CLASS: aktuell 2012 / Nr. 2

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Association of Classical Independents in Germany

Hardy Rittner Chopin-Etüden auf historischem Terrain

Lisa Larsson und das Musikkollegium Winterthur Neue Strauss-Facette

Vom Volksmärchen zur musikalischen Vorlage Klaus Heymann Klassik von NAXOS

200 Jahre Märchen der Gebrüder Grimm

Florian Uhlig Brennt für Schumann


HYPERION CD OF THE MONTH

Neuheiten

SAINT-SAENS/LOEVENDIE/ RAVEL Klaviertrios Van Baerle Trio ETCETERA • KTC 1438

JAN LADISLAV DUSSEK SOPHIA DUSSEK-CORRI Madame et Monsieur Dussek Masumi Nagasawa ETCETERA • KTC 1439 2 CDs

HERBERT HOWELLS Requiem/Gloucester Service St Paul’s Service/ u.a. Stephen Layton / Trinity College Choir Cambridge HYPERION • CDA 67914

HENRY VIEUXTEMPS Violinkonzerte Nr.1 E-Dur & Nr.2 in fis-Moll Chloë Hanslip /Martyn Brabbins / Royal Flemish Philharmonic HYPERION • CDA 67878

GLYNDEBOURNE

GIOVANNI BOTTESINI Capriccio di bravura/Grand Duo Concertant/u.a. Rick Stotijn / Christiane Stotijn Candida Thompson / Amsterdam Sinfonietta / u.a. CHANNEL CLASSICS • CCS 32612

RUTTER/MOZART/SCHUBERT/ BRAHMS/ELGAR/MC KIE/+ This Is The Day: Musik zu königlichen Festlichkeiten John Rutter The Cambridge Singers COLLEGIUM • COLCD 136

CHRISTOPH GRAUPNER Die sieben Worte Jesu am Kreuz Genevieve Soly Les Idées Heureuses ANALEKTA • AN 29122 2 CDs

GEORG FRIEDRICH HÄNDEL Theodora Lorraine Hunt / David Daniels / Dawn Upshaw / William Christie The Orchestra of the Age of Enlightenment GLYNDEBOURNE • GFO 01496 3 CDs GEORG FRIEDRICH HÄNDEL Esther Robin Blaze / Susan Hamilton Nicholas Mulroy / John Butt Dunedin Consort & Players LINN • CKD 397 2 SACDs

PETER EÖTVOS CLAUS H. HENNEBERG Three Sisters - Die drei Schwestern (Oper GA) Peter Eötvos / Kent Nagano Orchestre de l’Opera de Lyon u.a. BMC • BMC 0190 2 CDs

MICHAEL NYMAN Sangam - Michael Nyman meets Indian Masters Michael Nyman / Michael Nyman Band / Shrinivas / Misra / u.a. MN RECORDS • MNRCD 119

ORANGE MOUNTAIN MUSIC

SONDERANGEBOT CLAUDE DEBUSSY The Debussy Edition Pascal Rogé ONYX ONYX 4095 5 CDs

RAVI SHANKAR Symphony Anoushka Shankar David Murphy / LPO LPO • LPO 0060

Codaex DEUTSCHLAND Landsberger Strasse 492, 81241 München +49 (0) 89 82 00 02 34 http://blog.codaex.de www.facebook.com/codaex.deutschland

PHILIP GLASS Sinfonie Nr.9 Dennis Russell Davies / Bruckner Orchester Linz ORANGE MOUNTAIN MUSIC • OMM 0081


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CLASS aktuell 2 / 2012 Inhalt In diesem Sommer feiern wir den 150. Geburtstag des Vaters der Weltmusik.

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Klaus Heymann und sein Label Naxos

Ich meine natürlich Claude Debussy, der als erster europäischer Komponist ganz gezielt außereuropäische Tonskalen in seine Musik einbrachte und die herkömmliche Harmonik

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damit auf den Kopf stellte. Das heißt: Eigentlich stellte er die Harmonik nicht auf den

Unabhängigkeiterklärung Rudolf Innig spielt Orgelwerke von Horatio Parker

Kopf, sondern brachte sie zum Schweben – schwirrender, flirrender Impressionismus. Für die musikalischen Sittenwächter war das ein Skandal. Denn wenn die Harmonik ihren

Weltmarktführer familiär

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Schwerpunkt verliert, herrscht doch keine Ordnung mehr! Die reine Anarchie!

„Ich brenne für Schumann“ Florian Uhligs Schumann-Edition

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Der Teufel im Detail

Glücklich miteinander und mit Vivaldi Rachel Podger bei Channel Classics

Schlimmer noch: Debussy hat Höllengeister freigesetzt. Sehen wir uns doch einmal so

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eine balinesische Ganztonskala an. Ein Tonschritt: die große Sekunde. Zwei Tonschritte: die große Terz. Drei Tonschritte: die übermäßige Quart oder halbe Oktave, auch

Karibisches Feuer und starke Glut Thomas Gabrisch dirigiert Clerch

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Tritonus genannt. Aber was ist dieser Tritonus? Er ist schlimmer als der Tinnitus, er ist ganz,

Klassik aus dem Stecker Theo Wubbolts auf der High End

ganz schlimm! Die musikalischen Sittenwächter nennen ihn den Teufel in der Musik. 16

Neue Facette Lisa Larsson mit Strauss und dem Musikkollegium Winterthur

In der guten, ordentlichen Zeit vor Debussy stand dieser „Teufelsintervall“ allenfalls für das Böse, für Schmerz und Leid, für Aussatz, Fluch, Verdammung und Hexerei. Ansonsten hatten die Tonsetzer ihn gefälligst zu vermeiden und aufzulösen, denn er

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Ivan Zenaty über Franz Benda

galt als „Querstand“ und „harter Gang“. Weil er auch im Dominantseptakkord steckt,

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Up de eensame Hallig

bekam Beethoven einige Rüffel zu hören – wenn er sie denn hörte. Beethoven stellte

Sophie Harmsen und Alexander Vasilliev entdecken Rudi Stephan

sich bekanntlich taub. 19 Auch der amerikanische Blues galt einmal als „the devil’s music“. Das könnte an seinen

Hardy Rittner mit Chopin-Etüden auf historischem Terrain

„blue notes“ liegen, denn auch sie stehen für den Ausdruck von Leid und Schmerz. Die bekannteste „blue note“ ist die „flatted fifth“, die verminderte Quinte, was eben nichts anderes ist als eine übermäßige Quart, also der Tritonus. Allerdings kommt

Stürmer, Genießer, Poet

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Es war einmal... Vom Volksmärchen zur musikalischen Vorlage

die „flatted fifth“ des Blues schon in der traditionellen Musik Westafrikas vor, die ja nun bekanntermaßen gar keine gleichmäßig temperierten halben Oktaven kennt. Genau genommen ist die afroamerikanische „flatted fifth“ auch gar keine verminderte Quinte, sondern eine noch ein wenig mehr verminderte Quinte – ein Ton knapp über der Quart, der sich direkt aus der Obertonreihe ergibt. Alphorn- und Jagdhornbläser

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Katalog-Service mit Umfrage

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CLASS-Blickpunkte Neuheiten vorgestellt von CLASS aktuell

kennen ihn als elften Naturton. Da steckt der Teufel also mal wieder echt im Detail! Aber das soll jetzt nicht unser Problem sein, es gibt Wichtigeres: Bon anniversaire, Monsieur Debussy!

Impressum Herausgeber/Verlag: CLASS e.V. Association of Classical Independents in Germany Bachstraße 35, 32756 Detmold Tel. 05231- 938 922 class@class-germany.de

Einen schönen Sommer wünscht Hans-Jürgen Schaal

Redakteur (v.i.S.d.P): Manfred Görgen Anzeigen: Gabriele Niederreiter Grafische Gestaltung: Ottilie Gaigl Druck: Westermann Druck, Braunschweig Auflage: 125.100 Titelfoto: Zhang Jiangshe Alle Tonträger dieser Ausgabe finden Sie auch unter www.bielekat.de und www.klassikrecherche.de

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Der familiäre Weltmarktführer Von Klaus Heymann und seinem Naxos-Label, das er vor 25 Jahren gründete In der „Szene“ ist er bekannt wie ein bunter Hund doch die meisten seiner Endkunden haben noch nie etwas von ihm gehört. Dabei besitzt fast jeder, der sich für Musik interessiert, mindestens eines seiner Produkte. Die Rede ist von Klaus Heymann, seines Zeichens Gründer und Chairman der Firma Naxos. Er ist so etwas wie die „graue Eminenz“ der Klassik-Branche.

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ber 7.000 CDs sind unter dem einprägsamen Naxos-Emblem seit 1987 erschienen, monatlich kommen rund 25 neue hinzu. Die Palette reicht von mittelalterlicher Musik bis hin zur E-Musik des 21. Jahrhunderts. Orchester aus Nowosibirsk und Island sind im Naxos-Katalog ebenso vertreten, wie das London Symphony Orchestra oder die Staatskapelle Weimar. Herausragende CDs des Labels haben sich hunderttausendfach verkauft, andere vielzehntausendfach. Wer ist der Mann, der hinter diesem erstaunlichen Erfolg steht und es binnen 25 Jahren geschafft hat, die Klassik-Szene umzukrempeln? Klaus Heymann wurde 1936 bei Frankfurt am Main geboren. Er studierte u. a. in Frankfurt, London und Lissabon, brach aber 1961 sein Studium ab, weil es ihm schlicht zulange dauerte. Über eine Anstellung als Werbeleiter bei einer Zeitschrift kam Heymann 1967 nach Hongkong. Mit spartanischen Mitteln gründete er einen Versandhandel für Kameras, der sofort erfolgreich war: „Innerhalb

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eines Jahres war ich Dollarmillionär“, so Heymann – und das mit 33 Jahren! Er begann nun auch HiFi-Geräte zu vertreiben. 1975 heiratete er die Violinvirtuosin Takako Nishizaki. Spätestens nun war der junge Unternehmer von Kopf bis Fuß auf Musik gepolt. Er vertrieb jetzt Schallplatten, gründete bereits 1977 ein erstes eigenes LP-Label. Doch erst mit der Einführung eines neuen Mediums – der CD – begann die große Erfolgsstory. 1982 gründete Heymann „Marco Polo“, das „Entdeckerlabel“. 1987 folgte die Firma Naxos mit einem für damalige Zeiten wegweisenden Konzept: Jede CD sollte eine qualitativ hochwertige Neuproduktion sein, jedoch nicht über 10 DM kosten. Diese einfache Idee erwies sich als marktumstürzende Revolution! Selbst Menschen, die sich vorher nie für klassische Musik interessiert hatten, griffen nun im großen Stil zu. Und aufgrund der guten Qualität der Aufnahmen und einer binnen kurzer Zeit entwickelten immensen Repertoirebandbreite mit vielen Weltersteinspielungen, konnte

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Geschäfte des Unternehmens, das in Hongkong als „HNH international“ man von Beginn an auch die eingefleischten Kenner für sich gewinnen. gelistet ist. Wofür das Kürzel steht? Heymann, Nishizaki, Heymann! Der So wurde aus Naxos schon bald der Weltmarktführer für klassische Musikvermarktungskoloss Naxos ist im Kern sympathisch familiär geMusik auf CD und konnte bis heute schon 19 Grammy-Auszeichnungen – blieben! Dazu hat auch Heymanns Frau Takako Nishizaki entscheidend den „Oscar“ der Musikwelt – verbuchen. beigetragen. Die mit ihr als Solistin eingespielten Aufnahmen gehören Doch sind CDs nicht inzwischen passé? Hört nicht zumindest der zu den erfolgreichsten und beliebtesten in der Labelgeschichte. Klassik-Nachwuchs heutzutage lieber online – per Download oder Angesichts der digitalen Neuerungen betrachtet Heymann das CDStream? Klaus Heymann erkannte auch diesen Megatrend früher als Label nach eigener Aussage inzwischen eher als eine Art Hobby. „Das viele andere. Mit der voll digitalen „Naxos Music Library“ (NML) setzte Geschäft ist heute die Vertriebs- und Marketinggruppe“, erzählt er und der weitsichtige Geschäftsmann bereits in den 1990er-Jahren massiv auf meint damit, dass Naxos als Vertriebsdas Internet als Verbreitungsmedium partner für andere Medienunternehfür klassische Musik. In einer Zeit, in Naxos bietet Geschäftspartnern men gar nicht mehr wegzudenken ist. der die meisten nicht einmal wussten, ein Konzept an, bei dem es Doch auch hier setzt er noch einen was ein mp3-Stream überhaupt ist, fast alle Medien-Dienstleistungen drauf: Vom Vertrieb über die digitale bot Naxos solche Dienste im Rahmen aus einer Hand gibt. Vermarktung bis hin zur CD-Pressung: der NML bereits an. Naxos bietet Geschäftspartnern ein KonZunächst gab es den Service für zept an, bei dem es fast alle Medien-Dienstleistungen aus einer Hand gibt. Bildungsinstitute, wie Schulen und Universitäten. Später kamen auch Hierbei spielt der Standort Deutschland eine zentrale Rolle: Im beschauAngebote für Musiker, Journalisten und Privatleute hinzu. Heute überlichen Örtchen Kirchheim bei München befindet sich eine der essenzieltrifft die NML alle vergleichbaren Angebote. Sie ist mit über einer Million len Schaltzentralen des Unternehmens: die Firmensparte „Naxos Global verfügbaren Musikstücken weit mehr als nur ein „Musikhörportal“: Logistics“. Sie ist als Logistikpartner nicht nur der NAXOS-Vertriebe, Sie ist eine gigantische Datenbank, die neben Musik auch Musiker- und sondern auch als Dienstleister für andere Firmen von Bedeutung. In Komponistenbiografien, Werkeinführungen, Lernmaterialien und selbst enger Verzahnung mit Naxos Deutschland, der hiesigen Vertretung von Noten zum Partiturstudium beinhaltet: Eine musikalische Schatzkiste, die Heymanns Firma, hat sich die heimische Unternehmenstochter zu einem man zum Preis einer Monats- oder Jahresflatrate buchen kann. Und wer der größten und wichtigsten deutschen Medienvertriebe entwickelt. die Musik auf dem mp3-Player braucht, landet bei classicsonline.com, Er beliefert von Kirchheim aus buchstäblich den Rest der Welt mit dem weltgrößten Downloadportal für klassische Musik. Wer steckt klassischer Musik – wenn alles so weiter geht, wohl auch noch die dahinter? Klaus Heymann natürlich! Rainer Aschemeier nächsten 25 Jahre! Obwohl dieser inzwischen Mitte 70 ist, leitet er noch immer die AUSGABE 2012 /2

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Unabhängigkeitserklärung Rudolf Innig präsentiert Orgelwerke von Horatio Parker

Fotos: © MDG

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uch über hundert Jahre nach der Unabhängigkeit orientierten sich nordamerikanische Komponisten nach wie vor an den großen europäischen Vorbildern. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts begann sich eine eigene amerikanische Musiksprache herauszubilden. Einen Grundstein legte Horatio Parker, der seine Schüler, darunter Charles Ives, Schritt für Schritt von Europa emanzipierte. Parkers Stellung „zwischen den Welten“ macht Rudolf Innig mit dieser hochwillkommenen Aufnahme deutlich. Horatio Parker wurde 1863 in Massachusetts geboren – und war kein Wunderkind. Erst mit 14 Jahren erkannte seine Mutter – Organistin an der vom Vater (als Architekt) gebauten Stadtkirche von Auburndale – seine enorme musikalische Begabung. 1882 kam Parker nach München zu Josef Rheinberger in die Lehre. Der 19jährige überragte seine Mitschüler sehr bald als Komponist und Virtuose: nicht ohne Grund wird Rheinberger dem Hochbegabten die Uraufführung seines Orgelkonzerts anvertraut haben. Zurückgekehrt nach Amerika, sammelte Parker an der berühmten Yale Universität talentierte junge Komponisten um sich, während seine eigenen Kompositionen das Publikum weltweit begeisterten: als erster Amerikaner wurde er in Cambridge mit der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet. In einer Zeit, in der in Europa die Abkehr von der Tonalität voranschreitet, geht Parker unbeirrt einen eigenen Weg – und seine Werke erreichen überwältigende Ausdrucksdimensionen. Seine Orgelsonate weist in ihrer Anlage weit über Rheinbergers Vorbild hinaus. Hochexpressive Dramatik wird mit schalkhaftem Witz kontrapunktiert; gleichzeitig zeugen motivische Zusammenhänge von grandioser kompositorischen Meisterschaft. Rudolf Innig hat ein Faible für hoch- und spätromantische Orgel-

musik auch abseits des breiten Mainstream und eröffnet mit dieser Entdeckung erneut großartige Aussichten auf ein kaum bekanntes Feld. Seine Einspielungen sämtlicher Orgelwerke von Josef Rheinberger und Felix Nowowiejski sind Meilensteine der Interpretationsgeschichte. Mit der Kuhn-Orgel im Dom zu Osnabrück steht ihm ein ausgezeichnetes modernes Instrument in bester Akustik zur Verfügung, das, aufgeteilt in Hauptwerk und drei schwellbaren Werken einschließlich einiger Hochdruckregister im Turmwerk bei perfekter Spielbarkeit, Parkers Klangvorstellung in idealer Weise entspricht. Das Booklet listet taktgenau die Registerfarben auf, so dass selbst für Organologen keine weiteren Fragen offen bleiben. Chapeau! Klaus Friedrich

Horatio Parker Sonate es-Moll op. 65 Orgelwerke op. 66 und 68 Rudolf Innig Kuhn-Orgel, Dom Osnabrück MDG 317 1741-2

Weitere Einspielungen: Felix Nowowiejski Konzerte für Orgel solo Vol. 1 Konzerte op. 56, 1 + 2 Orgelstücke op. 9 Einzug in den Dom op. 8, 3 Rudolf Innig, Sauer-Orgel, Bremer Dom MDG 317 1591-2

Josef Rheinberger Sämtliche Orgelwerke Vol. 12 Sonate Nr. 19 op. 193 Sonate Nr. 20 op. 196 Singmesse etc. Rudolf Innig, Kuhn-Orgel Stadtkirche St. Anton, Zürich MDG 317 0902-2

www.rudolf-innig.de

Franz Lachner Sämtliche Orgelwerke Sonaten op. 175-177, Präludien und Fugen Rudolf Innig, Walcker-Orgel Ilmenau MDG 317 1487-2

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„Ich brenne für Schumann“ Florian Uhligs Schumann-Edition bei hänssler CLASSIC

Foto: Friedrun Reinhold

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ngepasstes Auftreten war nie Florian Uhligs Ding. Der 1974 in Düsseldorf geborene Pianist hat immer ein Augenzwinkern für Denkschablonen übrig, liebt das Exzentrische und hört nicht auf Traditionelles gegen den Strich zu bürsten. Seinen ersten Klavierabend gab er bereits mit zwölf Jahren, studiert hat er in London am Royal College und an der Royal Academy u.a. bei Peter Feuchtwanger, einem Schüler von Edwin Fischer und Walter Gieseking. Die stärkste Inspiration nennt Florian Uhlig die Begegnung mit dem legendären Bariton Hermann Prey, dessen letzter Klavierbegleiter er gewesen war. Vor zwei Jahren kündigte der junge Musiker den Beginn eines ambitionierten Projektes an: Die erste Gesamtaufnahme der Klavierwerke zu zwei Händen von Robert Schumann. Florian Uhlig bezeichnet sich als „Schumannomane“, „ich brenne für Schumann, er liegt mir immens am Herzen“ sagte er in einem Interview. Mit Schumanns Œuvre ist er sehr vertraut, denn seit einigen Jahren arbeitet Uhlig eng mit dem renommierten Schumann-Forscher Dr. Joachim Draheim zusammen. Letzterer hat einige der Werke entdeckt und /oder ediert, seine detailreichen Booklettexte erhellen biografische und musikgeschichtliche Hintergründe der jeweiligen Werkgruppe. Immer wieder sind Versuche unternommen worden, Robert Schumanns Klavierwerk auf Tonträgern festzuhalten. Bisher gibt es keine komplette Einspielung des Gesamtwerks, auch wenn die wenigen vorhandenen diesen Titel tragen. Die auf 15 CDs angelegte Gesamtaufnahme durch Florian Uhlig versucht erstmals, mit thematisch sinnvoll konzipierten CDs – z.B. „Schumann und die Sonate“, „Der junge Virtuose“, „Schumann in Wien“ – alle originalen Klavierwerke zwischen 1830 („Abegg-Variationen“ op. 1) und 1854 („Geister-Variationen“) zu präsentieren. Mehrere CDs werden auch neue bzw. vorher noch nie auf LP oder CD veröffentlichte Stücke vorstellen. Einbezogen werden Zweitfassungen bzw. „Neue Ausgaben“ (um 1850) mit teils substantiellen Abweichungen ebenso wie unveröffentlichte Stücke sowie ergänzte Fragmente. Die erste CD der Reihe stellt die Sonate f-Moll op. 14 vor, die ursprünglich 5 Sätze hatte, von denen jedoch zwei Scherzi von Schumann vor der Drucklegung entfernt wurden. Unter dem Namen „Concert sans orchestre“ wurde das Stück dann veröffentlicht. Schumann hat jedoch verschiedene fertige Teile hinterlassen, die für die Sonate f-Moll vorgesehen waren, darunter das „Prestissimo possibile“, als erste Version des Finales der ursprünglichen Fassung und die Romanze in f-Moll, die erst 2009 aufgefunden wurden und hier zum ersten Mal auf CD erklingen. Die Besonderheit der zweiten CD, die den Titel „Schumann – Der junge Virtuose“ trägt, ist die Erstaufnahme der Frühfassung der Toccata op. 7, eines der schwierigsten Klavierstücke überhaupt. Die CD-Reihe ist nun bei Folge 3 angelangt. Vorgestellt werden Schumanns „Charakterstücke“, die er zumeist Anfang der 1830er Jahre komponierte. Einige der nie zum Druck gelangten Werke werden hier als Ersteinspielungen präsentiert. Mit einer Weltersteinspielung überrascht Florian Uhlig auch auf seiner CD mit AUSGABE 2012 / 2

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Schumanns Gesamtwerk für Klavier und Orchester. Eingespielt mit der Deutschen Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern unter der Leitung von Christoph Poppen erklingen hier u.a. die Abegg-Variationen, Schumanns op. 1, ein Stück, das der Komponist auch für Klavier und Orchester eingerichtet hat, etwa in demselben Stil, wie es Chopin bei den Variationen über „La ci darem la mano“ gemacht hat. Diese Schumann-Edition bleibt spannend, wie ein Krimi. So viel sei jetzt schon verraten: Im Oktober erscheint die nächste Aufnahme und diesmal dreht sich alles um „Schumann in Wien“. Claudia Schmidt

Robert Schumann (1810-1856) Sämtliche Werke für Klavier solo, Vol. 3, Charakterstücke I hänssler CLASSIC 98.646

Robert Schumann (1810-1856) Sämtliche Werke für Klavier solo, Vol. 2, Der junge Virtuose hänssler CLASSIC 98.632

Robert Schumann (1810-1856) Sämtliche Werke für Klavier solo, Vol. 1, Schumann und die Sonate hänssler CLASSIC 98.603

Florian Uhlig

Robert Schumann (1810-1856) Sämtliche Werke f. Klavier u. Orchester Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern, Dirigent: Christoph Poppen SWRmusic / hänssler CLASSIC 93.264


Fotos: Wouter Jansen

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Rachel Podger und Channel Classics:

Glücklich miteinander und mit Vivaldi

Antonio Vivaldi La Cetra, op.9 (12 Violinkonzerte) Rachel Podger; Holland Baroque Society CCS 33412 ( 2 SACDs)

Foto: Jonas Sacks

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n der Waalse Kerk (Wallonische Kirche) an einer der Amsterdamer Grachten sind an einem schönen Wintertag die englische Barockviolistin Rachel Podger und die Holland Baroque Society gelandet. Sie spielen dort den Zyklus von Violinkonzerten ein, dem Vivaldi den Titel „La Cetra“ gab und der mit dieser Aufführung quasi nach Hause zurückkehrt. Denn schließlich veröffentlichte der Amsterdamer Notendrucker Charles Le Cène 1727 die Sammlung der zwölf Konzerte. In dieser Stadt gab es damals die besten Notenverlage. Viele Komponisten wandten sich deshalb dorthin. Channel Classics nahm die ersten sechs Konzerte von „La Cetra“ bereits im vergangen Jahr auf. Für die übrigen sechs wurden drei Tage geplant. Das ist recht knapp, gibt Rachel Podger zu. Wenngleich Vivaldi kein Komponist ist, der die Psyche übermäßig erschöpft, so besteht ein jedes dieser sechs Konzerte doch aus drei Sätzen, und zu jedem dieser Sätze muss der Musiker doch wieder umschalten.

Die Waalse Kerk ist bei den Produzenten sehr beliebt. Jared Sacks entschlüpft daher auch ein Seufzer der Erleichterung, wenn er sie für ein paar Tage belegen kann. Er lobt die angenehme Akustik: “Ich brauche hier niemals Schall hinzuzufügen”, sagt er. „Alles ist schon da.“ Rachel Podger stimmt zu: „Man hat hier wirklich das Gefühl, in der Akustik zu spielen. Kurze Noten werden nicht gleich abgehackt. Gerade für Barockmusik mit ihrer scharfen Artikulation ist das ideal.“ Die zwölf Violinkonzerte von „La Cetra“ sind das letzte Hauptwerk des venezianischen Komponisten, der Konzerte so schrieb, wie ein anderer sein Tagebuch füllt. Seine Kompositionen aber tragen nichtsdestoweniger die Frische einer ununterbrochenen Inspiration. Unter diesen zwölf

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Stücken gibt es ein herausragendes Doppelkonzert, in dem die bekannte englische Geigerin mit Konzertmeisterin der Holland Baroque Society Judith Steenbrink zusammen spielt. Rachel Podger ist glücklich mit Channel Classics. Die Zusammenarbeit mit Jared Sacks sei so hervorragend, sagt sie, dass es keine Pläne zu einem anderen Label gäbe. Zu ihren ersten Projekten gehörte ein anderer Vivaldi: der Zyklus „La Stravaganza“ mit dem Ensemble Arte dei Suonatori, aufgenommen in einer kleinen polnischen Barockkirche. Während der Aufnahme bekommt die Musik die nicht erbetene Mitwirkung eines Glockenspiels aus der Nähe, so dass dem italienischen Barockkomponisten mitten im Rausch von Sechzehntelnoten ein „Halt“ zugerufen wird. Die Musiker machen eine Pause, lassen das muntere Glockenspiel des Kirchturmes zu Ende spielen und gehen dann wieder an die Arbeit. Podger schwingt ihren Bogen mit neuer Energie zur Holland Baroque Society hinüber, und der Schwung ist wieder da. Gleich darauf merken wir, dass eine VivaldiSolopartie, so selbstverständlich sie auch klingen mag, gefährlich sein kann, selbst bei einer der besten Barockgeigerinnen unserer Zeit. Dann verzieht Rachel Podger den Mund, ihr rechtes Bein macht etwas, was wie Stampfen wirkt, und ihre zarte Gestalt nimmt die Haltung eines Skispringers an, der in Startstellung geht. Optisch scheinbar ein Gewaltakt, doch musikalisch geht nichts verloren, Rachel Podger ist in ihrem Element und zieht die Holland Baroque Society mühelos mit. Aad van der Ven


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Karibisches Feuer – Starke Glut

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motionale Extreme, mitreißende Rhythmen, atemberaubende Virtuosität: Seine karibische Heimat funkelt aus allen Takten der Musik von Joaquín Clerch. Dass der kubanische Gitarrist, der von den Senioren des berühmten Buena Vista Social Club respektvoll mit „Maestro“ angeredet wurde, seine kompositorischen Vorbilder in Bach, Beethoven und Brahms sieht, lässt ihn diese Herkunft keineswegs verleugnen. Selten finden kulturelle Gegensätze eine so überzeugende Symbiose wie im „Concierto de Cáceres“ und „Concierto de Otoño“. Das sind zwei Werke, die das virtuose Repertoire für Flöte und Gitarre mit Orchester aufs Klangschönste erweitern. Mit „El dolór“, „Der Schmerz“, ist der erste Satz des Gitarrenkonzerts überschrieben. Hochexpressive Harmonien wechseln mit packenden Rhythmen, großes Pathos im Orchester beantwortet die einsame Klage der Gitarre. Zum Weinen schön, wie am Ende des zweiten Satzes die Sologeige in die Gitarrenkadenz einsteigt,

bevor das Konzert mit der „Verkündigung der Freude“, einem fulminanten Kehraus, in ausgelassenem Jahrmarktsjubel ausklingt! Clerch, der als Gitarrist alle großen Wettbewerbe gewonnen hat, hat sich den vertrackten Solopart natürlich selbst auf die Finger geschrieben… Für seine langjährige Duopartnerin Anette Maiburg hat Clerch ein Flötenwww.thomasgabrisch.com www.anettemaiburg.de konzert maßgeschneidert. Weit ausschwingende Bögen, perlende Läufe, extreme Lagen: Der Kompo- kulturelle Grenzen mit spielerischer Leichtigkeit nist weiß um die unübertroffene Meisterschaft überwindet. seiner Solistin, die mit Bravour und opulentem Das Orquesta de Cámera de La Habana hat Ton den anspruchsvollen Flötenpart meistert. den Rhythmus im Blut. Unter der einfühlsamen Überraschende Anklänge an Afrika machen aus Leitung von Thomas Gabrisch umschmeicheln dem „Concierto de Otoño“ ein Meisterwerk, das die jungen Kubaner die Flötistin, setzen pointierte Akzente der Gitarre entgegen und finden im funkelnden Klang der dreidimensionalen 2+2+2 Aufnahme dieser SACD doch immer wieder mit den Solisten zu einem ebenso feurigen wie glutvollen Miteinander. Stark. Lisa Eranos

www.joaquinclerch.com „Clerchs Musik mit dem Orquesta de Cámara de La Habana aufzunehmen war eine aufregende und intensive Erfahrung. Mit diesem hoch motivierten und fähigen jungen Orchester, das technisches Können ebenso wie unverwechselbares kubanisches Temperament einbrachte, war es eine Freude, diese beiden erstklassigen Solisten mit dem Thomas Gabrisch raffiniert instrumentierten Orchesterpart zu begleiten.“

Joaquín Clerch: Konzert für Flöte und Orchester Konzert für Gitarre und Orchester Anette Maiburg, Flöte Joaquín Clerch, Gitarre Orquesta de Cámara de la Habana Thomas Gabrisch, Dirigent MDG 903 1742-6

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Foto: © FotoSchiko

Das kubanische Kammerorchester mit Thomas Gabrisch veröffentlicht seine erste SACD mit zwei Ersteinspielungen von Joaquín Clerch


NAXOS – Eine Erfolgsge Die NAXOS Jubiläums-Edition Zum 25. Jubiläum präsentiert NAXOS eine Sonderedition mit neun Themen-Boxen. Auf jeweils zehn CDs findet der Hörer sorgfältig zusammengestellte Aufnahmen der berühmtesten und populärsten Kompositionen des NAXOS-Repertoires – künstBerühmte Oper 10 CD | 8.501054

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Stimmungsbild mit Laptop

Theo Wubbolts Chef-Redakteur Hifi Video Test, „das führende Niederländische Magazin – erst 40 Jahre jung!...“ und neben einer gehörigen Portion Humor auch absolut von Klassik begeistert.

Klassik aus dem Stecker… Theo Wubbolts berichtet von der High-End

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Fotos: Theo Wubbolts

ls großer Klassik-Musikliebhaber und regelmäßiger Konzertbesucher bin ich überzeugt, dass es nie zuvor solche Möglichkeiten für hochqualitative Wiedergabe zu Hause gab wie heute. Auf der High-End-Ausstellung in München, Anfang Mai diesen Jahres, habe ich als Fachbesucher feststellen können, dass es in vielen Hörräumen fast konzertartige Vorführungen gab, wie man sie sich auch zu Hause wünscht. Plattenfirmen stellen das Beste derzeit an Aufnahmequalität existierende Material zur Verfügung. Dazu entwickeln die Gerätehersteller benutzerfreundliche Bedienungsmöglichkeiten – so einfach wie ein Kinderspiel. Ob mit traditioneller CD-Scheibe, der mehrkanalfähigen SuperAudio-CD oder modernsten Dateibeständen. Von Stereo bis Surround mit bis zu acht Kanälen, die

auch die dritte Dimension real erfahrbar werden lassen. Alles in hochauflösenden Formaten mit feinsten Details, wobei nur das Hüsteln des Publikums fehlt… Gehören Sie auch zu denjenigen, die einfach gute Musik gut hören wollen? Möchten Sie trotzdem genauer wissen, was ich mit dem bisher Gesagten meine? – Bitte, folgen Sie mir bei einem Blick ins digitale Zeitalter, das ja schon längst begonnen hat. Wie schon bekannt, war die Compact Disc, – übrigens eine Entwicklung schon aus dem vorigen Jahrhundert (genauer 1982) – ein richtig digitales Format. Aufnahmen wurden analog – vom Mikrophon ins Mischpult geleitet und dann umgewandelt in ein digitales Dateiformat und im sogenannten PCM (Pulse Code Modulation) gespeichert. Technisch gesehen können 78:30 Minuten Musik (16-Bit und

I N G O S C H M I D T- L U C A S : ist Diplom-Toningenieur und hat neben seinem Klassiklabel Cybele Records das Downloadportal „HD-Klassik“ gegründet: „ Ich finde es sehr spannend: Mittlerweile verfügen die neuesten HiFi-Verstärker alle über einen Eingang für USB-Stick und können neben 24bit-FLAC-Dateien sogar hochauflösende DSD-Dateien (1bit 2.8224MHz) in Stereo abspielen. Genau da setzen wir mit unserem Portal an. Als Beispiel möchte ich nur den Pioneer N-50 nennen, den man nicht nur als Netzwerk-Player mit NAS-Festplatte betreiben kann, sondern alternativ auch an seinem Mac oder PC. Somit ist er eine hochwertige Schnittstelle zur HiFi-Anlage und steht schon zur Verfügung. Ich bin sehr gespannt, wie viele Hardware-Hersteller auf der diesjährigen IFA in Berlin mit weiteren mehrkanalfähigen Abspielgeräten aufwarten werden.“ Pioneer Network Audio Player N-50 S

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44,1 kHz) auf den 12 Zentimeter großen Scheiben gespeichert werden. Im CD-Spieler wird es mit bestimmter Genauigkeit wieder in ein analoges Signal umgewandelt und dem Verstärker angeboten. In sofern nicht viel Neues unter der Sonne. Längst gibt es neue Scheiben: Der CD folgte die DVD-Audio und die SA-CD: Beide können nicht nur Stereo, sondern bis zu sechs Tonkanäle in weitaus besserer Qualität (24-Bit und 96kHz) speichern und zu Hause wiedergeben. Dass man hierbei nicht bei der 5.1 – Filmtonwiedergabe stehen bleiben muss, zeigte MDG mit der Entwicklung des 2+2+2 Recording, bei dem 2 Höhenkanäle tatsächlich die dritte Dimension ins Spiel bringen. Und wie praktisch: Die SA-CD in ihrer Hybrid-Form kann dabei weiterhin wie eine CD benutzt werden. Heute steht die Blu-ray zur Verfügung, die nicht nur hervorragend feinst strukturierte Bilder, sondern auch MehrkanalTon mit bis zu 8 Kanälen wiedergeben kann. Aber wovon reden die ‘Digitalos’ heutzutage? FLAC? DSD? Und was ist überhaupt ‘Streaming’? Und wofür brauche ich einen Rechner und ein Netzwerk? Lassen Sie es mich einfach erklären.


Profil

Edition Günter

Hänssler

NEUHEITEN Was aber wirklich neu ist: Mit HD-Klassik ist ein professionell aufgestelltes neues Portal auf der High-End vorgestellt worden, auf dem High-EndAufnahmen erstmals in einer Qualität von bis zu 8 Wiedergabekanälen angeboten werden. Ich habe hier schon erste Aufnahmen von Cantate, Cybele Records, Divox, Kairos, MDG, Musicaphon und Wergo gefunden. Alle in Mehrkanalversion angeboten. Und noch eine Novität: Hier können Sie selber ihr Programm zusammenstellen und auf einen USB-Stick laden lassen. Dieser USBStick kann heutzutage in einem dazu vorbereiteten Verstärker, Fernseher oder Blu-raySpieler gesteckt werden, und die Musik läßt sich abhören, so wie, wo und wann Sie wollen. Das Grandiose: In beiden Fälle erhalten Sie das originale Format, quasi direkt vom Mischpult, also in einer Qualität, die bisher nur den Tonmeistern selbst vorbehalten war (in PCM 24-Bit – zu Gunsten bester Dynamik – und in 96kHz zur Gunsten größter Präzision). Die Daten werden in sogenannten FLAC (Free Lossless Audio Codec) angeboten – was für Sie soviel bedeutet wie: ohne jeden Klangverlust. Auch DSD-Liebhaber kommen hier ins Blickfeld. Dieses Format – von Sony/Philips speziell für die SA-CD entwickelt – stand noch nicht für Endverbraucher zum download zur Verfügung. Falls eine Aufnahme ursprünglich in diesem Format gemacht wurde, ist es natürlich von Vorteil, wenn sie ohne Umrechnung auf ein anderes Format zu Hause benutzt werden kann. Hiermit komme ich zurück zum Anfang dieses Artikel. Ob ‘Traurigkeit oder Herzeleid’ über das vertraute Format CD oder SACD, die es beide noch sehr lange geben wird. Aber die Entwicklung ist nicht zu stoppen. Immer mehr Hersteller werden immer mehr Geräte auf den Markt bringen, die diese hohe Qualität nicht nur in Stereo abspielen, sondern auch mehrkanalige Aufnahmen zu Gehör bringen können: 5.0-kanalig, 5.1-kanalig, 7.1-kanalig oder in realen 3DFormaten wie 2+2+2-RECORDING. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Genießen Ihrer Lieblingsmusik. Vielleicht in Zukunft noch bequemer, noch reizvoller und noch genauer als je zuvor – und vielleicht aus dem Stecker… Theo Wubbolts

W E R N E R D A B R I N G H A U S : Werner Dabringhaus ist DiplomTonmeister und Miteigentümer des Labels MDG. Er hat das 2+2+2 Recording entwickelt, bei dem 2 nach oben gesetzte Frontlautsprecher aus der flächigen 2D Stereo- und Surroundperspektive eine reale 3D-Wiedergabe erzeugen. „Seit der ersten Einführung der DVD-Audio bzw. der SA-CD haben wir über 100 Aufnahmen im 2+2+2 Recording veröffentlicht. Das war problemlos möglich, da alle 2+2+2 Aufnahmen auch in 5.1, 5.0., Quadro und Stereo abspielbar sind. Für uns ist HD-Klassik eine grandiose Chance nun unsere Aufnahmen sogar im 2222+ Format anzubieten.“

Mit dem Internet öffnet sich eine richtige Fundgrube an Musik welche wir nie zuvor für möglich gehalten haben. Selbstverständlich können CDs, SA-CDs und Blu-rays bei einem Versandhändler wie in traditioneller Art und Weise im Warenkorb bestellt werden. Das kann ganz praktisch sein. Aber, jetzt kommt ein neuer Begriff ins Spiel: digital download. Hinter einem Portal (zu deutsch: Tür) stecken riesige Kataloge von Verlegern klassischer Musik, die durch einfaches Klicken auf die eigene Computerfestplatte geladen werden können. Das existiert schon von verschiedenen Klassikanbietern. Dazu brauchen Sie eine Festplatte, sei es im Mac oder PCFormat, oder eingebunden im Netzwerk, NAS genannt. Mit einem einzigen USB-Kabel geht’s dann zum Verstärker.

HD-Klassik-Stick

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NEU FERDINAND LEITNER . Zum 100. Geburtstag Anniversary Edition JOHANNES BRAHMS - Variationen für Orchester op. 56 ERMANNO WOLF-FERRARI - Der Schmuck der Madonna JOSEPH HAYDN - Symphonien Nr. 6, 7, 8 WOLFGANG AMADEUS MOZART - Symphonie C Dur KV 200/KV 189k, Symphonie D Dur KV 385 „Haffner“, Der Schauspieldirektor KV 486 Violinkonzert Nr. 5 KV 219, Konzert für Klavier und Orchester Nr. 23 in A Dur KV 488 MAX BRUCH - Violinkonzert Nr. 1 LUDWIG VAN BEETHOVEN - Romancen Nr. 1 & 2 PETER CORNELIUS - Der Barbier von Bagdad RICHARD WAGNER - Parsifal, GEORG FRIEDRICH HÄNDEL - Tamerlano Marth Mödl, Wolfgang Windgassen, Helen Donath, Wolfgang Schneiderhan, Monique Haas, Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Württembergisches Staatsorchester Stuttgart, Berliner Philharmoniker, Wiener Symphoniker, Bamberger Symphoniker, WDR Rundfunkchor Köln, WDR Sinfonieorchester Köln, Chor der Württembergischen Staatsoper Stuttgart, Orchestre de l´Opéra de Paris, Cappella Coloniensis

12 CD: PH12019

NEU PETER TSCHAIKOWSKY Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 op. 23 MODEST MUSSORGSKY Bilder einer Ausstellung (Maurice Ravel) NDR Sinfonieorchester, Jorge Bolet - Klavier, Günter Wand

CD: PH09029

NEU CARL MARIA VON WEBER . Der Freischütz Semperoper Edition Vol. 5 (Komplette Aufnahme aus dem Jahr 1951) Karl Paul, Werner Faulhaber, Elfride Trötschel, Irma Beilke, Kurt Böhme, Bernd Aldenhoff, Chor der Staatsoper Dresden, Staatskapelle Dresden, Rudolf Kempe

3 CD: PH10032

Erhältlich im Fachhandel! Profil

Edition Günter

Hänssler

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Klaus Heymann hatte 1987 die Vision, mit NAXOS möglichst vielen interessierten

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verfügbar zu machen. Wir gratulieren zu 25 Jahren eindrücklicher, flexibler Umsetzung der Ausgangsvision und

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freuen uns, dass NAXOS unsere Vertriebsheimat ist. Wir danken dem NAXOS-Gründer Klaus Heymann und seinem hervorragenden Team für die www.twopianists.com

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CLASS a k t u e l l

Neue Facette Das Musikkollegium Winterthur mit einer neuen Strauss - Einspielung

Lebensende. Am Ende scheint die Musik stillzustehen; voller Zuversicht auf Erlösung öffnet sich dann das Paradies – das ist ergreifend gelungen. Die Schauspielmusik zu Molières „Der Bürger als Edelmann“ ist Strauss´ erste Zusammenarbeit mit Hugo von Hofmannsthal, der das barocke französische Lustspiel bearbeitete. Die Komödie um den reichen Emporkömmling, der die adligen Vorbilder auf täppische Weise zu imitieren versucht, illustriert Strauss mit Schalk und Witz. Der Tonfall der Musik lässt immer wieder barocke Stilelemente aufblitzen und schlägt damit eine Brücke von der Zeit Molières zum Fin de Siècle. Das Werk existiert in vier gänzlich verschiedenen Versionen, die Strauss alle unter derselben Opuszahl 60 veröffentlichte. Die genial in geradezu kammermusikalischer Besetzung instrumentierte Suite op. 60(!) ist dem Schweizer Traditionsorchester wie auf den Leib geschrieben. Kein Wunder, denn mit Winterthur verband Richard Strauss eine lebenslange Freundschaft. Der Komponist besuchte immer wieder die Stadt und führte selbst seine Werke mit dem Musikkollegium auf, darunter die „Alpensinfonie“ und „Don Quixote“ – noch heute werden Originalmanuskripte in Winterthur verwahrt und – wie hier hörbar – mit lebendiger Tradition fortgeführt. Lisa Eranos

www.lisalarsson.info

Foto: Andrea Diglas

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as Musikkollegium Winterthur hat in den letzten Jahren bei MDG eine beeindruckende Edition mit sorgfältig im 2+2+2-Mehrkanalklang produzierten Aufnahmen herausgegeben. Unter der Leitung von Douglas Boyd wird die Diskographie jetzt um eine neue Facette bereichert, mit Richard Strauss´ Orchestersuite „Der Bürger als Edelmann“ und den „Vier letzten Liedern“ – ein feines Programm und eine Traumpartie für Lisa Larsson. Lisa Larsson begann ihre Karriere als Flötistin, bevor sie in Basel Gesang studierte. Kein Wunder, dass sie mit ihrer wendigen und pointierten Stimme eine hervorragende Karriere gerade im

Bereich Barockmusik und Klassik starten konnte, die sie auf internationale Festivals ebenso führte, wie an die großen Opernhäuser. Wenn sie sich jetzt an Strauss Vier letzte Lieder „wagt“, dann dürfen wir bestimmt eine gänzlich andere, als die gewohnte Sichtweise erwarten. Und tatsächlich legt Strauss den etablierten schwülstig-üppig vibrierenden Wagner-Sound ab, und die Strausssche Sinnlichkeit wird aus einer völlig anderen – etwas schlichteren Perspektive neu erfahrbar. Man höre nur mal „Im Abendrot“ auf einen Text von Eichendorff: Hier transzendiert Strauss die Stimmung des Sonnenuntergangs zu einer grandiosen Metapher auf das

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Richard Strauss Der Bürger als Edelmann op. 60 Vier letzte Lieder; Wiegenlied op. 41,1 Zueignung op. 10,1; Morgen! op. 27, 4 Lisa Larsson, Sopran Musikkollegium Winterthur Douglas Boyd, Leitung MDG 901 1738-6 (Hybrid-SACD)


WERGO

P¯eteris Vasks: Vox Amoris

ˇ Ivan Zenat´ y – Benda ist interessanter als Vivaldi

einer der größten Kenner der barocken Violinliteratur ist, und dem Cembalisten Ludger Rémy, der von Bendas Musik begeistert war und mir wertvolle Ratschläge im Hinblick auf Ornamentik und Artikulation gab.

Franz Benda: Violinkonzerte ˇ Ivan Zenat y,´ Prague Phlharmonia Supraphon SU 4064

In Prag haben Sie mit den Musikern der Prager Kammerphilharmonie Violinkonzerte von Franz Benda eingespielt. Warum haben Sie sich gerade diesem Komponisten zugewendet? Das Projekt wurde von der Firma Supraphon in Auftrag gegeben, die tschechische Titel bevorzugt. Mich hat aber nicht interessiert, ohne Rücksicht auf die Qualität einfach etwas einzuspielen, nur weil es tschechisch ist. Paradoxerweise habe ich gerade in diesem Augenblick in der Landesbibliothek Dresden die Partituren zu vier Konzerten von Franz Benda gefunden, die vermutlich in der neuzeitlichen Geschichte noch niemand bearbeitet und gespielt hat. Als ich mich durch die nicht spartierte Musik kämpfte, konnte ich feststellen, wie bemerkenswert diese ist und dass sie sich in einen starken Kontrast zu den postromantischen Interpretationen der böhmischen Tradition des 18. Jahrhunderts stellen lässt.

Mussten Sie im Prozess der Vorbereitung auch musikwissenschaftlich tätig sein? Diesen Ehrgeiz hatte und habe ich nicht. Natürlich musste ich einen Weg zu Bendas Kompositionen finden. Zum Glück hatte ich in zwei meiner Dresdner Kollegen hervorragende Konsultanten: in John Holloway, der

Worin ist Bendas Musik bemerkenswert? Sie erinnerte mich an die besten Passagen bei Antonio Vivaldi. In technischer Hinsicht gibt es dort Dinge, die die schwierigsten Stellen in den Quattro Stagioni noch übertreffen und sich wirklich mit jeder Technik dieser Zeit messen können. Die Konzerte haben wir in der kleinsten möglichen Besetzung eingespielt, d. h. mit einem Instrument pro Stimme, und einen großen Anteil am Gesamtklang kommt dem Cembalo zu, dessen Part sehr wichtig ist. Jeder spielte für sich selbst und die Kollegen trugen auch ihre Anregungen vor. Zur Konzertform gehört auch die Kadenz. Wie sieht es damit bei Benda aus? Mit Prof. Rémy habe ich natürlich auch dieses Thema diskutiert, weil ich mir die Kadenzen schreiben oder zumindest einen Plan entwickeln musste, wie diese zu improvisieren sind. Er sagte mir, dass die Kadenz zwei oder drei Phrasen nicht überschreiten und harmonisch bis extravagant gestaltet sein sollte, was sowohl der Zeit als auch dem Komponisten entspricht. Wie sieht das weitere Schicksal von Bendas Violinkonzerten aus? Was mich betrifft, so habe ich beschlossen, es nicht bei der Einspielung zu belassen, sondern sie auch öffentlich anzubieten und zu spielen – hoffentlich bereits 2013.

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Autor des Interviews: Luboˇs Stehlík

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WER 67502 (CD)

Solovioline und Streichorchester – Peteris ¯ Vasks Lieblingsbesetzung steht im Mittelpunkt der Stücke dieser CD. Seine Musik führt hier durch sehr gegensätzliche emotionale Zustände: Klänge der Zerrissenheit und Expressivität folgen auf Passagen schwelgerischer Schönheit. Alle hier versammelten Werke bezeugen laut Vasks diese Polarität zwischen optimistischer Hoffnung auf eine bessere Zukunft und Sorge um die moderne Welt.

Foto © Felix Broede

Foto: Tomáˇs Lébr

ˇ Der Violinist Ivan Zenat y´ hat für Supraphon vier Konzerte von Franz Benda eingespielt, die jetzt erschienen sind

„Von Alina Pogostkina kann man ohnehin nur schwärmen: So jung, so glänzend, so musikalisch, perfekt und zugleich natürlich.“ (Süddeutsche Zeitung)

Vox Amoris Werke für Violine und Streichorchester Alina Pogostkina: Violine / Sinfonietta Riga / Juha Kangas: Dirigent Vertriebe: Deutschland: note 1 music gmbh, 06221/ 720351, info@note1-music.com Österreich: Lotus Records, 06272/ 73175, office@lotusrecords.at Schweiz: Tudor, 044/ 4052646, info@tudor.ch Fordern Sie bitte unseren Katalog an! WERGO, Weihergarten 5, 55116 Mainz, Germany service@wergo.de, www.wergo.de


Alexander Vassiliev

Foto links: Kay Blaschke; rechts: Günter Komnick

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Sophie Harmsen

Up de eensame Hallig Sophie Harmsen und Alexander Vassiliev entdecken das Liedwerk von Rudi Stephan

Foto: © Stadtarchiv Worms

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m Alter von 28 Jahren fiel Rudi Stephan im 1. Weltkrieg. Der junge Mann hatte sich bereits einen Namen als Komponist gemacht, und wie der Krieg auf grausame Art das Fin de Siècle beendet, so entrümpeln Stephans Kompositionen die Musik der Jahrhundertwende radikal. Sophie Harmsen und Alexander Vassiliev entdecken, begleitet von Miri Yampolsky am Konzertflügel und Ryoko Morooka am Harmonium, einen bislang völlig unbekannten Kosmos tief bewegender Liedkompositionen. Stephan war eigentlich Autodidakt, wird aber durchaus an Richard Strauss und Hans Pfitzner gemessen. Er komponierte sehr selbständig, und schon die Titel lassen aufmerken:

Rudi Stephan

Rudi Stephan: „Memento vivere“ Sämtliche Lieder mit Epigraph und Epilog Sophie Harmsen, Mezzosopran Alexander Vassiliev, Bass Miri Yampolsky, Klavier Ryoko Morooka, Harmonium MDG 603 1748-2

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Anstelle überkommener Gattungsbegriffe („Sinfonie“ oder „Sonate“) oder assoziativer Namen heißen seine Instrumentalwerke einfach „Musik für...“. Dass es dabei keineswegs asketisch zugeht, belegen seine Lieder eindrucksvoll. Durchaus zeittypisch sind Tod und Vergänglichkeit vorherrschende Themen, die mit sparsamen Mitteln und dennoch hochexpressiv und bisweilen schaurig schön umgesetzt werden. Tatsächlich lässt „Up de eensame Hallig“ dem Zuhörer kalte Schauer den Rücken herunter laufen! Durchaus hintergründig erinnert „Memento vivere“ zunächst an die Vergänglichkeit, erhält aber eine lebensbejahende Pointe; das „Pantherlied“ extrovertiert die extremen Seelenzustände der Liebenden, während Richard Dehmels „Sonntag“ in nur wenigen Takten die schier unglaubliche Wandlung vom heiter idyllischen Sonntagsspaziergang zum Lebensende schafft. „Mitternacht“ erzeugt durch die Begleitung mit Harmonium eine ganz besondere aparte Atmosphäre. Fast der gesamte Nachlass ist im 2. Weltkrieg verbrannt, lediglich diese 20 Lieder sind erhalten geblieben und bilden einen wichtigen Teil des Gesamtschaffens. Der hervorragende Steinway-Flügel Baujahr 1901 und das historische Konzertharmonium legen ein Fundament, auf dem die beiden Sänger eine enorme Palette an Ausdrucksmöglichkeiten entfalten können. Was für eine besondere Klangwelt! Was für eine Entdeckung! Lisa Eranos


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Stürmer, Genießer, Poet Hardy Rittner mit Chopin Etüden auf historischem Terrain

Foto: Stephan Reising

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ie gelten als Gipfelpunkt pianistischer im Gegensatz dazu die gewaltigen OktavkasVirtuosität. Welche zupackende Drama- kaden in op. 25/10. Und wer das Instrument tik und welcher poetische Zauber jen- wirklich mit geöffnetem Deckel wahrnehmen seits aller Fingerfertigkeit in Frédéric möchte, dem sei unbedingt die 2+2+2-WiederChopins Etüden steckt, belegt Hardy Rittner gabe empfohlen! Ein Glücksfall: Hardy Rittner ist auf histoeindrucksvoll in seiner neuesten Einspielung. Technisch souverän und mit untrüglichem Ge- rischem Instrumentarium ebenso selbstverspür für feinste Nuancen verwandelt er das ge- ständlich zu Hause wie auf jedem modernen fürchtete Virtuosenfutter in eine Sammlung be- Konzertflügel. Der mehrfache Echo-Preisträger rührender und mitreißender Charakterstücke. sorgt immer wieder mit seinen Interpretationen Und das sogar im Super-Audio-Klangkolorit für Furore, sei es mit seiner Brahms-Edition eines original erhaltenen Conrad-Graf-Flügels. oder seiner Schönberg-Einspielung auf historischen Instrumenten oder zuletzt mit dem d-MollWann ist das jemals gewagt worden? Die Spanne ist groß: Von der extrovertierten Klavierkonzert von Johannes Brahms auf einem Klaus Friedrich Dramatik der berühmten „Revolutionsetüde“ Erard-Flügel. über die spielerische Leichtigkeit von op. 10/8 zur groß angestimmten Klage in op. 25/7 reicht Chopins Ausdruckspalette. Besonders beeindruckend und mit fantastisch perlender Leichtigkeit gemeistert: die gefürchteten Terzenkaskaden in op. 25/6. Hochwillkommen auch die nachgelassenen „Trois Nouvelles Etudes“, die mit ihren vertrackten rhythmischen und modulatorischen Abgründen neben ihren ungleich berühmteren Schwestern hier eine längst überfällige Ehrenrettung erfahren. „Am besten geht´s mir, wenn ich mich auf dem wundervollen Graf´schen Piano sattgespielt habe“, schreibt Chopin an seine Familie. Der mit 2,44 m beeindruckende Flügel aus der Sammlung Edwin Beunk ist um 1835 in der Werkstatt Conrad Graf entstanden. Seine dynamische Bandbreite ist schier unglaublich: Man höre nur einmal die geheimnisvolle Farbe durch Einsatz des Doppelmodewww.hardyrittner.de ratorpedals in op. 25/2 und AUSGABE 2012 / 2

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Frédéric Chopin Etüden op. 10 und op. 25 Trois Nouvelles Études Hardy Rittner Conrad Graf Flügel (ca.1835) MDG 904 1747-6 (Hybrid-SACD)

Weitere Einspielungen: Johannes Brahms: Klavierwerke Volume 1: op. 2, 9, 10 (Streicher 1851) MDG 904 1494-6 (Hybrid-SACD)

Volume 2: op. 1 und 5 (Bösendorfer 1850) MDG 904 1538-6 (Hybrid-SACD)

Volume 3: op. 116-119 (Schweighofer 1877) MDG 904 1680-6 (Hybrid-SACD)

Johannes Brahms: Klavierkonzert op. 15 l’arte del mondo Werner Ehrhardt (Erard 1854) MDG 904 1699-6 (Hybrid-SACD)

Arnold Schönberg: Klavierwerke (Streicher 1870, Steinway 1901) MDG 904 1593-6 (Hybrid-SACD)


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Die Gebrüder Grimm

Engelbert Humperdinck Hänsel und Gretel Solisten; Orchester des Züricher Opernhaus, Franz Welser-Möst

Es war einmal…

Arthaus 101536 (DVD Video)

Vom Volksmärchen zur musikalischen Vorlage. Die Erfolgsgeschichte der Märchen der Gebrüder Grimm.

S Engelbert Humperdinck Hänsel und Gretel A. Kirchschlager, D. Damrau, Th. Allen Orchestra of the Royal Opera House Sir Colin Davis Opus Arte OA1011D (DVD Video)

Engelbert Humperdinck Hänsel und Gretel I. Springer, G. Schröter, P. Schreier, Th. Adam Dresdner Staatskapelle, Otmar Suitner Berlin Classics 0092932BC

icherlich ahnten die Gebrüder Grimm nicht, Ein anderer Teil der Grimm-Märchen entsprang der welchen Siegeszug ihre „Kinder und Haus- eigenen Fantasie der Brüder. Drei Jahre später erschien 1815 der zweite Band der Märchensammlung, doch märchen“ antreten würden, als sie vor 200 Jahren, am 20. Dezember 1812, den ersten Teil beide Bände verkauften sich nur sehr schleppend, ihrer Märchensammlung veröffentlichten. Um 1803 was zu Unstimmigkeiten mit dem Verleger Reimer trafen Jacob und Wilhelm Grimm auf die Roman- führte. Erst mit der überarbeiteten Neuauflage von tiker Clemens von Brentano und Achim von Armin, 1819 begann der unaufhaltsame Erfolgskurs der die in ihnen das Interesse für alte Hausmärchen Grimm-Märchen, was wohl Jahre später Adelheid weckten. Daraufhin begannen sie im Raum Kassel, in Wette, Engelbert Humperdincks Schwester, zu einem Märchenspiel für den häusihrem bürgerlich-hugenotlichen Gebrauch inspiriert tisch geprägten Umfeld, die haben mag. Sie bat ihren bislang nur mündlich überBruder um die Vertonung lieferten Erzählungen zueiniger Textpassagen aus sammen zu tragen. Maßdem Märchen „Hänsel und geblichen Anteil an dieser Gretel“. Nach dem diese in langwierigen Aufgabe hatte der Familie großen Anklang Dorothea Viehmann, eine gefunden hatte, entschloss ortsansässige Märchenersich Humperdinck daraus zählerin. Eine weitere Inspiein Singspiel, im weiteren ration war der Franzose Verlauf sogar eine Oper zu Charles Perrault, der schon machen. Schon die Uraufdie Märchen von Giovanni führung des Werkes wurde Francesco Straparola und ein großer Erfolg und noch vor allem Giambattista Basile heute ist „Hänsel und Gretel“ zusammengetragen hatte. Dorothea Viehmann

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Gioacchino Rossini La Cenerentola J.M. Lo Monaco, M. Mironov R. de Candia, E. Pidò, N. Ulivieri Dynamic CDS33662 (DVD Video)

eine der am häufigsten aufgeführten Opern. Mit Fug und Recht lässt sich behaupten, dass es sich um die bekannteste Märchenoper handelt. Eine weitere bekannte Vorlage entstammt ursprünglich Giambattista Basile, ist aber, wenn auch in inhaltlich abgewandelter Form, in der Märchensammlung der Gebrüder Grimm zu finden und gelangte durch sie zur endgültigen Berühmtheit. Gioacchino Rossini schuf nach dem Vorbild Aschenputtels, wohl eine seiner berühmtesten Bühnenwerke: „La Cenerentola“. Am 25. Januar 1817 wurde das Werk – eine Opera buffa – mit großem Erfolg erstmalig uraufgeführt und eroberte daraufhin im Sturm die Opernbühnen. Doch nicht nur Rossini war von dem Stoff um das arme Aschenputtel angetan. Einige Jahrzehnte später, im

Jahre 1899, kreierte Massenet seine Oper „Cendrillon“ anhand derselben literarischen Vorlage. Noch heute ist die Oper in Frankreich ein Renner. In Deutschland konnte sich das Werk, hier erstmalig 1967 in Darmstadt aufgeführt, nicht durchsetzen. Eine modernere Variante lieferte Sergej Prokofieff mit seinem Ballett „Soluscha“ oder auch „Cinderella“ genannt, das am 21. November 1954 im Bolschoi-Theater uraufgeführt wurde. Das Ballett folgt im Gegensatz zu den anderen Vertonungen der moderneren Version der Gebrüder Grimm und nicht der ursprünglichen Vorlage Giambattista Basiles. Zusammen mit „Romeo und Julia“ gehört das Ballett zu Prokofieffs wichtigsten Ballettkompositionen und folgt in seinem Aufbau dem klassischen Handlungsballett.

Jules Massenet Cendrillon Hong Kong Philharmonic Orchestra Kenneth Jean Naxos 8555986

Sergej Prokofieff Cinderella Margot Fonteyn Sadler’s Wells Royal Ballett VAI 4296 (DVD Video)

Sergej Prokofieff Cinderella-Suiten 1-3 Ukrainian State Symphony Orchestra Theodore Kuchar Engelbert Humperdinck

Jules Massenet

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Gioachino Rossini

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Naxos 855096869


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Johann Strauss (Sohn) Aschenbrödel E. Petters, M. Halász, G. Hatala Euroarts 2055928 (DVD Video)

Peter Iljitsch Tschaikowsky

Peter Tschaikowsky Dornröschen Royal Philharmonic Orchestra Barry Wordsworth RPO RPOSP030 (2 CDs)

Peter Tschaikowsky Dornröschen Rudolf Nureyev, Opera National De Paris

Auch Johann Strauß Sohn hatte sich schon vorher in Form einer Ballettvertonung an demselben Stoff versucht. Bis zu seinem Tode arbeitete er an dem Ballett, hinterließ sein „Aschenputtel“ jedoch unvollendet. Josef Bayer ergänzte das Werk auf Grund der von Strauß hinterlassenen Fragmente und brachte das Ballett zur Bühnenreife. Am 2. Mai 1901 fand die Uraufführung im Königlichen Opernhaus in Anwesenheit von Kaiser Wilhelm II. statt, Berühmtheit erlangte es jedoch nicht. Zu Weltruhm gelangte jedoch Tschaikowskys Ballettvertonung „Dornröschen“. Ähnlich wie bei Aschenputtel basiert das Märchen zum großen Teil auf Charles Perraults Erzählversion „La belle au bois dormant“ von 1696. Tschaikowsky erschuf das Ballett in enger Zusammenarbeit mit dem

Choreographen Marius Petipa und brachte es im Januar 1890 in St. Peterburg zur Premiere. Seit dem bezaubert das Werk sein Publikum in aller Welt. Eine Dornröschen-Vertonung der anderen Art erschuf Ottorino Respighi. In der Zeit von 1921 bis 1933 komponierte er „La bella dormente nel bosco“, eine Märchenoper in drei Akten. Er adressierte sein Werk ausdrücklich an die kleinen Zuschauer, in dem er es mit einem Puppenensemble besetzte. Auch Engelbert Humperdinck erschuf eine Vertonung des Märchenklassikers. Allerdings wurde das Stück nach dessen Uraufführung im Jahre 1902 nicht positiv von den Kritikern aufgenommen und als „Virtuosenstück für den Dekorationsmaler und Theatertechniker “ bezeichnet. Genauso wie „Der Wolf und die sieben Geißlein“ und auch „Schneewittchen“, zwei weiteren Märchenvertonungen Humperdincks, fand das Werk bis heute nur wenig Beachtung. Auch anderen Komponisten ereilte dasselbe Schicksal. Zu erwähnen seien hierbei Siegfried Wagners „Der Bärenhäuter“, Rheinbergers „Die sieben Raben“, „Rotkäppchen“ von Boieldieu und auch Dittersdorf, sowie Xavier Montsalvatges und Cesare Cuis „Gestiefelter Kater“, um nur einige Beispiele zu nennen. Besser erging es da dem Märchen „Von dem Machandelboom (Vom Wacholderbaum)“ – einer in Plattdeutsch verfassten Erzählung mit Gänsehaut- und Gruselgarantie – in der ein Vater unwissentlich, den von der Stiefmutter ermordeten und zur Suppe verkochten, Sohn verspeist. Philip Glass hatte sich im Jahre 1984 zusammen mit Robert Moran des Stoffes angenommen und die zweiaktige, minimalistische Oper „The Juniper Tree“ für Kammerorchester, kleinen Chor und Solisten erschaffen. Anders als es der düstere Inhalt erwarten lässt, ist die Musik klangvoll und melodisch, auch im Hinblick auf das – gottlob – glückliche Ende am Schluss. Auch Rolf Riehm verarbeitete den Stoff in seinem Hörstück „Machandelboom“. Im Gegensatz

Arthaus 107021 (DVD Video)

Ottorino Resphigi La Bella Dormente Nel Bosco Solisten, Adriano, Rozehnal The Slovak Radio Symphony Orchestra

Philip Glass & Robert Moran The Juniper Tree R. Pittmann The Juniper Tree Opera Orchestra

Rolf Riehm Machandelboom Ch. Anders, K. Franke, H. Goebbels A. Harth, K. Riehm, R. Riehm

Jacques Offenbach Ritter Blaubart K.F. Voigtmann, H. Nocker, A. Schlemm

Marco Polo 8223742

Orange Mountain Music OMM 0057

Cybele SACD 960501 (SACD Hybrid)

Arthaus 101293 (DVD Video)

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Bela Bartok Herzog Blaubarts Burg Budapest Festival Orchestra Ivan Fischer Channel Classics CCS 90311 (SACD Hybrid)

Paul Dukas Arianne et Bart-Bleue Marilyn Schmiege, Roderick Kennedy Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester Gary Bertini Capriccio C7112 (2 CDs)

zu Philip Glass setzte er in seinem Werk auf Motive im Volkston, Freejazz, Zwölftonmusik und Zitaten aus der Pop-Musik, die sich beim Zuhörer zu einem surrealen Mosaik zusammensetzen. Ein weiteres schauriges Märchen, das es zu musikalischem Weltruhm schaffte, ist „Blaubart“. Das Werk war Bestandteil der Erstausgabe der Grimmschen Märchensammlung. In den späteren Ausgaben der „Kinder und Hausmärchen“ taucht es allerdings nicht mehr auf, da es von den Gebrüdern selber wieder entfernt wurde. Später nahm Ludwig Bechstein das Thema um den frauenmordenden Ritter in seinem Märchenbuch von 1945 auf, daneben existieren noch heute viele weitere Varianten der Erzählung. Gleich mehrere Komponisten nahmen sich des Stoffs an, zu Bekanntheit gelangten Bela Bartoks „Ritter Blaubarts Burg“ und „Arianne et Bart-Bleue“ von Paul Dukas. Eine komische Annäherung an das Märchen wagte Jacques Offenbach mit seiner Operette „Blaubart“. Im Gegensatz zu seinen anderen Operetten erlangte das Werk jedoch nie die große Bekanntheit. Auch Carl Orff fand in der Märchensammlung der Gebrüder Grimm die Vorlage für zwei seiner Werke. „Der Mond“ entstand zwischen 1936 und 1938 und wurde zu Orffs Bühneneinstieg. Basierend auf dem gleichnamigen Märchen übernahm Orff große Teile der literarischen Vorlage und erweiterte sie mit eigenen Zudichtungen und Umgewichtungen, ohne dabei die

ursprüngliche Substanz des Märchens zu verändern. Basierend auf dem Märchen „Die kluge Bauerntochter“ schrieb Carl Orff nicht nur die Musik, sondern auch das Libretto und gab seinem Märchenspiel den Namen „Die Kluge“. Er ergänzte Sprichwörter, die er Karl Simrocks „Deutsche Sprichwörter“ von 1846 entlehnte und welche dem Werk seinen einzigarten Sprachstil verleihen. Von seiner ursprünglichen Idee, das Werk mit „Der Mond“ zu verbinden, kam er allerdings wieder ab. Neben „Carmina Burana“ gehört „Die Kluge“ auch zum Hauptwerk Carl Orffs. Heute, nach 200 Jahren, sind die Märchen der Gebrüder nicht mehr aus unserem geistigen Schatz wegzudenken. Zusammen mit Luthers Bibel gehören sie zu den weltweit verbreitetsten Büchern unserer Kultur. Zu Recht sind die noch heute erhaltenen Kasseler Handexemplare im Jahre 2005 von der Unesco zum Weltdokumenterbe erklärt worden und werden im Kasseler Grimm Museum verwahrt. Auch die Musikgeschichte wäre ärmer ohne die berühmte Märchensammlung und hätte auf einige wichtige Werke verzichten müssen. Bleibt zu hoffen, dass noch viele Komponisten der Gegenwart und Zukunft sie als Inspirationsquelle zu nutzen wissen. Hans i. Glück

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Carl Orff: Der Mond Reiner Süß, Eberhard Büchner Rundfunk Sinfonie Orchester Leipzig Herbert Kegel Berlin Classics 0094312BC

Carl Orff: Die Kluge Reiner Süß, Eberhard Büchner Rundfunk Sinfonie Orchester Leipzig Herbert Kegel Berlin Classics 0094322BC

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CLASS Katalog Service MDG – Musikproduktion Dabringhaus und Grimm – veröffentlicht seit 34 Jahren seltenes Repertoire in außergewöhnlicher Interpretation und audiophiler Klangqualität. Hörvergnügen garantiert! Mit Christian Zacharias, Frank Bungarten, Elisabeth Leonskaja, Steffen Schleiermacher, Adam Fischer, Roman Kofman, Consortium Classicum, Ma'alot Bläserquintett, Hardy Rittner, Siegbert Rampe, Claudius Tanski, Trio Parnassus, Musica Alta Ripa, Leipziger Streichquartett, Ensemble Villa Musica, Wiener Klaviertrio, Mozart Piano Quartet … www.mdg.de NAXOS – Mit einem Repertoire von 125.000 Tracks auf über 7.000 CDs ist Naxos weltweit Marktführer auf dem Gebiet der Klassischen Musik, und der Katalog des Labels wird ständig erweitert. Spannende, vielfach preisgekrönte Aufnahmen aus Klassik, Jazz, New Age und Hörbuch machen Naxos zu einer Fundgrube auch für Entdecker unbekannten Repertoires. www.naxos.de

CATALOGUE 2012

CELEBRATING

25 YEARS

OF CLASSICAL MUSIC

Photo courtesy of Allegro Films

CLASS KATALOG SERVICE Bitte senden Sie mir den aktuellen Katalog von: ( bitte ankreuzen)

MDG

NAXOS

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AUSGABE 2012 /2

(www.bielekat.de)


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Im Blickpunkt

Orchester und Konzert

Johannes Brahms Sinfonien Nr. 2 + 3 sinfonieorchester Aachen Marcus Bosch, Leitung Coviello Classics COV 31206

„Noch nichts Weltschmerzlicheres“ als seine zweite Sinfonie habe man bisher gehört, schrieb Johannes Brahms gleich in mehreren Briefen im Sommer 1877, kurz nach ihrer Vollendung – heute wirkt das erstaunlich, gilt die Zweite doch als die heiter-pastorale unter seinen vier Werken dieser im 19. Jahrhundert so bedeutungsschweren Gattung. Brahms wollte offenbar verhindern, dass die Sinfonie auf das Klischee der beschaulichen Idylle reduziert werden könnte, indem er den dramatischen Aspekt betonte. Doch auch wenn der Komponist es selbst nicht hören mochte, bleibt die heitere Gelassenheit als Wesenszug dieses Werks unverkennbar.

Heiterkeit, Melancholie und Konzentration Offensichtlich ist dagegen der melancholische Grundton in der dritten Sinfonie, in der Brahms nochmals eine Verdichtung seiner hochkonzentrierten Musiksprache erreicht. Aber auch hier ist nichts simpel und eindimensional: so wenig wie die Zweite nur harmlose Pastorale ist, ist die Dritte nur schwermütige Trauermusik. Bei Brahms lohnt es sich eben – auch wenn seine Sinfonien sattsam bekannt scheinen – immer wieder genau hinzuhören. Marcus Bosch und „sein“ sinfonieorchester Aachen bieten in ihrer Neueinspielung die ganze Palette der Emotionen und setzen einmal mehr Akzente gegen ideenlose Interpretations-Routine.

Richard Strauss: Konzert für Oboe und Orchester; Nikos Skalkottas: Concertino für Oboe und Orchester; Kalevi Aho: Inventions and Postlude Yeon-Hee Kwak, Oboe David Pia, Violoncello Münchner Rundfunkorchester Johannes Goritzki, Dirigent MDG 903 1598-6 (Hybrid-SACD)

Schon einmal präsentierte die in München lebende Ausnahmeoboistin mit den Konzerten von Martinu und Dorati eine Katalograrität. Nun folgt ein weiteres Album, mit dem Yeon-Hee Kwak drei Komponisten des 20. Jahrhunderts ihre Referenz erweist. Zusammen mit dem Orchester des Bayerischen Rundfunks unter Johannes Goritzki spielt sie in einer taufrischen Neuaufnahme das StraussOboenkonzert, ein lichtes Werk voller Luftigkeit und Witz, dem die düsteren und ungewissen Umstände des Jahres 1945 nicht anzumerken sind.

Burlesker Witz Eine Entdeckung ist die Ersteinspielung der Orchesterfassung des Concertino für Oboe und Orchester von Nikos Skalkottas. Erst allmählich wird die außergewöhnliche Qualität eines außergewöhnlichen Komponisten bekannt, den die pure Not 1933 aus Berlin zurück in seine griechische Heimat Athen vertrieb. Ausglassene Spielfreude und burlesken Witz verbindet der Schönberg-Schüler in seinem Concertino mit folkloristischer Rhythmik, atemberaubende Kaskaden folgen auf innige Stimmungen – ein fesselndes Erlebnis, und ein Paradestück für die Solistin, die einmal mehr ihre außerordentlichen Fähigkeiten präsentieren kann. Ein wahres Juwel hat Yeon-Hee Kwak mit den Inventionen von Kalevi Aho aufgespürt: Gemeinsam mit ihrem Cello-Partner David Pia macht sie sich auf die Reise durch einen gewaltigen Kosmos. In feinster SACD-Technik produziert und dem MDG-typischen 2+2+2 Recording aufgenommen, eröffnen sich dem Zuhörer Klangwelten von berückender Intensität – ein audiophiles Ereignis der Extraklasse. AUSGABE 2012 /2

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Édouard Lalo (1823-1892) Concerto russe für Violine und Orchester, op. 29 Romance-Sérénade für Violine und Orchester Fantaisie-ballet für Violine und Orchester Guitare für Violine und Orchester, op. 28 Klavierkonzert Jean-Jacques Kantorow, Violine Pierre-Alain Volondat, Klavier Tapiola Sinfonietta, Kees Bakels BIS-SACD-1890

Zwei der hier eingespielten Werke sind dem großen Violinvirtuosen Pablo de Sarasate gewidmet: Das kurze Fantaisieballet und das umfangreiche Concerto russe. Das letztgenannte viersätzige Werk basiert auf Themen aus zwei Hochzeitsliedern, die Rimsky-Korsakow in seiner Sammlung „100 russische Volkslieder“ veröffentlicht hatte. Das beschließende Klavierkonzert war Lalos letzte größere Arbeit, 1888 entstanden.

Mit zweierlei Maß Anders als in den Violinkonzerten wird das Soloinstrument hier in den Orchestersatz verwoben. So bietet sich dem Solisten nur wenig Raum, zu brillieren (das Werk enthält nicht einmal eine Kadenz). Das mag der Grund sein, warum sich das Konzert auf Programmzetteln kaum einmal findet und auch diese Einspielung eine Rarität darstellt. Dabei hatte Laolo noch 1879 an Sarasate geschrieben: „Wenn man einen Solisten auf eine Bühne stellt, muss man ihm die Hauptrolle geben und ihn nicht als bloßes Orchesterinstrument behandeln. Wenn die Gattung Solokonzert einem Komponisten nicht zusagt, soll er Symphonien oder irgendetwas anders für Orchester allein schreiben.“


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Im Blickpunkt

Orchester und Konzert

Sergei Rachmaninow (1873-1943) Klavierkonzert Nr. 1 fis-Moll op. 1 Klavierkonzert Nr. 4 g-Moll op. 40 Rhapsodie auf ein Thema von Paganini op. 43 Noriko Ogawa, Klavier Malmö Symphonieorchester Owain Arwel Hughes BIS-CD-975

Die einzigartige Kombination russischer Melancholie, gepaart mit urbaner Eleganz, eingängiger Melodik und reicher Harmonik in seinem 2. und 3. Klavierkonzert machten Rachmaninow sowohl als Pianist wie als Komponist berühmt. Weniger bekannt sind dagegen die zwei Klavierkonzerte, die diese berühmten einrahmen. Das erste Konzert schrieb Rachmaninow noch als Student am Moskauer Konservatorium. Erst nach umfangreichen Revisionen 1917, kurz bevor der Komponist als Folge der Oktoberrevolution ins Exil ging, gelangte es zu einiger Wertschätzung. 1926 veröffentlichte er das umfangreiche 4. Klavierkonzert. Das Publikum erwartete natürlich ein Werk, das den beiden vorangegangenen entsprach. Das war nicht der Fall, und so wurde die Uraufführung kein Erfolg. 1941 brachte Rachmaninow eine gründlich überarbeitete Version, die weit besser aufgenommen wurde. Die 1934 entstandene, umfangreiche Paganini-Rhapsodie gehört dagegen von der Uraufführung an zu den äußerst erfolgreichen Werken.

Schlußspurt mit Feuerwerk

Carlo Tessarini (1690-1767) 12 Violinkonzerte op. 1 Marco Pedrona, Violine Ensemble Guidantus Indésens CAL1207 (Ersteinspielung)

Das italienische Solokonzert für Violine und Streicher erfreute sich in der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts enormer Popularität in ganz Europa, nicht zuletzt dank der weiten Verbreitung der Werke Vivaldis. Einer seiner talentiertesten Zeitgenossen war Carlo Tessarini, dessen inspirierte und inspirierende Violinkonzerte op. 1 hier erstmals vorgestellt werden. Tessarini wurde 1720 als Geiger der Cappella an San Marco in Venedig engagiert. 1723 wurde er Konzertmeister am Ospedale dei Poveri Derelitti, eine ganz ähnliche Position, wie Vivaldi sie innehatte.

Inspirierender Kollege International bekannt wurde er durch den damals berühmten deutschen Geiger Pisendel, der Tessarinis Konzerte für sich entdeckte und Kopien mit nach Dresden nahm. Vom Dresdner Hof aus traten die Werke dann ihren Siegeszug durch Europa an. Schon bald wurde die Sammlung op. 1 in Amsterdam gedruckt, und Walsh übernahm diese Edition nach London. 1731 wechselte Tessarini an die Kathedrale in Urbino. Er unternahm ausgedehnte internationale Konzertreisen. Später übersiedelte er in die Niederlande, wo er 1767 auch starb.

Und das ist kein Wunder, denn was Rachmaninow in seinen 24 Variationen dem berühmten a-moll-Thema des Capriccio op. 1 Nr. 24 aus der Feder des „Teufelsgeigers“ Niccolò Paganini entlockt, ist schlechterdings ein atemberaubendes Feuerwerk.

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Dmitri Schostakowitsch (1906-1975) Symphonien 1-3: Symphonie Nr. 1 f-Moll op. 10 Symphonie Nr. 2 B-Dur op. 14 Symphonie Nr. 3 Es-Dur op. 20 Netherlands Radio Choir Netherlands Radio Philharmonic Orchestra, Mark Wigglesworth BIS-SACD-1603

Alle drei Symphonien entstanden noch vor dem 23. Geburtstag des Komponisten. Die 1. Symphonie war sogar das Prüfungsstück, das er zum Abschluss seines Studiums am Leningrader Konservatorium einreichte. Das Werk wurde sofort ein großer Erfolg und dank Aufführungen durch Walter, Toscanini und Klemperer weltweit bekannt. Die Sowjetunion hatte ihren ersten internationalen Star gefunden, und die Kehrseite der Medaille war, dass ab sofort ein immenser öffentlich-politischer Druck auf Schostakowitsch lastete.

Politische Musik? Man merkt dies den beiden folgenden Symphonien denn auch an; schon die Kompositionsanlässe waren politischer Natur: die 2. Smyphonie entstand zur Feier des 10. Jahrestags der Oktoberrevolution, und die 3. mit dem Untertitel „Der 1. Mai“ wurde für den Arbeiterfeiertag geschrieben. Beide enden mit einem Chorfinale mit entsprechenden politischen Texten. Und doch galten die Partituren den politischen Autoritäten als zu experimentell und trugen wenig zur Reputation des Komponisten bei. Ein langer und schwieriger Weg hatte für Dmitri Schostakowitsch seinen Anfang genommen.

AUSGABE 2012 /2

Franz Schubert (1797-1828) Opernouvertüren: Der Teufel als Hydraulicus Der Spiegelritter Des Teufels Lustschloss Der vierjährige Posten Cladine von Villa Bella Die Freunde von Salamanka Die Zwillingsbrüder Alfonso und Estrella Die Verschworenen Fierabras Haydn Sinfonietta Wien Manfred Huss BIS-CD-1862

Obwohl sich Schuberts Lieder, seine Symphonien und seine Kammermusik auf CDs geradezu stapeln und in Konzerthäusern zum stehenden Repertoire gehören, sind seine Bühnenmusiken so gut wie unbekannt geblieben. Dabei begann er schon im zarten Alter von 13 Jahren für die Bühne zu schreiben, ermutigt von Antonio Salieri. Und mit dem Singspiel „Die Zwillingsbrüder“ hatte er auch gleich einen beachtlichen Erfolg. Später hatte er mit seinen Bühnenwerken allerdings weniger Glück; die meisten erlebten ihre Uraufführung erst lange nach dem Tod ihres Schöpfers und sind bis heute Raritäten auf den Spielplänen geblieben. Das mag allerdings auch an den oft doch sehr zeitbezogenen Darstellungen der Sujets dieser Opern liegen, die sich nur schwer in die Erkenntniswelt unserer Tage übertragen lassen.

Schubert mal anders Die Aufnahme durch die Haydn Sinfonietta macht sehr schön deutlich, wie sehr sich Schuberts Tonsprache in den Ouvertüren zu seinen Opern von seiner bekannten und geliebten symphonischen Schreibweise unterscheidet.


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Im Blickpunkt

Kammermusik

Johann Christian Bach Carl Friedrich Abel Sonaten für Viola da Gamba Thomas Fritzsch, Viola da Gamba Shalev Ad-El, Pianoforte/Cembalo

Fagott & Klavier: Werke von Bozza, Bitsch, Boutry, Dubois, Françaix, Bernaud, Saint-Saëns & Tansman Rodion Tolmachev, Fagott Midori Kitagawa, Klavier

Coviello Classics COV 21205

MDG 603 1728-2

Sie waren ein glamouröses Künstlerduo im London des 18. Jahrhunderts: Carl Friedrich Abel und sein Freund und Geschäftspartner Johann Christian Bach, jüngster Sohn Johann Sebastians, sorgten über 20 Jahre lang für Aufsehen in der schon damals verwöhnten Hauptstadt des British Empire. Bach und Abel veranstalteten Konzerte als selbständige Unternehmer und waren damit sehr erfolgreich: sie verkehrten in den besten Kreisen und setzten erhebliche Summen um; am Ende besaßen sie sogar einen eigenen Konzertsaal. Um den regelmäßig zu bespielen, musste natürlich musikalische Top-Qualität geboten werden, und die konnten Bach und Abel zum Glück selbst produzieren: trotz ihres aufreibenden KonzertmanagerLebens waren sie kompositorisch absolut auf der Höhe der Zeit. Abels Lieblingsinstrument war die Viola da gamba, die er virtuos wie kein Zweiter beherrschte – für dieses Instrument haben beide zahlreiche Werke geschrieben.

Sein nasal-kantabler Ton, sein sonorer Klang und die oftmals koboldige Raffinesse machen das Fagott offenbar zum Lieblingsinstrument der französischen Komponisten. Im 19. und 20. Jahrhundert entwickelt sich die Technik des Instruments rasant; zusätzliche Klappen erlauben eine Vergrösserung des Tonumfangs und erleichterten das chromatische Spiel. Nie gehörte Ausdruckswelten eröffnen sich, und die Komponisten machen davon regen Gebrauch – nicht zuletzt deswegen gehören die hier von Rodion Tolmachev eingespielten Werke heute in jedes Wettbewerbsprogramm.

Welt-Ersteinspielung verschollener Schätze Thomas Fritzsch, als Cello- und Gambenspezialist mit der Musikpraxis des 18. Jahrhunderts bestens vertraut, und sein Klavierpartner Shalev Ad-El präsentieren einen authentischen Einblick in das Repertoire der damaligen Londoner Konzerte, zu dem auch die Ersteinspielung zweier jahrhundertelang verschollener Bach-Sonaten gehört.

Raffinesse Aberwitzige Läufe, dazu packende Rhythmen prägen „Nocturne - Danse“ von Eugène Bozza; „Hallucinations“ von Alain Bernaud deuten bereits im Titel die extremen Ausdrucksbereiche an, die uns erwarten und Pièrre-Max Dubois erlaubt uns mit seiner „Sonatine-Tango“ einen Ausflug ins Schwül-Dekadente. Jean Françaix´ „Pétit Divertissement Militaire“ paart intelligenten Spielwitz mit einer gehörigen Prise Groteske, und die „Interférences“ von Roger Boutry fordern die gesamte Palette der instrumentalen Klappentechnik. Die Sonaten von Camille Saint-Saëns und Alexandre Tansman sind heute Klassiker des Genres, und im berühmten Concertino von Marcel Bitch finden wir eine wahre Perle französischer Kammermusik – zum Träumen. „Ritardando ist meine einzige Ausdrucksmöglichkeit“, klagte einst ein berühmter Kollege. Dass es auch anders geht, beweist Rodion Tolmachev, der bereits mit 22 Jahren Solofagottist am berühmten Mariinsky-Theater in St. Petersburg wurde, auf seiner Debüt-CD. Expressive Tongebung und atemberaubende Virtuosität kennzeichnen sein Spiel, dabei mit Geschmack und Raffinesse am Konzertflügel unterstützt von Midori Kitagawa.

AUSGABE 2012 /2

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Im Blickpunkt

Kammermusik

Josef Merk (1795-1852) 20 Etüden für Violoncello solo, op. 11 (hrsg. von Martin Rummel) Martin Rummel, Violoncello Musicaphon M56887

Der Wiener Cellist Merk ist einer jener Musiker, die mit großen Ereignissen, Komponisten oder Werken der Musikgeschichte assoziiert sind, ohne dass die Nachwelt davon Notiz genommen hätte. Nach seiner Ausbildung wurde Merk 1821 Professor am Wiener Konservatorium; eine Stelle, die er bis 1848 innehatte. 1836 wurde er „kaiserlicher Kammervirtuos“ und bereiste neben all diesen Tätigkeiten ganz Europa. Josef Merk war zu jener Zeit ein Liebling des Publikums und sogar des scharfzüngigen Eduard Hanslick: „ […] fleißiger Concertgeber unermüdlich und stets von der Sympathie des Publikums getragen.“ 1829 widmete Frédéric Chopin Josef Merk anlässlich seines WienBesuchs seine Introduction et Polonaise brillante op. 3. Die 20 Etüden op. 11 stammen vermutlich aus den 1820er Jahren und sind mit der Widmung „à son ami François Schubert“ überschrieben. Später um sechs Etüden (op. 20) erweitert, geriet das hier eingespielte op. 11 außerhalb Wiens relativ rasch in Vergessenheit, obwohl darin die klassische Logik des Violoncellospiels nach Jean Louis Duport dokumentiert ist.

Wiederentdeckter Standard

Alte Musik

Jean Françaix (1912-1997) Musik für Holzbläser: Quintett Nr. 1 (1948) Quintett Nr. 2 (1987) Quartett (1933) Divertissement (1947) Bergen Woodwind Quintet

Joseph Haydn Streichquartette Vol. 5 Quartette op. 64 Nr. 3, 4 & 5 Leipziger Streichquartett MDG 307 1723-2

BIS-SACD-2008

Eine Aufnahme zur Feier des 100. Geburtstags von Jean Françaix und zur Feier seiner Musik, von ihm stets geschrieben mit dem Vorsatz „Vergnügen zu bereiten“. Er war ein staunenswertes Talent, gepriesen von Ravel für seine Musikalität und seine Neugier, Nadia Boulanger überraschend mit seiner Kunstfertigkeit. Das erste wichtige Werk seiner Laufbahn war das Concertino für Klavier, das er mit 20 Jahren komponierte, und dies wurde gleich ein großer Erfolg. Sein erstes Kammermusikwerk schrieb er 1933, ein Jahr später, nämlich das Quartett für Holzbläser.

Gute Unterhaltung! Von diesem Werk bis zum über 50 Jahre später vollendeten Quintett Nr. 2 zeigt sich immer wieder sein Witz, seine Leichtigkeit und Transparenz der Tonsprache, das Rhythmusgefühl, die stets überschaubare, schlichte Harmonik und die Konversation zwischen den beteiligten Instrumenten. Es ist daher nicht erstaunlich, dass seine Werke bis heute Lieblinge nicht nur des Publikums, sondern auch der Musiker sind.

Merk ist neben den Studienwerken als Komponist nur gelegentlich in Erscheinung getreten. Nach dem Erscheinen von Lichtgestalten wie David Popper und zahlreichen anderen Starcellisten des endenden 19. Jahrhunderts ist Josef Merk – zu Unrecht – zunehmend in Vergessenheit geraten. Besonders diese 20 Etüden verdienen einen Standardplatz in der Ausbildung eines jeden Cellisten.

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Mit der 5. Folge erreicht die Spurenlese des Leipziger Streichquartetts bei Haydn einen weiteren Höhepunkt: Drei Quartette aus op. 64 stehen auf dem Programm, darunter das berühmte „LerchenQuartett“, das zu den populärsten Werken der Gattung zählt. Komponiert auf dem Höhepunkt seiner Meisterschaft, eröffnet Haydn mit diesen Stücken den Reigen der bedeutenden Spätwerke.

Spaßmacher Nach 30 Jahren im Dienste des Fürsten Nikolaus von Esterházy war Haydn nach dessen Tod plötzlich unabhängig – er siedelte bei gesicherter Pension um nach Wien. In dieser überaus komfortablen Lage entstanden Werke eines Meisters, der niemandem etwas zu beweisen hat. Und doch sorgt Haydn immer wieder für Überraschungen: Was sich im „Lerchen-Quartett“ eindeutig wie das Hauptthema anhört, entpuppt sich bald „nur“ als Begleitfigur des eigentlichen Themas. Ein genialer Schachzug, der Nikolaus sicher gefallen hätte. Die gesangliche Führung dieses Themas in der ersten Violine hat dem Werk den populären Beinamen eingetragen. Längst zählen die Einspielungen des Leipziger Streichquartetts zur Referenzklasse. Historisch informiert, dazu mit der ganzen Bandbreite moderner Ausdrucksmöglichkeiten, gelingt es dem Ensemble immer wieder neue Aspekte im allzu Bekannten zu entdecken.

AUSGABE 2012 /2

London Calling! Händel: Auszüge aus “Amadigi di Gaula”, “Hercules” und “Theodora” Corelli: Concerto grosso D-Dur op. 6,4 Veracini: Sonate A-Dur op. 2,9 Geminiani: Concerto grosso d-Moll (La Follia) Tuva Semmingsen, Mezzosopran Barokksolistene, Bjarte Eike BIS-SACD-1997

Um 1710 war London ein Tummelplatz für italienische (Opern-)Komponisten geworden und so auch ein ideales Umfeld für den jungen Georg Friedrich Händel, der gerade erst seine Studienjahre in Italien hinter sich gebracht hatte. Diese Aufnahme ist ein Porträt des Chamäleons Händel, wie er sich anpasst und wandelt vom frühen italienisch gestylten „Amadigi“, dann englische Reife erreicht in „Hercules“ und schließlich in „Theodora“, seinem letzten Oratorium, zeitbezogene Stilistik kaum noch bemerkbar anwendet. Die Vokalabschnitte werden voneinander getrennt durch bekannte und geschätzte Werke seiner italienischen Zeitgenossen, dargeboten in höchst farbenreichen und dynamischen Interpretationen durch die norwegischen Barokksolistene.

Besser geht’s nicht Star der Einspielung ist aber ohne jede Frage die Mezzosopranistin Tuva Semmingsen, die eine geradezu unglaubliche Fähigkeit zur Stimmfärbung besitzt. Neben souveräner Technik in den teils äußerst diffizilen Koloraturen verblüfft sie mit Klangfarben, die vom schlanken Altus bis zum voluminösen Opernsopran reichen.


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Im Blickpunkt

Klavier

Das Label ACOUSENCE classics präsentiert inzwischen eine ganze Reihe bemerkenswerter Einspielungen mit den Duisburger Philharmonikern unter Jonathan Darlington.

Sinfonie

NEU

mit Anna Malikova, Klavier: Ein traumhaft schönes musikalisches Kleinod!

Johannes Brahms Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 Franz Liszt Les Années de Pelèrinage, Livres I et II Craig Sheppard, Klavier

Robert Schumann Sinfonie Nr. 2 C-Dur op. 61 Sinfonie Nr. 4 d-Moll op. 120 Orchestre de Chambre de Lausanne Christian Zacharias, Leitung

Roméo Records ROM7289

Wieder eine herausragende Interpretation großer Musik durch Sheppard, der sich mit seiner pianistischen Leidenschaft, seiner technischen Brillanz, seiner Ehrfurcht vor dem Werk und der daraus resultierenden interpretatorischen Sorgfalt weltweit einen Namen gemacht hat. Sheppards Interpretation ist alles andere als Selbstdarstellung; stets sieht er sich als Diener, als Vermittler des Komponisten.

Im Dienst des Werkes Der 1947 in Philadelphia geborene Künstler, Preisträger renommierter Wettbewerbe, debütierte 1972 in New York. Er konzertierte mit Serkin und Casals; 1973 übersiedelte er für 20 Jahre nach London. In England unterrichtete er an verschiedenen Konservatorien und Universitäten. 1993 kehrte er in die USA zurück und widmet sich seitdem vor allem seinen Konzerten und CD-Aufnahmen, darunter eine hoch gelobte Aufnahme sämtlicher Klaviersonaten Beethovens.

Anna Malikova Duisburger Philharmoniker Jonathan Darlington

MDG 940 1745-6 (Hybrid-SACD)

Es muss eine Befreiung gewesen sein, denn zu lange dauerte die symphonische Schockstarre nach Beethovens Tod. Hier die Antwort, wenngleich mit einiger Verspätung: Robert Schumann komponierte jahrelang Lieder und Klavierwerke, bis er sich 1841 in einem wahren Schaffensrausch innerhalb kürzester Zeit der Gattung Sinfonie stellte. Und er wies neue Wege und ließ Publikum wie Kritik auf ein goldenes sinfonisches Zeitalter hoffen. „Wer wollte noch an Schumanns Genius zweifeln?“ Bereits die Zeitgenossen erkannten, dass zu der romantischen, bisweilen überschäumenden Erfindungsgabe des jungen Komponisten nun eine klassisch geschulte Meisterschaft der Komposition hinzutrat, die den fantastischen Einfällen überzeugende Form und orchestralen Klang zu geben vermochte.

Geniestreich Christian Zacharias hat bereits mit seiner herausragenden Interpretation der Klavierkonzerte von Robert Schumann vehement neue Türen aufgestoßen. In der schlanken Besetzung und der dramatischen Frische „seines“ Orchestre de Chambre de Lausanne wird die Verwandtschaft des Symphonikers Schumann mit den Klassikern besonders eindrucksvoll erlebbar. Unterstützt durch den Einsatz von Natur- und Ventilhörnern vereint sich klassische Transparenz mit romantischer Sinnlichkeit – ein im Raum füllenden 2+2+2-Recording präsentiertes audiophiles Ereignis der Extraklasse!

ACO-CD 21912

Die verkörpert dabei in besonderer Art und Weise den Grundgedanken der Label-Philosophie von ACOUSENCE. Diese Musikaufnahmen überzeugen neben der musikalischen Güte und der audiophilen Klangqualität vor allem durch die emotionale Kraft und Intensität der Darbietung. Die Spontaneität und die Natürlichkeit einer Live-Aufführung lassen Sie Ihr persönliches „Konzerterlebnis“ erfahren. Eine weitere Auswahl:

Symphonie Nr. 5

ACO-CD 21811

JONATHAN DARLINGTON Duisburger Philharmoniker DEBUSSY La Mer STRAVINSKY Le Sacre

du Printemps

ACO-CD 21710

SUSANNA YOKO

HENKEL

DUISBURGER PHILHARMONIKER

JONATHAN DARLINGTON

TSCHAIKOWSKY

KONZERT FÜR VIOLINE UND ORCHESTER

VAUGHAN WILLIAMS

FANTASIE ÜBER EIN THEMA VON THOMAS TALLIS

ACO-CD 21510

AUSGABE 2012 /2

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Auch erhältlich in hochauflösenden Formaten auf Tonträger (DVD+FLAC192) und per Download. www.acousence.de


QUARTETTE!

CLASS a k t u e l l

Im Blickpunkt

Oper

Arien Rezital

Die junge Weltklasse

„Vivaldi ma non solo“ Antonio Vivaldi: Stabat Mater und Arien aus Orlando Furiosound Farnace sowie Arien von Händel und Bertoni Marita Paparizou, Mezzosopran I Solisti Veneti; Claudio Scimone, Ltg.

Francesco Cavalli (1602-1676) Il Giasone Dumaux, Bradic, Johannsen, Wagner, Adami d’Or, Noldus, Ashwin, Pons Symfonisch Orkest van de Vlaamse Opera Federico Maria Sardelli Regie: Mariame Clément

Art.Nr. 98.645 Mendelssohn Streichquartette op. 12 & 13 Minetti Quartett

NEU

MDG 609 1744-2

Dynamic CDS33663 Erstveröffentlichung auf DVD Auch auf CD und Blu-ray erhältlich

Cavalli, im Hauptberuf zweiter, später erster Organist, schließlich Maestro di cappella an San Marco in Venedig, war der erfolgreichste Opernkomponist Mitte des 17. Jahrhunderts. In der Nachfolge Monteverdis erlebte das noch junge Genre „Oper“ seinen ersten großen Boom und verbreitete sich sehr schnell über ganz Europa. Dies ganz einfach deshalb, weil die europäische Upper Class sich oft genug in Venedig zum Karneval traf – und dort die Oper kennenlernte. Der dreiaktige „Giasone“ (Libretto frei nach der antiken Geschichte von Jason und dem goldenen Vlies von Giacinto Andrea Cicognini) zeigt sehr schön Cavallis Sinn fürs Drama, musikalische Leichtigkeit wie auch einen grotesken Humor, der für die italienische Barockoper ohnehin typisch ist. Cavalli gelang es, aus der Oper eine populäre Unterhaltung zu machen; dies oft in Zusammenarbeit mit seinem Librettisten Giovanni Fausti.

Platz 1 der Charts Art.Nr. 98.644 Schostakowitsch Streichquartette Nr. 3, 4 & 7 Meta 4

Und sein „Giasone“ (dessen Libretto allerdings von Giacinto Andrea Cicognini stammt) wurde sogar zu einer der erfolgreichsten Opern des 17. Jahrhunderts überhaupt. Diese Neuproduktion wurde eingerichtet vom international renommierten Barockspezialisten Federico Maria Sardelli.

25 Jahre Leidenschaft für Klassik! Wir gratulieren unserem Partner Naxos und freuen uns auf weitere erfolgreiche Zusammenarbeit!

Vertrieb Deutschland: NAXOS DEUTSCHLAND GmbH www.naxos.de info@naxos.de

hänsslerCLASSIC im SCM-Verlag GmbH & Co. KG www.haenssler-classic.de classic@haenssler.de

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Liebe, Rache, Trauer, Zorn – schon immer sind es die großen Gefühle, die auf der Bühne das Publikum begeistern. Marita Paparizou, die griechische Mezzosopranistin mit wunderbar ausgeprägtem Talent zur Koloratur, überzeugt in großen Rollen auf den Bühnen weltweit. Mit den I Solisti Veneti stehen ihr für ihr Arienalbum ausgewiesene Experten der Barockoper zur Seite.

Pyrotechnik und Passion Besonders opulent geht es in der Barockzeit zu, extrovertierte Koloraturen treffen auf intim besungenen Schmerz, zwischen Kirche und Oper machten die Komponisten ohnehin keinen Unterschied: beides ist große Leidenschaft. Antonio Vivaldis „Stabat Mater“ ist eine schmerzerfüllte Trauerarie, was für ein Kontrast die temperamentvolle Sturmszene in „Sorge l’irato nembo“ aus „Orlando Furioso“. Noch heute fasziniert es ungemein, wie Händel seine Medea in „Moriró, ma vendicata“ vom herzzerreißenden Todesschmerz zur ungebändigten Rachelust führt. Ferdinando Bertoni war lange Zeit allenfalls der Musikwissenschaft ein Begriff – dabei hat der Venezianer nicht weniger als 70 Opern komponiert. Er war so populär, dass sogar Aufführungen seiner Werke durch Haydn überliefert sind und seine Arie „Addio miei sospiri“ sogar in Glucks Opern unverzichtbar war. „Lebe wohl, mein Seufzen“ – auch er umkleidet diese starken Worte mit halsbrecherischen Koloraturen, die buchstäblich das staunende Publikum in Atemnot bringt und lässt im selben Moment das Blut, eben noch wild in Wallung, in den Adern gefrieren… Marita Paparizous neues Album zeigt die ganze Bandbreite existenzieller Emotionen – und fasziniert.

AUSGABE 2012 /2


Im Blickpunkt

CLASS a k t u e l l

ambitusbarock

Lied

Gottfried Heinrich Stölzel Sonaten für zwei Violinen und B.c. NeoBarock, amb 96 949

Ein Sommertag 32 schwedische romantische Lieder von Erik Gustaf Geijer, Franz Berwald, Adolf Fredrik Lindblad und August Söderman Anne Sofie von Otter, Mezzosopran Bengt Forsberg, Klavier

Ludwig van Beethoven (1770-1827) Klarinettentrios: Trio B-Dur op. 11 Trio Es-Dur op. 38 Trio Ecco(!): Karl Leister, Klarinette Matthias Moosdorf, Cello Olga Gollej, Klavier

BIS-SACD-1867

Musicaphon M56940

Über ein Jahrhundert spannt sich der Bogen dieser Liedauswahl, vom 1783 geborenen Erik Gustaf Geijer bis zum 1878 gestorbenen Adolf Fredrik Lindblad, der auch „schwedischer Schubert“ genannt wurde. In dieser Zeit wurde der Boden bereitet für die großen schwedischen Liedkomponisten der nächsten Generation wie Stenhammar, PetersonBerger und Rangström. Die 32 Lieder, die von Otter und ihr langjähriger Klavierpartner Forsberg hier ausgesucht haben, bieten ein eindrückliches und umfangreiches Bild der Anfänge des romantischen schwedischen Liedes. Diese Lieder entstanden in einer Zeit, in der das häusliche gesellige Musizieren ein Grundpfeiler des schwedischen Musiklebens war.

Nach Vorstellung der Werke von „Beethovens vergessenen Zeigenossen“ Eberl, Ries und Kreutzer (Musicaphon M56927) widmet sich das Trio Ecco(!) nun also den Stücken des Meisters selbst. Die musikalische Verbindung von je einem Tasten-, Blas- und Streichinstrument war ganz offensichtlich seit der Veröffentlichung von Mozarts Kegelstatt-Trio eine Aufgabe, welcher sich die Komponisten in der Folgezeit immer wieder stellen wollten. Hatte Mozart die Begegnung mit dem Klarinettisten Anton Stadler inspiriert, sich der Klarinette in einigen Werken zu widmen, war es bei Beethoven wohl auch eine Musiker-Begegnung. Joseph Beer, Klarinettist der Fürstlich Liechtensteinschen Hofkapelle, gilt als die Person, der wir sein Interesse verdanken. Sein erstes Trio für diese Besetzung, op. 11, hat er später aus praktischen – heute würde man sie kommerziell nennen – Gründen auch noch für herkömmliches Klaviertrio bearbeitet. Die Violine tritt dann an die Stelle der Klarinette. Anders herum ist die Bearbeitung op. 38 für Klarinetten-Trio auf sein gemischtes Septett op. 20 zurückzuführen. Beide Werke sind Zeugnisse wahrer Meisterschaft. Man weiß nicht, was man mehr bewundern soll: die genialen melodischen Einfälle oder ihre Verarbeitung.

Häusliches Idyll Für die Klientel des Bildungsbürgertums, für deren Musikbedarf sind denn auch viele der Lieder insbesondere Geijers und Lindblads ganz gezielt komponiert worden. Mit ihrer unnachahmlichen Gabe der Charakterisierung bringt Anne Sofie von Otter diese lange Zeit vergessenen Miniaturen zu reizvollem Leben.

il violoncello cantabile e virtuoso Sonaten für Violoncello und B.c. Alborea, Gabrielli, Vivaldi, Geminiani Ricercare von Gabrielli und Platti Juris Teichmanis, amb 96 938

G. Ph. Telemann Neuentdeckte Geistliche Arien Tanya Aspelmeier, Sopran Ensemble Schirokko, amb 96 947

Fulminanter Abschied Die Aufnahme ist auch von besonderem Interesse, als dies die letzte Einspielung von Karl Leister ist, dem jahrzentelang gefeierten Soloklarinettisten der Berliner Philharmoniker. Leister wird zwar weiter konzertieren, aber keine Tonträgeraufnahmen mehr machen.

...so dient das Clarinet auf angenehme weiss... Viviani, Händel, Telemann, Corette C. Leitherer, Clarinette / Chalumeau amb 96 872 www.ambitus.de

AUSGABE 2012 /2

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Vertrieb: KLASSIK CENTER KASSEL


CLASS a k t u e l l

Im Blickpunkt

Orgel

Jan Pieterszoon Sweelinck (1562-1621)

Johann Sebastian Bach

Heinrich Scheidemann

Alte Meister: Orgelwerke von

Orgelwerke Vol. 1; Fantasia à 4 (a1/b-a-c-h) Erbarm dich mein o Herre Gott; Toccatas Allemanda etc. + Registervorführungen Harald Vogel, Schwalbennestorgel St. Marien MDG 914 1690-6 (Hybrid-SACD)

Frühe Orgelwerke Harald Vogel Arp-Schnitger-Orgel, Cappel MDG 914 1743-6 (Hybrid-SACD)

Orgelwerke Leo van Doeselaar van Hagerbeer-Orgel Pieterskerk, Leiden (NL) MDG 906 1746-6 (Hybrid-SACD)

Bach, Buxtehude, Kerll, Muffat, Pachelbel Strungk und Walther (bearb. v. Karl Straube) Andreas Sieling Sauer-Orgel Berliner Dom MDG 946 1740-6 (Hybrid-SACD)

Alte Meister in authentischer Wiedergabe MDG veröffentlich eine Serie erstrangiger Orgeldokumente auf SACD

D

er Niederländer Jan Pieterszoon Sweelinck hat wie kein anderer Musiker den nordeuropäischen Orgelstil des 17. Jahrhunderts geprägt. Seine besondere Klangwelt ist jetzt wieder erlebbar: In der Marienkirche in Lemgo hat eine 400-jährige SchwalbennestOrgel aus der Renaissance-Zeit überlebt, deren wenige fehlende Pfeifen exakt nach den historischen Vorlagen rekonstruiert wurden. Harald Vogel präsentiert dieses einzigartige Instrument mit einer farbigen Folge von Sweelinck-Werken, die zum Teil erstmals eingespielt wurden. Das Booklet verzeichnet akribisch die jeweilige Registrierung. Vor allem aber überrascht die akustisch hervorragende Mehrkanal-Produktion mit einer kurzweiligen Orgelführung als Bonus. Harald Vogel stellt die einzelnen Register und deren Zusammenklang in kurzen Improvisationen vor. Auch die Pieterskerk im niederländischen Leiden beherbergt eine Kostbarkeit von europäischem Rang: Die van Hagerbeer-Orgel gehört zu den ältesten Instrumenten überhaupt, und aus ihrer Entstehungszeit in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts sind tatsächlich die meisten Pfeifen original erhalten. Aufs Liebevollste restauriert, lässt sie unter den Händen und Füßen von Leo van Doeselaar die Orgelwerke Heinrich Scheidemanns im prachtvollen Glanz der Renaissance erstrahlen. Bei Sweelinck ausgebildet, war Scheidemann Zeit seines Lebens Organist an der Katharinenkirche in Hamburg. Mit der Choralfantasie erfindet Scheidemann eine völlig neue Gattung. Hier kann sich die klangliche Pracht der Orgel ebenso voll entfalten wie der überquellende Erfindungsreichtum des Komponisten. Werke von nie gehörter Farbigkeit entstehen, die neben so intimen Stücken wie der Bearbeitung von Dowlands berühmten „Flow my Tears“ ein großartiges Panorama der Orgelmusik Scheidemanns ausbreiten. Leo van Doeselaar, Titularius an der Pieterskerk, führt auf einem angefügten Bonustrack seine Zuhörer – mit hörbarem Stolz – kenntnisreich durch das historische Instrument und lässt die einzigartigen Registerfarben dieser Orgel erlebbar werden. Und wer die Möglichkeit hat, diese SACD im 2+2+2Recording wiederzugeben, wird fasziniert sein von der präzisen Ortung und Höhenstaffelung der Registerfarben im dreidimensional erfahrbaren Raum. Helmut Walchas legendäre Bachaufnahme aus den 50er Jahren für die Archiv-Produktion machte die Cappeler Orgel weltberühmt. Die Aufnahmeleitung hatte Erich Thienhaus, der das Studium des musikalisch und technisch versierten Tonmeisters in Detmold begründete. Nach langer aufnahmetechnischer Enthaltsamkeit – der Einbau einer Heizung führte zu tech-

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nischen Problemen – ist die berühmte Schnitger-Orgel heute im Bestzustand. Harald Vogel und das MDG-Team nutzen die Chance, das Instrument nun in modernster, feinst austarierter 2+2+2 Aufnahmetechnik auf einer Super Audio CD mit den frühen Bachwerken zu präsentieren. Ein Höhepunkt: das wohl berühmteste Orgelwerk aller Zeiten, die d-Moll- Toccata. Bachs frühe Orgelwerke sind genial. Der Einfluss durch Vorbilder ist in vielen Stücken zu ahnen. Besonders Georg Böhm, bei dem Bach als 15jähriger für zwei Jahre in die Lehre ging, hat seine Spuren hinterlassen, und Anklänge an Pachelbel, Buxtehude und Butstett belegen, wie aufmerksam der Studiosus die Traditionen und Entwicklungen seiner Zeit verfolgte, aufsog und für sich umsetzte. Kaum zu glauben: Die „Fantasia ex Gb duobis subjectis“, sozusagen das „Gesellenstück“ zum Abschluss der Lehrzeit bei Böhm, ist hier erstmals auf CD zu hören! Und was ist das? Voll und warm tönt das Mezzoforte, ein sanftes Crescendo, nur wenig anschwellend, bevor sich der Klang in ein säuselndes Pianissimo zurückzieht. Changierende Farben entwickeln sich vollkommen bruchlos, und in schier endlosem Spannungsbogen schwingt sich die Königin der Instrumente zum prachtvollen Fortissimo in - Georg Muffats Passacaglia: Andreas Sieling präsentiert die Sammlung „Alte Meister“ in der romantischen Ausgabe von Karl Straube an der historischen Sauer-Orgel im Berliner Dom. Eine Sensation: Im Jahre 1904 veröffentlicht Karl Straube – gerade zum Thomaskantor berufen - seine Notenausgabe mit Musik von Bach, Walther, Pachelbel, Buxtehude und anderen, sämtlich veralteten Komponisten, die man allenfalls noch aus dem Theorieunterricht kannte. Sie waren jetzt den modernen Möglichkeiten der Orgel gemäß so eingerichtet, dass sie absolut den Zeitgeschmack treffen mussten. Detaillierte Spiel- und Registeranweisungen, selbstverständlich der Einsatz der „Walze“, die durch stetiges Hinzufügen neuer Register gewaltige Crescendowirkungen ermöglicht, neuartige Registerfarben und raffinierte Tempowechsel sorgen für eine bis dahin ungeahnte und unerhört spannungsvolle orchestrale Wirkung der barocken Meister. Mit über hundert Register, verteilt auf 4 Manuale plus Rückpositiv und Pedal bietet das Instrument einen schier unendlichen Klangreichtum. Als die Orgel 1905 von der berühmten Werkstatt Wilhelm Sauer aufgestellt wurde, war es die größte Orgel in Deutschland. Glücklicherweise ist sie bis heute in der ursprünglichen Gestalt erhalten, so dass diese im raumfüllenden 2+2+2 Mehrkanalklang produzierte Aufnahme einen authentischen Blick in die Interpretationsgeschichte barocker Orgelmusik zu Beginn des 20. Jahrhunderts ermöglicht. F. Wilhelm

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