crescendo Premium 2/2017

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Ausgabe 02/2017 April – Mai 2017

www.crescendo.de 7,90 Euro (D/A)

PREMIUM AUSGABE

CD

inkl.

schwerpunkt jung & alt Wunderkinder und Künstlergreise – das Drama von Jugend und Reife in der Musik

andreas ottensamer Ein Clan von Klarinettisten: Was passiert, wenn man mit dem ­eigenen Bruder Weltkarriere macht?

Dorothee ­Oberlinger Mindestens fünf Leben hat die StarBlockflötistin! Sie kann fast alles – und sie kann es grandios! B47837 Jahrgang 20 / 02_2017

Mit Beihefter Class: aktuell und Sonderseiten der Deutschen Mozar t-Gesellschaft

Musik in der Frauenkirche Dresden 2017

re|formation – Neue Perspektiven Über 130 Angebote laden ein, die Vielfältigkeit von Werken, Künstlern und Interpretationen zu entdecken.


F E S T W O C H E N D E R A U TO S TA DT W O L F S B U R G I N 2 1 . A P R I L ― 2 1 . M A I 2 0 1 7

Stand: 23. Dezember 2016; Änderungen vorbehalten

FREIHEIT

KONZERTE

LESUNGEN & SCHAUSPIEL

Phronesis · Fabrizio Bosso Matt Bianco & New Cool Collective Andrea Motis & Robyn Bennett Jacky Terrasson & Stéphane Belmondo Vision String Quartet Novus String Quartet Mona & Rica Bard Nils Mönkemeyer · William Youn Quatuor Voce · Sharon Kam Trio Minetti Quartett

Sonja Beißwenger · Adam Benzwi Klaus Maria Brandauer · Margarita Broich Samuel Finzi · Sylvester Groth Corinna Harfouch · Philipp Hochmair Max Hopp · Burghart Klaußner Wolfram Koch · Maren Kroymann Dagmar Manzel · Claudia Michelsen Maria Schrader · Max Simonischek Peter Simonischek · Anna Thalbach Manfred Zapatka

WEITERE

TA N Z Ballet Preljocaj Nederlands Dans Theater I Vertigo Dance Company Israel Galván GöteborgsOperans Danskompani & Eastman

INFORMATIONEN:

0 8 0 0 2 8 8 6 7 8 2 3 8 O DER W W W. M OV I M E N TOS . D E

KULTURPARTNER:

# movimentos


p r o l o g

KÜNSTLERISCHER reifeGRAD

w i n f r i ed h a n u s c h i k Herausgeber

Liebe crescendo-Leser, nach einem gemütlichen Abend mit schöner Musik ist einem derzeit oft nicht zumute. Da wütet ein skrupelloser Poltergeist durchs Weiße Haus, werden in Europa weiterhin Ängste geschürt und instrumentalisiert, Intoleranz kultiviert. Eine Frage, die dabei immer wieder eine Rolle spielt, ist die nach Reife: politischer Reife, moralischer Reife, auch emotionaler Reife. In unserem Schwerpunkt haben wir uns diesmal die Frage nach künstlerischer Reife gestellt und wie sie mit dem tatsächlichen Alter zusammenhängt. Auf der einen Seite begegnen wir einem überdrehten Wunderkind-Hype: Wie Aufziehpuppen werden uns junge Künstlerstars präsentiert, die für einige Wochen durch alle Medien und über alle Bühnen „geistern“, manchmal Beeindruckendes leisten, bevor sie so geräuschlos verschwinden, wie sie aufgetaucht sind. Auf der anderen Seite schätzen wir die „alten Hasen“, die reifen Mentoren und etablierten Koryphäen, die allein mit ihrem guten Namen jeden Konzertsaal füllen und sich aus unanfechtbarer Position wiederum der jungen Generation annehmen, lehrend, beratend, kritsierend. Aber was ist eigentlich mit den

Künstlern der „Mitte“? Wie erweckt oder erhält man Interesse, wenn der Jugend­ bonus verspielt ist, man aber noch nicht den Status eines Altmeisters erworben hat? Lesen Sie mehr darüber in unserem Themenschwerpunkt ab Seite 73. Lernen Sie außerdem die Blockflötistin Dorothee Oberlinger, ein Wunder des Multitaskings, näher kennen. Die gebürtige Aachenerin ist nicht nur Weltstar auf ihrem Instrument, sie ist auch Festivalleiterin, Dirigentin, Telemann-Botschafterin und Mutter (Seite 16). Eine Kindheit und ein Gesangsstudium in der ehemaligen DDR. Das bedeutet einerseits Behütetsein, andererseits Isolation und mangelnden internationalen Austausch. Bariton Roman Trekel erzählt uns seine packende Geschichte (Seite 26). Und schließlich haben wir uns mit ­crescendo-Kolumnist und Star-Geiger Daniel Hope unterhalten, der sonst immer für uns mit spannenden Persönlichkeiten spricht. Gerade hat er Vivaldis berühmte Vier Jahreszeiten eingespielt – mutig, hat doch jeder eine prominente Referenzaufnahme davon im Ohr. Herzlichst,

Ihr Winfried Hanuschik

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F oto Tit e l : He n n i n g Ro s s

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ONLINE PREMIUM-SERVICES: TRETEN SIE EIN! Ihre Abo-CD In der Premium-Ausgabe finden Sie nicht nur doppelt so viel Inhalt: mehr Reportagen, Porträts, Interviews und ­ Hintergründe aus der Welt der Klassik – in einer besonders hochwertigen Ausstattung, sondern auch unsere ­ crescendo Abo-CD. Sie ist eine exklusive Leistung unseres ­crescendo Premium-Abonnements. Premium-Abonnenten erhalten sechs Mal jährlich eine hochwertige CD mit Werken der in der aktuellen Ausgabe vorgestellten Künstler. Mittlerweile ist bereits die 65. CD in dieser crescendo Premium-Edition erschienen.

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April – Mai 2017

* Als Premium-Abonnent registrieren Sie sich beim ersten Eintritt mit Ihrer E-Mail-Adresse und Ihrer Postleitzahl. Alle anderen crescendo Premium-Käufer oder -Leser brauchen für die erstmalige Registrierung den Registrierungscode. Dieser lautet für die aktuelle Ausgabe: Registrierungscode:

212403

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MAHLER SYMPHONIE NR. 9

„Für Mariss Jansons verstellt kein Klischee den Blick auf die Musik. Dafür hört man im Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks so viele Stimmen wie sonst kaum irgendwo, die Transparenz geht bis auf den Grund.“ Abendzeitung, München

CD 900151

Mit einem großen Abgesang in Des-Dur beschließt Mahler seine visionäre Neunte Symphonie, die zwischen Resignation und Trost in Transzendenz verklingt. Dieses radikale Bekenntniswerk liegt jetzt als Aufnahme des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks unter der Leitung seines Chefdirigenten Mariss Jansons vor.

Erhältlich im Handel und im BRshop / www.br-shop.de

18 andreas ­ottensamer Wie lebt es sich in einer ganzen Familie von ­K larinettisten? Mit Identifikation und Harmonie.

42 trautonium Von einem einzigartigen ­Instrument, mit dem es die Geschichte alles andere als gut meinte …

STandards

Künstler

hören & Sehen

14 Ein Kaffee mit … Erol Sander 16 dorothee oberlinger Sie ist ein Multitalent. Die Blockflötistin scheint ein paar Extraleben zu haben 18 andreas ottensamer Der Klarinettenstar über das Musizieren mit seinem Bruder 21 NEWCOMER: tobias feldmann Als Kind setzte er sich bewusst dem Druck von Wettbewerben aus 22 da niel hope Kann man heute noch Vivaldis Vier Jahreszeiten neu erfinden? 24 David Fray Klavierspielen heißt: bis an die Grenzen des Machbaren gehen 26 roman trekel Die Geburt einer Gesangskarriere in der ehemaligen DDR 28 François-Xavier Roth Wie man von der Arbeit mit mehreren Ensembles gleichzeitig profitiert

31 D IE WICHTIGSTEN EMPFEHLUNGEN DER REDAKTION 32 Attilas Auswahl Unser Chef-Rezensent entdeckt Newcomer und Legenden 38 vinyl-schatz­truhe Das spektakuläre Comeback der LP 40 U nerhörtes & Neu Entdecktes Quartett-Porträt deluxe 42 trautonium Erst berühmt, dann vernachlässigt, dann vergessen – der Großvater des Synthesizers

03  Prolog Der Herausgeber stellt die Ausgabe vor 06 Ensemble Mit unseren Autoren hinter den Kulissen 08 Blickfang Die Monster-Hand von Bregenz 10  Ouvertüre Ein Anruf bei ... Eike Grunert Tabelle: Jung und alt 30 News Pierre-Laurent Aimard, Heribert Germeshausen NACHRUF Nikolai Gedda 33 Impressum 44 R ätsel 73  K lassik in Zahlen 98 Hope triffT … Dirk Dzimirsky, Maler

4 www.br-klassik.de

98 daniel hope Schockierend echt – unser ­Kolumnist und Geiger Daniel Hope trifft den ­hyperrealistischen Maler Dirk Dzimirsky.

Mozart! Die Seiten der Deutschen Mozart-Gesellschaft Ein Beihefter mit eigenen Themen & Empfehlungen rund um den Komponisten. Ab Seite 45

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April – Mai 2017

F oto s: K atja Ru g e / D ecca ; K ev i n R i es e n eder

Pr o g ramm


F oto s: Fe l i x B ro ede; To u r i s m u s Sa l zb u rg GmbH

Die CD zum traditionellen TV-Osterkonzert der Wiener Symphoniker aus dem Goldenen Saal des Musikvereins Wiens

68 soli deo gloria Kraft in Gott finden! Das Braunschweiger Festival lässt die Reformation hochleben.

74 jung und alt Kinderstars, Künstlerreife und stilvoller Abgang. Wie altern Musiker? Und wie ihr Publikum?

89 reise & kultur Unser Themenspecial: Hier können Sie bildschöne Orte und Kultur gleichzeitig genießen.

erleben

SCHWERPUNKT

Lebensart

61 DIE WICHTIGSTEN TERMINE UND VERANSTALTUNGEN im frühjahr 68 soli deo gloria Das Festival feiert mit alten und neuen Klängen die Reformation frauenkirche 70 dresden 130 hochkarätige Veranstaltungen rund um Martin Luther

74 Ju ng und alt „Schon im Alter von …“ Erst Wunderkind, dann Mittelmaß. Von Chancen und Hürden des Alters 79 kit armstrong und alfred brendel Der Star und sein Mentor 80 Lernen im Alter Als Erwachsener noch mit einem Instrument anfangen? 82 k ünstlerheim Ein erfüllter Lebensabend nach dem letzten Applaus? 85 seniorenresidenzen Wohin, um als Kunst­inte­ressierter auch im Alter bestmöglich zu leben? 86 musikwett­ BEwerbe Freud und Leid von Musikwettbewerben für Kinder und Jugendliche 88 Woher ­kommt eigentlich … … das Phänomen Wunderkind?

89 reise & kultur Auf geht’s zu den schönsten Kulturreisezielen! 97 WEinkolumne John Axelrod über junge Wilde und alte Reife

Eine musikalische Reise durch Österreich mit Werken von Beethoven, Schönherr, R. Strauss, Ziehrer u.a. Ab sofort erhältlich als CD, Download & Stream.

Exklusiv für Abonnenten Hören Sie die Musik zu u­ nseren Texten auf der c­ rescendo Abo-CD – exklusiv für Abonnenten. Infos auf den Seiten 3 & 72

5 WEITERE INFORMATIONEN: WIENERSYMPHONIKER.AT


E n s emb l e

Hinter der Bühne Die Welt von crescendo lebt von den Künstlern und Mitarbeitern, die sie mit Leben füllen. Deshalb der gewohnte Blick hinter die Kulissen der Produktion.

annette hempfling Den ästhetischen Gegensatz zwischen jung und alt für unseren Heftschwerpunkt fanden wir perfekt in den Fotografien alternder Pflanzen aus dem Zyklus STILL BEWEGT von Annette Hempfling ausgedrückt. Wie faltenreiche, vom Leben gezeichnete Gesichter, entwickeln in ihren Arbeiten gerade die verwelkten Blumen eine eigentümliche Schönheit. Die Bilder der Serie sind auch als hochwertige Kunstdrucke erhältlich. www.annette-hempfling.de

meike katrin stein Meike Katrin Stein ist nicht nur freie Autorin, sondern hat auch Filmmusik und Sounddesign an der Filmakademie Baden-Württemberg studiert und bereits die Musik zu rund 25 Filmen, Kurzfilmen und Trailern komponiert. Zuvor studierte die 26-jährige Nürnbergerin als Stipendiatin der Studienstiftung des Deutschen Volkes Musikwissenschaft in München und Wien. Für crescendo traf Meike Katrin Stein den französischen Pianisten David Fray.

Anna-Sophie Jürgens Den Alterungsprozess von Kernobst- und anderen Gewächskomponisten hat Anna-Sophie Jürgens für diese Ausgabe festgehalten. Auch sonst widmet sie sich sowohl künstlerisch als auch wissenschaftlich eher ausgefallenen und grenzüberschreitenden Themen, zu denen (Gewalt-)Clowns, Sideshowfreaks und Magier im Roman, Wissenschaftskünstler in der australischen Literatur sowie Artistic Science Fiction zählen, ein selbst geschaffenes, transdisziplinäres Genre, das sie seit mehreren Jahren entwickelt. Sie promovierte zur „Poetik des Zirkus – Die Ästhetik des Hyperbolischen“ und ist derzeit mit einem Humboldt-Stipendium Postdoc an der Australian National University in Canberra. www.cosmoscreator.de

johannes kaplan

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Fotos: privat

Als Fotograf ist Johannes Kaplan Autodidakt. Schon in Jugendjahren war die Kamera seine Leidenschaft. Im Hauptberuf Kinder- und Jugendarzt in Karlsruhe, nahm er an verschiedenen Gruppenausstellungen im Saarland und in Baden teil, setzte sich intensiv mit analogen Verfahren wie der Cyanotypie auseinander und besuchte Masterclasses bei renommierten Fotokünstlern. In unserer letzten Ausgabe (01/2017) zeigten wir ein farblich verändertes Foto aus seiner Ausstellung „Lucia Lucas: transgender opera singer“, die noch bis Ende des Jahres im Badischen Landesmuseum Karlsruhe zu sehen ist. Hier nun das Foto der Baritonistin in seiner originalen Farbgebung.

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Februar – März 2017



b l i ck f a n g

Wie eiskalt ist dies Händchen Halt, falsche Oper! Dieses (noch) eiskalte Riesen-Händchen gehört nicht zu einer neuen La-Bohème-Produktion, sondern zur feurigen Carmen, die am 19. Juli bei den Bregenzer Festspielen Premiere haben wird. 17 Meter hoch und 20 Tonnen schwer ist das stattliche Körperteil. Allein seine Bemalung dauerte rund zehn Tage. Mittels Sondertransport auf mehreren Lkws und dann per Schiff erreichte die zerlegte Kulissen-Hand ihren Standort, wo sie mit zwei Baukränen montiert wurde. Derzeit bekommt die rechte „Hand Bregenz“ Gesellschaft: Ende März wird auf der gegenüberliegenden Bühnenseite die linke „Hand Lindau“ montiert. Mal sehen, wie oft die feuerrot lackierten Fingernägel vor der Premiere noch zur Mani­küre müssen …

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April – Mai 2017


F oto: B reg e n zer Fes t s p i e l e

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o u ver t üre

Wir hatten keinen Etat, aber jede Menge Enthusiasmus! crescendo: Herr Grunert, Sie sind Jurist, aber vor 20 Jahren kamen fenster bei einem Mini-Festival, der Dresdner Theaternacht, gegeben. Wir bekamen die Kleine Szene der Semperoper für einen SamsSie auf die Idee, Ihr eigenes Opernunternehmen zu gründen? Ja, ich bin Rechtsanwalt, Partner in einer mittelständischen Kanzlei tagabend und einen halben Vorbereitungstag. Wir hatten keinen Etat in München. Zur Bühnenkunst kam ich im zarten Alter von 16 Jah- für Gagen, keinen Etat für Bühnenausstattung, keinen Etat für gar ren, als ich mit meinen Freunden im evangelischen Gemeindehaus nichts. Aber wir hatten engagierte Leute, einen tollen Regisseur, fanBad Tölz eine Theatergruppe gründete, in der ich auch selbst mit- tastische Sänger und Instrumentalisten. Wir haben uns eine Woche in der Münchner Musikhochschule zuspielte. Schon diese Theaterstücke hatten immer sehr viel mit Musik zu tun. sammengesetzt, mit dem Ziel, ein paar Wir haben Klassiker der Moderne mit Kernszenen aus Monteverdis Die KröMusik garniert und als Potpourri aufgenung der Poppea zu proben. Am Ende führt. Aus dieser Gruppe hat sich Ende der Woche hatten wir das ganze Stück der 90er-Jahre ein Opernensemble entdurchinszeniert. Das war ein großer Erfolg, reduziert auf das Wesentliche: die wickelt. Damals war ich halbfertiger JuStory auf sieben Personen eingedampft, rist, war kein Sänger, kein Instrumentalist und bin erst mal ausgestiegen. Nach mit einem flexiblen Bühnenbild, das in einiger Zeit kamen die anderen Grupeinen halben VW-Bus passte. Das ist euer Charakterisikum gebliepenmitglieder zu mir und sagten: „Uns ben? fehlt jemand, der uns organisiert, Geld Geblieben ist der Spirit, mit den vorhanbesorgt, uns eine Struktur gibt. Willst du unser Manager sein?“ denen Möglichkeiten etwas zu machen. Das hat gleich funktioniert? Nicht darauf zu warten, dass man einen Nein. Ich hatte ja noch gar keine ErfahSponsor oder eine große Institution im rung in dem Bereich. Ich war gerade mit Rücken hat, die einem das feinsäuberDieser Moment, wenn nach zwei Jahren Arbeit meinem juristischen Staatsexamen an lich finanziert. Allerdings haben wir uns ein Gesamtkunstwerk geboren wird! Eike extrem weiterentwickelt. Bei Poppea hader Universität Passau fertig und habe Grunert ist Opernmanager aus Passion meine Promotion zu einem Urheberben wir ein kleines Video produziert, mit rechtsthema – also auch im Theaterbereich – vorbereitet. Ich über- dem ich Klinkenputzen gegangen bin. Nach zwei Jahren konnten legte mir, dass ich verschiedene Freunde, Bekannte und andere ver- wir sie dann in einer kleinen Tournee mit sieben Gastspielen in ganz netzen muss, um voranzukommen. Deutschland wiederaufführen. Da hat das Geld schon für ganz ausUnd dabei kam die Spezialisierung auf Barockoper? kömmliche Gagen gereicht, für Fahrtkosten – die Ausstattung war Von künstlerischer Seite aus kam das Ensemble aus Nikolaus Har- immer noch ziemlich spartanisch. Über die Jahre kamen sieben Prononcourts Meisterkursen für historische Aufführungspraxis, wo sich duktionen dazu. Je mehr Erfolg wir im Gastspielmarkt hatten, das die heute noch maßgeblichen Mitglieder kennengelernt haben. Also heißt auch die Produktionskosten auf mehreren Schultern verteilen sagten wir uns: Wir versuchen es einfach mal mit Barockoper. Mei- konnten, desto üppiger ist das Ganze geworden. Wir machen derne Überlegung war: Wo kann man das anbieten, wo es so was noch zeit etwa alle zwei Jahre eine Neuproduktion im Cuvilliés-Theater nicht gibt? In Dresden gab es 1999 eine Theatermesse, wo wir hin- München mit anschließender Gastspieltournee. Inzwischen haben gegangen sind und einige Ausschnitte aufgeführt haben. Und wir wir eine recht konstante Sängerbesetzung und brauchen kaum noch haben festgestellt, dass es auf dem Gastspielmarkt kaum Ensembles Castings. Für die Zukunft wünschen wir uns unter anderem, noch Monteverdis schwer zu besetzenden Ulisse zu realisieren, denn dann gibt, die professionell Barockopern anbieten. hätten wir zusammen mit Poppea und Orfeo seinen Opernzyklus Und dieses Konzept hat funktioniert? Es war ein langer und steiniger Weg. Ein Freund hat uns ein Zeit- komplett. Interview: Maria Goeth

New s t i cker Anna Netrebko ist „Österreichische Kammersängerin“: Am 16. Februar wurde die 45-jährige Sopranistin in der Wiener Staatsoper mit dem Ehrentitel gewürdigt. +++ Archivschätze: Das Schweizer Label Divox öffnet mit Unterstützung von Solo Musica sein Archiv und bringt unter anderem das legendäre Japan-Konzert von Svjatoslav Richter zum 125-jährigen Jubiläum von Sergei Prokofjew heraus. Weitere audiophile Schätze sind ab sofort wieder erhältlich. +++ Musikstudium weiterhin heiß begehrt: Die Zahl der Musikstudierenden in Deutschland ist erneut gestiegen. Im Wintersemester 2015/16 waren rund 33.500 Studierende an einer Musikausbildungsstätte in Deutschland immatrikuliert, ein neuer Höchststand! +++ Info-Portal Kirchenmusik: Das Deutsche Musikinformationszentrum hat ein neues InternetPortal zum Thema Kirchenmusik angelegt, das viele Fragen zu Gesang, Instrumentalmusik und Tanz in den Religionen beantwortet: ­ ­themen.miz.org/kirchenmusik 10

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April – Mai 2017

F oto: M ar i a G o e th

Ein Anruf bei Eike Grunert, der vor 20 Jahren mit „Così facciamo“ sein eigenes Opernunternehmen gründete – ganz nebenbei. Im „richtigen“ Leben ist der gebürtige Bremer Rechtsanwalt.


Aktuelle

NEUHEITEN bei Sony Music

Jonas Kaufmann Das Lied von der Erde

Benjamin Appl Heimat

Mahlers Meisterwerk in

Der junge deutsche Bariton,

einer bemerkenswerten

„Gramophone Young Artist of

Aufnahme mit den Wiener Philharmonikern aus dem

the Year“, singt Lieder zum Thema Heimat von Schubert,

Wiener Musikverein. Jonas

Brahms, Britten, Reger u.a.

Kaufmann singt beide

Ihn begleitet James Baillieu

Gesangspartien des Stücks.

am Piano.

Erhältlich ab 7.4.

Dorothee Oberlinger Rococo Mit ihrem Ensemble 1700 unternimmt die

Christian Gerhaher & Martin Walser Die schöne Megalone Brahms’ Liederzyklus

vielfach ausgezeichnete

mit Christian Gerhaher,

Flötistin eine spannende

begleitet von Gerold Huber.

musikalische Reise an den Berliner Hof zur Zeit Friedrich des II.

Martin Walser liest dazu seine eigene Bearbeitung von Tiecks Magelone-Text.

Khatia Buniatishvili Rachmaninoff Klavierkonzerte Nr. 2 & 3

David Orlowsky Trio Paris · Odessa

ECHO Klassik-Preisträgerin

von Paris nach Odessa mit

Khatia Buniatishvili spielt

einer abwechslungsreichen

mit der Tschechischen Philharmonie unter Paavo

Eine musikalische Reise

Mischung aus Klezmer, Jazz und Klassik.

Järvi die beiden Klavierkonzerte von Rachmaninoff.

Sonya Yoncheva Händel Yoncheva präsentiert

RIAS Kammerchor Capella de la Torre Da Pacem

Barock-Arien starker

Der RIAS Kammerchor und

Frauen aus Opern und Oratorien von Händel. „Sie nutzt die reiche Palette ihrer dunkelsamtigen ... Stimme, um Seelenbilder von berückender Schön-

das „Ensemble des Jahres“ (ECHO Klassik) spüren der Reformation nach. Mit Werken von Schütz, Monteverdi, Praetorius u.a.

heit zu malen“ FAZ

www.sonyclassical.de

www.facebook.com/sonyclassical


o u ver t üre

Jung und alt – Wunder über Wunder Länger, kürzer, früher, später … Passend zu unserem Heft-Schwerpunkt „Jung und alt“ haben wir ein paar bemerkenswerte musikalische Rekorde für Sie aufgespürt. v o n s t efa n se l l

Jüngste /r

Älteste /r

Dirigent / Orchester

Sieben war er, als der Usbeke Edward Yudenich das Orchester des Staatlichen Konservatoriums von Pashkent dirigierte. Binnen eines Jahres soll er Geige spielen gelernt haben, ein halbes Jahr später konnte er dirigieren. Dagegen war Aziz Shokhakimov, heute Kapellmeister der Deutschen Oper am Rhein, bei seinem Debüt mit 13 Jahren geradezu alt. Der gemeinsame Nenner: ihr Lehrer Vladimir Neymer.

Die Musiker des Georgisch-Kaukasischen Orchesters sind wohl die ältesten auf dieser Erde. Keiner ist unter 100 Jahre alt, ihr Präsident Astan Schlarba kommt gar auf 123 Lenze. Mit 93 Jahren bekam Pablo Casals (Bild) eine Einladung, hier als bisher jüngster Dirigent zu wirken. Doch wie Casals sich schmunzelnd erinnerte, Einladung wie Orchester waren ein Fake, ein „Streich“ seines Freundes Sascha Schneider.

Komponist

Sie hat ein absolutes Gehör, spielt Klavier und mit vier Jahren auf der Geige Händelsonaten. Ihr Ziel: „Komponieren wie Mozart, Geige spielen wie Perlman und Klavier wie Barenboim.“ Alma Deutscher (12) aus ­Oxford komponierte mit sieben – neben Trios und Quartetten – ihre Oper The sweeper of dreams. Gleich darauf wird diese in Israel uraufgeführt. Drei Jahre später folgt ihre zweite Oper Cinderella.

Sicher, Verdi war alt, als er mit 79 seinen Falstaff schrieb, nicht aber der älteste Komponist. Egal, ob Leo Ornstein 108 oder 109 Jahre geworden ist, der aus der Ukraine stammende Amerikaner wirkte von allen Tondichtern am längsten. Ob seiner modernen Cluster und virtuosen Tonfolgen „Tastenschreck“ genannt, schrieb er seine letzte Klaviersonate mit 96. „Ruhm hatte nie eine Bedeutung für mich.“

Klavier

Was das Anfangen betrifft, zählt Saint-Saëns zu den Jüngsten, griff er doch mit zweieinhalb Jahren erstmals in die Tasten. Als Lang Lang begann, war er schon drei. Auch Martha Argerich bekam mit drei Jahren ihren ersten Unterricht, spielte mit sieben Jahren ­Beethovens 1. Klavierkonzert vor Publikum, und ihr Lehrer ­Friedrich Gulda wusste nicht mehr, was er sie noch lehren sollte, so beeindruckt war er von der ­„Löwin am Klavier“.

Musiker

Im Parkstad Limburg Stadion gab Akim Camera aus Berlin mit drei Jahren vor 18.000 Zuschauern sein Konzertdebüt. Auf vier Saiten, Seite an Seite mit André Rieu und dem Johann Strauss Orchester, strich er unter stürmischen Beifallswellen das Concertino für Violine in G-Dur von Ferdinand Küchler. Man stelle sich vor, Daniel Hope oder David Garett haben erst mit vier begonnen, Geige zu spielen.

Der Inder Habib Miyan schwörte noch kurz vor seinem Tod Stein und Bein, er sei 138 Jahre alt. Seine Papiere machten ihn neun Jahre jünger. Wie dem auch sei, einst Klarinettist des königlichen Orchesters von Rajasthan, gilt er als ältester Musiker der Welt. Hätte er Klarinette schon mit einem Jahr gespielt, so hat er doch in 70 Jahren Ruhestand mehr Zeit ohne als mit Klarinette verbracht.

p a s   d e  D e u x Unsere Rubrik mit Doppelgängern aus der Klassikwelt. Diesmal: Captain Jean-Luc Picard (Patrick Stewart) und Christoph Eschenbach

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Hohe Stirn, markantes Kinn, durchdringender Blick: Finden Sie nicht auch, dass der Pianist und Dirigent Christoph Eschenbach eine gewisse Ähnlichkeit mit dem unbeugsamen Captain Jean-Luc Picard aus „Star Trek“ hat?

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April – Mai 2017

F oto s : Do m u s M ea

Die älteste Konzertpianistin wurde schon mit 19 Jahren zum „Professor für Klavier“ ernannt. Draga Matković hat bis zu ihrem Tod mit 105 Jahren öffentlich Klavier gespielt: „Ich kann nicht anders – Musik ist einfach mein Leben.“ Die gebürtige Kroatin tourte durch ganz Europa, begleitete Zarah Leander und bekam von der Bundestagspräsidentin a. D. Rita Süssmuth eine Urkunde für „Höchstleistungen im Alter“.


o u ver t üre

Historische Kuranlagen &

Goethe-Theater Bad Lauchstädt

Playlist Gerade hat Bariton Benjamin Appl sein neues Album „Heimat“ mit Liedern von Schubert, Reger, Brahms und anderen herausgebracht. Uns verrät er seine privaten Hörvorlieben.

1. Felix Mendelssohn: 1. und 4. Sinfonie. Gewandhausorchester Leipzig, Kurt Masur Seit meiner Zeit bei den Regensburger Domspatzen ist mir vor allem die Chormusik von Mendelssohn vertraut und zählt für mich zu den Höhepunkten im Konzertrepertoire. Diese Einspielung des wunderbaren Gewandhausorchesters unter dem legendären Kurt Masur zählt definitiv zu meinen Lieblingsaufnahmen.

GOETHES SÄCHSISCHES ARKADIEN Theatersommer 2017 23. April - 29. Oktober Goethe-Theater Bad Lauchstädt

2. Franz Schubert: Streichquintett D 956. Emerson String Quartet, Mstislav Rostropovich Dieses Stück stand bei meinem ersten Besuch eines Kammermusikkonzertes in der Wigmore Hall London auf dem Programm. Eine bis heute unvergessliche Erinnerung! Mich rührt die Schönheit, Einfachheit und Direktheit dieser Musik stets aufs Neue.

HÖHEPUNKTE

F oto: Lar s B o rg es / S o n y C l a s s i ca l

3. Johann Strauss: Die Fledermaus. Bayerische Staatsoper, Carlos Kleiber

23. April

KONZERT Deutsche Streicherphilharmonie

Carlos Kleiber gilt für mich als Dirigenten-Ikone, speziell mit diesem Repertoire. Mit seiner erstklassigen Sängerbesetzung (mögen sich die Geister vielleicht an Ivan Rebroff als Orlowsky scheiden) und dem Bayerischen Staatsorchester ist diese Aufnahme für mich einzigartig – nicht nur an Silvester und Karneval!

24./25. Juni | Mozart COSÌ FAN TUTTE | Oper Halle 1. Juli | KLAVIERABEND Ragna Schirmer

4. Robbie Williams: Swing When You’re Winning Einfach schön für zwischendurch! Die konventionelle Stückauswahl bringt eindeutig gute Laune in das Wohnzimmer. Schon sehr früh bewunderte ich Frank Sinatra, seine Musik und seine Gabe, Geschichten zu erzählen. Robbie Williams, ein Gigant und Megastar meiner Teenager-Zeit, erweist sich hier als Entertainer und erstklassiger Musiker unserer Zeit.

8./9. Juli Lortzing DER WILDSCHÜTZ | Theater Magdeburg 29./30. Juli Cimarosa DIE HEIMLICHE HEYRATH CONCERT ROYAL Köln | Regie: Philipp Harnoncourt

5. Francis Poulenc: Choral Music. The Sixteen, Harry Christophers Mit der vorliegenden relativ neuen Aufnahme von Poulencs Chorwerken setzt The Sixteen neue Maßstäbe. Die bestechende Homogenität des Chorklangs sowie die dynamische Bandbreite sind beeindruckend. Neben Poulencs Chormusik habe ich ein besonderes Faible für seine Oper Dialogues des Carmélites.

27./28. August Mozart DIE ENTFÜHRUNG AUS DEM SERAIL L‘arte del mondo

Eintrittskarten www.goethe-theater.com

Benjamin Appls neues Album: „Heimat“ (Sony)

Besucherzentrum: Tel. 034635 905472 besucher@goethe-theater.com

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Historische Kuranlagen und Goethe-Theater Bad Lauchstädt GmbH13 Parkstraße 18 | 06246 Goethestadt Bad Lauchstädt


Auf einen Kaffee mit …

Erol Sander

F oto: E ro l Sa n der

V o n Te r esa Pieschac ó n Ra p hae l

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April – Mai 2017


K ü n s t l er

Etzel und dem Bassa Selim in Mozarts Entführung aus dem crescendo: In einer Ihrer beiden Heimaten, der Türkei, gibt es Serail. Wie unterschiedlich sind die Arbeitsweisen? einen Brauch: Ist der Kaffee ausgetrunken, wird die Tasse auf die Untertasse gestülpt und man wartet, bis der Kaffeesatz vom Die Oper gibt es ja seit vielen Jahrhunderten. Wenn jemand Sänger ist, dann kennt er das ganze Repertoire in- und auswendig, Tassenboden auf die Untertasse verläuft. Aus dem Sud, der in kann jeden Ton treffen. Und das erschwert es dem Schauspieler, der Tasse verbleibt, lässt sich nun die Zukunft lesen. in der Oper mitzuwirken, denn man muss genauso präzise sein, Meine Heimat ist zwar Deutschland. Aber den Brauch kenne ich extrem präzise. Auch in der Intonierung. Da gibt es keinen natürlich. Meine Eltern stammen ja aus der Türkei, und ich bin Mikroport wie im Fernsehen, der die Stimme unterstützen würde. dort geboren worden. Wir haben die Tasse umgedreht und Oma Es geht zwar auch um Schauspielehat dann alles gelesen. rei und Ausstrahlung. Doch noch Gut. Nehmen wir mal nicht die wichtiger ist die Stimme, die Tassenhälfte beim Henkel, denn Sprache. Im Film kann man auch da geht es um Ihre Gefühlswelt „es ist Schwierig, Mich auf ­meine mal in die Umgangssprache und von der wird ja reichlich in Rolle zu konzentrieren, wenn verfallen oder die Szenen nachdreder Klatschpresse berichtet. die Dame neben mir die ­schönste hen. In der Oper aber nicht. Da O ja. Das stimmt allerdings … muss jedes Wort, jeder Ton sitzen, Sprechen wir über die andere Arie der Welt singt“ koordiniert mit den anderen Hälfte, da geht es um Beruf und Sängern und dem Orchester. Als Geld. Was wäre passiert, wenn Sie Winnetou bei den Karl-May-Festweiter Politik- und Wirtschaftsspielen in Bad Segeberg war alles in wissenschaften studiert hätten? dieser Hinsicht etwas lockerer. Da saß ich auf einem Pferd und Ich wusste nicht so recht, was ich anfangen sollte, deshalb habe habe nicht unbedingt die normale deutsche Sprache gesprochen. ich mich da eingeschrieben. Und das Wirtschaftsstudium wollte Allerdings brauchte ich eine extrem gute Fitness. Denn die ich zunächst beenden, aber mit der Schauspielerei ging das nicht zusammen. Eigentlich wollte ich immer Schauspieler werden. Auf Vorstellung war zweimal täglich, sechsmal in der Woche, vor ungefähr 8.000 Zuschauern live. dem Internat am Chiemsee, auf dem ich war, gab es eine TheaterWie haben Sie sich auf die Sprechrolle des Bassa Selim gruppe, in der ich unbedingt mitspielen wollte. Leider durfte ich ­vorbereitet? nicht, weil ich mit den Sprachen Probleme hatte. Mit dem Bassa Selim trat ich erstmals an der Pariser Opéra Richard Burton, der charismatische und großartige SchauspieGarnier an. Und in diesem Jahr auch an der Semperoper in ler, sagte einmal, Schauspielerei sei „kein Beruf für einen Dresden. Ich versuche zu verstehen, in welchem Kontext Mozart gestandenen Mann“. dies geschrieben hat. Schwierig war für mich auch, mich auf die Ich will natürlich nicht meine Branche in Misskredit bringen, Rolle zu konzentrieren, wenn die Dame neben einem die schönste aber ja, wir spielen eben immer. Und trotzdem muss man ein Arie der Welt singt und man Gänsehaut bekommt. Die Gänsehaut gestandener Mann sein, weil man ja den auch spielen muss. Man musste ich erst einmal ablegen, um von ihrem Gesang weg in die muss etwas Männliches an sich haben, entsprechende CharakterSprachform überzugehen, in der meine Partie als Bassa Selim eigenschaften und natürlich die Technik, die sehr wichtig ist. Ich geschrieben ist. Gar nicht so einfach. kann Burton nicht ganz zustimmen. Andererseits geht er auf Bassa Selim ist so etwas wie eine unreligiöse Instanz. Er etwas ein, was wichtig ist: die Unsicherheit. Ein guter Schauspieler stellt sich immer wieder infrage. Man kann sich immer verbes- appelliert an die Humanität der Menschen, an die Toleranz. Sein Gegenspieler Osmin, der den Islam vertritt, aber verachtet sern. den Bassa, weil er ihn für zu schwach hält. Gibt es für Sie so Immer wieder werden Sie auf Ihr Äußeres und gutes Aussehen etwas wie den idealen Fürsten? reduziert. Nervt das nicht? Das wünschen wir uns. Ein wirklich guter Fürst wäre einer, der Nun, ich war ja über zehn Jahre Model, und ich kenne natürlich alle Werte, alle Religionen, alle Traditionen respektiert. Es gibt solche Dinge. Ich sehe mich anders als andere Menschen. Es aber leider immer wieder Menschen, die aus der Reihe tanzen. kommt auf die Ausstrahlung an. Das war schon immer so und wird auch immer so sein. Ein Der Regisseur Ingmar Bergman war der Ansicht, manche zusätzliches Problem: Selbst wenn wir den idealen Fürsten Schauspieler müssten sich erst ein Gesicht „antrinken“, damit gefunden hätten … dieser Fürst hätte auch Familie, die sich sie ein „Typ“, ein Charakter, werden. einmischen könnte oder würde. Und zudem wäre das Problem Möglich. Ich kenne auch Schauspieler, die schlafen acht Tage mit einem Fürsten nicht gelöst. Es braucht den immer wiederkehnicht und trinken acht Tage lang und sind trotzdem auf dem renden demokratischen Prozess, der ja auch eine ständige Punkt. Ausei­nandersetzung beinhaltet. Demokratie ist zwar manchmal Ihr Repertoire an Charakteren reicht von Prinz Pharnakes in Oliver Stones „Alexander“ über den Kommissar in „Mordkom- sehr zäh und kommt irgendwie nicht weiter, aber sie ist wichtig. Und das beste politische System. mission Istanbul“ bis hin zu Winnetou sowie Hebbels König ■ 15


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MultitaskingWunder ­ Es gibt Menschen, die haben Energie für zehn. Dorothee Oberlinger ist nicht nur eine der weltweit führenden Blockflötistinnen, sie leitet auch Festivals, kommuniziert, unterrichtet, dirigiert und kümmert sich um ihre Familie.

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em weiblichen Geschlecht wird ja gerne ein seine Stimme so überirdisch und kunstvoll ist. Und es muss rhetoGeschick in Sachen Multitasking attestiert. risch einfach sehr gut und so bildhaft wie möglich sein, wenn man ­Dorothee Oberlinger stellt diese Fähigkeit jeden Tag das im Konzert macht, damit die Leute wirklich zuhören und der unter Beweis, jongliert vergnügt mit diversen musikalischen Bällen, Funke überspringt.“ sowohl an ihrem privaten Wohnort Köln als auch in Konzertsälen In diesem Jahr kann Dorothee Oberlinger ihr kommunikatives überall auf der Welt oder in Salzburg, wo sie am Mozarteum unter- Talent als leidenschaftliche Netzwerkerin bei einer weiteren neuen richtet. Von der Probe geht’s ins Tonstudio, aufs Unterrichten folgt Aufgabe besonders intensiv ausleben. Die internationale Telemannein Festivalplanungsgespräch. Schnell noch das Design fürs neue Gesellschaft Magdeburg hat die Flötistin an der Seite von Reinhard Album mit dem Ehemann besprechen und Söhnchen David küssen, Goebel zur Botschafterin des Telemannstädte-Netzwerks ernannt, dann weiter zum Konzert … Immer mit dabei ist die Blockflöte, von um im Kontext von Georg Philipp Telemanns 250. Todestag mögder Dorothee Oberlinger mit ungebremster Begeisterung erzählt: lichst viele seiner Kompositionen aufzuführen – und vor allem auch, „Ich hatte immer den Drang zu üben und etwas auszuprobieren. Ich um viel über ihn zu sprechen. „Ein bisschen bin ich nun Telemanns hab mir selber Zungentechniken beigebracht und selber die Stücke Pressesprecherin“, schmunzelt Dorothee Oberlinger. „In der Rezeptiausgesucht. Man musste mich nie daran erinnern, dass ich üben onsgeschichte ist ihm nicht immer Gutes widerfahren. Zu Lebzeiten muss. Da gab es gar keine Frage.“ war er der berühmteste deutsche Barockkomponist, und nach sei„Selber Stücke raussuchen“, das macht nem Tod hat das sehr schnell abgenommen. Dorothee Oberlinger immer noch gerne, Heute ist er zwar rehabilitiert und wird wiedarum spielt sie nicht nur als Solistin Konder relativ oft gespielt, aber trotz alledem zerte, sondern hat 2008 die künstlerische schadet es ihm nicht, wenn man ihm noch Leitung der Arolser Barock-Festspiele übermal ’ne Extraladung PR gibt.“ nommen, momentan winkt mit dem Amt Dorothee Oberlinger hat selbst viele der künstlerischen Leitung der MusikfestWerke aus Telemanns Feder eingespielt und spiele Potsdam Sanssouci sogar noch eine sich intensiv mit ihm als vielseitig begabte weitere große planerische Aufgabe. „Ich Künstlerpersönlichkeit auseinandergesetzt. programmiere wahnsinnig gerne, denke Wenn sie über den Komponisten spricht, mir genreübergreifende Konzepte aus oder klingt es manchmal so, als würde sie über entwickele Visionen, die ruhig auch mal ein einen Freund reden: „Ich glaube, wir hätten bisschen verstören dürfen. Die Musik soll uns gut verstanden. Ich habe seine Autobioschließlich kein reines Wellnessprogramm grafien gelesen, in denen er über sich selbst „Ein bisschen bin ich sein, sondern kann auch mal nachdenklich schreibt, über seinen Werdegang als Automachen.“ So werden in ihrem eigenen Festididakt. Das gibt viel Aufschluss über die ­Telemanns Presse­ val Videoinstallationen ins musikalische Person. Er beschreibt, wo er gespielt hat und sprecherin, In der Programm integriert und geführte Probenwelche Instrumente er gelernt hat, von der ­Rezeptionsgeschichte besuche angeboten. Tenorposaune über die verschiedenen FlöSeit 2004 vermittelt Dorothee Oberlinten. Blockflöte, Querflöte und auch Oboe, ist ihm nicht immer Gutes ger als Professorin am Mozarteum in Salzund er hat zum Teil in seinen Opern selbst widerfahren“ burg ihren Studenten ihre Begeisterung für gesungen. Telemann war ungeheuer vielfäldie Flöte und ihre Vorstellungen von inspitig, aufgeschlossen und wissbegierig – aber rierten musikalischen Ideen. Mittlerweile eben Autodidakt. Als Komponist und auch ist sie dort auch Leiterin des Instituts für Alte Musik und erste stell- als Instrumentalmusiker und Sänger.“ Dorothee Oberlinger würdigt vertretende Leiterin des Instituts für Neue Musik. Diesen musikali- Telemann, indem sie viele seiner Kompositionen spielt, zum Beispiel schen Spagat empfindet die Flötistin als sehr erfrischend, denn auch in seiner Geburtsstadt Magdeburg, bei ihrem Festival im hessischen auf der Bühne im Konzert lässt sich die Expertin für Alte Musik Bad Arolsen oder in Hamburg. Dort tritt Oberlinger mit ihrem eigegerne auf Experimente mit neuen Klängen ein. In der Vergangenheit nen Ensemble 1700 auf, mit dem sie sich bei den Tagen Alter Musik ist sie bereits mit dem Schweizer Pop-Duo Yello aufgetreten und mit in Herne im letzten Jahr in ein neues musikalisches Abenteuer dem Ensemble Sarband auf Tour gegangen, um ohne Berührungs- gestürzt hat, als sie zum ersten Mal die Blockflöte beiseitelegte, um angst Orient und Okzident, Alte Musik und zeitgenössische Musik, bei der Oper Lucio Cornelio Silla von Georg Friedrich Händel als Tradition und Moderne, Komposition und Improvisation miteinan- Dirigentin am Pult zu stehen. Ganz ohne das geliebte Instrument der in Kontakt zu bringen. ging es aber doch nicht: Zwischendurch wiegte sie mit warmen, weiDer unverkrampfte Kontakt zum Publikum ist Dorothee Ober- chen Flötentönen höchstpersönlich den grausamen Diktator auf der linger überhaupt sehr wichtig. „Früher haben die Leute auch mitten- Bühne in den Schlaf. drin geklatscht. Wenn denen in einer Oper eine Arie besonders gut Auf die Frage, was von allen ihren vielseitigen Verpflichtungen, gefallen hat, dann wurde die noch mal und noch mal und noch mal Aufgaben und Berufungen sie unter keinen Umständen aufgeben gespielt. Ich sehe das meistens als Kompliment.“ Im Countertenor würde, kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen: „Selber Andreas Scholl hat Dorothee Oberlinger dabei einen perfekten Mit- spielen. Daran hängt mein Herz immer noch und für immer am streiter gefunden. Als die beiden jüngst auf Tournee waren, um ihr meisten!“ ■ neues gemeinsames Album mit Werken von Johann Sebastian Bach Dorothee Oberlinger, Ensemble 1700: „Rococo, Musique à Sanssouci“ (dhm) vorzustellen, wurde deshalb nicht nur gesungen und gespielt, sonTermine: 13., 14.03. Graz (A), Minoritensaal; 18., 19.03. Rügen, Festspielfrüh­ dern auch viel geredet: „Andreas Scholl kann wahnsinnig toll mit ling; 26.03. Köln, Philharmonie; 05.04. Salzburg (A), Mozarteum; 15.04. Gotha, dem Publikum sprechen. Vor allem redet er dann mit seiner normaMargarethenkirche; 22.04. Zerbst, Rathaus; 23.04. Muldestausee OT Burgkemnitz, len tiefen Männerstimme und ist plötzlich wieder ein normaler Barockkirche; 05.05.München, Herkulessaal; 20.05. Göttingen, Stadthalle Mensch und nicht so ein abgehobenes Wesen, wie wenn er singt und 17


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„Bei aller Vorsicht vergessen wir gerne, dass Mozart eigentlich eine richtige Wildsau war“

KlarinettenClan ­ Sie tun es alle: Papa und die zwei Brüder. Bei Ottensamers aus Wien greift jeder zum geschmeidigen Rohrblattinstrument. Und das, obwohl oder gerade weil es in der Familie auch etwas anderes gibt als die Musik. v o n D o r o t hea W a l chsh ä u s l

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as man in die Wiege gelegt bekommt, ist Schicksal. Was man daraus macht, eine Frage von Talent und einer Portion Glück. Bei Andreas Ottensamer ist diese Mixtur vollendet aufgegangen. Mit seinen 27 Jahren ist der agile Klarinettist längst im Olymp der Klassikszene angekommen und hat es darüber hinaus geschafft, gleich in verschiedenen Bereichen parallel Karriere zu machen. Seit März 2011 ist er Soloklarinettist der Berliner Philharmoniker, außerdem tourt er als Solist durch die Welt und schätzt das Musizieren in hochkarätig besetzten Kammermusik-Ensembles. Ein Tag Anfang Februar in Wien. Andreas Ottensamer ist hier aufgewachsen und kehrt regelmäßig in seine alte Heimat zurück. Der hochgewachsene junge Mann mit den dunklen Haaren, den glatten Gesichtszügen und dem athletischen Gestus kommt knapp, eilt durch die verwinkelten Gänge des Künstlertrakts des Wiener Konzerthauses und lässt sich schließlich auf ein Sofa in der Kantine fallen. Seinem Aussehen nach könnte er Profisportler sein, Model oder beides gleichzeitig. Am Vorabend hat er im Musikverein Mozarts Klarinettenkonzert interpretiert, heute stehen die Proben für die nächsten Konzerte an. Nicht nur Andreas Ottensamer, auch seine gesamte Familie ist ein musikalisches Phänomen. Während die Mutter Cecilia Ottensamer als Celloprofessorin am Konservatorium in Wien unterrichtet, sind sowohl der Vater als auch die beiden Söhne als Soloklarinettisten in großen Orchestern tätig, Ernst und Daniel Ottensamer bei den Wiener Philharmonikern und beim Orchester der Wiener Staatsoper, Andreas Ottensamer bei den Berliner Philharmonikern. Dreimal Klarinette, dreimal musikalische Top-Liga. Was klingt wie eine statistische Unwahrscheinlichkeit, ist bei genauerem Blick gar nicht so verwunderlich. „Ich denke, man distanziert sich bewusst von dem, was die eigenen Eltern machen, oder man identifiziert sich sehr damit“, so Andreas Ottensamer. Bei ihm und seinem Bruder war offensichtlich Letzteres der Fall. Das lag womöglich auch daran, dass die Musik zwar selbstverständlicher Teil ihrer Kindheit war, aber nie alleiniger Lebensinhalt. „Meine Kindheit war gefüllt mit vielem, auch mit sehr viel Sport“, sagt Ottensamer. Gleichzeitig war die Musik für ihn immer präsent, doch nicht als etwas künstlich Aufgezwungenes, das er als Belastung von außen empfunden hätte. Stattdessen waren die

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Andreas ottensamer AUF TOURNEE 19., 20., 22.03. Bremen Die Glocke 11.05. München Prinzregententheater 13.05. Ravensburg Konzerthaus 16.05. Berlin Konzerthaus

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Kollegen, die es zu interpretieren, zu kommentieren und zu übertrumpfen galt. An­dreas Ottensamer hat diese Zeit schon immer fasziniert, nicht zuletzt deshalb, weil sie als Geburtsstunde der Klarinette gesehen werden kann – so, wie wir sie heute kennen. „Das war eine ganz entscheidende, irrsinnig kreative und fruchtbare Zeit“, so Ottensamer. Die Werke der Mannheimer Schule seien dabei sehr vielfältig. Davon zeugen auch die Stücke auf „New Era“ wie das Klarinettenkonzert in B-Dur von Johann Stamitz oder Franz Danzis Concertino für Klarinette, Fagott und Orchester in B-Dur, die Ottensamer mit zahlreichen Manierismen verziert und mit der ihm eigenen Lebendigkeit und Wärme im Klang betörend in Szene setzt. Mal finden sich noch Anklänge an barocke Kompositionstechniken in den Schöpfungen der Mannheimer Schule, gleichzeitig reicht ihr Spektrum aber auch bis in die frühen Mozartopern hinein. Überhaupt Mozart: In Mannheim hat der Salzburger Komponist zum ersten Mal die Klarinette gehört und ihr fortan einen Ehrenplatz in seinen Werken eingeräumt. Von der innigen Liebe, die er mit ihrem besonderen Klang verband, erzählt nicht zuletzt sein Klarinettenkonzert. Seit seiner Entstehung ist es zu einem Schlüsselwerk der Klarinettenliteratur geworden, bei dem das schlanke, schwarze Instrument mit dem schwingenden Grundton und der singenden Melodiestimme in seiner ganzen Farbigkeit präsentiert wird. Mozart ist für Ottensamer ein lebenslanger Begleiter, und auch auf „New Era“ sind zwei Werke von ihm vertreten. Bei der Annäherung an die Schöpfungen der Klassikgröße dürfe man sich laut Ottensamer allerdings nicht von zu großen Skrupeln leiten lassen. „Bei aller Vorsicht vergessen wir gerne, dass Mozart eigentlich eine richtige Wildsau war. Seine Musik ist Oper pur, sie quillt über vor lachender Virtuosität und freier Sanglichkeit. Das ist unglaublich lebendig und darf auch so gespielt werden.“ Erlebt man An­dreas Ottensamer mit Mozarts Klarinettenkonzert, wird deutlich, was er meint. Federnd und leichtfüßig, hintersinnig und mit brillanter Virtuosität lässt er das Stück strahlen, bevor er der Musik in der nächsten Wendung innigen Schmelz und tiefe Melancholie entlockt. Es ist diese farbenreiche Klangpalette, die spielerische Leichtigkeit ohne jeden Druck und nicht zuletzt seine reife und hochsensible Interpretationsgabe, mit der Andreas Ottensamer als Solist wie als Kammer- und Orchestermusiker die Säle füllt, die Ohren öffnet und Herzen bewegt. „Diese Gesamtheit macht großen Spaß, und ich hoffe, dass es so weitergeht“, sagt Ottensamer. Dann grinst er zufrieden und schwingt sich vom Sofa. Die nächste Probe beginnt. ■ F oto: K atja Ru g e / D ecca

Kinder ständig umgeben von Klängen und Harmonien, und sobald sie selbst die ersten Töne auf einem Instrument beherrschten, machten sie mit ihren Eltern zusammen Kammermusik. „Das war natürlich sehr motivierend und hat viel Spaß gemacht“, so Ottensamer. Zuerst spielte der Heranwachsende auf dem Cello und dem Klavier. Beides tat er gerne und mit Erfolg, doch mit zwölf reizte ihn dann das Instrument seines Vaters und Bruders. Eine folgenschwere Wahl. „Mit der Klarinette ging sehr schnell sehr viel vorwärts“, erzählt Ottensamer, und so wurde sie alsbald zu seinem Hauptinstrument: „Die Tongebung, die singenden Linien, der frei schwingende Ton … das alles ist sehr faszinierend. Und dann ist da diese mysteriöse Klangfarbe, bei der man manchmal im Orchester erst kaum weiß, welches Instrument nun gerade eigentlich spielt. Das ist immer wieder ein Gänsehautmoment für mich.“ Für Gänsehaut mal drei sorgt er seit 2005 zusammen mit seinem Vater und seinem Bruder. Seit mittlerweile zwölf Jahren treten sie als Klarinettentrio The Clarinotts auf, eine familiäre und musikalische Einheit, der bereits etliche Werke gewidmet wurden und deren Homogenität im Spiel außergewöhnlich ist. Für Ottensamer macht es einen riesigen Unterschied, ob er mit Familienmitgliedern spielt oder mit anderen Musikern. „Es gibt nichts Innigeres, nichts Harmonischeres als das Musizieren in einer Familie. Das kann man mit nichts vergleichen. Man kennt sich einfach wahnsinnig gut und versteht sich intuitiv“, so der Musiker. Oft ahne sein Bruder bereits eine Millisekunde vorher, was er gleich tun werde. Da brauche es keine Abstimmung und keine vielen Worte. Das sei einfach „sehr, sehr schön“. Auf seinem jüngst erschienen Album mit dem Titel „New Era“ begibt sich Andreas Ottensamer zusammen mit der Kammerakademie Potsdam und zwei seiner Kollegen bei den Berliner Philharmonikern, dem Oboisten Albrecht Mayer und dem Flötisten Emmanuel Pahud, nun auf Zeitreise nach Mannheim Mitte des 18. Jahrhunderts. Damals regierte dort der Kurfürst Karl Theodor und legte ein besonderes Augenmerk auf die Mannheimer Hofkapelle, ein exzellentes Orchester, das zum klingenden Symbol seiner Macht und Strahlkraft werden sollte. Ausgehend von diesem herausragend besetzten Ensemble entwickelte sich ein agiler Musikerkreis, der später als Mannheimer Schule in die Musikgeschichte einging. Gleich einem musikalischen Experimentierlabor kamen hier Dirigenten, Komponisten, Solisten und Orchestermusiker zusammen. Oft füllten sie in Personalunion gleich mehrere Rollen gleichzeitig aus und inspirierten sich gegenseitig zu bis dato ungehörten kompositorischen Neuerungen. Es muss eine umtriebige Werkstatt­ atmosphäre geherrscht haben in diesen Jahren, in der nichts verboten war und kaum etwas spannender als die neueste Schöpfung des

Andreas Ottensamer: „New Era“, Stamitz, Danzi, Mozart, Kammer­ akademie Potsdam, Emanuel Pahud, Albrecht Mayer (Decca) www.crescendo.de

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Leistungskampf als inspiration „Bei Jugend musiziert bin ich zum ersten Mal mit etwa Bald zeigte sich, dass beide Jungen enormes Talent acht Jahren aufgetreten. Der Ansporn, vor Publikum aufNewcomer hatten. In Fulda, wo die Familie lebte, gab es allerdings nur treten zu können, war für mich groß.“ Tobias Feldmann, eine städtische Musikschule ohne spezielle Fördermöglich1991 geborener Geiger, behauptet sich bis heute gerne im keiten für Hochbegabte. „Würzburg war damals neben MünVergleichsdruck. Preise erspielte er sich etwa beim Louis chen die einzige Hochschule, die eine Frühförderung anbot. Spohr Wettbewerb in Kassel, beim Kocian-Violinwettbewerb in Wäre ich bis zum Abitur in Fulda geblieben, hätte ich sicherlich Tschechien oder beim Internationalen Joseph Joachim Wettbewerb nicht so weit kommen können.“ Auch sein Bruder Andreas studierte in Hannover. Seine bisher intensivste Erfahrung war der renom- in Würzburg, inzwischen spielt er im Konzerthausorchester Berlin. mierte Concours Musical Reine Elisabeth in Brüssel, bei dem er Von den Eltern bekamen beide viel Unterstützung. „Ein- bis zweimal 2015 den vierten Preis holte. „Nicht zuletzt wegen seiner langen pro Woche haben sie uns hin- und zurückgefahren. Sonst hätten wir Dauer und der großen Jury stand ich vor einer riesigen Herausfor- diese Chance nicht nutzen können.“ derung. Insgesamt war ich sechs Wochen in Brüssel und kam bis in Heute lebt Tobias Feldmann in Berlin, nahe dem Volkspark die letzte Runde. Solch eine extreme Drucksituation werde ich Friedrichshain. Längst hat er durch solistische Konzertauftritte im wahrscheinlich nie wieder erleben. Zum Schluss ist die Atmo- In- und Ausland Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Aber seine sphäre fast so wie vor einer Papstwahl. Alle müssen ihre Mobiltele- besondere Liebe gilt der Kammermusik. „Man muss sensibel sein, fone und Laptops abgeben, damit nichts nach außen dringt.“ sich auf die anderen Stimmen einlassen und sehr gut zuhören. Davon Für junge Musiker sei es wichtig, konkrete Ziele im Auge zu profitiert man auch als Solist bei Orchesterkonzerten.“ Seit Feldhaben. „Bei Wettbewerben habe ich feststellen können, wie hoch mann 2012 den Pianisten Boris Kusnezow kennenlernte, sind die das internationale Niveau in meiner Altersgruppe war. Das hat beiden häufig gemeinsam aufgetreten. Vor drei Jahren spielten sie meinen Horizont erweitert.“ Wie alle professionellen Musiker ist ein Debütalbum mit Werken von Ysaÿe, Beethoven, Bartók und auch Tobias Feldmann ständig damit konfrontiert, sich bei Konzer- Waxman ein. Anfang Februar dieses Jahres ist beim Label Alpha das ten in Bestform präsentieren zu müssen. Dass er dies schon in jun- zweite Album des Duos erschienen. gen Jahren trainieren konnte, sieht er als klaren Vorteil. Was erwartet den Hörer? „Wir haben Violinsonaten von „Allerdings merkt man auch, wie subjektiv Juroren VorRavel, Prokofjew und Strauss aufgenommen. Der Albumtitel spiele bewerten. Anders als etwa im Sport sind Erfolge ‚Polychrome‘ deutet an, dass wir ein Spektrum aus vielen von Musikern nicht eindeutig messbar.“ So hält musikalischen Farben zeigen wollen. Die drei Komponisten Feldmann Wettbewerbe zugleich für einen Segen – ein Franzose, ein Russe und ein Deutscher – drücken die und einen Fluch. Ein Preis ist weder eine Garantie Farbigkeit ihrer Werke auf unterschiedliche Weise aus.“ Vor noch eine unbedingte Voraussetzung für spätere allem die einsätzige Ravel-Sonate, die erst posthum veröfErfolge. „Ein Kandidat, der in der zweiten Runde ausfentlicht wurde, wirkt auf Feldmann wie „Klangmalerei“. scheidet, ist nicht zwangsläufig schlechter als derjenige, Beim Hören könne er sich spontan ein impressionistider den ersten Preis gewinnt. Oft urteilt das Publikum sches Gemälde von Claude Monet in Blau- und Grüntöanders als die Expertenjury, deren Meinungen ja nen vorstellen, sagt er. Feuerrot kommt für ihn auch auseinandergehen. Manchmal kommt dagegen die einzige Violinsonate von genau deshalb ein Musiker weiter, der sich Strauss daher, ein Jugendwerk, das von auf einem Mittelweg befindet und eigentstürmischer Leidenschaft durchzogen ist. lich weder Fisch noch Fleisch ist.“ Einen wesentlich kühleren Eindruck verFeldmann selbst begann, mit sieben mittelt Prokofjews zweite Violinsonate, Violine zu lernen – nicht ungewöhnlich! in der kraftvolle und lyrische Passagen Doch bereits zwei Jahre später wurde er wie auf einem Schwarz-Weiß-Bild mitin eine Frühförderklasse an der Musikeinander kontrastieren. Feldmann hochschule Würzburg aufgenommen. hofft, dass die Sonaten auch in der „Bei uns zu Hause wurde immer musiFantasie der Zuhörer farbige Bilder ziert. Mein Vater ist Gymnasiallehrer, entstehen lassen. Corina Kolbe er spielt Orgel und Klavier. Meine MutProkofiev, Strauss, Ravel: „Polychrome“, ter unterrichtet musikalische FrüherTobias Feldmann, Boris Kusnezov ziehung und Gesang. Als mein älterer Track 10 auf der crescendo Abo-CD: II. Scherzo aus Bruder mit dem Geigenspiel begann, der Violinsonate Nr. 2 D-Dur op. 94a wollte ich es unbedingt auch versuchen.“ 21

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Geigen-Überflieger Tobias Feldmann setzte sich schon als Kind bewusst dem Druck von Wettbewerben aus. Das internationale Niveau befeuert ihn.


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Ein Mann für jede ­Jahreszeit

Daniel Hope greift neben dem Geigenbogen auch gern zu Stift oder Radiomikrofon

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Daniel Hope spielt Geige in der Top-Liga. Daneben ist er ­passionierter Musikvermittler, neugieriger Beobachter anderer Künste und beliebter crescendo-Kolumnist.

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v o n Te r esa Pieschac ó n Ra p hae l

Herr Hope, Sie sind oft auch als Kolumnist für crescendo unterwegs. Was mögen Sie lieber: Fragen zu stellen oder auf Fragen zu antworten? Ich mag es, über Musik zu sprechen. Die größte journalistische Aufgabe ist derzeit meine Radiosendung jeden Sonntag auf WDR 3. Ich liebe es, Stücke zu präsentieren, Drehbücher für Musikkonzepte zu entwickeln, mit Musikern, aber auch mit Schauspielern zu arbeiten. Was fällt Ihnen als Sohn eines Schriftstellers leichter: zu schreiben oder zu spielen? Beim Schreiben kann man lange überlegen, immer wieder Korrekturen vornehmen, sich viel Zeit lassen. Beim Geigespielen muss alles stimmen, besonders, wenn man einen Auftritt hat. Dann geht es in jeder Sekunde quasi „um Leben oder Tod“. Es gibt aber durchaus Parallelen. Man muss sowohl beim Musizieren als auch beim Schreiben einen Rhythmus finden. Was halten Sie von denen, die über Sie schreiben? Ich bin immer interessiert an anderen Meinungen, solange sie fundiert sind. Wenn ich das Gefühl habe, dass die Musik im Vordergrund steht, dann freue ich mich. Aber es gibt auch Artikel, die weder Hand noch Fuß haben. Als ich aufgewachsen bin und in den 70er- und 80er-Jahren die Rezensionen großer Kritiker gelesen habe, war das ungeheuer spannend. Es gab Verrisse wie auch Lob, aber vor allem haben diese Kritiken immer informiert: informiert über Musik. Gute Kritiker sind leider selten geworden ... Ist es in Zeiten von twitternden Präsidenten, Shitstorms im Internet und „politisch korrekter“ Hysterie heute schwieriger, ein Mensch der Öffentlichkeit zu sein? Man muss heute aufpassen, was man und wie man was sagt. Das merken Politiker genauso wie Musiker. Alles vervielfacht sich medial explosionsartig. Das hat aber auch den Effekt, dass Menschen, die gerne etwas auf Twitter schreiben, ihre Millionen Follower viel einfacher in eine Richtung drängen, gar manipulieren können. Die Plattform ist so mächtig geworden. Und wenn Sie gerade von twitternden Präsidenten sprechen … Trump hat sich gesagt: Ich brauche die Presse nicht mehr, ich spreche persönlich mit dem Volk, eben über Twitter. So etwas hat die Presse in den USA noch nie erlebt. Es ist ein Weckruf an alle Journalisten. Die waren ja immer so stolz darauf, die „vierte Gewalt“ zu sein. Ja. Die jetzige Situation ist extrem instabil. Fakten können oft nicht mehr überprüft werden, es gibt sogar eine neue Floskel für falsche Behauptungen: „alternative Fakten“. Natürlich können Journalisten Fehler machen, aber das ist trotzdem selten. Wenn keine Differenzierung mehr stattfindet, halte ich das für besonders gefährlich. Von Ihnen wissen wir sehr viel, dank Ihrer Bücher. Haben Sie nicht die Sorge, dass dies von Ihren Interpretationen ablenkt? Gute Frage. Für mich war es wichtig, etwa in meinem Buch „Familienstücke“, herauszufinden, wer ich wirklich bin. Es ist mir dadurch auch gelungen, unterzutauchen und zu verstehen, woher ich komme. Der Hörer muss natürlich allein entscheiden, wie er darüber denkt. Was wäre aus Ihnen geworden, wenn Ihre Mutter nicht den Job bei Yehudi Menuhin, sondern beim Erzbischof von Canterbury angenommen hätte, bei dem sie sich auch beworben hatte? Oh, ich hoffe, ich wäre dennoch Geiger geworden. Natürlich war

das ja ein derart kurioser Zufall, dass ich in die Kreise um Yehudi Menuhin kam. Aber ich bin unendlich dankbar dafür. Andernfalls wäre mein Weg sicherlich etwas anders verlaufen. Als Primas der anglikanischen Kirche, der britische Häupter krönt? Das hätte nicht gepasst. Ich bin nämlich als Katholik getauft und als Protestant konfirmiert worden, größtenteils aber auch jüdischen Glaubens. Religionen interessieren mich sehr, ich will wissen, was sie den Menschen bedeuten, von der Renaissance an bis heute. Zudem ist Spiritualität sehr wichtig für einen Musiker. Sie lieben Hollywoodfilme. Würden Sie gerne in einem auftreten? Wenn das Drehbuch gut ist, dann fände ich das sehr reizvoll. Ich wurde mal von Volker Schlöndorff kontaktiert, der damals einen Vivaldi-Film machen wollte. Er hat mir sogar ein Drehbuch geschickt, aber dann ist leider nichts daraus geworden. Ich habe allerdings großen Respekt vor Schauspielern, ich würde erst einmal ein Jahr Schauspielunterricht nehmen. Auf Ihrem neuen Album interpretieren Sie Die Vier Jahreszeiten, die gefühlt eine Milliarde Mal gespielt wurden. Wie schafft man es, das Werk in neuem Licht zu präsentieren? Wenn ein Künstler glaubt, er muss unbedingt etwas „Neues“ schaffen, dann wird das schnell zum Desaster. Ich habe Vivaldis Vier Jahreszeiten zum ersten Mal mit etwa drei Jahren erlebt, bei Yehudi Menuhins Festival in Gstaad. Der Eindruck war sehr stark und hat mich nie verlassen. Ich habe sie oft gespielt, zum ersten Mal mit 13 Jahren. Meine Interpretation hat sich im Laufe der Jahre immer wieder verändert, von den Anfängen mit dem großen romantischen Klang und viel Vibrato bei langsamen Tempi bis hin zur Arbeit mit Christopher Hogwood oder Kristian Bezuidenhout und ihren entschlackten Versionen. Im Laufe der Jahre hat sich auch die Ornamentik, der Umgang mit den Ritornelli und dem Generalbass komplett geändert. Morgen oder in einem Jahr kann meine Interpretation wieder anders sein. Doch es geht auf Ihrem neuen Album „For Seasons“ nicht nur um Ihre Interpretation. Nein. Seit 25 Jahren versuche ich herausfinden, wie die Jahreszeiten auf die Literatur, die Philosophie, die Malerei und besonders die Musik eingewirkt haben, und habe in manchen Werken von Rameau, Molter oder Bach interessante Querverbindungen gefunden. Andere Kompositionen nehmen direkt auf den Kalender Bezug, wie etwa Aphex Twins Avril 14th, Tschaikowskys Juni aus seinen Jahreszeiten und Kurt Weills September Song. Spring 1 aus Max Richters Recomposed und Am leuchtenden Sommermorgen aus Schumanns Dichterliebe gehören zu meinen Lieblingsstücken. Damit das Projekt rund wurde, bat ich bildende Künstler, ebenfalls über das Thema zu reflektieren, weil ich glaube, dass Musik im Zusammenhang mit bildender Kunst ganz anders wahrgenommen wird. Ich bin sehr glücklich, dass ich dieses Projekt endlich realisieren konnte. ■ Daniel Hope: „For Seasons“, Vivaldi, Bach u. a. (Deutsche Grammophon) Termine: 10., 12.03. Zürich (CH), Schauspielhaus; 16.03. Berlin, ­Konzerthaus; 06.04. Berlin, Konzerthaus; 07.04. Berlin, Komische Oper; 09.04. Düsseldorf, Museum Kunstpalast; 04.05. Berlin, Philharmonie; ­ 10.05. Zürich, ZKO-Haus 23


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Klavierspiel am Limit ­ Träumen, singen, sprechen – der französische Pianist David Fray stellt hohe Ansprüche an sein Klavierspiel. Auf seinem neuen Chopin-Album konfrontiert er sich mit seinen eigenen Grenzen. v o n M E I K E K A TR I N S T E I N

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F oto: Pao lo Rover s i / War n er C l a s s i c s

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rescendo: Herr Fray, 2006 sind Sie bei einem Konzert Ich bewundere seine Art, durch das Klavier zu singen. Sein der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen Klavierspiel hat eine Stimme: Es spricht wirklich, es singt kurzfristig für die erkrankte Pianistin Hélène wirklich. In jedem Konzert, das ich gebe, versuche ich, die Töne ­Grimaud eingesprungen. Mit diesem Konzert wurden Sie singend zu spielen, sogar schnelle, kurze Noten. Die Farben, die schlagartig international berühmt. Wie haben Sie Konzert und Wilhelm Kempff mit seinem Klavierspiel zum Leben erweckt, Vorbereitungen erlebt? sind fantastisch. Er ist ein „Träumer“. Ebenso wie Radu Lupu. David Fray: Das war sehr spannend, ich erinnere mich noch gut Während er spielt, träumt er und lässt dabei gleichzeitig die daran. Ich wurde nur wenige Tage vorher angefragt, quasi in Zuhörer an seinen Träumen teilhaben. Das ist meiner Meinung letzter Minute. Eines der beiden geplanten Klavierkonzerte hatte nach das Beste, was man als Pianist erreichen kann. ich noch nie zuvor gespielt und erarbeitete es mir in diesen Welche Musik hören Sie in Ihrer Freizeit? wenigen Tagen. Ich lernte die Deutsche Kammerphilharmonie Meine Frau und ich hören vor allem gerne Gesang. Im letzten Bremen kennen, mit der ich bis heute gerne zusammenspiele. Monat war ich ein richtiger „Monomaniac“ und habe fast nur Außerdem war es das erste Konzert, das ich mit Orchester, aber Interpretationen der Sopranistin Arleen Augér angehört. Sie war ohne Dirigenten spielte. Eine sehr stressige, aber überaus aufreeine fantastische amerikanische Sängerin, und ihre Phrasierungen und ihr Legato sind einmalig. Sängerinnen und Sänger sind gende Erfahrung. Auf Ihrem neuen Album widmen Sie sich der Musik Frédéric völlig eins mit ihrem Körper und ihrem Atem. Rein theoretisch Chopins. Was ist das Besondere daran? kann ein Pianist, wenn er will, spielen, ohne zu atmen. Das ist Chopins Musik ist unglaublich reich an Klangfarben und „gesun- zwar nicht gesund, aber für kurze Zeit zumindest möglich. Für genen“ Melodien, was eine große Herausforderung für mich war. einen Sänger ist das unmöglich. Meiner Meinung nach ist beim Dazu kam noch, dass ich seit fast Klavierspiel das Singen ebenso 15 Jahren keinen Chopin mehr wichtig wie das Sprechen. Man gespielt hatte. Zu Beginn meiner muss zu den Leuten sprechen, „eines Tages hatte ich plötzlich Karriere dachte ich, ich könne ihnen eine Geschichte erzählen. das Gefühl, dass ich die Musik von mein Leben lang musizieren, ohne Da sind wir wieder beim Träuje wieder ein Werk von Chopin zu men. Mit meinem Klavierspiel ­chopin wieder brauche, dass ich spielen. Aber eines Tages hatte ich möchte ich das Publikum sie spielen muss“ plötzlich das Gefühl, dass ich diese träumen lassen und ihm eine Musik wieder brauche, dass ich sie Geschichte erzählen. Schon spielen muss. Es hat sich einfach Robert Schumann wollte musi­ richtig angefühlt. Um ein guter Chopin-Interpret zu sein, sollte kalisch Geschichten erzählen: Seine Märchenbilder op. 113, man einerseits ein guter Bach-Interpret, andererseits ein geübter Märchenerzählungen op. 132 und Kinderszenen op. 15 machen Opernsänger des Belcanto sein. Die Melodien bei Chopin sind das deutlich. ­eindeutig vom Belcanto beeinflusst, in Ausdruck, Verlauf und Die Tendenz geht dahin, dass immer weniger junge Leute Rubato. Ich wollte diese beiden Elemente verbinden. In Chopins klassische Konzerte besuchen. Warum? Musik sind die Dinge, die man nicht hört, am wichtigsten. Es ist Ich habe das Gefühl, dass dieses Problem von zwei Dingen unglaublich spannend, wenn die rechte und die linke Hand nicht herrührt. Erstens lernen viele Kinder klassische Musik in der exakt zusammenspielen, sondern manchmal ganz leicht auseinan- Schule erst richtig im Alter zwischen elf und 15 Jahren kennen. derdriften. Was man dann spürt, fühlt sich für mich an wie ein Das ist das falsche Alter dafür. Kinder sollten klassische Musik Wunder: Es könnte zusammenpassen, ist im Bereich des Mögli- schon in den ersten Schuljahren, etwa bis zu ihrem zehnten chen, aber es läuft ganz leicht auseinander. Wie weit können sich Lebensjahr, kennenlernen. In diesem Alter sind sie noch deutlich die beiden Hände voneinander entfernen? Es ist ein Klavierspiel aufgeschlossener und flexibler. Das Zweite sind die Medien. Sie am Limit. sind mit dafür verantwortlich, den Menschen klassische Musik Wie die beiden vorherigen haben Sie Ihr aktuelles Album in der näherzubringen. Das kulturelle Erbe, die Geschichte der Musik Kathedrale Notre-Dame du Liban in Paris aufgenommen. eines Landes, darf nicht in Vergessenheit geraten. Wenn es eine harte Trennung zwischen den Menschen und ihrer Geschichte Bereichert die Akustik dort Ihre Interpretation? Der Klavierklang hat in dieser Kathedrale eine einzigartige gibt, geht die Musikkultur der vergangenen Jahrhunderte Wärme, und die Atmosphäre finde ich sehr inspirierend. Mein verloren. Ich hoffe, dass die Medien sich ihrer Verantwortung für gesamtes Spiel dreht sich um Resonanz und Klang. Ich verwende die Vermittlung dieses kulturellen Erbes bewusst werden. Es geht sehr viel Pedal – nicht, um den Ton länger klingen zu lassen, nicht nur um Unterhaltung, sondern auch um die kulturelle sondern um ein kleines Echo zu schaffen. Dadurch bin ich auch Vergangenheit. Kultur, Musik und Literatur definieren ein Land. nicht vollkommen abhängig von dem Raum, in dem ich spiele, Die Macht der Medien wird immer stärker. Sie sollte für etwas sondern kann mit dem Instrument an sich schon einen kleinen Wertvolles eingesetzt werden. ■ Nachhall kreieren. Auch bei Werken von Bach verwende ich David Fray: „Chopin“ (Erato) Pedal, aber immer nur kurz. In der Kathedrale Notre-Dame du Termine: 09.03. Köln, Philharmonie; 10.03. Bielefeld, Liban muss ich das nicht machen, da ist dieser kleine Nachhall Rudolf-­Oetker-Halle; 11.03. Düsseldorf, Tonhalle; 28.04. Coesfeld; von selbst mit dabei. 14.05. München, Prinzregententheater; 13.07. Hohenems (A), Es heißt, dass Sie den Pianisten Wilhelm Kempff als Ihr Markus-Sittikus Saal Vorbild betrachten. Was inspiriert Sie an ihm? 25


kü n s t l er

Roman Trekel Insel der seligen ­ Wie in einer behüteten Sängeroase erlebte ­Bariton ­Roman Trekel seine Musikerziehung in der ­ehemaligen DDR. Andererseits fand ­keinerlei ­internationaler Austausch statt. Dass er nicht so massiv gepusht wurde wie andere junge Sänger ­heute, erlebte er auch als Glück. v o n C o r i n a K o l be

M

itten im Berliner Szenestadtteil Prenzlauer Berg, unterricht nahm. „Ab einem bestimmten Punkt habe ich im Singen zwischen veganen Restaurants, hippen Designer- mehr Erfüllung und Bestätigung gefunden. Ich musste allerdings läden und Ballettstudios für Kinder, liegt das kleine noch einmal ganz von vorn anfangen. Auf der Oboe konnte ich Tonstudio von Roman Trekel. Ein paar Stufen führen hinunter in längst mühelos phrasieren. Ein Sänger schafft das nur, wenn er die ein Souterrain, gleich neben der Tür steht ein einladender Ohren- richtige Technik beherrscht. Erst nach drei bis vier Jahren hatte ich sessel. In diesen Räumen produziert der Bariton, der seit Ende der eine ausreichende Grundlage.“ Mit Stimme und Sprache Musik zu 80er-Jahre zum Ensemble der Berliner Staatsoper gehört, nicht nur gestalten, sei wesentlich vielschichtiger, als ein Instrument zu spieeigene Alben oder CDs von Kollegen, sondern unterrichtet auch len, findet er. „Auf der Opernbühne verkörpert man außerdem eine Rolle. Das alles macht Singen schwierig seine Gesangsschüler. „Ganz in der Nähe und gleichzeitig so schön.“ wohnte früher meine Mutter mit meinem älte„Unter den Gesangs­ Noch vor dem Mauerfall kam der ren Bruder. Ich blieb noch bei den Großeltern angehende Sänger nach dem Studium in Pirna bei Dresden, bis ich zwei Jahre alt studenten waren nur an der Hochschule für Musik Hanns war“, erzählt der Bariton. Die Eltern standen zwei Ausländer. Ein BaEisler an das frisch gegründete Opernals Sänger abends häufig auf der Bühne. Die studio der Staatsoper Unter den Lingefeierte Mezzosopranistin Ute Trekel-Burckriton und ein Tenor aus den. Vorzeitig wurde er dann in das hardt war im Ensemble der Komischen Oper. ­Kuba, die ständig froren“ Ensemble aufgenommen, dessen festes Ihr Mann Jürgen, ein Bass, hatte Engagements Mitglied er bis heute ist. „Ich bin weit in Plauen, Frankfurt an der Oder, Halle und davon entfernt, die DDR-Zeiten zu glospäter auch in Berlin. Die Liebe zur Musik war Roman Trekel also schon in die Wiege gelegt worden. „Der stärkste rifizieren. Für musikalisch begabte Kinder und Jugendliche gab es Einfluss ging wohl von meinem Großvater aus. Er war Pianist, Diri- damals aber eine breitere Förderung, als dies jetzt der Fall ist. Musikgent und Komponist“, erinnert er sich. „In meiner Kindheit war er unterricht wird an Schulen abgebaut. Gerade für Kinder ist das ein schwerwiegender Verlust. Dass klassische Musik in unserer Gesellfür mich ein Gott.“ Zum Singen kam Trekel erst als Teenager, vorher wollte er schaft keine große Rolle mehr spielt, halte ich für eine katastrophale unbedingt Orchestermusiker werden. „Dabei war mir gar nicht Entwicklung.“ In der DDR kam allerdings der Austausch mit anderen Kultuganz bewusst, was das eigentlich bedeutete“, lacht er. Nach der Blockflöte lernte er zunächst Oboe, bis er mit 17 den ersten Gesangs- ren zu kurz. „Wir befanden uns quasi in einem Puppenhäuschen, es 26

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F oto: Ro ma n TR eke l

Eine von Roman Trekels Paraderollen ist der Wozzeck

gab ja kaum Einflüsse von außen. Unter den Gesangsstudenten an der Hochschule waren nur zwei Ausländer. Ein Bariton und ein Tenor aus Kuba, die ständig froren. Wir wuchsen sehr behütet auf, aber es fehlte natürlich die Konkurrenz.“ Obwohl sich das kommunistische Regime nach außen mit Nachwuchstalenten aus Musik und Sport schmückte, kann sich Trekel daran erinnern, dass der Alltag an der Musikhochschule weitgehend ideologisch unbeeinflusst verlief. „Wir befanden uns auf einer Art Insel. Mit solchen Künstlern konnte die Regierung offensichtlich wenig anfangen.“ Den frühen Einstieg bei der Staatsoper sieht er als großen Glücksfall. Seine Karriere als Opern- und Liedsänger hat sich seitdem stetig weiterentwickelt. Nach einem ersten Erfolg in einer Produktion von Debussys Oper Pelléas et Mélisande, bei der Ruth Berghaus Regie führte, präsentierte er sich unter dem neuen Generalmusikdirektor Daniel Barenboim bei viel beachteten Debüts, etwa in Mozart-Opern oder als Wolfram von Eschenbach in Wagners Tannhäuser. In dieser Rolle wurde er später bei den Bayreuther Festspielen gefeiert. Weitere Gastengagements führten ihn unter anderem an die Mailänder Scala, das Royal Opera House Covent Garden in London, die Bayerische Staatsoper München oder nach Tokio. In den USA hat er vor einigen Jahren wieder die Titelrolle in Alban Bergs Oper Wozzeck gesungen. Eine Aufnahme mit der Houston Symphony unter Leitung des österreichischen Dirigenten Hans Graf ist jetzt beim Label Naxos erschienen. Eine heikle Partie, die er zuvor bereits unter dem Dirigat Barenboims und unter der Regie von Andrea Breth an der Berliner Staatsoper übernommen hatte. „Man braucht viel Zeit, um sich in diese komplexe Figur

hi­neinzuversetzen. Auch stimmlich ist die Partie äußerst schwierig. In einigen Szenen muss man einen Sprechgesang, für den Berg keine genauen Tonhöhen vorgezeichnet hat, mit verzweifelten Gefühlsausbrüchen verknüpfen. Als Wozzeck gerät man in einen Tunnel, in eine Art Sog, aus dem man während der gesamten Aufführung nicht mehr herauskommt.“ Blickt Roman Trekel auf seine Anfänge als junger Sänger zurück, ist er fast überrascht, wie glatt alles für ihn vorangegangen ist. „Ich kam immer ein Stückchen weiter. Doch der Knalleffekt, der große Durchbruch, mit dem ich im Alter zwischen 20 und 30 rechnete, blieb einfach aus.“ Heute ist Trekel froh darüber, dass er genug Zeit hatte, seine Stimme im eigenen Rhythmus weiterzuentwickeln. „Wäre ich damals plötzlich nach oben katapultiert worden, hätte ich das stimmlich vielleicht gar nicht verkraften können.“ Ihm ist bewusst, wie sehr sich die Mechanismen der Künstlervermarktung in den letzten Jahren verändert haben. „Junge Sänger werden oft groß aufgebaut. Da man über die neuen Medien ständig miteinander vernetzt ist, weiß man genau, was andere in der Branche gerade machen. Künstler, die gerade erst ihren Platz in der Musiklandschaft suchen, geraten dadurch unter einen starken Druck, der unterschwellig immer bestehen bleibt. Wenn man sich diesem Druck nicht entziehen kann, befindet man sich in einem ständigen Wettlauf mit anderen.“ ■ Alban Berg: „Wozzeck“, Houston Symphony, Hans Graf (Naxos) Termine: 09.03. Stuttgart, Staatsgalerie, 09., 13., 16., 17., 21., 23.04. Berlin, Staatsoper, 29.04. Berlin, Pierre Boulez Saal 27


F oto: ag e n t u r

kü n s t l er

François-Xavier Roth findet, dass man als Dirigent von jedem Orchester lernt

Kultur ist sprache ohne worte Mit dem Kölner Gürzenich Orchester und dem Ensemble Les Siècles leitet François-Xavier Roth zwei ganz unterschiedliche Klangkörper. crescendo verrät er, wie sehr sich das gegenseitig befruchten kann – und was es für Konsequenzen hat, dass die Tuba zu Ravels Zeiten dreimal kleiner war als heute. v o n E l isabe t h B ä r

Für Ihre aktuelle CD-Einspielung mit dem Ensemble Les Siècles haben Sie Ravels Ballett Daphnis & Chloé ausgewählt. Warum? Das Werk ist einerseits Teil eines großen Projektes von Les Siècles zu den berühmten Ballets Russes unter Djagilew. Begonnen hatten wir mit den drei Balletten von Strawinsky: Sein L’Oiseau de feu (Der Feuervogel) war unser erstes Projekt. Zum anderen arbeiten wir an einem weiteren Projekt zu den Werken von Ravel. Les Siècles ist ein Orchester, in dem die Musiker originale Instrumente benutzen, und wir wollen damit die Farben von mehr als 100 Jahren noch mal suchen und finden, dadurch den Klang wiederholen. 28

Was heißt es konkret, den Klang zu wiederholen? Daphnis & Chloé wurde 1912 uraufgeführt, da denkt man nicht sofort an historische Instrumente. Man denkt, es ist 1912, es ist schon moderne Musik – oder fast. Aber gibt es einen Grund, mit diesen Instrumenten zu spielen? Vielen Leuten ist nicht klar, dass Instrumentenentwicklung im 20. Jahrhundert etwas so Schnelles war. Vor dem Zweiten Weltkrieg spielten in allen Orchestern zum Beispiel die Streicher mit Darmsaiten, da war kein Metall, kein Stahl. Das entsprach dem damaligen Geschmack, das war logisch, nach Beethoven, Brahms und Mahler. Und es gab auch besondere und unterschiedliche www.crescendo.de

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F oto: Ag e n t u r

Das Ensemble Les Siècles ist aus jungen französischen Musikern formiert, die neue Klangwege gehen wollen

Schulen für Blasinstrumente in jeder Region Europas. Dabei war Paris und in verschiedenen anderen Sälen. Mit einem ProjektorFrankreich für eine ganz besondere Klangfarbe der Holz- und chester kann man viel experimentieren. Aber am Ende ist es doch Blechbläser sehr berühmt. Man konnte in dieser Zeit sehr einfach gleich: Wir machen Musik zusammen. Letztlich ist es ein gegenseiverschiedene Orchester mit einer ganz eigenen Klangkultur finden. tiges Geben und Nehmen: Ich nehme viel von Les Siècles, ich Nach dem Krieg veränderte sich das – und zwar nicht nur in der nehme viel vom Gürzenich und von allen anderen Orchestern, mit Musik, sondern auch in anderen Bereichen: Wir wollten einen denen ich arbeite. Und das ist das Gute an einem Dirigenten: Wir internationalen Standard erreichen. In Orchestern werden mehr sind wie ein Schwamm und nehmen alles in uns auf – die besten und mehr die gleichen Instrumente gespielt. Das kann man auch Aspekte von jedem Orchester und bringen die zu anderen sehr gut an den InstrumentenOrchestern. bauern sehen: Wie viele Derzeit denken Sie aber auch Firmen gibt es aktuell in der an eine Tour mit dem „wir dirigenten sind wie ein Schwamm Welt, die beispielsweise Flöten Gürzenich – das Orchester und nehmen alles in uns auf“ herstellen? Insgesamt vielleicht reist nach Asien? weltweit nur zehn. Zur Zeit So ist es. Das Gürzenich von Ravel konnte man mehr Orchester hat einen engen Kontakt nach Asien, sie haben dort schon regelmäßig gespielt. Ich als 30 unterschiedliche Instrumentenbauer für ein Instrument nur in Paris finden. Ein anderes sehr starkes Beispiel: die Tuba. Heute bin sehr, sehr zufrieden, dass wir dort musizieren können, weil es ist eine Tuba ein sehr großes Instrument, aber die Version, die ein ganz anderes Publikum und eine ganz andere Kultur ist. Und Ravel kannte ist ungefähr dreimal kleiner … Mamma mia! Diese ich freue mich, weil es unsere erste gemeinsame interkontinentale Tour ist. Ich denke, dass das Tourneeprinzip nicht nur aus einem damaligen Klangfarben mit diesen besonderen Instrumenten, den Streichern mit Darmsaiten und Schlaginstrumenten, die viel musikalischen Aspekt etwas so Wichtiges ist, sondern auch aus kleiner waren als heute. Das macht einen total anderen Klang. einem menschlichen: der Kontakt zwischen verschiedenen Ländern und Kulturen, verschiedene Meinungen. Mit Kultur kann Wenn die Instrumente viel kleiner sind und auf Darmsaiten man vieles erklären, ohne Worte. Durch Musik kann man also viel gespielt wird, klingt das Orchester viel leiser. Das sind unsere Ohren nicht mehr gewohnt. Wie hat das Publikum diesen verstehen. veränderten Klang angenommen? Auch das musikpädagogische Programm „ohrenauf!“ des Als wir Strawinskys Le sacre du printemps auf OriginalinstrumenGürzenich, das kürzlich in der Kategorie Produktion mit dem ten im Konzert gespielt hatten, war das erst einmal ein Schock für elften Junge Ohren Preis für Musikvermittlung ausgezeichnet das Publikum. Aber bei Daphnis & Chloé haben alle Leute gesagt, wurde, darf mit auf Tour. Welchen Stellenwert hat Musikverdass sie noch nie etwas so Rundes und Weiches mit unglaublichen mittlung für Sie? neuen Farben gehört hätten. Was das betrifft, sind wir sehr dynamisch. Für mich ist die Arbeit Welchen Unterschied macht es, mit Les Siècles oder mit dem mit und das Programm für Kinder etwas enorm Wichtiges. Wir Gürzenich Orchester zu musizieren? machen das sehr gerne und mit vollem Herzblut. Es ist ein Teil von Les Siècles ist ein Orchester, das von mir gegründet wurde. Es ist unserem „Gesicht“, weswegen wir das Programm ein Projektorchester. Das ist ganz anders als mit dem Gürzenich unbedingt mit auf Tour nehmen. ■ Orchester, mit dem man nach festem Spielplan Oper und Konzert Maurice Ravel: „Daphnis & Chloé“, Les Siècles (Harmonia Mundi) spielen muss. Das Gürzenich arbeitet zunächst sehr intensiv in Termine: 14.04. Köln, Philharmonie; 04., 05.05. Köln, Philharmonie; Köln, und erst danach denken wir an die Tour. Mit Les Siècles sind 07.–09.05. Köln, Philharmonie wir immer auf Tour. Wir haben eine Residenz in der Philharmonie 29


n ews

Philippe Jarousskys Traum von Orpheus

Pierre-Laurent Aimard

Münchner Prinzregententheater statt. Insgesamt vergibt die Ernst von Siemens Musikstiftung erstmals 3,5 Millionen Euro an Preis- und Fördergeldern für 130 Projekte weltweit.

Heribert G ­ ermeshausen

Das neue Album philippejaroussky.de

Der internationale Ernst von Siemens Musikpreis 2017 geht an den französischen Pianisten Pierre-Laurent Aimard. Die Auszeichnung für ein Leben im Dienste der Musik ist mit 250.000 Euro dotiert. Der 1957 in Lyon geborene Aimard ist sowohl Interpret als auch Weggefährte zahlreicher Größen der Neuen Musik wie Pierre Boulez, Olivier Messiaen, Karlheinz Stockhausen oder György Kurtág. György Ligeti nannte ihn gar „den besten Pianisten“, der seine Musik besser kenne als er selbst. Die Preisverleihung findet am 2. Juni im

Heribert Germeshausen wird neuer Intendant der Oper Dortmund. Derzeit ist der 45-Jährige Operndirektor des Theaters und Orchesters Heidelberg sowie künstlerischer Leiter des Barockfestivals „Winter in Schwetzingen“. In Dortmund folgt er auf Jens-Daniel Herzog, der seinerseits Staatsintendant des Nürnberger Staatstheaters wird.

— gestorben —

Als sein Tod bekannt wurde, war er bereits einen Monat vergangen. Es passte zu diesem diskreten Mann, den viele den Jahrhunderttenor nannten. „Ich sehe aus wie ein ordentlicher Bankbeamter aus Stockholm“, lachte Nikolai Gedda im Gespräch in seinem Haus am Genfer See. „Ich wollte niemals den Star spielen.“ Brauchte er auch nicht. Sein silbrig heller Tenor, der mühelos, mit unbeschwerter Eleganz in höchsten Sphären schwebte ließ ihn strahlen. Wenn nötig in sieben Sprachen, denn Gedda sprach fließend Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Russisch und Tschechisch. Und natürlich Schwedisch. Sie waren das Erbe einer bewegten Kindheit in Leipzig und Stockholm, wo er als uneheliches Kind zunächst ins Waisenhaus und dann in die Obhut einer Tante und eines russischen Stiefvaters kam. Seine leiblichen Eltern meldeten sich erst, als er berühmt war. Geddas Repertoire reichte von Bach über Mozart, Schubert, italienischen Bel-

Mythos Orfeo 16.3. Wien · 18.3. Dortmund

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canto und französisches Opernfach bis hin zur Wiener Operette. Singen war wie eine Therapie, räumte er ein. Mit jeder Rolle gelang ihm immer mehr, sich von seiner großen Schüchternheit zu befreien. „Leidenschaft, das können alle“, schrieb Arnold Schönberg. „Aber Innigkeit, die keusche höhere Form der Gefühle, scheint den meisten Menschen versagt zu sein.“ Nikolai Gedda nicht. In über 80 Opernproduktionen lebt er weiter. von Teresa Pieschacón Raphael

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F oto s: War n er C l a s s i c s A rc h i ve; P h i l i p p Ot te n dö r f er

Nikolai Gedda


hören & sehen •

Die besten CDs, DVDs & Vinylplatten des Monats von Oper über Jazz bis Tanz Attila Csampais Auswahl (Seite 32) Schatztruhe Vinyl: Die Schallplatte ist zurück! (Seite 38)

Helsinki Philharmonic Orchestra

Brahms lebt! Komponisten eifern gerne ihren Vorbildern nach, geben den Ideen ihrer Kollegen eine neue Form oder lassen sich ganz einfach von ihnen inspirieren. Das trifft auch auf Johannes Brahms zu, er steht im Mittelpunkt dieser CD – allerdings nun selbst als Muse für seine Nachfolger. „Musik mit Brahms“ ist ein treffender Untertitel für das sinfonische Werk Weites Land von Detlev Glanert und könnte als Motto für die ganze Aufnahme mit dem Helsinki Philharmonic Orchestra unter Olari Elts gelten. Sie überneh-

Orchester

men auch den Klavierpart bei den Vier Präludien, Ernsten Gesängen und der Klarinettensonate Nr. 1 – arrangiert von Glanert bzw. Luciano Berio. Wenn man es nicht besser wüsste, wie wollte man dabei je wieder auf die Vielfarbigkeit eines Orchesterklangs verzichten? Es ist Brahms und ist es doch nicht. Vergangenheit vereint mit Gegenwart – was für beruhigende Zukunftsaussichten! uh

F oto: M arco B o rgg reve

Brahms, Berio und Glanert: „Four Serious Songs, Clarinet Sonata No. 1, Weites Land“, ­Michael Nagy, Kari Kriikku, Helsinki Philhar­ monic Orchestra, Olari Elts (Ondine)

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h ö re n & s e h e n

Die Empfehlungen von Attila Csampai

Newcomer und Legenden ... bestimmen Attila Csampais Frühjahrsauswahl.

J. S. Bach: Partiten Nr.1 & 3, Italienisches Konzert Rafał Blechacz (DG)

wurden, mit hochmotivierten Mitspielern wie dem casalQuartet aus Zürich, dem jungen Pianisten Martin Klatt und den SWRSymphonikern aus Stuttgart, deren Soloklarinettist Manz seit 2010 ist: Dass der 30-Jährige schon jetzt zu den Exzellenzen seines Instruments zählt, belegen nicht nur die beiden Konzerte, deren Opernnähe er mit wunderbarer kantabler Zärtlichkeit und emotionaler Flexibilität aufblühen lässt, sondern auch die teilweise hochvirtuosen Kammermusikwerke, die die Beweglichkeit, die Anmut, aber auch den Ausdrucksreichtum der Klarinette neu definieren und deren zeitlose Schönheit und Humanitas auch heute noch bezaubern. Vor allem das jugendlich unbekümmerte, fast übermütige Klarinettenquintett entpuppt sich als stilbildendes Meisterwerk. So glückt Manz ein anrührendes Plädoyer für einen noch immer unterschätzten Komponisten.

In knapp 300 Jahren ist Bachs Musik um keinen Tag gealtert. Das Geheimnis ihrer Zeitlosigkeit liegt wohl in ihrem metaphysischen Kern, ihrer durch strengste Ordnung erzeugten Freiheit: Jede neue Generation muss ihren eigenen Zugang finden zu diesem Wunderwerk musikalischer Logik und versuchen, eine neue Klangwirklichkeit zu kreieren: Dem 31-jährigen polnischen Pianisten Rafał Blechacz gelingt dies in seinem ersten BachAlbum auf faszinierende Weise. Er unterzieht da eine ganz persönliche Auswahl bekannter Stücke wie das Italienische Konzert oder die Partiten Nr. 1 und 3, aber auch weniger Bekanntes wie die Vier Duette einer radikalen Frischzellenkur, wie man es seit Glenn Goulds Zeiten nicht mehr gehört hat: Selten klang Bach so aktuell, Schubert: Klaviertrios Nr.1 & 2 Irnberger, Geringas, Korstick (Gramola) so modern, so erfrischend lebendig und punktgenau. Dabei nutzt Blechacz das ganze Arsenal von Anschlagsnuancen seines SteinTrack 6 auf der crescendo Abo-CD: Andante con moto aus dem ­Klaviertrio Nr. 2 op. 100 D 929 way, um weitgehend ohne Pedal die komplexen Strukturen Bachs in Charaktere, in pulsierende, glasklare Klangrede zu verwandeln Wenn zwei so resolute Solokünstler wie der und so den menschlich-emotionalen Kern jedes einzelnen Stücks Geiger Thomas Albertus Irnberger und der zum Leuchten zu bringen. Zudem spürt man seine tiefe HerzensPianist Michael Korstick sich zum ersten Mal affinität zu Bachs Musik, die sich auch in einer geradezu emphati- zu einem Trio formieren und dazu den erfahrenen Top-Cellisten schen Spielfreude und drängenden Tempi äußert. Es ist ein Bach David Geringas gewinnen können, dann darf man mit Recht ohne Perücke und Heiligenschein – aber irgendwie neu erfunden. Besonderes erwarten, zumal die drei ihr Triodebüt mit zwei Gipfelwerken des Genres bestreiten, den beiden Klaviertrios Franz Schuberts. In diesen späten Arbeiten verdichtet Schubert auf Weber: Complete works for Clarinet Sebastian Manz, casalQuartet, Martin Klett, komplexe Weise seine Erfahrungen mit dem Streichquartett und SWR Stuttgart Radio Symphony Orchestra, der Klaviersonate, und zugleich sind es Zeugnisse eines gestärk­Antonio Méndez (Berlin Classics) ten Selbstbewusstseins kurz nach Beethovens Tod. So verbindet Neben Mozart war Carl Maria von Weber alle drei bereits von den ersten Takten des „lyrischen“ B-Dur Trios einer der größten Förderer der damals noch eine energische Entschlossenheit, die den überquellenden inneren jungen Klarinette: Während jener in seinem Reichtum beider Werke mit Nachdruck zum Leuchten bringt, letzten Lebensjahr noch zwei großartige Werke hinwarf, hinter- und kein „Wenn und Aber“ duldet. Man kann nur staunen, zu welließ der 30 Jahre jüngere Weber neben zwei Konzerten auch drei cher telepathischen Homogenität drei so unterschiedliche Profile gewichtige Kammermusikwerke, die jetzt von dem jungen deut- auf Anhieb fähig sind, wenn sie intellektuell harmonieren, und schen Klarinettisten Sebastian Manz erstmals in toto eingespielt dennoch spürt man in jedem Moment die starke Individualität 32

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I mpressum Verlag

jedes einzelnen Akteurs. Ihr starker Diskurs kombiniert Präzision im Detail mit orchestraler Power. Und sie scheuen nicht den Abgrund: So kommt es im berühmten Andante des Es-Dur Trios zu Momenten von gespenstischer Schönheit. Mahler: Symphonies nos. 1, 5, 9 Moscow Philharmonic Orchestra, Kirill Kondra­ shin; Tatarstan National Symphony Orchestra, ­Alexander Sladkovsky (Melodiya)

Der 1981 in Amsterdam verstorbene russische Dirigent Kirill Kondrashin zählt zu den bedeutendsten Mahler-Pionieren der Sowjetunion. Bereits in den 1960er-Jahren, als Mahler auch hierzulande noch umstritten war, setzte er sich vehement für den „dekadenten Westler“ ein und nahm fast alle seine Sinfonien auf Schallplatten auf: Drei frühe Stereo-Dokumente der Sinfonien I, V und IX mit den Moskauer Philharmonikern hat Melodiya jetzt in einer 7-CD-Edition wiederveröffentlicht und dem historischen Dreierpack aktuelle Aufnahmen derselben Werke mit dem kaum bekannten Tatarstan Symphony Orchestra unter Alexander Sladkovsky hinzugefügt, sodass der Käufer hier direkte Hörvergleiche vornehmen kann, die aber die überragende Mahler-Kompetenz Kondrashins nur unterstreichen: Alle drei von ihm geleiteten Aufnahmen setzen neue Maßstäbe an Klarheit, Prägnanz und einer auf den ideellen Kern der Werke gerichteten rigorosen Wahrhaftigkeit, die alles subjektive Pathos, alle Wehleidigkeit und allen Glamour konsequent ausblendet und so die Modernität Mahlers und das utopische Potenzial seiner Musik herausschält. Die erstaunlich kultiviert spielenden Tatarstan-Sinfoniker aus Kasan halten mit breiten Tempi und üppigem Wohllaut dagegen, reihen sich also achtbar ein in den heute üblichen Mahler-Mainstream. Gegen Kondrashins Furor aber verblassen sie. Leonard Bernstein – The Composer Aufnahmen: 1950–2007 (Sony)

Als Komponist stand Leonard Bernstein immer im Schatten des großartigen, charismatischen Dirigenten. Als Pultstar, Pianist, Musikvermittler und Mediengenie zog er mehr Aufmerksamkeit auf sich denn als einer der wichtigsten amerikanischen Tonsetzer im 20. Jahrhundert: Da er vehement an der Tonalität festhielt, war er der europäischen Avantgarde ohnehin suspekt. Gut anderthalb Jahre vor seinem 100. Geburtstag würdigt Sony jetzt endlich auch den Komponisten Bernstein und hat praktisch sein ganzes für Columbia eingespieltes Oeuvre auf 25 teilweise neu gemasterte CDs überspielt und in eine großformatige Kassette gepackt. Schwerpunkte der aufwendigen Edition bilden zum einen die zwischen 1960 und 1974 entstandene legendäre LP-Serie „Bernstein conducts Bernstein“ mit seinen drei Sinfonien und den großen Vokalwerken Mass, Dybbuk und Chichester Psalms, zum anderen (fast) alle seine Bühnenwerke, darunter beide frühen Produktionen des Erfolgsmusicals West Side Story und der Operette Candide. Auf drei CDs gibt es weitere Kompilationen seiner schönsten Songs sowie ein Album mit Kammermusik und mit speziellen JazzAdaptionen von Dave Brubeck und anderen. Im Booklet bezeichnet Bernsteins Tochter Jamie die Werke ihres Vaters als „his own fingerprints“ und als „Umarmung“. Und tatsächlich vermittelt die Edition ein authentisches Gesamtbild seiner einzigartigen, von überquellender Kreativität, Leidenschaft und Menschenliebe geprägten Persönlichkeit.

Port Media GmbH, Rindermarkt 6, 80331 München Telefon: +49-(0)89-74 15 09-0, Fax: -11 info@crescendo.de, www.crescendo.de Port Media ist Mitglied im Verband Deutscher Zeitschriftenverleger und im AKS Arbeitskreis Kultursponsoring

Herausgeber Winfried Hanuschik | hanuschik@crescendo.de

Verlagsleitung Petra Lettenmeier | lettenmeier@crescendo.de

Art director Stefan Steitz

Redaktion Dr. Maria Goeth (MG)

REDAKTION „ERLEBEN“ Ruth Renée Reif

schlussREdaktion Maike Zürcher

Kolumnisten John Axelrod, Axel Brüggemann, Attila Csampai (AC), Daniel Hope, Christoph Schlüren (CS), Stefan Sell (SELL)

Mitarbeiter dieser Ausgabe Elisabeth Bär (EB), Roland H. Dippel (RD), Ute Elena Hamm (UH), Julia Hartel (JH), Sina Kleinedler (SK), Katherina Knees (KK), Benedikt Kobel, Corina Kolbe (CK), Jens Laurson (JL), Angelika Rahm (AR), Teresa Pieschacón Raphael (TPR), Antoinette Schmelter-Kaiser (ASK), Meike Katrin Stein (MKS), Dorothea Walchshäusl (DW), Walter Weidringer

Verlagsrepräsentanten Tonträger: Petra Lettenmeier | lettenmeier@crescendo.de Kulturbetriebe: Gabriele Drexler | drexler@crescendo.de Touristik & Marke: Heinz Mannsdorff | mannsdorff@crescendo.de Verlage: Hanspeter Reiter | reiter@crescendo.de

Auftragsmanagement Michaela Bendomir | bendomir@portmedia.de

Gültige Anzeigenpreisliste Nr. 20 vom 09.09.2016

Druck Westermann Druck, Georg-Westermann-Allee 66, 38104 Braunschweig

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Erscheinungsweise crescendo ist im Zeitschriftenhandel, bei Opern- und Konzert­häusern, im Kartenvorkauf und im Hifi- und Tonträgerhandel erhältlich. Copyright für alle Bei­träge bei Port Media GmbH. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers, nicht unbedingt die der Redaktion wieder. Nachdruck und Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos wird keine Gewähr übernommen.

Abonnement Das crescendo Premium-Abo umfasst sieben Ausgaben inklusive­„crescendo Festspiel-Guide“ und zusätzlich sechs exklusive heftbegleitende Premium-CDs und kostet 55 EUR pro Jahr inkl. MwSt. und Versand (Stand: 01.01.2017). Versand ins europ. Ausland: zzgl. EUR 3,- je Ausgabe Bank-/Portospesen. Zahlung per Rechnung: zzgl. EUR 4,90 Bearbeitungsgebühr. Kündigung: nach Ablauf des ersten Bezugsjahres jederzeit fristlos. Abo-Service crescendo, Postfach 13 63, 82034 Deisenhofen Telefon: +49-89-85 85-35 48, Fax: -36 24 52, abo@crescendo.de Verbreitete Auflage: 68.721 (lt. IVW-Meldung 1V/2016) ISSN: 1436-5529 geprüfte Auflage

(Teil-)Beilagen/Beihefter: CLASS: aktuell Deutsche Mozart-Gesellschaft

Das nächste crescendo erscheint am 13. april.

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h ö re n & s e h e n

Solo Florian Glemser

Alexander Krichel

Schillernd und fragil Die Klangwelt Maurice Ravels ist ebenso vielfältig wie fragil. Welch breites Spektrum sie in sich trägt und wie unterschiedlich dieses interpretiert werden kann, offenbart das neue Album des deutschen Pianisten Alexander Krichel. Le Tombeau de Couperin setzt er dabei mit ungewohnt direktem Anschlag, transparent bis trocken im Ton und überaus kontrastreich in Szene. Da stehen die draufgängerisch ruppigen Passagen, die neckisch tänzelnden Episoden und die träumerisch schwelgenden Melodielinien gleichwertig nebeneinander, und alles Ver-

klärte, Mystifizierende wird verwehrt. Ganz anders die Miroirs, die Krichel als innige und sinnlich schwebende Klangbilder interpretiert. Am Ende des Albums erklingt mit Gaspard de la Nuit eine geheimnisvolle Erzählung, die den vielfältigen Streifzug durch das Werk Ravels virtuos und packend ausklingen lässt. Ein spannungsvolles und facettenreiches Album. dw

Maurice Ravel: „Miroirs“, Alexander Krichel (Sony)

Komponierte Poesie Der Kapellmeister Johannes Kreisler ist literarische Figur und Alter Ego E. T. A. Hoffmanns zugleich. Doch auch Robert Schumann sah sich selbst in dieser komplexen Persönlichkeit. In den Kreisleriana op. 16 fasste er sie in Töne. Auf seiner Debüt-CD nimmt sich Pianist Florian Glemser dieses Werks hingebungsvoll an und kombiniert es mit zwei passenden Zyklen: den Waldszenen op. 82 und den Gesängen der Frühe op. 133, Letztere inspiriert von Hölderlins „Hyperion“. Glemsers Interpretation liegt eine spürbar tiefe Leidenschaft für Literatur zugrunde. Er trägt musikalische Phrasen vor wie Gedichtzeilen, lässt Bilder entstehen, die auch Worte nicht bunter malen könnten. Und doch macht das Anhören bei gleichzeitigem Lesen der Texte besonders viel Freude – Literatur und Musik durchdringen einander. Das ideale Album für alle, die nicht wissen, welche der beiden Künste sie nun mehr lieben sollen. Jh

F oto: S o n y C l a s s i ca l / Uwe A re n s

Schumann: „Wald­szenen, Kreisleriana, Gesänge der Frühe“, Florian Glemser (Ars Produktion) Track 4 auf der crescendo Abo-CD: Abschied aus den Waldszenen Denis Kozhukhin

Musik unterm Brennglas

Annhelena Schlüter

Klassenbester Bach Jede Aufnahme von Bachs Wohltemperiertem Klavier ist auf ihre Weise ein Ereignis: So erhebend, so erbauend ist diese Musik; eine Musik, die die Kraft hat, uns unabhängig von unserer Weltanschauung an das zu gemahnen, was jenseits des Menschlichen liegt. Annhelena Schlüter reiht sich ein in die Riege der Interpreten, die uns „das Alte Testament“ der Musik (Hans von Bülow) nahebringen. Sie macht das auf ihre Weise. Völlig anders – braver – als die kein Zurück mehr kennende, mit ihrer Intensität erdrückend dunkle Wolken malende Dina Ugorskaja. Bei Annhelena Schlüter gibt die Musik immer Hoffnung: Die Welt ist noch in Ordnung. Im Herzen grundsolide, in manchem Detail floral, oft entzückend, gibt sich diese Interpretation weniger pianistisch (das heißt selbstverliebt) als die von Daniel Barenboim, aber auch ohne die mathematisch-sinnliche Nüchternheit einer Gegensätze zusammenschmelzenden Zhu Xiao-Mei. Ein bisschen ist das wie ein Poesiealbumeintrag der Klassenbesten. Mit kleinen Blümchen als i-Pünktchen zwar, aber ohne jemals das Ich in den Vordergrund zu drängen. Was in Erinnerung bleibt, ist nicht die Interpretation an sich, sondern einfach die Schönheit Bachs. Das ist vermutlich auch so gewollt und auf jeden Fall erreicht. JL

Johann Sebastian Bach: „Das Wohltemperierte Klavier I“, Annhelena Schlüter (Hänssler Classic) 34

Die Charakterstücke gehören zum Persönlichsten, was Johannes Brahms je komponiert hat, und offenbaren den Komponisten als getriebene und hochsensible Persönlichkeit. Auf seinem neuen Album widmet sich der russische Pianist Denis Kozhukhin eben diesen musikalischen Zeugnissen, konkret den Balladen op. 10 und den Fantasien op. 116. Zwischen der Entstehung dieser beiden zentralen Klavierwerke liegen 32 Jahre. So ist sowohl der junge, leidenschaftlich auftrumpfende Brahms zu erleben als auch der strukturell freiere, aber auch einsame ältere Komponist. Kozhukhin durchdringt die Stücke mit berührender Menschlichkeit und tiefer Musikalität im Ausdruck und fasziniert mit einer sehr persönlichen und unmittelbaren Interpretation. Behände in seiner Technik und hochsensibel in seiner Anschlagskultur, legt er die Brahmsschen Schöpfungen gleichsam unters Brennglas und verdichtet sie zu purer Emotion. dw

Johannes Brahms: „Ballades & Fantasies“, Denis Kozhu­ khin (Pentatone) Track 8 auf der crescendo Abo-CD: Andante aus den Balladen op. 10 www.crescendo.de

April – Mai 2017


h ö re n & s e h e n

Historisch fundierte Frischekur

Oper

Eine Katharsis verspricht Befreiung, nach Aristoteles findet man seelische Reinigung in der dramatischen Kraft der antiken Tragödie. Auf dem Album „Catharsis“ erfrischt der katalanische Countertenor Xavier Sabata die Ohren mit silbrigem Timbre und spinnt mit Arien und Rezitativen aus essenziellen Werken wie Pietro Torris Griselda, Georg Friedrich Händels Admeto, Antonio Vivaldis Il Farnace oder Giuseppe Maria Orlandinis Adelaide ein komplexes und atmosphärisches Bild der Oper seria zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Unter der Leitung von George Petrou lässt das griechische Barockensemble Armonia Atenea mit glühenden Darmsaiten alle Farben der klanglichen Palette historisch informierter Aufführungspraxis aufleuchten. Wenn die Katharsis den Höhe- und Wendepunkt einer Tragödie bedeutet, haben die Musiker mit ihrem neuen Album die Intensität dieses Moments exzellent eingefangen und zollen darüber hinaus der künstlerischen Ausdruckskraft des Theaters musikalisch Respekt. kk

F oto: M i c h a l N ovak

Xavier Sabata

Xavier Sabata: „Catharsis“, Armonia Atenea, George Petrou (Aparte) Track 9 auf der crescendo Abo-CD: Cara sposa aus: Griselda von Conti Filarmonica della Scala

Mini-Dramen Ouvertüren sind aus der Mode gekommen. Man hört sie nur noch bei Opernaufführungen, auf Konzertprogrammen sind sie verschwunden. Jetzt hat Riccardo Chailly zu seinem Amtsantritt als neuer Scala-Direktor 14 Vor- und Zwischenspiele von zehn italienischen Meistern in einem Album versammelt und damit ein Genre wiederaufleben lassen, das immerhin die große Sinfonie hervorbrachte: Der Reigen spannt sich von Rossinis La Pietra del Paragone bis zu Giordanos Siberia und erinnert an zumeist vergessene Werke, die alle an der Mailänder Scala uraufgeführt wurden. Die Musiker der Filarmonica della Scala folgen ihrem neuen Chef mit Herzenseinsatz und großer Disziplin und unterstreichen ihre sinfonischen Qualitäten. Und der entreißt hier mit Intensität und Feuer so manches Juwel dem Dornröschenschlaf des Vergessens: ein suggestiver Flashback auf Mailands große Operntradition im Zeitraffer und womöglich ein Vorgeschmack auf Chaillys eigene Pläne. ac

Orchester

Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks

Von der Erde ins Paradies Viel ist darüber spekuliert worden, ob Mahler seine in überirdischer Stille endende Neunte Sinfonie in Vorahnung des eigenen Todes schrieb. Der schwerkranke Komponist gestand jedenfalls dem Dirigenten Bruno Walter: „Ich bin lebensdurstiger als je.“ Vitale Energie prägt auch die Sicht des Mahler-Experten Mariss Jansons auf dieses Spätwerk, dessen erster Satz gleichwohl schon im Zeichen des Abschieds steht. Der Mitschnitt einer großartigen Aufführung mit dem BR-Symphonieorchester ist gerade im Eigenlabel erschienen. Auch wenn Mahlers bereits auf die Moderne vorausdeutende Sinfonie voller Brüche und Kontraste ist, erscheint sie bei Jansons wie aus einem Guss. Nach dem monumentalen Andante comodo tritt die groteske Rhythmik der beiden Mittelsätze plastisch hervor. Im finalen Adagio strebt die Musik ihrer Auflösung entgegen. Jansons lässt sie nach einem letzten Aufbäumen sublim in den Himmel aufsteigen, bis die letzte Note verebbt ist. ck

„Overtures, Preludes & Intermezzi“, Filarmonica ­della Scala, Riccardo Chailly (Decca)

Gustav Mahler: „Symphonie Nr. 9“, Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Mariss Jansons (BR Klassik) Michael Gielen

Romantik für den Rundfunk Das künstlerische Vermächtnis des von großen Plattenfirmen sträflich vernachlässigten Michael Gielen findet sich in den Rundfunkarchiven. Diese Edition macht als Hommage zu seinem 90. Geburtstag am 20. Juli 2017 endlich vieles zugänglich, nachdem er seine aktive Laufbahn aus gesundheitlichen Gründen 2014 beenden musste. Vol. 4 vereint Einspielungen der SWR Radio-Sinfonieorchesters Freiburg, Baden-Baden, Saarbrücken und Stuttgart von 1958 bis 2014. Ein weiteres Mal fasziniert, wie der Uraufführungsdirigent von Zimmermanns Die Soldaten und legendär spröde Frankfurter Opernchef die musikalische Romantik ergründet. Zwei wichtige CD-Erstveröffentli-

chungen aus der Liederhalle Stuttgart bestätigen den hohen Rang Michael Gielens, der diese Auswahl selbstkritisch mitgestaltete: Robert Schumanns Szenen aus Goethes Faust (1990) und Hector Berlioz’ Requiem. Grande Messe des Morts op. 5 mit dem Tenor David Rendall (1979). rd

Michael Gielen: „Edition Vol. 4, 1968–2014“, Berlioz, Dvořák, Liszt, Mendelssohn, Rachmaninow, Schumann u. a. (SWRmusic) Track 3 auf der crescendo Abo-CD: Allegro animato e grazioso aus der Sinfonie Nr. 1 von Schumann 35


h ö re n & s e h e n

Vox Luminis

Hast du Töne, Martin Luther?! Das belgische Vokalensemble Vox Luminis widmet Martin Luther und der Zeit rund um die Reformation ein Doppelalbum, das sich als ausgereiftes Konzeptalbum mit inhaltlicher Tiefenschärfe entpuppt und in jeder Hinsicht überzeugt. Während die Sänger auf der ersten CD mit Motetten gesanglich einen Faden quer durch das Kirchenjahr spinnen und die Schnittstelle von Renaissance und Barock beleuchten, präsentieren sie mit dem zweiten Album die ganze Bandbreite liturgischer Kompositionen. Ob Messe, Passion oder Magnificat: Lionel Meunier lässt als künstlerischer Leiter die klaren Stimmen des Ensembles schwerelos aufblühen. In Zeiten, in denen es die physische CD als Audioformat schwer hat, sei zusätzlich erwähnt, dass das Luther-Album auch haptisch eine Freude ist. Im eleganten Hardcovergewand, mit farbigen Abbildungen und umfassenden Texten auf dickem Papier hochwertig gestaltet, wird das Album auch über die Musik hinaus zu einer vollendeten Hommage an die liturgische Musik im Geiste Luthers. kk

Kammermusik

Villiers Quartet

Matthias Goerne

Englische ­Überraschung

Erhabene ­Einsamkeit

In den 1950er-Jahren galt Peter Racine Fricker (1920–90) mit seinen frühen Sinfonien neben Benjamin Britten als der vielversprechendste englische Komponist seiner Generation. Der Schüler des eminenten ungarischen Emigranten Mátyás Seiber wandelte kühn auf post-Bartókschen, kontrapunktisch dissonanten, hochexpressiven Pfaden. Doch mit seiner Auswanderung in die USA verloren die Engländer jegliches Interesse an seiner Musik. Er wird erst heute wieder entdeckt, so hier vom vorzüglichen Villiers Quartet, das seine sämtlichen Werke für Streichquartett aufnahm. Ein frühes Adagio und Scherzo (1943) ist eigenständig und bezaubernd, das einsätzige 1. Quartett hoch verdichtet und komplex (1949), das dreisätzige 2. Quartett (1953) ein Meisterwerk, und mich hat am meisten das ­3. Quartett von 1976 verblüfft – mit seiner so reifen wie befreiten Tonsprache, seinem untrüglichen Formgefühl auch bei hoher harmonischer Komplexität: große Musik allein um ihrer selbst willen, ohne jedes Programm.

„Ein feste Burg ist unser Gott“, Vox Luminis, Lionel Meunier, Bart Jacobs (Ricercar)

cs

Peter Racine Fricker: „The String Quartets“, Villiers Quartet (Naxos)

Einsamkeit, Sehnsucht. Wir alle kennen sie, wissen, wie sie sich anfühlt. Doch nur der große Poet und der Komponist können ihr einen erhabenen Ausdruck verleihen. Wie Robert Schumann, der in jungen Jahren nicht wusste, ob er nun Dichter bleiben oder Musiker werden wollte. „Ach, ich kann nicht anders“, wird er irgendwann sagen, „ich möchte mich totsingen wie eine Nachtigall.“ Totsingen wird Matthias Goerne sich gewiss nicht mit dieser Auswahl an Liedern, die um 1840 und aus einer späteren, weniger bekannten Schaffens­ periode von Schumann zwischen 1849 und 1852 stammen. Während Markus Hinterhäuser etwa im Lied Ins Freie oder bei Es stürmet am Abendhimmel als Pianist auf seine Kosten kommt und gerne mal „zu laut“ ist, wirkt Matthias Goernes Gesang trotz subtiler Nuancen und zartestem Pianissimo im Nachtlied doch weitgehend monochrom. Wunderschön, aber ohne Geheimnis. Sein Bedürfnis nach stimmlicher Ausdehnung, um inniges Gefühl zu vermitteln, ist ihm nicht vorzuwerfen. Denn dieses Bedürfnis haben alle Sänger. Es könnte sich auf Dauer nur erschöpfen, wenn – wie hier – fast alle Lieder einen ähnlichen Charakter haben. tpr

Robert Schumann: „Einsamkeit“, Matthias Goerne, Markus Hinter­ häuser (Harmonia Mundi) Track 5 auf der crescendo AboCD: Meine Rose

Solo Piotr Anderszewski

Freiheit und Poesie

Peter Schöne mit Moritz Eggert

Gesang

Pathos, Verehrung, ­Innehalten

Viel spannender als die sporadisch in Konzerten auftauchenden Klavierwerke des Philosophen Friedrich Nietzsche sind die Vertonungen seiner Gedichte. Das schillernde Spektrum dieser Auswahl reicht von Richard Trunk über Nikolai Medtner (den „russischen Brahms“), Paul Hindemith, Ernst Pepping bis Arnold Schönberg. Der Bariton Peter Schöne und Moritz Eggert, der Spieler unter den Gegenwartskomponisten, stellen zwei Gruppen von Wolfgang Rihm und Peter Ruzicka ins Zentrum ihrer Auswahl. Die lyrisch prägnante Stimme mit tenoralem Fokus und sagenhaft deutlicher Diktion nimmt den Hörern alle Schwellenängste vor diesen komplexen Kleinoden. Moritz Eggert filtert Verständlichkeit aus den vorsichtigen Klanggebilden seiner Zeitgenossen. Insgesamt ist das wohl eine der spannendsten Lied-Anthologien der letzten Jahre: Emphase und Kritik, Verherrlichung und Distanz, Deutlichkeit und Raunen. rd

Peter Schöne & Moritz Eggert: „Der Klang des Denkers. Vertonungen von Gedichten Friedrich Nietzsches“ (radiobremen) 36

Unglaublich, welchen Freiraum Piotr Anderszewski sich hier nimmt. Zu Recht, er lanciert, was Mozart und Schumann verbindet, und entdeckt für uns, was er zwischen den Zeilen fühlt. Zart, behutsam, schwebend in Zeit und Raum, einem inspiriert akzentuierten Mozart folgt ein fantasierend motivierter Schumann. An diese Schönheit koppelt Anderszewski auf der beiliegenden DVD die Schönheit eines berührend poetischen, ja politischen Statements. Unter dem Titel „Warschau ist mein Name“ zeigt er seine Heimatstadt in wundervollen Farben und trostlosem Grau, betont die Verwundbarkeit und den Geist des sich widersetzenden Aufrechtbleibens. Die Lebensspanne seiner Großmutter (1910–1995) reichte aus, Warschau Teil Russlands werden zu lassen, zweimal von den Deutschen besetzt zu werden, um erneut von den Sowjets eingenommen erst seit 1989 wieder die Hauptstadt Polens zu sein. Wie aktuell und herzöffnend klassische Musik sein kann – grandios. sell

Mozart und Schumann: „Fantaisies“, Piotr Anderszewski (Warner Classics) www.crescendo.de

April – Mai 2017


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Kammermusik

Kirill Troussov und Alexandra Troussova

Gefühl pur

Verklärt, aus weiter Ferne, gehaucht, gesungen kommen die ersten Töne der Melancholie von César Franck, die Kirill Troussovs wundervoller Bogenstrich andachtsvoll, einfach makellos klingen lässt. Franck, einst Wunderkind ohne Erfolg, schuf seine prägenden Werke spät. Dennoch, sein Andante quietoso op. 6, das er mit 21 schrieb ist, ist hier schlicht betörend, ja schubertianisch schön – Alexandra Troussova offenbart die Vielfarbigkeit ihres virtuosen Klavierspiels. Die Geschwister harmonieren so ausgezeichnet, dass ihr filigranes Zusammenspiel den Raum öffnet, jeden Ton zu atmen. Ihr Foto auf der Rückseite des Covers könnte an Liebesverhältnisse in Wagners Walküre erinnern. Das Spiel der beiden kulminiert im finalen Allegretto poco mosso von Francks berühmter Violinsonate ebenso wie in der vom Jazz geprägten Violinsonate von Ravel in reiner Ekstase. Der Titel hält, was er verspricht – hier hört man mit Bravour Gefühle pur. sell

César Franck und Maurice Ravel: „Emotions“, Kirill Troussov, Alexandra Troussova (mdg)

VIER HÄNDE, EIN HERZ

Barockperlen aus Bologna Seit mehr als 350 Jahren ist die Accademia Filarmonica di Bologna weit über die Stadt hinaus als Talentschmiede für Musiker und Komponisten bekannt. Kein Geringerer als der junge Wolfgang Amadeus Mozart studierte dort 1770 Kontrapunkt bei Padre Martini. Ein bei deutsche harmonia mundi erschienenes Album des Kammerorchesters Basel unter Leitung von Julia Schröder präsentiert wegweisende Bologneser Komponisten aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Farbenreich und voller Elan spielt das Orchester unter anderem Werke von Giovanni Paolo Colonna und Giacomo Antonio Perti, den Begründern der „Schule von Bologna“. Die beiden Kapellmeister der Basilika San Petronio schrieben eigentlich vor allem Messen und Oratorien, aus denen die hier vorgestellten Instrumentalstücke stammen. Giuseppe Torelli erfand dagegen das Solokonzert für Violine, das Antonio Vivaldi später in Venedig zur großen Blüte brachte. Eine Wiederentdeckung seltener musikalischer Perlen! ck

ANDREAS STAIER ALEXANDER MELNIKOV HAMMERKLAVIER © Julien Mignot - Josep Molina

Kammerorchester Basel

CD HMM 902227

Peri, Torelli, Colonna: „Bologna 1666“, Kammerorchester Basel, Julia Schröder (dhm) Hans Sommer

Märchenoper für Wagnerianer Mit einer romantischen Märchenoper aus dem Schatten Richard Wagners hervorzutreten, war nicht vielen vergönnt – außer Humperdinck mag einem noch Pfitzner einfallen. Hans Sommer (1837–1922), im Hauptberuf Mathematiker und Zeitgenosse von Brahms, Bruch und Goetz, hat ein beträchtliches Opernschaffen melodramatisch-episodischen Zuschnitts hinterlassen, das mit Myriaden herrlicher Momente und wahrlich märchenhaftem Zauber aufwartet, sehr dankbar für Stimmen und Orchester, an Wagner geschult, aber weit intimer. Der vieraktige Rübezahl aus Gera unter Laurent Wagner schafft es als erste Sommer-Oper auf CD, und alle Wagnerianer, die nicht einzig auf den Meister fixiert sind, sollten unbedingt zugreifen. Auf gutem Niveau musiziert, wird es 158 Minuten lang nie langweilig. Indem Sommers Pathos bei aller feinziselierten Charakterisierungskunst nie überzogen wirkt, ernten wir hier große Erzählkunst statt des vielbeschworenen „großen Kinos“ für die Ohren. cs

Oper

Franz Schubert

Klavierwerke zu vier Händen „In Oberösterreich finde ich allenthalben meine Compositionen, besonders in den Klöstern Florian und Kremsmünster, wo ich mit Beihilfe eines braven Clavierspielers meine vierhändigen Variationen und Märsche mit günstigem Erfolge producirte.“ Das schreibt Schubert im Jahre 1825 und beschwört damit jenes im 19. Jahrhundert so populäre Genre herauf, das die Musikverleger ihn immer wieder zu schreiben baten. Aber der Wiener Komponist ging weit über die traditionelle Gefälligkeit der deutschen Tänze und anderer Variationen hinaus, wie es die aufwühlende Fantasie in f-Moll, eines der tragischen Meisterwerke seiner letzten Jahre, deutlich zeigt.

Hans Sommer: „Rübezahl“, Philharmonisches Orchester Alten­ burg-Gera, Laurent Wagner (Pan Classics) 37

harmoniamundi.com


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Kultfiguren Vinyl als Schatztruhe legendärer Aufnahmen. v o n A t t i l a C sam p ai

D

ie gute alte LP feiert derzeit ein grandioses Come- sen gehandelt werden. Zu den absoluten Highlights ihres charisback. In Großbritannien hat Vinyl zuletzt sogar das matischen Spiels zählen die beiden Versionen des Brahms-KonDownload-Geschäft überflügelt, und bei uns wuchs zerts, die sie 1954 unter Paul Kletzki (für die EMI) und dann zehn der Umsatz 2016 um satte 41 Prozent. Damit besetzt Jahre später mit dem RSO Stuttgart unter Günter Wand einVinyl schon 4,5 Prozent des gesamten Musikmark- spielte. Die spätere Rundfunkproduktion von 1964 erschien tes. Da will kein ernsthaftes Label mehr abseits stehen, sodass die zuletzt auf einer CD (bei Hänssler) und ist jetzt von dem koreaniwenigen Presswerke derzeit auf Hochtouren arbeiten. Die explo- schen Reissue-Label „Analogphonic“ auf eine 180 Gramm schwere, dierende Nachfrage nach analoger Schallware ermuntert mittler- neu analog gemasterte LP überspielt worden. Sie lässt die Leidenweile auch wieder zahlreiche Anbieter, genuine Digitalaufnah- schaft, die Kultiviertheit und die herzzerreißende Intensität ihres men aus den letzten 30 Jahren auf LPs zu überspielen, was echte Spiels in suggestiver Weise wiederaufleben: Martzy praktiziert da Analog-Freaks mit Skepsis vereine Art musikalischer Perfekfolgen, da sie um die „Reinheit“ tion, die alle Virtuosität hinter und „Authentizität“ ihres Forsich lässt, um zum Wahren, zur mats fürchten. glühenden menschlichen BotSo hat Warner jetzt auf schaft und zur dunklen inneren seinem Label Erato dem 1989 Schönheit des Werks vorzujung verstorbenen amerikanidringen und uns so mit reiner schen Star-Cembalisten Scott Herzensenergie zu erschüttern. Ross eine LP mit 13 ausgewählWilliam „Count“ Basie ten Scarlatti-Sonaten gewidwar neben Duke Ellington der met, die dieser 1984 und 1985 bedeutendste Bandleader des im Rahmen der ersten Gesamt20. Jahrhunderts. Fast 50 Jahre einspielung aller 555 Essercizi lang, bis zu seinem Tod im Jahr des monomanischen Sonaten1984, leitete er sein 17 Mann schreibers Scarlatti in Paris starkes Count Basie Orchestra einspielte, in sage und schreibe vom Klavier aus, sicherte ihm 98 Aufnahmesitzungen und auch nach dem Ende der Bigmit über 8.000 Takes. Diese früband-Ära die Führungsposition hen Digitalaufnahmen erschieals die orchestrale Plattform für nen dann auf insgesamt 34 angehende Top-Musiker. Eines CDs und galten lange als Refeder weniger bekannten Alben renz. Warum man jetzt dem aus seiner Spätphase, das unter exzentrischen Kult-Cembalisdem Titel „High Voltage“ 1970 ten Ross, der nur 38 Jahre alt in New York für das Schwarzwurde, nur diese eine LP zugewälder Jazz-Label MPS produstand und wer die Auswahl ziert wurde, ist jetzt von Edel Star-Cembalist Scott Ross traf, bleibt genauso im Dunaufwendig remastered und in keln wie die bis heute nicht der audiophilen Reissue-Edigeklärten Umstände seines frühen Todes. Für den Ross-Neuling tion AAA auf 180-Gramm-Vinyls wiederveröffentlicht worden. bietet die perfekt gepresste LP dennoch einen guten Einblick in Es enthält zwölf zuvor von Basie noch nie gespielte Evergreens im die rigorose und überaus pointierte Spielweise des Scarlatti-Pio- singletauglichen Drei-Minuten-Format, die der kubanische niers, der hier mit gleichmäßigen Tempi, mit Klarheit und rhyth- Arrangeur Chico O’Farrill mit Basie-typischen, massiv-attackiemischem Drive die unerhörte Modernität Scarlattis an drei histo- renden Bläser-Riffs ausgestattet hatte und die im ständigen Wechrischen Cembali herausarbeitet: Die strukturerhellende, kontra- sel mit seinen eigenen minimalistischen Fingerprints für aufrepunktische Schärfe seines Zugriffs lässt das revolutionäre gende terrassendynamische Effekte sorgten: Kein Wunder, dass Potenzial dieser Arbeiten deutlicher hervortreten als bei vielen, diese hochpräzisen und doch immer unheimlich cool zuschladie Scarlatti auf modernen Flügeln verwässern. genden Bläserattacken bis heute frisch und elektrisierend geblieZu den Ikonen der aktuellen Retrokultur zählt auch die 1924 ben sind und nur Lebensfreude verbreigeborene ungarische Geigerin Johanna Martzy, die nach dem Krieg ten: Diese Musik weckt Tote auf. in die Schweiz übersiedelte und in den 1950er-Jahren einen kurzen Scarlatti: 13 Keyboard Sonatas, Scott Ross, Cembalo ­(Erato); weltweiten Höhenflug als eine der besten Geigerinnen ihrer Zeit Brahms: Violinkonzert D-Dur, Johanna Martzy, erlebte. Sie spielte unter allen großen Dirigenten und hinterließ RSO Stuttgart des SWR, Günter Wand (Analogphonic); nach ihrem frühen Tod im Jahr 1979 keine allzu umfangreiche High Voltage – The Count Basie Orchestra (MPS) Diskografie, deren Einzeltitel aber heute zu astronomischen Prei-

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Irakisches Jugendorchester

Buch

Musizieren unter Lebensgefahr

Dmitri Schostakowitsch

F oto: B a R bara Fro mma n n

Geschichtswispern

„Britischer Maestro für Orches­ tergründung im Irak gesucht“, stand im Oktober 2008 im Glasgow Herald zu lesen. Die 17-jährige Pianistin aus Bagdad, Zuhal Sultan, hatte die Anzeige aufgegeben. Der britische Dirigent Paul MacAlindin meldete sich, ohne zu ahnen, auf welches waghalsige Abenteuer er sich da eingelassen hatte. Sein Buch schildert den mühsamen Aufbau eines kurdisch-arabischen Jugendorchesters im Irak, einem Land, in dem viele die Melodie des Muezzins als einzige Musik gelten lassen und in dem schon auf Musiker geschossen wurde, die sich mit ihrem Instrumentenkoffer zeigten – ganz zu schweigen von musizierenden Frauen. Bemerkenswert: MacAlindin tappt nicht in die Sozialkitsch-Falle, auch, weil viele seiner Schützlinge aus wohlhabenden Familien stammen. Und er idealisiert nichts: Frauenfeindlichkeit und Rassismus einzelner Mitglieder kommen ebenso zur Sprache wie MacAlindins tiefer Zweifel, ob seine jahrelange Mühe Früchte tragen wird. Sehr lesenswert! tpr

„Kunst ist das Flüstern der Geschichte, das durch den Lärm der Zeit zu hören ist.“ Sie gehört weder dem Volk noch der Partei, wie sie einst weder dem Adel noch den Mäzenen gehörte. Doch wie kann man frei sein, wenn man Abend für Abend mit gepacktem Koffer am Fahrstuhl steht und darauf wartet, vom Regime abgeholt zu werden? In Julian Barnes’ „Der Lärm der Zeit“ lauscht der Leser einem inneren Monolog von Dmitri Schostakowitsch. Zuweilen etwas wirr und neurotisch, zuweilen etwas pathetisch meißelt Barnes doch eindrucksvoll die Zerrissenheit des Komponisten zwischen den Repressalien des stalinistischen Regimes, seinem freien, künstlerischen Schaffensdrang und der Verbundenheit zu seinem Heimatland heraus. Nachdem Stalin 1936 erbost eine Aufführung von Schostakowitschs Oper Lady Macbeth von Mzensk verlässt, ist der Komponist fortlaufenden Schikanen ausgesetzt. Wie kann Kunst sich in einer Diktatur entfalten? Wie kann Kreativität mit Unterdrückung fertigwerden? Was sich wie die fiktiven Gedanken einer Romanfigur liest, hangelt sich an gut recherchierten Fakten entlang. Am Ende meint man, Schostakowitsch durch und durch zu verstehen. mg

Paul MacAlindin: „Bis der letzte Ton verklingt. Die Geschichte des irakischen Jugendorchesters“ (Heyne Verlag)

Julian Barnes: „Der Lärm der Zeit“ (Kiepenheuer & Witsch)

Hanna Shybayeva

Hautnahe Präsenz Die Vinyl-Renaissance ermutigt viele Studios zu echten Analogaufnahmen.Das renommierte Bauer-Tonstudio in Ludwigsburg produziert schon seit geraumer Zeit Jazz-Sessions im Direktschnitt unter LiveBedingungen. Jetzt hat die weißrussische Pianistin Hanna Shybayeva dort das erste Klassik­ album aufgenommen und eine bunte Auswahl kürzerer Stücke von Couperin bis Kapustin auf einem wunderbar sonoren Steinway D aus dem Jahr 1927 eingespielt. So hautnah, wie das handverlesene Studiopublikum die prägnant und fast pedallos agierende Pianistin erleben konnte, genießt auch der Hörer der audiophilen LP das wohnzimmer­ artige Flair und die haptische Präsenz der warm timbrierten Aufnahme, die auf magische Weise den wirklichen Klang eines solchen großen Flügels abbildet. Eine solche „menschliche“ Nähe und Anmutung schafft keine Digitalaufnahme. Und Shybayeva meistert die Herausforderung souverän und entpuppt sich am Ende als echte Virtuosin. AC

„Works by Hanna Shybayeva“, mit Werken von Couperin, Scarlatti, Chopin, Debussy, Gershwin, Kapustin (Neuklang)

Finnlands Dirigenten

Weltelite aus dem Norden Vesa Siréns fast 1.000-seitiges Buch „Finnlands Dirigenten“ ist eine so informative wie unterhaltsame Geschichte des Dirigierens in dem kleinen Land, das heute dank seines phänomenalen Erziehungssystems einen Großteil der musikalischen Weltelite stellt. Von Pionieren wie Kajanus und Schnéevoigt ausgehend werden eingehend die Giganten wie Berglund und Segerstam und die Lehrer wie Funtek oder Panula erörtert, bis zu führenden Dirigenten unserer Zeit wie Oramo oder Storgårds. Juha Kangas’ weltweit einzigartige Stellung ist zu kurz abgehandelt. Hauptkapital des Buchs sind die authentischen Zeugnisse der Dirigenten selbst und vieler Musiker, auch Komponisten. Sirén weiß sehr anschaulich zu charakterisieren und verlebendigen, und mit Ausnahme seiner subjektiven Urteile gelingt ihm eine objektiv fesselnde Gesamtdarstellung, aus der die Kapitel über den wilden Georg Schnéevoigt und den großartigen Paavo Berglund herausragen. cs

Vesa Sirén: „Finnlands Dirigenten“ (scoventa) Bamberger Symphoniker

Himmelhoch ­jauchzend

Orchester

Sein Lied von der Erde komponierte Gustav Mahler nur drei Jahre vor seinem Tod und bezeichnete es als sein persönlichstes Werk. An die Interpretation dieser emotional aufgeladenen Komposition haben sich nun die Bamberger Symphoniker unter der Leitung von Jonathan Nott gewagt und zeigen gemeinsam mit den Solisten Roberto Saccà (Tenor) und Stephen Gadd (Bariton), welch klangliche Schönheit im Detail jedes einzelnen Satzes steckt. Vom Trinklied vom Jammer der Erde bis hin zum Abschied überzeugt das Ensemble durch singende Melodien und eine feine Artikulation. Steht im zweiten Teil (Der Einsame im Herbst) der gefühlvolle, romantisch anmutende Ausdruck im Vordergrund, so bereitet im fünften Teil (Der Trunkene im Frühling) auch die keck komponierte Fröhlichkeit dem Orchester keinerlei Schwierigkeiten. Und was wäre Mahlers Lied von der Erde ohne brillante Solisten? Saccà und Gadd erzählen singend die Geschichten, die das Lied von der Erde so einzigartig machen: himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt. mks

Gustav Mahler: „Das Lied von der ­Erde“, Roberto Saccà, Stephen Gadd, Bamberger Symphoniker, Jonathan Nott (Tudor) Track 1 auf der crescendo Abo-CD: Das Trinklied vom Jammer der Erde 39


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Die Christoph-Schlüren-Kolumne

Unerhörtes & neu Entdecktes

Gigantische Vier! Sie sprengen alle Kategorien. Sie lassen Filmhits grooven, erwecken die französischen ­Impressionisten oder durchleuchten Schubert und Mozart. Das „Ebenholzquartett“ Quatuor Ébène ist aus ganz besonderem Holz geschnitzt.

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as 1999 gegründete französische Quatuor Ébène hat sich im vergangenen Jahrzehnt als eines der besten Streichquartette durchgesetzt – und als eine der wenigen Kammermusikformationen, die eine weltweite Fangemeinde haben, exklusiv bei einem Major Label sind und sogar von jenen Kennern hoch geschätzt werden, die sich eigentlich von der Gegenwart verabschiedet haben und nur noch historische Aufnahmen anhören. Und das ausgerechnet bei Musikern, die auch Jazz, Latin Music und Tarantino-Hits spielen – auf einem authentischen Niveau allerdings, wie dies bei klassischen Künstlern kaum je der Fall war. Auf dem Tarantino-Album „Fiction“ sind Eigentümlichkeiten zu bewundern, die auf singuläre Vertiefung hinweisen – nicht nur der Groove, auch das frivole Verschleifen der Intonation und die Kunst, wie schon Sinatra als Lead Vocal eben nicht korrekt, sondern irregulär versetzt mit dem Beat zu spielen. Die Ébènes treten sogar als vierstimmiges BarbershopGesangsquartett auf, mit einer rauchig-üppigen Sinnlichkeit, die uns sofort in eine andere Epoche versetzt. Doch gerade dieses Quartett, das viel besseres Crossover als die ganze Konkurrenz zu bieten hat, fesselt und verzaubert auch in den Streichquartetten von Haydn bis Bartók mit einer heute ganz seltenen Fähigkeit des organischen Spannungsaufbaus, der zusammenhängenden und charakteristischen Darstellung jenseits von Traditionen oder pauschalen aufführungspraktischen Konzepten. Die MozartCD des Quatuor Ébène wurde von Kritikern zwischen höchster Bewunderung und Befremden aufgenommen. Warum? Sie entspricht keiner vorhandenen Kategorie. Es ist zwar historisch informiert, doch in allem so spezifisch flexibel erarbeitet, so einzigartig im Zuschnitt, innig im Ausdruck, unerschöpflich in der Farbpalette und vor allem so bezwingend in der absolut natürlich erscheinenden Dramaturgie, dass man nur von einer Neuentdeckung der Musik sprechen kann. Diese Aufführungen sind von zeitloser Qualität, in ihrer Losgelöstheit alle ideologischen Ansätze transzendierend. Das gilt auch bei Felix und Fanny Mendelssohn, Schubert, Dvořák oder Debussy – wobei die klangliche, expressive und strukturelle Wandlungsfähigkeit frappierend ist, und zugleich ist der Ébène-Klang stets unverkennbar in 40

seiner Wärme, jedes Detail ausleuchtenden Belebung und den Moment erfüllenden Noblesse. „Ébène“ ist Ebenholz und keine Frage: Aus gewöhnlichem Holz ist dieses Quartett nicht geschnitzt.

Der Film ‚4‘ Es ist keine leichte Aufgabe, ein solches Quartett angemessen und attraktiv zu porträtieren. Wie dies dem Münchner Dokumentarfilmer Daniel Kutschinski gelungen ist, übertrifft alle Erwartungen. Auch nach mehrmaligem Ansehen kann ich nur Nicolas Altstaedt beipflichten, der sagt: „Der beste Film über klassische Musik, den ich je gesehen habe. Wahre Kunst.“ Dafür muss einiges zusammenkommen: eine großartige Kameraführung, die das Geschehen mit der ungeminderten Wucht des wahren Lebens einfängt (Arnd Buss – von Kuk), ein hervorragender Ton, der auch im verwirrendsten Tumult alles klar heraushört (Marc Parisotto), schließlich ein final geschnittenes Dokudrama, das aus über 100 Stunden Material ein 94-minütiges, unwiderstehliches Ganzes formt. In diesem Film wird nichts kommentiert, nicht interpretiert! Alles ergibt sich von selbst. Man merkt die Kunst der Zusammenfügung, der dramaturgischen Verdichtung als Zuschauer nicht und genießt die außerordentliche Offenheit und den intimen, doch nie voyeuristischen Einblick in alle Facetten des Musikerlebens unterwegs, den die vier ohne jede Prätention auch in kritischen Momenten gewähren. Sie ließen sich auch bei der Arbeit „in die Karten schauen“, indem die Zusammenarbeit mit dem legendären Streichquartett-Mentor Eberhard Feltz dokumentiert ist – aus welcher Kutschinski mittels virtuoser Schnitttechnik ein fulminantes „Scherzo surrealistico“ gezaubert hat. Dieser mehrfach preisgekrönte Film, der an jeder Schule gezeigt werden müsste als Musterbeispiel dafür, was es heißt, „klassischer Musiker“ zu sein, hat unglaublicherweise noch keinen Fernsehsender gefunden, der ihn zeigen möchte. Doch läuft er derzeit in vielen Städten im Programmkino. Unter diesem Link finden Sie die Kinovorstellung in Ihrer Stadt: www.4-thefilm.com/screenings. Quatuor Ébène: „Fiction“; „Mozart, Dissonances“; „Felix & Fanny Mendels­ sohn“; „Schubert, String Quintet – Lieder“; „Ravel, Debussy, Fauré“ (Warner) www.crescendo.de

April – Mai 2017


h ö re n & s e h e n

Orchestre et Chœur Les Arts Florissants

NDR Elbphilharmonie Orchester

Rarität voll großer ­Emotionen

Vom Hall getragen

Eine echte Rarität in exquisiter Besetzung bot das Pariser Théâtre des Champs-Elisées im Herbst 2015: Theodora, Händels vorletztes Oratorium. 1750 in London (konzertant) uraufgeführt, verschwand es danach rasch in der Versenkung. Zu Unrecht, das zeigt dieser Mitschnitt. Die Geschichte der von den Römern verfolgten frühen Christin Theodora, die mit ihrem Geliebten den Märtyrertod stirbt, thematisiert Glaube, Liebe, Edelmut, Loyalität und Opferbereitschaft. Katherine Watson und Philippe Jaroussky finden dafür anrührende Töne. Stephen Langridge holt das Werk ins Heute, in einen modernen Unrechtsstaat, seine Inszenierung findet zu klaren, eindrücklichen Bildern, lotet Seelenzustände aus, gerät zum hochaktuellen Plädoyer für religiöse Toleranz. Dabei lässt sie Raum für das enorme dramatische wie emotionale Potenzial der Musik. Und das lässt sich Dirigent William Christie natürlich nicht entgehen! ar

Alte Musik

Georg Friedrich Händel: „Theo­ dora“, Katherine Watson, Philip­ pe Jaroussky, Orchestre et Chœur Les Arts Florissants, William Christie (Erato)

Orchester

In rasantem Tempo nimmt das NDR Elbphilharmonie Orchester unter der Leitung von Krzysztof Urbański die Herausforderung, die ein so bekanntes Werk – die 9. Sinfonie von Antonín Dvořák – an die Interpreten stellt, unerschrocken an. Alles, was dem Klangkörper an Dynamik möglich zu sein scheint, wird in der Sinfonie „Aus der Neuen Welt“ ausgereizt und vermischt sich in der pompösen Raumakustik der Hamburger Laeisz­halle zu einem Feuerwerk an orchestralen Farben. Auch das anschließende Werk, das ebenfalls von Dvořák stammende und etwas unbekanntere Orchesterstück „Heldenlied“ op. 111, überzeugt durch eine malerische Spielweise und ausdrucksvolles Musizieren, das durch den großen Hall an Fülle und Klang gewinnt. Aufgenommen wurden die beiden Werke im Dezember 2015 und Juni 2016, anschließend wurden die Bänder editiert. Dies wird leider am dritten Satz der Sinfonie deutlich, da bei der Wiederholung des ersten Parts die ersten vier Takte fehlen und wohl versehentlich herausgeschnitten wurden. mks

Antonin Dvořák: „Symphony No. 9, From the New World; A Hero’s Song op. 111“, NDR Elbphilharmonie Orchestra, Krzysztof Urbański (Alpha) Track 2 auf der crescendo Abo-CD: Scherzo. Molto vivace aus der Sinfonie Nr. 9

Pauline Sachse und Lauma Skride

Überirdischer ­Todesgesang

Kammermusik

Im griechischen Mythos stimmen Schwäne vor ihrem Tod ein letztes, trauriges und überirdisch schönes Lied an, weshalb man das letzte Werk eines Musikers oder Dichters auch als „Schwanengesang“ bezeichnet. So auch Schuberts letzte Lieder, die er 1828 komponierte. Ja, Schubert wusste „Worte in Klänge zu gießen“, wie es im Booklet heißt. Nein aber zu der Behauptung, dass beim Verzicht auf den Text in der ViolaVersion der Inhalt sich umso nachdrücklicher vermittle. Im Gegenteil: Bei einem Lied wie Der Doppelgänger (und nicht nur da) kommt es auf jedes Wort, auf jedes Komma, auf jeden Punkt an. Klavier und Singstimme sind aufeinander angewiesen, ergänzen, bestätigen einander, widersprechen sich aber auch. Das macht die große Kunst Schuberts aus. Andernfalls würde man die Ironie Heines, die Verzweiflung seines Protagonisten, nicht verstehen. Elegisch und technisch stupend musiziert: Schostakowitschs Viola-Sonate von 1975. tpr

Franz Schubert: „Schwanen­ gesang“, Dmitri Shostakovich: „Viola Sonata“, Pauline Sachse, Lauma Skride (Avi) Track 7 auf der crescendo Abo-CD: Ständchen aus dem Schwanengesang


ak u s t i k

So was haben Sie noch nie gehört! Gäbe es einen Verein zum Schutze aussterbender Musikinstrumente, das Trautonium wäre ­garantiert auf der Roten Liste. Liegt das am Klang? ­Überhaupt nicht! Das Trautonium ist wohl einer der größten Pechvögel der Musikgeschichte. Vom Instrument, das aus einer Glühlampe entstand. v o n ma r ia g o e t h

E

s klingt wie eine extravagante Mischung aus E-Orgel, hohen Preises für den Bau eine serienmäßige Produktion begonnen. frühem Synthesizer und kuriosem Akkordeon. Es Tatsächlich war das Trautonium das erste Musikinstrument, für das sieht aus wie eine Kreuzung aus Jukebox, groß dimen- es Leasingverträge gab, die es auch für Normalbürger finanzierbar sioniertem Verstärker und Heimorgel. Ein Besuch bei machten. Sofort begeisterte sich der Komponist Paul Hindemith Peter Pichler, einem der weltweit einzigen Spieler des dafür und komponierte 1930 mit Des kleinen Elektromusikers LiebTrautoniums. Im Münchner Norden versteckt sich sein Studio – linge die ersten ernst zu nehmenden Werke für den „Frischling“ auf bis unter die Decke voll mit Musikinstrumenten-Raritäten und dem Instrumentenmarkt. Sein Schüler Oskar Sala war ohnehin an Elektro-Antiquitäten, etwa einer Sammlung von Super-8-Kameras. der Entwicklung des Trautoniums beteiligt gewesen und avancierte Das Herzstück des Raumes bildet ein sogenanntes Mixturtrauto- darauf schnell zum Virtuosen schlechthin. Auch Filmkomponisten nium, ein Nachbau speziell für Pichler. Aber was hat es mit diesem waren vom ausdrucksgewaltigen Klang des Trautoniums entzückt eigenartigen Instrument auf sich? Seine Geschichte ist mindestens – es entstanden rund 300 Filmmusiken mit ihm, darunter Hitchcocks „Die Vögel“, wo ein Rauschgeso verwunderlich wie sein Klang. nerator im Instrument für das Es ist eine Geschichte des fortwährenden, fulminanten Scheiterns. „es war das erste musikinstrument, Vogelflattern sorgt. Doch mit der Machtergreifung Alles begann in den 1920erfür das es leasingverträge gab, der Nationalsozialisten schwand Jahren mit dem verrückten Erfindas Interesse am Trautonium der und Visionär Friedrich Trautdie es für normalbürger schlagartig dahin. Hindemith wanwein. In Berlin, damals Kultur­finanzierbar machten“ derte aus, etliche Trautoniumhauptstadt der musikalischen Werke des Hindemith-Schülers Avantgarde, tüftelte er an LautspreHarald Genzmer gingen in den chern und den ersten elektronischen Musikinstrumenten. 1930 stellte Trautwein auf dem Berli- Wirren des Zweiten Weltkriegs verloren, und die serienmäßige Proner Fest „Neue Musik“ sein nach ihm benanntes „Trautonium“ vor, duktion wurde eingestellt. Eine zweite Chance hätte das Instrument eine Art Vorläufer des heutigen Synthesizers. Grundprinzip: Über unter Umständen nach dem Krieg bekommen können, doch die eine lange Metallschiene wird ein Draht gespannt, der – für den „neue“ Avantgarde – etwa um Karlheinz Stockhausen – hatte sich Spieler unmerklich – unter elektrischer Spannung steht. Wird die- längst anderen Arten des Klangarrangements zugewandt. Und die ser niedergedrückt, entstehen Töne – und zwar nach dem Prinzip wenigen „Trautonioniten“ hielten nicht zusammen: Oskar Sala der Kippschwingung, das man eigentlich von Glimmlampen her überwarf sich mit Trautwein und Genzmer – es kam sogar zu einem kennt. So lassen sich stufenlos Töne in verschiedensten Frequen- Rechtsstreit bezüglich der Namensrechte am Instrument –, und es zen innerhalb eines immensen Ton- und Lautstärkeumfangs war kein prominenter Lehrer vorhanden, der das komplexe Gerät in erzeugen. Ein Klangfilter ermöglicht ein reichhaltiges Spektrum größerem Stil hätte weitervermitteln können oder wollen. Eine weitere Chance, das Trautonium aus seinem Schatten­ an Farben von „weich“ bis „scharf“. Später erlaubte ein subharmonischer Generator darüber hinaus das Zuschalten verschiedener dasein zu befreien, verpasste Sala, als sich in den 1970er-Jahren die „Untertöne“, also dem Gegenstück der natürlichen Obertonreihe. jungen Musiker der Band Kraftwerk an ihn wandten. Die Künstler Und vor allem: Die Töne ließen sich unmittelbar ins Radio einspei- waren begeistert von elektroakustischen Phänomenen und wollten sen, eine grandiose Lösung für das Problem schlechter Aufnahme- unbedingt mehr über das Trautonium erfahren – doch Sala verstand deren Musik nicht und hielt sich distanziert – nicht ahnend, qualität zu dieser Zeit. Kein Wunder, dass sofort reges Interesse am Trautonium auf- dass Kraftwerk als Pioniere des Elektro-Pop berühmt werden sollkam. So wurde eine Instrumentenschule verfasst und trotz des ten und heute als Erfinder des Techno gelten. 42

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Februar – März 2017


F oto: D i e t mar Zw i ck

Peter Pichler am ­Mixturtrautonium

Das Trautonium Das Trautonium ist ein elektronisches Musikinstrument und Vorläufer des heutigen Synthesizer. Entwickelt haben es 1930 der deutsche Erfinder und Elektro-Pionier Friedrich Trautwein (1888–1956), nach dem es auch benannt ist, und der Komponist und Musiker Oskar Sala (1910–2002). Erstmals öffentlich präsentiert wurde das Trautonium im Rahmen des Berliner Fests „Neue Musik“ 1930. Seit dem Tod Oskar Salas gibt es nur noch sehr wenige Menschen, die das ausgefallene Instrument beherrschen.

1988 entdeckte dann der junge Peter Pichler, damals Student der klassischen Gitarre und Renaissance-Laute am Salzburger Mozarteum, den Klang des Trautoniums. Etwas Derartiges hatte er noch nie gehört, doch es sollte weitere 21 Jahre dauern, bis Kapital, Zeit und Gelegenheit eine intensivere Beschäftigung mit dem Instrument zuließen: 2009 verfasste er ein Theaterstück über die Geschichte des Trautoniums, forscht seitdem intensiv über dessen Historie, Technik und Literatur, ließ verschiedene Versionen davon nachbauen, experimentiert und übt und übt und übt. In der Bayerischen Staatsbibliothek hat er einige Handschriften von verloren geglaubten Trautonium-Kompositionen Genzmers ausgegraben und eingespielt. Soeben sind sie auf CD erschienen. Pichler gibt (stets ausverkaufte) Konzerte, tritt bei Festivals auf, wirkt in Kinderstücken mit, kommuniziert mit Stiftungen und Museen. Weil es sich aber (noch) nicht leben lässt vom Trautonium, arbeitet der Multi-Instrumentalist auch mit Musikern wie Hans Söllner oder Funny van Dannen und unterrichtet an einer Musikschule in Erding bei München. Wird ihm die späte Renaissance des Trautoniums gelingen? Fraglich, denn einmal mehr hat das originelle

Instrument Pech: Während andere kuriose Klangerfindungen aus den1920er-Jahren, wie etwa das Theremin in Russland und die Ondes Martenot in Frankreich, staatliche Förderung erfuhren und teils bis heute erfahren, hat sich Pichler mühevoll die Unterstützung einiger weniger Institutionen – etwa der Harald Genzmer und der Hindemith Stiftung – erkämpft. Und fast alle originalen Instrumente stehen in Museen und sind für das aktive Spiel verloren, dürfen weder verändert noch reproduziert werden. Ein Trautonium des 2002 verstorbenen Oskar Sala, das über einen speziellen Frequenzteiler für Glockenklänge verfügt, steht im Deutschen Museum in München, darf absurderweise aber weder angeschaltet noch für einen Nachbau vermessen werden. So bleibt dieser ausgefallene, eigentümliche Klang vorerst einem kleinen Publikum vorbehalten – eine verlorene und noch nicht ganz wiederentdeckte Musik des 20. Jahrhunderts! n Harald Genzmer: „Works for Mixture Trautonium. From Post War Sounds to Early Krautrock“, Peter Pichler (Paladino Music)

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rä t s e l

Gewinnspiel Was verbirgt sich hinter diesem Text? Die crescendo-Redaktion entdeckte in geheimen Archiven folgende musikwissenschaftliche Analyse eines Ihnen sicher nicht unbekannten Werks. Bis heute konnte sein Komponist nicht zweifelsfrei identifiziert werden, die Quellenlage deutet jedoch auf eine Entstehung im deutschsprachigen Raum des frühen 19. Jahrhunderts hin. Erst aus dem späten 19. Jahrhundert sind verschiedene fragmentarische Abdrucke überliefert. So fanden auch mehrere voneinander abweichende Textfassungen Verbreitung. Allen gemeinsam ist die Bukolik der Dichtung, die mit ihrer Tiermetaphorik (Federvieh am Wasser) zunächst ein friedliches Natur­idyll heraufbeschwört, bevor die Mühsal des Überlebenskampfes und Möglichkeit des Scheiterns anklingen, die der Komponist eindrücklich und drastisch im finalen Quintsprung akzentuiert. Mit dem Manuskript gingen auch die Hinweise zur OriginalInstrumentierung verloren. Vieles deutet darauf hin, dass variable Besetzungen möglich sind. Für die Aufführungspraxis sind heute unzählige Fassungen tradiert und arrangiert, insbesondere für

Kinderchor, Sologesang und kleinere Ensembles. Seine Popularität verdankt das Werk sicher zum einen der packenden Fasslichkeit und illustrativen Kraft seiner Melodien, zum anderen der Zeitlosigkeit seiner assoziationsreichen Bildersprache. Bereits in den ersten beiden Takten des zehntaktigen Werks wird im Duktus beherzten Aufbrechens in aufsteigenden Sekunden schon fast der gesamte Tonraum der Komposition durchmessen, indem eine Achtelbewegung zunächst kontinuierlich höher drängt. Im weiteren Verlauf ertönt ein Motiv aus dem eindringlich vierfach repetierten Spitzenton und seiner auf einer Halben ruhenden Untersekunde. Zweimal wiederholt, steigert es sich in seiner Intensität. Dieses Motiv markiert Höhe- und Wendepunkt des Werks. Leicht variiert rückt der Komponist es um eine Terz hinab – eine vorübergehende Eintrübung, bevor die Melodie sich in einem letzten „Aufschrei“ erneut emporschwingt, um dann radikal in die Tiefe zu stürzen. Auch das strahlende Schluss-C-Dur vermag die Dramatik dieses Sprungs nicht ganz abzumildern. ■

rätsel lösen UND TON koopman gewinnen! Was ist hier gesucht? Wenn ­Sie die Antwort kennen, dann schreiben Sie Ihre Lösung unter dem Stichwort „Alltags-Rätsel“ an die crescendo-­Redaktion, Rindermarkt 6, 80331 München oder per E-Mail an ­redaktion@crescendo.de. Unter den richtigen ­Einsendungen verlosen­wir die Edition „Ton Koopman: Bach, Orgel- und Cembalowerke, Kammermusik, Motetten (Archiv Produktion)“. Einsendeschluss: 20. April 2017. Der Gewinner unseres letzten Alltags-Rätsels ist Helmut Hilberer aus Hamburg. Die Lösung war „Cathy Berberian“.

Der Cartoon Von Benedikt Kobel*

Jung und alt auf einen Blick: der junge Vladimir Horowitz mit dem greisen Vladimir Horowitz vierhändig am Klavier. *Benedikt Kobel ist Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper und zeichnet regelmäßig auf seinem Blog www.staatsoperblog.at. Ausgewählte Zeichnungen finden Sie auch in seinem Buch „Jagdglück“ (Amalthea Verlag).

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April – Mai 2017


Die Seiten der Deutschen Mozart-Gesellschaft

MOZART! SCHWERPUNKT SPURENSUCHE: MONTEVERDI – MOZART – MODERNE

03 06 08 10 12 05+16

SOCIAL SKILLS

Monteverdi, Mozart und ihre glaubwürdigen Operncharaktere

GRENZGÄNGER

Was hat Monteverdi im Jazz zu suchen?

INSZENIERUNG

Der Mozartzeitgenosse Niccolò Zingarelli und seine Oper Giulietta e Romeo

HINSETZEN, SPIELEN, WAS ERKLÄREN Steven Isserlis © Satoshi Aoyagi

Steven Isserlis über Musikvermittlung

MOZART-ORT: MANTUA

Für Mozart eine Bühne, für Monteverdi Karriereschauplatz, für die Gonzagas: ihr Lebenswerk

UNSERE EMPFEHLUNGEN Bücher und CDs


EDITORIAL

Liebe Mitglieder der DMG, liebe Crescendo-Leser, große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Und das gilt nicht nur für das Deutsche Mozart­fest 2017, das, wenn Sie diese Aus­gabe in den Händen halten, bereits bis ins i-Tüpfelchen durchgeplant ist, denn am 19. Mai wird es ja schließlich schon mit dem Konzert »­Teatro ­d’amore« im Augsburger Parktheater eröffnet. Es gilt auch für die großen Ereignisse der Musikgeschichte, wie etwa Wolfgang Amadé Mozarts Meisterwerke, die natürlich nicht über Nacht und aus dem Nichts entstanden sind, sondern bei denen wir mit Recht fragen dürfen, welche Spuren, Vorläufer, Wegweiser ihnen denn voraus­gingen. Spannend? Sehr, zumal in diesem Jahr, in das der 450. Geburtstag Claudio Monteverdis und der 250. Todestag Georg Philipp Telemanns fallen, was uns inspiriert hat, uns – dem dies­ jährigen Mozart­fest-­­Motto und der eigenen Neugier folgend – in dieser Ausgabe auf eine »Spurensuche« zu begeben. Was wir dabei gefunden haben, zeigt einmal mehr, wie unendlich vielfältig und verbindungsreich das künstlerische Schaffen sein kann: Von den »social skills« Monteverdis und Mozarts bis hin zu einigen Musikern, die den »Groove des Jazz« in die Klassik und somit die historischen »Spuren« in die Gegenwart tragen. Unterschiedlichste künstlerische Spuren finden sich auch in ­Mantua, das heute noch den Geist der Gonzagas atmet. Und wir erleben schließlich, im Doppel­interview, zwei ganz unterschiedlichen Auseinander­setzungen mit dem dies­jährigen Lutherjahr. Klar wird dabei schnell: Die Spuren der Vergangenheit sind eigentlich permanent in Be­wegung und werden auf höchst lebendige Weise genutzt, um ­wiederum neue Erkenntnisse oder Kunstwerke zu schaffen. Entsprechend hoch­gespannt er­warten wir das diesjährige Deutsche ­Mozartfest, das unter seinem neuen künstlerischen Leiter Simon Pickel dieses Abenteuer gemeinsam mit hochkarätigen und hochkreativen Künstlern unserer Zeit fortsetzen wird. Bei Ihren ganz persönlichen Entdeckungen auf dieser Spurensuche wünsche ich Ihnen viel Vergnügen und wie immer: Eine spannende Lektüre. Herzlichst, Ihr

THOMAS WEITZEL, Präsident der Deutschen Mozart-Gesellschaft

DOKUMENT

Fundstück

© Jonathan Meese

Dass Wolfgang Amadé Mozart manchem Zeitgenossen als »enfant terrible« galt, brauchen wir hier nicht weiter zu erwähnen, höchstens dass er genau das mit dem Künstler Jonathan Meese gemeinsam hat, der sich dieser Ausgabe nicht nur über Mozart Gedanken macht, sondern anlässlich seiner Teilnahme an der Ausstellung Luther und die Avantgarde auch über die Reformation. Mehr zu ganz unterschiedlichen Ansichten über Kirche und Musik – Stichwort: »Kunst entheiligt alles, auch sich selbst.« – im Doppelinterview ab Seite 14.  ❙

2 Die Seiten der Deutschen Mozart-Gesellschaft


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Monteverdi und Mozart

ESSAY

Äpfel und Birnen oder Verwandte im Geiste?

Orpheus bezaubert die Tiere. Hier auf einem Gemälde des Leandro dal Ponte (auch Leandro Bassano) (1557 – 1622), der aus Venetien stammte.

von Silke Leopold

Knapp zweihundert Jahre trennen Monteverdi und Mozart voneinander. Und es scheint, als hätten sie nichts miteinander zu tun, als gebe es keinerlei Gemeinsamkeiten in ihrem Leben und in ihrer Kunst. Claudio Monteverdi, 1567 als Sohn eines Baders in Cremona, einer wenig bedeutenden Provinzstadt an der Peripherie der Lombardei geboren, war der erste in seiner Familie, der eine Neigung zur Musik erkennen ließ. Das geistige Klima, in das er hineingeboren wurde, war das jener katholischen Reformbestrebungen, die man später als Gegenreformation bezeichnet hat – der Versuch, das gesamte Leben, die Gefühle, den Alltag mit religiöser Inbrunst zu durchtränken. Zeit seines Lebens hat Monteverdi die Ideale der ­Gegenreformation hochgehalten. Nach einem eher mühsamen Start in das musika­ lische Berufsleben gelang es ihm mit 23 Jahren, eine untergeordnete Position in der Hofmusik des Herzogs von Mantua zu erlangen, und er arbeitete sich in den gut zwei Jahrzehnten im Dienst der ­Gonzaga bis zum Hofkapellmeister hoch. Danach wirkte er weitere dreißig Jahre als Kapellmeister an der Kathedrale von San Marco in ­Venedig, in einem Amt, das ebenso viele administrative wie musikalische ­Fähigkeiten erforderte. Monteverdis heute bekannten Meisterwerke entstanden spät in seinem Leben Der geographische Radius seines Wirkens war sehr begrenzt; mit Ausnahme zweier kurzer Reisen im Gefolge seines Herzogs und ­einer Reise noch kürzeren Reise nach Rom verließ er das Gebiet der Poebene nur selten. Hochgeachtet und hochbetagt war er 1643 ­gestorben und, wie für Musiker seiner Zeit üblich, bald danach in Vergessenheit geraten. Seine Musik schlummerte fast drei Jahr­ hunderte in den Archiven, bis sie um die Mitte des 20. Jahrhunderts

wiederentdeckt wurde und eine schier unvorstellbare Renaissance erlebte. Heute ist Monteverdi ein bekannter Name auf den Opernbühnen der Welt und auch in der Kirchenmusik. Wäre Monteverdi freilich in Mozarts Alter gestorben – wir würden kaum etwas von ihm kennen, weder seine Opern noch seine zahl­ reichen anderen musikdramatischen Werke; bei der Uraufführung seiner ersten Oper L’Orfeo 1607 stand er kurz vor seinem 40. Geburts­tag, und die beiden späten ­venezianischen Opern, Il ritorno d’Ulisse in ­patria und L’incoronazione di Poppea, komponierte er als alter Mann mit 73 bzw. 75 Jahren. Und auch was die Kirchenmusik anging, muss Monte­ verdi eher als Spät­entwickler angesehen werden: Als die Marien­vesper 1610 im Druck erschien, war er 43 Jahre alt, und die Veröffentlichung der Selva morale e spirituale 1641 darf gut und gern als eine Art musikalisches Vermächtnis des 73jährigen angesehen ­werden. Wolfgang Amadeus Mozart dagegen, 1756 geboren, wuchs in einer Musikerfamilie auf und wurde, seit sich seine Begabung schon sehr früh gezeigt hatte, von seinem Vater gezielt gefördert. Der Karriere­ weg als Musiker war ihm vorgezeichnet, bevor er sich selbst dafür hätte entscheiden können. Seine Heimatstadt Salzburg war eine fürst­ erz­bischöfliche Residenz, ein Zentrum katholischer Pracht­ent­faltung, und sein Vater als Hofmusiker in die zeremonielle Musik­pflege ein­ gebunden. Schon als Kind lernte er die Welt kennen, trat in Wien und München, Paris und London auf, spielte vor der habsburgischen Kaiserin, dem französischen König und dem Papst in Rom, unternahm mit dem Vater ausgedehnte Reisen nach ­Italien und war schon mit 14 Jahren ein erfolgreicher Opernkomponist. Mit einer festen A ­ nstellung

Die Seiten der Deutschen Mozart-Gesellschaft 3


ESSAY Tamino zähmt die Tiere (Die Zauberflöte). Bühnenbild­ modell (1. H. 20. Jh.), nach dem Kupferstich einer Inszenierung von Josef Schaffer (Brünn 1795)

Mozarts Musik wurde schnell zum Ideal einer zeitlosen Klassik Das Werk, das er bei seinem Tod mit knapp 36 Jahren hinterließ, ist deutlich umfangreicher als das, was wir von dem 76jährigen Monte­ verdi kennen; dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass ­große Teile von Monteverdis Schaffen verlorengegangen sind. Nach seinem Tode geriet Mozart nicht in Vergessenheit – im Gegen­teil: Ein nicht unbeträchtlicher Teil seiner Kompositionen, darunter Opern wie Die Zauberflöte, mehrere seiner Sinfonien, Klavier­konzerte und Streichquartette, aber auch Kirchenmusik, bildeten ein Repertoire, durch das sich die Idee einer »klassischen«, über­zeitlichen Musik herausbildete, einer Musik der Vergangenheit, die es mit der Musik der Gegenwart allemal aufnehmen konnte. Verblüffende Berührungspunkte Auf den ersten Blick gibt es also keine Gemeinsamkeiten zwischen diesen beiden Komponisten, die mehrere Menschenalter voneinander trennen. Dabei hätte Mozart Monteverdis Musik sogar kennenlernen können, denn jener Padre Martini, Musikgelehrter in Bologna, bei dem Mozart auf seiner Italienreise 1770 Unterricht im Kontrapunkt nahm, war der erste, der Monteverdis polyphoner Kunst nach mehr als eineinhalb Jahrhunderten erneut Aufmerksamkeit schenkte und einige seiner Madrigale, darunter das berühmte »Cruda Amarilli«, in seinen Lehrwerken ausführlich besprach. Hat er Mozart vielleicht die regelwidrigen, dem Affektausdruck geschuldeten Dissonanzen in diesem Madrigal gezeigt? Wir wissen es nicht. Und es ginge auch zu weit, wollte man behaupten, dass Mozart möglicherweise von Monte­verdi gelernt haben könnte. Dennoch gibt es Bereiche, bei denen sich verblüffende Berührungspunkte ausmachen lassen, die weniger mit gegenseitiger Beeinflussung zu tun haben als vielmehr mit einem vergleichbaren Zugriff auf bestimmte kompositorische Aufgaben bei allem Unterschied der musikalischen Lösungen. Für Monteverdi, der die später zu einer Epochenwende umgemünzten Begriffe »Prima pratica« und »Seconda pratica« prägte, sollte die neuere die ältere ­Kompositionsweise

Silke Leopold war bis zu ihrer Emeritierung im Jahr 2014 Direktorin des Musikwissenschaftlichen Seminars an der Universität Heidelberg. Sie ist Autorin mehrerer Bücher über Monteverdi und über Mozart.

nicht, als wäre es ein Gänsemarsch der Schreibarten, ablösen, sondern ergänzen; Altes und Neues sollte nebeneinander Bestand haben. Ähnlich dachte Mozart, als er sich 1783 Gedanken darüber machte, wie man ältere mit neueren Schreibarten in der Kirchenmusik verknüpfen könnte, und in der Fragment gebliebenen c-Moll-Messe nach prak­ tischen Lösungen suchte. Musik als Schlüssel zu den Charakteren Für beide Komponisten war die Beschäftigung mit der Macht der Musik eine Herzensangelegenheit. Der antike Orpheus, der einst mit Gesang und Leierspiel die wilden Tiere besänftigt und die Götter der Unterwelt zum Mitleid animiert hatte, war ­Monteverdi eine ganze Oper wert gewesen, und der Gesang des göttlichen Sängers hatte in den fünf Akten der Oper die zentrale Rolle gespielt. Und noch in der Zauberflöte griff Mozart die antike Idee von der Macht der Musik auf, wenn die wilden Tiere durch Taminos Flötenspiel angelockt und handzahm werden. Vor allem in einem aber ähneln sich Monteverdi und Mozart in frappanter Weise – in der Art, wie sie sich ihren Figuren in der Oper kompositorisch n ­ ähern. Beide, jeder mit den musikalischen Mitteln seiner eigenen Zeit, schlüpfen gleichsam in ihre Personen hinein und charakterisieren sie von innen heraus. Mit ihrer Musik werben sie jeweils um Verständnis auch noch für den zweifelhaftesten Charakter und die seltsamste Tat, statt gleichsam von außen mit dem musikalischen Finger auf die Personen zu zeigen und sie als das zu denunzieren, was wir von ihnen halten sollen. So steht selbst ein Monostatos in der Zauberflöte nicht nur als Verbrecher da, sondern darf seine dunklen Machenschaften damit rechtfertigen, dass er sich nach Liebe sehnt. Und auch der lächerliche Vielfraß Iro in Monteverdis Il ritorno d’Ulisse in patria erweckt einen Funken Mitleid, wenn er dem Gespenst des Hungertods durch Selbstmord zuvorkommt. Oper – das war für beide Komponisten nicht etwa eine musikalische Erzählung über Personen, sondern eine durch individuelle Persönlichkeiten, die von der Musik zum Leben erweckt wurden. Beide, Monteverdi wie Mozart, waren in der Lage, mit ihrer Musik die Tiefen, vor allem aber die Untiefen des menschlichen Daseins auszuloten, den Geheimnissen der Seele auf die Spur zu kommen, zwischen den Zeilen dessen zu lesen, was ihre Personen vor sich selbst und vor den anderen glauben machen wollten. Beide vermochten es, mit ihrer Musik, so unterschiedlich diese auch sein mag, aus einer Bühnenrolle einen Menschen von Fleisch und Blut zu formen, der uns auch heute, zweihundert oder sogar vierhundert Jahre später, im Innersten anzurühren vermag.  ❙

4 Die Seiten der Deutschen Mozart-Gesellschaft

Silke Leopold © privat

© Internationale Stiftung Mozarteum

als Hof- oder Kirchenmusiker wollte es freilich nicht klappen, und mit Autoritäten hatte der freiheitsliebende Mozart sehr zum Missvergnügen seines Vaters ein Problem. Den Dienst in der Salzburger Hofmusik quittierte er nach kürzester Zeit, und in Wien sammelte er zwar einige Titel ein, aber bis zu seinem Tode keine feste Anstellung, die ihm regelmäßige Verpflichtungen, aber auch ein regelmäßiges Einkommen eingebracht hätten.


REZENSIONEN

Empfehlungen CDs ­ nwiderstehliche »Engelserotik«. Man kann u sich an diesen Duetten und Arien geradezu berauschen, kann süchtig werden nach dieser flirrenden Stimmklangvereinigung. Valer Sabadus virtuose Darbietung einer Rache-Arie von Antonio Caldara, die bislang noch nie auf CD veröffentlicht wurde, sprengt (wie die Darbietung eines Torelli-­ Konzerts) das Programm und verweist schon auf die Oper. Aber die CD spiegelt ja eben die stilistische Vielfalt des Oratoriums, das nicht selten als verkappte Oper auftrat, in den Musikzentren Bologna, Rom und Neapel innerhalb eines Zeitraums von der Mitte des 17. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts. Das Baseler Kammerorchester begleitet auf historischen Instrumenten, stilistisch wie spieltechnisch souverän.

SACRED DUETS, Nuria Rial (Sopran), Valer Sabadus (Countertenor), Kammerorchester Basel · Sony 88985323612 Die spanische Sopranistin Nuria Rial und der in Rumänien geborene, deutsche Counter­ tenor Valer Sabadus gehören zu den Stars der Alten Musik. Auf ihrem ersten gemeinsamen Album haben sie nicht, wie zu erwarten, Opernduette, sondern sakrale Duette eingespielt, weitgehend unbekannte Arien und Duette aus Oratorien von Alessandro Scarlatti, Giovanni Paolo Colonna, Giovanni Gabrieli, Antonio Lotti, Giovanni Battista Bonnoncini, Bernardo Pasquini und Antonio Caldara. Diese sechs Duette, denen sechs Arien gegenüberstehen, sind aber keineswegs nur lebensmüde Lamenti oder fromme Gebete. Natürlich geht es in ihnen um die Eitelkeit, die Nöte und SorTHE HERITAGE OF MONTEVERDI – gen des »irdischen Jammertals«, aber auch DAS ERBE MONTEVERDIS, Ensemble La um Sehnsucht und Liebe, um Rosen und Fenice, Jean Tubéry, Ricercar · RIC 374 · Zärtlichkeit, Eros und Agape. Schon ­Simone 7 CD Box-Set de Beauvoir wusste: Die Seele kennt kein Während in den Jahrhunderten vor ­Claudio Geschlecht. Also müssen Stimmen nicht Monteverdi Vokalmusik hauptsächlich Chor­ zwangsläufig männlich und weiblich sein, gesang bedeutete, trat im 17. Jahrhundert um Gefühls­duette glaubwürdig zu singen. der Sologesang immer mehr in den Vorder­ Und wenn sie so ideal miteinander harmogrund. Es war der Übergang von der hochnieren, in­ einander verschmelzen wie der entwickelten Polyphonie zur Monodie. Der 19. - 28. MaiSopran DEUTSCHES MOZARTFEST AUGSBURG glasklare von»SPURENSUCHE Nuria Rial mit dem Sänger wird dabei von einer Instrumenten­ - TRACKING MOZART« androgynen Counter Valer Sabadus entsteht gruppe begleitet, die sich ­ lediglich auf

2017

19. Mai | 19.30 Uhr | TEATRO D‘AMORE 25. Mai | 19.30 Uhr | KLAVIERTRIOSPUREN L‘Arpeggiata, Nuria Rial, Vincenzo Capezzuto, Christina Pluhar Sarah Christian, Maximilian Hornung, Fabian Müller 20. Mai | 19.30 Uhr | FROM HAMBURG WITH LOVE Sarah Wegener, Jan Kobow, Benjamin Appl, Raimund Nolte Das Vokalprojekt, Bayerische Kammerphilharmonie Reinhard Goebel 20. Mai | 22.30 Uhr | TANDEM. JAZZ-GIPFELTREFFEN Michael Wollny, Vincent Peirani

26. Mai | 19.30 Uhr | STREICHQUINTETTSPUREN Antje Weithaas, Sarah Christian, Nils Mönkemeyer, Jano Lisboa Maximilian Hornung 27. Mai | 19.30 Uhr | WOHL DEM, DER DEN HERREN FÜRCHTET Windsbacher Knabenchor, Martin Lehmann 27. Mai | 22.30 Uhr | CELLOCLUBBING@MAHAGONI BAR Cellisten des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks Maximilian Hornung, Julian Maier-Hauff

NURIA RIAL BEIM DEUTSCHEN MOZARTFEST · MOZARTSTADT.DE

21. Mai | 19.30 Uhr | WOHIN? WO SOLL ICH HIN? Nuria Rial, La Stagione Frankfurt, Michael Schneider 22. Mai | 19.30 Uhr | LIEBE UND SCHMERZ Sibylla Rubens, Christoph Hammer

28. Mai | 19.30 Uhr | MOZART & STRAUSS RELOADED Steven Issserlis, Alexander Sitkovetsky, Georgy Kovalev Ziyu Shen, Augsburger Philharmoniker, Domonkos Héja

19.05.2017 · 19.30 Uhr: Teatro d’amore mit L’Arpeggiata 21.05.2017 · 19.30 Uhr: Wohin? Wo soll ich hin? mit La Stagione Frankfurt

23. Mai | 19.30 Uhr | HÄNDL UND BACH NeoBarock

24. Mai | 19.30 Uhr | FESTIVAL DER ARD-PREISTRÄGER Daniela Koch, Aris Quarte , Agnès Clément 24. Mai | 22.00 Uhr | RETROSPEKTIVE Ensemble SoundLeaks

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korde beschränkt. Man spricht in der Ak­ Musik­geschichte deshalb auch vom General­ basszeitalter und bezeichnet damit ungefähr den Zeitraum zwischen 1600 und 1750. Monteverdi, 1567 geboren, war herausragender Repräsentant dieser Zeitenwende. Aber er war weit mehr. Musik sollte bei Monteverdi die Aussage des Textes und die Schilderung und Erweckung des indi­ viduellen menschlichen Gefühls intensivieren, in der von ihm erfundenen Oper, in den Madrigalen, aber auch im Nichtvokalen. Monteverdi hat, salopp gesagt, die Musik neu erfunden. Das hatte Folgen. Welche, demonstriert beispielhaft das französische Ensemble La Fenice mit seinen Musikern, die der Zinkenist Jean Tubéry seit 1990 im Burgund um sich versammelt hat. In einer 7-CD-Box mit Instrumentalund Vokalstücken sind einige der faszinierendsten, preisgekrönten Aufnahmen, die zwischen den Jahren 1995 und 2000 entstanden sind, vereint und bilden so etwas wie eine Anthologie der italienischen Musik des frühen 17. Jahrhunderts. Um die z­ entrale Figur Claudio Monteverdis hatte sich damals eine illustre Gruppe von Komponisten versammelt: Salomone Rossi, Biagio Marini oder Dario Castello, Weggefährten in Mantua und Venedig. Andere wie Sigismondo ­d’India, Tarquinio Marula, Francesco Cavalli oder Alessandro Grandi stehen für die ungeheure musikalische Qualität dieser Epoche in anderen Musikzentren. Doch auch weniger bekannte Komponisten im Fahrwasser Monteverdis sind in dieser Schatzkiste zu finden. Die Mitglieder des Ensembles La Fenice sind gefragte Virtuosen ihres Instruments, aber auch die Sänger und Sängerinnen »Les favoriti de la Fenice« zählen zu den bedeutendsten Interpreten der Musik des siebzehnten Jahrhunderts und stehen seit mehr als zwanzig Jahren im Rampenlicht der nationalen und internationalen Szene. Zu Recht, denn ihre stilistische Präzision, musikalische Beredtheit und überschäumend phantasievolle Vortragsweise kann nicht anders als mitreißend genannt werden. Rezensionen von Dr. Dieter David Scholz

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Die Seiten der Deutschen Mozart-Gesellschaft 5


KONTEXT

Michel Godard (ganz rechts) und Musiker aus Klassik und Jazz während der Aufnahmen zur Monteverdi-CD »Trace of Grace« in Südfrankreich

von Constantin Alexander Schon lange gibt es keine starren Grenzen mehr zwischen unterschiedlichen musikalischen Genres. Musiker wie Michel Godard, Michael Wollny, Raphael Merlin loten mit Leidenschaft und einer gefühlte Leichtigkeit aus, was im Spannungsfeld Klassik, Jazz, Pop, Weltmusik und Rock möglich ist – ganz in der Tradition des musikalischen Erneuerers Mozart. Für viele Zeitzeugen war der junge Musiker ein Affront. Auch wenn er musikalisch zunächst weitgehend althergebrachten Traditionen folgte, seine fortwährenden Provokationen und sein Spiel mit den Konventionen brachten ihm auch viel Tadel ein. Aus den zur Verfügung stehenden Mitteln formte er eine eigene, sehr individuelle und persönliche Klangsprache und schuf so einen Kontrast zu seinen Zeitzeugen, was ihm mitunter Naserümpfen und Neid einbrachte. Doch im Nachhinein lag er mit seiner grenzüberschreitenden Art, einmalige Musik zu schaffen und zu leben genau richtig. Die Rede ist selbstverständlich vom großen Freigeist der Klassik, von Wolfgang Amadé Mozart. Heavy Metal und Sinfonieorchester – Gegensätze ziehen sich an Mehr als 220 Jahre und diverse Provokationen, Diskussionen und Aufreger später scheint es, als sei der große Kampf um Reinheit in der Klassik ein wenig abgekühlt. Auch wenn es weiterhin Puristen gib, die fordern, dass jedes Stück Musik klar einem Genre zuzuordnen ist, setzen sich immer häufiger Instrumentalisten, Komponisten, aber auch Gruppen durch, die mit Leidenschaft, Leichtigkeit und großer Kreativität Elemente aus höchst unterschiedlichen Richtungen zu etwas Neuem vereinen. Und viele von ihnen haben sogar großen Erfolg über die Szene hinaus, sei es in der Rockmusik, wie beim Album »S & M« der Heavy-­Metal-Superstars Metallica aus dem Jahr 1999, das sie gemeinsam mit dem San Francisco Symphony Orchester aufgenommen haben oder die Ausflüge in Pop und Hip-Hop des Geigers David Garrett. Auch der Multiinstrumentalist und Produzent Konstantin Gropper, vor ­allem durch sein Projekt Get Well Soon bekannt, verwebt klassische Elemente in zeitgenössische Popproduktionen, wie beispielsweise beim Nummer-1-Album »Hinterland« des Rappers Casper aus dem Jahr 2013 – immerhin einer der erfolgreichsten Hip-Hop-Künstler Deutschlands zur Zeit. Auch das Trio Brandt Brauer Frick schuf mit seiner repetitiven, sample-artigen Musik einen perfekten Hybrid zwischen Klassik und Techno.

»Es gibt viele Berührungspunkte zwischen den Genres« Auch in der Klassikszene begegnen einem sehr erfolgreiche Beispiele, die – ganz im Sinne von Mozart – Grenzen nicht beachten, sich gleichzeitig aber auch auf althergebrachte Traditionen zurückbesinnen und so etwas komplett Neues schaffen. Eines der prominentesten Beispiele derzeit ist Michel Godard. Mit seinem Projekt »Monteverdi. A Trace of Grace« zeigt der Franzose seit 2011, wie so ein Ansatz gelingen kann: Das Trio Alte Musik um Guillemette Laurens (Mezzosopran), Bruno Helstroffer (Theorbo) und Fanny Paccoud (Barockvioline) trifft dabei auf das Trio Jazz um Gavion Murgia (Saxofon), Steve Swallow (E-Bass) und eben Michel Godard mit E-Bass und seinem Markenzeichen, dem alten Blechblasinstrument Serpent. Für Godard selbst zeigt dieses Projekt, wie nah Jazzmusiker von heute einem Komponisten aus Monteverdis Zeit sein können und wie viele Berührungspunkte zwischen den vermeintlich unterschied­ lichen Stilen bestehen: »Dass der Komponist gleichzeitig immer auch Interpret ist, ist dabei die stärkste Gemeinsamkeit«, erklärt Godard, der von Grenzen in der Musik generell wenig hält. »Grenzen sind immer künstlich. Unsere Epoche leidet unter zu vielen Begrenzungen, überall. Deshalb ist es wichtig, kreativ zu sein und aus gewohnten Bahnen auszubrechen.« Und das hört man bei »Monteverdi. A Trace of Grace«. Besonders deutlich kommt das im Zusammenspiel aus groovigen Bass­läufen und Melodien zum Vorschein, die hypnotisch mäandern und so einerseits immer wieder eindeutig nach Barock klingen, dann ­wiederum an die Improvisationen des Jazz erinnern – mit einer Leichtigkeit, die in vielen klassischen Produktionen bei allem ernsten Reproduzieren mitunter fehlt. Auch wie die Musiker ihre Körper auf der Bühne einsetzen und komplett darin aufgehen, gleichzeitig sich selbst immer wieder zulächeln, erinnert eher an einen Jazz-Klub als an eine altehrwürdige Konzerthalle.

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© Ionut Dipse

Grenzenlose Musik


19. - 28. Mai

2017

DEUTSCHES MOZARTFEST AUGSBURG »SPURENSUCHE - TRACKING MOZART«

19. Mai | 19.30 Uhr | TEATRO D‘AMORE 25. Mai | 19.30 Uhr | KLAVIERTRIOSPUREN L‘Arpeggiata, Nuria Rial, Vincenzo Capezzuto, Christina Pluhar Sarah Christian, Maximilian Hornung, Fabian Müller 20. Mai | 19.30 Uhr | FROM HAMBURG WITH LOVE Sarah Wegener, Jan Kobow, Benjamin Appl, Raimund Nolte Das Vokalprojekt, Bayerische Kammerphilharmonie Reinhard Goebel 20. Mai | 22.30 Uhr | TANDEM. JAZZ-GIPFELTREFFEN Michael Wollny, Vincent Peirani

26. Mai | 19.30 Uhr | STREICHQUINTETTSPUREN Antje Weithaas, Sarah Christian, Nils Mönkemeyer, Jano Lisboa Maximilian Hornung 27. Mai | 19.30 Uhr | WOHL DEM, DER DEN HERREN FÜRCHTET Windsbacher Knabenchor, Martin Lehmann 27. Mai | 22.30 Uhr | CELLOCLUBBING@MAHAGONI BAR Cellisten des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks Maximilian Hornung, Julian Maier-Hauff

MICHAEL WOLLNY & VINCENT PEIRANI BEIM DEUTSCHEN MOZARTFEST · MOZARTSTADT.DE

21. Mai | 19.30 Uhr | WOHIN? WO SOLL ICH HIN? Nuria Rial, La Stagione Frankfurt, Michael Schneider 22. Mai | 19.30 Uhr | LIEBE UND SCHMERZ Sibylla Rubens, Christoph Hammer 23. Mai | 19.30 Uhr | HÄNDL UND BACH NeoBarock

28. Mai | 19.30 Uhr | MOZART & STRAUSS RELOADED Steven Issserlis, Alexander Sitkovetsky, Georgy Kovalev Ziyu Shen, Augsburger Philharmoniker, Domonkos Héja

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20. Mai 2017 · 22.30 Uhr: Tandem. Jazz-Gipfeltreffen

24. Mai | 19.30 Uhr | FESTIVAL DER ARD-PREISTRÄGER Daniela Koch, Aris Quarte , Agnès Clément

Michael Wollny & Vincent Peirani

Constatin Alexander © Kevin Münkel

Den »Groove des Jazz« vermißte Godard Dass Godard die Erwartungen eines Publikums in letzterer aber ohne Probleme erfüllen würde, zeigt allein schon sein musikalischer Lebensweg: Er genoss ein klassisches Musikstudium am Musikkonservatorium in Besançon und Paris, spezialisiert auf Trompete. Für ihn bis heute das Fundament seiner Arbeit: »Die Tatsache, dass ich eine hochkarätige klassische Ausbildung und lange mit und in dieser Welt gelebt habe, erlaubt es mir, Komponisten und Musiker der Vergangenheit besser zu verstehen«, erklärt er. Schon während des Studiums interessierte er sich aber auch für Musik aus anderen Genres, so dass die eigene persönliche Weiterentwicklung zum Jazz aus seiner Sicht nur natürlich war. »Der ›Groove‹ des Jazz beflügelt mich«, so Godard. »Und in bestimmten romantischen oder zeit­genössischen Kompositionen fehlt er mir.« Dagegen seien die treibenden bis hypnotischen Rhythmen aus seiner Sicht besonders in Alter Musik sehr präsent. Das Starre, mathematisch Korrekte liegt für ihn in der Zeit dazwischen. Und auch die Freiheit bei voller ­Instrumentenbeherrschung gab es für ihn in der Alten Musik und wurde dann zuerst von Jazz-Musikern wieder entdeckt. Ist die freiheitliche und offene Herangehensweise an Klassik oder Jazz also im Grunde nur eine Art musikalischer Rückblick? Ganz allein ist er mit dem Ansatz nicht. Einen ähnlichen Weg, doch mit ganz anderem Ergebnis, geht der süddeutsche Jazzpianist ­Michael Wollny, der auch am 20. Mai im Rahmen des Mozartfests 2017 auf dem Jazz-Gipfeltreffen auftreten wird. Sein Erfolg beruht aus Sicht vieler Kritiker auch darauf, dass er nicht so einfach kategorisiert werden kann mit seinem Ansatz. Die Hörer und Zuschauer auf den Konzerten scheinen es ihm zu danken. Das Quatuor Ebène als »boy band« der Ernsten Musik (Gedachte) Grenzen einreißen und frei und leidenschaftlich Kunst schaffen – etwas, das angesichts der politischen Lage schon metaphorisch wirkt, bei ­Michel Godard, Michael Wollny oder auch bei ­Raphael Merlin sorgt es für höchsten Klanggenuss und komplett neue Musikwelten. Spätestens seit die New York Times Merlins Ensemble Quatuor Ebène attestierte, auf einmalige Art und Weise zwischen

© Julien Mignot

© Jörg Steinmetz

24. Mai | 22.00 Uhr | RETROSPEKTIVE Ensemble SoundLeaks

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Quatuor Ebène

klassischem Streichquartett und Jazzband wechseln zu können, g­ elten sie als die aktuelle »Boyband« der ernsten Musik. Merlin selbst kam 2002 zur 1999 gegründeten Gruppe dazu und erwähnte in einigen Interviews bereits, wie stark er sich am Anfang auf das Cello konzentrieren und andere musikalische Aspekte wie Jazzpiano vernachlässigen musste. 2008 kam es dann bei einem Konzert in New York zu der bereits beschriebenen Metamorphose auf der Bühne von einem reinen Klassikensemble zu einer Gruppe, die neben Jazz auch mal Musik aus Quentin-Tarantino-Filmen interpretiert. Dabei scheint dem Quatuor Ebène selbst das Genre egal, als Ziel beschreiben die Musiker hingegen, dem Publikum die perfekte Farbe einer Harmonie präsentieren zu können. Musikgenuss über alle Grenzen erhaben eben. Michel Godard findet diesen Ansatz ebenfalls richtig: »Mentale Grenzen, die Musiker daran hindern, sich frei auszudrücken, gibt es auf vielen Ebenen«, so Godard, der neben seinen Musikprojekten auch am Pariser Konservatorium unterrichtet. »Seit Urzeiten, und das hat sich nicht verändert, muss der kreative Musiker Mittel und Wege finden, Hindernisse zu umgehen, um seine Freiheit zu finden, und das ist nicht einfach.« Wie schwierig so etwas sein kann, das wusste auch das große Vorbild im Hinblick auf grenzenlose Kreativität – Mozart. Für Godard ist er deshalb auch ein Beispiel und Vorbild für Musiker auf der Suche nach tiefer und unverzichtbarer künstlerischer Befriedigung: »Ganz gewiss ist Mozart der Musiker, der das Bedürfnis nach künstlerischer Freiheit am Besten verkörpert«, erklärt Godard. Man wisse heute, wie sehr Mozart unter den absolutistischen Machtstrukturen seiner Zeit litt. »Dennoch hat er komponiert, improvisiert, darunter die schönste Musik der Welt.«  ❙

Constantin Alexander hat Mandoline und Gitarre spielen gelernt und viel mit Synthesizern experimentiert. Er pendelt als Nachhaltigkeitsberater und Journalist für Kultur- und Wirtschaftsthemen zwischen Berlin und Hannover.

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Alle Fotos © Annemone Taake

INSZENIERUNG

Spurensuche in jede Richtung Die erste szenische Wiederaufführung der Oper Giulietta e Romeo seit Niccolò Zingarellis Lebzeiten 3. Akt: Giulietta (Emilie Renard) stirbt in den Armen ihres Vaters Everardo (Zachary Wilder)

von Dr. Dieter David Scholz In Neapel ist Wolfgang Amadé Mozart nur kurz, im Sommer 1770, zu Gast gewesen. Damals studierte ­Niccolò Zingarelli noch an einem der dortigen Konservatorien. Kennengelernt haben sie sich also wohl kaum. Aber dass sie Kinder derselben musikalischen Epoche sind, hört man sofort. Wer sich mit dem musikalischen Umfeld Mozarts weiter vertraut machen will, darf also getrost Zingarelli auf seiner »­Spurensuche« näher rücken. Aber auch für sich genommen ist die Wiederaufführung von Giulietta e Romeo in Heidelberg eine echte Entdeckung. Seit 2011 unternimmt das Theater Heidelberg den Versuch, in ­einem auf sieben Jahre angelegten Projekt vergessene Meisterwerke der ­neapolitanischen Opernschule vorzustellen. In einem eigenen Festival »Winter in Schwetzingen« führt es diesen Zyklus im Rokoko­ theater des Schlosses auf. Er wird in diesem Jahr mit einer Oper von Porpora abgeschlossen werden. Nach Werken von Scarlatti, ­Porpora, Durante, Traetta, Vinci und Jommelli in den vergangenen Jahren grub man am 25. November 2016 Niccolò Antonio Zingarellis Oper Giulietta e Romeo aus. Nachdem man das Werk im Mai 2016 konzertant bei den Salzburger Pfingstfestspielen präsentierte, war es die erste szenische Wiederaufführung seit 1836. Anklänge an Mozart, Rossini und Bellini Niccolò Antonio Zingarelli, drei Jahre vor Mozart geboren, überlebte diesen um sechsundvierzig und Bellini, seinen berühmtesten Schüler, um zwei Jahre. Als Zingarelli im Jahr 1837 starb, hatte sich Ros­ ucia sini bereits von der Bühne zurückgezogen und Donizetti mit L di Lammermoor eines der Meisterwerke der italienischen romantischen Oper geschrieben, deren Wahnsinnsarie als später Reflex der Ombra-Arie in Zingarellis Giulietta e Romeo verstanden werden darf. Zingarelli war zu seiner Zeit außerordentlich berühmt und, mit nicht weniger als 38 Bühnen­werken, sehr produktiv. Seine Oper Giulietta e Romeo, uraufgeführt 1796 an der Mailänder Scala, war über 30 Jahre ein Erfolgsstück auf nahezu allen europäischen Opernbühnen, bis es von der Romeo und Julia-­Vertonung ­seines Schülers Bellini verdrängt

wurde. Die letzte Aufführung von Zingarellis Oper fand 1829 an der Münchner Hof­oper statt. Das Theater Heidelberg hat sich 187 Jahre danach entschlossen, dieses Werk dem Vergessen zu entreissen. Zu Recht, denn ­Antonio ­Zingarelli (1753–1837) war der letzte Vertreter der neapolitanischen Barockoper und doch zugleich Visionär des ­Zukünftigen. Er ­wurzelte als Komponist unüberhörbar im neapolitanischen Barock, was seine Klangästhetik und sein Kompositionshandwerk betraf, aber er schlug eine Brücke über die Klassik bis zur Belcanto-­Oper des 19. Jahrhunderts. Man muss keineswegs die Ohren spitzen, um bei ihm bereits vorweggenommene Anklänge an Mozart, Rossini und Bellini zu hören. Zingarelli und sein Librettist Giuseppe Maria Foppa halten sich frei an Shakespeares Handlung, wie sie auch von späteren Komponisten vertont wurde, aber die Besetzung der Gesangspartien entspricht noch ganz der Opera seria der neapolitanischen Schule, auch wenn die Oper musikalisch mit der spätbarocken Seria, zumal dem metastaniasischen Opernmodell, nicht mehr wirklich viel zu tun hat. Neuartig ist vor allem die Aufwertung des Chors, den Zingarelli à la Gluck ins dramatische Geschehen einbindet. Die Musik mischt matorische und lyrische Passagen. Da-capo- und liedhafte dekla­ ­Arien wechseln sich ab. Accompagnato-Rezitative, aufwendige Ensemble- und Chorszenen sorgen für vorwärtstreibende Dramatik. Im letzten Akt gelingt Zingarelli mit Romeos berühmter Ombra-­ Arie in der Gruft der scheintoten Geliebten vor dem tragischen

8 Die Seiten der Deutschen Mozart-Gesellschaft


Dr. Dieter David Scholz © privat

1. Akt: Trügerische Hochzeitsgesellschaft von Giulietta (Emilie Renard) und Teobaldo (Namwon Huh), bei der die Tragödie ihren Lauf nimmt

1. Akt Ende: Fechtszene. Romeo tötet Teobaldo (Namwon Huh)

­ oppelselbstmord ein Hit, der über drei Jahrzehnte das Opern­ D publikum Europas begeisterte. Die Partie des Romeo wurde in dieser ersten italienischen Romeo und Julia-Oper ursprünglich für den Kastraten Girolamo ­Crescentini geschrieben. In späteren Bearbeitungen brillierten darin Maria ­Malibran und Giuditta Pasta. Bellini hat diese Partie in seiner Ver­ tonung des Stoffs, in I Capuleti e I Montecchi, schon als Hosenrolle für einen Mezzosopran geschrieben.

Felice Venanzoni sieht die Zeit noch nicht gekommen für einen ­ uristischen Zingarelli, da die Musikwissenschaft jetzt erst anfange, p sich für Zingarelli zu interessieren und bekannte, wie schwer es gewesen sei, eine eigene Fassung zu erarbeiten.

Mehr als dreißig verschiedene Fassungen existieren In Schwetzingen sang der koreanisch-amerikanische Countertenor Kangmin Justin Kim den Romeo. Er verfügt über eine enorm ausdrucksvolle Stimme und brilliert mit atemberaubenden Verzierungen. Aber nicht nur er, auch Emilie Renard als anrührende Giulietta, der Tenor Zachary Wilder und die übrigen Solisten der ­Produktion, ausnahmslos sehr junge Sänger, zumeist Spezialisten der Alten ­Musik, begeisterten das Premierenpublikum. Zweifelhaft ist allerdings die arg eingestrichene Fassung, die man in Schwetzingen präsentierte. Felice Venanzoni, der die Rezitative selbst am Hammerflügel begleitete, animierte das Philharmonische Orchester Heidelberg zu lustvollem Musizieren auf modernen Instrumenten, aber durchaus historisch informiert. Der von Ines Kaun einstudierte Chor des Theaters Heidelberg sang und agierte engagiert. Man spielte eine Mischfassung aus Versionen der Oper, die in Archiven und Bibliotheken in Mailand, Bologna, Wien und Turin liegen. Der Musikwissenschaftler Aldo Salvagno hat für Schwetzingen eine eigene Fassung erarbeitet, da es keine Originalfassung, schon gar nicht letzter Hand, gibt. Mehr als 30 verschiedene Fassungen existieren. Das Werk ist an ver­schiedenen Orten immer wieder und in immer neuen Bearbeitungen aufgeführt worden. Dirigent

Quirlige Personenführung Weniger schwer tat sich das Regieteam von Nadja Loschky und ­Thomas Wilhelm mit der szenischen Realisierung von Zingarellis Oper. Ohne großen Aufwand und weitgehend ohne regieliche Mätzchen haben sie die Shakespearesche Liebestragödie erzählt, einleuchtend, wenn auch nicht spektakulär. Ausstatterin Daniela Kerck hat dem Prinzip Sparsamkeit folgend, eine schwarze Bühne gebaut, auf der es nur wenige Podeste, Tische und Stühle gibt. Der Einsatz schwarzer Schleier und Zwischenvorhänge, eine quirlige Personen­führung und spektakuläre Fechtszenen, die an Straßenkämpfe verfeindeter Jugendgangs von heute erinnerten, verliehen der Auf­führung große Lebendigkeit. Die Kostüme von Violaine Thel spannten einen Bogen von der Shakespearezeit zur Jeanskultur von heute. In der Schlussszene leuchtete über Allem der Neon-Schriftzug »And Peace Enters Our Homes«. Eine sinnige Idee: Barock ist Vergangenheit. Kein Happy End. Jeder stirbt für sich. Das weist zurück auf romantische Tragik, die Zingarellis Werk schon voraus­ahnte. »Spurensuche« also in jede Richtung. Eine überzeugende Inszenierung einer vergessenen, faszinierenden Oper des Übergangs.  ❙ Dr. Dieter David Scholz (Berlin) ist Musikjournalist in ARD-Hörfunk und Printmedien, Buch- und Programmheft-Autor, Moderator und war viele Jahre Jury-Mitglied (Operngesangswettbewerbe und u. a. auch des Preises der Dt. Schallplattenkritik) und Mitglied des künstlerischen Beirates der Kunststiftung Sachen-Anhalt.

Die Seiten der Deutschen Mozart-Gesellschaft 9


MUSIKVERMITTLUNG

© Satoshi Aoyagi

Ein Kind, das Mozart singt, ist ein glückliches Kind

Im Terminkalender des Cellisten Steven Isserlis hat die Nachwuchsförderung ihren festen Platz. Nicht nur mit den Meisterkursen, die er in seinem renommierten »International Musicians Seminar Prussia Cove« in Cornwall gibt. Sondern auch mit Konzerten für Kinder und seiner zweiten Leidenschaft, dem Bücher schreiben. Im Mai ist er beim Deutschen Mozartfest in Augsburg Solist des Abschlußkonzertes. An einem kalten Wintertag in Luzern hat er mit uns über seine pädagogische Arbeit gesprochen. Sie haben Ihr Buch »Warum Händel mit Hofklatsch hausierte«, in dem Sie so locker und informativ über das Leben berühmter Komponisten plaudern, den »jungen Freunden« gewidmet, deren »Gesellschaft alles erst lohnenswert macht«. Warum? Ich bin gerne unter Kindern und jungen Leuten, aber auch unter alten Leuten. Viele meiner Freunde sind um die 90. Mir macht es Spaß, Kinder mit Musik in Kontakt zu bringen. Vielleicht hat mich mein Sohn dazu angeregt. Er ist jetzt 26. Als er klein war, brachte ich ihm viel bei, über Komponisten und ihr Leben. Und deswegen schrieb ich auch diese Bücher. Das erste entstand, als er neun Jahre alt war. Zugleich haben Sie aber auch eine literarische Ader. Das ist meine zweite Leidenschaft jenseits der Musik, die Bücher. Ich lese ständig und habe immer schon gern geschrieben, neben Artikeln und CD-Booklets nun auch schon drei Bücher. Das Neueste ist eine Aktualisierung von Robert Schumanns »Haus- und Lebens­ regeln«, da habe ich noch einiges drum herum geschrieben. Wie ist es mit der Musikvermittlung im Konzert. Denken Sie, in dem ­Bereich wird mittlerweile genügend angeboten? Mengenmäßig schon. Aber ich denke, wem es keinen Spaß macht, der sollte es lieber nicht anbieten. Ich arbeite sehr gern mit Kindern zusammen. Die Fragen, die sie stellen, sind wunderbar, auch die Art, wie sie zuhören. Ich habe nichts gegen spezialisierte Musikvermittler, die solche Konzerte moderieren, die können sehr gut sein. Aber es nicht das Gleiche, als wenn sich ein Musiker einfach hinsetzt und spielt. Wenn ich Kinderkonzerte gebe, spiele ich das gleiche Repertoire wie für Erwachsene, nur in kürzeren Abschnitten und ich erzähle mehr. Das ist der einzige Unterschied.

Wie machen Sie das genau? Ich erzähle Geschichten dazu oder rede darüber, wovon das Stück meiner Ansicht nach handelt, worauf sie hören sollen. Kinder sind sehr intelligent. Ich rede mit ihnen nicht groß anders als mit Erwachsenen. Das wäre herablassend. Deswegen mag ich die üblichen Vermittlungskonzerte auch nicht, mit Händeklatschen und Musik-­ Spielchen. Das geht vielleicht noch für die ganz Kleinen, aber die Kinder, für die ich spiele, mit sieben, acht Jahren, die können wirklich Beethoven oder Bach zuhören. Muss man in der Lage sein, die Musik mit den Ohren der Kinder hören, um sie ihnen auch vermitteln zu können? Arthur Schnabel sagte einmal »Mozart ist sehr einfach für Kinder und sehr schwierig für Erwachsene.« Als Musiker muss man sich diese anfängliche Einfachheit und Direktheit bewahren. Wenn das dahin ist, ist das ein Unglück, dann hat man viel verloren. Ist Musik wichtig für die kindliche Entwicklung? Ja, sie trägt viel dazu bei. Man wird kein Kind finden, das Mozart singt und Drogen verkauft. Das passt nicht zusammen. Ein Kind, das Mozart singt, ist ein glückliches Kind. Wenn man Ihre Tournee-Pläne als Solist sieht, ist es erstaunlich, dass Sie dafür noch Zeit finden … Das ist keine Selbstlosigkeit, es macht mir Spaß und gibt mir Genugtuung. Ein kindliches Publikum ist auch sehr ehrlich. Kinder klatschen nicht aus Höflichkeit, sondern nur, wenn sie etwas genießen. Sie zeigen aber auch, wenn es ihnen nicht gefällt.

10 Die Seiten der Deutschen Mozart-Gesellschaft


19. - 28. Mai

2017

DEUTSCHES MOZARTFEST AUGSBURG »SPURENSUCHE - TRACKING MOZART«

19. Mai | 19.30 Uhr | TEATRO D‘AMORE 25. Mai | 19.30 Uhr | KLAVIERTRIOSPUREN L‘Arpeggiata, Nuria Rial, Vincenzo Capezzuto, Christina Pluhar Sarah Christian, Maximilian Hornung, Fabian Müller 20. Mai | 19.30 Uhr | FROM HAMBURG WITH LOVE Sarah Wegener, Jan Kobow, Benjamin Appl, Raimund Nolte Das Vokalprojekt, Bayerische Kammerphilharmonie Reinhard Goebel 20. Mai | 22.30 Uhr | TANDEM. JAZZ-GIPFELTREFFEN Michael Wollny, Vincent Peirani

26. Mai | 19.30 Uhr | STREICHQUINTETTSPUREN Antje Weithaas, Sarah Christian, Nils Mönkemeyer, Jano Lisboa Maximilian Hornung 27. Mai | 19.30 Uhr | WOHL DEM, DER DEN HERREN FÜRCHTET Windsbacher Knabenchor, Martin Lehmann

STEVEN ISSERLIS BEIM DEUTSCHEN MOZARTFEST 28.05.2017 · 19.30 Uhr: Mozart & Strauss reloaded MOZARTSTADT.DE

21. Mai | 19.30 Uhr | WOHIN? WO SOLL ICH HIN? Nuria Rial, La Stagione Frankfurt, Michael Schneider 22. Mai | 19.30 Uhr | LIEBE UND SCHMERZ Sibylla Rubens, Christoph Hammer 23. Mai | 19.30 Uhr | HÄNDL UND BACH NeoBarock

24. Mai | 19.30 Uhr | FESTIVAL DER ARD-PREISTRÄGER Daniela Koch, Aris Quarte , Agnès Clément 24. Mai | 22.00 Uhr | RETROSPEKTIVE Ensemble SoundLeaks

27. Mai | 22.30 Uhr | CELLOCLUBBING@MAHAGONI BAR Cellisten des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks Maximilian Hornung, Julian Maier-Hauff 28. Mai | 19.30 Uhr | MOZART & STRAUSS RELOADED Steven Issserlis, Alexander Sitkovetsky, Georgy Kovalev Ziyu Shen, Augsburger Philharmoniker, Domonkos Héja

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Außerdem engagieren Sie sich aber auch für angehende Profi-Musiker, vor allem in Ihrem »International Musicians Seminar Prussia Cove« in Cornwall. Wie kamen Sie dazu? Ich war dort öfters als Student, ab1975, gab dann schließlich selbst einen Cello-Kurs und als der damalige Direktor, der ­Geiger Sándor Végh, sagte, er könne es nicht mehr leiten, wurde ich gefragt. Das ist schon zwanzig Jahr her. Es ist ein wichtiger Teil meines Lebens. Ich arbeite dort mit jungen Erwachsenen, das Niveau ist sehr hoch. Man ist meilenweit entfernt von allem, von der Welt abgeschnitten, in diesem »Hogwarts« – und die »Muggles« dürfen nicht rein (lacht). (Anspielung auf das Internat im Roman »Harry Potter«, die »Muggles« sind die, die nicht zaubern können – Anm. d. Red.). Das ist schon immer mein Lieblingsort auf der Welt gewesen. Was bedeutet Ihnen Mozart? Leider hat er nichts für Solo-Cello hinterlassen. Mozart inspiriert mich sehr. Er ist die Perfektion der Natur. Er ist wie ein Jaguar, der unglaublich schnell vorbeiläuft, uns anschaut und denkt: »Warum sind die anderen so langsam?« Musik fiel ihm so leicht. Ich habe kürzlich ein Mozart-Klavierkonzert dirigiert, das wollte ich immer mal machen. Und ich habe seine Quintette gespielt. Es gibt ein paar wunderschöne Cello-Stimmen, die er geschrieben hat. In der Musik für Solo-Cello kommen die Haydn-Konzerte dem Geiste Mozart übrigens am nächsten.

links WARUM HAYDN MIT HOFKLATSCH HAUSIERTE UND VIELE ANDERE GESCHICHTEN ÜBER DAS LEBEN BERÜHMTER KOMPONISTEN Autor: Steven Isserlis Übersetzt aus dem ­Englischen von Kathrin Balmer-Fisch Zürich: Rüffer & Rub 2007 rechts ROBERT SCHUMANN’S ADVICE TO YOUNG ­MUSICIANS – REVISITED BY STEVEN ISSERLIS Autor: Steven Isserlis   Bisher keine deutsche Übersetzung erhältlich London: Faber & Faber 2016

❙  Die Fragen stellte Julika Jahnke.

19. 19. - 28. - 28. Mai Mai DEUTSCHES DEUTSCHES MOZARTFEST MOZARTFEST AUGSBURG AUGSBURG

Theresa Mavropoulos © Elisabeth Felicitas Anheier

2017 2017

»SPURENSUCHE »SPURENSUCHE - TRACKING - TRACKING MOZART« MOZART«

25. Mai25. | 19.30 MaiUhr | 19.30 | KLAVIERTRIOSPUREN Uhr | KLAVIERTRIOSPUREN 19. Mai 19. | 19.30 MaiUhr | 19.30 | TEATRO Uhr | TEATRO D‘AMORE D‘AMORE Sarah Christian, Sarah Christian, Maximilian Maximilian Hornung, Hornung, Fabian Fabian Müller Müller L‘Arpeggiata, L‘Arpeggiata, Nuria Rial, Nuria Vincenzo Rial, Vincenzo Capezzuto, Capezzuto, Christina Christina Pluhar Pluhar 26. Mai26. | 19.30 MaiUhr | 19.30 | STREICHQUINTETTSPUREN Uhr | STREICHQUINTETTSPUREN 20. Mai20. | 19.30 MaiUhr | 19.30 | FROM Uhr | FROM HAMBURG HAMBURG WITH LOVE WITH LOVE Sarah Wegener, Sarah Wegener, Jan Kobow, Jan Kobow, Benjamin Benjamin Appl, Raimund Appl, Raimund Nolte NolteAntje Weithaas, Antje Weithaas, Sarah Christian, Sarah Christian, Nils Mönkemeyer, Nils Mönkemeyer, Jano Lisboa Jano Lisboa Maximilian Maximilian Hornung Hornung Das Vokalprojekt, Das Vokalprojekt, Bayerische Bayerische Kammerphilharmonie Kammerphilharmonie Reinhard Reinhard GoebelGoebel 27. Mai 27. | 19.30 MaiUhr | 19.30 | WOHL Uhr | WOHL DEM, DER DEM, DEN DER HERREN DEN HERREN FÜRCHTET FÜRCHTET 20. Mai20. | 22.30 Mai Uhr | 22.30 | TANDEM. Uhr | TANDEM. JAZZ-GIPFELTREFFEN JAZZ-GIPFELTREFFEN Windsbacher Windsbacher Knabenchor, Knabenchor, Martin Martin Lehmann Lehmann MichaelMichael Wollny,Wollny, VincentVincent PeiraniPeirani 27. Mai 27. | 22.30 Mai Uhr | 22.30 | CELLOCLUBBING@MAHAGONI Uhr | CELLOCLUBBING@MAHAGONI BAR BAR 21. Mai 21. | 19.30 MaiUhr | 19.30 | WOHIN? Uhr | WOHIN? WO SOLL WOICH SOLL HIN? ICH HIN? Cellisten Cellisten des Symphonieorchesters des Symphonieorchesters des Bayerischen des Bayerischen Rundfunks Rundfunks Nuria Rial, Nuria LaRial, Stagione La Stagione Frankfurt, Frankfurt, MichaelMichael Schneider Schneider Maximilian Maximilian Hornung, Hornung, Julian Maier-Hauff Julian Maier-Hauff 22. Mai22. | 19.30 MaiUhr | 19.30 | LIEBE Uhr |UND LIEBESCHMERZ UND SCHMERZ Sibylla Sibylla Rubens,Rubens, Christoph Christoph Hammer Hammer 23. Mai23. | 19.30 MaiUhr | 19.30 | HÄNDL Uhr | HÄNDL UND BACH UND BACH NeoBarock NeoBarock 24. Mai24. | 19.30 MaiUhr | 19.30 | FESTIVAL Uhr | FESTIVAL DER ARD-PREISTRÄGER DER ARD-PREISTRÄGER DanielaDaniela Koch, Aris Koch, Quarte , Aris Quarte , Agnès Clément Agnès Clément

28. Mai28. | 19.30 MaiUhr | 19.30 | MOZART Uhr | MOZART & STRAUSS & STRAUSS RELOADED RELOADED Steven Steven Issserlis, Issserlis, Alexander Alexander Sitkovetsky, Sitkovetsky, GeorgyGeorgy KovalevKovalev Ziyu Shen, ZiyuAugsburger Shen, Augsburger Philharmoniker, Philharmoniker, Domonkos Domonkos Héja Héja sowie sowie MEISTERKLASSEN, MEISTERKLASSEN, KÜNSTLERGESPRÄCHE, KÜNSTLERGESPRÄCHE, GOTTESDIENSTE GOTTESDIENSTE und KLING, und KLING, KLANG,KLANG, GLORIA! GLORIA! - Das Kleine - Das Mozartfest Kleine Mozartfest

TICKETS TICKETS UND PROGRAMME UND PROGRAMME unter unter Die Seiten der Deutschen Mozart-Gesellschaft 11 24. Mai24. | 22.00 Mai |Uhr 22.00 | RETROSPEKTIVE Uhr | RETROSPEKTIVE Ensemble Ensemble SoundLeaks SoundLeaks

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MOZART-ORT HISTORISCH

Mantua Monteverdi und Mozart von Stefanie Bilmayer-Frank Im Januar 1770 erreichten die Mozarts im Zuge ihrer ersten Italienreise Mantua; 180 Jahre nachdem Claudio Monteverdi (1567–1643) dort seinen Dienst am Hof der Gonzaga angetreten hatte. Für Mozart war es nur eine Stippvisite zwischen Verona und ­Mailand, Monteverdi dagegen sollte dort sein halbes Musikerleben verbringen: 22 Jahre lang blieb er den Gonzaga loyal zu Diensten. Vom einfachen Viola-Spieler arbeitete er sich zum Kapell­meister hoch. Er ­heirate, gründete eine Familie. Von Mantua aus focht er seinen ­ legendär gewordenen Streit mit dem Musikgelehrten ­Giovanni ­Maria Artusi aus, der ihm einen fehlerhaften Umgang mit ­dissonanten Intervallen vorgeworfen hatte. Monteverdi rief daraufhin einen neuen Stil aus, die »seconda pratica«. Die Musikgeschichte sollte ihm bald Recht geben. Monteverdis Orfeo, eine der ersten Opern überhaupt, wurde in Mantua uraufgeführt Zu einem zentralen Schauplatz derselben wurde Mantua am 24. Febru­ar 1607 durch die Uraufführung von Monteverdis Orfeo. Die Oper gilt vielen als das Schlüsselwerk dieser Gattung, die eineinhalb Jahrhunderte später von Mozart so nachdrücklich geprägt werden sollte. Erst Monteverdi arrangierte Madrigale, akkordisch begleiteten Sologesang, instrumentale Ritornelle und Tanzszenen auf derart kunstvolle Art und Weise zu einer Einheit. Der junge W. A. Mozart weihte das Akademie-Theater ein Der Orfeo war im kleinen Kreise adeliger Kenner der Accademia ­degli Invaghiti im Palazzo Ducale uraufgeführt worden. Diese »Akademie der Vernarrten« war eine Gesellschaft zur Förderung der Wissen­schaften und schönen Künste. Ihre Nachfolge-Institution, die Accademia Nazionale Virgiliana, hat bis heute Bestand. Freilich war die Akademie immer auch Spiegel gesellschaftlicher und politischer Veränderungen. Zu Mozarts Zeit stand sie längst bürgerlichen Kreisen offen. Im nun österreichischen Mantua wurde im Zuge der von Wien forcierten Neugründung und -ausrichtung der Akademie wenige Wochen vor Mozarts Besuch auch das neue Akademie-­Theater »Bibiena« eingeweiht. Das erste Konzert nach der Eröffnung bestritt der junge Wolfgang Amadé Mozart am 16. Januar 1770. Beein-

druckt von den Räumlichkeiten zeigte sich vor allem Vater Leopold, der nach Salzburg schrieb, er habe in seinem Leben »von dieser Art nichts schöners gesehen«. Man wurde in Mantua gut aufgenommen. »Aber bey dem Fürsten von Taxis haben wir nicht das Glück gehabt, zur Audienz zu kommen« schrieb Leopold nach Hause. Obwohl die Mozarts wiederholt vorsprachen, seien sie lediglich von »ein paar schmutzige[n] Kuchl­g öttinen« des Fürsten freudig begrüßt worden. Doch trübte dieser Zwischenfall den Mozart’schen Aufenthalt in ­Mantua nicht weiter. Man verkehrte vornehmlich in den Kreisen der A ­ ccademia. Deren Präsident war zu diesem Zeitpunkt Carlo Ottavio de ­Colloredo. Aus den Diensten dessen Salzburger Verwandtschaft wurde der junge Mozart bekanntermaßen einige Jahre später per Fußtritt entlassen. Ob Mozarts Entkommen aus der Enge der Salzburger ­Verhältnisse wohl mit Monteverdis Abschied von seiner Vaterstadt Cremona vergleichbar war? In Mantua erschloss sich für Monteverdi eine neue Welt, in der er mit bedeutenden Musikern wie Giaches de Wert und Giovanni Gastoldi verkehrte. Schlecht bezahlt und dann entlassen: Monteverdi kehrt Mantua den Rücken Wenngleich Monteverdi den Gonzaga treu verbunden blieb, so trübte sich das Verhältnis zu seinen Dienstherrn im Laufe der Jahre ein. Wiederholt beschwerte er sich über die schlechte, oftmals verspätete Bezahlung. Auch klagte er über das feuchte Klima in Mantua. Im Zuge von Sparmaßnahmen bei Hof wurde ihm schließlich gekündigt. Seine zweite Lebensstellung trat Monteverdi in Venedig als ­Kapellmeisters bei San Marco an. Den Mozarts scheint das Klima in Mantua indes nicht schlecht ­bekommen zu sein, zumindest äußerte sich Leopold dazu nicht in seinen Briefen, wohl aber bezüglich der Finanzen. Offenbar zu seiner Überraschung fand das Konzert in der Akademie von Mantua, wie bereits zuvor in Verona, nämlich bei freiem Eintritt statt. Und so stellte er in einem Brief an seine Frau nüchtern fest, »daß wir in Italien nicht reich werden«.  ❙

12 Die Seiten der Deutschen Mozart-Gesellschaft

© Leonid Andronov, fotolia.com

Außen trutzig, innen prachtvoll: Der Palazzo Ducale, in dem ­Monteverdis »Orfeo«, der Prototyp der Oper schlechthin, uraufgeführt wurde


© Hans A. Rosbach

Eingeweiht vom jungen Wolfgang Amadé: Die Bühne des 1767 erbauten ­ »Teatro ­Scientifico«, besser bekannt als das nach seinem Schöpfer, dem Theater­ architekten Antonio Galli Bibiena benannte »Teatro Bibiena«

Mantua: Kommentar zu einer Stadt

Vincenzo I. Gonzaga. Gemälde von Peter Paul Rubens (1577 – 1640), der 1600 Hofmaler in Mantua wurde

MOZART-ORT PERSÖNLICH

von Giulio Alvise Caselli, Bariton am Theater Augsburg Ich komme aus dem 80 km weiter südöstlich gelegenen Ferrara, das ist in jeder Hinsicht eine Art Schwesterstadt von Mantua: Sie sind geographisch, klimatisch, historisch, kulinarisch und vom Lebensstil her beinahe zum Verwechseln ähnlich! Das San-Giorgio-Schloss der Gonzaga in Mantua wurde vom Architekten Bartolino da Novara entworfen, der zehn Jahre vorher mit dem Bau des Este-Schlosses in Ferrara beauftragt wurde; die Anlagen sind beinahe identisch. ­Ferrara und Mantua streiten sich auch über ihr bekanntestes typisches Gericht, die Tortelli con la zucca, also Kürbistortellini, mit Soße aus Butter und Salbei. Wir befinden uns ja mitten in der Po­ ebene, wo viele Kürbisse wachsen. An beiden Höfen, der G ­ onzaga und der Este, ist in der Renaissance dieses Gericht entstanden. ­Rezepte finden sich in Hofdokumenten aus der Zeit, aber es ist bis heute nicht geklärt, wer zuerst dran war! Mantua hat keinen Flughafen, der nächstgelegene ist in Verona. Selbst wenn man hinfliegt, muss man also ein gutes Stück Land befahren, um dorthin zu gelangen, durch die ganz flache, fast endlos anmutende Poebene. Mantua liegt ziemlich genau in der Mitte des größten Flachlands Italiens, das fruchtbar ist und hoch industrialisiert und auch kulturell der Kern Norditalien. Selbst hat die Stadt allerdings wenig Industrie und ist vor allem von Landwirtschaft geprägt. Mantua teilt ein besonderes Pech mit etlichen anderen euro­päischen Städten, Augsburg eingeschlossen: sie war eine der reichsten und einflussreichsten Städte Italiens, ihr Hof der Gonzaga hatte europaweite Bedeutung. Heute ist es aber eine verschlafene Provinzstadt (gut, das ist Augsburg nicht unbedingt! ;-) ) und gehört nicht zu den Hauptzielen des Massentourismus. Mantua hat kein Meer, kein markantes Wahrzeichen mit Wiedererkennungswert wie einen schiefen Turm. Daher ist sie Ziel eines gebildeten Tourismus, fast eines Nischentourismus. Mantua ist UNESCO-Welt­kulturerbe, das historische Zentrum aus Mittelalter und Renaissance ist fast intakt erhalten und hat auch das Erdbeben vom Mai 2012 fast unbeschädigt überstanden, obwohl seine historischen Gebäude mehrere Monate lang geschlossen bleiben und teilweise saniert werden mussten. So bekommt man noch ein sehr genaues Bild von der ­Renaissance­stadt

und vom Leben am Hof der Gonzaga. Für die dortige Jugend ist es aber eher ein langweiliges Örtchen, wo jeder jeden kennt – es kommt nicht einmal auf 50.000 Einwohner. Dass die Stadt so klein geblieben ist, hat auch geographische ­Gründe: sie ist von drei künstlichen, von den Gonzaga zum Schutz errichteten Seen, die vom Fluss Mincio gespeist werden, fast vollständig umschlossen. Die Zufahrt in die Stadt auf einer schmalen Straße zwischen den Seen ist sehr poetisch, es sind aber leider keine Badeseen – und sie grenzt noch an das große Naturschutzgebiet »Parco del Mincio«. Die Stadt konnte daher kaum weiter wachsen, die Vororte sind vom Stadtkern abgetrennt. Dank der Beschaulichkeit hat die Stadt eine hohe Lebensqualität: das Fahrrad ist – wie fast überall in der Poebene – Verkehrsmittel Nr.  1, man darf auch tagsüber in der Fußgängerzone mit dem Fahrrad fahren und man sieht sie an jeder Ecke. Und doch hat die Po­ebene wenig mit den typischen Italienklischees zu tun: das Meer ist weit, der Winter kann richtig kalt werden, oft mit Schneefällen, aber vor allem die hohe Luftfeuchtigkeit ist kennzeichnend für die Region: im Herbst und Winter umhüllt oft ein dichter Nebel die ganze Gegend und der Sommer ist äußerst schwül, mit wenig Windaufkommen. Die Gonzaga regierten bis 1707 die Stadt, danach war die Hochzeit der adligen Herrschaftsfamilien in Italien vorbei und mit ihr der Ruhm von Kulturzentren wie Mantua. Da die Machtübernahme der Österreicher gewaltfrei vonstatten ging, blieb die Stadt erhalten. Mozart hat also einige Jahrzehnte später die Stadt so erlebt wie sie zu Zeiten der Gonzaga aussah, und im Wesentlichen auch heute noch. Neben dem Barocktheater Bibiena hat Mantua heute noch ein ­traditionell italienisches Opernhaus, das aber lange nach Mozarts Tod, um 1820 entstand, mit einer eigenen, nicht üppigen, aber anständigen »Stagione«. Die Stadtverwaltung hat viel in Kultur investiert, so beherbergt Mantua seit fast zwei Jahrzehnten jedes Jahr im September eines der größten Literaturfestivals Italiens (da war ich schon mehrmals!): Nobelpreisträger und international bekannte Schriftsteller sind jedes Jahr dort zu Gast – ganz im Sinne des gebildeten Tourismus.  ❙

Die Seiten der Deutschen Mozart-Gesellschaft 13


INTERVIEW

© Lena Uphoff

Musik gehört zu den besonders ­großen Gottes­gaben Prof. Wolfgang Huber zum Lutherjahr 2017 Als Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (2003 –2009) setzte sich Prof. Wolfgang Huber u. a. für einen offenen Dialog mit muslimischen Verbänden ein. Er arbeitete zu zahlreichen theologischen und ethischen Themen, verantwortete die Neuausgabe der Schriften Dietrich Bonhoeffers und engagiert sich für die weltweite Ökumene. Warum ist es wichtig, an die Reformation zu erinnern? Wir leben in einer Zeit religiöser und welt­ anschaulicher Vielfalt. In einem solchen »Konzert« ist die christliche Stimme un­ entbehrlich. Es geht darum, an grund­ legende Weichenstellungen des christlichen Glaubens und deren Gegenwartsbedeutung zu erinnern. Populistische Strömungen und Terrorismus verunsichern viele Menschen zutiefst. Da wird es immer wichtiger, sich klar zu machen, mit welcher Grundhaltung, welchen Werten und Überzeugungen man den Herausforderungen der Gegenwart begegnen kann. Wie kann man das Ereignis der Reformation demnach für die heutige Zeit interpretieren? Gottvertrauen und Nächstenliebe sind bleibende Maßstäbe, die auch heute Wegweiser des persönlichen Handelns sein können. Prägend für unsere Zeit ist das Ausmaß, in dem sie Freiheit ermöglicht. In einer solchen Zeit kommt es darauf an, dass Menschen bereit sind, ihre Freiheit zu verantworten. Für Martin Luther zeigt sich die Freiheit eines Christenmenschen darin, dass er die Gestaltung des eigenen Lebens als Auftrag Gottes versteht, den er mit der Hinwendung zum Mitmenschen verbindet. Was könnte heute eine neue Form der Reformation sein? Die evangelische Kirche ist davon überzeugt, dass Reform und Reformation einen permanenten Prozess bilden. Der Grundsatz heißt, dass die Kirche immer der Reform bedarf, aber zu ihr auch fähig ist. Immer wieder hat sich allerdings gezeigt, dass

diejenigen, die sich besonders vollmundig selber als Reformatoren verstanden, es oft am wenigsten waren. Martin Luther hat sich selbst nicht als Reformator verstanden, sondern wollte die Kirche zu ihrem Ursprung zurückführen, dem Evangelium von Gottes Gnade. Bei den Muslimen gab es keine Reformation. Fehlt ihnen dadurch etwas? Auch im Christentum hat es sehr lange gedauert, bis solche Bewegungen sich durchgesetzt haben. Der Kernunterschied hierbei ist, dass das Christentum eine ­Religion ist, die auf der Auslegung der heiligen Schriften beruht, während der Islam den Koran als etwas versteht, das keiner Auslegung bedarf, ja zu keiner Auslegung fähig ist. Das hat zur Folge, dass kritische Bewegungen, Reformbewegungen und Bewegungen der Aufklärung es im Islam offenkundig besonders schwer haben. Doch es gibt auch im Koran verschiedene Schichtungen, die den Lebensphasen ­Mohammeds in Mekka und Medina entsprechen. In seinen Aussagen, beispielsweise zum Gewaltproblem, sind deutliche Unterschiede zu erkennen. Der heutige Islam ist eine plurale Größe. Bestimmte orthodoxe, zum Teil fundamentalistische Traditionen haben sich im Zusammenhang mit der islamischen Revolution im Iran und mit anderen Entwicklungen verstärkt. Solche Tendenzen prägen das Bild vom Islam als einer autoritären Religion. Dem gegenüber muss man das kritische Potenzial im Islam wahrnehmen und es, wo es geht, stärken. Wir müssen uns bemühen, dass wir nicht nur über den Islam reden,

Gottesgabe Musik: Prof. Wolfgang Huber erlebt sie nicht nur in der Kirche, sondern auch bei der nachbarschaftlichen Hausmusik, zusammen mit anderen Instrumentalisten.

sondern Möglichkeiten schaffen, mit Muslimen zu sprechen und diejenigen unterstützen, die am Dialog interessiert sind. Luther hat Musik studiert und ist einer der am meisten vertretenen Lieddichter in evan­ gelischen Gesangbüchern. Welche Rolle spielt Musik für Sie als Kommunikationsmedium? Sie ist nicht nur für die Kirche sehr wichtig, sondern für mich auch ein ganz entscheidendes Lebenselixier. Auch der Glaube findet in der Musik einen besonders starken Ausdruck. Ich gehöre auch zu den Menschen, für die in der Musik die Gottes­beziehung und der Glaube, der Halt für mein Leben ganz unmittelbar tiefe Schichten meiner Existenz erreicht, die mit Worten allein nicht zu erreichen sind. Musik, so sagte auch schon Luther, gehört zu den besonders großen Gottesgaben. Die Welt der Töne ­ weitet den Horizont und spricht Verstand, Seele und Gemüt zugleich an. Musik hat eine un­geheure Variationsbreite – das ist so großartig, dass sich darin etwas von der Großartigkeit Gottes spiegelt. Wie ist Ihr Bezug zu Mozart? Zu meinen absoluten Lieblingsmusiken gehören wichtige Stücke von Mozart, allen voran seine Hornkonzerte. Das Besondere daran ist für mich die unnachahmliche Klarheit der Melodien. Mozart »funktioniert« in der Kirche, aber natürlich auch im weltlichen Rahmen. Ich halte es mit dem großen Theologen Karl Barth, der gesagt hat, er sei davon überzeugt, dass die Engel im Himmel auch Mozart spielen. ❙  Das Interview führte Theodora Mavropoulos.

14 Die Seiten der Deutschen Mozart-Gesellschaft


© Jan Bauer.net / Courtesy Jonathan Meese.com

INTERVIEW

Jonathan Meese in seinem Atelier in Berlin – Prenzlauer Berg.

Der Teufel ist Kunst – Kunst entheiligt alles Aktionskünstler Jonathan Meese zum Lutherjahr 2017 Was bedeutet für Sie der Begriff »Reforma­tion«? Der Begriff bedeutet für mich relativ wenig. Ich bin an Religion und Reformierung nicht besonders interessiert. Aber ich kann viel aus der Figur Luther ziehen, weil das ein Typ war, der etwas durchgesetzt hat und hartnäckig und beharrlich an einer Sache gearbeitet hat. Luther ist ein harter Typ. Ein Mann. Er hatte eine wahnsinnige Kraft und wollte etwas verändern. Dabei hat er natürlich viel geleistet. Aber der Raum, den er verändern wollte, also Religiosität, der ist mir zu gering, zu banal. Warum ist es dann spannend für Sie, an der Ausstellung »Luther und die Avantgarde« teilzunehmen? Mich interessiert daran das Formale – etwa die 95 Thesen. Ich werde die 95 Thesen der Kunst bzw. des Teufels als Gegenpol zu Luthers Thesen bringen. Es wird ein Mani­ fest über den Teufel. Denn der Teufel ist Kunst in Bezug auf Religiosität und Kunst entheiligt alles, auch sich selbst.

in einer noch nicht feststehenden Form von meiner Mutter bewacht. Darin werden die 95 Thesen der Kunst bzw. des Teufels hängen. Zusätzlich werden 95 zu übermalende Film-Stills von Alexander Kluge, die alle etwas mit der französischen Revolution zu tun haben, angebracht. Die hat er mir geschickt. Ich soll sie übermalen. Da Alexander Kluge auch eine Zelle hat, ist das eine übergreifende Maßnahme: Zwei Zellengenossen morsen zusammen, haben Kontakt. Was ich damit ausdrücken will: Jeder Künstler ist eine ­Zelle. Und manchmal kommt man zusammen, aber selten. Letztendlich ist man Einzelkämpfer. Wie auch Wagner, Luther, Galileo Galilei, Mozart … Und das wird immer so sein und ist gleichzeitig so beruhigend. Es zeigt, dass der einzelne Mensch alles verändern kann. Das ist ermutigend. Man braucht keine Gruppen zu bilden. Es wird ja immer gesagt, nur in der Gruppe bist du stark. Doch hier wird klar: Nicht nur in einer Masse kann man etwas erreichen.

Wie gefällt Ihnen der Ausstellungsort – Sie gestalten eine Zelle im alten Gefängnis in der Lutherstadt Wittenberg? Das Gefängnis finde ich als Ort gerade toll, weil wir ja auch in vielen Gefängnissen leben. Im Gefängnis der Realität, der Ideologie, der Politik und Religion. Kunst sprengt jedes Gefängnis und erweitert Spielräume. Ich werde in meiner Zelle anwesend sein – ob 19. - 28. Mai DEUTSCHES MOZARTFEST AUGSBURG - TRACKING MOZART« als Puppe, Ton»SPURENSUCHE oder als Foto. Die Zelle wird 2017

Was ist Musik? Wir alle machen Musik, auch Tiere oder Gegenstände. Der große Auftraggeber ist die Natur, die Evolution. Wir versuchen, dem gerecht zu werden indem wir Töne aneinanderreihen. Und das ist dann Musik. Auch Wagner und Mozart haben letztendlich geschnallt, dass das nicht von Gott kommt, sondern aus der Natur. So bewegte sich Wagner etwa auf politischen Abwegen

19. Mai | 19.30 Uhr | TEATRO D‘AMORE 25. Mai | 19.30 Uhr | KLAVIERTRIOSPUREN L‘Arpeggiata, Nuria Rial, Vincenzo Capezzuto, Christina Pluhar Sarah Christian, Maximilian Hornung, Fabian Müller 20. Mai | 19.30 Uhr | FROM HAMBURG WITH LOVE Sarah Wegener, Jan Kobow, Benjamin Appl, Raimund Nolte Das Vokalprojekt, Bayerische Kammerphilharmonie Reinhard Goebel 20. Mai | 22.30 Uhr | TANDEM. JAZZ-GIPFELTREFFEN Michael Wollny, Vincent Peirani

Im Juni wird Jonathan Meese in Wien und Berlin den Parsifal von Richard Wagner neu inszenieren. Das Stück wird der MOND­ PARSIFAL ALPHA 1-8 (ERZMUTTERZ DER ABWEHRZ) heißen, mit dabei auch der Arnold-­Schönberg-Chor. Ansonsten ­bereite sich der Künstler Jonathan Meese gerade auf seinen Beitrag in der Ausstellung »Luther und die Avantgarde« vor, die im Rahmen des Lutherjahres am 18. Mai eröffnet wird.

und ist damit total gescheitert, weil Politik immer scheitert. Aber seine Musik ist über­ zeitlich. Denn Kunst überholt alles, ist aber nie überholt. Kunst ist die totale Unsterblichkeit und die totale Zukunft und das, was bleibt. Alles andere vergeht. Es bleibt immer nur Kunst übrig. Wenn man das bedenkt, wird man vielleicht ein bisschen demütiger, bezogen auf Politik und Religion. Wie sehen Sie Mozart? Mozart ist für mich ein Spielkind, der seinen Trotz durchgesetzt hat und dieser Trotz war Musik. Er hat seine Liebe zur Sache »Kunst« entdeckt und konnte davon nicht mehr abrücken. Er musste das so machen, wie ein Zwang. Aber eben kein politisch ideologischer Zwang, sondern der Zwang der Natur der Sache »Kunst«. Das war wie ein Instinkt. Sie haben Mozart auch gemalt. Wie sind Sie da herangegangen? Auch instinktiv. Kreativität ist viel zu langsam. Der Begriff hält gerade für alles her. Der Mensch kann nicht jeden Tag etwas Neues machen. Mozart hat ja auch immer das gleiche gemacht. Und das, was wesentlich ist, passiert auch immer wieder gleich. Das muss alles instinktiv erfolgen, wie beim Tier, das ja zum Beispiel auch die Gefahr riecht. Man muss Mozart riechen. Dann kann man ihn bringen. ❙  Das Interview führte Theodora Mavropoulos.

26. Mai | 19.30 Uhr | STREICHQUINTETTSPUREN Antje Weithaas, Sarah Christian, Nils Mönkemeyer, Jano Lisboa Maximilian Hornung 27. Mai | 19.30 Uhr | WOHL DEM, DER DEN HERREN FÜRCHTET Windsbacher Knabenchor, Martin Lehmann

KONZERTE ZUR REFORMATION BEIM DEUTSCHEN MOZARTFEST IN AUGSBURG · MOZARTSTADT.DE 20.05.2017 · 19.30 Uhr: Reformation I · From Hamburg with Love 27.05.2017 · 19.30 Uhr: Reformation II · Wohl dem, der den Herren fürchtet mit dem Windsbacher Knabenchor www.MOZARTSTADT.DE

21. Mai | 19.30 Uhr | WOHIN? WO SOLL ICH HIN? Nuria Rial, La Stagione Frankfurt, Michael Schneider 22. Mai | 19.30 Uhr | LIEBE UND SCHMERZ Sibylla Rubens, Christoph Hammer 23. Mai | 19.30 Uhr | HÄNDL UND BACH NeoBarock

24. Mai | 19.30 Uhr | FESTIVAL DER ARD-PREISTRÄGER Daniela Koch, Aris Quarte , Agnès Clément 24. Mai | 22.00 Uhr | RETROSPEKTIVE Ensemble SoundLeaks

27. Mai | 22.30 Uhr | CELLOCLUBBING@MAHAGONI BAR Cellisten des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks Maximilian Hornung, Julian Maier-Hauff 28. Mai | 19.30 Uhr | MOZART & STRAUSS RELOADED Steven Issserlis, Alexander Sitkovetsky, Georgy Kovalev Ziyu Shen, Augsburger Philharmoniker, Domonkos Héja

sowie MEISTERKLASSEN, KÜNSTLERGESPRÄCHE, GOTTESDIENSTE und KLING, KLANG, GLORIA! - Das Kleine Mozartfest

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Die Seiten der Deutschen Mozart-Gesellschaft 15


REZENSION

Ich singe, also bin ich Buch-Empfehlung Michael Heinemann: CLAUDIO MONTEVERDI. DIE ENTDECKUNG DER LEIDENSCHAFT Schott Verlag · VÖ: 2017 ISBN 978-3-7957-1213-6 «Divino Claudio« wurde er schon von den Zeitgenossen genannt. Monteverdi war einer der tollkühnsten und wirkungsmächtigsten Komponisten seiner Zeit. Igor ­Strawinsky hatte es in seinen »Gesprächen« (1966) auf den Punkt gebracht: »Die Reichweite seiner Musik sowohl als Emotion wie als Architektur (zwei Aspekte derselben Sache) bedeutet eine neue Dimension, mit der verglichen die großartigsten Gedanken seiner Vorgänger, wie auch die meisten ihrer inspiriertesten Hitzewallungen zu Trübseligkeiten, zu Miniaturen schrumpfen«. Der Dresdner zusammen­ Musikwissenschaftler Michael Heinemann hat in seinem Monteverdi-­Buch, das er aus Anlass des 450. Geburtstags des Komponisten geschrieben hat, ein Resümée der Monteverdi-­ Rezeption gezogen: »Monteverdi ist heute wieder das, was er am Ende seines Lebens war: ein populärer Komponist.« Tatsächlich haben heute Monte­verdis Werke im Konzert­saal und in den Opernhäusern ihren festen Platz. »Das war nicht immer so«, weiß Heinemann. »Weder zu seinen Lebzeiten, noch in der Nachwelt. Monteverdi begann als ein Komponist für Kenner. Für Gebildete und Akademien.« Doch seine Musik berührte mit einer Unmittelbarkeit, die man nicht kannte. Bewegend waren diese neuen Klänge, aufregend, besonders für das Publikum. »Das sich alsbald nicht mehr auf den Kreis der Experten beschränkte.«

Monteverdis Musik basiert, so betont Heine­ mann mit Nachdruck, nicht auf Gelehr­ samkeit. Vielmehr entspricht die Diktion, mit der er geistliche Texte vor­tragen und Personen auf der Bühne miteinander ins Gespräch kommen ließ, »der Erfahrungswelt des Alltags, einer Natürlichkeit des Redens und Sprechens, die durch Musik ­ Nachdruck erhält.« Nicht mehr werden ­Texte bloß in Musik gesetzt, sondern ihr Gehalt wird klanglich gesteigert, intensiviert. Dazu bedurfte es neuer kompositorischer Mittel. »Diese zu entdecken und nutzbar zu machen, war die Herausforderung, der sich Monteverdi stellte. Sie zu einer eigenen musikalischen Sprache zu entwickeln, ist ­ seine musikgeschichtliche Leistung.« Die Musik wurde zum Kommunikations­ medium Darüber hinaus hat Monteverdi – nach Jacopo Peris nur fragmentarisch erhalte­ nem »dramma per musica« Dafne – mit der 1607 uraufgeführten »Favola in musica« ­L’Orfeo auch eine neue musikalische Gattung erfunden. Sie war »Gründungsdokument« ­ der Oper, aber auch »ein Dokument musika­ lischer Selbstfindung des Menschen.« Das zentrale Kapitel seines Buches überschreibt Heinemann denn auch bezeichnender­weise: »Ich singe, also bin ich«. In ihm ver­deutlicht er, dass es in der Musik plötzlich um menschliche Individuen mit ihren Befind­lichkeiten geht. »Individueller Klang wurde erstmals Ereignis, die Deklamation des T ­ extes zum gestalterischen Anliegen, die Rede zur Herrin der Harmonie.« Für Monteverdi gewannen Text und indivi­duelle Emotion an zentraler Bedeutung. »Musik wurde bei

Monteverdi zu einem Medium der Kommunikation«. Das kam einer Revolution gleich, wie Heinemann ausführt. »Ein Einzelner spricht zu einem anderen Subjekt, berührt es emotional, trifft mit den Tönen auch dessen Körper, mit einer Sinnlichkeit, die von der Unmittelbarkeit des Dialogs ausgeht und ihn in Musik setzt.« Damit wurde ein bisher ungekannter Ausdruck von Affekt, von Freude und Schmerz gewagt, der die Musikgeschichte voranbrachte. Die Summe bisheriger Monteverdi-­ Forschung Mit präziser musikologischer Begrifflichkeit analysiert und erklärt Michael Heinemann in den neun Kapiteln seines gelehrten Buches, wie Leidenschaft, man könnte auch sagen »Expressivität« von Monteverdi komponiert wurde, in den Madrigalen, der Oper und der Kirchenmusik. Konkret beschreibt er das kompositorische Handwerk Monteverdis. Das ist anspruchsvolle Lektüre für Fortgeschrittene unter den Monteverdi-­ Bewunderern. Aber sie lohnt. Selten wurde so auf den Punkt gebracht, worin die innovative Leistung Monteverdis besteht. Eine Biographie ist Heinemanns Buch allerdings nicht. Auch wenn tabellarisch eine detaillierte Übersicht von Lebens- und Werkstationen angefügt ist. Aber Heinemann weiß: »Monteverdis Musik und die Dokumente seines Lebens sind gut erschlossen und leicht zugänglich«. Seine kenntnisreichen Literaturhinweise belegen es. Er hat pünktlich zum Monteverdijahr die Summe bisheriger Monteverdiforschung gezogen. Rezension von Dr. Dieter David Scholz

Impressum Deutsche Mozart-Gesellschaft e. V. Mozarthaus · Frauentorstraße 30 86152 Augsburg Telefon: +49 (0)821 / 51 85 88 E-Mail: info@mozartgesellschaft.de

Präsident: Thomas Weitzel Redaktion und Geschäftsstelle: Julika Jahnke Layout: Esther Kühne

16 Die Seiten der Deutschen Mozart-Gesellschaft


Erleben Die wichtigsten Termine und Veranstaltungen im April und Mai im Überblick (ab Seite 62). Festival Soli Deo Gloria (Seite 68) | Frauenkirche Dresden feiert das Reformationsjubiläum (Seite 70)

11. bis 17. April, Hannover

Oster-Tanz-Tage chen den Tabubruch in aller Öffentlichkeit ermöglicht. Zu den Oster-Tanz-Tagen ist das großartige Ballett mit Musik von Händel, Vivaldi und Mark Polscher wieder zu sehen. Zudem präsentieren internationale Tanzkompanien unter dem Motto „Urbanität im Wandel“ ihre Produktionen. So zeigt etwa Constanza Macras ihre Choreografie „Megalopolis“. Hannover, Staatsoper, www.staatstheater-hannover.de

F oto: Gert W e i g e lt

Der Stoff lasse ihn einfach nicht mehr los, bekennt Ballettdirektor Jörg Mannes. Mehrfach bereits choreografierte er den Briefroman „Gefährliche Liebschaften“, mit dem Choderlos de Laclos die doppelbödige Moral seiner Zeit entlarvte und vielleicht gerade deshalb heftige moralische Entrüstung hervorrief. Mannes ist fasziniert vom intriganten Spiel der höfischen Gesellschaft, die Regeln raffiniert unterläuft und durch ein komplexes System von Zei-

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er l ebe n

März / April / Mai 2017

Die wichtigsten Veranstaltungen auf einen Blick Ihr persönlicher Navigator für Premieren, Konzerte und Festivals

18.03. Magdeburg Theater Die Andere / S. Corbett 18.03. Berlin Staatsoper im Schiller Theater Orfeo ed Euridice / C. W. Gluck 18.03. Halle Oper Die drei Musketiere / G. Stiles 18.03. Wien (A) Theater an der Wien Agrippina / G. F. Händel 19.03. Baden-Baden Festspielhaus Tristan und Isolde / R. Wagner 19.03. Berlin Deutsche Oper, Tischlerei Ein Stück vom Himmel / N. N. Hierro 19.03. Essen Aalto-Musiktheater Elektra / R. Strauss 19.03. Leipzig Oper La Cenerentola / G. Rossini 19.03. Linz (A) Landestheater Pelléas et Mélisande / C. Debussy 19.03. Stuttgart Staatstheater Hoffmanns Erzählungen / J. Offenbach 20.03. Baden-Baden Festspielhaus Il mondo della luna / J. Haydn 20.03. Berlin Komische Oper Der Vampyr / H. Marschner 24.03. Erfurt Theater Gutenberg / V. D. Kirchner 24.03. Ulm Theater Lohengrin / R. Wagner 27.03. Frankfurt Oper Messiah / G. F. Händel 27.03. Karlsruhe Badisches Staatstheater Tristan und Isolde / R. Wagner 01.04. Berlin Komische Oper Heute Nacht oder nie / K. Tietje 02.04. Basel (CH) Theater Romeo und Julia / B. Blacher 02.04. Bremen Theater Maria Stuarda / G. Donizetti 02.04. GieSSen Stadttheater Gegen die Wand / L. Vollmer 03.04. Frankfurt Oper Radamisto / G. F. Händel 03.04. Nürnberg Staatstheater Les indes galantes / J.-P. Rameau 03.04. Zürich (CH) Opernhaus Macbeth / G. Verdi 03.04. Salzburg Landestheater Il turco in Italia / G. Rossini 05.04. München Cuvilliés-Theater Albert Herring / B. Britten 08.04. Lübeck Theater

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15. und 16. April, Wien

Osterkonzert der W ­ iener Symphoniker

Die Wiener Symphoniker im Großen Saal des Konzerthauses

F oto: S te fa n O l á h

Premieren

Mit ihrem traditionellen Osterkonzert „Frühling in Wien“ treiben die Wiener Symphoniker den Winter aus. Im blumengeschmückten Großen Saal des Wiener Konzerthauses bezaubern sie ihr Pub­likum mit träumerischen Melodien und jazzigen Rhythmen aus dem Goldenen Westen. Unter der Leitung ihres Chefdirigenten Philippe Jordan erklingen Werke amerikanischer Komponisten. Die Ouvertüre zur Operette Candide von Leonard Bernstein eröffnet den Reigen. Gershwins Klavierkonzert in F-Dur, das den beliebten Charleston und andere Modetänze der Goldenen Zwanzigerjahre in den Konzertsaal holt, spielt Jean-Yves Thibaudet, ein beeindruckender Pianist, der in vielen musikalischen Bereichen erfolgreich ist. Kritiker sagten Gershwin nach, er erfinde die Melodien seiner Zeit mit all ihren frechen Hemmungslosigkeiten, ihrem fiebrigen Vorwärtsdrängen, aber auch mit der tiefen Melancholie, der wir so oft ausgeliefert sind. In seiner sinfonischen Dichtung ­An American in Paris erzählt er auf musikalisch packende Weise von seiner Reise nach Paris. Er schlendert über die Boulevards, hört das Hupen der Taxis, die Musik aus den Cafés, aber es überkommt ihn auch Heimweh. Mit sinfonischen Tänzen aus Bernsteins Musical West Side Story geht der Abend in Wien schwungvoll zu Ende. Wien, Wiener Konzerthaus, www.wienersymphoniker.at

I Capuleti e i Montecchi / V. Bellini 09.04. Berlin Staatsoper im Schiller Theater, Werkstatt Mario und der Zauberer / S. Oliver 09.04. Dortmund Opernhaus Peter Grimes / B. Britten 09.04. Freiburg Theater Kaspar Hauser / H. Thomalla 09.04. Köln Oper Tree of Codes / L. Lim 09.04. Linz (A) Landestheater Into the Woods - Ab in den Wald / S. Sondheim 10.04. Aachen Theater Die Entführung aus dem Serail / W. A. Mozart 14.04. Berlin Neuköllner Oper Iris Butterfly / P. Mascagni 14.04. Bern (CH) Konzert Theater Pagliacci - Die Clowns / L. Leoncavallo 15.04. Chemnitz Theater Mozart-Briefe / W. A. Mozart, H. I. F. Biber, S. Claußner (Ballett-UA) 15.04. Darmstadt Staatstheater La Calisto / F. Cavalli 15.04. Düsseldorf Opernhaus Der goldene Hahn / N. Rimski-Korsakow 16.04. Augsburg Theater Lady Macbeth von Mzensk / D. Schostakowitsch 16.04. Cottbus Staatstheater Don Carlo / G. Verdi 16.04. Hannover Staatsoper Der Traumgörge / A. Zemlinsky 16.04. Mannheim Nationaltheater Der Golem / B. Lang 16.04. Mainz Staatstheater Der fliegende Holländer / R. Wagner 17.04. Bonn Theater Madama Butterfly / G. Puccini 17.04. Weimar Nationaltheater My fair lady / F. Loewe 18.04. Wien (A) Theater an der Wien Capriccio / R. Strauss 21.04. Darmstadt Staatstheater Angst - Fünf Pforten einer Reise in das Innere der Angst / C. Jost 22.04. Braunschweig Staatstheater Orlando / P. Aderhold 22.04. Hof Theater Einstein - Das Musical / S. Kanyar und M. Scheel 23.04. Berlin Staatsoper im Schiller Theater Amor vien dal destino / A. Steffani 23.04. Duisburg Theater Die Schneekönigin / M. F. Lange 24.04. Frankfurt Oper Das schlaue Füchslein / L. Janáček 24.04. Hof Theater Die menschliche Stimme / F. Poulenc www.crescendo.de

April – Mai 2017


F oto s: G . B u ec h er ; J e n s Gyarmat y; Th eater K i e l ; M a n f red Es s er ; S i m o n Pau ly; es p lu s ; Pe tr J ed i n á k ; Vo jtěc h Hav l í k ; M at s B äcker ; s i ko; K ar i n Sc h eu er ; Gert W e i g e lt; Va l e n ti n B ara n ov s k y / S tate Academ i c M ar i i n s k y Th eatre; A n to n Zav ya lov; M ati l de Fa s s o; He n n i n g Sc h e f f e n

14. bis 23. April

Bayreuther Osterfestival

matisierte Bewegungen aus. Um die Erschaffung von Ikonen als Modelle für soziale Rollen geht es in Icon. Cherkaouis Choreografie zeigt, wie Menschen Ikonen schaffen, ihnen Macht verleihen, sie stürzen und wiederum durch neue ersetzen. Das Ensemble agiert auf rituelle Weise in 3,5 Tonnen Lehm. Wolfsburg, verschiedene Spielorte, www.movimentos.de

Lange hatte Johannes Brahms gezögert, bevor er sich auf das „große Abenteuer“ einer Sinfonie einließ. Erst im Alter von 43 Jahren vollendete er auf Rügen seine erste Sinfonie. Die Internationale Junge Orchesterakademie unter Dorian Keilhack wählt das Werk für das Bayreuther Osterfestival. In der barocken Pracht der Ordenskirche St. Georgen unter den Wappentafeln der Ritter vom Roten Adlerorden spielt es zudem die Ouvertüre zum Fliegenden Holländer und Lieder aus Des Knaben Wunderhorn von Gustav Mahler. Das Orchester wird jedes Jahr aufs Neue aus talentierten jungen Musikern der ganzen Welt zusammengestellt. Dabei erhalten auch Musiker aus entwicklungsschwachen Ländern die Möglichkeit der Teilnahme. Über zwei Wochenenden zu Ostern veranstaltet die Akademie das Festival. Eröffnet wird es am Karfreitag in der Bayreuther Stadtkirche mit Georg Philipp Telemanns Matthäus-Passion. Zum weiteren Programm gehören zwei Klaviermatineen im Rokokosaal der Klaviermanufaktur Steingraeber & Söhne. Die beiden Pianistinnen Shizuko Yamamoto und Aleksandra Mikulska spielen am historischen Liszt-Flügel. Ins Leben gerufen wurde die Akademie unter Mitwirkung des Regisseurs August Everding und des Dirigenten Charles Mackerras. Bayreuth, verschiedene Spielorte, www.osterfestival.de

Als Weltstar der Avantgarde und Gigantin des Postmodern Dance wird Lucinda Childs gefeiert. Seit einigen Jahren aber widmet sie sich der Barockoper. An der Oper Kiel hat sie bereits Lullys Atys und Glucks Orpheus und Eurydike in Szene gesetzt. Jetzt nimmt sie sich die Oper Skylla und Glaukos des Violinvirtuosen Jean-Marie Leclair vor. Zur Seite steht ihr der Bühnenkünstler Paris Mexis. Die 1746 uraufgeführte und vergessene Oper wurde 1979 von Sir Eliot Gardiner wiederentdeckt. Leclair, der in Turin noch bei dem Corelli-Schüler Giovanni Somis studierte, verarbeitet darin französische und italienische Elemente. Der Stoff stammt aus Ovids Metamorphosen. Vom Librettisten D’Albaret weiß man allerdings nur, dass er königlicher Zensor war. Kiel, Opernhaus, 6. (Premiere), 9., 17., 19., 27.5. und 1., 10. und 15.6., www.theater-kiel.de

25. Juni

19. März

München Orchester anders erleben SYMPHONY 80 Musik ist nicht bloß, was man hört. Diese Einsicht treibt den Künstlerkomponisten Ari Benjamin Meyers seit Langem um. Er ist überzeugt, dass Musik Sehnsüchte wecke, ungelebtes Leben aufscheinen lasse und tief berühre. 1972 in New York geboren, studierte an der Juilliard School, der Yale University und dem Peabody Institute. Prägend für seine künstlerische Arbeit waren die Begegnung mit Leonard Bernstein, seine Assistenztätigkeit bei Wolfgang Sawallisch an der Bayerischen Staatsoper sowie seine Zusammenarbeit mit der Band Einstürzende Neubauten. In seinen jüngsten Performances setzte er sich mit Orchestern und deren sozialen und räumlichen Beziehungen auseinander. Er beklagt, dass wir uns in „recording artists“ verwandelt hätten. Früher habe man ein Musikstück spielen müssen, um es hören zu können. Zurück zum Performativen, fordert er. Das Projekt „SYMPHONY 80“, das er in Zusammenarbeit mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks durchführt, ist auf die Begegnung der Besucher mit den einzelnen Orchestermusikern gerichtet. Das Orchester erhält in der Performance nicht als geschlossene Gruppe einen Platz zugewiesen. Vielmehr werden alle Räumlichkeiten des Lenbachhauses als orchestraler Ausstellungsort bespielt. Die Besucher wandern durch die Musik, den Raum und das Bild des Orchesters. Sie erleben den Klangkörper vollkommen anders als bei einem gewohnten Konzertabend. München, Lenbachhaus, www.lenbachhaus.de

21. April bis 21. Mai

Wolfsburg Movimentos Festwochen „Freiheit“ lautet das Thema, zu dem fünf internationale Tanzkompanien in der Autostadt ihre Choreografien vorstellen. Eine gemeinsame Arbeit zeigen die GöteborgsOperans Danskompani und die Company Eastman des Choreografen und Tänzers Sidi Larbi Cherkaoui. Dieser setzt in seiner Arbeit „Noetic“ die Beobachtung um, dass Menschen jedem Bereich ihres Daseins, auch ihren Mitmenschen und sich selbst, Strukturen verleihen, während sie zugleich das Verlangen haben, Neues zu entdecken. In einem von Antony Gormley geschaffenen Bühnenraum aus Stahlbändern führen die Tänzer mechanische, wie auto-

6. Mai

Kiel Skylla und Glaukos

Berlin Tod in Venedig Benjamin Brittens Opern fänden hierzulande zu wenig Beachtung, beklagt der Dirigent Donald Runnicles. An der Deutschen Oper dirigierte er bereits Peter Grimes und Billy Budd. Jetzt kommt Brittens Oper Tod in Venedig auf die Bühne. Doch geht es nicht darum, das Publikum zu erziehen. Nicht gebildet, sondern berührt und angeregt solle man durch Opern werden, betont denn auch Regisseur Graham Vick. Dafür ist Brittens letzte Oper, für die Myfanwy Piper nach Thomas Manns Novelle das Libretto schrieb, genau das richtige Werk, bringt es doch die Problematik auf die Bühne, die Britten mit seiner eigenen zeitlebens tabuisierten Homosexualität hatte. Zugleich ist sie musikalisch das Opus summum seiner Arbeit für die Bühne. Gustav von Aschenbach, dessen Musik auf einer Zwölftonreihe basiert, die die Oper bestimmt, wird von Paul Nilon verkörpert. Berlin, Deutsche Oper, 19. (Premiere), 22., 25.3. sowie 23. und 28.4., www.deutscheoperberlin.de

9. April

Essen Le Prophète Oper ist für den Regisseur Vincent Boussard der Gipfel des Theaters, ein phänomenaler Hallraum, der kraftvoller ist als alle andere dramatische Kunst. Mit John Osborn in der Titelpartie des Propheten Jean de Leyde setzt er die große romantische Historienoper Le Prophète in Szene. Giacomo Meyerbeer und sein Librettist Eugène Scribe entwerfen darin ein menschliches Drama vor den Wirren religiöser Kämpfe und zeigen, wie falsche Propheten an die Macht gelangen. Als Jeans unglückliche Mutter Fidès ist Marianne Cornetti zu erleben. Jeans verlobte Berthe verkörpert Lynette Tapia. Am Pult steht Giuliano Carella. Meyerbeer erzielte zu seinen Lebzeiten enorme Aufführungszahlen und überstrahlte alle mit seinem Können und seinem Ruhm. Für national Gesinnte aber war er der unliebsame „Internationale“ und der „habsüchtige Jude“. So kehrten seine Opern nach 1945 kaum auf die deutschen Bühnen zurück. Im Aalto-Theater steht zum ersten Mal eines seiner Werke auf dem Spielplan. Essen, Aalto-Musiktheater, 9. (Premiere) 13., 16., 23., 26. und 29.4. sowie 5., 11. und 14.5., www.aalto-musiktheater.de

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er l ebe n

3. bis 11. April, München, Ballett Festwoche

F oto: Sve tl a n a P o s to e n ko / M G

Die verzweifelte Tat des Kronprinzen

Das Bayerische Staatsballett begrüßt das Ballett des Stanislawskiund Nemirowitsch-Dantschenko-Musiktheaters aus Moskau mit Kenneth MacMillans Mayerling. Inspiriert zu diesem Ballett hatte den Choreografen des Royal Ballet der Roman „The Eagles Die. Franz Joseph, Elisabeth, and their Austria“ des aus Wien stammenden amerikanischen Schriftstellers George Richard Marek. Er weckte in MacMillan das Interesse an den Habsburgern und dem Zerfall der Österreichisch-Ungarischen Monarchie. Die tragische Geschichte des Kronprinzen Rudolph, der sich und der jungen Mary Vetsera im Jagdschloss Mayerling das Leben nahm, wurde bereits in zahlreichen Romanen und Filmen romantisiert. Aber MacMillan wollte die sozialen, politischen und persönlichen Gründe zeigen, die den Kronprinzen zu der verzweifelten Tat bewogen hatten. Er beauftragte den britischen Schriftsteller Gillian Freeman mit einem Libretto. Die Musik stellte der Komponist John Lanchbery aus Werken Franz Liszts zusammen, eines Zeitgenossen des Kronprinzen. Darüber hinaus steht auch die erste Premiere der Saison, Spartacus von Juri Grigorowitsch, auf dem Festprogramm. In der Eröffnungspremiere zeigen Solisten und das Ensemble des Bayerischen Staatsballetts Christopher Wheeldons Alice in Wonderland mit der Musik von Joby Talbot in Bob Crowleys Bühnen-Fantasiewelten. Als Explosion von Farbe, Bühnenmagie und choreografischem Einfallsreichtum wurde das Ballett gefeiert. München, Nationaltheater, www.staatsoper.de

LfA Förderbank Bayern präsentiert

CARMINA BURANA MEETS WELTMUSIK Donnerstag, 29. Juni 2017, 20.00 Uhr München, Philharmonie im Gasteig 8. Orff-Tage der Bayerischen Philharmonie VIOLONS BARBARES | THE 3 VIOLONS OF THE WORLD Solisten, Chöre, Ensembles und Kammerorchester der Bayerischen Philharmonie Mark Mast Dirigent und Gesamtleitung www.bayerische-philharmonie.de Karten: 69 / 59 / 49 / 39 / 32 / 24  €, ermäßigt 50 % Telefon +49 89 120 220 320 | info@bayerische-philharmonie.de | www.muenchenticket.de

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24.04. Stuttgart Staatstheater Reigen / P. Boesmans 27.04. Erfurt Theater Macbeth / G. Verdi 28.04. Wien (A) Staatsoper Turandot / G. Puccini 29.04. Berlin Deutsche Oper Morgen und Abend / G. F. Haas 29.04. Dessau Anhaltisches Theater Der wunderbare Mandarin / Herzog Blaubarts Burg / B. Bartok 29.04. Dresden Staatsoperette Die lustige Witwe / F. Lehár 30.04. Halle Oper Così fan tutte / W. A. Mozart 30.04. Leipzig Oper Götterdämmerung / R. Wagner 01.05. Dresden Semperoper Mathis der Maler / P. Hindemith 05.05. Ulm Theater Werther / J. Massenet 07.05. Magdeburg Theater Die lustigen Weiber von Windsor / O. Nicolai 07.05. Berlin Deutsche Oper Norma / V. Bellini (konzertant) 07.05. Kiel Theater Orpheus und Eurydike / C. W. Gluck 07.05. Zürich (CH) Opernhaus Orlando Paladino / J. Haydn 07.05. Würzburg Mainfranken Theater Der Steppenwolf / Viktor Åslund 08.05. Zürich (CH) Opernhaus Pelléas et Mélisande / C. Debussy 16.05. München Nationaltheater Die Meistersinger von Nürnberg / R. Wagner 20.05. Bremen Theater Werther / J. Massenet 21.05. Berlin Deutsche Oper Jewels / G. Fauré, I. Strawinsky und P. I. Tschaikowsk (Ballett) 21.05. Lübeck Theater Attila / G. Verdi 21.05. Salzburg Landestheater Stormy Interlude / M. Brand 22.05. Altenburg Landestheater Der Freischütz / C. M. v. Weber 22.05. Berlin Komische Oper Geschichten aus dem Wiener Wald / HK Gruber 22.05. Bern (CH) Konzert Theater Hanjo / T. Hosokawa 22.05. Dortmund Opernhaus Ronja Räubertochter / J. Arnecke 23.05. Kassel Staatstheater Die tote Stadt / E. W. Korngold 26.05. Linz (A) Landestheater Terra Nova oder das weiße Leben / M. Eggert 27.05. Augsburg Theater Der Liebestrank / G. Donizetti 27.05. Dessau Anhaltisches Theater Lakmé / L. Délibes (konzertant) 27.05. Halle Oper Sosarme, re di media / G. F. Händel 28.05. Berlin Staatsoper im Schiller Theater Juliette / B. Martinů 28.05. Braunschweig Staatstheater Hexenjagd (The Crucible) / R. Ward 28.05. Flensburg Stadttheater Der Revisor / W. Egk 29.05. Bonn Theater Holofernes / E. N. v. Reznicek 29.05. Erfurt Theater Die Meistersinger von Nürnberg / R. Wagner 29.05. Nürnberg Staatstheater Rigoletto / G. Verdi

KÜnstler Benjamin Appl 09.04. Hamburg, Kirche St. Michaelis 18.04. Hannover, Sparkassen-Forum am Schiffgraben 23.04. Heidelberg, Universität

Joshua Bell 09., 10.03. Frankfurt am Main, Alte Oper 14.05. Nürnberg, Meistersingerhalle 17.05. Freiburg, Konzerthaus

Moritz Eggert 17.04. Frankfurt am Main, Romanfabrik

Tobias Feldmann 20.04. Krün, Schloss Elmau 23.04. Freinsheim, Von-Busch-Hof 16.05. Hannover, Sparkassen-Forum 28.05. Koblenz, Görrehaus 29.05. Mayen, St. Veit Kirche 30.05. Krefeld, Seidenweberhaus 31.05. Mönchengladbach-Rheydt, ­Theater

David Fray 09.03. Köln, Philharmonie 10.03. Bielefeld, Rudolf-Oetker-Halle 11.03. Düsseldorf, Tonhalle 28.04. Coesfeld 14.05. München, Prinzregententheater 13.07. Hohenems (A), Markus-Sittikus- Saal

Florian Glemser 11.03. Rednitzhembach, ­Oberfichtenmühle 07.05. Rimpar, Schloss Grumbach 03.06. Eisenach, Landestheater

Matthias Goerne 12., 15., 19.03. Wien (A), Wiener Staatsoper 21., 22.04. München, Philharmonie 25.04. Berlin, Jüdisches Museum 29., 30.04. Dresden, Kulturpalast 03.,04., 05.06. Dresden, Kulturpalast

Daniel Hope 10.05. Zürich (CH), ZKO-Haus 16.03. Berlin, Konzerthaus 06.04. Berlin, Konzerthaus 07.04. Berlin, Komische Oper 09.04. Düsseldorf, Museum Kunstpalast 04.05. Berlin, Philharmonie

Maximilian Hornung 05.05. Heidelberg, Stadthalle

Kammerorchester Basel 17.03. Basel (CH), Ackermannshof 26.03. Frankfurt, Alte Oper 27.03. Basel (CH), Musicaltheater 24.04. Rosenheim, Kultur+Kongress Zentrum 25.04. Landau, Festhalle 29.04. Dresden, Frauenkirche 01.05. Zürich (CH), Tonhalle 03.05. München, Prinzregententheater 07.05. Basel (CH), Musicaltheater 12.05. Basel (CH), Ackermannshof

Christiane Karg 14.05. Hamburg, Elbphilharmonie

Denis Kozhukhin 26.03. Berlin, Pierre Boulez Saal

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April – Mai 2017


F oto s: G . B u ec h er ; J e n s Gyarmat y; Th eater K i e l ; M a n f red Es s er ; S i m o n Pau ly; es p lu s ; Pe tr J ed i n á k ; Vo jtěc h Hav l í k ; M at s B äcker ; s i ko; K ar i n Sc h eu er ; Gert W e i g e lt; Va l e n ti n B ara n ov s k y / S tate Academ i c M ar i i n s k y Th eatre; A n to n Zav ya lov; M ati l de Fa s s o; He n n i n g Sc h e f f e n

Entdecken, worauf es ankommt

5. bis 21. Mai

Hannover KunstFestSpiele Herrenhausen Seit Ingo Metzmacher Intendant der KunstFestSpiele ist, befindet er sich auf der Suche nach neuen Räumen, um den barocken Aufführungsorten etwas entgegenzusetzen. 19 Produktionen aus den Genres Musiktheater, Performance, Konzert und Installation stehen auf dem Programm. Für das große Finale, die Aufführung von Heiner Goebbels Surrogate Cities, ist er im Transportwerk von Volkswagen Nutzfahrzeuge fündig geworden. In der Produktionshalle sieht er den idealen Aufführungsort für das Montagehafte der Musik. Er selbst leitet das Ensemble Modern Orchestra. Solisten sind Jocelyn B. Smith und David Moss. Goebbels beschreibt seine Komposition als Versuch, „sich von verschiedenen Seiten der Stadt zu nähern, von Städten zu erzählen, sich ihnen auszusetzen, sie zu beobachten“. Hannover, verschiedene Spielorte, www.kunstfestspiele.de

26. Mai bis 23. Juli

St. Petersburg Zauber der WeiSSen Nächte

Exklusive Musikreisen mit der ZEIT Erleben Sie glamouröse Klassik-Events und Perlen der Festival-Landschaft. Auf exklusiven Reisen nehmen Sie an ausgewählten Veranstaltungen teil und treffen die Intendanten oder Künstler hautnah. Unsere Musikexperten begleiten Sie und stehen Ihnen mit ihrem Fachwissen zur Seite. Bestellen Sie jetzt kostenlos Ihr persönliches Exemplar! 040/32 80-455 zeitreisen@zeit.de www.zeitreisen.zeit.de/katalog

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Es ist ein Naturschauspiel. Wenn zur Sommersonnenwende die Sonne nur knapp unter dem Horizont verschwindet und die prunkvolle Stadt an der Newa in ein silbrig-weißes Licht taucht, verliert alles seinen Schatten. Eine Magie liegt über St. Petersburg. Die ganze Stadt feiert. Über der Newa werden Feuerwerke entzündet. Auf dem riesigen Platz vor dem Winterpalais gastieren internationale Stars der Popmusik. Die Eremitage mit ihren drei Millionen 04.04. Wien (A), Musikverein Exponaten, darunter das legendäre „Schwarze Quadrat“, mit dem Kasi05.05. Berlin, Pierre Boulez Saal mir Malewitsch die Malerei auf den Nullpunkt brachte, bietet Ende Juni 21385_ZR_EXT_crescendo_ANZ_12914794_X4_OC300 1 07.05. Wien (A), Konzerthaus sieben Tage lang Sonderführungen. Im Mariinsky-Theater findet zum 25. 13.05. Mannheim, Congress Center Mal das Musikfestival „Stars of the White Nights“ statt. Gezeigt werden 14.05. Wiesbaden, Kurhaus die berühmten Opern- und Ballettaufführungen des Hauses wie Tschai31.05. Wien (A), Konzerthaus kowskys Ballett Schwanensee in der Choreografie von Marius Petipa und Michael Nagy Lew Swanow, das 1895 am Mariinsky-Theater uraufgeführt wurde. 01.04. Luxemburg (LU), Philharmonie Auch Juwelen von George Balanchine, in dem die Smaragde von Faurés, 02.04. Dortmund, Konzerthaus die Rubine von Strawinskys und die Diamanten von Tschaikowskys 03.04. Ludwigsburg, Forum am ­Musik begleitet werden, gehört zu den großen klassischen Ballett­ Schlosspark produktionen. 12., 15., 18.04 München, Bayerische Staatsoper St. Petersburg, Mariinsky-Theater, www.mariinsky.ru

4. und 5. Juni

Bernburg Terpsicore London lag im Farinelli-Fieber. Händel aber wartete mit einer weiteren Neuigkeit auf: der französischen Ballerina Maria Sallé. Sie war am Covent Garden für Tanzeinlagen in Schauspielen engagiert worden. Händel jedoch nutzte die Gelegenheit und integrierte sie in seine Opern und Pasticcios. Am 9. November 1734 eröffnete er seine erste Spielzeit am Covent Garden mit einer überarbeiteten Wiederaufnahme der Oper Il pastor fido, der er Tänze für Sallé hinzufügte. Die Choreografin Helena Kazárová hat den barocken Tanzprolog Terpsicore rekonstruiert. Ihr Ensemble Hartig bringt ihn im Rahmen der Händel-Festspiele auf die Bühne des bezaubernden kleinen Carl-Mariavon-Weber-Theaters. Für kongeniale musikalische Begleitung sorgt das Prager Barockorchester Musica Florea unter Marek Štryncl. Welche Tänze damals Mode waren, zeigen Les charactères de la Danse von Jean-­ Féry Rebel. Bernburg, Carl-Maria-von-Weber-Theater, www.haendelfestspiele-halle.de

27., 28.04. Leipzig, Gewandhaus 14.05. Berlin, Philharmonie 25.05. Essen, Philharmonie 27.05. Wiesbaden, Hessisches ­Staatstheater

Dorothee Oberlinger 13., 14.03. Graz (A), Minoritensaal 18., 19.03. Rügen, Festspielfrühling 26.03. Köln, Philharmonie 05.04. Salzburg (A), Mozarteum 15.04. Gotha, Margarethenkirche 22.04. Zerbst, Rathaus 23.04. Muldestausee OT Burgkemnitz, Barockkirche 05.05.München, Herkulessaal 20.05. Göttingen, Stadthalle

Andreas Ottensamer 19., 20., 22.03. Bremen, Die Glocke 11.05. München, Prinzregententheater 13.05. Ravensburg, Konzerthaus 16.05. Berlin, Konzerthaus

François-Xavier Roth 14.04. Köln, Philharmonie 04., 05.05. Köln, Philharmonie

07.–09.05. Köln, Philharmonie

Valer Sabadus 12.02 Duisburg, Philharmonie Mercatorhalle 01.04 Dresden, Frauenkirche 09.04 Heidelberg, Kongresshaus Stadthalle 14.04 Luzern (CH), KKL 15.04 Riehen (CH), Landgasthof Riehen

Xavier Sabata 03.06. Halle/Saale, Händelhaus

Peter Schöne 11., 15.03. Coburg, Landestheater 17.03. Pinneberg, Ratssaal 26.03. Duisburg, Salvatorkirche 28.03. Hagen, Stadthalle 17.04. Frankfurt am Main, Romanfabrik 29.04. Coburg, Landestheater 07., 08.05 Coburg, Landestheater 14.05. Starnberg, Kulturbahnhof

Julia Schröder 29.04. Dresden, Frauenkirche 01.05. Zürich (CH), Tonhalle 03.05. München, Prinzregententheater

Lauma Skride 03.04. Papendorf, Villa Papenburg

Roman Trekel 09.03. Stuttgart, Staatsgalerie 09., 13., 16., 17., 21., 23.04. Berlin, Staatsoper 29.04. Berlin, Pierre Boulez Saal

Kirill Troussov, Alexandra Troussova 17.04. St. Blasien, Kolleg St. Blasien 30.04. Warstein, Haus Kupferhammer

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10.02


er l ebe n

25. März bis 25. Juni, Berlin

ple-Instrumente sowie Rhythmusmaschinen. In den 80er-Jahren wurden alternative Controller entwickelt. So konnte man Instrumente mittels digitaler Technik bauen. György Ligeti, der 1956 im Studio für elektronische Musik des WDR arbeitete, gab nach zweieinhalb Jahren auf, weil die elektronische Klangwelt zu begrenzt sei und nicht die Qualität einer Stradivari ercrescendo: Herr Dr. Brilmayer, wie entstand die reiche … Idee zur Ausstellung „Good Vibrations“? Da hat sich viel verbessert. In die elektronische Benedikt Brilmayer: Das Vorhaben, die GeErzeugung der Klänge floss viel akustische Forschichte der elektronischen Musikinstrumente schung. Wir wissen heute genauer, wie ein Ton zu erforschen, schwelte schon lange. Im veroder eine Klangfarbe entsteht. Das kann man gangenen Jahr kam in Berlin ein interdiszipliindirekt auch an der Entwicklung der Synthenäres Projekt zum Abschluss, an dem meine sizer ablesen. Die ersten arbeiteten noch mit Co-Kuratorin Sarah-Indriyati Hardjowirogo Alfred Hitchcock mit relativ wenigen Funktionen zur Gestaltung der mitwirkte. Zudem habe ich meine Dissertation Oscar Sala am Klangfarbe, bis immer mehr Aspekte hinzukaüber Technologietransfer im Musikinstrumen­Mixturtrautonium men. Die Elektrotechnik hat sich ebenfalls weitenbau am Beispiel des Trautoniums geschrieterentwickelt. Die Elektronenröhre, die anben. Elektronische Musikinstrumente wurden fangs zum Einsatz kam, konnte die Komplexität vieler Klänge kaum rebisher kaum in großem Umfang in Ausstellungen gezeigt. alisieren. Mitte der 60er-Jahre kamen die Transistoren auf den Markt. Was bekommen die Besucher zu sehen? Und Ende der 70er-Jahre gab es bereits Digitaltechnik. Die ersten Objekte stammen aus den Goldenen Zwanzigern, der ers­ Reicht die Ausstellung bis in die Gegenwart? ten Blütezeit. Diese fand wesentlich in Berlin statt, das damals den Spitznamen „Elektropolis“ trug, weil viele elektrotechnische Industrie- Ja, wir stellen einige Software-Instrumente der letzten 30 Jahre aus. Außerdem haben wir einen Werkstattbereich. Da zeigen wir einen zweige hier ansässig waren. Mit dem technischen Fortschreiten nach dem Zweiten Weltkrieg kam es in den 60er-Jahren zu einer explosions- Ausschnitt dessen, was sich noch in der Entwicklung befindet. artigen Entwicklung. Aus dieser Zeit zeigen wir Synthesizer und SamBerlin, Musikinstrumenten-Museum, www.sim.spk-berlin.de crescendo im Gespräch mit Dr. Benedikt Brilmayer. Er kuratiert die Ausstellung „Good Vibrations. Eine Geschichte der elektronischen Musikinstrumente“. Sie ist von 25. März bis 25. Juni im Musikinstrumenten-Museum Berlin zu sehen.

27. Mai

16. bis 26. März

„Es gibt für mich nichts Stärkeres in der Musik als einen singenden Menschen auf der Bühne“, sagt Miroslav Srnka. Im Februar 2016 wurde seine Oper South Pole in München uraufgeführt. Am 27. Mai geschieht, wovon Komponisten häufig vergeblich träumen: Sein Werk über den Antarktiswettlauf zwischen dem Briten Robert Scott und dem Norweger Roald Amundsen wird nachgespielt. Unter der Regie von Karsten Wiegand kommt es in Darmstadt erneut auf die Bühne. Darmstadt, Staatstheater, 27.5. (Premiere) sowie 10., 18. und 21.6., www.staatstheaterdarmstadt.de

„Wie kann ein Festival der Tatsache gerecht werden, dass es ein öffentlicher, gemeinschaftlicher und dadurch politischer Raum ist?“, fragt Berno Odo Polzer, Intendant des Festivals für Zeitfragen. Eingeladen hat er für die zehn komponierten Abende unter anderem das Ensemble Ictus. Die Musiker stellen zwei Werke vor, die von den dunklen Seiten unserer Zeit erzählen, der Isolation und Machtlosigkeit. In Charlemagne Palestines Stück hört man die verzweifelte Stimme eines Mannes, der auf seinem Motorrad von einer Insel zu entkommen sucht. Eva Reiters The Lichtenberg Figures versteht sich als „klingendes Psychogramm“ unserer Gesellschaft, wild und rau. Zu hören sind verzerrte Stimmen, die den Sonetten des Lyrikers Ben Lerner folgen. Berlin, verschiedene Spielorte, www.maerzmusik.de

Darmstadt South Pole

30. April

München Caprice Von einer „société de plaisirs“ wollte Ludwig XIV. umgeben sein. Die rauschenden Feste bei Hof sollten die Adeligen den Verlust ihrer Macht vergessen lassen. Das Ensemble Sonorizzonte bringt die Suite des Gambisten ­Marin Marais zur Aufführung, der am Hof des Sonnenkönigs wirkte. Den Abschluss ihrer Jubiläumssaison zum fünfjährigen Bestehen des Ensembles feiern Jessica Kuhn, Arno Jochem de La Rosée und Michael Freimuth unter dem Motto „Caprice“ mit einem vielfältigen Programm. Gespielt wird auf historischen Instrumenten wie dem Barockcello, der Viola da Gamba und der Theorbe. Wozu sich heutige Komponisten von den alten Instrumenten inspirieren lassen, zeigt das Stück Blinde Berührung für Laute und Viola da Gamba von Thomas Bocklenberg, dessen Uraufführung das Ensemble vornimmt. München, Alte Hofkapelle der Residenz, www.sonorizzonte.de

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Berlin Maerzmusik

12. bis 14. März

Köln Gürzenich-Orchester „Es ist wichtig, zurück zu gehen zu dem, was der Komponist schrieb und herauszufinden, was er meinte, als er es schrieb“, betont Sir Roger Norrington. Er ist konsequent in seinem Verständnis historisch informierter Aufführungspraxis und wendet sie nicht nur auf barocke, sondern alle Werke der Vergangenheit an. Die Vorzüge dieser Praxis liegen für ihn darin, die Musik „schön und aufregend“ klingen zu lassen. Als Musiker habe man die Pflicht, Werke so aufzuführen, wie der Komponist es wollte. Für ihn bedeute das, genau zu sein und dennoch fantasievoll. Für sein Debüt beim Gürzenich-Orchester hat er die erste Sinfonie von Edward Elgar aufs Programm gesetzt. Köln, Philharmonie, www.guerzenich-orchester.de

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April – Mai 2017

F oto: F otog ra f i e Pr i vat bes it z O s kar Sa l a / R e p ro d u k ti o n : F oto - K re tke , 19 9 9. B i l darc h i v de s M u s i k i n s tru me n t e n - M u s eu m s

Zuwachs für die Instrumentenfamilie


F oto s: G . B u ec h er ; J e n s Gyarmat y; Th eater K i e l ; M a n f red Es s er ; S i m o n Pau ly; es p lu s ; Pe tr J ed i n á k ; Vo jtěc h Hav l í k ; M at s B äcker ; s i ko; K ar i n Sc h eu er ; Gert W e i g e lt; Va l e n ti n B ara n ov s k y / S tate Academ i c M ar i i n s k y Th eatre; A n to n Zav ya lov; M ati l de Fa s s o; He n n i n g Sc h e f f e n ; M a n f red Es s er ; es p lu s

Messe München, 19. bis 21. Mai

crescendo auf der Messe „die 66“

Selbstbestimmt wohnen und Kultur genießen Eva Lind

Max Müller

Von 19. bis 21. Mai 2017 findet wieder „Die 66“, Deutschlands größte 50plusMesse, in München statt. Fast 50.000 Besucher begeisterte sie im vergangenen Jahr, und dieses Jahr wird sie noch schöner, noch größer: Es locken 16 Themenbereiche von Reise über Kultur bis Mode, von Fitness über Finanzen bis Wohnen. 500 ausgewählte Aussteller werden in zwei großen Hallen der Messe München erwartet. Mittendrin, als Herzstück des Themenbereichs Kunst & Kultur: die Hör- und Leselounge von crescendo und der SZ Edition. Hier treffen Sie am 19.5. um 15.30 Uhr Opernsängerin Eva Lind. Die österreichische Star-Sopranistin ist nicht nur mit Paraderollen wie der Konstanze aus Mozarts Entführung aus dem Serail auf allen großen Bühnen der Welt zu Hause, sie wurde auch durch ihre Fernsehauftritte einem breiten Publikum bekannt: So moderierte sie Sendungen wie „Stars von morgen“ oder „Straße der Lieder“ und kommentierte den „Dresdner Opernball“. Ein weiterer prominenter Gast ist Strahlemann und TV-Liebling Max Müller, den meisten bekannt als Polizeiobermeister Michi Mohr aus den „Rosenheim-Cops“. Aber wussten Sie, dass Max Müller ein Gesangsstudium abgeschlossen hat und regelmäßig als Bariton bei Liederabenden auftritt? Vielleicht werden Sie ihn am 20.5. ja auf der Messe singen hören … Natürlich treffen Sie in der Hör- und Leselounge auch auf die Redaktion von ­crescendo mit unserem Chef-Kritiker Attila Csampai, der Sie auf eine Hör-Reise durch seine privaten Klassik-Schätze mitnimmt. Die Hör- und Leselounge ist auch der perfekte Platz zum Entspannen, Lesen, Lauschen und Genießen. Lassen Sie sich von den „Kulturinseln“ inspirieren, auf denen sich unsere ausgewählten Partner vorstellen. Darüberhinaus bietet „Die 66“ auch eine Show-Bühne, Tanzfläche, Sportbühne, zwei Fahrradparcours und sogar einen eigenen Laufsteg. An den drei Tagen wartet ein dichtes Programm aus Vorträgen, Expertengesprächen, Workshops und Shows auf Sie. Exklusiv für crescendo Leser: Unter www.crescendo.de/die66 können Sie einen Gutschein für eine kostenlose Tageskarte herunterladen! Thematisch passende Unternehmen und Institutionen können sich mit ­einer „Kulturinsel“ präsentieren. Sprechen Sie uns an: Petra Lettenmeier, lettenmeier@crescendo.de, Tel: 089/74 15 09-20

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Wohnstift Rathsberg e.V. Rathsberger Straße 63 91054 Erlangen Tel.: 09131-825-0 Fax.: 09131-825-277 info@wohnstift-rathsberg.de www.wohnstift-rathsberg.de


Katharina Bäuml

Isabelle Faust

F oto s: Th o r s t e n E i c h h o r s t; Fe l i x B ro ede; Fra n k E i de l

er l ebe n

Ragna Schirmer

Musik, die einem die Seele erfüllt Das Braunschweiger Festival Soli Deo Gloria feiert die Reformation. Dabei dürfen natürlich Werke von Bach und Mendelssohn nicht fehlen, aber auch neue Klänge verlocken. Von Ruth Renée Reif

„Ky-ri-e … Ky-ri-e … Ky-ri-e e-le-i-son!“ Mit einer eindringlichen Folge von Bittformeln lässt Johann Sebastian Bach seine h-MollMesse beginnen. Viele Jahre hat er in verschiedenen Teilwerken Vorarbeiten für sie geleistet, ehe er in seinen letzten beiden Lebensjahren all die Bruchstücke zusammenfügte und das erhabene Werk vollendete. Er selbst hat ihre Aufführung wohl nie erlebt. Das Prager Barockensemble Collegium 1704 und das Vokalensemble Collegium Vocale 1704 unter ihrem Gründer und Leiter Václav Luks eröffnen mit der Messe im Kaiserdom Königslutter das Festival Soli Deo Gloria. Am Vorabend der Eröffnung gestaltet der Schauspieler Samuel Koch gemeinsam mit dem Organisten Bernhardt BrandHofmeister einen Abend mit Wort und Musik in der Kirche ­St. Nicolai in Nordsteimke. Günther Graf von der Schulenburg, der das Festival ins Leben rief, hat als Künstlerischer Direktor ein Programm zusammenge68

stellt, das zum 500. Jubiläum des Lutherschen Thesenanschlags die Reformation würdigt. Bachs Musik, die seit jeher die geistliche Ausrichtung des Festivals repräsentiert, erklingt erneut in der mittelalterlichen Martinikirche von Braunschweig. Der Kammerchor Stuttgart und die Solisten Sarah Wegener und Peter Harvey widmen sich mit dem Barockorchester Stuttgart unter Frieder Bernius den Reformationskantaten Bachs Gott der Herr ist Sonn und Schild sowie Ein feste Burg ist unser Gott und seiner nur aus Kyrie und Gloria bestehenden g-Moll-Messe. Ein Vorläufer Bachs und einer der herausragenden Komponisten zwischen Renaissance und Barock war Heinrich Schütz. Er stand in der Kirchenmusiktradition der Höfe und Kantoreien, wie Luther sie im 16. Jahrhundert gründete. Als gläubiger Musiker setzte er alle Mittel seiner Kunst ein, um die geistlichen Texte inspirierend zu vermitteln. „Bewegt“ und „beeindruckt“ wie von www.crescendo.de

April – Mai 2017


F oto: c A n drea s Gre i n er- Na p p

Luthers Kantate Ein feste Burg einfließen den Worten eines Predigers sollten die ließ und so dem Reformator ein musiHörer von der Musik werden. 1617 wurde kalisches Denkmal setzte. Pablo HerasSchütz Hofkapellmeister in Dresden. Auch Casado leitet das Freiburger BarockorchesMichael Praetorius, der Leiter der Wolfenter bei ihrer Aufführung. Solistin in Menbütteler Hofkapelle, befand sich in jenem delssohns herrlichem Violinkonzert e-Moll Jahr in den Diensten des Dresdner Hofes. ist Isabelle Faust. Sie hat sich mit dem KonFür die 100-Jahrfeier der Reformation am Günther Graf von der Schulenburg zert und all seinen Pianissimi und Piani Hof komponierten die beiden eine Messe. In der Hauptkirche in Wolfenbüttel, einem bedeutenden Gottes- eingehend befasst, um die vielen Nuancen und „wunderschönen haus des frühen Protestantismus, in dem Praetorius auch begraben Details“ herauszuarbeiten. Das im 16. Jahrhundert erbaute Welfenschloss Gifhorn billiegt, bringen die beiden Ensembles Musica Fiata und La Capella Ducale unter Roland Wilson diese Reformationsmesse zur Auf- det den Rahmen für die „Telemannische Hauspostille“ von Thomas führung. Wilson, der zunächst Trompete studierte, setzte sich aus- Fritzsch. Der Gambist nahm die von dem Komponisten und Vergiebig wissenschaftlich mit den Quellen historischer Aufführungs- leger Georg Philipp Telemann 1727 für den häuslichen Gebrauch praxis auseinander. Er wandte sich den Originalinstrumenten zu, veröffentlichten Arien als Grundlage für neun Hausandachten. Mit die er mittlerweile selbst nachbaut. Mit seinen Ensembles entwi- dem Bassbariton und Telemann-Preisträger Klaus Mertens, dem ckelt er eine sprechende Spielweise, die auch dichte Strukturen Lautenisten Stefan Maas und dem Gewandhausorganisten Michael Schönheit stellt er sie vor. Im Bergwerk Rammelsberg, das auf eine transparent erscheinen lässt. Menschen würden über die Vieldeutigkeit der Musik kla- 1.000-jährige Geschichte zurückblicken kann und zu den Weltkulgen, während die Worte doch ein jeder verstehe. „Mir geht es turerbestätten gehört, präsentiert die Pianistin Ragna Schirmer mit aber gerade umgekehrt“, schrieb Felix Mendelssohn Bartholdy. dem Schlagzeuger Matthias Daneck ihr Projekt „Re-Formation“. Große Werke Bachs und Händels bringt sie in Die Worte erschienen ihm „so missverständsoli deo gloria Beziehung zu neuen Formen und Bearbeitunlich im Vergleich zu einer rechten Musik, die 8. bis 21. Juni gen der Choral- und Fugenrezeption. Mit Texeinem die Seele erfüllt mit tausend besseren Informationen und Kartenservice: ten von und über Luther, die Christian SengeDingen, als Worten“. Zur 300-Jahrfeier der Tel.: +49-(0)30 - 67 80 111 karten@solideogloria.de wald vorträgt, findet das Festival einen inspiReformation komponierte Mendelssohn seine www.solideogloria.de rierenden Ausklang. Fünfte Sinfonie Reformation, in die er auch ■


F oto: S ti f t u n g Frau e n k i rc h e D res de n / O l i ver K i l l i g (2)

er l ebe n

Martin-Luther-Denkmal vor der Frauenkirche Dresden

Eine Kirche voll Musik – und was für welcher! Zum Reformationsjubiläum lockt die Dresdner Frauenkirche mit mehr als 130 ­hochkarätigen Veranstaltungen – von Konzerten mit Valer Sabadus oder Dame Emma Kirkby über ­Uraufführungen bis zu von Luthers eigener Musik inspirierten Werken. Von Julia Hartel

„Die Musik ist die beste Gottesgabe“, konstatierte Martin Luther in seinen „Tischreden“. So liegt es denn auch nahe, gerade Gotteshäuser so oft wie möglich mit Musik zu füllen – nicht nur zum Sonntagsgottesdienst. Seit der Weihe 2005 laden in der Frauenkirche Dresden alljährlich – und eben auch ganzjährig sowie mehrmals pro Woche – vielfältige Musikprogramme Interessierte aller Altersklassen zu Begegnungen mit bekannten und unbekannten musikalischen Meisterwerken in den barocken Hauptraum ein. Aus Anlass des diesjährigen Reformationsjubiläums stehen die über 130 für das Jahr 2017 geplanten Angebote unter dem Motto „re|formation – Neue Perspektiven“. Sie bestehen aus etwa 60 Konzerten, 40 Orgelabenden, 20 geistlichen Sonn- und Festtagsmusiken, zwölf Familien- bzw. Jugendangeboten sowie je zwei Mitsingveranstaltungen und Adventsliedersingen. 70

Viele renommierte Künstlerinnen und Künstler bzw. Ensembles konnten für das Musikprogramm 2017 gewonnen werden. So wird beispielsweise am 1. April Countertenor Valer Sabadus zusammen mit der Cappella Gabetta Werke von Giovanni Battista Pergolesi, Antonio Vivaldi und Nicola Antonio Porpora zur Aufführung bringen. Die Veranstaltung ist Teil der Reihe „Große Stimmen“; zu dieser gehören auch Konzerte von Andreas Scholl mit Dorothee Oberlinger und dem Ensemble 1700 (1. Juli), Nuria Rial und La Stagione Frankfurt (16. September) oder Dame Emma Kirkby und Bell’Arte Salzburg (6. Dezember). Ebenso hohen Kunstgenuss versprechen die Instrumentalkonzerte: „Bach und Söhne“ als wiederkehrender Aspekt in den Frauenkirchenkonzerten steht im Mittelpunkt des Abends mit Martin Stadtfeld (Klavier) und dem Mannheimer Mozartorcheswww.crescendo.de

April – Mai 2017


F oto: M i rjam K n i ckr i em ; K l au s G i gg a

Daniel Hope

Katja Riemann

Frauenkirche

ter am 22. April. Musikalischen Schätzen aus der Feder Antonio rung zu erleben sein: Am 24. Juni wird die Kantate Nun freut euch, Vivaldis – „verloren & wiederentdeckt“ – gehört das Konzert mit lieben Christen g’mein für Gesangssolisten, Kammerchor, großen dem Violinisten Daniel Hope und dem Barockorchester l’arte Chor, Kinderchor, Orgel und Orchester vorgetragen, die die Stifdel mondo (11. November). Und der Bogen zur Moderne wird tung Frauenkirche Dresden – unterstützt von der Gesellschaft zur gespannt, wenn am 7. Oktober Pianist Sebastian Knauer zusam- Förderung der Frauenkirche Dresden e. V. – anlässlich des Jubilämen mit dem Deutschen Kammerorchester Berlin das Concerto ums bei dem Dresdner Komponisten Jörg Herchet in Auftrag gegefür Klavier, Vibrafon und Streichorchester mit dem Titel ÜBER- ben hat. Um mit dem Ziel kultureller Nachhaltigkeit auch junge BACH zu Gehör bringt, das der deutsch-iranische Komponist Arash Safaian aus musikalischen Themen des Thomaskantors Menschen anzusprechen, die in ihrem bisherigen Leben vielleicht noch keinen Zugang zu klassischer und geistlicher Musik geschaffen hat. Die Verbindung von Altem und Neuem kann auch als eine gefunden haben, legt die Frauenkirche stets Wert darauf, mehrere der zentralen Errungenschaften Luthers betrachtet werden. Dem- Angebote speziell auf diese Zielgruppe abzustimmen. Neben den entsprechend wird sich dieser Gedanke natürlich zusätzlich in den „Musikalischen Klassenzimmern“ steht hierzu etwa am 13. März Formaten widerspiegeln, die dem Thema „500 Jahre Reformation“ ein „Gesprächskonzert für junge Leute“ mit Frauenkirchenkangewidmet sind: „Die Impulskraft des Reformators aufgreifend, tor Matthias Grünert und dem ensemble frauenkirche auf dem werden neue künstlerische Bezüge hergestellt und Weiterentwick- Programm, das Schülerinnen und Schülern die Musik von C. P. E. lungen gewagt“, erläutert Dr. Ralf Ruhnau, Leiter des Konzertma- sowie Johann Christian Bach näherbringen soll. Durch die Vernagements und Programmplaner der Stiftung Frauenkirche Dres- anstaltung führt KiKa-Moderator Juri Tetzlaff. Am 15. Dezember den. So umfasst diese Reihe unter anderem zwei Konzerte des Cal- kann ein „Werkstattkonzert“ besucht werden, bei dem sich Ludwig mus Ensembles mit Liedern Luthers in Werken von Praetorius und Güttler, seine Virtuosi Saxoniae und das Sächsische VocalensemSchütz (12. und 13. Oktober) und ein von Ludwig Güttler eigens ble Bachs Weihnachtsoratorium widmen werden. Doch auch „nicht mehr jugendliche“ Zuhörer sind zum Diazusammengestelltes Programm mit Dresdner Repertoire zum log mit den ausführenden Künstlern einReformationsfest (30. Oktober). Eine KomMusik in der Frauenkirche geladen, etwa bei den regelmäßigen Konbination von Musik mit Texten zur ReforDresden 2017 zerteinführungen oder den begleitenden mation wird am 14. Oktober präsentiert, Informationen und Kartenservice: Kunstgesprächen. Bei dieser Fülle von wenn die Kammerakademie Potsdam und Tel.: +49-(0)0351 - 656 06 701 verschiedenartigen Programmpunkten Schauspielerin Katja Riemann als SprecheFax: +49-(0)0351 - 656 06 108 ist garantiert für jeden Geschmack etwas rin gemeinsam einen Abend zum Thema ticket@frauenkirche-dresden.de dabei! gestalten. Außerdem wird eine Urauffühn www.frauenkirche-dresden.de 71


j u n g   &   a l t

Abonnieren Sie die schönsten Seiten der Klassik für nur 55 EUR*: ❚ sechs Ausgaben crescendo ❚ Festspiel-Guide ❚ Geschenk-CD www.crescendo.de

Wir schenken Ihnen

Max Müller: Tierisch! Volker Nemmer am Klavier (Solo Musica)

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April – Mai 2017

Abb.: Portmedia Verlag; Strezhnev Pavel / fotolia.com

Die CD erscheint am 24. März


schwerpunkt Jung & alt Lotte Tobisch – die Grande Dame der Wiener Bohème und ihr Künstlerheim (Seite 82) Von Sinn und Unsinn der Musikwettbewerbe für Kinder und Jugendliche (Seite 86)

Klassik in Zahlen

48,5 % Anteil Musikschüler bis 9 Jahre*

1,5 % Anteil Musikschüler über 60 Jahre*

44,5 Jahre Altersdurchschnitt der Berliner Philharmoniker

17 Jahre Jüngstes Mitglied der Berliner Philharmoniker

F oto: ebra x a s / F oto l i a .co m

56,2 Jahre Durchschnittsalter Konzertbesucher klassische Musik

* Statistiken des Deutschen Musikinformationszentrums MIZ

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j u n g   &   a l t

Jung & alt Wann jagt Ihnen ein Fünfjähriger am Konzertflügel Schauder über den Rücken? Ist alt schön? Wie finden Sie Musik­ wettbewerbe für Kinder? Ist es mit 60 zu spät, um ein Instrument zu lernen? Wo verbringen Künstler stilvoll ihren Ruhestand? Und wo verbringt ihn das Publikum?

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F oto s: A n n e t te Häm p f l i n g


j u n g   &   a l t

Wunderkind und Künstlergreis

Mit dem „Kürbis van Beethoven“ unserer Künstlerin Anna-Sophie Jürgens haben wir versucht, den Alterungsprozess des Komponisten-Giganten auf zwei Wochen zu raffen.

M

an muss jung sein, um große Dinge zu tun“, meinte Goethe im hohen Alter. „Des Lebens Mai blüht einmal und nicht wieder“, wusste der jung verstorbene Kollege Schiller. Doch des Dichters weise Sprüche braucht es heute nicht. „Einst Prügel schon als Säugling“, hieß es 2014 in der „Welt“ recht flott, „später Freiheit bar jeder Autorität – und nun Förderung um jeden Preis.“ Bloß nichts zu verpassen, scheint die Devise unseres Zeitalters der Optimierung und maximalen Ausschöpfung von Ressourcen. Zeitfenster werden aufgestellt, die Eltern in Torschlusspanik versetzt. Bis zum vierten Lebensjahr sollte die Motorik ausgereift sein und eine zweite Sprache dazukommen. Eine Musikerkarriere startet am besten zwischen dem dritten und dem zehnten Lebensjahr. Hochbegabte Kinder spüren, was das bedeutet. Üben, üben, üben, um die Erwartungen und Projektionen des Publikums zu erfüllen, die Ahnung von etwas Höherem. „Heute hast Du wieder bewiesen, dass es einen Gott im Himmel gibt“, schrieb Albert Einstein dem 13-jährigen Yehudi Menuhin. Thomas Mann widmete dem neunjährigen Klaviertalent Loris Margaritis, das er 1903 in einem Konzert in München erlebte, eine ganze Erzählung („Das

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Wunderkind“). „Und der Applaus bricht los, einmütig, gerührt, begeistert …“, heißt es dort. „Bravo, kleiner Saccophylax … ein Teufelskerl!“ mit dem „harmloseste(n) Kindergesichtchen von der Welt“. Jung, schön und genial. Das hat Sexappeal. Nicht für Mitsuko Uchida. Eine seltsame Vorliebe sei es, wenn hochbegabte Kinder so bestaunt werden wie Schlangenfrauen oder Tellerwerfer im Zirkus. „Fragen Sie das Publikum doch einmal, ob es vor Gericht von einem Siebenjährigen vertreten oder von einem sehr begabten Achtjährigen operiert werden will.“ Weder Uchida noch andere konnten als Kind mit einer „Instantkarriere“ dienen. Und sind nicht traurig darüber. „Wunderkindkrankheit“ beschrieb Jascha Heifetz, selbst ein Wunderkind, die Zusammenbrüche der jungen Kollegen, die den Sprung zum bewussten Künstler nicht schafften und verzweifelten, weil sich die Verzauberung des Publikums neuen Wundern zuwendete. „Bei uns geht es nicht um Fähigkeiten“, sagt der Geiger Christian Tetzlaff, „sondern ums Erzählen von Inhalten … Bei einem Kind kann man noch gar nicht wissen, ob es nur gut imitieren kann oder ob es wirklich darauf brennt, Musik zu erzählen.“ Das brauche Zeit. Beharrliche Aufbauarbeit aber zahle sich aus. Aus der Sicht des Musikers. Nicht aber der www.crescendo.de

April – Mai 2017


Sie werden ausgestellt wie Schlangenfrauen im Zirkus, die ­Wundermädchen und Wunderknaben. Lässt der „Kindheits-Hype“ nach, wird es schnell eng in der Künstlerluft über dem Mittelmaß. Endlich reif, angesehen und erfahren, verpassen viele den perfekten Moment, um zu gehen. v o n Te r esa Pieschac ó n Ra p hae l

„Fragen Sie das ­Publikum

nährt ja jede Hoffnung. Kein KonzertManager, die gerne Karrieren im PresDOCH E ­ INMAL, ob es von ­ haus mehr ohne Bühne für „Junge tissimo planen. Heute Konservatorium, einem begabten Wilde“, kein Opernhaus mehr ohne morgen die Met. „Leider werden die Opernstudio, keine Stiftung, Bank oder meisten Talente zu früh entdeckt und zu ­Achtjährigen operiert Konzern, die nicht einen Preis, ein StiTode vermarktet“, beklagt Jan Vogler. ­werden will“ pendium ausschreibt. Ein Wettbewerb Ingolf Turban stellt fest: „Es ist erschütjagt den nächsten, ob in Brüssel, Münternd, was da mit Kindheiten angestellt chen, Cardiff oder Bamberg, von wird, wie Begabung zur Schau gestellt und missbraucht wird. Kommt das Kind dann in die Pubertät, „Jugend musiziert“ über den ARD-Wettbewerb bis hin zum Young kracht es oft ins Vakuum zusammen. Für die Scherben interessiert Singers Project der Salzburger Festspiele. Agenten, Journalisten sich dann niemand mehr.“ Und auch der – noch junge – Geiger befördern das Geschäft. Sie alle wollen die Sensation: den neuen Renaud Capuçon warnt: „Die Gefahren für einen jungen Musiker Horowitz, Caruso und Co. Bitter also, wenn man mit Anfang 30 trotz Auszeichnungen, sind heute sehr groß, es gibt die sozialen Netzwerke, die ihnen das Gefühl vermitteln, sehr rasch sehr bekannt zu sein, entsprechend unzähliger Probespiele und verschickter Demotapes an Agenten der Anzahl ihrer ,Freunde‘ auf Facebook oder Twitter oder Insta- und Plattenfirmen manchmal vom letzten Wettbewerbsgeld lebt. gram. Die Gefahren liegen auch im Anreiz dessen, was glänzt.“ „Ich habe nie über Alternativen nachgedacht“, sagt eine junge Frei nach Georg Christoph Lichtenberg: „Der Mensch ist verloren, Musikerin, die ihren Namen nicht nennen möchte. „Mit 15 war klar, dass ich Musik studieren werde. Natürlich bleiben Leute auf der sich früh für ein Genie hält.“ Andererseits: Was wäre Jugend ohne Begeisterung? Ohne die der Strecke, mir passiert das aber nicht, dachte ich.“ Vielleicht Zuversicht, es auf alle Bühnen der Welt zu schaffen? Wohl wie das nicht gut oder attraktiv genug? Keine Lobby, kein Geld hinter sich? Alter ohne Erfahrung. Und der Musikbetrieb in Deutschland Die gnadenlose Konkurrenz? Schließlich steht dem eklatanten 77


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Auch unser Haydn-Pilz hat nach 14 Tagen schon merklich Glätte verloren, aber Charakter gewonnen.

Nachwuchsmangel an den Musikhochschulen der 1960er heute ein gehöre eine klare Haltung und Mut, „denn die Branche denkt Überangebot gegenüber. „Tausend schöne, täuschende Genien gerne in Schubladen und lebt ganz gut davon, erfolgreiche Proumschweben unsere Jugend. Nach und nach entschwindet das jekte so lange wie möglich zu kopieren.“ Weiterentwicklung sei Gedränge, und die Aussicht wird freier. Das nennen wir dann das Zauberwort. „Sich treu bleiben, aber neue Projekte ausprobieErkenntnis“, könnte man mit dem Aphoristiker und Pädagogen ren. Raus aus der Komfortzone!“ Möglichst also doch nicht alt Johann Jakob Mohr meinen, der dies im 19. Jahrhundert schrieb. werden?! Allgemein gilt für Stars ebenso wie für die anderen: In der „Letztlich entscheidet das Schicksal, die Vorsehung oder der liebe Gott über eine Karriere“, sagt Gustav Kuhn, Leiter der Tiroler Fest- Kunst des Rücktritts beweisen nur wenige die Kunstfertigkeit des spiele und des Wettbewerbs Neue Stimmen der Bertelsmann-Stif- Rennfahrers Nico Rosberg, der sich mit 31 Jahren, auf dem Höhepunkt einer Karriere, zurückzog. tung. Mittelalterliche Potentaten wurAus Japan, dem Land der den geköpft, erschlagen, vergiftet, Wunderkinder (!), kommt das „Tausend schöne Genien umschwePolitiker abgewählt. Und der Sprichwort: Ein 10-jähriges Wunben unsere Jugend. Nach und nach Künstler? Die meisten ergreift die derkind wird zu einem 15-jährientschwindet das Gedränge, und Panik. Schließlich hat man alles gen Talent, bevor es 20-jährig eingesetzt, die Bühne wurde zur dem Mittelmaß angehört. In die Aussicht wird freier“ zweiten Natur. Es droht der IdenJapan mag dies einem Gesichtstitätsverlust. Viele hangeln sich verlust gleichkommen, aber in von Abschiedstournee zu Deutschland? Was spricht gegen das Glück in der Mitte? Die meisten Musiker hier sind keine Super- Abschiedstournee, schlüpfen in die Rolle des „elder statesman“ in stars, aber auch keine hungernden Künstler. In Deutschland fließt Meisterkursen, ändern auch mal das Fach, wie der Tenor Plácido – wie in keinem anderen Land – Musik so selbstverständlich wie Domingo, der heute mit Bariton-Partien auftritt. Sänger werden zu Wasser und Strom, bis in den entlegensten Ort. Keine Kleinstadt Rezitatoren, Cellisten zu Dirigenten. José Carreras räumt in selteohne Konzertreihe, Konzerthaus, Orchester oder Musik(hoch)- ner Ehrlichkeit ein: „Langsam, langsam“ versuche er das zu beenschule. Der Bedarf an Pädagogen und Interpreten ist sehr groß und den, „was ich 1970 angefangen habe.“ Langsam. Damit „es kein wird vielfach mit Künstlern aus Osteuropa gedeckt. Zugegeben: Es allzu großer Schock für mich“ wird. Doch irgendwann muss jeder gehen. Es sei denn, man stirbt ist nicht glamourös, wenn eine junge Frau einst für die nächste Callas gehalten wurde und nun an einer Dorfmusikschule ihr Ein- im Bühnenkostüm wie Molière oder macht es wie Yehudi Menukommen mit Gesangsstunden bestreiten muss; wenn ein junger hin. Als die Aura des Wunderkindes dahin war, schuf er sich eine Mann sich eine große Solistenkarriere versprach und nun ein neue: die des Heiligen, des Künstlers der Versöhnung. Oder Günter Wand, der nach Jahrzehnten als Lokalmatador in Köln mit 70 Dasein als „Tuttischwein“ im Orchester fristet. Doch selbst, wenn man es auf die große Bühne geschafft hat, eine erstaunliche internationale CD-Karriere hinlegte. Nicht er bleibt die bange Sorge: Wie schafft man es, jahrzehntelang im habe eine Karriere verpasst, sondern der Musikbetrieb habe ihn Gespräch zu bleiben, wie Anne-Sophie Mutter, die jetzt ihr 40. verpasst, kommentierte er seinen späten Ruhm. Noch besser ergeht Jubiläum feiert? Oder Cecilia Bartoli, deren Koloraturen nicht es Komponisten: Heinrich Schütz schrieb 86-jährig sein berühmmehr das sind, was sie einst waren, deren Name dennoch in aller tes Magnifikat, Johann Sebastian Bach wenige Jahre vor seinem Munde ist. „Um eine Karriere nachhaltig zu gestalten, ist es wich- Tod die h-Moll-Messe und die Kunst der Fuge, Karlheinz Stockhautig, sich immer wieder neu zu erfinden“, sagt Karin Heinrich, die sen am Tag vor seinem Tod ein Auftragswerk. „Forever young“ langjährige Managerin und Beraterin von Roger Cicero. Dazu könnte man meinen. Je nach Interpretation. ■ 78

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April – Mai 2017


Kit Amstrong und Alfred Brendel 2016 beim Mozartfest Würzburg

Der Star und sein Mentor Nicht viele können Alfred Brendel ihren Mentor nennen. Wie kam es bei Ihnen dazu? Das begann vor vielen Jahren. Ich war damals zwölf Jahre alt und studierte am Curtis Institute of Music in Philadelphia. Alfred Brendel hat dort im Kimmel Center ein Recital gegeben, und ich ging natürlich hin und war total begeistert. In der Pause sprach mich auf einmal eine Frau an, die neben mir saß und wissen wollte, ob ich auch Musiker sei. Ich habe gesagt, wer ich bin, dass ich Student bin und seit vielen Jahren Klavier spiele. Und da hat sie mir gesagt, sie sei eine sehr gute Freundin von Alfred Brendel. Was für ein Zufall! Das war wirklich ein unglaubliches Glück – in diesem riesigen Saal mit 2.000 Zuhörern saß ich zufällig direkt neben ihr! Nach dem Konzert hat sie mich mit zu Herrn Brendel genommen, und er hat mich zu sich nach London eingeladen, damit ich ihm etwas vorspiele. Das hatte ich überhaupt nicht erwartet. Schließlich hatte ich schon einige berühmte Künstler nach Konzerten kurz gesehen und meistens sagten sie dann die üblichen Sprüche. „Mach weiter so“, „Üb’ schön“ und so weiter. Brendel war völlig anders, ganz ehrlich. Ein Mann der Tat! Nach einigen Monaten habe ich Herrn Brendel angerufen und sein Angebot angenommen. Wie lief Ihr Treffen in London ab? Ich habe ihm damals die Les-Adieux-Sonate von Beethoven vorgespielt, und es war ganz anders als erwartet. Oft spielt man ein Stück vor, dann heißt es: „Sehr gut, weiter so, alles Gute für Ihr weiteres Leben.“ Nicht so bei Brendel. Nach dem ersten Takt hat er mir sofort seine Vorstellung erklärt und vorgespielt, und wir haben so die zwei ersten Sätze der Sonate durchgearbeitet. Damit sind fünf Stunden vergangen. So fing das an. Seither sehen wir uns ungefähr zehnmal im Jahr. Wenn ich bei ihm bin, tue ich alles, was ich kann,

um offen zu bleiben und möglichst viel von ihm zu lernen. Alfred Brendel ist dafür bekannt, keine Kinder zu unterrichten. Warum hat er bei Ihnen eine Ausnahme gemacht? Das ist eine gute Frage. Ich selbst konnte mit dem Begriff „Kind“ nie viel anfangen und habe mich mit derartigen Kategorien nie wohl gefühlt. Man ist die Person, die man ist. Was haben Sie bei Brendel gelernt? Brendels Lieblingsfrage, die fast immer rhetorisch gemeint ist, lautet: Was ist der Charakter dieser Stelle, dieser Melodie? Darum geht es für ihn in erster Linie bei der Musik: dass man als Interpret in der Musik einen Charakter erkennt und diesen zum Ausdruck bringt. Das ist seine grundlegende Philosophie und dafür ist das Hören sehr wichtig. Ich meine nicht die körperliche Wahrnehmung, sondern die geistige Vorstellung, die man von einem Stück hat. Das ist das, woran Brendel mit mir gearbeitet hat. Die Übersetzung der geistigen Vorstellung in hörbare Musik ist dann nur noch ein Mittel zum Zweck. Sind Alfred Brendel und Sie sich ähnlich? Intuitiv würde ich sagen: nein. Wir kommen ja aus verschiedenen Generationen, und er hat einen solchen Reichtum an Erfahrung, den ich nicht habe. Aber wir haben in den meisten Bereichen ähnliche Geschmäcker. Wir haben zum Beispiel beide eine große Leidenschaft für japanische Filme aus den 50er-Jahren. Was ist Alfred Brendel für Sie heute – ein Lehrer, ein Mentor, ein Freund? Er ist mein Mentor. Früher habe ich immer versucht, so zu spielen, wie es in seinem Sinne wäre. Wenn ich jetzt Klavier spiele, denke ich nicht mehr nur an ihn. Jetzt mache ich manchmal bewusst Sachen, von denen ich weiß, dass Brendel sie niemals so gemacht hätte. Aber ich möchte für mich selbst herausfinden, wohin das führt. ■ 79

F oto: va n lo o n

Eigentlich unterrichtet Alfred Brendel keine Kinder. Für den damals zwölfjährigen Kit Armstrong machte er eine Ausnahme. Heute ist der musikalische Überflieger 24 Jahre alt und Brendel sein treuer Mentor. v o n D o r o t hea W a l chsh ä u s l


j u n g   &   a l t

Jetzt noch ein Instrument lernen? Dazu bin ich zu alt! „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.“ Gerade in der Musik scheint es ab einem gewissen Alter schlichtweg „zu spät“. Woher kommt diese Annahme – und darf man sich als Erwachsener wirklich keine Hoffnungen mehr machen, ein Instrument zu lernen? V o n S i n a K l ei n ed l e r

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iele Erwachsene wünschen sich, ein Instrument spielen zu können, zweifeln aber am Erfolg oder trauen sich nicht, noch einmal „Anfänger“ zu sein. Prof Dr. Eckart Altenmüller ist Neurologe, Flötist und Direktor des Instituts für Musikphysiologie und Musikermedizin der Hochschule für Musik und Theater Hannover. Mit uns hat er über Probleme und Möglichkeiten des Musizierens im Alter gesprochen. Dass Hans gegenüber dem Hänschen im Nachteil ist, trifft laut ihm jedoch nur auf musikalische Spitzenleistungen zu: „Es gibt relativ viele Untersuchungen, die zeigen, dass man, wenn man bis zum Alter von 12 oder 13 Jahren noch nicht angefangen hat, zwar ein guter Musiker werden kann, aber vielleicht nicht das Level eines Lang Lang erreichen wird. Diese Begrenzung entsteht, weil die Anpassungsfähigkeit des Nervensystems bei jungen Menschen am größten ist und damit die Voraussetzungen für spätere optimale Leistungen früh geschaffen werden. Trotzdem ist noch nicht klar, ob Erwachsene wirklich langsamer lernen als Kinder. Auf jeden Fall lernen sie anders, sehr viel kognitiver. Begabte Kinder können spüren, welche Bewegungsabläufe sich gut anfühlen, und lernen dadurch sehr schnell. Das ist bei Erwachsenen oft durch Verspannungen eingeschränkt oder durch Gedanken verkompliziert.“ So beklagen viele, die eigentlich gerne musizieren würden, sie seien „unmusikalisch“. Tatsächlich trifft das nur auf eine sehr kleine 80

Gruppe von Menschen zu. Circa zwei bis drei Prozent leiden unter einer sogenannten „Amusie“. Musik ist dann nichts anderes als Lärm: „Diese Menschen würden nie freiwillig in ein Konzert gehen, denn sie verstehen gar nicht, was Leute daran finden, wenn vorne im Orchester so seltsame Geräusche entstehen. Das ist aber ein sehr seltenes Phänomen.“ Bei musizierenden Kindern konnte man in Untersuchungen ein besser entwickeltes Sprachzentrum sowie Vergrößerungen der Hirnregionen nachweisen, die beim Musizieren involviert sind, und auch die beiden Gehirnhälften sind besser verknüpft. Diese Beobachtungen können auch bei Erwachsenen gemacht werden, wenn auch in etwas geringerer Ausprägung. Aber was genau passiert im Gehirn, wenn wir musizieren? Prof. Altenmüller schildert es so: „Die Nervenzellen vergrößern sich etwas, weil sie mehr Stoffwechsel entwickeln und ihre Verzweigungen – die Dendriten – werden häufiger und mehr. Das heißt, je mehr ich mein Gehirn vernetze, umso größer werden diese Dendritenbäume. Diese Effekte sind auch hormonell bedingt und am ausgeprägtesten im Alter zwischen 15 und 25 Jahren, aber sie bleiben lebenslang erhalten und können vor allem dann noch mal stark beschleunigt werden, wenn hohe Motivation gegeben ist.“ Diese Motivation bringen viele Erwachsene bereits mit, wenn sie sich von angeblicher „Unmusikalität“ oder Sprichwörtern nicht einschüchtern lassen. Prof. Altenmüller hat selbst mehrere Jahre www.crescendo.de

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F oto s: I n s tit u t s f ür M u s i k p h ys i o log i e u n d M u s i ker- M ed izi n Ha n n over

Prof. Dr. Eckart Altenmüller erforscht an seinem Institut unter anderem die körperlichen Grundlagen des Musizierens.


„zwei bis drei Prozent reich leider ganz stark ausgeprägt ist. Bis lang Querflötenunterricht gegeben und vor Kurzem hieß es bei Bläser-Probespiedabei auch mit erwachsenen Schülern leiden unter ,Amusie‘. len noch: „Mit 35 brauchst du dich gar gearbeitet: „Diese Stunden habe ich immer Musik ist dann nichts nicht mehr bewerben.“ Dabei gibt es so als sehr anregend empfunden, weil man so viele großartige Künstler mit Umweg-Bioviel zurückbekommt. Erwachsene haben anderEs als Lärm“ grafien. Nichts ist ausgeschlossen.“ eine große Quelle an Möglichkeiten. Sie Selbst wenn Sie keine große Künstlerhaben viel Hörerfahrung und in aller Regel karriere anstreben, sollten Sie darüber sehr genaue Vorstellungen von dem, was sie wollen. Ein Nachteil ist, dass sie sich oft sehr schnell unter nachdenken, ein Instrument zu lernen. Regelmäßiges Musizieren Druck setzen oder setzen lassen, indem sie etwa einem bestimmten wirkt wie eine Gesundheitsvorsorge: „Früheres Musizieren führt berühmten Vorbild nacheifern. Aber gerade diese Motivation und im Alter dazu, dass wir bestimmte Leistungen länger erhalten, insdie oftmals starke Auseinandersetzung mit dem Instrument, der besondere das Wortgedächtnis, aber auch sogenannte exekutive Funktionen, also die Funktionen des Gehirns, die mit Planung Geschichte, den Komponisten und Werken sind tolle Quellen.“ Vermutlich liegt es auch an gesellschaftlichen Umständen, und Steuerung von Impulsen zu tun haben. Das gilt nicht nur für dass bislang verhältnismäßig wenige erwachsene Schüler an den diejenigen, die schon als Kind musiziert haben, sondern auch, Musikschulen zu finden sind. Musikhochschulen haben Altersbe- wenn Sie mit 70 Jahren anfangen. Durch die vielen Aufgaben, die grenzungen festgelegt, und auf den Konzertpodien feiert man Ihr Gehirn beim Musizieren ausführen muss, schaffen Sie sich eine „Wunderkinder“ und junge Wettbewerbssieger. Es sind Lebensge- Situation, die man in der Biologie ,angereicherte Umgebung‘ schichten wie die von Marie-Luise Neunecker, die unter dem heu- nennt. Sie führt dazu, dass wir kognitive Reserven aufbauen, ein tigen Leistungsdruck, möglichst schnell möglichst perfekt zu sein Kapital an Fertigkeiten, von denen wir sehr lange zehren können. vielleicht gar nicht mehr möglich wären. „Neunecker hat im Bla- Wenn Sie ein Musikinstrument üben, haben Sie ein geringeres sorchester Trompete gelernt, dann Schulmusik studiert und dort Risiko, an einer Demenz zu erkranken.“ Für den späten Einstieg sind einige Instrumente anatomisch im Instrumentenkarussell ein Horn in die Hand genommen. Sie hat sich als erwachsene Frau in wenigen Jahren auf dem Horn so bedingt weniger geeignet als andere. Als „altersangepasste“ Instruperfektioniert, dass sie Solohornistin im Sinfonieorchester des mente empfiehlt Prof. Altenmüller Klavier oder Cello: „Überlegen Hessischen Rundfunks und eine der führenden Hornistinnen Sie sich, welches Instrument Sie schon immer spielen wollten, gehen ihrer Generation geworden ist“, führt Prof. Altenmüller als Bei- Sie an die Musikschule und nehmen Sie eine Schnupperstunde. In spiel an und ergänzt nachdenklich: „Ich glaube schon, dass wir der Zwischenzeit haben wir viele Musiklehrer, die das sehr gut einen gesellschaftlichen Effizienz­wahn haben, der im Musikbe- machen. Probieren Sie es aus, es ist nie zu spät!“ ■

TERTIANUM PREMIUM RESIDENCES

Ein Zuhause ist mehr als nur Wohnen. W W W.T E R T I A N U M . D E

Die Tertianum Premium Residences bieten Premium-Wohnen für ein selbstbestimmtes Leben. Innerstädtisch gelegen und umgeben von den besten Adressen der Stadt. Exzellenter Service und First Class-Pflege ergänzen die großzügigen Wohnungen in Berlin, München und Konstanz. Und bilden damit den Rahmen für ein komfortables Leben im urbanen Umfeld.


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Das ­Künstlerheim des ­„schlimmen Mädchens aus gutem Hause“ Lotte Tobisch: Inbegriff der ­Salondame, Ikone des Opernballs und der Modewelt, V ­ ertraute ­Theodor Adornos und vieles mehr. Der Bühne hat sie längst ­Lebewohl gesagt – und tut noch jenseits der 90 alles, um Künstlern einen e­ rfüllten ­Lebensabend unter ihresgleichen zu ermöglichen. V o n W a l t e r W eid r i n g e r

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as Problem des Alters ist, dass alle tot sind, mit denen man sein Leben verbracht hat. Man hat niemanden mehr zum Reden. Bei uns aber schon.“ Prof. Lotte Tobisch-Labotýn weiß, wovon sie spricht. In einigen Wochen feiert sie ihren 91. Geburtstag – aber wer sie in ihrer Wohnung am Wiener Opernring trifft und als vor Esprit sprühende Gesprächspartnerin erlebt, der kann diese Zahl nur für ein absurdes Gerücht halten. „Bei uns“: Das ist nicht ihr privates Zuhause, sondern das Heim, für das sie arbeitet. Kaum zu glauben, dass sie als Präsidentin des Vereins „Künstler helfen Künstlern“ sich schon seit 1996 um das Schicksal von Zunftkolleginnen und -kollegen kümmert, die zum Teil noch einige Jährchen jünger sind als sie selbst. Zumal es kein bloßes Ehrenamt für 82

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F oto: M i c h ae l Fr it th u m


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sie ist: Mehrmals pro Woche sieht sie persönlich nach dem Rechten Wie alles begann? Als gegen Ende des Zweiten Weltkriegs der im 25 Kilometer entfernten Baden bei Wien. In dem Thermal­ Großteil der deutschsprachigen Bevölkerung Böhmens und Mähbadeort mit kaiserlicher Vergangenheit hat Beethoven an der 9. Sin- rens vor den alliierten Truppen floh oder von den Tschechen verfonie gearbeitet, dort spielt der erste Akt der Fledermaus, dort hat trieben wurde, kamen auch die Angehörigen der deutschen Theadie Operette bis heute eine Hochburg – und dort unterhält der Ver- ter in Olmütz oder Brünn als vielfach mittellose Flüchtlinge nach ein auch sein „Hilde Wagener Künstlerheim“. Darin verbringen Wien. Um diesen helfen zu können, organisierte die Schauspieleheute bis zu 30 Menschen in Zimmern oder Apartments ihren rin Hilde Wagener zunächst bunte Abende mit BurgtheatergröLebensabend, die auf der Bühne, auf dem Podium oder im Atelier ßen, deren Erlöse den Bedürftigen zugute kamen, und gründete Beruf und Berufung hatten vereinen können. „Unser kleines Haus schließlich 1949 den Verein „Künstler helfen Künstlern“. Ein Offihat einen Vorteil, der nicht nur für Künstler gilt: die Wahlverwandt- zierserholungsheim in Baden wurde gekauft und adaptiert – das schaft der Bewohner. Wir bilden eine Art Familie. Und jeder weiß, heutige „Hilde Wagener Künstlerheim“. Schon diese Anfänge hat wovon die Red’ ist“, erklärt sie. die junge Schauspielerin Lotte Tobisch miterlebt – und geholfen. Bei Hofmannsthal heißt das bekanntlich, man habe „doch Als „schlimmes Mädchen aus gutem Hause“ war sie aus einem goleinen Ton miteinander“ – einen gemeinsamen Grundklang. Und das denen Käfig geflohen, ging eine damals skandalträchtige Beziesei wesentlich für ein Wohlfühlen im Alter, findet Lotte Tobisch: hung mit dem 37 Jahre älteren Schriftsteller und Dramaturgen „Menschlich finde ich nur Heime Erhard Buschbeck ein, wurde mit höchstens 40 Bewohnern, überSchülerin des Burgtheaterstars „die Jahre allein bekommt man auch schaubare Gemeinschaften aus Raoul Aslan und erlangte nach Leuten, die miteinander können, ihrer Bühnenkarriere vor allem als mit Botox nicht mehr weg“ die ähnliche Interessen haben. Organisatorin des Wiener OpernNatürlich ist das eine Geldfrage für balls breite Popularität. Parallel die öffentliche Hand, und wir köndazu engagierte sie sich als Vornen uns nicht beklagen, da das soziale Netz in Österreich eng standsmitglied von „Künstler helfen Künstlern“ – und beerbte geknüpft ist. Wenn ich da an die 30er-Jahre zurückdenke …“ Aber schließlich 1996 ihre Opernball-Vorgängerin Christl Schönfeldt niemand sollte in einem anonymen Moloch seine letzten Tage fristen auch als Präsidentin des Vereins. Außerdem ist sie Ehrenmitglied müssen. Vielleicht spielt auch die Angst vor solchen Auswirkungen der Österreichischen Alzheimer-Gesellschaft. eine Rolle dabei, dass viele Menschen den Gang ins Heim scheuen. Mit dem eigenen Alter geht Lotte Tobisch locker um. „Es „Dank sozialer Fürsorge bleiben die Leute so lang wie möglich zu kommt viel auf die Einstellung an. Schwierig macht man es sich, Hause, Sie sehen das auch bei mir. Ich hab das Glück, dass alles noch wenn man um jeden Preis jung bleiben will. Ein jüdisches Sprichfunktioniert, vor allem mein Kopf. Aber so gut wie alle, die sich vor- wort sagt, von den Jahren allein wird man auch älter. Das stimmt, her geziert haben, sagen dann, wenn sie eine Zeitlang bei uns in die bekommt man auch mit Botox nicht mehr weg. Nimmt man Baden wohnen: Hätte ich gewusst, wie wohl ich mich hier fühle, wäre aber das Unausweichliche zur Kenntnis, ist es halb so schlimm. ich schon vor fünf Jahren gekommen!“ Anders als etwa in der Meine wunderschöne Mutter ist mir mit schlechtem Beispiel vorberühmten Casa Verdi, wo viele Sänger und Musiker leben, die sich angegangen: Sie hat ab 50 unter ihrem Alter gelitten. Das passiert früher aus dem Beruf verabschieden (müssen), absolvieren die Seni- mir nicht, war immer mein Vorsatz. Sicher, da zwickt es und dort oren in Baden aber kaum mehr Auftritte vor den anderen – „aus zwickt es, aber mir ist es egal. Es hat sogar Vorteile: Irgendwann Altersgründen“, wie Tobisch klarstellt: „Bei uns kommen Gäste als kann man alles sagen, was man will.“ Hinterm Berg halten mit Unterhaltungsprogramm, spezielle Interessen befriedigen wir eher ihrer Meinung etwa über manche Politiker, über ihre Leidenschaft in kleinerer, privater Runde. Aber eine Kreativtrainerin bastelt und für Gummibärchen oder darüber, dass sie einen k.u.k.-Orden des malt mit den Bewohnern, eine Handvoll immerhin interessiert das.“ Herrn Großpapa als Anhänger um den Hals trägt („Monarchisten Besondere Geld- oder Platzfragen stellen sich bei alldem nicht: wären entsetzt!“), das tut sie nicht. Letztes Jahr wurde sie, die sich „Wir sind sehr günstig, sogar billiger als andere Altersheime. Bei uns für den Opernball stets vom Wiener Modezaren Fred Adlmüller wohnen auch Menschen mit Mindestpension, da springt der Verein hat einkleiden lassen, zu ihrem Amüsement im Rahmen der ein, auch für 200 Euro Taschengeld.“ Leerstände sind gewöhnlich Vienna Awards for Fashion and Lifestyle zur Mode-Ikone gewählt. nur kurz, es bildet sich auch keine Warteliste: „Es geht sich immer „Wo ich arbeiten lasse, hat man mich gefragt. Ich kaufe viel bei irgendwie aus“, heißt das auf gut Österreichisch. Dass es so ist, und unserem Flohmarkt in Baden, war meine Antwort. Das haben sie dass etwa auch Moribunde bleiben können, liegt freilich auch an der dann prompt nicht zu schreiben gewagt!“ streitbaren Lotte Tobisch. „Wenn der Arzt sagt, es sei etwa nur noch Und dann kommt es auch noch aufs Loslassen an. „Ich habe die Frage von einigen Wochen, dürfen die Menschen auch bei uns viele blöde Sachen gemacht, aber eines war gescheit: der Bitte nicht sterben. Bis das möglich war, hatten wir schreckliche Schwierigkei- nachzugeben, doch den Opernball noch länger zu organisieren. ten mit den Ämtern. Zugegeben, wir sind kein Pflegeheim, da gibt es Ich hatte es 15 Jahre lang getan, mein 70. Geburtstag kam und rechtliche Probleme, aber für solche Einzelfälle setze ich mich ein.“ zugleich wurden 1.000 Jahre Österreich gefeiert – das war mein Ja, auch übers Sterben, die natürlichste Sache der Welt, spricht Moment zu gehen. Ich habe so viele Menschen erlebt, die diesen Lotte Tobisch ganz unbefangen – und muss es auch. „Die FluktuaPunkt verpasst und dann darunter gelitten tion ist hoch: Die meisten kommen erst mit Ende 80. Früher sind sie haben – das wissen wir doch von vielen Kolmit 75 eingezogen und sind knapp 90 geworden, jetzt kommen sie legen, die nicht aufhören können. Wenn ich mit 88 und werden 95.“ Sieben Menschen sind während ihrer Amtsheute höre, ich sei die ‚Ikone des Opernballs‘, zeit über 100 geworden; 2016 sind erstmals fünf gestorben. „Der dann lache ich und sage: Das verdanke ich Tod ist traurig, es ist schade, wenn ein Mensch weg ist, den alle gern nur meinem rechtzeitigen Abgang! Drei hatten – aber in dem Alter ist das kein Grund zum Weinen. Danach Jahre später hätte es garantiert geheißen: setzen wir uns meist zum Kaffee zusammen – und ich schau darauf, Was, die Alte ist immer noch da?“ ■ dass es ein bisschen heiter wird, dass man sich an den Erinnerungen Lotte Tobisch: „Alter ist nichts für Phantasielose“ (Amalthea) an den Menschen erfreut.“ 84

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Königliches Altern F oto: N i l s Ha s e n au

Weltstars im hauseigenen Konzertsaal, Spa-Tempel, Sterneküche oder erlesenes Programmkino: Einige Seniorenresidenzen haben ein Angebot, das ­ renommierte Veranstaltungshäuser und Luxushotels erblassen lässt.

Tertianum Premium Residences

Wohnstift Rathsberg Erlangen

Gerade ist die Tertianum Premium Residence in Berlin zum „Haus des Jahres 2017“ gewählt worden und erhielt für ihr exzellentes Kulturprogramm im Jahr 2016 einen Award der Edition Neureuter. Tatsächlich begeistert die elegante Residenz vis-à-vis des berühmten KaDeWe in der Bundeshauptstadt mit einem reichhaltigen Veranstaltungsprogramm aus Lesungen, klassischen Konzerten, Stummfilmkonzerten und Vorträgen. Zwei weitere Dependancen des Tertianum für ein anspruchsvolles Leben im Alter finden sich in München und Konstanz und stehen dem Berliner Haus in nichts nach. Veranstaltungen bieten eine ideale Möglichkeit der Begegnung von Bewohnern und Besuchern. Genuss wird im Tertianum groß geschrieben. Das kulinarische Konzept der Bewohnerrestaurants wurde in Kooperation mit Sternekoch Tim Raue entwickelt. Mit der Brasserie Colette haben die Tertianum Premium Residences darüber hinaus einen erstklassigen Lunch- und Dinner-Spot geschaffen. Trainiert werden kann in hauseigenen Fitness- und Gymnastikräumen mit sportmedizinischen Trainingsgeräten oder im Schwimmbad mit Gegenstromanlage. Alle Häuser verfügen über eine Kneippanlage und über eine Sauna oder ein Softdampfbad. „Gesundheit, Aktivität, Kulinarik, Genuss, Kultur, Reisen, Gemeinschaft und Engegament“ sind die Themenfelder, denen sich das „Zuhause der Möglichkeiten“ verschrieben hat.

Seinen 50. Geburtstag feiert das Wohnstift Rathsberg Erlangen dieses Jahr, und genauso alt wird sein beeindruckendes Kulturprogramm – eines der besten Angebote Deutschlands in einem Seniorenstift! Hier gaben sich bereits Stars wie Christa Ludwig, Brigitte Fassbender, die Musiker des Alban Berg Quartetts oder Chris Barber die Ehre. Wöchentlich locken hochkarätige Konzertangebote. Der 400 Zuschauer fassende Konzertsaal war von Anfang an wichtiger Bestandteil des Baukonzepts und der Philosophie des Stifts. Das Haus war das erste, das die Vision eines selbstbestimmten Wohnens nach den spezifischen Wünschen und Bedürfnissen der Bewohner verfolgte. Neben dem Standort in Erlangen gibt es das Wohnstift am Tiergarten in Nürnberg. Damit nicht genug: Viermal pro Jahr hat das Wohnstift auch Ausstellungen im Portfolio, seien es Fotoarbeiten oder Gemälde. Jeden zweiten und vierten Mittwoch Nachmittag verwandelt sich der Konzertsaal in ein hauseigenes Kino und lässt Cineasten-Herzen höherschlagen: und zwar kostenlos! Und schließlich wären da noch verschiedene Vortragsreihen sowie diverse aktive Gruppen wie Singkreise, Instrumentalgruppen, Bildungsfahrten oder Sprachkurse. Kreative Kraft hinter dem vielfältigen Programm ist der Musiker und Kulturmanager Jürgen Bachmann – 2011 „Kulturmanager des Jahres“ im gesamten deutschsprachigen Raum!

Tertianum Premium Residences Passauer Straße 5 – 7, 10789 Berlin | www.tertianum.de

Wohnstift Rathsberg Erlangen Rathsberger Straße 63, 91054 Erlangen | www.wohnstift-rathsberg.de

Wohnstift Mozart

Elbschloss Residenz

Residenz am Dom

„Das ganz Besondere an uns ist die unglaublich positive Atmosphäre!“, schwärmen Bewohner und Mitarbeiter des Wohnstift Mozart. Neben einem opulenten Kulturprogramm lockt auch das Vitalisarium, eine Wellness- und Therapie­ oase mit Hallenbad, Spa-Bereich und vielem mehr.

Wohnen an einem der schönsten Plätze Hamburgs! Die Elbschloss Residenz reizt durch ihren Standort umgeben von Parks mitten im Grünen an der Elbe, mit erstklassiger Küche (viergängige Mittagsmenüs!) und dem individuellen Service eines Fünf-Sterne Hotels.

Nur einen Steinwurf vom Kölner Dom entfernt befindet sich die Residenz am Dom mitten im pulsierenden, historisch und kulturell inspirierenden Zentrum der nordrhein-westfälischen Metropole. „Vitalität“ lautet das Leitwort für ein geschmackvolles, umfangreiches Angebot.

Wohnstift Mozart | Salzstraße 1, 83404 Ainring-Mitterfelden | www.wohnstift-mozart.de

Elbschloss Residenz | Elbschlossstr. 11, 22609 Hamburg | www.elbschloss-residenz.de

Residenz am Dom | An den Dominikanern 6-8, 50668 Köln | www.residenz-am-dom.de

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Das Trio Jakob Aumiller, Jonas Aumiller und Alexander Zettl gewann nicht nur einen ersten Bundespreis bei „Jugend musiziert“, sondern auch einen Sonderpreis der Deutschen Stiftung Musikleben und der Manfred Vetter-Stiftung

Und raus bist du! Sie spielen sich um Kopf und Kragen und vielleicht auch um ihre ­K indheit. Es gibt weit über 50 große Musikwettbewerbe für ­K inder und Jugendliche in Europa. Ist das sinnvoll? V o n M a r ia G o e t h

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us den Zügen, Straßenbahnen und Autos quellen rotwangige, gut gelaunte junge Leute. Die Sonne spiegelt sich in bonbonfarben lackierten Instrumentenkästen. Es liegt eine prickelnde Energie in der Luft, eine Art aufgeregte Erwartung, nervöse Vorfreude. Es ist Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“. Es ist jene Woche im Jahr, in der rund 2.500 Musiker zwischen 13 und 21 Jahren immer in einer anderen Stadt zusammenkommen, um die letzte Runde von Deutschlands größtem Musikwettbewerb für junge Laienmusiker auszutragen. Den heranwachsenden Musikern ist eines gemeinsam: Sie haben sich bereits auf Regional- und Landesebene behaupten können – und zwar gegen sage und schreibe 20.000 Mitstreiter. Sie sind bereits angekommen in der „Bundesliga“ der Musikwettbewerbe. Doch wird es nun nicht umso gnadenloser sein zu scheitern? Tragen Musikwettbewerbe nicht dazu bei, aus inspirierten, kreativen jungen Menschen seelenlose Musizierautomaten zu machen? Sollte es nicht wenigstens in diesem Alter noch ein „Musik machen mit“ statt ein „Musik machen gegen“ sein? Stecken bei Kindern nicht zu oft überambitionierte Eltern oder von Ehrgeiz zerfressene Lehrer dahinter, die ihr eigenes Scheitern kompensieren? Und: Ist eine Bewertung von Kunst nicht per se hoffnungslos subjektiv? All diese Fragen hat Reinhart von Gutzeit, seit vielen Jahren Vorsitzender des Projektbeirats und gute Seele von „Jugend musiziert“, schon hundertmal gehört. Und hat eine Menge sehr guter Antworten darauf parat. Die Vorstellung, Musik sei von ihrem Wesen her uneitel und ganz auf harmonisches Zusammenwirken 86

ausgerichtet, sei ein Trugbild. Sobald ein Mensch die Bühne betrete, sei unwillkürlich ein gewisser Wettbewerbsgedanke dabei und gehöre vielleicht auf ganz natürliche Weise zum vielschichtigen Wesen der Musik. Liegt nicht eine unheimliche Faszination darin, Instrumente bis an ihre Grenzen zu treiben, die Virtuosität und Leistungsfähigkeit ihrer Spieler auf das Äußerste auszureizen? Gut, aber muss man bereits Kinder diese Last tragen lassen? Von Gutzeit betont, dass eine sinnvolle pädagogische Herausforderung nicht gleichzusetzen sei mit krankmachendem Druck. Gerade musikbegeisterte Jugendliche seien motivierter und leistungsbereiter als die meisten ihrer Altersgenossen, hätten Lust, miteinander in Wettstreit zu treten. Wenn Wettbewerb ein urmenschliches Bedürfnis ist, sollte man Kinder nicht überängstlich davor „beschützen“, Erfolge und Misserfolge ertragen zu lernen. Was die Hyper-Eltern und Hyper-Lehrer betrifft: Ja, es gibt sie! Aber sie sind Randerscheinungen. „Und muss man nicht akzeptieren, dass auf einigen Instrumenten, so wie in manchen Sportarten, außerordentliche Leistungen nur erbracht werden können, wenn die Grundlagen schon in früher Kindheit gelegt werden, und auch, dass dieser Weg ohne intensive, aufopfernde Betreuung durch eine erwachsene Bezugsperson nicht erfolgreich beschritten werden kann?“, fragt von Gutzeit. In der Tat möchte man antworten, dass ohne Mama- oder Papa-Taxi allein schon ein regelmäßiger Unterrichtsbesuch für viele Minderjährige unmöglich ist. Und was die Messbarkeit von musikalischen Leistungen betrifft: Es muss Wettbewerbsteilnehmern schlichtweg klar sein, dass sie sich einem subjektiven Geschmacksurteil aussetzen, dass es www.crescendo.de

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F oto s: J u g e n d m u s izi ert / E r i c h M a lter (2); J u g e n d m u s izi ert / A n drea s D e n h o f f

Fehlentscheidungen geben kann und geben darf. Andererseits, so Landesebene bekommen alle (!) Kandidaten nach ihrem Vorspiel von Gutzeit, gebe es auch eine Latte von „klaren und durchaus ska- ein kurzes Beratungsgespräch und damit Feedback und Tipps für lierbaren Maßstäben“, mit denen Juroren agieren und die früh ken- ihre weitere musikalische Entwicklung. Natürlich wäre es ideal, nenzulernen kein Schaden sei, kehren sie später doch auch in Pro- wenn auch Lehrer, Eltern und Freunde „mitspielten“ – schon manch ein Angehöriger war enttäuschter als der Kandidat selbst. bespielen und Examen wieder. Ein Wettbewerb braucht außerdem ein künstlerisch durchAber nun: Butter bei die Fische! Wie muss ein Kinder- und Jugendmusikwettbewerb aufgebaut sein, um Probleme zu vermei- dachtes Konzept. Dazu zählt auch die Frage nach dem Repertoire, den und Nachwuchs zu fördern, statt zu entmutigen, und wie gut die Anlage der Kategorien. Werden nur berühmte Meisterwerke gelingt das „Jugend musiziert“? Immerhin hat „Jumu“ – wie die „abgenudelt“ oder wird zum Beispiel Wert auf Neue Musik und verTeilnehmer ihn nennen – bereits 54 Jahre auf dem Buckel und ist gessene Schätze gelegt? „Jugend musiziert“ fordert nicht nur konsedamit – wenn auch nicht der Methusalem, so doch der ältere Onkel quent Repertoire verschiedener Stile und Epochen ein, es gibt auch – in der europäischen Wettbewerbslandschaft. Das Wichtigste, so Unmengen von Sonderpreisen, die die Auseinandersetzung mit Ungehörtem, Ungespieltem anregen von Gutzeit: Es könne eben nicht nur sollen: etwa für eigene Kompositioeinen Besten geben! Glücklicherweise nen, Uraufführungen, Werke verfemexistieren so viele unterschiedliche „Wenn Wettbewerb ein ter Komponisten oder Werke von Musikertypen: „Exaltierte, nachdenk­urmenschliches Bedürfnis ist, Komponistinnen. lich-sensible, poetische, intellektuelle; Was die Jury betrifft, so sieht es Filigrantechniker auf der Suche nach sollte man Kinder nicht überReinhart von Gutzeit nahezu als „heiabsoluter Perfektion, Bachanten auf ängstlich davor ‚beschützen‘“ lige Pflicht“ an, sich einer Objektivität der Suche nach der Verschmelzung wenigstens anzunähern, indem die mit dem Publikum.“ Da gibt es auf Wertungen mehrerer, unabhängig keinen Fall nur einen Sieger, schon gar nicht in der Mischung „von allem etwas“. Die Lösung: Preise voneinander urteilender Fachjuroren zusammengeführt werden. sollten immer teilbar sein. Bei „Jugend musiziert“ wird mittels „Jugend musiziert“ tut darüber hinaus eines kategorisch, was andere Punktesystem bewertet. Das heißt, dass jeder, der für sein Alter eine Wettbewerbe trotz häufiger Ärgernisse nicht konsequent durchsetabsolut herausragende Leistung erbringt, auch einen ersten Preis zen: Lehrer von Teilnehmern sind als Juroren ausgeschlossen! Schließlich: Der Wettbewerb sollte nicht enden, wenn der Teilgewinnt. In einer Kategorie und Altersgruppe können das auch einmal zehn und mehr sein. Auf diese Weise treten die jungen Musiker nehmer den Saal verlässt, auch wenn er eine Urkunde in der Hand auch nicht in direkte Konkurrenz zu ihren Kollegen. Bei „Jugend hält. Echte Förderung findet dann statt, wenn der Wettbewerb Persmusiziert“ gibt es darüber hinaus etliche Ensemblekategorien, etwa pektiven schafft. Bei „Jumu“ winken eine Fülle von Anschlussmaßfür Duos oder Kammermusikbesetzungen. Das soll die Freude am nahmen: Institutionen und Stiftungen laden WettbewerbsteilnehZusammenspiel stärken. Gewertet werden hier auch nicht die ein- mer zu Konzerten und Meisterkursen ein, es winken Stipendien, Notengutscheine, hochwertige Leihinstrumente und Geldpreise. zelnen Teilnehmer, sondern das Ensemble als Ganzes. Nächster Punkt ist der Umgang mit Kandidaten, die keinen Die Preisträger werden nicht alleingelassen. So blicke ich nach dem Bundeswettbewerb in Hunderte glückPreis gewonnen haben. Bei manchen Wettbewerben erfolgt die Ergebnisbekanntgabe distanziert per Aushang – die Ausgeschiede- liche und nur wenige weinende Gesichter. Dabei sein ist vielleicht nen können ihre Sachen packen und (möglichst geräuschlos) gehen. trotzdem nicht alles. Aber die jungen Musiker haben sich – egal mit „Jugend musiziert“ hat hier einige Standards entwickelt: Man welchem Ergebnis – mehrere Musikstücke erarbeitet, sind tief einbemüht sich, schon im Einladungsschreiben, in der Betreuung beim gedrungen in deren Klangkosmos. Und sie fallen sich zum Abschied Wettbewerbsgeschehen und bei der Bekanntgabe der Ergebnisse um den Hals und tauschen fleißig Nummern und Facebook-KonWertschätzung für alle Teilnehmer auszudrücken. Spätestens ab takte aus: Sie haben neue Freunde gefunden! ■


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Woher kommt eigentlich … ... das Phänomen Wunderkind?  v o n S t efa n S e l l

des.“ Mozart als Maßstab, es sollte immer ein Wunderkinder sollen bewundert werden. Im „neuer Mozart“ her. Mendelssohns Vater war Berliner Volksmund heißt das: „Ick kieke, als Bankier erfolgreich, wünschte sich von staune, wundre mir.“ 1925 machte Kurt Weill seinem Sohn Opern und Oratorien. Dafür daraus das Klopslied. Da wo man hinkiekt scheute er weder Kosten noch Mühen. Mit 16 und staunt, dort lassen sich Wunderkinder in Edward Yudenich dirigierte stellte Felix seine Oper Die Hochzeit des bare Münze verwandeln. Nicht nur Deutschbereits im Alter von sieben Jahren Camacho fertig. Der Sommernachtstraum ist sein erstes Konzert land sucht den Superstar, die ganze Welt ist das Werk eines 17-Jährigen. War es der Vater, voller Wunder, man schaue nur bei Youtube nach. Es geht um Superlative, von denen sich das Wunderkind der ihn antrieb oder – Mozart ähnlich – die Ahnung, früh vollenund sein Umfeld erhoffen, Stufe für Stufe in den Olymp von Ruhm den zu müssen? Felix Mendelssohn starb mit 38. Es kann auch anders sein. Camille Saint-Saëns begann mit und Reichtum zu gelangen. Vor dem Ehrgeiz des Kindes steht der sechs Jahren zu komponieren, obwohl ihm dafür noch 80 weitere Ehrgeiz der Eltern. Wunderkind Paganini erinnert sich an seinen Vater: „Bald Jahre blieben. Oder war er erst drei Jahre alt, als er das erste Stück erkannte er meine Naturanlage, ihm habe ich die Anfangsgründe schrieb? Im Reich von „höher, schneller, weiter“ divergieren die in der Kunst zu verdanken. Seine Hauptleidenschaft ließ ihn sich Angaben. Mutter und Großtante förderten ihn, der Vater war kurz viel zu Hause beschäftigen, um durch gewisse Berechnungen und nach Camilles Geburt verstorben. „Als ich zweieinhalb Jahre alt Combinationen Lotterie-Nummern aufzufinden, von denen er war, setzten sie mich vor ein kleines Klavier, was seit Jahren nicht sich bedeutenden Gewinn versprach. Deshalb grübelte er sehr viel mehr geöffnet worden war. Anstatt darauf herumzutrommeln, wie und zwang mich, nicht von seiner Seite zu weichen, so daß ich es die meisten in meinem Alter getan hätten, schlug ich eine Note vom Morgen bis zum Abend die Violine in der Hand halten nach der anderen an, jedoch immer erst, wenn die vorherige ausgemusste … schien ich ihm nicht fleißig genug, so zwang er mich klungen war.“ Literatur für Kinder zu spielen langweilte das Wundurch Hunger zur Verdoppelung meiner Kräfte, so dass ich kör- derkind, bald schon legten sie ihm Mozart und Haydn vor. „Mit perlich viel auszustehen hatte, und die Gesundheit zu leiden fünf konnte ich kleine Sonaten korrekt spielen, gut interpretiert und begann.“ Der Komponist und Musikkritiker Alfred Julius Becher in exzellenter Genauigkeit.“ Dass er all das unter Zwang getan habe, postulierte 1843 in den „Wiener Sonntagsblättern“, man solle entkräftet Saint-Saëns in seinen „Musikalischen Erinnerungen“: „solche Kinderquälerei und Kunstprostitution unter polizeiliche „Ich habe in einer Biografie gelesen, ich sei mit der Peitsche bedroht worden, damit ich spiele. Das ist absolut falsch.“ Aufsicht stellen“. Die italienische Geigerin Teresa Milanollo begann ihren Die „Allgemeine Musikalische Zeitung“, zu deren Abonnenten auch Goethe zählte, bemerkte 1823, dass allerorts Wunderkinder Unterricht mit vier Jahren. 1843, als sie 16 war und ihre Schwester „wie Pilze hervorschossen“. So wusste Goethe: „Die musikali- Maria elf, spielten die beiden im Wiener Redoutensaal vor 4.000 schen Wunderkinder sind zwar hinsichtlich der technischen Fer- Leuten. „Seit Paganini dürfte sich kaum ein anderes Concert eines tigkeit heutzutage keine so große Seltenheit mehr …“, ergänzte solchen Zuspruches erfreut haben, wie dieses.“ Hier rief Becher jedoch in Bezug auf den jungen Mendelssohn: „… was aber dieser nicht nach „polizeilicher Aufsicht“, sondern lobte: „Die in noch so kleine Mann im Fantasieren und Primavistspielen vermag, das unreifem Alter übernatürlich erscheinende Tiefe der Empfindung grenzt ans Wunderbare und ich hab es bei so jungen Jahren nicht und die daraus hervorgehende Vollendung der Exekution. So für möglich gehalten.“ Gegenüber Zelter, der Mendelssohn unter- kann aber auch kein Mann spielen!“ Was steht hinter dem Wunsch, die Welt ins Kieken, Staunen, richtete, staunte er über den Zwölfjährigen: „Was Dein Schüler jetzt leistet, mag sich zum damaligen Mozart verhalten wie die Wundern zu versetzen? Vielleicht der Ruf, mit dem Kurt Weills ausgebildete Sprache eines Erwachsenen zu dem Lallen eines Kin- Klopslied endet: „Icke! Icke! Icke!!“ n 88

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Reise & Kultur Ein crescendo Themenspecial // Frühjahr & Sommer 2017 Worms vor 500 Jahren – Welcher „Ketzer“ stellte sich hier dem Reichstag? | Salzburg – Kennen Sie die kleinste Bühne der Stadt? | Wein – Wo liegt das größte ­Anbaugebiet Deutschlands?

Kultursommer im Kufsteinerland Alpencharme, Natur und viel Kultur am Kaisergebirge in Tirol

Sonder veröf fentlichung/Anzeigen/Präsent ationen

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R e i s e   &   K u l t u r

Der Kultursommer am grünen Inn Das Kufsteinerland beeindruckt mit malerischen Landschaften, großartigen Musikveranstaltungen und einer ambitionierten Nachwuchsförderung

Die Festung Kufstein mit der Festungsarena

„E

s ist eine Himmelskraft“, erklärt Gustav Kuhn die unerschöpfliche Quelle seiner Energie. Vor 20 Jahren rief der Dirigent, Regisseur und Bühnenbildner die Tiroler Festspiele Erl ins Leben. Dank seiner Ideen und seines Einsatzes entwickelte sich Erl zu einem der gefragtesten Festspielorte. Der „Spirit of Erl“ zieht Jahr für Jahr Musiker und Musikliebhaber in das beschauliche Dorf zu Füßen der steil aufragenden Felshänge des Kranzhorns. Die „robuste Spielfreude“, die Theater ausmache, sucht Kuhn in Erl zu erreichen. 2003 setzte er erstmalig Richard Wagners Bühnenfestspiel Der Ring des Nibelungen komplett auf das Programm. Von Größenwahn war damals die Tiroler Festspiele Erl Sommer Oper / Konzert / Kammermusik 6. bis 30. Juli 2017 Klaviertage der Tiroler Festspiele Erl 6. bis 9. April 2017 Tickets +43-(0)5373-81 000 20 tickets@tiroler-festspiele.at www.tiroler-festspiele.at

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Rede. Aber der Erfolg ließ die Kritiker verstummen. Im Jubiläumsjahr unter dem Motto „Zukunftsweisende Retrospektive“ steht Wagners Tetralogie erneut auf dem Festspiel-Kalender. Die von Kuhn musikalisch geleitete Aufführung erfolgt, wie Wagner es vorsah, an vier aufeinanderfolgenden Tagen und in dem von Kuhn konzipierten mittlereile legendären „Erler Inszenierungsaufbau“ mit dem Orchester auf der Bühne und den Sängern davor. Als weitere Produktion aus der Erfolgsgeschichte kommt Wagners Märchenoper Lohengrin wieder ins Passionsspielhaus. Auf die Bühne des 2012 fertiggestellten spektakulären Festspielhauses kehrt Mozarts Zauberflöte zurück. Als „das richtige Stück für Erl“ bezeichnet Kuhn OperettenSommer Kufstein Johann Strauss: Der Zigeunerbaron 28. Juli bis 13. August 2017 Tickets +43-(0)512-561 561 office@operettensommer.com www.operettensommer.com

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April – Mai 2017


F oto : T i r o l e r F e s t s p i e l e E r l / A PA F oto s e rv i c e / X i o m a r a B e n d e r ; va n m e y p h oto g r a p h y; Ac a d e m i a Vo c a l i s ; F e r i e n l a n d K u f s t e i n

F oto s : K u f s t e i n e r l a n d ( 2 )

sie und verweist darauf, dass auch ihre Uraufführung „vor den Toren“ Festspielhaus Erl des normalen Opernbetriebs stattgefunden habe. Sie stehe „für all die vielen einzigartigen und punktuell gesetzten Kultur­ highlights der Festspielgeschichte“ und als Zeichen „für ein friedliches und tolerantes Nebeneinander auf allen Ebenen“. Ein Universum in schwarz und weiSS Der umtriebige Festspielleiter engagiert für seine Programme häufig junge Künstlerinnen und Künstler zu ­Beginn ihrer Karriere. Die meisten von ihnen genießen Ac a d e m i a Vo c a l i s Internationale Meisterkurse für Gesang und Konzerte 10. Juli bis 27. August 2017 Auskünfte & Kartenreservierungen: +43-(0)5332-75660-0 gabi@gma-pr.com www.academia-vocalis.com

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bereits seit Jahren Kuhns Förderung im Rahmen der Accademia di Montegral. In einem ehemaligen Kloster – dem Convento dell’Angelo – nahe der toskanischen Stadt Lucca ermöglicht Kuhn als Spiritus Rector jungen Musikern und Sängern eine ganzheitliche Förderung ihrer künstlerischen Entwicklung. Die jungen Talente bilden Seite an Seite mit etablierten Künstlern das Festspielorchester sowie den Chor, ­w irken als Solisten mit und arbeiten als Regisseure und Dirigenten. Zu erleben sind sie auch in der Neuinsze­ nierung der Saison, Rossinis Belcanto-Oper Semiramide, sowie dem umfangreichen Konzertteil der Festspiele. To u r i s m u sv e r b a n d Kufsteinerland A-6330 Kufstein Unterer Stadtplatz 11-13 +43 5372 / 62207 info@kufstein.com www.kufstein.com

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Weit mehr als schöne Stimmen „Meine Mutter hat gesagt …“ Junge Talente der Meisterklasse von Kammersängerin Christa Ludwig bekommen diesen Satz häufig zu hören. 50 Jahre lang stand die Mezzosopranistin auf den Bühnen der Welt. Was sie zur Entfaltung ihres Talents brauchte, lernte sie bei ihrer Mutter, der Gesangspädagogin Eugenie Besalla-­ Ludwig. Sie habe ihr beigebracht, wie man die Musik zum Ausdruck bringe. Denn auf den Ausdruck komme es an. Diese und viele andere Weisheiten gibt Christa Ludwig in ihrer Meisterklasse an der Academia Vocalis weiter. Die ambitionierte Kultureinrichtung hat sich der Nachwuchsförderung verschrieben. Zum 29. Mal veranstaltet sie in Wörgl Internationale Meisterkurse für Gesang. Gelehrt werden Gesangstechnik, Interpretation und Darstellung in den Genres Oper, Lied, Oratorium und Musical. Referenten von Weltrang kommen nach Wörgl, um ihren Erfahrungsschatz mit jungen Talenten zu teilen. Zum ersten Mal dabei ist Kammersängerin Ileana Cotrubas, die wie ihre Kollegin Christa Ludwig zu den herausragenden Opernsängerinnen gehörte. Den Abschluss jeder Meisterklasse bildet ein Konzert, in dem die jungen Talente das Gelernte praktisch erproben und zeigen können. Im Kufsteinerland am wild zerklüfteten Kaisergebirge bilden Natur und Kultur eine einzigartige harmonische Einheit. Kulturelle Darbietungen vor malerischen Berglandschaften und den Weiten des Inntales schenken innere Beglückung und Bereicherung. Kufstein, die viel besungene „Perle Tirols“, wird überragt von einer wuchtigen Festung. Diese bietet eine eindrucksvolle Kulisse für den OperettenSommer, der hier vor zehn Jahren zum Leben erwachte. Cymbal-Klänge, schwermütige Melodien, Arien, Couplets und schwungvolle Tanzrhythmen sorgen für einen anregenden Abend, bis der junge Ungar Sándor Barinkay zu Reichtum gelangt und das hübsche Zigeunermädchen Sáffi heimführen kann. Natürlich ist dieses dann gar keine Zigeunerin, sondern die Tochter eines türkischen Paschas. Stars der Wiener Volksoper und Nachwuchskünstler widmen sich mit Schwung und Charme Johann Strauss’ Operette Der Zigeunerbaron. F oto : lo l i n

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Ebenfalls aus der Accademia di Montegral kommen die Pianisti Dell Angelo. Mit ihnen lädt Kuhn bereits im Frühjahr zu Klaviertagen ins Festspielhaus nach Erl. Im Eröffnungskonzert des erstmals stattfindenden viertägigen Festivals führt er beeindruckend vor, was ein Klavier vermag: „Ein Universum in Schwarz und Weiß“ durchmessen die Pianisten Mélodie Zhao und Davide Cabassi gemeinsam mit anderen Musikern und Sängern. Die Pianisti Dell Angelo selbst stellen sich in einem Porträtkonzert vor. Für einen romantischen Abschluss sorgt eine Rarität der Klavierliteratur: Carlo Grante spielt das Erste Klavierkonzert von Salomon Jadassohn, für den die Melodie die Seele jeder Komposition war.

i m p r e s s u m Reise & Kultur ist ein Themenspecial von crescendo – Deutschlands großem Magazin für klassische Musik & Lebensart Verlag: Port Media GmbH, Rindermarkt 6, D-80331 München, www.crescendo.de, Tel. +49-(0)89 74 15 09-0 Herausgeber: Winfried Hanuschik (v. i. S. d. P.) | Redaktion: Petra Lettenmeier | Autor: Corina Kolbe | Artdirector: Stefan Steitz Anzeigen: Petra Lettenmeier, Heinz Mannsdorff, www.crescendo.de/media, anzeigen@portmedia.de, Tel. +49-(0)89 74 15 09-20 Verbreitung: Reise & Kultur erscheint in der ­Gesamtauflage von crescendo, in Teilauflagen von Italien-Magazin, Frankreich-Magazin und DIE ZEIT und ist bundesweit in ausgewählten Reisebüros erhältlich. Verbreitete Auflage 132.000 Expl. | crescendo Themenspecials unterliegen der Auflagenkontrolle durch die IVW Druck: Westermann, D-38104 Braunschweig

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27.01.17 15:38

April – Mai 2017


Salzburg feiert 2017 ist für die Stadt an der Salzach ein Jahr der Jubiläen.

Shakespeares Sommernachtstraum am Marionettentheater

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D

ie Puppen brauchen den Boden nur, wie die El- sowie die kühn in den Fels geschlagenen, aus den ehemafen, um ihn zu streifen“, beschreibt Heinrich von ligen Stallungen entstandenen Festspielhäuser. Hier feiert Kleist die Zauberwelt der Marionetten. Welche Salzburg ein weiteres Jubiläum. Vor 50 Jahren rief HerWendigkeit und Vielfalt an Ausdruck das einfache Sys- bert von Karajan die Osterfestspiele ins Leben. Im Grotem aus Fäden und Gelenken hervorzubringen vermag, ßen Festspielhaus entsteht eine „Re-Kreation“ seiner muzeigt das Salzburger Marionettentheater. Seine Spielpraxis siktheatralischen Walküre aus dem Jahr 1967. Karajans wurde 2016 als die „höchst entwickelte Form des Puppen- Inszenierung wird von Vera Nemirova wieder erschaffen. und Figurentheaters“ in das Immaterielle Kulturerbe der Am Pult steht Christian Thielemann. „Salzburg erlaubt mir, mich in einer UNESCO aufgenommen. der besten Kunstwelten zu tummeln“, Es ist das feine Spiel der Hände, das die schwärmt Cecilia Bartoli. Seit 2012 hat die Bewegungen der Puppen bis in die kleinsten großartige Sängerdarstellerin die künstleriNuancen lenkt. Viele bedeutende Künstler sche Leitung der Pfingstfestspiele inne. und Regisseure haben dieses Spiel begleitet. „Wonne und Wehmut“ verspricht sie für Zum Repertoire gehören Die Zauberflöte, Der die neue Saison. Aufs Programm setzt sie Barbier von Sevilla sowie Der Nussknacker in Händels Ariodante. Es habe sie gereizt, erstden fantasievollen Dekorationen des 2015 mals in Salzburg eine Hosenrolle zu verkörverstorbenen Bühnenbildners Günther pern. Was Mäzenatentum in der VerganSchneider-Siemssen. Neu hinzugekommen genheit bewirkte, präsentiert die Festspielist das Rodgers and Hammerstein Musical Mirabellgarten Aus­stellung „Art Royal – MeisterzeichnunThe Sound of Music. Das Gütesiegel „Weltkulturerbe“ trägt bereits seit­­ gen aus dem Louvre“ im Salzburg Museum. Gezeigt 20 Jahren die Altstadt von Salzburg. Als „Bilderbuch für werden 80 Blätter aus der von Ludwig XIV. aufgekauften große Leute“ bezeichnete ein Dichter die architektonische Sammlung des Kölner Kaufmanns Everhard Jabach. Vertreten sind Dürer, Holbein der Jüngere, Rubens, Schatztruhe, die alle Stilepochen vereint. Weltberühmt ­ sind die Bürgerhäuser der Getreidegasse, der Residenz- ­Michelangelo, Carracci, Raffael sowie Künstler vom Hof platz, das Herz der barocken „Fürstenstadt“ mit dem Dom des Sonnenkönigs. K u lt u r i n Sa l z b u r g Salzburger Marionettentheater www.marionetten.at Osterfestspiele Salzburg www.osterfestspiele-salzburg.at Pfingstfestspiele Salzburg www.salzburgerfestspiele.at Salzburg Museum, www.salzburgmuseum.at

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R e i s e   &   K u l t u r

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Romantic Cities feiern f(F)este

Festung Ehrenbreitstein mit Blick auf Koblenz und das Deutsche Eck

Koblenz Zum 200. Mal jährt sich 2017 die Grundsteinlegung der Festungsstadt Koblenz. Dem Ruf der Loreley folgend, macht der Dreiklang aus Festung Ehrenbreitstein, Seilbahn und Romanticum einen Besuch der Stadt an Rhein und Mosel unvergesslich. Die „Festung Koblenz und Ehrenbreitstein“ ist mit 14 Kilometern Länge einer der größten Festungskomplexe in Europa.

Speyer Der Reichstag 1529 stellte Speyer in den Mittelpunkt deutscher Geschichte. 6 Landesfürsten und 14 Reichsstädte „protestierten“ gegen die Verhängung der Reichsacht über Martin Luther, und von da an wurden Evangelische auch Protestanten genannt. Mit einem attraktiven Veranstaltungsprogramm feiern die Speyerer das Reformationsjubiläum 2017. Zeitgleich feiert das Bistum Speyer das 200-jährige Jubiläum seiner Neugründung (Dom UNESCO-Welterbe).

Worms Am 14. Mai wird offiziell der „Lutherweg 1521“ eröffnet. Die etwa 400 Kilometer lange Strecke zeichnet die Reise Martin Luthers zum Wormser Reichstag und zurück auf die Wartburg nach. Damit startet die Luther- und Nibelungenstadt Worms bereits mit den Vorbereitungen auf das große Jubiläum 2021.

Mainz Mainz, die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt, repräsentiert als einziges deutsches Mitglied im renommierten „Great Wine Capitals Global Network“ mit Rheinhessen das

7 0 Ja h r e R h e i n l a n d - Pfa l z „vorZeiten – Archäologische Schätze an Rhein und Mosel“ www.vorzeiten-ausstellung.de Burgfest Reichsburg Trifels www.reichsburg-trifels.de Schlossfeste www.schloss-villa-ludwigshoehe.de www.schloss-stolzenfels.de

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größte Weinanbaugebiet Deutschlands. Vom 28. – 30.07. finden die „Mainzer Sommerlichter“ statt. Einzigartig ist die Kombination aus einem Höhenfeuerwerk, bunter Lasershow sowie einem spannenden Musik- und Rahmenprogramm.

Trier Die „Antikencard“ ist für den Besucher das ideale Hilfsmittel zur Erkundung der neun Welterbestätten. Wer es musikalischer liebt, dem sei das Mosel Musikfestival (08.07. bis 03.10.) als ältestes Festival für klassische Musik in Rheinland-Pfalz empfohlen. 2018 wäre Karl Marx 200 Jahre alt geworden, und zu diesem Anlass wird eine große Landesausstellung vorbereitet.

Neustadt/WeinstraSSe Die historische Altstadt von Neustadt an der Weinstraße hat den größten Fachwerkhausbestand der Pfalz und liegt am Eingang zum UNESCO-Biosphärenreservat „Naturpark Pfälzerwald“. Das „Deutsche Weinlesefest“ und das „w.i.n.e.FESTival“ im historischen Spiegelpalast sollten Sie nicht versäumen!

Idar-Oberstein Die Edelsteinminen des Steinkaulenberges sind die einzigen in Europa, die für Besucher zugänglich sind. Vom Abbau bis zum Feinschliff können alle Stationen der Manufaktur durchlaufen werden. Im „Deutschen Edelsteinmuseum“ bestaunen Sie das faszinierende Endprodukt. Nur ca. eine Autostunde von Idar-Oberstein entfernt: „Geierlay“, die längste Hängeseilbrücke Deutschlands.

I n f o r m at i o n Städte zwischen Rhein & Mosel (Romantic Cities) c/o Rheinland-Pfalz Tourismus GmbH Telefon: +49-(0)261-91 52 00 E-Mail: info@romantic-cities.com www.romantic-cities.com

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April – Mai 2017


Nibelungen-Festspiele „GLUT“ auf der Westseite des Wormser Doms

Zum ersten Mal seit 2013 wird wieder vor der Westseite gespielt (Foto: Inszenierung 2011)

pire empfindlich zu schwächen. Kleins Nibelungenzirkus muss umringt von Feinden auftreten. Wenn die Tarnung fällt, fällt auch ihr Leben. „GLUT“ von Albert Ostermaier beruht auf einer historischen Begebenheit und ist eine geschickte Verwebung des Nibelungenstoffes mit einem fast unbekannten Kapitel deutscher Geschichte. Die Zugfahrt ist ein Orient-Express der verrücktesten Art: voller Anarchie, Witz, politischen Intrigen und doppelten Böden. Denn so wie Hauptmann Klein und seine falschen Helden in einer grotesken Travestie auf geheimer Mission mit offenem Ausgang durch den Orient ziehen, sind die echten Nibelungen auf dem Weg von Burgund zum Hof König Etzels, wo im Nibelungenlied am Ende nicht nur die gemeinsame Tafel auf sie wartet, sondern auch ihr Untergang steht. F oto : R u d o l f U h r i g

I

m dritten Jahr der Intendanz von Nico Hofmann wird es 2017 bei den Nibelungen-Festspielen Worms wieder eine Uraufführung auf der imposanten Freiluftbühne vor dem Wormser Dom geben. Gespielt wird das neue Stück „GLUT. Siegfried von Arabien“ des renommierten Autors Albert Ostermaier. Nach „Gemetzel“ und „GOLD“ vervollständigt Ostermaier damit seine Trilogie für die Festspiele. Nach dem großen Erfolg von 2016, mit überwältigend positiver Resonanz von Publikum und Medien an dem radikalen Stückansatz und der jungen Regie, konnte der profilierte Regisseur Nuran David Calis erneut für die Festspiele gewonnen werden. Im kommenden Jahr wird er auf der Westseite des Wormser Doms inszenieren, auf der erstmals seit 2013 wieder gespielt wird. Zum Inhalt: Ein Zug, mitten im Orient auf dem Weg durch die Wüste, hin zu den persischen Ölfeldern der Briten. In einem Extra-Waggon der Wanderzirkus „Notung“: Artisten, Feuerschlucker, Sänger, Musiker, Hellseher, Herzensbrecher, eingehüllt in Kaftane. Sie spielen die Geschichte der Nibelungen und reisen als deren Helden, Siegfried, König Gunther, Hagen oder Brünhild. Eine Gauklertruppe, denkt man zuerst, aber verborgen unter Koffern voller Kostüme, ist der ganze Zug voller Waffen und Sprengstoff. Denn diese Nibelungenhelden sind getarnte deutsche Offiziere, Agenten im Jahr 1915, mitten im Ersten Weltkrieg. Unter Führung des Hauptmanns Klein haben sie den Auftrag, die britischen Ölquellen in Persien in die Luft zu sprengen, Perserstämme zum Aufstand zu bewegen und das Em-

Nuran David Calis führt erneut Regie Die Regie vor dem Wormser Dom übernimmt in diesem Sommer wieder Nuran David Calis. Der profilierte Regisseur erntete 2016 viel Lob für seine Inszenierung bei den Wormser Nibelungen-Festspielen. „Ich freue mich über das Vertrauen – insbesondere das Vertrauen von Nico Hofmann in mein Team und mich. Wir werden die Arbeit fortsetzen und versuchen, an die erfolgreiche Arbeit im Sommer anzuknüpfen. Das neue Stück ‚GLUT‘ von Albert Ostermaier ist eine Auseinandersetzung mit den Umwälzungen unserer europäischen Geschichte, in die die Nibelungensage verwoben wird“, so Calis.

SERVICE „GLUT“ wird vom 4. bis 20. August 2017 an 16 Abenden (Montag, 14. August spielfrei) aufgeführt. Tickets können über die Hotline 01805 – 33 71 71 (0,14 Euro/Minute aus dem dt. Festnetz, Mobilfunk max. 0,42 Euro/Minute, erreichbar Montag bis Freitag 8 bis 20 Uhr, Samstag 9 bis 20 Uhr) oder über die Internetseite www.nibelungenfestspiele.de bestellt werden. Ebenso bieten alle bekannten TicketRegional-Vorverkaufsstellen die Karten an. Die Ticketpreise liegen je nach Kategorie zwischen 29 und 99 Euro.

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JOHN AXELRODS WEINKOLUMNE

F oto: S te fa n o B ot t es i

l ebe n s ar t

junge wilde und alte reife Mit dem Wein ist es wie mit den Menschen: Nur wenn sie richtig reifen, werden sie im Alter besser. Unser Kolumnist hat leckere junge und alte Rebsäfte aufgespürt. Mit dem Alter werden wir weiser und tiefgründiger. Kein Wunder, dass viele Musiker erst jenseits der 65 in ihren besten Jahren sind. Auch Musikmachen folgt den „vier Schritten zur Weisheit“: von Kindheit und unbewusster Inkompetenz über Erwachsenwerden und bewusster Inkompetenz und Erwachsensein und bewusster Kompetenz zu Alter und unbewusster Kompetenz. Deshalb verstehen sich Großeltern und Kinder so gut: Sie agieren auf unbewusster Ebene. Um große Ziele zu verwirklichen, muss man sein Können ausbauen, so Mihály Csíkszentmihályi in seinem Buch „Flow: The Psychology of Optimal Experience“. Ist das Können größer als die Ziele, folgt Langeweile. Ist das Ziel größer als das Können, folgt Angst. Zwischen diesen Polen pendeln wir täglich hundertmal hin und her. Nur wenn Können und Ziel im Lot sind, kommen wir in „Flow“, lösen wir uns glücklich im Hier und Jetzt auf. Für junge Musiker kann der „Flow“ schon dadurch zerstört werden, dass man noch nicht die Reife hat, ein Beethoven-Konzert zu bewältigen. Aber man wird im Laufe des Lebens immer wieder zu dem Werk zurückkehren, immer neue Details entdecken und tiefer in die Musik eintauchen, indem wir uns verbessern. Bis wir mit 93 Jahren endlich sagen: „Aha! Jetzt kann ich’s!“ Wein hat ähnliche Qualitäten. Die junge Traube reift im Lauf der Jahreszeiten,

bis sie – saftig bis zum Zerplatzen – reif für sind junge Weine aus der Alten Welt nicht die Ernte ist. Dann wird sie gelesen, reift in so zugänglich. Es braucht oft mehrere Jahre Eichenfässern und später in Flaschen. Nur in der Flasche, bevor die Säuren und Tanbei idealer Lagerung wird junger zu altem nine sich abgemildert haben und die leckeWein. Viele mögen junge, spritzige Weine, ren Fruchtaromen durchdringen. Welchen jungen Wein empfehle ich die noch voll von Fruchtaromen sind. Für den erfahrenen Weinkenner jedoch kann nun? Als Musikdirektor in Sevilla bin ich eine im Weinkeller gereifte Flasche sein wie natürlich für spanische Weine parteiisch. für den gealterten Maestro das Dirigat von Den 2011er Marques de Caceres Crianza Rioja kriegt man in fast Mahlers 9. Sinfonie. jedem deutschen SuperBesonders Bordeaux markt. Ein wunderbarer wird mit dem Alter besser. Weine aus der Alltagswein für weniger Der beste deutsche WeißNeuen Welt als 20 Euro die Flasche, wein zum Altern ist Riesvoll Frucht- und Gewürz­ ling. Allerdings altern sind jÜnger, aromen und trotzdem Weine, die nicht optimal weich und rund, der zu gelagert werden, schneller. aufregender und fast allem passt. Hören Sie Alle Weine kommen innovativer Bizets Carmen, und die irgendwann an den Punkt, Habanera wird noch nie wo sie zwar nominell alt so lecker gewesen sein! sind, aber jeglichen Charme verloren haben, den sie in ihrer Und was alte Weine betrifft, warum nicht mal auf einen 1990er Château Margaux spaJugend oder Lebensmitte hatten. Zum crescendo-Schwerpunkt „Jung ren? Dieser preisgekrönte Premier Cru Borund alt“ muss ich auch sagen, dass Weine deaux gehört zu den besten Weinen der letzaus der Alten und Neuen Welt (Südafrika, ten 100 Jahre. Er ist voll mit Resveratrol, Australien, Argentinien, Chile, USA) auf- einer Substanz in der Haut von roten Traugrund ihres unterschiedlichen Klimas, ben, die wegen ihrer Heilwirkung auch als ­Säuregehalts und Zuckers unterschiedlich „Jungbrunnen“ bezeichnet wird. Stellen Sie altern. Weine aus der Neuen Welt sind jün- sich vor, ihn nach dem Anhören von Mahger, aufregender und innovativer, begeistern lers 9. Sinfonie zu genießen – im letzten den Gaumen nachhaltig. Viele Künstler aus Dirigat von Bernard Haitink, der mit 87 Jahder Neuen Welt können mit ähnlichen ren immer noch eine Glanzleistung auf dem Adjektiven umschrieben werden. Generell Podium hinlegt. n

John Axelrod ist Musical Director des Real Orquesta Sinfónica de Sevilla und erster Gastdirigent des Orchestra Sinfonica di Milano „Giuseppe Verdi“. Nebenbei schreibt er Bücher („Wie großartige Musik entsteht ... oder auch nicht. Ansichten eines Dirigenten“) und sorgt sich um das Wohl des crescendo-Lesergaumens. 97


H o p e

t r i f f t

Die Daniel-Hope-Kolumne

Hyperreal

Daniel Hope: Dirk, du bist einer der weltweit renommiertesten Künstler des Hyperrealismus. Als ich zum ersten Mal ein Bild von dir sah, war ich überzeugt, ein Foto anzuschauen. Wie viel Freiraum gibt es fürs Improvisieren? Dirk Dzimirsky: Fotos sind für mich Mittel zum Zweck. Fotos sind nicht mit unserer Wahrnehmung identisch, und ich bin nur an gewissen Informationen, die mir ein Foto bietet, interessiert. Ich ändere also sehr viel, um zu dem Resultat zu kommen, was mir vorschwebt. Ich sehe meine Arbeiten eher als zweidimensionale Skulpturen an, nicht als fotorealistische Abbildungen. Dass sie reproduziert dann quasi wieder zum Foto werden, liegt in der Natur der Sache. Glaubst du, dass der Hyperrealismus im Gegensatz zu anderen Kunstrichtungen unterschätzt wird? In der Kunstgeschichte wurde die Malerei über die Jahrhunderte hin immer realistischer. Aber bevor sie zu einem krönenden, quasi hyperrealistischen Höhepunkt kommen konnte, kam die Fotografie auf. Es bestand kein Bedarf mehr an realistischer Malerei. Kunst sollte nun freier Ausdruck sein und nicht mehr Kunsthandwerk. Obwohl heutzutage viele Künstler ihre Gemälde auf Fotos basieren lassen, wird eine allzu realistische Darstellung zum reinen Handwerk degradiert und abgelehnt. Ich bin stolz, dass du bereit warst, bei meinem „For Seasons“-Album mitzumachen. Da haben insgesamt elf Maler Bilder zur 98

Dirk Dzimirskys Bilder wirken wie intensivierte Fotografien

Musik kreiert oder ausgesucht. Wie empfindest du die Beziehung zwischen Musik und darstellender Kunst? Kunst ist wie Musik. Das Betrachten eines (guten) Kunstwerks nimmt dich mit auf eine emotionale Reise wie ein Musikstück. Während ich an einem Bild arbeite und Musik höre, habe ich häufig das Bedürfnis, die Emotionen, die ein Lied gerade auslöst, irgendwie im Bild zu verarbeiten. Ob das gelingt, weiß ich nicht. Man ist durch die Musik mit einer gewissen Energie aufgeladen, die sich im Bild widerspiegelt. Du kennst Max Richters „Recomposed“. Max geht neue Wege in der Musik. Tust du dasselbe in der Kunst? Ja, durchaus. Wobei ich mit Sicherheit kein radikaler Erneuerer bin. Als ich damit anfing, Gesichter hyperrealistisch zu zeichnen, war das nicht wirklich in Kunstgalerien

und Ausstellungen zu sehen. Viele standen dem ablehnend gegenüber. Heute gehören solche Arbeiten zum Portfolio der meisten Kunstgalerien. Du gibst Kurse in aller Welt. Für mich kommt aber jede Hilfe zu spät, ich kann einfach nicht zeichnen! Ist es einfach, das zu lernen? Technisch gesehen ist alles erlernbar. Um etwas daraus zu machen, sei es in der Kunst oder in der Musik, was andere Menschen berührt und nicht nur eine handwerkliche Leistung darstellt, gehört das, was wir Talent nennen. Das instinktive Einbauen von Abweichungen und „Fehlern“, die Gefühle darstellen. Das entspricht der Persönlichkeit des Künstlers/Musikers, die nicht erlernbar ist. Für Vivaldis Vier Jahreszeiten haben wir vier Bilder von dir. Wenn ich sie zum jeweiligen Musikstück anschaue, höre ich ganz neue Impulse. Wie ist es umgekehrt? Je nachdem, welche Musik ich gerade beim Betrachten höre, nehme ich ein Bild unterschiedlich war. Es können Aspekte eines Bildes intensiver gesehen werden, die man vorher oder bei einer anderen Musik gar nicht beachtet hatte. Mit dem britischen Maler Norman Perryman habe ich ein „Kinetic-painting“-Projekt kreiert, bei dem er live auf der Bühne zu einer Musikaufführung malt. Hättest du Lust, etwas Ähnliches zu machen? Auf jeden Fall! Ich muss mir nur noch ein Konzept ausdenken, bei dem das Publikum nicht vier Wochen lang zusehen muss, wie ich ein Bild fertigstelle. n www.crescendo.de

Februar – März 2017

I l lu s trati o n : D i rk Dzi m i r s k y

Wenn Dirk Dzimirsky malt, sieht sich der Betrachter am Ende einer Art intensiviertem Foto gegenüber. Unser Kolumnist Daniel Hope im Gespräch über eine faszinierende Kunst.


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