CLASS: aktuell

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CLASS : aktuell Association of Classical Independents in Germany

Hänssler Classic die Geschichte des Verlags, der eigentlich keiner werden wollte

Stephan Schardt und Philipp Vogler Brahms Violinsonaten vergnüglich

Hören Sie sich schlau! Jérôme Lejeunes Musikeditionen

Aris Quartett Glänzender Auftakt

Bassoon Consort Frankfurt Goldberg-Variationen in neue Dimension

Klassik: XL Konzertabend mit ECHO Klassik-Preisträgern


Klassik: XL

Ein Benefizkonzert der ECHO Klassik-Preisträger. Eine Tradition etabliert sich! Zum dritten Mal veranstaltete CLASS Germany, der Verband unabhängiger Klassiklabel und Klassik­vertriebe, am Vorabend der Preisübergabe ein großes Konzert mit ECHO Klassik-Preisträgern. Mit der Vielfalt der Musik aus fünf Jahrhunderten begeisterten die Musiker ihr Publikum. Trio Lézard Tianwa Yang Florian Noack Steffen Schleiermacher Carolina Eyck, Christopher Tarnow Berolina Ensemble Denis Severin, Tatiana Korsunskaya Frank Bungarten Concert Royal Köln Norddeutscher Kammerchor Detmolder Kammerorchester unter der Ltg. von Alfredo Perl mit Stephan Rügamer, Tenor Das XL - Konzert auf 2 CDs ab 4. Dezember im Handel – UVP

14,95 Euro

Benefizkonzert mit ECHO Klassik-Preisträgern

Sie haben das Klassik: XL - Konzert verpasst oder wollen es nochmals sehen? Klassik.TV – der Spezialist für das Beste aus Konzert, Oper und Tanz macht das möglich. Unter dem Link:

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CLASS : aktuell Werde ich nach meinem Beruf gefragt, antworte ich gewöhnlich: Journalist. Danach verfolge ich, wie es in meinem Gegenüber arbeitet. Er oder sie ruft verschiedene Vorstellungen wach, die sich mit dem Begriff „Journalist“ verbinden: Politik, Gesellschaft, Zeitung, Fernsehdiskussion, Auslandsbericht, kritische Reportage und so weiter. Oft fange ich dann einen anerkennenden Blick auf – nein, so hatte man mich gar nicht eingeschätzt! Danach kommt häufig als zweite Frage: Für welche Tageszeitung arbeiten Sie denn? Und ich weiß, dass dahinter noch weitere Fragen lauern: Kennen Sie die Bundeskanzlerin? Haben Sie schon mal Obama interviewt? Waren Sie in Afghanistan? Daher stelle ich dann klar: Ich bin Musikjournalist für Fachmagazine. Jetzt arbeitet es wieder in meinem Gegenüber. Das Bild, das er oder sie sich gerade erst von mir gemacht hat, zerbröckelt auf einen Schlag. Wieder fange ich einen Blick auf, und der bedeutet: Aha, so eine Art von Journalist also! Ein haltloser Taugenichts!

Musik ist wichtig

Class: aktuell 4 / 2015 Inhalt 4 Glänzender Auftakt des Aris Quartetts

mit Streichquartetten von Haydn, Reger und Hindemith 6 Klassik: XL Eine Tradition etabliert sich!

Ein Preisträgerkonzert der Extraklasse 11 Der Norddeutsche Figuralchor

auf Spurensuche bei Brahms und der Liebe 12 Bassoon Consort Frankfurt

verhilft den Goldberg-Variationen zu neuen Dimensionen 13 John Taverner schafft

stratosphärische Höhen für den König 14 Hänssler Classic

die Geschichte des Verlags, der eigentlich keiner werden wollte

Meinem Gegenüber und allen, die es noch nicht wissen, rufe ich hiermit zu: Musik ist keine Marginalie! Musik hat mit dem Wichtigsten überhaupt zu tun: mit der Art und Weise, wie wir als Menschen denken und handeln, mit unserer Wahrnehmung, unserer Kommunikation, unserer Emotionalität, unserer Geistes-, Sozial- und Technikgeschichte! Musik ist Arbeit und Spiel, angewandte Mathematik und Physik, praktische Psychologie und Neurologie, lebendige Anthropologie und Philosophie! Auch wenn viele Menschen mit Musik nur Tanzengehen, Autoradio oder Kneipen­beschallung assoziieren: Auch das ist Teil unserer Psychohygiene, unserer Lebenswirklichkeit, unseres Selbstverständnisses und unserer Wirtschaftskraft. Schon Molière wusste: Nichts nützt dem Staat so wie die Musik. Die Beschäftigung mit ihr – auch die journalistische – ist mehr als nur eine Notwendigkeit.

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Nun gilt Deutschland ja als ein Land der Musik. Die Klangpflege wird hier finanziell gefördert und mit Preisen ausgezeichnet. Man schätzt Musik als gelerntes Handwerk oder sportliche Höchstleistung, als kulinarisches Erlebnis oder als Traditionspflege. Doch ich frage mich: Schätzt man sie genug als lebendigen Ausdruck unserer Geschichte und Zivilisation? Gelten Musikgeschmack, Musikwissen und Musikverständnis als selbstverständliche Bildungsgüter? Setzt sich die Gesellschaft mit Musik auseinander wie mit Literatur und Politik? Auf Literaturmessen werden Bücher diskutiert, auf Musikmessen werden nur Partys gefeiert. Der Musikphilosoph Adorno nannte die Musik einmal einen „Naturschutzpark infantiler Verhaltensweisen“. Der Komponist Nicolaus A. Huber meinte, die Menschen „würden sich solche Niveaus wie bei ihrem Musikhören auf dem Gebiet der Literatur nie und nimmer gefallen lassen“. Viele wählen sehr bewusst ihr Auto oder ihr Handy. Aber beim Musikhören bleiben sie Opfer des Zufalls. Man gibt sich bei Musik keine Mühe.

20 Christoph Schoener

Die Feinde der aufgeklärten Gesellschaft spüren besser als wir, welche humane Bedeutung der Musik zukommt. In der Horrorwelt des sogenannten „Islamischen Staats“ ist die Beschäftigung mit Musik strengstens verboten. Warum? Ludwig van Beethoven, der Anhänger der bürgerlichen Revolution, wusste es: Musik, sagte er, ist eine höhere Offenbarung als alle Weisheit und Philosophie.

präsentiert Albans Bergs Orchesterwerke in Vollendung 16

Das Duo Schardt / Vogler

zeigt Brahms Violinsonaten historisch entschlackt und vergnüglich 17 Hören Sie sich schlau!

Mit Jérôme Lejeunes Musikeditionen 18 Hannu Lintu und das Finnish Radio Symphony Orchestra

interpretieren Gustav Mahler 19 Das Berolina Ensemble stellt vor:

Hugo Kaun – ein Romantiker neu entdeckt präsentiert Reger an der Orgelanlage vom Michel in Hamburg 21 Thomaskantor Georg Christoph Biller

verabschiedet sich mit den großen Chorkantaten 22 CLASS‘ musikalische Empfehlungen zu den Festtagen 26 Im Blickpunkt:

Neuheiten vorgestellt von CLASS

Impressum Herausgeber/Verlag:

CLASS e.V. Association of Classical Independents in Germany Bachstraße 35, 32756 Detmold Tel. 05231- 938922 class@class-germany.de Redakteur (v.i.S.d.P): Dr. Rainer Kahleyss Anzeigen: Gabriele Niederreiter Grafische Gestaltung: Ottilie Gaigl Druck: Westermann Druck, Braunschweig Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers, nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Kommen Sie gut und gesund ins neue Jahr!

Druckauflage: 122.919 3. Quartal 2015 ISSN: 2195-0172

Ihr Hans-Jürgen Schaal Musikjournalist

geprüfte Auflage

Titel-Foto: © Vero Bielinski / Vero Fotodesign Alle Tonträger dieser Ausgabe finden Sie auch unter www.bielekat.de

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Glänzender Auftakt Aris Quartett stellt seine erste Einspielung vor

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erve und Enthusiasmus prägen die erste Aufnahme des jungen Aris Quartetts. Seine bei telos music veröffentlichte Debüt-CD präsentiert Streichquartette von Joseph Haydn, Max Reger und Paul Hindemith. Anna Katharina Wildermuth (Violine), Noémi Zipperling (Violine), Caspar Vinzens (Viola) und Lukas Sieber (Violoncello) haben sich 2009 als Jungstudenten an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Frankfurt am Main kennengelernt. Sie waren zwischen 15 und 18 Jahre alt, gingen noch zur Schule, studierten aber bereits an der Musikhochschule. Der dortige Kammermusikprofessor, Hubert Buchberger vom Buchberger Quartett, hatte die Idee für ein bestimmtes Projekt, ein Streichquartett aus Jungstudenten zusammenzustellen. Welch glückliche Fügung! Es war die Geburtsstunde des Aris Quartetts. Noémi Zipperling: „Für uns war das ein großes Glück, dass er uns ausgewählt hat, denn wer weiß, ob wir sonst überhaupt auf den Gedanken gekom-

men wären, in genau dieser Besetzung Kammermusik zu machen. Wir kannten uns ja damals noch gar nicht“. Seit sechs Jahren spielen die Musiker mit wachsender Begeisterung und großem Erfolg zusammen. Sie sind in dieser Zeit klanglich zu einem markanten Ensemble herangereift, in dem die vier unterschiedlichen Charaktere ihren jeweiligen Platz gefunden haben. Vor etwa zwei Jahren entschieden sie sich, als Aris Quartett ihren beruflichen Weg gemeinsam zu gehen. Anna-Katharina Wildermuth: „Wir haben die Entscheidung, das Quartett als Nummer Eins in unserem Berufsleben zu betrachten, sehr bewusst getroffen. Alles andere ordnet sich nun dieser Priorität unter“. Lukas Sieber ergänzt: „Eine wichtige Überlegung für uns alle war, dass wir als Quartett besonders vielseitige Gestaltungsmöglichkeiten haben, sowohl in künstlerischer und inhaltlicher Hinsicht als auch in Bezug auf die Zusammenarbeit mit anderen Musikern.“ Diese Möglichkeiten

nutzen die vier jungen Musiker mit Freuden: So konzertierten Sie bereits mit renommierten Kollegen wie den beiden Klarinettisten Jörg Widmann und Thorsten Johanns, der Pianistin Evgenia Rubinova, der Sängerin Melinda Paulsen und dem Vogler Quartett. Ein Grund für die ausgeprägte, künstle­ rische Harmonie des Aris Quartetts ist die stark vom Gefühl geprägte Herangehensweise an die Musik: Die vier jungen Musiker sind zutiefst emotionale Interpreten. Musik ist für sie Ausdruck und Leidenschaft. Genau diese Quali­ täten entschieden über die Auswahl der Komponisten für ihre Debüt-CD. Lukas Sieber: „Die Werke haben rein musikwissenschaftlich wenig Bezug zueinander, aber man merkt, dass die Komponisten ein ähnliches Musikverständnis haben wie wir. Sowohl im Quartett von Haydn wie auch in den Werken von Reger und Hindemith entdecken wir eine große Freude an der Musik, viel Leidenschaft und ein loderndes Feuer. Außerdem versprühen

Anna Katharina Wildermuth, Violine | Noémi Zipperling, Violine | Caspar Vinzens, Viola | Lukas Sieber, Violoncello |

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Aktuelle Konzerte: 14. 11. 2015 Weinheim 15. 11. 2015 Ahaus 26. 11. 2015 Frankfurt a.M. 29. 11. 2015 Hofheim 16. 12. 2015 Madrid

die Werke Witz, was uns selbst beim Spielen viel Spaß macht. Und den möchten wir auch unserem Publikum vermitteln.“ Regers Streichquartett in A-Dur, Op. 54 Nr. 2 aufzunehmen, betrachten die Quartett-Mitglieder als „Pflicht“. Reger ist zweifelsohne einer der am meisten unterschätzten Komponisten der jüngeren Geschichte. Seine Kunst polarisiert sehr stark – damals wie heute. Das liegt sicherlich mit daran, dass seine Werke sehr komplex sind und vom Zuhörer eine intensi­vere Auseinandersetzung fordern. Lukas Sieber: „Unser Frankfurter Professor, Hubert Buchberger, ist ein großer Reger-Enthusiast, er hat uns Reger nahe gebracht. Am Anfang waren wir, wie viele junge Musiker, etwas überfordert von der Komplexität des Stückes. Es ist technisch sehr anspruchsvoll und fordert auch eine tiefgehende musikalische Gestaltung, zumal Reger in wenigen Takten mehr Ideen und Formen verwendet hat, als manch anderer Komponist in einem gesamten Werk. Doch je länger wir

uns mit dem Quartett auseinandergesetzt haben, desto mehr hat es uns begeistert.“ Hindemiths Streichquartett in f-Moll Op. 10 Nr. 2 ist pure Energie. „Hindemith muss man lieben, gerade als Bratscher“, versichert Caspar Vinzens voller Begeisterung. Hindemith selbst war ein exzellenter Bratschist und verstand es auch deshalb, das Raffinement der Streichinstrumente virtuos auszukosten. Das Streichquartett des jungen Komponisten ist gespickt mit einer Fülle von musikalischen Ideen und Feinheiten. Caspar Vinzens: „Hindermith war damals ein junger Soldat. In diesem Stück, obwohl es an der Front geschrieben wurde, kann man das Leid, das er damals erlebt haben muss, kaum erahnen. Seine Musik ist ein wahres Feuerwerk an positiver Kraft“. Einige Musikwissenschaftler betrachten dieses frühe Streichquartett, das noch in der romantischen Tradition wurzelt, als „noch nicht wirklichen Hindemith“. Ohne Zweifel jedoch ist das Stück ein Meisterwerk von schon beeindruckender Reife und symphonischer Intensität, das souverän zurückblickt und gleichzeitig in die Zukunft weist. Wie passt nun Haydn zu Hindemith und Reger, fragt sich vielleicht mancher. Anna Katharina Wildermuth: „Haydns Quintenquartett ist ein Stück, das uns schon lange begleitet und für uns sehr wichtig ist. Haydn war zu der Zeit als er das komponiert hat, 65 Jahre alt. Wer sich das Stück anhört, glaubt es kaum. Die Musik überrascht nicht nur den Zuhörer, sondern auch uns immer wieder: Großartig, wie viele neue Einfälle und Ideen Haydn Streichquartette von Haydn, Reger und Hindemith Aris Quartett telos music TLS 214

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www.arisquartett.de

in die Musik einbringt.“ Haydn gilt als der Vater des Streichquartetts, ohne sein Schaffen ist die Geschichte dieser Gattung nicht denkbar. Seine Quartette op. 76 sind 1797 im Auftrag des Grafen Joszéf Erdödy entstanden und gelten als der Höhepunkt von Haydns Quartett-Œuvre. Das Kopfsatz-Thema des d-moll-Quartetts, verleiht dem Stück den populären Namen „Quintenquartett“. Der im Geiste junge Haydn besticht hier durch unendlichen Ideenreichtum und ausgeprägte Modernität. Lukas Sieber: „Alle Stücke begleiten uns seit längerem, wir haben sie sehr oft in Konzerten gespielt und mit Reger und Hindemith haben wir uns auch bei zwei Wettbewerben gut präsentiert. Die Stücke sind uns ans Herz gewachsen. Darüber hinaus gibt es gerade von Reger und Hindemith kaum Aufnahmen“. Leidenschaft, schwindelerregend hohe Handwerkskunst und sehr viel Charme sind nicht nur die Attribute der eingespielten Werke, sondern auch die der jungen Musiker. Ein Drittel des Jahres ist das Aris Quartett auf Reisen und konzertiert bereits weltweit. Die restliche Zeit investiert es in die Vorbereitung seiner Konzerte und Tourneen und verfeinert seine Kunst bei großen Meister-Kollegen wie dem Artemis Quartett in Berlin und Günter Pichler vom Alban Berg Quartett in Madrid. Lukas Sieber: „Wir können endlich das Leben führen, das wir uns schon so lange erträumt und gewünscht haben. Als Studenten fragten wir uns oft, wie wird es später sein, wie geht es weiter? Jetzt sind wir da. Jetzt haben wir die Gelegenheit, tolle Konzerte zu spielen. Das ist für uns unglaublich bereichernd und wir sind sehr glücklich.“ Virginia Tutila

Fotos: © Vero Bielinski / Vero Fotodesign

05. 12. 2015 Frankfurt a.M.


CLASS : aktuell

Klassik: XL – Eine Tradition etabliert sich! CLASS präsentierte sein drittes ECHO Klassik-Vorkonzert mit grandioser Musik

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um dritten Mal gab es am Vorabend der ECHO Klassik-GALA des ZDF das Begleitkonzert der in CLASS vereinigten unabhängigen Tonträgerlabel, das sich Klassik: XL nennt – und das völlig zu Recht. Wieder machte es die neue Medientechnik möglich, das ganze Konzert live auf klassik.tv zu Hause mitzuerleben und es war, kurz gesagt, ein mitreißendes Musikerlebnis, bei dem sich elf Künstler und Ensembles völlig unprätentiös auf beste Weise präsentierten: mit ihrer Musik. Wie wichtig diese aus privater Initiative entstandene Veranstaltung für die Klassik geworden ist, zeigte sich dem

Musikliebhaber deutlich, der auch die große ZDF-GALA am nächsten Tag miterlebte. Auf dem Podium des Konzertsaals der Universität der Künste erlebten die gebannt dem Klassik: XL Konzert lauschenden Musikfreunde unterschiedlichste Musik, meist unbekannte Entdeckungen, fast ausnahmslos als komplettes Werk vorgetragen, in einer mitreißenden Verschiedenartigkeit, wie man das nicht oft erlebt. Keines der hier auftretenden elf Ensembles kam zu ZDF-GALA-Ehren, die doch auch alle einen ECHO Klassik-Preis errungen haben – hier bekamen sie ihren verdienten Auftritt.

Trio Lézard

Tianwa Yang

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Ein Kennzeichen der CLASS-Konzerte ist, dass Programmzettel erst nach der Veranstaltung verteilt werden. Das schärft die Neugier des Hörers und ist ein interessanter Ansatz für ein anderes Dabeisein. Aber jetzt zu dem Eigentlichen: Schon das frisch aufspielende Lézard-Bläsertrio begeisterte mit der launisch vorgetragenen Petite Suite von Jean Rivier gleich die Zuhörer so sehr, dass sie nach dem ersten Satz Beifall klatschten. Die fabelhafte Geigerin Tianwa Yang spielte Eugène Ysaÿes vertrackt komponierte zweite Solosonate technisch souverän mit großer Virtuosität und


CLASS : aktuell Klassik: XL- Schlussbild mit allen vertretenen Künstlern

schuf aus den vielen Dies-Irae-Zitaten ein packendes Klanggemälde. Der belgische Pianist Florian Noack überzeugte fingerfertig in von ihm selbst auf die Tasten übertragenen Ausschnitten aus Tschaikowskys „Schwanensee“, dabei changierend zwischen intimer Feinzeichnung und erstaunlicher Klangfülle bekannter Melodien. Stefan Schleiermacher, Pianist, Komponist und Dirigent, widmet sich schon immer der Neuen Musik, die mit ihren Klang-Experimenten die Gemüter bewegt, und spielte vier Stücke des vor einigen Jahren verstorbenen Friedrich Goldmann, den er erst als Schüler, dann als

Florian Noack

Freund und schließlich als Kollegen an der Berliner Universität der Künste und bei mannigfachen Aktivitäten der Neuen Musikszene erlebte, wie er in einer kurzen, launigen Einführung berichtete. Der nicht nur mit seiner Gesamtaufnahme des ganzen Klavierwerks von John Cage bekanntgewordene Musiker gab sinnvollerweise einige Erläuterungen zu den sich nicht leicht erschließenden Goldmann-Klavierstücken – sie seien so etwas wie eine kleine ExperimentalSinfonie – und die Zuhörer warteten dann auch gespannt auf deren letzten Satz, dem der damals in der DDR lebende Komponist die Bezeichnung

„Idylle mit Stacheldraht“ zugedacht hatte, welche aber in der offiziellen Druckfassung selbstverständlich getilgt wurde, und lauschten den vielen leisen und lauten Klangfetzen, die sich doch zu Sinnvollem tadellos zusammenfügten und zuletzt spürbar in tiefer Depression verklangen. Obwohl so auf ungewohnte Klänge vorbereitet, war doch eine Überraschung, was dann folgte: etliche helfende Hände brachten elektronisches Equipment auf die Bühne, unter ihnen Carolina Eyck eigenhändig ihr Theremin, das vermutlich – wie auch ich – niemand je zuvor gesehen oder gar erlebt hat. Glücklicherweise durfte die junge Dame ihr höchst seltenes Instrument selbst vorstellen und auch vorführen: Strom wird durch ganz viele Schaltkreise auf das Instrument geleitet und schafft um zwei Antennen herum elektromagnetische Felder, die durch Hand- und Körperbewegungen verändert werden können, und zwar an der senkrechten Antenne in der Tonhöhe und an der waagrechten Antenne in der Lautstärke durch gleichartige Bewegungen der anderen Hand: „Ich kann damit alles machen, was auch ein Sänger mit seinem Atem macht.“ Um das zu illustrieren, demon­ strierte Carolina Eyck mit einer ganzen Tonleiter hinauf und wieder zurück, welche Fingerposi­ tionen zu jedem Ton nötig sind, und so konnte man ihre Spieltechnik erkennen und diese spannende Präsentation der berührungslosen Tonerzeugung erntete spontanen Beifall. Um so neugieriger war man nun auf „Lento Fugato“

Steffen Schleiermacher

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Carolina Eyck und Christopher Tarnow

der zweiten Sonate für Theremin und Klavier, komponiert von Christopher Tarnow, der sich selbst ans Klavier setzte und ungemein fingerfertig wuchtige und dann wieder einige feine Klangwolken schuf, auf denen der elektronisch erzeugte Ton seinen Klangtanz in Kapriolen, Sprüngen und Glissandi vollführte, zuletzt mit einer veritablen Kadenz zu hören – nach acht Minuten hatte man neben dem durchdringenden elektronischen Theremin-Sound gefühlte fünfhunderttausend Klaviertöne gehört: entsprechend stürmisch war der Beifall! Und noch vor der Pause überraschte das bereits im letzten Jahr mit einem ECHO KlassikPreis ausgezeichnete Berolina Ensemble die

Denis Severin und Tatiana Korsunskaya

Zuhörer mit einer klangstarken Novität im spätromantischen Wohlklang: Das wiederentdeckte Oktett für Streichquartett, Kontrabaß, Klarinette, Horn und Fagott des aus Berlin stammenden Spätromantikers Hugo Kaun. Das Werk ist in einem Satz komponiert und dauert knapp 18 Minuten, die farbenreich und klangschön wie im Fluge vergingen: eine wohlige Entspannung auf höchstem Spielniveau. Ebenso überraschend und entspannend ging es weiter mit der klangschwelgerischen Cellosonate op. 17 von Luise Adolpha Le Beau, über die wir leider viel zu wenig Informationen bekommen haben: Immerhin hat diese deutsche Komponistin aus Rastatt einst mit dem Stück

Berolina Ensemble

einen Kompositionswettbewerb gewonnen. Sie hatte Klavierunterricht bei Wilhelm Kalliwoda in Karlsruhe und später bei Gabriel Rheinberger in München und machte sich als Komponistin und in ganz Europa als gefeierte Pianistin Ende des 19. Jahrhunderts einen Namen, war auch bekannt oder gar befreundet mit Anton Rubinstein, Clara Schumann, Hans von Bülow, Franz Liszt, Eduard Hanslick, auch mit Johannes Brahms... Der Schweizer Cellist Dennis Severin und seine aus St. Petersburg stammende Klavierpartnerin Tatiana Korsunskaya spielten das Werk klangschön und gefühlvoll. Aus seinem neuesten Album, das dem spanischen Komponisten Frederico Morena Torroba

Concert Royal Köln

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Konzertprogramm 17. Oktober 2015 | Konzertsaal der UdK Berlin Künstler / Programm

CD

Trio Lézard Bläsertrio

Paris 1937 – a hommage to „Trio D’anches de Paris“ Coviello Classics COV 91408

Jean Rivier (1896-1987) Petite Suite

Tianwa Yang Violine

Eugène Ysaÿe Sonaten für Solo Violine op. 27 NAXOS 8.572995

Fotos: © SINISSEY

Eugène Ysaÿe (1858 - 1931) Sonate für Solo Violine Nr. 2

Frank Bungarten

gewidmet ist, spielte Gitarrist Frank Bungarten den Zyklus (Piezas características), sechs Charakterstücke, bei denen er die technischen und klanglichen Möglichkeiten des Instrumentes mit großer Dynamik, feinsten Klangabstufungen und verblüffender Fingerfertigkeit akustisch bis in die leisesten Winkel des Saales auskostete. In den Bereich der historischen Aufführungspraxis führte Concerto Royal Köln mit der Sonate in d-Moll für Oboe und obligate Orgel des Barockkomponisten Johann Wilhelm Hertel. Karla Schröter, die Gründerin des Ensembles, spielte auf einer klappenlosen Barockoboe, dazu Markus Märkl auf einem Orgelpositiv, das hier als obligates Instrument in beiden

Florian Noack Klavier

Transkriptionen & Paraphrasen für Klavier bearb. v. Florian Noack Tschaikowsky, Liadow, Rachmaninoff u.a. ARS 38148

Peter Tschaikowsky (1840-1893) Suite aus Schwanensee

Steffen Schleiermacher Klavier Friedrich Goldmann (1941-2009) 4 Klavierstücke

Carolina Eyck Theremin mit Christopher Tarnow Klavier Komposition für Theremin und Klavier aus 2. Sonate für Theremin und Klavier, Fugato

Berolina Ensemble

teachers, friends, colleagues MDG 613 1858-2

Theremin Sonaten Werke für Theremin und Klavier Genuin classics GEN15363

Hugo Kaun Oktett, Streichquintett, Klavierquintett MDG 948 1937-6

Hugo Kaun (1863-1932) Oktett

Denis Severin Cello Tatiana Korsunskaya Klavier Luise Adolpha Le Beau (1850 -1927) Sonate für Klavier und Vc op. 17

Frank Bungarten Gitarre Federico Moreno Torroba (1891-1982) Piezas características

Concert Royal Köln Johann Wilhelm Hertel (1727-1789) Sonata d-Moll für Oboe und obligate Orgel Allegro ma non troppo – Arioso – Vivace

Luise Adolpha Le Beau Kammermusik MDG 903 1872-6

Frederico Morena Torroba Werke für Gitarre MDG 905 1915-6 Johannes Wilhelm Hertel Bläserkammermusik Musicaphon M56958

Norddeutscher Kammerchor

Maria Jürgensen

Melchior Franck (1579-1639) - Jedermann gibt zum ersten guten Wein; - Gleichwie der Blitz ausgehet; - Kommt her, ihr Gesegneten Johannes Eccard (1553-1611) - Der Heilig Geist vom Himmel kam - Vater unser im Himmelreich - Nun bitten wir den Heiligen Geist

Detmolder Kammerorchester

Alfredo Perl Stephan Rügamer Tenor G. Mahler (1860-1911) / A. Schönberg (1874-1951) Aus Lied von der Erde: Trinklied vom Jammer der Erde; Von der Jugend; Der Trunkene im Frühling

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Melchior Frank Geistliche Chorwerke MDG 902 1829-6 Johannes Eccard Geistliche Chorwerke MDG 902 1694-6

Gustav Mahler (1860-1911) Das Lied von der Erde Fassung für Kammerorchester von Schönberg/Riehn MDG 901 1845-6


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Norddeutscher Kammerchor

Händen melodisch Eigenständiges beiträgt, und Robert Nikolayczik ergänzte den Continuopart auf seinem Barockcello; das führte zu einem schmeichelhaften Miteinander einander umspielender Melodiestimmen auf Instrumenten, die mit ihrem erdigen Klang und untemperierter Stimmung bestechen. Den nächsten Klangwechsel bereitete der Auftritt des Norddeutschen Kammerchors mit jeweils drei a cappella vorgetragenen Motetten von Melchior Frank und Johannes Eccard. Unter der präzisen Leitung von Maria Jürgensen entführte uns diese Musik an die Wende von Renaissance zum Frühbarock, geprägt von tiefer Frömmigkeit,

die sich in bewegender Mehrstimmigkeit ausdrückt und auch heute noch zu faszinieren vermag. Den Abschluss mit dem Detmolder Kammerorchester bildete wieder andere Kost: drei Ausschnitte aus Gustav Mahlers „Lied von der Erde“ in Arnold Schönbergs von Rainer Riehn vollendeter Bearbeitung für ein Kammerensemble, dem auch Klavier, Xylophon, große Trommel und Harmonium angehören. Die jungen Musiker stürzten sich vehement in das aufwühlende „Trinklied vom Jammer der Erde“, und Stephan Rügamer stemmte sich mit seiner klaren Dik­ tion und ganz flexiblen Tenorstimme erfolgreich gegen die von stilleren Passagen unterbrochene

Detmolder Kammerorchester

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abgründig auftrumpfende Musik, während das Horn immer wieder die Klangschwärze gewaltig durchschnitt. Versöhnlicher dann der kurze Abschnitt „Von der Jugend“, der sich im Text und musikalisch freudvollen Gefühlen nähert. Zuletzt erlebte man „Der Trunkene im Frühling“ in allen Schattierungen dieses in aufgesetzter Fröhlichkeit ironisch-burlesken Abgesangs an die Lebenswirklichkeit. Diese Fassung ist eine hochinteressante Alternative zur originalen großorchestrierten Partitur. Alfredo Perl ließ mit seinem solistisch bestens besetzten Ensemble diese – den Sänger gestalterisch einbeziehende – Musik in all ihren dunklen und vermeintlich hellen Farben schillern und man begriff, warum das Detmolder Kammerorchester dafür einen ECHO-Preis errang. Das mehr als dreistündige Konzert, das Lisa Unterberg vom Podium Esslingen moderierte, hatte wirklich in jeder Hinsicht XL-Dimensionen: es langweilte keine Sekunde, und ich bin immer noch gebannt von mitreißenden Interpreta­tionen und der Vielfalt dessen, was eine kluge ECHOPreis-Jury und danach die Planer dieser Vorabend-Veranstaltung an Musikperlen ausgesucht haben. Zu guter Letzt bleibt zu melden, dass Friedrich Wilhelm Rödding, der Tonmeister der Live-Übertragung, in diesem Jahr den ECHO Klassik für die Surroundeinspielung des Jahres erhalten hat. Damit ist das Dutzend voll. Gratulation, Danke und bitte weiter so! Diether Steppuhn


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Brahms und die Liebe Der Norddeutsche Figuralchor auf audiophiler Spurensuche

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ar da was? Sicher, Brahms schwärmte wohl lange Zeit für seine Gönnerin Clara Schumann – dabei wird eine viel näherliegende „Affäre“ gern übersehen: Ausgerechnet auf Schumanns Tochter Julie hatte er sein Auge geworfen und ihr – völlig gegen seine Gewohnheit – die „Schumann-Variationen“ gewidmet. Die „Liebeslieder-Walzer“ entstanden unter dem Eindruck dieser offensichtlich aufrichtigen Beziehung, und dass nach deren für Brahms überraschenden und unglücklichen Ende die weltschmerzende „AltRhapsodie“ folgte, zeigt nur, wie ernst es dem vermeintlichen Eigenbrötler war. Die „Liebeslieder-Walzer“ hingegen wurden schon zu Brahms´ Lebzeiten zum Kassenschlager – kein Wunder, wenn man sich die Neuaufnahme mit dem Norddeutschen Figuralchor unter der Leitung von Jörg Straube anhört! Die unbeschwerten und heiteren Klänge bestimmen den Zyklus, die Schattenseiten der Liebe werden nur kurz und nicht ohne Augenzwinkern gestreift. Folkloristische Anklänge erinnern an die „Ungarischen Tänze“, und auch Lautmalerisches kommt nicht zu kurz. Und in den Texten gibt es immer noch eine Metaebene, in der wohlverstandene Andeutungen den zeitgenössischen Sängern zusätzliche Interpretationsschauer vermittelt haben müssen. Wegen des überwältigenden Erfolgs legte Brahms einige Jahre später eine zweite Sammlung nach. Die hat es allerdings in sich: Mit dem letzten Stück spielt er auf die „Alt-Rhapsodie“ an – wenn das keinen Stoff für autobiografische Spekulationen bietet! Jörg Straube kann mit einem Figuralchor in Bestbesetzung aufwarten. Das erlaubt es ihm, auch einige der Liebeslieder solistisch zu besetzen – gerade in der zweiten Serie mit den oft ein- und zweistimmigen Stücken ein echter Gewinn. Und auch in den ergänzenden A-cappella-Werken zeigt sich die hohe Qualität des Vokalensembles: Man höre nur einmal das „Abendständchen“, das mit seinen modalen Wendungen und terzlosen Klängen eine eigentümlich archaische Stimmung heraufbeschwört! Deutlich komplexer sind die „Fünf Gesänge“ op. 104 angelegt. In den bis zu sechsstimmigen Liedern zeigt sich Brahms auf dem Höhepunkt seines Schaffens. Die anspruchsvollen Partitu-

Johannes Brahms (1833-1897) Liebeslieder op. 52 Neue Liebeslieder op. 65 Fünf Gesänge op. 104 Drei Gesänge op. 42 Haruhi Sato & Markus Bellheim, Klavier Norddeutscher Figuralchor Jörg Straube MDG 947 1920-6 (Hybrid-SACD)

ren meistert der Norddeutsche Figuralchor mit sängerischer Bravour und liebevoller Sprachbehandlung. Und die audiophil abgestimmte 2+2+2- Abmischung auf Super Audio CD erzeugt eine Atmosphäre umwerfender Natürlichkeit. Das reizt zum Wiederhören. Lisa Eranos

Außerdem erschienen: Johannes Brahms: Zigeunerlieder op. 103 Quartette op. 31, op. 64, op. 92 und op.112 Markus Bellmann, Klavier Norddeutscher Figuralchor, Jörg Straube MDG 947 1867-6 (Hybrid-SACD)

Norddeutscher Figuralchor und Jörg Straube (oben)

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Foto: © Barbara Aumüller

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Aktuelle Konzerte: 05. 12. 2015 St. Michaelis-Kirche Klein-Karben 16. 12. 2015 Hochschule Frankfurt

Mit Opulenz und Augenzwinkern

Bassoon Consort Frankfurt Henrik Rabien Leon Kranich, Stephan Krings, Felix Eberle, Thomas Gkesios, Charlotte Sutthoff, Kathrin Mayer, Merve Selcuk und Lena Nagai

Bachs Goldberg-Variationen in neuen Dimensionen

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cht Fagotte und ein Kontrafagott bilden das Bassoon Consort Frankfurt. Henrik Rabien als spiritus rector hat Bachs Goldberg-Variationen für diese ungewöhnliche Besetzung eingerichtet – ein gewagtes Unterfangen, dessen Erfolg jedoch spätestens seit der umjubelten Uraufführung im Mai 2013 unumstritten ist. Über reine instrumentale Nabelschau geht Rabiens Bearbeitung weit hinaus: Die neun Spieler erreichen eine klangliche Differenzierung, die Bachs virtuosem Spiel zwischen linearer Kontrapunktik und vertikaler Harmonie aufs Vortrefflichste entgegenkommt. Anders als manch andere Bearbeitung behält Rabien die Originaltonart G-Dur/g-Moll konsequent bei. Das Instrumentarium verlangt lediglich eine Oktavierung nach unten, mit fulminantem Effekt: Durch das Kontrafagott ergibt sich ein profunder Basso, der seinesgleichen sucht! Insbesondere die groß besetzten Variationen gewinnen dadurch eine geradezu orchestrale Opulenz, aber auch in den intimeren Teilen sorgt das überaus flexible Spiel des wendigen Continuoisten für ungetrübtes Hörvergnügen.

Vom Duo bis zum Nonett setzt Rabien sein Instrument ein. Variationen von im wahrsten Sinne des Wortes atemberaubender Virtuosität, die man dem Fagott gar nicht zutrauen würde, wechseln mit kantablen Teilen, in denen das Instrument voll in seinem Element erscheint. Und wenn am Ende im Quodlibet die beiden

Volkslieder kunstvoll mit der Aria verflochten werden, bekommt das Fagott auch seinen humoristischen Auftritt: Man meint, den alten Bach augenzwinkern zu hören… In Henrik Rabiens Bearbeitung gewinnt das unangefochtene Gipfelwerk der Variationskunst eine völlig neue Dimension hinzu. Grund genug, dass sich auch das Publikum zu Hause nicht mit einfacher Stereowiedergabe zufrieden geben muss: Die fein ausbalancierte Super Audio CD erlaubt echten dreidimensionale Hörgenuss in HD-Qualität: Natürlichste Klangfarben und fantastische Transparenz erlauben einen tiefen Einblick in das Meisterwerk, der seinesgleichen sucht. Klaus Friedrich

J. S. Bach (1685-1750) Goldberg-Variationen BWV 988 (arr. für Fagott-Consort von Henrik Rabien) Bassoon Consort Frankfurt MDG 903 1914-6 (Hybrid-SACD)

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WERGO

Jetzt neu bei WERGO

WER 68602(CD) Produktion: WDR / Ensemble Musikfabrik

© Clive Barda

CLASS : aktuell

The Tallis Scholars in der St. Paul‘s Cathedral

Peter Phillips

Stratosphärische Höhen für den König

Toshio Hosokawa Voyage VIII | Voyage X Nozarashi | Stunden-Blumen | Arc Song | Lied Melvyn Poore: Tuba / Tadashi Tajima: Shakuhachi / Ensemble musikFabrik / Peter Rundel: Leitung / Ilan Volkov: Leitung

John Taverner (1490-1545) Missa Corona spinea Dum transisset Sabbatum I und II The Tallis Scholars, Peter Phillips Gimell CDGIM 046

größte College in Oxford. Erster Chorleiter des neugegründeten Colleges wurde John Taverner, der in seiner nur fünfjährigen Amtszeit offenbar über einen hervorragend ausgebildeten Chor mit zwei außergewöhnlichen sogenannten TrebleStimmen verfügen konnte. Alle drei Messen arbeiten nicht nur mit der besonders kunstvollen Sechsstimmigkeit, sie führen die beiden Oberstimmen auch jeweils in stratosphärische Höhen, das allerdings auf ganz unterschiedliche Art und Weise: Während die Komplexität in der ungleich bekannteren „Missa Gloria tibi Trinitas“ sich auf die sechs Singstimmen verteilt und die Virtuosität somit eher chorischer Art ist, konzentriert sie sich im Falle der „Missa Corona spinea“ in erster Linie auf die Oberstimme. Diese ist nicht nur in ungewöhnlich hoher Lage geführt, sondern auch fast durchgängig zu hören. Zwei der Höhepunkte des Werks sind unter anderem die beiden spektaku­ lären „Gymel“-Passagen (vom Lateinischen „gemellus“ für Zwilling) im Sanctus und im Agnus Dei, wo die Oberstimme geteilt ist und als sogenannter „Zwilling“ auftritt. Darüber hinaus handelt es sich auch um die längste aller Messvertonungen Taverners, was eine Aufführung angesichts der sängerischen Anforderungen heute wie damals zu einer Tour de force werden lässt, die freilich ihre Wirkung nicht verfehlt. Die Tallis Scholars unter Peter Phillips bereiten uns mit der „Missa Corona spinea“ einen beeindruckenden Kunstgenuss – mit garantiertem Höhenrausch…! Bernhard Blattmann

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Georg Kreisler Das Klavierwerk Fünf Bagatellen | Sonate für Klavier | Fünf Lieder für Barbara | Drei Klavierstücke Sherri Jones: Klavier / Olivia Vermeulen: Mezzosopran / Andreas Reiner: Violine

WER 73262 (CD) Koproduktion: BR Klassik

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ie „Missa Corona spinea“ gehört mit den beiden anderen sechsstimmigen Messen von John Taverner zum Höhepunkt der Vokalpolyphonie englischer Prägung. Wie die „Missa Gloria tibi Trinitas“ und die „Missa O Michael“ entstand sie für einen besonderen Anlass am Cardinal’s College (heute Christ Church College) in Oxford. Es wird vermutet, dass sie anlässlich eines Besuches von König Heinrich VIII. und seiner ersten Frau Katharina von Aragon komponiert wurde. Das Cardinal’s College wurde 1525 vom einflussreichen Lordkanzler Kardinal Thomas Wolsey gegründet und war damals das

WER 73172 (CD) Koproduktion: rbb

Die Missa Corona spinea von John Taverner

Henry Cowell | John Cage Amiable Conversation Tossed as it is Untroubled | Sinister Resonance | Soliloquy | Aeolian Harp | Dream | Three Irish Legends | ... Sabine Liebner: Klavier

Fordern Sie bitte unseren Katalog an! WERGO, Weihergarten 5, 55116 Mainz, Deutschland, service@wergo.de | www.wergo.de


Die neue Einspielung von Hannnu Lintu und dem Finnischen Radiosinfonieorchester

Die Geschichte beginnt mit einem Lied

ODE 1264-5 (SACD)

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ODE 1251-5 (SACD)

ODE 1227-5 (SACD)

Bereits erschienen

ODE 1262-5 (SACD)

Gustav Mahler: Sinfonie Nr. 1

Im Vertrieb von Naxos Deutschland

3o 1985-2015

ONDINE www.ondine.net

ie Geschichte des Verlags, der eigentlich keiner werden wollte, beginnt mit einem Lied. Friedrich Hänssler sen. (1892-1972) hat gerade „Auf Adlers Flügeln getragen“ geschrieben. Ein Lied, das selbst heute noch gefragt ist und auch in etliche andere Sprachen übersetzt wurde. Doch durch die Wirren des 1. Weltkriegs findet sich kein Notenverlag, der es drucken will. Am 1. April 1919 schreitet Friedrich Hänssler deshalb zur Selbsthilfe und gründet einen kleinen Musikverlag bei Stuttgart. Mit dem Nazi-Regime brechen schwere Zeiten für den kleinen Verlag an, der auch jüdische Komponisten wie Felix Mendelssohn Bartholdy im Programm hat. Die Schikanen nehmen ständig zu und das Verlagsverbot der Reichskulturkammer folgt 1941. Einen Monat nach Kriegsende, am 10. Juni 1945, gibt die „New York Herald Tribune“ bekannt, dass der Hänssler Verlag als einer der ersten Verlage seine Arbeit wieder aufnehmen darf. Friedrich Hänssler jun. (1927 geb.) tritt 1950 in den Verlag ein, von 1959 an ist er Verlagschef. Mit der Veröffentlichung der Musik der Bachfamilie und später sämtlicher Bach-Kantaten hatte Helmuth Rilling den Kontakt mit dem Verlagshaus. Damals dachte noch keiner an eine CD-Firma, bis Friedrich Hänsslers Sohn Günter in die Firma einsteigt und im Laufe der Zeit seine Vision umsetzt. Seither wurden neben den renommierten Aufnahmen, wie dem Gesamtwerk aller erhaltenen Kompositionen Johann Sebastian Bachs mit Helmuth Rilling, auch Aufnahmen mit beispielsweise Sir Neville Marriner veröffentlicht. Günter Hänssler hat das Repertoire konsequent erweitert, und das international so erfolgreich, dass er für hänssler CLASSIC im Jahr 2000 den Titel „Label of the Year“ holt.

2003 gründet er das Label Profil Edition Günter Hänssler. Auch diese Edition ist auf dem umkämpften Markt erfolgreich und Hänssler positioniert Profil mit Reihen wie Edition Staatskapelle Dresden und ihren Dirigenten wie Christian Thielemann, Bernard Haitink, Sir Colin Davis. Außerdem nicht zu vergessen: die Günter Wand Edition, bei der er sicher ist, dass sie den Test der Zeit überstehen wird. Der Editionsgedanke scheint Programm zu sein, nicht nur J. S. Bach, sondern auch Bruckner und Mahler findet man nirgends so komplett wie bei Hänssler. Seit September 2015 werden hänssler CLASSIC und Profil unter einem Dach geführt, dabei sollen beide Labels jeweils ihre Programm-Schwerpunkt behalten. Beide Labels haben insgesamt 14 Echos und 13 Grammy Nominierungen erhalten. In letzter Zeit entstanden Mozart Violin­kon­ zerte mit Frank-Peter Zimmermann, Thomas Fey‘s Haydn Symphonien mit den Heidelberger Symphonikern, Gerhard Oppitz´ Beethoven Zyklus. Florian Uhligs Schumann-Zyklus, Lautenwerke mit Joachim Held, Gerd Schallers Zyklus mit Bruckner-Symphonien, Doris Hagel mit geistlicher Musik, die Pultstars Yuri Ahronovitch, Carlo Maria Giulini, Wolfgang Sawallisch, Roger Norrington und ganz aktuell: die Kurt Sanderling Edition. Aber auch bei hänssler CLASSIC etablieren sich Editionen, ein Schwerpunkt bildet Carl Philipp Emanuel Bach, zunächst mit der Einspielung der kompletten Klavierwerke auf 21 CDs mit AnaMarija Markovina, den Flötensonaten mit der Solistin Dorothea Seel oder die vielbeachtete Einspielung der CPE Bach- Klavierkonzerte mit dem vielbeachteten Pianisten Michael Rische. Kerstin Hänßler

Die kompletten Werke von Johann Sebastian Bach Die Edition Bachakademie Bach-Ensemble und Bach-Collegium Stuttgart unter der Leitung von Helmuth Rilling hänssler Classic 98.620

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Günter Hänssler

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Foto: © Felix Broede

CLASS : aktuell


CLASS : aktuell

Musikkollegium Winterthur Foto oben: © Pablo Faccinetto

Pierre-Alain Monot

Klangvoll, kraftvoll, wertvoll Alban Bergs Orchesterwerke in kammermusikalischer Vollendung

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as Musikkollegium Winterthur wurde schon 1629 gegründet – das ist in Europa einzigartig. Eine Tradition, die knapp 500 Jahre Repertoire umschließt. Allerdings hat sich das Orchester auch immer für das zeitgenössische Repertoire eingesetzt. So wundert es nicht, dass der kanadische Komponist John Rea im Auftrag des Musikkollegium Winterthur eine Ensemblefassung der drei Orchesterstücke op. 6 von Alban Berg erstellte. Er hatte schon mit seiner Adaption des „Wozzeck“ für Kammerensemble einen fulminanten Erfolg erlebt, und es ist erstaunlich, welch differenzierte Klangebenen er aus Bergs grandiosen Partituren extrahiert. Zusammen mit der auf Kleinstbesetzung reduzierten Version von Bergs berühmtem Violinkonzert aus der Feder von Andreas Tarkmann hat Pierre-Alain Monot mit dem Musikkollegium Winterthur diese Werke bei MDG eingespielt, mit Konzertmeisterin Rahel Cunz an der Solovioline und der Sopranistin Bénédicte Tauran als beeindruckende zwischen Liebe, Leid und Eitelkeit zerrissene Marie. Die „Drei Bruchstücke aus Wozzeck“ ebneten der Oper den Weg zum Erfolg – angesichts der radikal antiromantischen Handlung keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Die drei Stücke aus dem ersten und dritten Akt beschränken sich auf die Figur der Marie und zeigen Bergs grandiose Meisterschaft in der musikalischen Charakte-

risierung seiner widersprüchlichen Protagonistin. Schon in den Orchesterstücken op. 6 lotete Berg extreme Seelenzustände aus – die vermeintlich idyllischen Satzbezeichnungen Präludium – Reigen – Marsch wiegen das Publikum in trügerischer Gewissheit. Spätestens wenn der Mahlersche Hammer fällt, ist alles Beschauliche zertrümmert. Schon in Arnold Schönbergs „Verein für musikalische Privataufführungen“ traf man sich zum Studium der allerneuesten Musik und hatte große Orchesterwerke für kleinere Besetzungen eingerichtet. Dass diese Bearbeitungen weit mehr als nur didaktische Zwecke erfüllten, zeigt die bis heute anhaltende Beliebtheit dieser Arrangements. Mit Hilfe des Harmoniums konnten fehlende Bläserstimmen hervorragend ersetzt werden. Andreas Tarkmann nimmt im Violinkonzert stattdessen das Akkordeon hinzu – mit überraschendem Effekt. Und für den ergreifenden Bachschen Choral am Schluss, der in der Originalversion eine Orgel assoziiert, hat er sich eine besondere Überraschung einfallen lassen. Die Winterthurer Uraufführung der Orchesterstücke in John Reas Bearbeitung haben die Tonmeister von MDG in aufwändiger 3D-Technik eingefangen. Die sorgfältig aufbereitete Super Audio CD im 2+2+2 Recording lässt die Zuhörer unmittelbar am denkwürdigen Ereignis teilhaben – ein Dokument von nicht nur historischem Wert! Klaus Friedrich

Alban Berg (1885-1935) 3 Bruchstücke für Gesang und Orchester aus Wozzeck; 3 Orchesterstücke op. 6 (beides bearb. von John Rea); Violinkonzert (Fassung für Violine und Kammerensemble von Andreas N. Tarkmann) Rahel Cunz, Violine; Bénédicte Tauran, Sopran Musikkollegium Winterthur; Pierre-Alain Monot, Ltg. MDG 901 1913-6 (Hybrid-SACD)

Weitere Einspielungen: „Musik der Wiener Schule“ A. Schönberg: Streichquartett Nr. 2 op. 10 A. Berg: 7 frühe Lieder + 3 Stücke aus „Lyrische Suite“ A. Webern: Variationen für Orchester op. 30 Claudia Barainsky, Sopran Musikkollegium Winterthur, Jac van Steen, Ltg. MDG 901 1425-6 (Hybrid-SACD)

Frank Martin (1890-1974) Polyptique; Passacaille; Konzert für Cembalo Willi Zimmermann, Violine; Rudolf Scheidegger, Cembalo; Musikkollegium Winterthur, Jac van Steen, Ltg. MDG 901 1539-6 (Hybrid-SACD)

Frank Martin: „Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke“ für tiefe Frauenstimme und Orchester (1942/43) nach dem Gedicht von Rainer Maria Rilke Christianne Stotijn, Mezzosopran Musikkollegium Winterthur, Jac van Steen, Ltg. MDG 901 1444-6 (Hybrid-SACD)

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CLASS : aktuell

Philipp Vogler und Stephan Schardt Johannes Brahms 1883

Brahms: Historisch. Entschlackt. Vergnüglich. Duo Schardt/Vogler mit den Violinsonaten

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ach 3 Ersteinspielungen mit Musik von Ferdinand David, Johann Stamitz und G.F. Telemann wagt Stephan Schardt mit seinem Duopartner Philipp Vogler einen Schritt in experimentelles Neuland: Die drei Sonaten für Klavier und Violine von Johannes Brahms, dargeboten auf einem original erhaltenen Flügel aus der berühmten Werkstatt Johann Baptist Streichers – nachweislich Brahms´ besonderer Favorit – und einer Violine, die historisch korrekt mit blanken Darmsaiten bespannt ist. Was zunächst, angesichts der klanglichen und spieltechnischen Herausforderungen, nach einem waghalsigem Unterfangen mit ungewissem Ausgang aussieht, erweist sich hier als beglückendes Erlebnis: Brahms sehr transparent und doch voller federnd-dynamischer Energie! Dazu trägt natürlich die Wahl der Tempi bei: Brahms´ zuweilen rätselhafte Anwei­sungen erfül-

len Vogler und Schardt überzeugend mit Leben. Plötzlich hört man einmal den subkutanen Ländler im zweiten Satz der d-Moll-Sonate! Dass es zum lebendigen Ausdruck keines schwankenden Rubatos bedarf, zeigt sich besonders eindrucksvoll in der Durchführung im ersten Satz: Mit unerbittlicher Stringenz erzeugt die ostinate „Pauke“ im Klavierbass einen unwiderstehlichen Sog, dem man sich nicht entziehen kann. Die klangliche Mischung zwischen dem historischen Flügel und dem darmbesaiteten Streichinstrument lässt Brahms´ Stimmführung, die auf heutigem Instrumentarium schnell problematisch wird, sofort plausibel werden. So treten die polyrhythmischen Strukturen, die gleich zu Beginn der G-Dur-Sonate alle möglichen Taktteilungen gleichzeitig erscheinen lassen, mit größter Klarheit und Transparenz zutage. Und wie willkommen plötzlich ein gezielt eingesetztes Vibrato einen Höhepunkt markiert, ist faszinierend zu erleben: In der sparsamen Dosierung dieses

Johannes Brahms (1833-1897) Die Violin-Sonaten Stephan Schardt, Violine Philipp Vogler, Flügel von Johann Baptist Streicher MDG 903 1916-6 (Hybrid-SACD)

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AUSGABE 2015/4

Ferdinand David (1810-1873) Werke für Violine und Klavier 12 Salonstücke op. 24 Salon-Duette op. 25 Trois Impromptus op. 40 Suite für Violine Solo op. 43 Stephan Schardt, Violine Philipp Vogler, Klavier MDG 903 1774-6 (Hybrid-SACD)

Georg Philipp Telemann (1681-1767) Frankfurter Sonaten 1715 Stephan Schardt, Violine Elisabeth Wand, Violoncello Sonja Kemnitzer, Cembalo MDG 903 1835-6 (Hybrid-SACD)

Johann Stamitz (1717-1757) Violin-Sonaten op. 6 Stephan Schardt, Violine Michael Behringer, Cembalo MDG 903 1862-6 (Hybrid-SACD)

www.stephanschardt.de

Ausdrucksmittels hat Stephan Schardt mit dem Brahms-Freund Joseph Joachim ein authentisches Vorbild. Auch in der Wahl von Bogenstrichen, Fingersätzen und Portamenti orientiert sich Schardt an Joachim. Dass der in der historischen Aufführungspraxis äußerst erfahrene Violinist die Artikulations- und Ausdrucksmöglichkeiten mit gekonnter Bogenführung voll auskostet, versteht sich von selbst. Das ist besonders gut in der dreidimensionalen Wiedergabe dieser Super Audio CD zu hören: In 2+2+2 Wieder­ gabe gewinnen die vermeintlich altbekannten Werke eine Frische, die das wiederholte An­ hören zum reinen Vergnügen macht. Klaus Friedrich


CLASS : aktuell The Fine Art of Choral Music

Die Zeit Monteverdis Jérôme Lejeune Ricercar RIC 107

Frank Martin – Missa

Kammerchor der Frauenkirche Dresden Frauenkirchenkantor Matthias Grünert CD ROP6111 · 2015

Ebenfalls erhältlich: Leitfaden durch die historischen Instrumente Jérôme Lejeune Ricercar RIC 100

Musikinstrumentenführer II. Teil Jérôme Lejeune Ricercar RIC 105

Rosenmüller – Marienvesper Knabenchor Hannover Johann Rosenmüller Ensemble Barockorchester L’Arco Jörg Breiding 2-CD ROP701920 · 2015

Hören Sie sich schlau!

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lles begann mit der Einsicht, dass die bislang erhältlichen Bücher über Musik­ instrumente in einem Punkt immer unzulänglich waren: Man konnte sie zwar sehen und hatte eingehende Beschrei­ bungen, aber hören konnte man sie nicht, was gerade bei Musikinstrumenten eigentlich über­ haupt keinen Sinn macht. Es war das Label Ricercar, das 2009 Abhilfe schaffte und in ei­ ner zweiteiligen Edition den unterschiedlichen Instrumenten vom Mittelalter bis zur Gegenwart sozusagen nicht nur ein Gesicht, sondern auch eine Stimme gab. Der überwältigende Erfolg er­ mutigte zu Folgeprojekten, die den Musiklieb­ habern neben einem aufschlussreichen Essay auch die passenden Musikbeispiele gibt. Dies geschieht jeweils mit acht CDs, die ein repräsen­ tatives Klangpanorama zum jeweiligen Thema liefern. Neben den beiden Instrumentenführern erschienen bislang Veröffentlichungen zu den Themen „Musik der Reformation und Gegen­

reformation“, „Flämische Polyphonie“ und zur „Musik der Renaissance“. Die jüngste Edition ist der Beginn einer mehrteiligen Reihe zur Musik des Barock. Die erste Folge beschäftigt sich mit der italienischen Musik des 17. Jahrhunderts. Damals wurden in Italien entscheidende Weichen für die gesamte europäische Musikgeschichte ge­ stellt. Das Buch mit einem ausführlichen Essay des renommierten Musikwissenschaftlers und Labelgründers von Ricercar, Jérôme Lejeune, und acht CDs behandeln eine faszinierende Epoche des Aufbruchs, die in der Person des Komponisten Claudio Monteverdi ihren Protago­ nisten hat. Von der Florentiner Camerata bis zu den letzten Opern des Monteverdi-Nachfolgers Francesco Cavalli, von der frühen instrumen­ talen Virtuosität bis zur Entstehung der Sonate beleuchtet Lejeune dieses Zeitalter und bringt es durch zahlreiche Musikbeispiele zum Klingen. Hören Sie sich schlau! Bernhard Blattmann

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Schrank MedienDesign

Die Buch- & CD-Editionen von Ricercar

Advent

Lieder und Motetten zum Advent Junger Kammerchor Rhein-Neckar Mathias Rickert CD ROP6098 · 2014

Rondeau Production Petersstraße 39–41 · 04109 Leipzig www.rondeau.de Im Vertrieb von NAXOS Deutschland www.naxos.de


CLASS : aktuell

30 Jahre

Visionär der Musikmoderne Hannu Lintu und das Finnish Radio Symphony Orchestra interpretieren Gustav Mahler

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verblassende Erinnerung an etwas, das schon nicht mehr ist. Zudem enthält das Stück literarische Bezüge auf die sarkastischen Romane und Novellen Jean Pauls und E.T.A. Hoffmanns. Hannu Lintu und sein Finnish Radio Symphony Orchestra unterstreichen auch diese oft vernachlässigte Seite von Mahlers Musik. Lintus Interpretation glänzt somit nicht nur durch skrupulöse und makellose Präzision, sondern vor allem auch durch eine Modernität, bei der man endlich versteht, warum diese Musik für das Publikum der Jahrhundertwende eine ähnliche Herausforderung gewesen sein muss, wie die Theaterkunst eines Frank Wedekind oder die Gemälde eines Edvard Munch, die um dieselbe Zeit entstanden. Hannu Lintu und sein Finnish Radio Symphony Orchestra sind treue Partner des Labels Ondine. Ihre Kooperation dauert bereits seit vielen Jahren an und erreicht in dieser großartigen neuen Mahler-Produktion einen Kulminationspunkt, der wieder einmal Furore machen dürfte. So ein Geburtstagsgeschenk wünscht sich wohl manches Label zum 30. Jubiläum. Happy Birthday Ondine! Auf die nächsten 30! Rene Brinkmann

Foto: © Veikko Kähkönen

annu Lintu hat sich einen Namen gemacht – als vielfach preisgekrönter Dirigent für die vornehmlich jüngste Musikmoderne beim finnischen Qualitätslabel Ondine. Aber auch seine Einspielungen der Sinfonien des jugendstiligen Rumänen George Enescu konnten Publikum und Kritik gleichermaßen überzeugen. Wenn also einer wie Hannu Lintu zum 30-jäh­ rigen Bestehen von Ondine eine Mahler-Sinfonie interpretiert, so ist dies etwas ganz Besonderes. Denn keiner versteht es besser als Lintu, den nur vermeintlich spätromantischen Komponisten des Fin de Siècle ihren frappierend modernen Klang zurückzugeben. Wir müssen uns vor Augen führen, dass Gustav Mahler seine erste Sinfonie nur wenige Jahre vor der Jahrhundertwende uraufführte. Es war eine Zeit radikaler Umbrüche: Die Industrialisierung griff mit rasender Geschwindigkeit um sich, der Fortschritt veränderte ganze Landschaften und Städte. Die Kunst wurde kritischer, radikaler, auch sarkastischer. Dieses gesamte Stimmungsbild findet sich in Mahlers erster Sinfonie wieder, deren Naturlaute unter Lintus Händen wie Klänge aus einer bereits vergangenen Welt erscheinen, wie eine

Hannu Lintu und sein Finnish Radio Symphony Orchestra

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CLASS : aktuell

Kaun! Noch eine Trouvaille! Das Berolina Ensemble weiter auf romantischer Trüffelsuche.

Fotos: Hugo Kaun © Sammlung G. Helzel; Berolina Ensemble © Joerg Merlin Noack

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ugo Kaun? Nie gehört! Dabei hatte der gebürtige Berliner bereits zu Lebzei­ ten um die Wende zum 20. Jahrhundert beachtliche Erfolge als Komponist, aber auch als angesehener Chorleiter erzielt – allerdings in Milwaukee, fern der Zentren euro­ päischer Musikkultur. Das Berolina Ensemble startet mit einer attraktiven Neueinspielung die längst fällige Ehrenrettung: Oktett, Klavier­ quintett und das 1. Streichquintett zeigen höchst eigenständigen Charakter, der die Traditionen deutscher romantischer Musik in absolut selb­ ständigem Ausdruck zu bündeln versteht. In den USA setzte sich Kaun ganz besonders für die Pflege dieser Traditionen ein. Dass sich das Chicago Symphony Orchestra vertieft mit den Werken Brahms´ und Bruckners auseinander­ setzte, war nicht zuletzt Kauns Eintreten für die in der Neuen Welt noch wenig populären Meister geschuldet. Das Engagement mag nicht ganz uneigennützig gewesen sein: Das renommierte Orchester nahm auch Kauns eigene Kompositi­ onen ins Programm – was bereits erste Rück­ schlüsse auf die hohe kompositorische Qualität seiner Arbeiten zulässt. Trotz aller Triumphe in Amerika machte sich Kaun 1902 in die deutsche Heimat auf – und musste zunächst manchen enttäuschenden Rückschlag einstecken. Erst langsam stellte sich der Erfolg ein, und besonders sein oratorisches Schaffen erlebte mit der Zeit große Popularität. Offensichtlich fand Kauns – noch in Amerika entstandene – Kammermusik auch Anerkennung

Hugo Kaun

Hugo Kaun (1863-1932) Oktett op. 26, Streichquintett op. 28 und Klavierquintett op. 39 Berolina Ensemble MDG 948 1937-6 (Hybrid-SACD)

bei den großen Vorbildern: Nicht ohne sicht­ lichen Stolz erwähnt Kaun einen Brief, in dem kein Geringerer als Johannes Brahms sich sehr lobend über das 1. Streichquintett äußerst – völlig zu Recht, wie die engagierten Musiker hier eindrucksvoll unter Beweis stellen. Das in allen Partien exquisit besetzte Bero­ lina Ensemble überrascht nun schon mit der vierten Einspielung bisher vergessener roman­ tischer Preziosen und versteht es perfekt, die Atmosphäre der Zeit wieder aufleben zu lassen – sehr zum Vergnügen der Hörer, die sich auch bei dieser Super Audio CD mitten im Wohlklang fühlen dürfen. Seine Kammermusik ist rehabili­ tiert – Gratulation und Dank für die absolut lohnenswerte Entdeckung des Hugo Kaun! Lisa Eranos

Weitere Einspielungen Heinrich Hofmann (1842-1902) Sextett op. 25; Serenade op. 65 Oktett op. 80 MDG 948 1808-6 (Hybrid-SACD)

Waldemar von Bausznern (1866-1931) Oktett; Elegie; Serenade MDG 948 1826-6 (Hybrid-SACD)

Ernst Rudorff (1840-1916) Sextett für 3 Violinen, Viola und 2 Violoncelli op. 5; Drei Romanzen op. 48 Capriccio appassionato op. 49 Sechs Klavierstücke op. 52 Concertetüden No. 1 + 2 op. 29 Romanze für Violine + Klavier op. 41

Berolina Ensemble

MDG 948 1889-6 (Hybrid-SACD)

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Fotos: © Michael Zapf

CLASS : aktuell

Christoph Schoener

Regersches Rieseln Christoph Schoener präsentiert die Orgelanlage von St. Michaelis mit Reger

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iesmal steht Max Reger auf dem Programm, das Christoph Schoener mit überraschendem Bezug zum „Michel“ zusammengestellt hat. Neben der frühen Choralfantasie über „Ein feste Burg ist unser Gott“ und dem gewaltigen „Introduktion, Passacaglia und Fuge“ aus Regers letzten Lebensjahren findet sich eine Auswahl aus den „30 kleinen Choralvorspielen“, die mit geradezu schlichter Einfachheit bei gleichzeitig anspruchsvoller Harmonik den Großmeister des komplex-opulenten Orgelklangs in einem völlig neuen Licht erstrahlen lässt. Fazit: Ein weiters Orgelfest aus der Hamburger Michaeliskirche! Die Sammlung der Choralvorspiele ist Hans von Ohlendorff gewidmet, seinerzeit Kirchenvorstand in St. Michaelis und enger Freund Regers. Auch wenn Reger nebenamtliche Dorforganisten

Max Reger (1873-1916) Orgelwerke Fantasie über den Choral „Ein feste Burg ist

Zentralspieltisch der Hauptkirche St. Michaelis

an einfachen Instrumenten bei der Komposition im Blick gehabt haben mag: Mit den schier unendlichen Möglichkeiten, die Schoener an den Michel-Orgeln zur Verfügung stehen, gewinnen die Miniaturen an ungeahnter Ausdruckstiefe. Man höre nur einmal „Aus tiefer Not schrei ich

Christoph Schoener an drei Orgeln der Hauptkirche St. Michaelis, Hamburg

Außerdem erschienen: J. S. Bach (1685-1750) Orgel-Toccaten Christoph Schoener an allen vier Orgeln der Hauptkirche St. Michaelis, Hamburg

MDG 949 1919-6 (Hybrid-SACD)

MDG 949 1893-6 (Hybrid-SACD)

unser Gott“ op. 27; ,Introduktion, Passacaglia und Fuge e-Moll op. 127; Auswahl aus „30 kleine Choralvorspiele“ op. 135a

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zu dir“ – die erschütternde Pianissimo-Wirkung des Fernwerks dürfte auch Reger begeistert haben! Auf den ersten Blick erstaunt, dass der Katholik Reger sich des protestantischen Bekenntnis­ chorals schlechthin annimmt: In der Fantasie über „Ein feste Burg ist unser Gott“ deutet er den Inhalt Strophe für Strophe musikalisch aus. Die im hochvirtuosen Klangetöse beinahe untergehende Choralmelodie bei „Und wenn die Welt voll Teufel wär“ lässt die Einsamkeit des aufrechten Christen unter die Haut gehen. Doch Hilfe naht: mit „Ein Wörtlein kann ihn fällen“ bricht das satanische Chaos urplötzlich in sich zusammen … Große Anlässe verlangen nach großen Gesten, und so ist „Introduktion, Passacaglia und Fuge“, als Auftrag zur Einweihung der gigantischen Orgel der Jahrhunderthalle in Breslau entstanden, in vielfacher Hinsicht riesig dimensioniert. Auf der perfekt balancierten Super Audio CD ist dies auch räumlich zu erleben: Die Wiedergabe im 2+2+2Format zeigt einen in jeder Hinsicht uneitlen aber ausdrucksbewußten Orgelvirtuosen, der mit Wonne sämtliche Register seiner Instrumente zu ziehen weiß. Und die Aufnahme positioniert die drei eingesetzten mächtigen Orgelwerke mit großer Plastizität im Hörraum und liefert ein präzises akustisches Abbild der Instrumente in der Hamburger Hauptkirche samt üppig besetztem Fernwerk, das betörend aus seinem Schallloch in der Decke rieselt… Lisa Eranos


CLASS : aktuell

Foto: © Sven Darmer

Mit strengem Blick und großem Herzen Thomaskantor Biller verabschiedet sich mit den „Großen Chorkantaten“

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n Thomaskantor Georg Christoph Biller wird man sich als herausragenden Dirigenten und exzellenten Dramaturgen erinnern. Mit strengem Blick und großem Herzen verstand er es meisterhaft, seine Liebe zur Musik an seine Schüler weiterzugeben. 22 Jahre lang hat Thomaskantor Georg Christoph Biller den Thomanerchor Leipzig geleitet. Diese Jahre haben den Chor in seiner Gesamtheit geprägt: Nicht nur seinen Klang und sein Repertoire, sondern gleichermaßen seine Strahlkraft im In- und Ausland sind untrennbar mit der Person Billers verbunden. Erfolgreiche Tourneen mit dem fast hundertköpfigen Knabenchor durch Europa, Asien, Nord- und Südamerika bis nach Australien haben den Thomanern und der deutschsprachigen Chormusik zu Weltruhm verholfen. Als 16. Amtsnachfolger Johann Sebastian Bachs steht Biller fest in der Tradition der barocken Kirchenmusik. Zwischen 2007 und 2014 haben der Thomanerchor Leipzig und das Gewandhausorchester die 30 großen Chorkantaten zum Kirchenjahr auf zehn CDs (Rondeau Production / Deutschlandradio Kultur) aufgenommen. Die hohen Solopartien singen gemäß der Bach‘schen Tradition jeweils junge Thomaner

Johann Sebastian Bach (1685–1750) Die großen Chorkantaten Thomanerchor Leipzig Gewandhausorchester, Georg Christoph Biller Rondeau Production ROP4046

als Knabensolisten, auf den vorliegenden Einspielungen in exzellenter Qualität. Im Februar 2015 hat Georg Christoph Biller sein Amt als Thomaskantor gesundheitsbedingt niedergelegt. Ihm zu Ehren hat das Leipziger Label Rondeau Production, mit dem Biller mehr als 25 CDs aufgenommen hat, die zehn KantatenCDs als Sonderedition gebündelt. Dieser Box liegt nicht nur ein umfangreiches Textheft bei, sondern auch eine Bonus-CD mit dem jüngsten Konzert Georg Christoph Billers in der Leipziger Thomaskirche. Anlässlich Bachs 265. Todestag griff er erneut zum Dirigentenstab: Die BonusCD enthält bislang unveröffentlichte Werke aus der Feder der beiden Thomaskantoren Bach und Biller, darunter die erste Einspielung der Ersten Fassung von Johann Sebastian Bachs Osterkantate „Kommt, fliehet und eilet, ihr flüchtigen Füße“, dem späteren Osteroratorium. Als Komponist sieht sich Professor Biller nicht nur der mehr als 800-jährigen Tradition des Thomanerchores verpflichtet, sondern ebenso dem steten Blick nach vorn. Von dieser künstlerischen Bandbreite zeugt seine „St.-Thomas-Ostermusik“, die auf der CD zum Osterfest zwischen den Bach-Kantaten „Christ lag in Todesbanden“ BWV 4, „Der Himmel lacht, die Erde jubilieret“ BWV 31 und „Halt im Gedächtnis Jesum Christ“ BWV 67 erklingt. Hier begibt sich Georg Christoph Biller auf die kompositorischen Spuren Bachs und schafft ein Gerüst aus Chören, Chorälen und Rezitativen, das er mit spannenden neuen Klängen umwebt. Gerade seine Ostermusik verdeutlicht seine Gabe, das zeitlose Wesen der Musik zu erkennen und in eine Tonsprache zu übersetzen, die Geschichte und Moderne zu vereinen weiß. Die 10 + 1 Box „Die großen Chorkantaten“ ist eine wunderbare Sammlung der schönsten Kantaten Johann Sebastian Bachs, die das eindrucksvolle Schaffen Georg Christoph Billers und seines Thomanerchores dokumentiert. Mit dem umfangreichen Textheft und der Bonus-CD mit ihren Ersteinspielungen ist die Box ein gelungenes Zeugnis über die Qualität des vielleicht besten Knabenchores der Welt und dessen langjährigen Kantor. Gustav Rou

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CLASS : aktuell

CLASS‘ musikalis zu den Festtagen Die Mitglieder von CLASS (siehe CLASS:aktuell 3/2015) verlosen je drei Exemplare der musikalischen Empfehlungen. Um an der Verlosung teilzunehmen, senden Sie uns einen selbstgebastelten Weihnachtststern oder den Entwurf eines selbstgestalteten Weihnachtssterns und verraten Sie uns, in welcher Zeitschrift Sie CLASS: aktuell entdeckt haben.

ES DUR ES 2062

Musicaphon M56966

Del Signor Hasse Werke für Flöte Imme-Jeanne Klett, Flöte Nele Lamersdorf, Flöte Elipolis Barockorchester Hamburg

Holy Night – Heilige Nacht Deutsche, englische und amerikanische Weihnachtslieder Ensemble Vokalzeit Philip Mayers, Klavier

„Kammermusik vom Feinsten“ (SWR2) 
Flötenkonzerte und Sonaten von Johann Adolf Hasse sowie Duos von Robert Valentine meisterhaft interpretiert von der Solistin Imme-Jeanne Klett gemeinsam mit Nele Lamersdorf und dem Elbipolis Barock­­­orchester Hamburg.

Einen Ausschnitt aus dem viel­seitigen Weihnachtsrepertoire fängt das Ensemble Vokalzeit mit seiner neuen CD ein – mit raffi­nierten Bearbeitungen deutscher, britischer und amerika­nischer Melodien des australischen Pianisten Philip Mayers u.a.

Coviello Classics COV 91516

Revolution am Klavier Klavierwerke von Frédéric Chopin und Louis Moreau Gottschalk Jimin Oh-Havenith, Klavier

Strålande Jul Weihnachtslieder aus Deutschland und aller Welt Philipp Ahmann mdr Rundfunkchor

Beim Lesen von Chopins Biographie und Gottschalks Tagebuch war die Pia­nistin überrascht von der Verbindung zwischen den beiden, die, wenn man nur ihre Musik kennt, kaum vorstellbar ist. Ihre Lebens­geschichten sind zugleich voller Gegensätze und Parallelen. Deshalb hat sie diese Komponisten in einem Programm aufgenommen.

Der mdr Rundfunkchor vereint 73 Sängerinnen und Sänger verschiedenster Nationalitäten. Neben bekannten deutschen Liedern haben Mitglieder des Chores Weihnachtslieder aus ihrer Heimat ausgewählt, die häufig mit persönlichen Weihnachts­erinnerungen verbunden sind.

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GENUIN classics GEN 15381

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CLASS : aktuell

che Empfehlungen Zusendung:

Johann Sebastian Bach Die kompletten Werke Bach-Ensemble Bach-Collegium Stuttgart Helmuth Rilling

per Post an:

CLASS, Bachstraße 35, 32756 Detmold per Fax an:

05231-26186 per E-Mail an:

class@class-germany.de

hänssler Classic 98.620

Einsendeschluss:

Die weltweit einzige komplette Bachedition unter einem einzigen Dirigenten und mit herausragenden Solisten als Box-Set mit 172 CDs

24. Dezember 2015 Wünsche werden, wenn möglich, berücksichtigt. Octavians – Es naht ein Licht

Dmitri Schostakowitsch Sämtliche Sinfonien Royal Liverpool Philharmonic Choir and Orchestra Vasily Petrenko

Petrenkos ausdrucksstarke Gesamteinspielung der Sinfonien Schostakowitschs gilt schon jetzt als neue Referenzaufnahme.

Rondeau Production ROP6109

„Weihnachten erlebt jeder Mensch individuell – ein gemeinsames Empfinden schenkt jedoch die Musik, aus deren Vielfalt das junge Ensemble Octavians stimmungs­volle wie unterhaltsame Adventsund Weihnachtsmusik in anspruchsvollen Arrangements ausgewählt hat.“

Naxos 8.501111

Just Strings! Werke von Mack, Mittmann, Herrmann, Mense, Erdmann-Abele, Meijering Maximilian Mangold, Gitarre Mirjam Schröder, Harfe

Es ist ein Ros entsprungen Weihnachtliche Chormusik NDR Chor Philipp Ahmann

ES DUR ES 2064

Der NDR Chor unter der Leitung von Philipp Ahmann präsentiert eine wunderbare Zusammenstellung deutscher Weihnachtsmusik von der Reformationszeit bis ins 20. Jahrhundert von Praetorius, Cornelius, Brahms, Kaminski und Berg. Nun singet und seid froh!

Musicaphon M56965 (Ersteinspielung)

Ausgabe 2015/4

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Dies ist nun schon die dritte Einspielung eines äußerst ungewöhnlichen Ensembles. Wahrscheinlich sogar des einzigen Ensembles weltweit in der Besetzung Gitarre und Harfe. Eine äußerst aparte Klangkombination aus der impulsstarken Gitarre und der voluminöseren Harfe. Sämtliche Werke auf dieser CD sind für dieses Ensemble direkt komponiert worden.


CLASS : aktuell Franz Schubert Winterreise Peter Schreier Dresdner Streichquartett Don Quijote träumt... Werke von Tournier, Poenitz, Grandjany, Fauré, Hasselmans, Guridi Mirjam Schröder, Harfe

Musicaphon M56960

Die letzte CD Aufnahme des großen Tenors Peter Schreier. Ein Musikereignis von Weltrang!

Zauber- und traumhafte Erzählungen für Harfe hat Mirjam Schröder für dieses Album zusammengestellt. Sie ist dabei vorwiegend im französischen Raum fündig geworden. In faszinierender Vielfalt zeigt diese Auswahl, wie Mystisches, teils auch Verschrobenes in der Harfenmusik der Romantik und Moderne in verschiedenster stilistischer Ausprägung seinen Platz fand und bis heute findet.

Profil Edition Günter Hänssler PH14051

Johann Sebastian Bach Weihnachtsoratorium Gächinger Kantorei Bach-Collegium Stuttgart Helmuth Rilling

Der Klassiker zum Weihnachtsfest mit den bekanntesten Melodien des großen Thomaskantors
 Stille Nacht – Lieder zum Anhören & Mitsingen Stuttgarter Hymnus-Chorknaben, Dresdner Kreuzchor, Regensburger Domspatzen, Thomanerchor Leipzig u.v.a.

hänssler Classic 94.010

Eine stimmungsvolle CD mit den schönsten Weihnachtsliedern, inklusive Liederheft mit allen Texten und Noten und Playback-CD

Richard Strauss Don Quixote Also sprach Zarathustra Wiener Philharmoniker Herbert von Karajan

Profil Edition Günter Hänssler 94.010

Herbert von Karajan im Rahmen einer Liveeinspielung von den Salzburger Festspielen 1964 in Höchstform! ORFEO C909151

Georg Kreisler Das Klavierwerk Sherri Jones, Klavier Olivia Vermeulen, Mezzosopran

WERGO WER 73172

Georg Kreisler ist als Legende des musikalischen Kabaretts, als Sänger, Lyriker und allseits bestaunter Pianist in Erinnerung, hingegen wissen nur die Wenigsten, dass er auch klassische Musik komponiert hat. Dass auch diese Kompositionen durchdrungen sind von seiner auffälligen künstlerischen Eigenart – unangepasst, widerborstig, verblüffend originell – ist so selbstverständlich wie logisch.

Cembalo Avantgarde Werke von Dinescu, Henze, Heeren, Thomas, Eliasson, Yun, de Man Kristian Nyquist, Cembalo

Musicaphon M55723 (Teilweise Ersteinspielung)

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Ausgabe 2015/4

Zeitgenössische Musik für Cembalo? Erfreulicherweise wird weiterhin fleißig für dieses „alte“ Instrument komponiert. Die auf dieser CD zu erlebende Darbietung eines Rezitals im Jahr 2004 soll die Lebendigkeit sowie Aktualität neuer Cembalomusik dokumentieren.


CLASS : aktuell

Wagenseil Cellokonzerte und Sinfonie Christoph Coin, Violoncello Orchestre le phénix

Johann Melchior Molter (1696-1765) Concerti für Flöte, Oboe, Klarinette, Cembalo und Cello Solisten, Gottesauer Ensemble, Dmitri Dichtiar

Musicaphon M56968

Alle Konzerte sind Dokumente eines Kapellmeisters, der die komposito­r ischen Standards seiner Zeit auf sehr hohem Niveau beherrschte. Und Molter war einer der ersten, die Konzerte für die Klarinette komponierten. Mit dieser Produktion wird (zum 300. Geburtstag Karlsruhes) des wichtigsten Komponisten der Fächerstadt gedacht.

Coviello Classics COV 91518

Hugo Distler Die Weihnachtsgeschichte Op.10 Motetten zu Advent & Weihnachten Thomas Volle, Klaus-Martin Bresgott Athesinus Consort Berlin

Carus CAR 83472

Die Weihnachtsgeschichte Op.10 gehörte schon zu Lebzeiten Distlers zu seinen beliebtesten Kompositionen. In ihrer berührenden Zartheit zählt sie zu den schönsten A-cappellaWerken des 20. Jahrhunderts für die Advents- und Weihnachtszeit.

W. A. Mozart Sämtliche Klavierkonzerte Christian Zacharias, Klavier + Leitung Orchestre de Chambre de Lausanne

MDG 340 1900-2 (9 CDs)

Ulrich Zeitler (*1967) Missa Credo Ensemble 333 Maria Bernius, Sopran Bernhard Klas, Saxofon Helmut Lörscher, Klavier Ulrich Zeitler, Ltg.

MDG 902 1906-6 (Hybrid-SACD)

Dass Wagenseils Musik heraus­ ragende musikalische Qualitäten hat, wird beim Hören schnell klar: Christophe Coin, Spezialist im Aufspüren verborgener Repertoireperlen, zeigt mit zwei Cellokonzerten nicht nur seine eigene interpretatorische, sondern auch die Klasse des Komponisten.

Christian Zacharias und sein Orchestre de Chambre de Lausanne haben mit dieser Einspielung ein Meisterwerk geschaffen. Seine unübertroffene Anschlagskultur, sein mal spinnwebenzarter, mal zupackender Mozart ist ein Traum.

Johann Georg Linike (ca. 1680-1762) mortorium. Kammermusik und Concerti für Bläser (Traversflöte, Oboe, Trompete) Ensemble Concert Royal, Köln

Mit der „Missa Credo“ vereint Ulrich Zeitler altkirchliche gregorianische Melodien mit zeitgenössischem Jazz. Ein interessantes Experiment, das dank der herausragenden Qualität der Ausführenden zu einem inspirierenden Ereignis wird.

Musicaphon M56972

Ausgabe 2015/4

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Die qualitativ hochstehenden Werke wurden eingespielt vom Ensemble Concert Royal Köln, das für seine Aufnahme der Kammermusik von Johann Wilhelm Hertel (Musicaphon M56958) 2015 mit einem ECHO Klassik ausgezeichnet wurde. Neben einer „herkömmlichen“ SACD enthält die Jewel Box eine weitere SACD, bei der es sich um dieselbe Aufnahme in Aufnahme per Kunstkopf handelt. Optimal funktioniert das bei der Wiedergabe per Kopfhörer.


Im Blickpunkt

CLASS : aktuell Kammermusik

Oboenquartette Joseph Haydn (1732-1809) Quartett Nr. 40 F-Dur & Nr. 48 C-Dur (bearb. von F.J. Rosinack) W. A. Mozart (1756-1791) Quartett in F-Dur KV 370 (368b) Consortium Classicum

For Several Friends Barockmusik für Blockflöte und Laute von W. Croft, G. Finger, Matthew Locke, S. L. Weiss, G. P. Telemann, R. Carr und G. F. Händel Musikalisches Tafelkonfekt: Annette John, Blockflöte(n); Susanne Peuker, Laute

Sergei Tanejew (1856-1915) Streichquinttete op. 14 + 16 Pieter Wispelwey, Violoncello Alexander Zemtsov, Viola Utrecht String Quartet

MDG 301 0314-2

Musicaphon M56967

Franz Joseph Rosinack war ein findi­ ger Mensch. Als Erster Oboist der Fürsten­ bergischen Kapelle in Donau­eschingen nahm sich der Exilböhme Meisterwerke seiner Zeit vor, um sie für brillante Solo­ auftritte zu bearbeiten. Dass er auch vor den Streichquartetten Joseph Haydns nicht halt machte, spricht für eine ge­ wisse Chuzpe – das Ergebnis kann sich allerdings hören lassen: Gernot Schmal­ fuß und das Consortium Classicum prä­ sentieren in der Neuauflage einer lang vergriffenen Produktion zwei der Oboen­ quartette – in reizvoller Gegenüberstel­ lung mit Mozarts originalem Meisterwerk für dieselbe Besetzung. Dass eine schlichte Übertragung der Primariusstimme auf die Oboe nicht in Frage kam, muss Rosinack schnell klar geworden sein. Und so kreierte er aus dem Material beider Violinen einen völlig neuen Part, der den besonderen instru­ mentalen Eigenschaften des Blasins­tru­ ments Rechnung trägt. Mit Hilfe von Oktavierungen führt er die Oboe immer in einer vorteilhaften Lage, überlässt die violinistischen Passagen der Violine und erreicht so ein völlig neues Klangge­ wand, ohne jedoch allzu tiefe Eingriffe in die Substanz der Werke vorzunehmen. Wie von Zauberhand werden aus den kompliziert-vergeistigten Originalen Kon­ zertstücke von serenadenhaftem Charme. Den unbeschwerten Tonfall, den eine gelungene Serenade ausmacht, haben die Musiker des Consortium Classicum ver­ innerlicht wie sonst wohl kein Ensemble. Die weit ausschwingenden Kantilenen sind bei Gernot Schmalfuß bestens auf­ gehoben. Das ist feinsinnige Unterhal­ tung auf allerhöchstem Niveau!

„For Several Friends“ – eine hoch­ barocke Kammermusiksammlung von Matthew Locke – stand Pate für den Titel dieser CD, auf der ein farbiges Bouquet deutscher und englischer Kam­ mermusik aus dem 18. Jahrhundert zu­ sammengestellt worden ist. Nachdem das kulturelle Leben in England in den Jahren des Bürgerkrieges von 1642 – 1649 fast zum Erliegen gekommen war, ge­ langte es unter Charles II. im Jahre 1660 zu neuer Blüte. Die höfischen Musik­ ensembles Chapel Royal, Royal Music sowie The King’s Band und The Queen’s Band wurden wieder eingesetzt, und auch in London entstand ein reges Musikleben.

An Sergei Tanejew schieden sich schon zu Lebzeiten die Geister. Während der Tschaikowsky-Schüler als Pädagoge höchste Anerkennung erfuhr, galten seine Kompositionen vielen als unverständlich und rückwärtsgewandt. Das entdeckungs­ freudige Utrecht String Quartet hat sich jetzt an eine längst überfällige Rehabi­ litation gemacht: Rechtzeitig zum 100. Todestag legen die Niederländer, zusam­ men mit Pieter Wispelwey und Alexander Zemtsov, die beiden Streichquintette Tanejews in einer Neueinspielung vor, die die russische Kammermusik um die Wende zum 20. Jahrhundert in einem neuen Licht erscheinen lässt.

Musikkultur in neuer Blüte Annette John konzertiert im In- und Ausland, unter anderem mit den En­ sembles Weser-Renaissance, Orlando di Lasso, Concerto Palatino, Concerto Brandenburg, Oh-Ton Oldenburg, der Hannoverschen Hofkapelle, dem Orches­ ter des Boston Early Music Festivals, der Bremer Ratsmusik und der Ham­ burger Ratsmusik. Sie ist als Dozentin an der Universität Oldenburg tätig. Seit 1995 widmet sich Susanne Peuker der freischaffenden Lehr- und Konzert­ tätigkeit. Als Solistin und als gefragte Kam­ mermusikpartnerin führten ihre Kon­ zertreisen durch ganz Deutschland und Europa. Sie ist festes Mitglied verschiede­ ner Ensembles: neben dem Musikalischen Tafelkonfekt Fortunes Musicke, Musical Delight und Musical Playground, aber auch in Ensembles wie Weser-Renais­ sance, Norddeutsches Barock-Collegium, Elbipolis, Capella Cantorum, Sächsisches Vocalensemble und der Philharmonie Bremen zu hören.

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MDG 603 1923-2

Vielstimmige russische Seele Tanejew zeigte großes Interesse am Kontrapunkt. Insbesondere die Musik Bachs, aber auch die niederländische Vokalpolyphonie hatten es ihm angetan. Aus diesem Geist wollte er die russische Musik erneuern. Die kompositorische Raffinesse treibt Tanejew im Quintett op. 14 auf die Spitze: Ein abwechslungsreicher Variationensatz von ausladender Dimension beschließt das Opus, mit einer fulminanten Tripel­ fuge als Höhepunkt, bevor das Stück mit rätselhaften Reminiszenzen an die rus­ sische Legendenwelt abschließt. Das nur wenige Jahre später entstandene Opus 16 hingegen kommt mit doppelt besetzten Bratschen deutlich heller daher. Doch Vorsicht: Die lang währende C-Dur-Si­ cherheit verschwindet am Ende in einem wilden c-Moll-Prestissimo. Die vielbe­ sungene Zerrissenheit der „russischen Seele“ wird hier auf mitreißende Weise zelebriert. Wieder einmal eine ver­ dienstvolle (Wieder-)Entdeckung!

Ausgabe 2015/4

Ninni – Musik für Viola und Klavier Brahms: Klarinettensonate Nr. 1 op. 120,1 Franck: Violinsonate op. 120 Selman Ada: „Ninni“ aus der Oper „Ali Baba und die 40 Räuber“ Atilla Aldemir, Viola Itamar Golan, Klavier Musicaphon M56973

Atilla Aldemir, stellvertretender SoloBratschist des Konzerthausorchesters Berlin, sagt über diese Aufnahme mit für Viola transkribierten Werken: Mei­ nem Mentor Matthias Maurer verdanke ich es, eine der ältesten und wunder­ barsten Bratschen spielen zu können, die es gibt: einer Zanetti Pellegrino aus dem Jahr 1560. Mit Instrument und Werkauswahl enden die mich beglücken­ den Faktoren noch nicht, die diese CD ausmachen: Vor einigen Jahren machte ich in Israel die Bekanntschaft von Itamar Golan, mit dem ich seither wiederholt zusammen musiziert habe. Wir verstehen uns menschlich wie künstlerisch her­ vorragend und ich bewundere seine Kunst, den Bratschenklang am Klavier so zu umfangen, dass dieser wie jene innere Musik klingt, die man tief in der Brust spürt. Ganz bei mir fühle ich mich auch im Bilkent Konser Salonu in Ankara mit seiner fabelhaften Akustik, in dem wir aufnehmen durften. Unser Tonmeister Matthias Reuland hat das Zusammen­ spiel von Itamar und mir in diesem Saal mit Mikrofonen „à l`ancienne“ aufge­ fangen, die den Klang mit einer gewis­ sen herbstlichen Patina vergolden.

Mit herbstlicher Patina vergoldet Sie harmonieren perfekt mit der Klangwelt von Johannes Brahms, gerade auch in der f-Moll-Sonate: Eine Musik, scheinbar wie aus Samt und Seide, und dann höre und spüre ich plötzlich, wie darin tief verborgen ein schneidend scharfes Messer steckt! Diese Musik ist ein existenzielles Drama, voller Ernst und Leidenschaft.


CLASS : aktuell

präsentiert

Kammermusik

Joseph Haydn (1732-1809) Streichquartette Vol. 9 Quartette op. 20 Nr. 1, 3 & 5 Leipziger Streichquartett

Johann Georg Linike (ca. 1680-1762) mortorium. Kammermusik und Concerti für Bläser (Traversflöte, Oboe, Trompete) Ensemble Concert Royal, Köln

MDG 307 1925-2

Musicaphon M56972

Zahlreiche Mutmaßungen ranken sich um Haydns Streichquartette op. 20. Von Schaffenskrise ist da die Rede, und die erstaunlich Tatsache, dass nach den sechs sehr eigenwilligen Werken fast zehn Jahre lang „Sendepause“ in diesem Genre herrschte, lässt Spekulationen ins Kraut schießen. Das Leipziger Streich­ quartett bleibt von solcher Kaffeesatz­ leserei unbeeindruckt; in der neunten Folge seiner Haydn-Edition zeigen die Sachsen einmal mehr die innovative und individuelle Kraft der äußerst reiz­ vollen Werkgruppe, die mit der Neuauf­ nahme der Nummern 1, 3 und 5 nun vollständig vorliegt. Schon eine oberflächliche Betrach­ tung offenbart etliche Besonderheiten der sechs Quartette aus op. 20. Allein dass zwei Werke in Moll darunter sind, ist auffällig – üblicherweise beschränkte man sich zu dieser Zeit auf eines. Und auch die Satzfolge der durchweg vier­ sätzigen Stücke scheint keiner Regel zu gehorchen: Mal steht das Menuett an zweiter, mal an dritter Stelle; mal eröff­ net ein mäßig-schnelles Moderato den Reigen, mal ein quirliges Allegro – in op. 20 zeigt der ohnehin experimentier­ freudige Haydn, dass er immer für eine Überraschung gut ist.

Großer Bogen Und bei den Leipzigern ist dieses Spiel natürlich in den besten Händen. Lustvoll kosten die vier Herren die HaydnSpäße aus, virtuos werden die kammer­ musikalischen Bälle hin- und herge­ worfen. Mit historisch informiertem Spiel und Bögen aus der Entstehungszeit fin­ det das Ensemble Klangfarben, die die letzten von Haydns frühen Quartetten in besonderem Glanz erstrahlen lassen – eine weitere Sternstunde für alle Kammer­ musikfreunde!

Linike wurde ca. 1680 in der Mark Brandenburg in eine Musikerfamilie geboren. 1696 trat er in die Königliche Kapelle in Berlin ein und erhielt Unterricht bei Johann Theile, während dieser in Berlin weilte. Bei den Trauerfeierlichkeiten für Sophie Charlotte 1705 erregte er als Leiter der Kapelle Aufsehen. Nach der Auflösung der Kapelle 1713 waren deren Musiker sehr gefragt und erhielten an anderen Höfen Anstellungen; Linike wird 1714 als Konzertmeister an den Hof von Sachsen-Weißenfels berufen. 1718 half er am Köthener Hof aus, an dem zu dieser Zeit Johann Sebastian Bach wirkte. 1721 bekam er vom Hof die Erlaubnis für einen mehrjährigen England-Aufenthalt und blieb dort bis zum Winter 1724/25. Hier gab er zahlreiche Konzerte und wirkte in Georg Friedrich Händels Opernorchester mit.

CHRISTIAN ELSNER

SCHUBERT LIEDER orchestriert von

MAX REGER und

ANTON WEBERN

Mit den Größten bekannt Aus London zurückgekehrt, wurde Linike 1725 Konzertmeister und stellvertretender Leiter an der Ham­ burger Oper am Gänsemarkt, deren Leitung Reinhard Keiser oblag. In den Jahren 1725/26 wirkte er unter der Leitung von Georg Philipp Telemann an Auffüh­ rungen Händel‘scher Opern mit, deren Partituren er möglicherweise aus London mitgebracht hatte. Nach viel Wanderschaft wurde er am 27. August 1728 als Kapellmeister an den Hof von Mecklenburg-Strelitz be­ rufen, wo er bis zu seinem Tode am 7. April 1762 blieb. Die qualitativ hochstehenden Werke wurden einge­ spielt vom Ensemble Concert Royal Köln, das für seine Aufnahme der Kammermusik von Johann Wilhelm Hertel (Musicaphon M56958) 2015 mit einem ECHO Klassik ausgezeichnet wurde. Neben einer „herkömmlichen“ SACD (CD Stereo – DSD Stereo – DSD 5.1) enthält die Jewel Box eine weitere SACD, bei der es sich um dieselbe Aufnahme in anderer Aufnahmetechnik handelt, nämlich per Kunstkopf (auch binaural 3D genannt). Auch diese zweite SACD kann über Lautsprecher wiedergegeben werden, optimal funktioniert das 3D Verfahren aber bei der Wiedergabe per Kopfhörer.

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“Das vom Orchester erzeugte Gefühl der Spannung in Verbindung mit dem sich bedrohlich abzeichnenden Schicksal der Charaktere wurde von Elsner absolut beeindruckend umgesetzt.” - primephonic PTC5186394

NE AL UE S BU M

www.pentatonemusic.com Im Vertrieb von NAXOS Deutschland • www.naxos.de


Im Blickpunkt

CLASS : aktuell Cembalo

Miniaturen von Fux, De Bury, Le Roux, Telemann, Buxtehude, Schultheiss, Bach, Mozart, Couperin, Kuhnau, Agrell, Purcell, Dandrieu, Croft u.a. Ricardo Magnus, Cembalo Ambitus AMB96958

Kann man eine ganze Geschichte vol­ ler Düfte in einem einzigen Satz dar­ stellen? Ist es möglich, große ästheti­ sche Werte mit geringen Mitteln zum Ausdruck zu bringen? Wenn man diese CD gehört hat, dann lautet die Antwort: ja ! Fasziniert von kleinen Stücken hoher musikalischer Qualität und inspirierter Poesie hat der Cembalist Ricardo Magnus eine wunderbare Sammlung von Minia­ turen aufgenommen. Farbenreich im Klang und detailverliebt in der Inter­ pretation, öffnet er somit den Zuhörern eine Welt mit wertvollstem Repertoire. Trotz ihrer Kürze, oder eben Dank der­ selben, enthalten diese musikalischen Monaden Universen voller Sensibilität, welche unsere intimsten Saiten mit ei­ nem Impetus berühren, der manchen großen Werken oft verwehrt bleibt.

Farbenreich und detailverliebt Resonanzreiche und farbfrohe An­ schlagskultur sowie gestalterische Fan­ tasie und rhythmische Finesse zeichnen das Spiel des aus Argentinien stammen­ den Cembalisten und Dirigenten Ricardo Magnus aus. Von 2010 bis 2013 war er Assistent von Reinhard Goebel am Mozar­ teum in Salzburg. Er ist gern gesehener Gast sowohl bei Barockensembles wie bei „modernen“ Klangkörpern wie der NDR-Radiophilharmonie Hannover, den Stuttgarter Philharmonikern, dem MDR Sinfonieorchester Leipzig, dem Philhar­ monischen Orchester Freiburg u.v.m.

Klavier

Cello

Ludwig van Beethoven Sämtliche Klavierwerke Vol. 14: Variationszyklen, Präludien und Fugen Ronald Brautigam, Fortepiano

Cello Effect Werke von S. Prokofjew, G. Puccini, S. Rachmaninow, W. C. Handy, D. Brubeck, L. Anderson, P. Desmond, P. Tschaikowsky u.a. Rastrelli Cello Quartett

BIS BIS-SACD-1942

GENUIN classics GEN 15364

Beethovens erstes gedrucktes Werk war ein Variationszyklus; es erschien 1783 – da war der hoffnungsvolle Komponist gerade einmal 12 Jahre alt. Und auch sein letztes Werk war ein Variationszyklus: die 33 mächtigen Va­ riationen über ein Thema von Anton Diabelli, vier Jahrzehnte später kompo­ niert. Die zahlreichen Variationssätze der 32 Sonaten einmal nicht mitgezählt, kommt man auf nicht weniger als 21 Variationszyklen für Klavier. Woran man sieht, welche große Bedeutung das Genre für Beethoven hatte. Fünf dieser großen Variationsfolgen, entstanden zwischen 1802 und 1809, hat Ronald Brautigam für diese Folge der Gesamtaufnahme ausgesucht. Darunter auch zwei, die englische Themen zur Grundlage haben: „God save the King“ und „Rule Britannia“.

Rule Britannia! Was sowohl Beethovens oft geäußer­ ten Respekt für dieses Land andeutet wie auch sein Interesse am florierenden englischen Musikalienmarkt. Die beglei­ tenden Präludien und Fugen stammen aus der Frühzeit des Wahlwieners; bei einigen davon dürfte es sich um Studien­ arbeiten gehandelt haben. Es sind wohl Früchte seiner Kontrapunktstudien bei seinen ersten Lehrern Christian Gottlob Neefe und Johann Albrechtsberger.

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Vor einiger Zeit eroberte das Rastrelli Cello Quartett die russischen I-Tunes Charts, nun machen sie erneut mit einer Platte auf sich aufmerksam, die beim Leipziger Label GENUIN erschienen ist. Cello Effect heißt die neue CD, von Effekt­ hascherei kann dabei allerdings keine Rede sein. Die Arrangements von RastrelliGründungsmitglied Sergio Drabkin lassen die genreübergreifende Musikauswahl zu einem stimmigen Ganzen verschmelzen: Russische Meister der Romantik wie Prokofjew, Rachmaninow und Tschai­ kowsky erscheinen in klanglich diffe­ renzierter Fülle und wechseln sich mit bis ins Detail herausgearbeiteten Bluesund Jazz-Standards von Dave Brubeck bis Paul Desmond ab. Dabei swingt und groovt es, dass es eine Freude ist, jeder Ton der vier Cellisten sitzt, vereinigen sich die vier Einzelstimmen zu einem mitreißenden Zusammenklang.

Virtuos und swingend – Rastrelli aus Russland In ausgewählten Stücken der russi­ schen Romantiker betont das Quartett mit wunderbar weichem Ton die Affinität des Cellos zur menschlichen Stimme, sei es in der Arie aus Puccinis Tosca oder mit der Vocalise von Rachmaninow. Besonders überrascht die CD aber durch die virtuosen und rhythmisch überzeu­ genden Jazzstandards wie „Take Five“ oder „Blue Rondo a la Turk“. Das Rastrelli Cello Quartett stellt mit dieser CD einmal mehr unter Beweis, wie spiele­ risch und mitreißend es die Welten von Klassik und Jazz in seinem Spiel verbindet.

Ausgabe 2015/4

Gitarre

Federico Moreno Torroba (1891-1982) Castillos de España, Puertas de Madrid, Preludio, Madroños, Nocturno Frank Bungarten, Gitarre MDG 905 1915-6 (Hybrid-SACD)

Eine ursprünglich spanische Musik wollte Torroba schaffen und wandte sich zunächst besonders der Zarzuela, einer Art spanischer Operette, zu. Schnell ver­ fiel er aber auf die Gitarre, und es ist er­ staunlich, wie gitarristisch seine Stücke gelungen sind, obwohl er selbst nie Gi­ tarre spielte. Während man bei vielen Anderen, von Rodrigo bis CastelnuovoTedesco, den Eindruck hat, sie müssten ihre Ideen der Gitarre abtrotzen, ver­ binden sich bei Torroba Instrument und Komposition zu einer nie gekannten Sym­ biose, sehr zur Freude der Gitarristen…

Naturtalent Torrobas oft kurze Stücke tragen viel­ fach programmatisch anmutende Titel. Da gibt es „Castillos de España“ oder „Puertas de Madrid“, doch Vorsicht!, die spanischen Burgen oder Madrider Tore werden keinesfalls lautmalerisch in Szene gesetzt. Es ist vielmehr eine Liebeserklärung an die spanische Hei­ mat, die in Zeiten von Bürgerkrieg und Franco-Diktatur, unter der die Faschisten versuchten, alles spanisch-nationale zu vereinnahmen, vor eine schwere Belas­ tungsprobe gestellt wurde. Bei Frank Bungarten ist Torrobas Musik in den besten Händen – schließ­ lich ist er einer der besten Kenner des spa­ nischen Gitarrenrepertoires. Spätestens seit er aus Segovias Händen den Ersten Preis des Gitarrenwettbewerbs von Grana­ da in Empfang nehmen konnte, zählt er auch international zu den gefragtesten Solisten und Kammermusikpartner.


Im Blickpunkt

CLASS : aktuell

TSCHAIKOWSKY

Orchester

PIQUE DAME

Im Jahr des 150. Geburtstag von Sibelius werden seine Werke häufiger gespielt und diskutiert denn je, und welt­ weit nehmen Orchester komplette Zyklen seiner Symphonien ins Programm. Es überrascht da nicht, dass auch das Lahti Symphonieorchester, bekannt für seine fundierten und zahlreichen Sibelius-Inter­ pretationen, keine Ausnahme macht. Aber unter der Leitung ihres Chefdirigenten Okko Kamu haben die Musiker auch ein spezielles Geburtstagsgeschenk für ihren großen Landsmann vorbereitet. Die hier zusammengestellten Aufnahmen entstan­ den zwischen 2012 und 2014; es ist erst der zweite komplette Symphonienzyklus des Orchesters (der erste entstand unter Osmo Vänskä und ist Bestandteil der bei BIS erschienenen Sibelius-Gesamt­edi­ tion). Und es ist der erste für Okko Kamu (ungewöhnlich für einen finnischen Diri­ genten von internationaler Reputation). Natürlich hat er die Symphonien schon unzählige Male dirigiert, aber hier er­ scheinen seine Interpretationen erst­ mals gesammelt auf SACD. Der gelernte Geiger (einst Primarius der Finnischen Nationaloper) war als Dirigent Autodi­ dakt. Mit 22 Jahren gewann er 1969 den ersten Dirigentenwettbewerb der Herbert-von-Karajan-Stiftung in Berlin.

Geburtstags­ geschenk vom Überflieger Karajan war von Kamus Fähigkeiten so überzeugt, dass in den 1970er Jahren die Deutsche Grammophon Gesellschaft Karajans Sibelius-Zyklus der Sinfonien 4 -7 mit Aufnahmen der Sinfonien 1-3 (die Karajan selten, bzw. die 3. nie diri­ gierte) von Kamu vervollständigte. Für die 2. Sinfonie, aufgenommen 1970, wur­ den sogar die Berliner Philharmoniker herangezogen; Kamu war zu diesem Zeitpunkt gerade 24 Jahre alt.

3 CD 900129

BIS BIS-SACD-2076

Aaron Copland (1900-1990) An Outdoor Overture (1938) Billy the Kid, Ballett in einem Akt (1938); El Salón México (1933/36) Rodeo, Ballett in einem Akt (1942) Colorado Symphony, Andrew Litton BIS BIS-SACD-2164

Andrew Litton übernahm 2013 den Posten des Chefdirigenten beim Colorado Symphony Orchestra, und für die erste Aufnahme mit diesem Ensemble für BIS wollte er in den Wilden Westen. Und landete daher schnell bei der Musik Aaron Coplands. Denn die Volksmusik, Traditionen und Legenden des Westens spielen eine große Rolle in Aaron Coplands Balletten „Billy the Kid“ und „Rodeo“. Beide waren das Ergebnis einer Suche des Komponisten nach einer neuen Musiksprache. Er sagte dazu: „Radio und Schallplatte haben der Musik ein ganz neues Publikum beschert. Es hat keinen Sinn, das zu ignorieren und weiterhin Kunstmusik zu schreiben, als wären die nicht da. Also bemühte ich mich, das, was ich zu sagen hatte, mit den einfachsten Mitteln auszudrücken.“ Ganz ähnlich ging Copland beim „Salón México“ vor, nur waren es hier natürlich mexikanische Themen, inspiriert vom Besuch einer Tanzhalle vor Ort.

Tschaikowskys späte Meisteroper mit international bedeutenden Solisten, die mit den Rollen der „Pique Dame“ auch sprachlich auf authentische Weise bestens vertraut sind. Mit Tatiana Serjan, Misha Didyk, Larissa Diadkova, Alexey Markov, Alexey Shishlyaev u.a. Kinderchor der Bayerischen Staatsoper Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks Mariss Jansons

WAGNER

DAS RHEINGOLD

Hasta la vista In allen Fällen läuft vor dem Hörer ein imaginärer Film ab, auch ohne sze­ nische Darstellung durch ein Ballett. Diese drei Werke gehören zu den po­ pulärsten Schöpfungen Coplands; die „Outdoor Overture“ dagegen ist eine Rarität (vor allem auf Tonträgern). Sie entstand als Teil einer Ausbildungs­ kampagne mit dem schönen Slogan „American Music for American Youth“, und die prägnanten Rhythmen und klangfarbige Orchestrierung machten sie damals populär unter demselben Verwendungszweck wie auf dieser Pro­ duktion: als Vorhangöffner.

Ausgabe 2015 /4

2 CD 900133

Jean Sibelius (1865-1957) Sämtliche Symphonien Lahti Symphonieorchester, Okko Kamu

Sir Simon Rattle und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks deuten mit symphonischer Finesse Wagners neu erschaffenen Kosmos des Musikdramas. Mit Elisabeth Kulman, Annette Dasch, Janina Baechle, Michael Volle, Herwig Pecoraro, Burkhard Ulrich, Tomasz Konieczny u.a.

www.br-klassik.de/label Erhältlich im Handel und im BRshop / www.br-shop.de

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Im Vertrieb von


Im Blickpunkt

CLASS : aktuell Orchester

Schostakowitsch: Kammersymphonien opp. 73a und 83a, arrangiert von Rudolf Barschai Traditional: Turceasaca si Hora del la Goicea Suite rumänischer Melodien Russischer Klezmer-Tanz The Re:Orchestra, Roberto Beltrán-Zavala

Felix Mendelssohn Bartholdy Das Märchen von der schönen Melusine, Konzertouvertüre Nr. 4 op. 32; Ein Sommernachtstraum, Bühnenmusik zum Stück von Shakespeare, op. 61; Die Hebriden, Konzertouvertüre Nr. 2, op. 26 Swedish Chamber Orchestra, Thomas Dausgaard

BIS BIS-SACD-2227

Die beiden hier eingespielten „Kammersymphonien“ sind im Original zwei der hoch geschätzten Streich­ quartette des Meisters, mit Zustimmung des­selben für Orchester arrangiert von Rudolf Barschai, den, als Gründer und Mitglied des Borodin Quartetts, eine lange Zusammenarbeit mit Schostakowitsch verband. Und darüber hinaus hatte Barschai von Schostakowitsch Kompositionsunterricht erhalten und mit ihm musiziert. Ein stets wiederkehrendes Element in Schostakowitschs Musik ist der Einsatz von Volksmusik und sonstiger populärer Musik (z.B. aus Zirkus oder Kabarett). Beson­ ders tief verbunden war er der jüdischen Volksmusik, die er als „Lachen unter Tränen“ beschrieb.

Lachen unter Tränen Eine Seelenlage, die er sehr nahe an seinen Ideen von Musik überhaupt befand. Vorlage für die Kammer­ symphonien waren die Streichquartette 3 und 4, 1946 bzw. 1949 komponiert unter dem Eindruck der schreck­ lichen Folgen des 2. Weltkriegs und dann dem stalinis­ tischen Terror. In beiden Werken (die wie seine anderen Streichquartette zu den Hauptwerken der Kammermusik im 20. Jahrhundert gehören) macht Schostakowitsch ausgiebig Gebrauch von Volksmusik, um die Emotionen des Hörers direkt anzusprechen. Vor diesem Hinter­ grund entstand die Idee, die Kammersymphonien mit originaler Volksmusik Osteuropas (bearbeitet von Vasile Nedea) zu konfrontieren und Verbindungen aufzuzeigen. Das ungewöhnliche Programm wird präsentiert vom niederländischen Re:Orchestra, das getragen und admi­ nistriert wird von einer gemeinnützigen Organisation, gegründet von jungen Künstlern. Ziel ist die Entwicklung und Aufführung von Konzerten und interdisziplinären Projekten, um klassische Musik populär zu machen.

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BIS BIS-SACD-2166

Im Rahmen ihrer äußerst erfolgrei­ chen Auseinandersetzung mit der Mu­ sik des 19. Jahrhunderts wenden sich Dausgaard und das Swedish Chamber Orchestra nun Mendelssohn zu. Mit sei­ nen gefeierten, bis heute oft gespielten Konzertouvertüren, entstanden zwischen 1826 und 1835, setzte Mendelssohn neue Standards für dieses aufstrebende Genre. Denn seine Ouvertüren sind gleichzeitig Tondichtungen, die klassische Formkon­ zeption mit romantischem Ausdruck verbinden. Während die „Melusine“ und der 1843 zur kompletten Bühnenmusik erweiterte „Sommernachtstraum“ poe­ tische Vorlagen reflektieren, sind die „Hebriden“ sozusagen ein Reisebericht – 1829 hatte Mendelssohn Schottland und die Hebriden besucht. – Die „schöne Melusine“ entstand im Jahre 1833. Die Uraufführung der überarbei­ teten Fassung fand im November 1835 im Leipziger Gewandhaus statt.

Schießende Fische und Zauber­ schlösser Das Publikum reagierte eher ver­ halten auf das Werk, während der Kom­ ponist Robert Schumann es wiederum in den höchsten Tönen lobte, als er von „schießenden Fischen mit Goldschup­ pen, Perlen in offenen Muscheln“ sprach. Das gefiel Mendelssohn allerdings nicht so sehr; er sprach sich dagegen aus, dass seine Komposition von „roten Korallen und grünen Seetieren, von Zauberschlös­ sern und tiefen Meeren“ handelte; sie ist eher als eine Beschreibung der Stim­ mung statt der Handlung zu verstehen.

Ausgabe 2015/4


Profil

CLASS : aktuell

Edition Günter

Hänssler

PROFIL & hänssler CLASSIC “Eine klassische Familienzusammenführung”

Konzert

N E U E R S C H E I N U N G E N

Forbes

WOLFGANG AMADEUS MOZART Violinkonzerte Nr. 1, 3, 4 Rondo KV 272, Adagio KV 261 Frank Peter Zimmermann, Kammerorchester des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks, Radoslaw Szulc

Johann Melchior Molter (1696-1765) Concerti für Flöte, Oboe, Klarinette, Cembalo und Cello Stefanie Kessler, Traversflöte Georg Siebert, Barockoboe Lisa Shklyaver, Kyrill Rybakov, Klarinette Kristian Nyquist, Cembalo Dmitri Dichtiar, Barockcello Gottesauer Ensemble, Dmitri Dichtiar Musicaphon M56968

Wolfgang Amadeus Mozart Sämtliche Klavierkonzerte Vol. 9: Nr. 13 C-Dur KV 415 Nr. 11 F-Dur KV 413 Nr. 8 C-Dur KV 246 Ronald Brautigam, Fortepiano Die Kölner Akademie, Michael Alexander Willens

NEU

21 CD

NEU

11 CD

GUSTAV MAHLER Edition Staatskapelle Dresden, Wiener Philharmoniker, Columbia Symphony Orchestra, New York Philharmonic Orchestra, NDR Sinfonieorchester, SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg, London Symphony Orchestra, Diana Damrau, Hertha Töpper, Kathleen Ferrier, Brigitte Fassbaender, Giuseppe Sinopoli, Bernard Haitink, Klaus Tennstedt, Leopold Stokowski, Georg Solti, Jascha Horenstein, Bruno Walter, Dimitri Mitropoulos 21 CD PH14000

BIS BIS-SACD-2074

Wie und warum Johann Melchior Molter nach Karlsruhe kam, gehört zu den Geheimnissen seines ansonsten recht gut dokumentierten Lebens. Molter war ein „vollkommener Capellmeister“ im Sinne des gleichnamigen berühmten Traktats des Hamburger Musikgelehrten Johann Mattheson. In seinen frühen Jahren wurde Molter mit dem Stil der französischen Musik seiner Zeit ver­ traut; in Italien lernte er den aktuellen italienischen Stil kennen. Zur stilisti­ schen Vielseitigkeit trat die handwerk­ liche Sicherheit, mit der er sich in allen gängigen Genres bewegte.

Diesmal stellt Brautigam drei Kon­ zerte vor, die 1776 bzw. 1782/83 ent­ standen. Mit dem C-Dur-Konzert KV 415 wollte Mozart ohne Frage Aufsehen er­ regen und beeindrucken, und zwar an allerhöchster Stelle: die Uraufführung fand am 23. März 1783 in Gegenwart von Kaiser Joseph II. statt. Das dürfte der Grund dafür sein, warum Mozart Trom­ peten und Pauken vorgesehen hatte, die in der Erstausgabe des Konzerts dann fehlen. Mit anderen Worten: Mit Prunk und Pomp nur bei der Uraufführung, danach dann praktikabel – schließlich standen nicht jedem (kleinen) Hoforchester ständig Trompeter zur Verfügung.

Der vollkommene Kapellmeister

Mit Pomp und Kantabilität

In großer Zahl überliefert sind die Handschriften vieler Instrumentalwerke Molters. Neben rund 170 Sinfonien stel­ len Solokonzerte für unterschiedliche Instrumente die größte Werkgruppe innerhalb seines Instrumentalschaffens dar. Die meisten dieser Konzerte dürf­ ten für virtuose Hofmusiker in Karlsruhe und in Eisenach entstanden und Rah­ men der höfischen Musikpraxis auf­ geführt worden sein. Alle Konzerte sind Dokumente eines Kapellmeisters, der die kompositorischen Standards seiner Zeit auf sehr hohem Niveau beherrschte. Und Molter war einer der ersten, die Konzerte für die Klarinette komponierten. Mit dieser Produktion wird (zum 300. Geburtstag Karlsruhes) des wichtigsten Komponisten der Fächerstadt gedacht.

Im Kontrast zu diesem eher repräsen­ tativ angelegten Werk steht das Konzert in F, fast zeitgleich komponiert, das mit seinem Larghetto einen der delikatesten, weichsten und kantabelsten langsamen Sätze Mozarts enthält. Die SACD schließt mit dem sechs Jahre früher komponier­ ten Konzert Nr. 8 in C. Das war eine Auf­ tragsarbeit: geschrieben hat es Mozart für Gräfin Antonia Lützow. Die wiederum war eine der Schülerinnen von Mozarts Vater und klavieristisch wohl (noch) nicht besonders beschlagen. Deshalb gehört es zu den technisch anspruchs­ losesten Konzerten des Meisters. Was den aber nicht abhielt, es bei diversen Gelegenheiten selbst zu spielen.

KURT SANDERLING Edition ANTON BRUCKNER – Sinfonie Nr. 4 LUDWIG VAN BEETHOVEN – Sinfonie Nr. 6 (Pastorale) Chorphantasie op. 80 JOHANNES BRAHMS – Sinfonien Nr. 1 - 4 Konzert für Violine, Cello und Orchester SERGEI RACHMANINOV – Klavierkonzerte Nr. 1 & 2, Sinfonien Nr. 1 - 3 Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, NDR Sinfonieorchester, Berliner Sinfonie Orchester, WDR Sinfonieorchester Köln, Leningrad Philharmonic Orchestra, USSR State Symphony Orchestra, Thomas Zehetmair, Antonio Meneses, Sviatoslav Richter 11 CD PH13037

2 CD

JOHANN SEBASTIAN BACH Französische Suiten BWV 812 - 817 Französische Ouverture BWV 831 Aria Variata BWV 989 Ekaterina Derzhavina 2 CD PH14043

Erhältlich im Fachhandel Profil

Edition Günter

Hänssler

Profil Medien GmbH . Edition Günter Hänssler . www.haensslerprofil.de

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Vertrieb: NAXOS DEUTSCHLAND GmbH . www.naxos.de


KLASSIK NEU ERLEBEN. DAS BESTE AUS KONZERT, OPER UND TANZ AUF KLASSIK.TV Hunderte von internationalen Spitzenproduktionen mit Stars wie Daniel Barenboim, Gustavo Dudamel, Christian Thielemann, Zubin Mehta, Herbert von Karajan, Anne-Sophie Mutter u.v.m. sowie Hintergrund-Infos, Künstler-Interviews, Themenschwerpunkte und vieles mehr... Wann immer und so oft Sie wollen. Ihr persönlicher Konzertsaal und Ihr privates Opernhaus ist nur einen Mausklick entfernt. Und das Beste: Ihr Ticket kostet monatlich nur 8,99 Euro. Garantiert kein Schlangestehen...

Lied

Erik Satie (1866-1925) Mélodies et Chansons Holger Falk, Bariton Steffen Schleiermacher, Klavier MDG 613 1926-2

Echte Dauerbrenner hat Erik Satie hinterlassen – seine Lieder gehören bis­ lang nicht dazu. Völlig zu Unrecht, wie Holger Falk und Steffen Schleiermacher mit dieser Neuaufnahme sämtlicher Mélodies und Chansons beweisen: Von zartester Ernsthaftigkeit bis zur derbsten Komik reicht die Palette des legendären Eigenbrötlers, der Zeit seines Lebens in bitterster Armut existieren musste und sich seinen Unterhalt mit „Lohnklimperei“ verdiente. Der eigenwillige Humor, der viele seiner Klavierkompositionen prägt, findet auch in den Liedern seinen Nieder­ schlag – dankbar aufgegriffen von Holger Falk, der seine vielseitigen schauspiele­ rischen Talente hier voll ausleben darf.

Amusement mit Esprit

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Im Blickpunkt

CLASS : aktuell

Für das Pariser Cabaret typisch sind Strophenlieder. Da wird auch gerne mal Staatspräsident Clemenceau durch den Kakao gezogen; andere dienen einfach der humorigen Unterhaltung, wie „Chez le docteur“ – für die intimeren Kenner der französischen Sprache dürfte auch „Les Oiseaux“ ein besonderes Vergnü­ gen sein… Äußerst verdichtet sind Saties „Trois Poèmes d´Amour“; kurze Lieder, keines länger als acht Takte, mit den für Saties spätere Kompositionen so charakte­ris­ tischen „Erklärungen“ – Zusatztexte, deren Zusammenhang mit der Kompo­ sition sich keineswegs erschließt… Und auch in diesen Miniaturen zeigen sich Holger Falk und Steffen Schleier­ macher als die idealen Sachwalter für Saties Musik: Ohne falsche Albernheit, mit feinem Humor und einer gehörigen Portion Ironie sorgen sie für ein unter­ haltsames Programm mit Tiefgang.

Kantate

Johann Sebastian Bach Weltliche Kantaten Vol. 5: Lasst uns sorgen, lasst uns wachen, BWV 213; Tönet ihr Pauken, erschallet, Trompeten, BWV 214 Lunn, Blaze, Sakurada, Wörner Bach Collegium Japan, Masaaki Suzuki BIS BIS-SACD-2161

Zwei Geburtstagskantaten für Mitglie­ der des sächsischen Kurfürstenhauses sind auf dieser SACD zu hören, beide 1733 erstmals von Bach mit dem Leipzi­ ger Collegium Musicum öffentlich auf­ geführt. Sie gehörten wohl konzeptionell zu Bachs Kampagne, eine Ernennung zum Hofkomponisten zu erreichen (was drei Jahre später dann auch gelang). Beide Kantaten sind heute kaum mit ihren Originaltexten und in ihrer Original­ gestalt bekannt – ihre Musik aber schon, denn sie verwertete Bach mit neuem, angepasstem Text ausgiebig in den ersten drei Kantaten seines später zusammen­ gestellten Weihnachtsoratoriums.

Geschickte Zweitverwertung Und gerade das macht diese Kantaten so besonders interessant, denn an ihnen kann man gut das von Bach auf eigene Werke angewandte Parodieverfahren studieren. Im vorliegenden Fall ist die Sache recht einfach: der Huldigungstext auf einen weltlichen Herrscher muss nur von einem gewandten Textdichter auf den göttlichen Herrscher umgeformt werden – und schon kann die Musik im Wesentlichen bleiben, wie sie ursprüng­ lich komponiert war. Denn die Affekten­ lehre der barocken Musik (also das Ausdrücken bestimmter Gefühle oder Ereignisse mittels bestimmter melo­ discher oder harmonischer Abfolgen) passt ja dann zwangsläufig auch auf den neuen Zweck. Bach hat dieses Verfahren sehr häufig angewandt und so Musik, die sonst nach einmaligem Gebrauch bestenfalls im Archivsschrank gelandet wäre, ökonomisch geschickt weiter ver­ wendet. Hier finden sich zwei besonders schöne Beispiele dafür.

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Vokalmusik

Gottfried August Homilius (1714-1785) Geistliche Motetten Rheinische Kantorei, Hermann Max, Ltg. MDG 602 0145-2

Vor mehr als 30 Jahren bereits hat Herman Max mit der Rheinischen Kanto­ rei einige Motetten des damals nahezu vollkommen vergessenen Gottfried August Homilius für MDG aufgenommen. Dass er mit dieser Pioniertat am Anfang einer regelrechten Renaissance des Bachschü­ lers Homilius stand, konnte niemand ahnen. Die nur auf Vinyl veröffentlichte Produktion war lange vergriffen. Umso willkommener ist jetzt die sorgfältig auf­ bereitete CD-Neuauflage dieses schon his­ torischen Schatzes aus dem MDG-Archiv.

Wegbereiter Wann und wie lange genau Homilius beim alten Bach in die Lehre ging, ist nicht bekannt. Sein Talent wurde jedoch früh entdeckt: Bereits als Student der Rechte vertrat er in Leipzig den Stellen­ inhaber auf der Orgelbank der Nicolai­ kirche. Als Kantor der Dresdner Kreuz­ kirche führte er den Kreuzchor zu einer bis dahin ungekannten Blüte, deren Glanz weit über die Elb­residenz hinausstrahlte. In seinem Schaffen ist der Umbruch von der barocken, auf antiken mathemati­ schen Proportionsvorstellungen beruhen­ den Ästhetik hin zu einer am Individuum orientierten Kompositionskunst hervor­ ragend nachzuvollziehen. Hermann Max, der heute zu den be­ deutenden Wegbereitern der historisch informierten Musikpraxis zu zählen ist, hat mit der Rheinischen Kantorei den subjektiven Tonfall dieser Musik perfekt getroffen. Die persönliche Ergriffenheit, die aus der Musik spricht, sei es an­ gesichts der Zerstörung Dresdens im 7jährigen Krieg oder mehr allgemein in der Vertonung des 23. Psalms, lässt nie­ manden unberührt. Und dass MDG von Anfang an auf ungekünstelten Klang und höchstwertige Technik Wert legte, macht diese CD auch nach über 30 Jahren zu einem ungetrübten Hörvergnügen.


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