänge. Zeitlich strukturiertes Licht wirkt wie ein lautloses Schlagzeug.“ Das Festival Dialoge der Stiftung Mozarteum Salzburg steht in diesem Jahr unter dem programmatischen Titel „Licht“ und versteht sich als Versuch, die künstlerischen Inhalte durch Vielfalt der Formensprache zu vermitteln, ohne sich von der

Etikette des Konzertbetriebes zu sehr beschränken zu lassen. Besondere Spannung geht dem Abend „Ins Licht“ (30. November) voraus, den Folkert Uhde (Konzeption), Letizia Renzini (Video) und Christian Weißkirchner (Licht) in Szene setzen. Ein Teil dieses Abends ist Haas’ 3. Streichquartett „In iij. Noct.“, das in völliger Dunkelheit gespielt werden muss; Iveta Apkalna wird ihr Debüt an der Propter Homines Orgel im Großen Saal der Stiftung Mozarteum geben. Salzburg, Mozarteum, 27.11. bis 1.12. www.mozarteum.at

Stargast im Saarland Im Frühjahr wurde sie mit dem Titel „Österreichische Kammersängerin“ ausgezeichnet, im Herbst erhielt sie den ECHO Klassik in der Kategorie „Solistische Einspielung des Jahres“. Die Rede ist von Elīna Garanča. Am 27. Oktober wird der lettische Weltstar in Saarbrücken geistliche Arien verschiedener Stilrichtungen und Epochen mit der Deutschen Radio Philharmonie unter der Leitung von Karel Mark Chichon singen. Auf dem Programm stehen Werke unter anderem von Charles Gounod, Wolfgang Amadeus Mozart, Ennio Morricone, Gregorio Allegri, Georges Bizet und Gabriel Fauré. Übrigens: Auftritte im November in London und im Dezember in New York sagte Garanča bereits ab. Saarbrücken ist einer ihrer letzten Auftritte vor ihrer Babypause, da die Mezzosopranistin ihr zweites Kind erwartet. Saarbrücken, 27.10. www.tourismus.saarland.de www.drp-orchester.de

12, November, Dortmund, Konzerthaus

Ein hauch von Orient

Lilya Zilberstein

Foto: Lisa Kohler

Fotos: www.fraenkische-musiktage.de; www.filmmusiktage.de; Franck Juery / Naive; Kasskara

Festival der Jungen

Unter dem Fernweh hervorrufenden Motto „orient_düfte“ steht das 3. Philharmonische Konzert der aktuellen Konzertsaison der Dortmunder Philharmoniker. Die russische Pianistin Lilya Zilberstein spielt mit den Dortmunder Philharmonikern unter George Pehlivanian ein Konzertprogramm, das in die Ferne entführt: Sinnlicher Zauber und die Geheimnisse exotischer Länder haben auch Komponisten angezogen. Der Däne Carl Nielsen schrieb Musik für eine neue Bühnenadaption von Adam Oehlschlägers maurischem Märchendrama „Aladdin und die Wunderlampe“. Das Schauspiel floppte, Nielsens schillernde Musik überlebte zum Glück als siebensätzige Suite. Sehr viel einhelliger war der Erfolg im Falle des reisefreudigen Franzosen Camille Saint- Saëns und seines 5. Klavierkonzertes, 1896 im ägyptischen Luxor entstanden – deshalb der Beiname – und im gleichen Jahr mit dem Komponisten selbst am Klavier in Paris uraufgeführt. Die ideenreiche, aber klassischtraditionelle Machart des Konzertes wartet mit einigen authentischen Orientalismen auf – so im langsamen Mittelsatz mit Motiven eines von Nil- Schiffern gesungenen Liebesliedes. Von einer jungen Armenierin und deren Liebesproblemen erzählt das Gayaneh-Ballett, zu dem Aram Chatschaturjan eine brillante Partitur geliefert hat – mit dem Säbeltanz als populärstem Stück aus seiner Feder überhaupt. Dortmund, Konzerthaus, 12.11. www.theaterdo.de

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e r l e b e n

Konzerte

Leipzig, Thomaskirche, 24. November

19.10. Köln/Philharmonie WDR Sinfonieorchester, Ltg: Jekka-Pekka Saraste; Hélène Grimaud

Verdi Requiem

19.10. Rottach-Egern/Festsaal Hotel Bachmair Weissach Beth

Levins Deutschlanddebüt mit Beethovens letzten drei Klaviersonaten

Foto: mko-leipzig.de

mit der Premiere von „Das Rheingold“. Im Mozart afrikanisch März hebt sich der Vorhang für „Die WalMit der Erfolgsproduktion „Die Zauberflöte – Impempe Yomlingo“ des Isango Ensembles kommt südafrikanisches Flair auf die Winterausgabe des Münchner Festivals „Tollwod“. In der faszinierend frischen Version von Regisseur Mark Dornford-May versprühen Marimbas und Trommeln das südafrikanische Lebensgefühl mit Charme, Humor und Vitalität – und eröffnen eine neue Perspektive auf Mozarts Opernklassiker. In Kapstadt, London, Tokio und Paris wurde die Produktion stürmisch gefeiert. München, Theresienwiese, 26.11. – 31.12. www.tollwood.de

Kreativer Ring Vor einem halben Jahr wurde das neue Linzer Musiktheater eröffnet. Nun bringt das Haus bis 2015 alle vier Teile des „Ring des Nibelungen“ szenisch auf die Bühne. Am 26. Oktober startet das Mega-Vorhaben

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küre“, im November 2014 für „Siegfried“ und im Februar 2015 bricht die „Götterdämmerung“ an. Inszeniert wird der „Ring“ von Uwe Eric Laufenberg, die musikalische Leitung hat Landestheater-Chefdirigent Dennis Russell Davies. Rund um den „Ring“ wird es auch spannende Vorträge und Sonderveranstaltungen geben. Von „Wagner auf Stelzen“ über „Der Ring an einem Abend“ bis zu Vorträgen von etwa Elke Heidenreich und Nike Wagner und einer Plakatausstellung aus der privaten Sammlung von Heinz Lukas-Kindermann reicht das Angebot. Linz, Musiktheater, 26.10. (Premiere „Das Rheingold“), www.landestheater-linz.at

Händel im Herbst Von einer „desaströsen Entscheidung“ sprach Halles Operndirektor Axel Köhler, als die Händelfestspiele 2013 in Halle wegen des Juni-Hochwassers abgesagt worden waren. Man fürchtete das endgültige Aus für das Festival. Doch zahlreiche Part-

Stuttgart/Wilhelma Theater Mezzosopranistin Diana Haller 30.10.

im Preisträgerkonzert der HugoWolf-Akademie: Schubert, Schumann, Verdi, Wagner 31.10. Baden-Baden/Festspielhaus Anne-Sophie Mutter, Roman

Braunschweig/Stadthalle

20.10.

München/St. Michael

21.10.

Frankfurt/Alte Oper

Deutsches Symphonieorchester, Ltg: Manfred Honeck; Leif Ove Andsnes: A. Schnittke, L. van Beethoven & A. Dvořák

Wien/Musikverein (A)

Brandenburger Symphoniker, Ltg: GMD Michael Helmrath; Giovanni Sollima: Verdi, Rota & Sollima

Peter Kofler, Tonschmiede - das blechprojekt: Organ meets Brass

Diese Messe kam jedoch wegen widriger Umstände nie zur Aufführung. Das Manuskript geriet in Vergessenheit. Der Todestag des großen italienischen Dichters Alessandro Manzoni veranlasste Giuseppe Verdi, sich erneut mit dem Requiem-Stoff zu beschäftigen und zur Komposition eines effektvollen Musikdramas, dessen Uraufführung 1874 in Mailand stattfand. Das Stück vertont den Text der Totenmesse und stellt bewusst Fragen über die Endlichkeit des menschlichen Lebens. Leipzig, Thomaskirche, 24.11. www.thomaskirche.org

Frankfurt/Alte Oper

Jan Garbarek Group feat. Trilok Gurtu (Jazz)

20.10.

Staatsorchester Braunschweig, Ltg: Alexander Joel: Verleihung des Louis-Spohr-Musikpreises Braunschweig

Am Ewigkeitssonntag, am 24. November wird in der Thomaskirche zu Leipzig die Messa de Requiem von Giuseppe Verdi aufgeführt. Ähnlich wie Brahms’ „Ein Deutsches Requiem“ oder Berlioz’ „Grand Messe des Morts“ wurde auch Verdis „Messa da Requiem“ nicht mehr nur aus christlichen Motiven, sondern gezielt für konzertante Aufführungen geschrieben. Unter dem Eindruck des Todes von Gioachino Rossini 1868 lud Verdi zwölf Komponisten Italiens zur Gemeinschaftskomposition einer Totenmesse ein, der sogenannten Messa per Rossini.

29.10.

Frankfurter Opern- und Museumsorchester, Ltg: Sebastian Weigle; Lukas Geniusas: Rachmaninow & Mahler 22.10.

Tonkünstler-Orchester, Ltg: Hans Graf; Benjamin Schmid: C. Debussy, K. Szymanowski & P. I. Tschaikowsky 23.10.

München/Philharmonie

Münchner Philharmoniker, Ltg: Gustavo Dudamel: G. Mahler Baden-Baden/Festspielhaus Operetten-Arienabend mit Pi-

24.10.

otr Beczala - Eine Erinnerung an die Tenorlegende Richard Tauber

24.10.

Weimar/Weimarhalle

24.10.

Gotha/Kulturhaus

Staatskapelle Weimar, Ltg: Stefan Solyom; Maximilian Schell: Genie und Wahnsinn Thüringen Philharmonie Gotha, Ltg: Michel Tilkin; Evgenia Rubinova: Herrlich, sich darin zu verlieren 25.10.

Bad Reichenhall/Theater

Bad Reichenhaller Philharmonie, Ltg: Christoph Adt: Preisträgerkonzert International Marimba Competition Salzburg Ludwigsburg/Forum am Schlosspark Jan Vogler & Sympho-

25.10.

nieorchester des Nationaltheaters Prag: B. Smetana & A. Dvořák 25.10.

Cottbus/Staatstheater

Philharmonisches Staatsorchester Cottbus, Ltg: Evan Christ; Tzimon Barto: P. Maintz, S. Rachmaninoff & N. Rimski-Korsakow 26.10.

Berlin/Philharmonie

Berliner Philharmoniker, Rundfunkchor Berlin, Ltg: Sir Simon Rattle: A. Schönberg 26.10. Hannover/Atelier Grammophon Synästhetische Perspekti-

ven: Eröffnung der Klanginstallation „expanded“ von Stefan Roigk Neubrandenburg/Konzertkirche Neubrandenburger 26.10.

Philharmonie, Ltg: Stefan Malzew; Melton Tuba Quartett; New Generation: Die Erde - Teil 3: Luft 27.10.

Saarbrücken/E-Werk

Patkolo, Lambert Orkis: Currier, Kreisler, Grieg, Debussy & Franck

31.10.

Berlin/Philharmonie

31.10.

Brandenburg/Theater

1.11.

Frankfurt/hr-Sendesaal

2.11.

Köln/Philharmonie

hr-Sinfonieorchester, Ltg: Philippe Herreweghe; Christiane Karg: Mozart Carolin Widmann, Marie-Elisabeth Hecker & Alexander Lonquich: B. A. Zimmermann, R. Schumann & W. Rihm 2.11. Waltershausen/Stadtkirche Thüringen Philharmonie Gotha,

Ensemble vocale Waltershausen, Kammerchor Meißen, Ltg: Theophil Heinke; Julia Kirchner; Claudia Laule; Klaus Brockhoff; Philipp Meierhöfer: W. A. Mozart 3.11.

Dresden/Semperoper

4.11.

Reutlingen/Stadthalle

6.11.

Flensburg/Deutsches Haus

Sächsische Staatskapelle Dresden, Ltg: Herbert Blomstedt; Frank Peter Zimmermann: Dvořák & Sibelius 4.11. Frankfurt/Alte Oper Berliner Philharmoniker, Ltg: Sir Simon Rattle: P. Boulez & A. Bruckner Württembergische Philharmonie Reutlingen, Ltg: Fabien Gabel; Sharon Bezaly: J. Haydn, J. Ibert & F. Mendelssohn Bartholdy 5.11. Wien/Musikverein (A) Gewandhausorchester Leipzig, Ltg: Riccardo Chailly; Arcadi Volodos:Brahms Schleswig-Holsteinisches Sinfonieorchester, Ltg: Peter Sommerer; Gewinner des Publikumspreises ARDWettbewerb Fagott 2013: Bruckner 6.11. Hamburg/Laeiszhalle Hamburger Camerata, Ltg. Simon Gaudenz; Stefan Schilli: Richard Strauss, W.A. Mozart & György Ligeti Leverkusen/Bayer Kulturhaus Scherzi Musicali: Recitar can-

7.11.

tando oder: Ziemlich beste Feinde Bayreuth/Stadthalle Bamberger Symphoniker, Ltg: Eivind Aadland; Ilya Gringolts: Grieg, Prokofieff & Mendelssohn Bartholdy

7.11.

Berlin/Komische Oper

Deutsche Radio Philharmonie, Lettischer Radiochor, Ltg: Karel Mark Chichon; Elina Garanca: C. Gounod, W. A. Mozart, E. Morricone, G. Allegri, G. Bizet & G. Fauré

8.11.

Berlin/Philharmonie

8.11.

Bremen/Glocke

Philharmonie, Ltg: Daniel Raiskin; Vadim Repin: P. I. Tschaikowsky, D. Schostakowitsch & S. Rachmaninoff

28.10.

Staatskapelle Berlin, Ltg: Daniel Barenboim; Yefim Bronfman: P. I. Tschaikowsky & E. Elgar 28.10.

Bremer Philharmoniker, Ltg: Vassilis Christopoulos; Arabella Steinbacher: Bestechende Tonbeseeltheit www.crescendo.de

Orchester der Komischen Oper Berlin, Ltg: Dennis Russell Davies; Patricia Kopatchinskaja: P. I. Tschaikowski & I. Strawinsky Koblenz/Rhein-MoselHalle Staatsorchester Rheinische

8.11.

München/Philharmonie

City of Birmingham Symphony Or—

Ok tober – November 2013


ner, Sponsoren und Künstler verzichteten auf finanzielle Ansprüche. Im November nun laden als Ersatz die „Händel im Herbst“-Tage zu Konzerten ein. Mit der Reihe wolle sich die Stiftung Händel-Haus für die „große Unterstützung“ bedanken. Deshalb ist beispielsweise das Auftaktkonzert für alle Besucher kostenlos. In der Festwoche kommen fünf von den Händel-Festspielen verschobene Konzerte zur Aufführung – unter anderem die Händel-Oper „Almira“. Halle, verschiedene Orte, 13. bis 17.11., www.haendelfestspiele.halle.de

Evgenia

Fölsche Konzerttermine 2013/2014 30.11.2013 Bielefeld, Rudolf-Oetker-Halle 14.12.2013 Nürnberg, Meistersingerhalle

“Leipzig“ in Wuppertal In der Leipziger Katharinenstraße des 18. Jahrhunderts fand im Kaffeehaus Gottfried Zimmermann wöchentlich ein Konzert des Collegium Musicum der Universität statt. Gegründet von Georg Philipp Telemann und später geleitet von Johann Sebastian Bach, führte ein Ensemble weltliche Kantaten und Instrumentalwerke für ein erlesenes, musikliebendes, bürgerliches Publikum auf. Nach diesem Café hat sich das Ensemble „Café Zimmermann“ benannt, das in der Konzertreihe „Saitenspiel“ so auch eine Rolle inne hat. Die fünf Konzerte der Saison sind fünf europäischen „Musikmetropolen“ gewidmet. In diesen Metropolen trafen sich geniale Künstler und ließen sich voneinander inspirieren. Nun steht also „Leipzig” auf dem Programm und eben Johann Sebastian Bach. Aber nicht in Leipzig – sondern in der Historischen Stadthalle Wuppertal. Wuppertal, Historische Stadthalle, 1.12., www.stadthalle.de

26.1.2014 Stuttgart, Liederhalle 15.2.2014 Leipzig, Gewandhaus 13.3.2014 Berlin, Philharmonie 5.4.2014 Hamburg, Laeiszhalle 25.5.2014 München, Gasteig

www.evgeniafoelsche.de

War Requiem on tour Das „War Requiem“ von Benjamin Britten steht auf dem Programm, wenn der Bachchor Mainz Ende November auf Tour geht. Im L‘Arsenal zu Metz (21. November), in der Industriekathedrale St. Ingbert (22. November) und beim Heimspiel in der Christuskirche ForumUsh_06Okto_Nov_Creszendo_18.10.2013_90x126_Layout 1 02.10.13 zu Mainz (23. November) wird das Publikum hören, wie 90 spannende Minuten lang die Komposition das traditionelle römische Requiem mit formvollendeten Gedichten des englischen Lyrikers Wilfried Anzeige_Foelsche_Crescendo_Satzspiegel.indd 1 19.09.13 21:37

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Zum Ende des 75. Jubiläumsjahres lässt das Lucerne Festval noch einmal die Champagnerkorken knallen: Selten war das spätherbstliche Gipfeltreffen der Tastenkünstler so hochkarätig besetzt: Gleich zwei Konzerte gibt Evgeny Kissin, der das Piano-Festival mit einem Rezital am 16. November eröffnet und mit dem Chamber Orchestra of Europe jenes Werk interpretiert, mit dem er vor 25 Jahren seine fulminante Weltkarriere begann: Tschaikowskys berühmtes b-Moll-Klavierkonzert (20.11.). Neben Kissin wird am Vierwaldstätter See auch sein russischer Landsmann Grigory Sokolov zu Gast sein; ebenso wie Fazil Say und Gabriela Montero. Mit Murray Perahia und Maurizio Pollini geben sich zwei der Granden aus der Pianistengilde die Ehre. Lucerne Festival am Piano, 16. - 24.11., www.lucernefestival.ch

S P I E L Z E I T

Foto: Sasha Gusov

Klavier zum 75.

Donnerstag, 12. Dezember 2013, 20 Uhr

SINGPHONIKER O MAGNUM MYSTERIUM Advents- und Weihnachtsgesänge Sonntag, 22. Dezember 2013, 19 Uhr

J. S. BACH WEIHNACHTSORATORIUM Münchner Kammerphilharmonie Samstag, 28. Dezember 2013, 19 Uhr FORUM UNTERSCHLEISSHEIM

Luzern, 16. bis 24. November

Fotos: Keith Pattison; Die Stelzer; Gert Kiermeyer; Tomáš Bican;

KULTUR IN UNTERSCHLEISSHEIM

DIE FLEDERMAUS Operette von Johann Strauss Bürgerhaus Unterschleißheim Rathausplatz 1 [direkt an der S1 Haltestelle Unterschleißheim] Karten: 089/54 81 81 81 oder 089/310 09 200 www.forum-unterschleissheim.de

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e r l e b e n

9.11.

Köln/Philharmonie

Wayne Shorter Quartet (Jazz) 10.11. Bremen/Glocke Bremer Philharmoniker, Ltg: Fabien Gabel; Julian Steckel: Bilder in Musik Wuppertal/Historische Stadthalle Sinfonieorchester Wup-

11.11.

pertal, Ltg: Toshiyuki Kamioka; Isabelle Faust: Brahms & Schumann

12.11.

Salzburg/Mozarteum (A)

Maria João Pires & Antonio Meneses: F. Schubert, J. Brahms & F. Mendelssohn Bartholdy 12.11.

Wilhelmshaven/Stadthal-

le Württembergisches Kammeror-

chester Heilbronn, Ltg: Ruben Gazarian; Sharon Kam: Rossini, Verdi, Ponchielli, Puccini

13.11.

München/Philharmonie

Münchner Philharmoniker, Ltg: Lorin Maazel; Jennifer Koh: Tschaikowsky 13.11.

Chemnitz/Theater

Robert-Schumann-Philharmonie, Ltg: Frank Beermann: G. Mahler 14.11.

Essen/Philharmonie

Essener Philharmoniker, Ltg: Constantin Trinks; Sebastian Klinger: C. Gounod, J. Massenet & G. Enescu 14.11. Passau/Großer Rathaussaal Niederbayerische Philharmonie,

Ltg: Basil H. E. Coleman; Fédor Roudine: Wagner, Korngold & Beethoven 15.11.

Düsseldorf/Tonhalle

Düsseldorfer Symphoniker, Ltg: Andrey Boreyko; GrauSchumacher: J. S. Bach, P. Eötvös & G. Mahler Saarbrücken/Funkhaus Halberg Deutsche Radio Philhar-

15.11.

monie, Ltg: Zsolt Nagy; Tanja Becker-Bender: Eötvös, Ligeti, Bartók

16.11.

Potsdam/Nikolaisaal

Kammerakademie Potsdam, Ltg: Antonello Manacorda; Veronika Eberle: A. Berg & F. Schubert 16.11. Rostock/Theater Norddeutsche Philharmonie, Ltg: Peter Kuhn; Sophia Jaffé: G. Gershwin, B. Britten & J. Haydn 17.11. Hamburg/Laeiszhalle Philharmoniker Hamburg, Ltg: Peter Ruzicka: P. Ruzicka, Henze & Wagner 17.11.

Bregenz/Festspielhaus (A)

Symphonieorchester Vorarlberg, Ltg: David Wroe; Eugene Ugorski: J. Doderer, S. Barber & H. Berlioz Lübeck/Musik- und Kongreßhalle Philharmonisches Or-

18.11.

chester der Hansestadt Lübeck, Ltg: Michail Jurowski: D. Schostakowitsch & P. I. Tschaikowsky 18.11.

Hamburg/Laeiszhalle

The Cleveland Orchestra; Ltg: Franz Welser-Möst: Beethoven, Rihm & Schostakowitsch: München/Jüdisches Zentrum Jakobsplatz Orchester Jabob-

19.11.

splatz München, Ltg: Daniel Grossmann;: Antisemiten in der Musik Eine Provokation 20.11.

Kassel/Stadthalle

Orchester des Staatstheaters Kassel, Ltg: John Fiore; Ulrike Schneider: Z. Fibich, E. Chausson & L. Janáček 21.11.

St. Gallen/Tonhalle (CH)

Sinfonieorchester St. Gallen, Ltg: Otto Tausk; Marie-Claude Chappuis: Ravel, Berlioz, de Falla & Debussy 80

22.11.

Berlin/Philharmonie

Deutsches Symphonieorchester, Ltg: Christoph Eschenbach; Midori: B. Bartók & A. Bruckner 22.11. Leverkusen/Forum BayerPhilharmoniker, Ltg: Bernhard Steiner; Valentin Radutiu: R. Wagner, H. Vieuxtemps & A. Borodin 22.11.

29. November, Berlin, Philharmonie

Chailly mit „Faust“ in Berlin

Brandenburg/Theater

Brandenburger Symphoniker, Ltg: GMD Michael Helmrath; Gemma Bertagnolli: M. Ravel, B. Britten, E. Chabrier & A. Bax Würzburg/Hochschule für Musik Philharmonisches Or-

22.11.

chester Würzburg: Bach, Berg, Webern & Mendelssohn Bartholdy 23.11.

Dresden/Semperoper

Dresdner Operngala, Musikalische Leitung: Mihkel Kütson Luxembourg/Philharmonie (LU) Orchestre Philharmonique

24.11.

du Luxembourg, Ltg: Philip Pickett; Vesselina Kasarova: Händel, Mozart, & Haydn

26.11. Ludwigshafen/Theater im Pfalzbau Deutsche Staatsphilhar-

monie Rheinland-Pfalz, Ltg: KarlHeinz Steffens; Julia Faylenbogen; Alexander Vinogradov: F. Schubert & G. Mahler 27.11. Jena/Volkshaus Jenaer Philharmonie, Ltg: GMD Marc Tardue; Hornquartett: A. Schönberg, R. Schumann & L. van Beethoven 28.11.

München/Philharmonie

Bach Collegium München, Münchener Bach-Chor, Ltg: Hansjörg Albrecht; Lenneke Ruiten; Anne-Carolyn Schlüter; Tomas Allen; Jochen Kupfer: Mozart, Kraus & Gossec 29.11.

Foto: Monika Rittershaus

chestra, Ltg: Andris Nelsons; Hélène Grimaud: Brahms & Tschaikowsky

Dortmund/Konzerthaus

Cuarteto Casals: J. Haydn, D. Schostakowitsch & F. Schubert Bielefeld/Rudolf-OetkerHalle Pianistin Evgenia Fölsche:

30.11.

Chopin, Beethoven, Schubert & Liszt

Nicht einmal 27 Jahre alt war er, als ­Riccardo Chailly im Januar 1980 auf Einladung Herbert von Karajans seinen Einstand bei den Berliner Philharmonikern gab – mit Schönbergs Erster Kammersymphonie und der Vierten von Tschaikowsky. „Ich weiß noch genau«, so der heutige Gewandhauskapellmeister, »wie mich der Klang dieses Orchesters damals einfach umgeworfen hat,

diese Wucht und Wärme – es war unglaublich.“ Im November kehrt der heute 60-jährige Chailly ans Pult des geliebten Orchesters zurück und widmet sich Richard Wagners selten zu hörender Faust-Ouvertüre. Anschließend steht Franz Liszts Faust-Symphonie auf dem Programm. Berlin, Philharmonie 29.11., www.berliner-philharmoniker.de

Festivals -29.11. Luxembourg (LU) Festival der Philharmonie Luxembourg 18.10. - 24.11. Alzenau Fränkische Musiktage - Festival der Jungen 27.10. - 3.11. Wittenberg Renaissance Musikfestival 31.10. - 2.11. Halle (Saale) Filmmusiktage Sachsen-Anhalt 1. - 29.11. Sachsen-Anhalt Impuls - Festival für Neue Musik 4. - 10.11. Göttingen Jazzfestival 5. - 10.11. Braunschweig Internationales Filmfest 8. - 17.11. Dresden Jazztage 8. - 28.11. Bad Aibling Internationales Gitarrenfestival SaitenSprünge 13. - 17.11. Halle (Saale) Händel im Herbst-Tage 15. - 30.11. München SPIELART 26.11. -31.12 München Tollwood 27.11. -1.12

Salzburg/Mozarteum

(A)DIALOGE Licht

Weitere Festival-Termine in der großen Festspielübersicht auf www.festspielguide.de und mit der Festspiel-Guide-App!

Owen verknüpft. Obwohl Britten mit allen Mitteln eines modernen großangelegten Chor- und Orchesterwerkes spielt, ist sein Requiem auch ein intimes Werk zwischen stiller Trauer und verhaltener christlicher Hoffnungsgewissheit. Metz (21.11.), St.Ingbert (22.11.), Mainz (23.11.), www.bachchormainz.de

Ein leuchtendes Vorbild „Du müsstest ein zweiter Beethoven sein“, soll einst Clara an Robert Schumann gerichtet haben und so sind auch die Konzerte überschrieben, die die Dresdner Philharmonie im Schauspielhaus an zwei Tagen hintereinander aufführt. Karl-Heinz Steffens dirigiert Werke von Robert Schumann (Ouvertüre zu „Manfred“ op. 115 und Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 97 „Rheinische“) und Béla Bartók (Konzert für Klavier und Orchester Nr. 3 Sz 119). Den Klavierpart übernimmt die in Moskau geborene Elena Bashkirova, über die Frankfurter Allgemeine Zeitung schrieb, sie sei eine „kluge, jede Tonwendung mit Sprache und Leben erfüllende Pianistin“ und „gibt ein leuchtendes Vorbild ab“. Dresdner Philharmonie, Schauspielhaus, 30.11. und 2.12., www.dresdnerphilharmonie.de

rheinklänge Die rheinische Südbrücke bzw. die Ufer rechts und links des großen Flusses sind die Schauplätze der zweiteilige Klanginstallation „rheinklänge“. Christina Kubisch wird damit ihre Residenz als „Stadtklangkünstlerin Bonn 2013“ beschließen. Die Arbeit verbindet beide Seiten des Rheins - sowohl über als auch unter dem Wasser. Unterwassermikrofone übertragen in Echtzeit die www.crescendo.de

Ok tober – November 2013


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unterirdische Klangwelt des Rheins mit ihrem Schiffsverkehr ins Hörbare. Am anderen Ufer wird die Resonanz der Südbrücke durch komponierte Klänge, die kommen und gehen, verstärkt und verwandelt. Zwei Klangwelten treffen aufeinander: reale, aber durch die Verstärkung verfremdete Klänge und zugefügte, fast romantisch anmutende Klangfarben, die als ständig wandelnde Klangflächen auftauchen und wieder verschwinden. Ohr und Auge stoßen auf unbekannte Zusammenhänge und verändern dadurch ihre Wahrnehmung. Bonn, Konrad-Adenauer-Brücke, ab 25. Oktober, www.bonnhoeren.de

Mozart mit Barockspezialisten „Sternstunden des historisch inspirierten Musizierens“ versprechen die Verantwortlichen, wenn das Freiburger Barockorchester unter der Leitung von René Jacobs in der Kölner Philharmonie zu Gast ist. Zu Recht, denn Mozart ist die große Leidenschaft dieses herausragenden Aufgebots, das bereits mit „La clemenza di Tito“ und „Idomeneo“ zu Gast war. Es folgt nun mit „Le nozze di Figaro“ ein weiterer wahrer Klassiker. Köln, Philharmonie, 1.12., www.koelner-philharmonie.de

DIALOGE LICHT 27.11.–01.12.2013

MOZART CHARLES IVES GEORG FRIEDRICH HA AS

www.mozarteum.at

Konzerte Wissenschaft Museen

Magische Anziehungskraft üben Nordlichter aus, die als mannigfache Leuchterscheinungen den nächtlichen Himmel erhellen. Aus einem nördlichen Land, das diese Phänomene kennt, stammen alle Choreografen des Ballettabends; drei Schweden, in deren Werken ebenfalls Kräfte wirken, faszinierende und teils unbegreifliche Kräfte des Tanzes: Der mehrteilige Ballettabend „Nordic Lights“ mit drei völlig unterschiedlichen aber gleichsam fesselnden Choreografien von Pontus Lidberg, ­Johan Inger und Alexander Ekman feiert an der Semperoper Premiere. Dresden, Semperoper, 25.10. (Premiere), www.semperoper.de

Tickets: +43-662-87 31 54

Tanzende Nordlichter

Nostalgischer Nussknacker

Fotos: Monika Rittershaus; Marcus Käubler; artiste; Harmonia Mundi; Costin Radu: Juerg Isler

Endlich tanzt das Staatsballett Berlin wieder „Der Nussknacker“, eines der beliebtesten Ballette überhaupt. Vasily Medvedev und Yuri Burlaka, zwei russische Choreographen und Kenner der Tradition, entwickeln für das Staatsballett Berlin eine Fassung, die auf der szenischen und choreografischen Überlieferung des Originals von 1892 beruht. Bühnenbild und Kostüme werden den historischen Vorlagen angepasst, die zu den Schätzen russischer Ballettarchive zählen. Die Choreografie, die zur Uraufführung von Lew Iwanow geschaffen wurde, wird in weiten Teilen an seine Vorgaben angelehnt, war er es doch, der dem Ballett seinen unverwechselbaren tänzerischen Geschmack aufgeprägt hat und dessen Kunst bis heute stilbildend ist. Berlin, Deutsche Oper, 23.11. (Premiere), www.deutscheoperberlin.de

Filmkomponist Masterclass Der Schweizer Filmkomponist Niki Reiser ist Gast des 27. Internationalen Filmfest Braunschweig. Das Festival widmet ihm in der Reihe „Musik und Film“ eine Hommage und stellt den fünffachen Gewinner des Deutschen Filmpreises in einer Music Master Class vor. Reiser schrieb die Musik zu über 30 Filmen und gehört zu den erfolgreichsten deutschsprachigen Filmkomponisten. Das Filmfest Braunschweig zeigt in diesem Jahr rund 160 Filme aller Genres. Der Schwerpunkt des Programms liegt auf jungem, europäischem Kino. Braunschweig, verschiedene Orte, 5.–10.11., www.filmfest-braunschweig.de

Tiroler Festspiele Erl Winter 26. Dez. 2013 — 6. Jan. 2014 Festspielhaus

Präsident: Hans Peter Haselsteiner Gesamtleitung: Gustav Kuhn

Ein Deutschland-Debüt am tegernsee Beth Levin ist eine der führenden amerikanischen Pianistinnen unserer Zeit. Ihr Spiel ist zugleich von improvisatorisch fesselnder Spontanität, unbestechlicher Struktur, immenser Farbigkeit und vollendeter technischer Brillanz. Am Tegernsee gibt sie mit Beethovens letzten drei Klaviersonaten ihr Deutschland-Debüt. Weißach/Rottach-Egern, Festsaal Hotel Bachmair Weissach, 19.10. www.bachmair-weissach.com

CHRISTMAS IN ERL Bachs Weihnachtsoratorium 26.12.2013: I–III / 06.01.2014: IV–VI www.tiroler-festspiele.at

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Geiger & crescendo Kolumnist DANIEL HOPE

Echo? gut.

Fotos: Markus Nass; Monique Wuestenhagen

Unser Kolumnist war beim Echo Klassik nicht nur unser Mann hinter der Bühne, sondern bekam auch selbst einen überreicht. Deshalb die wichtigste Frage: Wie war’s?

ECHO Klassik Impressionen: die Preisträger Krichel und Cencic, Laudatoren Buniatishvili und Kermes, Moderatoren Villazón und Eichinger, Gewinner Kaufmann, Hope (mit schwangerer Begleitung Silvana) und Gabetta und Olga Scheps, die als ganz normaler Gast kam.

Daniel, Stichwort „backstage“, Sie waren beim ECHO Klassik unser Mann hinter der Bühne: Wie war es in den Katakomben des Konzerthauses? Hinter der Bühne ist es nicht so spannend. Das einzige, was wirklich auffällig war, sind diese tausende von Mitarbeitern, die für eine solche TV-Produktion nötig sind. Man muss immer aufpassen, dass man nicht von einem Kamerateam oder einer Aufnahmeleiterin umgerannt wird. Das ist für uns klassische Musiker doch etwas ungewohnt. Und es gab keinen Eklat, den wir hier exklusiv vermelden können? Nein. Selbst wenn, hätte ich es bestimmt nicht verraten. Aber man trifft viele Kollegen...Über welche Begegnung haben Sie sich besonders gefreut? Das passierte schon am Vormittag auf dem 82

Münchner Flughafen. Ich war zufällig mit Sol Gabetta auf dem gleichen Flieger gebucht. Wir kennen und mögen uns schon lange, sehen uns aber selten, da freut man sich schon sehr, wenn man sich dann rein zufällig trifft. Sie war aber auch schon wieder beschäftigt, weil sie mit ihrem Kamerateam ihrer eigenen BR-Sendung KlickKlack unterwegs war. Wie finden Sie aus der Sicht des Künstlers diese Arie auf dem roten Teppich, wenn die Fotografen dauernd nach einem schreien? Also ich finde das sehr seltsam. Wenn man da auf dem roten Teppich steht und wenn 20 schreiende Fotografen vor Dir stehen und einen dauernd anblitzen, das ist wirklich merkwürdig. Wir sind ja auch keine Hollywoodstars, wir sind das einfach nicht gewohnt!

Wie finden Sie persönlich Rolando ­Villazón als Moderator? Ich finde, er macht das sehr gut. Vor allem mit Witz, Humor und Eleganz. Und man darf nicht vergessen: er moderiert nicht in seiner Muttersprache! Das ist unglaublich schwierig. Ich weiß da, wovon ich spreche. Sie haben Ihren 6. ECHO bekommen, waren also schon oft dabei. Was würden Sie ändern, wenn man Sie fragen würde... Ich weiß es nicht, es ist ja eine Show auf sehr hohem Niveau! Und die klassische Musik braucht solche Veranstaltungen. Ich würde vielleicht ein bisschen mehr variieren, zum Beispiel, dass nicht alles auf einer Bühne stattfindet, sondern dass ein Künstler auch woanders singt. Es fehlt vielleicht auch ein wenig an Interaktion. Vielleicht könnte man die Zuschauer mehr mit einbeziehen, man weiß ja nicht, wer da alles sitzt. n www.crescendo.de

Ok tober – November 2013


Klassik Radio Shop Highlights

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Best of Soundtracks Vol. 4

Wagner und Verdi

American Beauty, Bodyguard, Braveheart, Der König der Löwen, Nottig Hill, Titanic, uvm.

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KLAVIERKONZERTE NR. 1 & 2

SYMPHONIEORCHESTER DES BAYERISCHEN RUNDFUNKS WIENER PHILHARMONIKER § Ȟ9 J(M 9 4M=9M Brahms Live: 09.11.13 Düsseldorf / 11.11.13 München / 09.03.14 Berlin / 21.03.14 Freiburg 22.,23.03.14 Heidelberg / 24.03.14 Hannover / 22.03.14 Frankfurt / 11.,12.,13.05.14 Dresden www. helenegrimaud.de


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