CLASS: aktuell 04/2016

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CLASS : aktuell Association of Classical Independents in Germany

„Emotions“ Kirill Troussov und Alexandra Troussova

Maria Bengtsson  zeichnet Mozarts große Charaktere | Angela Hewitt  Neuinterpretation der Goldbergvariationen |

Gerhild Romberger und Alfredo Pearl  Mahlers Klavierlieder intensiv |

Johannes Monno Lautenwerke von Johann Sebastian Bach | Johannes Moser und Andrei Korobeinikov  spielen Rachmaninoff und Prokofieff | Armoniosa  mit Giovanni Benedetto Platti


Beethoven

www.mdg.de

„Hervorragend gelungen und hält jedem Vergleich stand. Das Quartett präsentiert Beethoven, wie er auf Portraits oft dreinblickt: wild, ernst, mit Schalk und einer Prise Wahnsinn im Nacken.“ ( Fonoforum)

Ludwig van Beethoven Sämliche Streichquartette und Streichquintette

Barbara Buntrock, Viola Leipziger Streichquartett MDG 307 1983-2 (10 CDs )

„Das Ergebnis ist in Sachen Klangschönheit kaum zu übertreffen und ist über weite Strecken umwerfend.“ (klassik.com) Beispielhaft. Nichts ist hier auf Effekt getrimmt. Der Klang des Ensembles ist weich und äußerst homogen, Akzente werden sicher und mit leichter Hand platziert, die Tempi sind organisch flüssig. Großartiger Klang.“ (Klassik heute) „Diese Sensibilität macht den Leipzigern plus Gast so schnell niemand nach.“ (hifi & records)

Musikproduktion Dabringhaus und Grimm Bachstraße 35 · 32756 Detmold · Telefon: 05231 – 93890 · info@mdg.de · www.mdg.de Vertrieb: NAXOS Deutschland · Telefon: 08121 – 25007–20 + 22 · Fax: 08121 – 25007–21 Gramola Wien · www.gramola.at · MusiKontakt Zürich · www.musikontakt.ch


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Class: aktuell 4 / 2016 Inhalt 4 Musikalische Sternstunde

Jahrhundertelang vertraten Dichter und Denker die Meinung, dass es sich bei der Musik um eine Art Sprache handeln müsse – eine Sprache diesseits oder jenseits der Worte. Die dabei gewählten Umschreibungen von Musik zeigen jedoch eine gewisse Spannbreite zwischen der „Sprache der Engel“ (Thomas Carlyle), der „Sprache der Menschheit“ (Longfellow) und der „Sprache der Seele“ (Giora Feidman). Der Philosoph Kant sah in der Musik die Sprache der Affekte. Der Komponist Wagner verstand sie als Sprache des Herzens. Der Sänger Sven Regener nannte sie die Sprache der Welt. So ganz einig scheint man sich da nicht zu sein.

Frank Peter Zimmermann mit Beethovens Violinkonzert 5 Emotions, das neue Album von Kirill Troussov und Alexandra Troussova 6 Nostalgische Tänze Pina Napolitano spielt Schönberg, Bartók und Krenek 7 Händel und die Macht der Musik BR Klassik setzt seine erfolgreichen Hörbiografien fort 8 Von katalytischer Reinheit Armoniosa präsentiert Werke von Platti 9 Zweite Auseinandersetzung Angela Hewitts Neuinterpretation der Goldbergvariationen

Was sagt die Terz? Letzteres könnte daran liegen, dass noch niemand die Sprache der Musik wirklich übersetzt hat. Es gibt kein Wörterbuch „Musik – Deutsch“. Zwar können wir heute auch sehr fremdartige Sprachen verstehen, etwa solche, die den stimmlosen glottalen Plosiv (vulgo: Knacklaut) oder den stimmhaften gutturalen Frikativ (vulgo: Rachenlaut) kennen. Aber niemand vermag zu sagen, was eine aufsteigende Terz in Worten bedeutet, was ein Übergang von Dur nach Moll uns „mitteilen“ will oder wie man einen Quintsextakkord in klare deutsche Prosa übersetzt. Ganz zu schweigen davon, dass jemand die Geschichte erzählen könnte, die in einem Sonatenhauptsatz steckt. Nicht dass es nicht versucht worden wäre! Schon Robert Schumann machte sich über jene Enthusiasten lustig, die in der Interpretation und „Übersetzung“ von Beethovens Musik miteinander wetteiferten. Speziell Beethovens Neunte hatte es damals den Musikexegeten angetan. Sie sei eine Darstellung der verschiedenen literarischen Gattungen, meinten die einen, eine Nacherzählung der fünf Bücher Mose, so die anderen, und wieder andere hörten in ihr ein Bekenntnis zum Deutschtum. In neuerer Zeit wurde der erste Satz der Neunten sogar als Fantasie eines Sexualmords übersetzt oder als Prophezeiung der Nazi-Luftangriffe auf London. Man muss Beethoven wirklich dankbar dafür sein, dass er wenigstens bei seiner Sechsten vermerkte, was er sich bei der Musik gedacht hat. Der vierte Satz („Gewitter, Sturm“) ist definitiv nicht Dantes Inferno. Kennen Sie das, wenn man ein Buch zum zweiten Mal liest und plötzlich ganz andere Botschaften, Fragen und Antworten daraus mitnimmt als beim ersten Mal? Nicht das Buch hat sich verändert, sondern der Mensch, der es liest. So ähnlich verhält es sich mit der Musik. Ein vertrautes Musikstück ist wie ein guter, alter Freund, den man hin und wieder trifft und mit dem man sich immer wieder etwas Neues zu sagen hat. Wenn Musik „spricht“, dann nur im Dialog mit dem Hörer. Und wenn wir zu mehreren ein Musikstück erleben, etwa im Konzert, dann „sprechen“ wir irgendwie alle miteinander durch die Musik. Sie ist wie ein Spiegel unserer Gehirne, ein Modell für Kommunikation und Bewusstsein, Koexistenz und Wandel. In der Musik spricht der Mensch vom Menschsein.

10 Eine besondere Beziehung Johannes Monno spielt Lautenwerke von J.S. Bach 11 Sympathisch und fein ausgehört Maria Bengtsson mit Arien von Mozart 12 Liebst Du um Schönheit... Mahlers Klavierlieder in hochkarätiger Neueinspielung 13 Von Böhmen nach Venedig Fagott- und Oboenkonzerte von Jiránèk 14 Schumannia – Feuerwerk und Flammenzauber Guido Schiefen und Markus Kreul brennen für Schumann 15 Leidenschaft für J.S. Bach Ann-Helena Schlüters Sicht auf das Wohltemperierte Klavier 16 Kontrast und Konsens Johannes Moser mit Cellowerken von Rachmaninoff und Prokofieff 17 Mein Vaterland Das Klavierduo Trenkner Speidel spielt Smetanas Originalversion 18 Mehr als nur „Sohn“ C.P.E. Bach Sonderausgabe aller Hänssler Classic Aufnahmen 19 Josef Suks Klavierkompositionen eingespielt von Karl-Andreas Kolly 20 Alle Jahre wieder! Weihnachtsempfehlungen von CLASS 24 Klassik: XL! Bravi! Bravissimi! Ein ECHO Klassik-Preisträgerkonzert für die UdK Berlin 28 Im Blickpunkt Neuheiten vorgestellt von CLASS

Impressum Herausgeber/Verlag:

CLASS e.V. Association of Classical Independents in Germany Bachstraße 35, 32756 Detmold Tel. 05231- 938922 class@class-germany.de Redakteur (v.i.S.d.P): Dr. Rainer Kahleyss Anzeigen: Gabriele Niederreiter Grafische Gestaltung: Ottilie Gaigl Druck: Westermann Druck, Braunschweig

In diesem Sinne, Ihr Hans-Jürgen Schaal

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers, nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Druckauflage: 126.300 3. Quartal 2016 ISSN: 2195-0172 Titel-Foto: Marco Borggreve

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geprüfte Auflage

Alle Tonträger dieser Ausgabe finden Sie auch unter www.bielekat.de


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Sternstunde zum Nachhören

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s sind nur vier leise Paukenschläge. Man könnte sie wohl leicht überhören. Doch sie leiten ein Werk ein, das zum Proto­ typen einer ganzen Gattung wurde. Ludwig van Beethovens Violinkonzert ist ohne Zweifel eines der wichtigsten Werke der Musikgeschichte. Und die vier Töne auf der Pauke sind die vier wichtigsten, die für dieses Instrument geschrieben wurden. Denn das vermeintlich kurze Paukenmotiv bildet in Wahrheit die Basis für den gesamten ersten Satz. Was für ein Affront für den Solisten. Hier wird deutlich gemacht: Du spielst zwar hier die erste Geige, aber Du hast Dich trotzdem der musikalischen Struktur unterzuordnen. Nicht jeder Solist überzeugt in diesem Werk. Und so darf man Frank Peter Zimmermann ebenso als Glücksfall für dieses Stück ansehen wie Dirigent Bernard Haitink. Beide sind schließlich Meister ihres Fachs aber eben auch zwei Künstler, die das Understatement zur Kunst erhoben haben.

Wie gut das dieser Musik tut, ist kaum zu ermessen. Aber es ist zu hören! Und das gilt auch für das restliche Programm: Webers „Euryanthe“Ouvertüre wird mit spritziger Leichtigkeit gegeben, und Brahms‘ erste Sinfonie erfährt unter Haitink eine derart hingebungsvolle Darbietung, bei der so viel Demut gegenüber diesem großen Werk spürbar wird, dass sich diese Aufnahme wohltuend abhebt von den vielen unangebracht pompösen Werkwiedergaben, unter denen dieses Stück so oft zu leiden hat. Ein Programm also, das man sich kaum schöner interpretiert vorstellen kann. Wenn die Klangschönheit von Frank Peter Zimmermanns berühmter „Lady Inchiquin“-Stradivari auf den samtig-dunklen Klang der Staatskapelle Dresden trifft, und all das unter der rundum werkdien­ lichen Leitung von Maestro Haitink, dann weiß man, dass es sie noch gibt, die echten KlassikSternstunden! René Brinkmann

Carl Maria von Weber Ouvertüre zur Oper »Oberon« Ludwig van Beethoven: Konzert D-Dur op. 61 für Violine und Orchester Johannes Brahms Symphonie Nr. 1 c-Moll op. 68 Frank Peter Zimmermann Staatskapelle Dresden, Bernard Hatink Profil Edition Günter Hänssler PH09036 (2 CDs)

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Fotos: © Harald Hoffmann (l.), Matthias Creutziger (r.)

Obwohl diese CD des Labels Profil ein breites Programm anbietet, steht natürlich ein Werk ganz besonders im Mittelpunkt: Beethovens Violinkonzert, hier interpretiert von Frank Peter Zimmermann, einem der besten Violinisten unserer Zeit.


CLASS : aktuell Aktuelle Konzerte: 04. 12. 2016 Tonhalle Zürich 09. 12. 2016 Fürstenhaus Weimar 16. 12. 2016 Flagey, Brüssel 25.12. 2016 Philharmonie Berlin

„Durch gemeinsames musikalisches Erleben enstehen starke Emotionen – es ist das größte Geschenk sie mit den Menschen auf der ganzen Welt teilen zu dürfen.“

26. 12. 2016 Französischer Dom Berlin 27. 12. 2016 Gewandhaus Leipzig 28. 12. 2016 Gewandhaus Leipzig 31. 12. 2016 Konzerthaus Berlin 01. 01. 2017 Gewandhaus Leipzig 15. 01. 2017 Tonhalle Zürich 20. 01. 2017 CD-Präsentation „Emotions“ Ludwig Beck, München 03. 02. 2017 Franz Liszt Music Academy, Budapest www.troussov.com

Aufwühlend emotional Das neue Album von Kirill Troussov und Alexandra Troussova

Fotos: © Marco Borggreve

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it „Memories“ und einem bravourösen russischen Recitalprogramm feierten Kirill und Alexandra Troussov ihr Debüt bei MDG, jetzt wird ein Album mit französischem Repertoire nachgelegt, in dessen Zentrum die weltweit gefeierten Künstler die große Violinsonate von César Franck stellen. Seit Kindertagen musizieren die Geschwister gemeinsam. Die blinde Vertrautheit mit dem jeweils Anderen erlaubt agogische Freiheiten, die dieses Gipfelwerk romantischer Kammermusik hier um eine neue Dimension erweitern. Mit der berühmten „Brodsky“-Stradivari, auf der seinerzeit Tschaikowskys Violinkonzert aus der Taufe gehoben wurde, und dem legendären SteinwayKonzertflügel „Manfred Bürki“ von 1901 ist ein weiteres Dream Team mit am Ball. Und das sorgt für aufregende Momente: Schon Francks „Mélancolie“, die das Programm eröffnet, lässt mit unerhörtem Farbenreichtum aufhorchen. Dass diese Preziose ähnlich wie das sich anschließende „Andantino quietoso“ kaum jemals irgendwo auf dem Programmzettel steht, erscheint nach dem Auftritt der Geschwister Troussov völlig unverständlich – eine absolut lohnende Entdeckung!

Emotions Werke für Violine und Klavier von César Franck (1822 -1890) und  Maurice Ravel (1875 -1937) Kirill Troussov, Violine Alexandra Troussova, Klavier MDG 903 1984-6 (Hybrid-SACD)

Aufwühlend und emotional geht es mit Francks Sonate weiter – da sind die unglaublichen dynamischen Steigerungen schon im ersten Satz, oder erst das packende Allegro des zweiten Satzes! Dass bei aller dramatischen Intensität die Interpretation der Troussovs immer transparent bleibt, zeigt die große Klasse der beiden Künstler, die auch die luzide Luftigkeit im ersten Satz von Maurice Ravels Sonate zum Leuchten bringt. Geradezu improvisiert wirkt dann Ravels „Blues“ – und kommt damit der südstaatlichen Ausgabe 2016/4

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Weitere Einspielung: Memories Werke für Violine und Klavier von Prokofieff, Rachmaninoff, Schnittke, Shchedrin, Shostakovich, Khatchaturian und Tschaikowsky MDG 603 1903-2

Stilvorlage, inklusive Banjoimitat, besonders nahe. Und wie die beiden zum krönenden Abschluss die populäre „Tzigane“ vom vordergründigen Virtuosenfutter in ein kostbares Stück Kammermusik verwandeln, ist absolut hörenswert – und dank feinster SACD-Wiedergabe hautnah und fesselnd im 3D Klang zu erleben. Lisa Eranos


Foto: © Tommaso Tuzj

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Elegy Arnold Schönberg (1874 -1951) Klavierkonzert op. 42 & Begleitungsmusik zu einer Lichtspielscene op. 34 Bela Bartók (1881 -1945) Klavierkonzert Nr. 3 Ernst Krenek (1900 -1991) „Symphonic Elegy“ Pina Napolitano, Klavier Liepa- ja Symphony Orchestra, Atvars Lakstı-gala, Ltg.

www.pinanapolitano.com

Odradek 028339

„Nostalgische Tänze“

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ie Begeisterung der italienischen Pianistin Pina Napolitano für Schönberg begann schon sehr früh. Mit 12 Jahren kaufte Pina eine CD mit einem romantischen Konzert und fand darauf als Begleitstück das Klavierkonzert von Schönberg. Es war die erste Musik von Schönberg, die Pina hörte, und sie war sofort fasziniert. Viele sehen Schönberg noch heute als trockene, intellektuelle, ernste Person, aber Pina Napolitano erkennt in seiner Musik eine Verbindung zwischen mentaler Strenge und sanfteren Eigenschaften wie Wärme und Ausdrucksstärke. Diese Charakteristika durchziehen Pina Napolitanos neue Einspielung, in der das Schönberg-Klavierkonzert gekoppelt ist an Bartóks Drittes Klavierkonzert, neben Schönbergs Begleitmusik zu einer Lichtspielszene und Kreneks Symphonischer Elegie.

Als Kriegsfolge im Exil bringen drei Komponisten ihre Trauer um die zurückgelassene Welt zum Ausdruck, um die verlorenen Leben und sogar ihre eigene Sterblichkeit, gemildert durch ihre neuen Erfahrungen in Amerika.

„Melodische Zwölftonmusik“ Während Pina Napolitano an den Konzerten von Schönberg und Bartók arbeitete, tauchten zwischen diesen zunehmend Parallelen auf. Beide Werke verströmen ein Gefühl von elegischer Nostalgie, teilweise durch den Einsatz von Tanzstilen, die mit der retrospektiven Eigenschaft der Musik kontrastieren, sie gleichzeitig steigern und ihnen eine bittersüße Zartheit verleihen. Bei Schönberg unterstreicht Pina die wienerischen Walzerfiguren, die durch das gesamte

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Werk tanzen. Bei Bartók finden sich im ersten Satz Volkstänze und im letzten Satz Annäherungen an Walzer- und Barocktänze, dazwischen im zweiten Satz eine Huldigung an die Natur. Für Pina Napolitano ist der letzte Satz von Bartóks Konzert, mit dem diese Aufnahme abschließt, besonders bewegend. Geschrieben gegen Ende seines Lebens, ist es nichtsdestoweniger eine Hymne auf das Leben: ein Lobgesang auf Glück und Dankbarkeit. Im Streit zwischen Nostalgie und Tanz gewinnt der Tanz. Pina Napolitanos’ Interpretation drückt Pathos und Verlust aus, lässt jedoch durch die Tränen auch Freude aufkommen. Eine bewegende Einspielung mit einem faszinierenden Programm. Philip Krippendorff


WERGO

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WER 73492 (CD)

Fotos: © Thomas Becker

Jetzt neu bei WERGO

Pe¯teris Vasks Flute Concerto | Symphony No. 3 Dita Krenberga: Flöte / Liepa¯ ja Symphony ¯ Orchestra / Atvars Lakstigala: Leitung

Daniela Röder (Tontechnik), Bernhard Neuhoff (Redaktion und Regie), Jörg Handstein (Autor)

WER 73562 (CD) Produktion: WDR

Ein Mann lebt seinen Traum Mit den spannenden Hörbiografien zum Leben bekannter Komponisten hat BR-Klassik, das Label des Bayerischen Rundfunks erfolgreich eine Marktlücke besetzt. Sämtliche Ausgaben der Reihe wurden zu Bestsellern, und nun folgt Händel!

Walter Zimmermann Voces abandonadas Voces abandonadas / The Missing Nail at the River / Blaupause / Blueprint / Romanska Bågar / Aimide

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Nicolas Hodges: Klavier mit Ersteinspielungen

WER 73362 (CD) Produktion: ORF/Ö1, BR, SWR

m Anfang mag man es kaum glauben, dass aus diesem kleinen Jungen einst der Komponist werden sollte, über den Beethoven sagte: „Händel ist der größte Komponist, der je gelebt hat. Ich würde mein Haupt entblößen und an seinem Grabe niederknien.“ Doch ja, hier sind wir mitten drin in Händels Kindheit: Ein kleiner Junge in einer kleinen Stadt. Die Musik zog ihn magisch an, und bald zieht er aus in die weite Welt, in südliche Gefilde, von denen sich die Musiker wahre Wunderdinge erzählen. Er lebt in glänzenden Palästen, erschafft

BR Klassik 900911  (3 CDs)

nie zuvor gehörte Klänge, doch eines Tages geht er zurück und erobert die größte Stadt des Nordens mit seiner Musik: London! Ja, Händels beispielloser Aufstieg hat etwas märchenhaftes, aber er ist auch die Erfolgsstory eines genialen Künstlers, der sich in einer schon damals knallharten Geschäftswelt behauptet: Launische Kastraten und eitle Primadonnen, exzentrische Lords und unnahbare Königinnen, Musiknarren und Opernfeinde bevölkern die damals aufregendste Kulturmetropole. Die neue Hörbiografie von Jörg Handstein verfolgt Händels Weg durch diese faszinierende Welt – und erschließt sein Werk auch jenseits der Hits und Hallelujas. René Brinkmann

Hans Zender ¿Adónde? Wohin? 4 Canciones nach Juan de la Cruz ¿Adónde? Wohin? / Oh Bosques | O Wälder / ¿Por qué? Warum? / Oh Cristalina ... Angelika Luz: Sopran / Ernst Kovacic: Violine / Klangforum Wien / Chor des Bayerischen Rundfunks / Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks / SWR Vokalensemble Stuttgart / SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg / Sylvain Cambreling, Susanna Mälkki, Marcus Creed, Emilio Pomàrico: Leitung mit Ersteinspielungen

Udo Wachtveitl (Erzähler)

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Fordern Sie bitte unseren Katalog an! WERGO, Weihergarten 5, 55116 Mainz, Deutschland service@wergo.de | www.wergo.de


www.armoniosa.net Francesco Cerrato

Mit katalytischer Reinheit Armoniosa präsentiert Giovanni Benedetto Platti

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it der Gesamteinspielung von Vivaldis „La Stravaganza“ hat Armoniosa ein fulminantes Debüt hingelegt. Für ihre neueste Produktion fokussieren sich die jungen Italiener auf ihre Stammbesetzung. Und auch wenn „Triosonate“ auf dem Titel steht, so offenbart sich doch bald eine faustdicke Überraschung: Entgegen aller Konvention besetzt Giovanni Benedetto Platti das zweite Soloinstrument seiner Sonaten mit dem Cello statt einer zweiten Geige – und sorgt damit für ein frisches Hörerlebnis jenseits des Gewohnten.

Giovanni Benedetto Platti (ca. 1697-1763) 6 Triosonaten für Violine, Violoncello und Continuo Armoniosa

Schon der Anfang der g-Moll-Sonate führt mit satten dunklen Klängen von Solo- und Continuocello und der Orgel in eine fantastische Welt, die nach einigen Takten von Violine und Cembalo unvermittelt aufgehellt wird. Überhaupt spielt die Instrumentierung bei Armoniosa eine ganz besondere Rolle: Vielfach wechseln die Continuo­ instrumente, mal spielen alle gemeinsam, mal begleitet nur das Cembalo das Cello, mal nur die Orgel. Für die c-Moll-Sonate wird auf ein Akkordinstrument gleich ganz verzichtet, was dem Stück einen sehr eigentümlichen Reiz verleiht.

Weitere Einspielung: Antonio Vivaldi (1678 -1741) La Stravaganza op. 4 Armoniosa MDG 901 1885-6 (2 Hybrid-SACDs)

MDG 903 1978-6 (Hybrid-SACD)

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Stefano Cerrato

Cembalist Michele Barchi hat die beiden Tasteninstrumente speziell für Armoniosas Bedürfnisse gebaut. Besonderer Clou: Die Orgel wird über einen pedalgetriebenen Magazinbalg mit der nötigen Atemluft versorgt; dadurch entfällt das lästige Motorenbrummen, das die meisten anderen Aufnahmen barocker Musik mit einem akustischen Grauschleier überzieht. In der jetzt möglichen reinen Klarheit erhält der Orgelklang zudem eine Lebendigkeit, die nur mechanisch beatmeten Instrumenten eigen ist. Die hochauflösende Aufnahme auf dieser Super Audio CD lässt den Hörer an allen klanglichen und dynamischen Feinheiten unmittelbar teilhaben, und besonders in der empfohlenen dreidimensionalen Wiedergabe im 2+2+2 Recording ist die Musik wie mit Händen zu greifen. Der cellospielende Auftraggeber Graf von Schönborn-Wiesentheid, Bruder zweier Würzburger Fürstbischöfe, hätte seine schiere Freude gehabt… Klaus Friedrich

Foto Stefano und Francesco Cerrato: © Davide Esposito; weitere © MDG

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Angela Hewitts Neuinterpretation der Goldbergvariationen

Foto: © Bernd Eberle

Angela Hewitt

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s war wohl einer lukrativsten Aufträge, den Johann Sebastian Bach in seiner Schaffens­ zeit für eine Komposition erhielt: einen goldenen Becher, gefüllt mit 100 Louis d’Or ver­ diente er mit der Komposition seiner „Clavier Ubung bestehend in einer ARIA mit ver­ schiedenen Verænderungen vors Clavicim­ bal mit 2 Manualen“ – so der offizielle Titel der heute weltberühmten Gold­ bergvariationen. Der Auftraggeber Graf Kaiserling wollte sich mit der Komposi­ tion die Langeweile seiner schlaflosen Nächte vertreiben und sein Hofcembalist Johann Gottlieb Goldberg hatte die ehren­ volle Aufgabe, die Variationen Nacht für Nacht vorzuspielen. Bachs Goldbergvariationen begleiten Angela Hewitt bereits seit Jahrzehnten. Nach fünfmonatiger Übezeit führte die Pianistin den Variationszyklus mit 16 Jah­ ren erstmal vor großem Publikum auf, ein Jahr später gewann sie damit den Internationalen Klavierwettbewerb in Washington D.C. Kein Wunder also, dass die „Aria mit ver­ schiedenen Veränderungen“ Hewitt besonders ans Herz gewachsen ist und im Laufe der Jahre

zu ihrem Markenzeichen wurde. Unzählige Male führte Sie die Variationen auf, auch unter den widrigsten Umständen, z.B. als sich Hurricane Sandy dem fast menschenleeren New York näherte, konzertierte Sie im „Le Poisson Rouge“, dem legendären Underground Restaurant in Green­ wich Village. Ihrer ersten Aufnahme des Werkes aus dem Jahr 1999 folgt nun eine Version, die Sie 2015 einspielte. Ganz wie der „Goldberg­ variations-Papst“ Glenn Gould stellt Hewitt also zwei Versionen der Komposition im Abstand mehrerer Jahre nebeneinander. Bereichert um 16 Jahre Lebenserfahrung und ihren legendären Fazioli-Flügel präsentiert sich die kanadische Pianistin als jung gebliebene Interpretin. Ihre Goldbergvariationen kommen kontrast- und far­ benreich daher: filigranste Legato-Bögen prallen auf markante Staccati, düster-weiche Moll-Varia­ tionen auf flirrend-schimmernde Spielfiguren. Ihre künstlerische Reife belegt die technische Selbstverständlichkeit, mit der sie durch das hochanspruchsvolle Werk gleitet, und ihre un­ prätentiöse Interpretation. Martin Bail

GOTHIC OICES V MARY STAR OF THE SEA

Johann Sebastian Bach (1685 -1750) Goldbergvariationen Angela Hewitt, Klavier hyperion CDA-68146

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Im Vertrieb der NAXOS Deutschland GmbH

www.naxos.de www.naxosdirekt.de

Foto:thecramped/www.photocase.de

Zweite Auseinandersetzung


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„Jeder Ton hat einen Sinn, alles steht in Beziehung zueinander“ Die Laute erfreute sich zu J.S. Bachs Zeiten großer Beliebtheit. Über Jahrhunderte hatten die unterschiedlichen Lautentypen das Musikleben mitbestimmt. Mit dem Bach´schen Lautenrepertoire hat sich der Gitarrist Johannes Monno beschäftigt. Nun wird sein neues Album bei Hänssler Classic veröffentlicht.

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chon als Kind haben mich die Lautensuiten von Johann Sebastian Bach in ihren Bann gezogen und seitdem nicht mehr losgelassen. Es erfüllt sich mit dieser Aufnahme ein lang gehegter Wunsch, diese Beschäftigung in Form eines Tonträgers zu dokumentieren. Gerade die Musik von Johann Sebastian Bach bietet dem Interpreten, dem Musiker über ihre geniale kompositorische und stilistische Architektur hinaus eine schier unendliche Tiefe an rhetorischen und emotionalen Ausdrucksmöglichkeiten, die es immer wieder neu zu entdecken und zu beleuchten gilt.“ betont Johannes Monno. Bach war bekanntlich kein Lautenist und insofern stellen seine Stücke den Spieler – sowohl auf der Laute wie auf der Gitarre – offensichtlich vor viele spiel- und satztechnische Fragen und Probleme. Die Gitarre unterscheidet sich

trotz vieler Gemeinsamkeiten spieltechnisch und klanglich von der Laute. „Daraus ergeben sich andere Lösungen, aber auch sehr interessante Möglichkeiten, inhaltliche Aspekte alternativ zu deuten und darzustellen.“ Bach komponierte am Clavichord, einem sehr leisen Instrument, welches – auch durch seine dynamischen Differenzierungsmöglichkeiten be­dingt – dem Klang der Laute näher kam als dem Cembalo. Vielleicht war es diese sensible dynamische Differenzierungsmöglichkeit – gepaart mit den sehr feinen farblichen Abstufungsmöglichkeiten –, die Bachs Interesse für die Laute geweckt hat. Nie zuvor beschäftigten sich Musiker so intensiv mit der emotionalen Wirkung von Musik wie im Barock. Jedes Intervall, jede Tonart, jede Akkordstellung, jedes rhythmische Phänomen wurde hinsichtlich der Wirkung auf den Zuhörer

Johann Sebastian Bach (1695 -1759) Suite a-Moll BWV 995 (orig. g-Moll) Suite a-Moll BWV 997 (orig. c-Moll) Präludium d-Moll BWV 999 (orig. c-Moll) Fuge a-Moll BWV 1000 (orig. g-Moll) Präludium, Fuge & Allegro D-Dur BWV 998 (orig. in Es-Dur) Suite e-Moll BWV 996; Suite E-Dur BWV 1006a

Johannes Monno, Gitarre hänssler Classic HC16085 (2 CDs)

untersucht. Die Laute bot mit ihrem klanglichen Facettenreichtum, ihrer Dynamik und Mehrstimmigkeit enorme Möglichkeiten, diese „Affektenlehre“ konkret umzusetzen. Praktisch und überzeugend zeigt dies Johannes Monno „Da wird nicht mit oberflächlicher Effekthascherei gearbeitet, mit der Virtuosität um ihrer selbst willen, sondern da hat jeder Ton einen Sinn, alles steht in Beziehung zueinander.“ wie Konrad Junghänel dem Gitarristen bescheinigt. Christina Hofmann

500 Jahre Reformation Gott allein zur Ehre BACH

Johannes-Passion – Matthäus-Passion Messe in h-Moll – Weihnachtsoratorium Johann Sebastian Bachs drei protestantische Oratorien sowie die große katholische Messe vereint in einer Edition – interpretiert vom Chor des Bayerischen Rundfunks unter der Leitung von Peter Dijkstra.

10 www.br-klassik.de

900514 (6 DVD)

900913 (15 CD mit Werkeinführungen)

Barocke Pracht und besinnliche Momente auf CD und DVD. Die CD-Edition enthält umfassende Werkeinführungen zu allen Werken auf 6 CDs.

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Erhältlich im Handel und im BRshop / www.br-shop.de


Foto ©: Felix Broede (M.Bengtsson) Marco Borggreve (B.de Billy), Federal Studio (Orchester)

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Orchestre de Chambre de Lausanne Bertrand de Billy

Sehr sympathisch und fein ausgehört Maria Bengtsson zeichnet Mozarts große Charaktere

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olfgang Amadeus Mozart hat etwa 25 Opern komponiert – und damit seine Zeitgenossen oft überfordert. Das Publikum erwartete typisch schablonenhaft gezeichnete Darsteller, um sich unterhalten zu lassen, während Mozarts subtil ausgearbeitete Individualpartien die volle Auf­ merk­samkeit erfordern. Maria Bengtsson zeigt in ihrem Arien-Recital die Vielschichtigkeit der Charaktere, die nicht zuletzt auch durch den über­ aus anspruchsvollen Orchesterpart illustriert wird. Das Orchester de Chambre de Lausanne unter der Stabführung von Bertrand de Billy erweist sich dabei einmal mehr als großartiger Partner.

Für „Idomeneo“ konnte Mozart auf das beste Orchester seiner Zeit zurückgreifen: Erst kurz zuvor war die berühmte Mannheimer Hofkapelle im Gefolge des Kurfürsten nach München umge­ zogen. Dankbare Aufgaben erwarteten die hoch gehandelten Musiker: Großartige Bläsersoli, die weit über die reine Begleitfunktion hinausgehen, untermalen den Konflikt zwischen menschlichen Leidenschaften und göttlicher Fügung, den Maria Bengtsson in „Padre, germani, addio!“ herzer­ greifend zu gestalten weiß. Mozarts heute bekanntesten Opern entstan­ den in seinem letzten Lebensjahrzehnt in Wien, darunter die „Zauberflöte“, deren alles andere überragender Erfolg seit der Uraufführung bis in unsere Tage anhält. „Ach, ich fühl´s“ zeigt Pamina, am Boden zerstört ob der verloren geglaubten Liebe ihres Tamino, und in tiefste Innerlichkeit zurückgezogen. Auch aus „Don Giovanni“, „Le Nozze di Figaro“ und „Così fan tutte“ hat die schwedische Sopra­ nistin wundervolle Szenen ausgewählt. Und be­ sonders in den beiden Fiordiligi-Nummern zeigt sie die ganze Vielseitigkeit ihrer lyrischen Stimme:

Aktuelle Auftritte: Maria Bengtsson 05. | 12. | 18. | 25. 11. 2016 Oper Frankfurt 15. 01. 2016 Elbphilharmonie Hamburg 17. | 19. | 22. | 25. | 27. 02. 2017 01. 03. 2017 Theater an der Wien 20. | 24. 03. 2017  u. 19. | 28. 04. 2017 Semper Oper Dresden 06. | 10. | 13. | 19. | 27. 05. 2017 04. 06. 2017 Oper Frankfurt 03. 08. 2017 Orchestre Philharmonique de Monte Carlo / Palais Princier (Vier Strauss-Lieder: Bertrand de Billy, Ltg.) www.mariabengtsson.com

Extreme Intervallsprünge und virtuose Koloratu­ ren untermalen die Zerrissenheit der jungen Frau, die mit dem Feuer gespielt hat, das nun kaum mehr zu kontrollieren ist… Wie gut, dass das Publikum mitfiebern kann. Die Aufnahme im 2+2+2 Recording auf dieser SACD lotet die an­ genehme Akustik des Konzertsaals Metropol in Lausanne bis in die Ränge aus – ein fein ausgehör­ tes Mozart-Debüt dieser sympathischen Sängerin. Lisa Eranos

W. A. Mozart (1756 -1791) Arien Maria Bengtsson, Sopran Orchestre de Chambre de Lausanne Bertrand de Billy, Ltg.

Weitere Einspielung: Ludwig van Beethoven: Ah, perfido! Op. 65, Ouvertüre Leonore 1 op. 138 Luigi Cherubini: Aria aus Medea, Sinfonie D-Dur

MDG 940 1973-6 (Hybrid-SACD)

MDG 940 1854-6 (Hybrid-SACD)

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Liebst Du um Schönheit…

Fotos: G. Romberger © Rosa Frank ; A. Perl © Marco Borggreve

Mahlers Klavierlieder in hochkarätiger Neuaufnahme

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nstillbare Sehnsucht, herzzerreißender Schmerz, brennendes Verlangen – in Gustav Mahlers Liedern erreicht die romantische Gefühlswelt unzweifelhaft einen großartigen Höhepunkt. Die virtuos instru­ mentierten Orchesterpartituren lenken das Ohr allerdings immer wieder besonders auf die raffi­ nierte klangliche Delikatesse des Fin de Siècle. Umso schöner, dass wir mit Gerhild Rombergers und Alfredo Perls Neuaufnahme der Klavierfas­ sungen jetzt wieder ganz im emotionalen Extrem aufgehen dürfen! Über das Vorstadium zur „endgültigen“ Kom­ position oder gar einen Korrepetitions­ auszug gehen die Klavierfassungen weit hinaus. Oftmals unabhängig vom Orchestersatz entstan­ den, offenbaren sie respektvolle Beziehungen zu Vorbildern wie Schuberts „Winterreise“. Von vordergründiger Heiterkeit („Ging heut morgen übers Feld“) über das Wechselbad von schönster Erinnerung und unerfüllbarer Liebe („Wenn mein Schatz Hochzeit macht“) bis zu äußerster Ver­ zweiflung („Ich hab ein glühend Messer in meiner Brust“) lassen Romberger und Perl ihr Publikum mit angehaltenem Atem mitfiebern. Die „Kindertotenlieder“ berühren ganz be­ sonders. Aus Friedrich Rückerts sage und schreibe 428 Gedichten, geschaffen unter dem Eindruck des Todes zweier seiner Kinder, hat Mahler fünf ausgewählt, die in Text und Musik gleichermaßen zu Herzen gehen. Der versöhn­ liche Schluss des Zyklus taucht in der dritten Sinfonie wieder auf: „Was mir die Liebe erzählt“. Vielleicht hoffte Mahler auf ein Wiedersehen im

Spätestens seit der Auszeichnung mit dem Echo Klassik für die Kammermusikfassung des „Lied von der Erde“ sind Gerhild Romberger und Alfredo Perl in vorderste Front der Mahler Interpreten gesetzt. Nun präsentieren sie als Duo drei wichtige Liederzyklen des Komponisten.

Jenseits: Seine Tochter Maria-Anna starb nur kurze Zeit nach der Komposition… Fünf Lieder, die heute als „Rückert-Lieder“ zusammengefasst werden, runden das Programm ab, darunter ein sehr privates: „Liebst du um Schönheit“ ist Alma Mahler nach der Hochzeit zugeeignet, und bezeichnenderweise hat Mahler

dieses Lied nicht selbst orchestriert. Besondere Nähe und Authentizität erhält Rombergers und Perls Deutung der sehr persönlichen Gesänge durch den hervorragend feingestimmten Steinway Konzertflügel „Manfred Bürki“ aus dem Jahre 1901. Fazit: eine fein balancierte SACD-Aufnahme in klarer Schönheit. Lisa Eranos

Gustav Mahler (1860-1911) Rückert-Lieder, Lieder eines fahrenden Gesellen Kindertotenlieder Gerhild Romberger, Mezzosopran Alfredo Perl, Klavier

Außerdem erschienen: Gustav Mahler Das Lied von der Erde Fassung für Kammerensemble von Schönberg / Riehn Gerhild Romberger, Stefan Rügamer Detmolder Kammerorchester, Dirigent Alfredo Perl

MDG 903 1972-6 (Hybrid-SACD)

MDG 901 1845-6 (Hybrid-SACD)

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Foto: © Petra Hajska

CLASS : aktuell

Collegium Marianum

Von Böhmen nach Venedig Die Fagott- und Oboenkonzerte von Frantisˇek Jiránek

M

it Erlaubnis seines Dienstherren Graf Wenzel Morin konnte František Jiránek im Alter von 26 Jahren vom böhmischen Lomnitz nach Venedig reisen, um sich dort drei Jahre lang musikalisch inspirieren zu lassen. Zu dieser Zeit war Vivaldis Ruhm in der Lagunenstadt sowie in ganz Europa auf dem Höhepunkt und es ist denkbar, dass Jiránek sich selbst vom großen Violinmeister ausbilden ließ, sich jedoch zweifelsfrei in seinem Umfeld aufhielt. Dies wird durch die Tatsache belegt, dass Vivaldi seine „Vier Jahreszeiten“ dem Grafen Morin widmete und dieser einige Fagottkonzerte beim „Prete Rosso“ bestellte. Nach diesem italienischen Intermezzo kehrte Jiránek bis zum Tode des Fürsten nach Böhmen zurück und erhielt eine Anstellung in der Hofkapelle des sächsischen Premierministers Heinrich von Brühl in Dresden, wo er bis zu

seinem Tode lebte. Dies ist das Wenige, was wir über das Leben Jiráneks wissen und so sind auch die meisten seiner Werke in Vergessenheit geraten. Bereits 2010 widmete sich Supraphon der Wiederentdeckung des Komponisten und nahm dadurch einige Instrumentalwerke (die einzige Gattung, die er verfasste) mit dem Collegium Marianum auf. In der neuesten Einspielung aus dem Jahr 2016 sind Solokonzerte für Fagott, Violine und Traversflöte zu hören. Der Einfluss Vivaldis auf Jiránek ist nicht zu überhören: der Einfallsreichtum der Melodien, die innovative Instrumentierung und die Virtuosität verneigen sich zweifelsohne vor dem Venezianer. Dennoch vermochte es Jiránek gerade durch harmonische Finessen eine gewisse ‚böhmische Seele‘ beizubehalten. Als Solisten treten hierbei Größen der historisch informierten Aufführungspraxis wie der Fagottist Sergio Azzolini, Xenia Löffler an der Oboe oder die Geigerin Lenka Torgersen auf. Solisten und Ensemble spielen gleichermaßen elegant und inspiriert unter der Leitung von Jana Semerádová, die auch als Solistin an der Traversflöte zu hören ist. Eine wiederentdeckte Musik, die sich vor ihrem großen Vorbild nicht verstecken muss! Martin Bail Frantisˇek Jiránek (1698 -1778) Prager Musik aus dem 18. Jahrhundert Collegium Marianum Sergio Azzolini, Xenia Löffler, Lenka Torgersen Jana Semerádová, Ltg.

FRANK PETER ZIMMERMANN BERNARD HAITINK Staatskapelle Dresden

BEETHOVEN BRAHMS VON WEBER

Der phänomenal erfolgreiche Violinvirtuose Frank Peter Zimmermann begeistert mit dem Titan der Violin-Literatur: Beethovens Violinkonzert D-Dur. Livemittschnitt eines denkwürdigen Konzerts aus dem Jahr 2002 in der Edition Staatskapelle Dresden mit dem damaligen Chefdirigenten Bernhard Haitink.

Supraphon SU-4208

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PH09036

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Foto: © Konstantin Volkmar

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Guido Schiefen und Markus Kreul

Feuerwerk und Flammenzauber Guido Schiefen und Markus Kreul brennen für Schumann

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chumannia – besser könnte der Titel dieser SACD nicht gewählt sein! Guido Schiefen und Markus Kreul nehmen sich der Werke für Violoncello und Klavier an, und dass Robert Schumann tatsächlich nur die „Stücke im Volkston“ original für diese Besetzung vorgesehen hat, tut der Sache keinen Abbruch – im Gegenteil: Die enorme Wandlungsfähigkeit von Schiefens fantasiereich-virtuosem Cellospiel mit exzellenter Bogenführung lässt Schumanns Kammermusik ganz besonders erleben und hebt die wundervollen Lieder auch ohne Worte auf eine bezaubernd neue Stufe. Die unvergleichliche Stimmung von Eichendorffs „Zwielicht“ etwa erfährt eine bezwingende Spannung, die den fehlenden Text mehr als kompensiert, und Schiefen erlaubt sich die – einem Sänger unmögliche – Oktavierung der letzten Strophe, die in der beklemmenden Aufforderung mündet: „Hüte Dich! Bleib´ wach und munter!“ Mit Händen zu greifen ist Ophelias Verzweiflung in „Herzeleid“, die Markus Kreul mit großer Intensität schon aus den wenigen Tönen des Klaviervorspiels zaubert. Anders, als es der Titel nahelegt, warten die „Stücke im Volkston“ mit cellistischen Höchst-

schwierigkeiten auf. Es bedarf schon eines versierten Virtuosen, um den einfach gehaltenen Charakter der Werke mit der notwendigen technischen Brillanz zu versöhnen. Man höre nur einmal, wie die beiden Kammermusikspezialisten die Spielanweisung „Mit Humor“ des ersten Stückes umsetzen! „Adagio und Allegro“ ist ursprünglich für das Horn vorgesehen; aber jeder

Hornist muss vor Neid erblassen vor dem „feurig“, mit dem Schiefen und Kreul die Atmosphäre in Flammen setzen… Auch in den „Fantasiestücken“ und den „Drei Romanzen“ zeigt sich die große Klasse des Duos. Da sprüht die geradezu manische Begeisterung für das Romantische aus jedem Takt, da sitzt jede agogische Bewegung und jeder musikalische Einfall wird vom Partner unmittelbar aufgegriffen, verändert, zurückgeworfen – packend nachzuerleben als klangrealistisch eingefangenes Musikereignis auf dieser fein abgestimmten Super Audio CD – wer will kann sie im MDG eigenen 2+2+2 Verfahren in verblüffend dreidimensionaler Natürlichkeit wiedergeben. Heiß! Klaus Friedrich

Robert Schumann (1810 -1856) „Schumannia“ Werke für Violoncello und Klavier Guido Schiefen, Violoncello Markus Kreul, Klavier MDG 903 1971-6 (Hybrid-SACD)

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Rolando Villazón inszeniert

LaTraviata DVD: 733708 Blu-ray: 733804

Johann Sebastian Bach (1695 -1759) Das Wohltemperierte Klavier Ann-Helena Schlüter hänssler Classic HC16027 (2 CDs)

Leidenschaft für Bach Ann-Helena Schlüter legt beim Label Hänssler Classic ihre Sicht auf das Wohltemperierte Klavier von Johann Sebastian Bach vor. Ihre Beziehung zum Komponisten Bach prägt die musikalische Karriere der jungen Pianistin wie kein anderer. „Bach musste geahnt haben, dass seine Gabe zeitlos für die Ewigkeit war!“ Im Gespräch erläutert die Musikerin, weshalb das so ist.

„Visuell spektakulär“ The Huffington Post

Mitschnitt aus dem Festspielhaus Baden Baden 2015 Traumhafte Inszenierung im fantasievollen Umfeld einer Manege mit einer doppelten Violetta als Zirkusprinzessin Foto:bauzaun/www.photocase.de

Foto: © Pascal Roessler

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ls Pianistin sieht sich Ann-Helena Schlüter als Beleuchtungsmeisterin: Sie richtet die Aufmerksamkeit, richte das Licht. „Höre ich in Bach Erlösung, Sieg, Triumph oder Loslassen? Oder höre ich alles in einem Werk? Zwischen Spielen und Hören besteht ein großer Unterschied.“ sagt sie. „Dies bedeutet für mich: Mehr hören als machen. Das Machen ist letztendlich eine Selbstverständlichkeit. Ich öffne dem Hörer eine eigene Welt, nicht meine. Ich öffne ihnen eine Welt, in der sie ihre eigene entdecken und hören: Ihre eigenen Wunder, Räume, Wünsche und Gefühle. Der Orgelpunkt der Heiligkeit in Bachs Musik mischt sich mit unserer Welt wie ein immer wiederkehrendes Ostinato im gewöhnlichen Alltag. Seine musikalische Botschaft ist die des Trostes. Als Musikerin komme ich vom Erleben, Erinnern, vom Sinn her, nicht vom bloßen Wissensbegriff. Johann Sebastian ist darin mein Vorbild in seinem Kunstwerk aus Güte, Kraft, Freude und Geduld. Musik öffnet sich nicht immer selbst, ich möchte sie vorsichtig öffnen, nicht drücken oder erzwingen. Zum Himmel hin streckt sich Bachs Wohltemperiertes Klavier, stets die Augen nach oben gerichtet, winkt hinein, an jeder Kadenz, in jedem Auftakt aufs Neue, in jeder Pause, die Einladung immer wieder erneuernd. Die Schlüsse geben den Anfängen die Hand. Bach drückt auch den Tod, den Umgang mit Leid aus, in seiner absoluten und textlosen Musik wie hier so wie in den Johannes- und Matthäuspassionen. Bach unterstützt uns im Leben: Seine Klarheit und Reinheit in seinen musikalischen Ausdrucksformen schenkt uns die Sehnsucht nach innerer Stärke und Ruhe, gibt Kraft und Hoffnung. Wie schlicht und majestätisch leuchtet dieser Zyklus, nirgends aufgebläht – eine zärtliche, federnde Einladung, zu entspannen und zu verstehen. Bachs Musik ist wie ein Kompass, ein Knotenpunkt des Lebens, von wo aus wir immer wieder neue Richtungen einschlagen können mit der Gewissheit, wo wir herkommen, wer wir sind und wohin wir einmal gehen werden.“ Soli Deo Gloria – ganz im Sinn des Komponisten! Christina Hofmann

Mit Olga Peretyatko, Atalla Ayan, Simone Piazzola, Tom Fox, Emiliano Gonzalez Toro Balthasar-Neumann-Ensemble Balthasar-Neumann-Chor Pablo Heras-Casado „Die Premiere wird zum Triumph für die Olga Peretyatko in der Titelpartie“ Stuttgarter Zeitung Im Vertrieb der NAXOS Deutschland GmbH

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Kontrast und Konsens

KARL RICHTER EDITION BACH · MOZART HÄNDEL · HAYDN

31 CDs PH16010

Karl Richter, der in diesem Jahr 90 Jahre alt geworden wäre, hatte den Weltruf, den Stücken eine bis heute unerreichte Wärme, Liebreiz und Anmut verleihen zu können.

in einer Zeit persönlicher Lebenskrisen. Doch sie reagierten darauf mit vollkommen unterschied­ licher Musik: Während die Krise in Rachmaninov eine seiner sanftesten, melodiösesten und schöns­ ten Kompositionen heraufbeschwor, merkt man Prokofievs Sonate den inneren Kampf, den der Komponist aus­zustehen hatte, spürbar an. Sie blieb Musik mit Ecken und Kanten und in ihrer Mischung aus Aggression und Verletzlichkeit ein zutiefst menschliches Werk. Ergänzt wird dieses äußerst interessante Repertoire neben einem Arrangement des be­ rühmten Adagios aus dem Ballett „Aschenbrödel“ durch die selten zu hörende „Romanze“ Alexander Skrjabins. Sie ist vor allem deswegen selten zu hören, weil sie für die ungewöhnliche Duo-Kom­ bination Horn/Klavier geschrieben wurde. Hier erklingt sie als Transkription für Cello und Klavier. Johannes Moser und Andrei Korobeinikov zeigen auf diesem Album, wie faszinierend es klingen kann, wenn aus Kontrast Konsens wird. Ein Album, das denkenden Menschen eine echte Inspiration vermitteln kann. René Brinkmann

GÜNTER WAND

und die MÜNCHNER PHILHARMONIKER BRUCKNER: Sinfonien Nr. 4, 5, 6, 8, 9 SCHUBERT: Sinfonien Nr. 8 & 9 BRAHMS: Sinfonie Nr. 1 BEETHOVEN: Sinfonie Nr. 1 Sinfonien von Anton Bruckner, Franz Schubert, Johannes Brahms und Ludwig van Beethoven. Über 15 Jahre nach dem Tod Günter Wands wird in dieser CD-Box seine musikalische Arbeit mit den Münchner Philharmonikern dokumentiert, mit den Konzerten seit 1990, die mit eigener Digitaltechnik aufgezeichnet wurden.

12 CDs

8

CDs

PH16060

SVIATOSLAV RICHTER spielt BEETHOVEN Mstislav Rostropovich · USSR Symphony Orchestra Moscow Philharmonic · Kurt Sanderling · Kirill Kondrashin

Johannes Moser

PH16030

GUSTAV MAHLER EDITION Sinfonien, Konzerte, Sonaten, Kammermusik

21 CDs

Staatskapelle Dresden Wiener Philharmoniker New York Philharmonic Orchestra NDR Sinfonieorchester Diana Damrau · Hertha Töpper Brigitte Fassbaender Bernard Haitink · Klaus Tennstedt Bruno Walter · u.v.a.

PH14000

31 CDs

Zum 70. Geburtstag von RUDOLF BUCHBINDER:

WOLFGANG AMADEUS MOZART Klavierkonzerte

Rudolf Buchbinder · Wiener Symphoniker

PH14003

Profil Medien GmbH Edition Günter Hänssler . www.haensslerprofil.de Vertrieb: NAXOS DEUTSCHLAND GmbH · www.naxos.de

A

ndrei Korobeinikov ist ein passio­ nierter Pianist des russischen Reper­ toires. Johannes Moser hingegen, der große deutsche Cellist, der sowohl mit dem Preis der Deutschen Schallplattenkritik als auch zweimal mit dem ECHO Klassik ausgezeichnet wurde, hatte eigentlich be­ schlossen, sich dem russischen Repertoire lieber langsam anzunähern. Er hatte es nach eigenen Aussagen über Jahre hinweg sogar „bewusst vermieden“, Rachmaninov zu in­ terpretieren. Dann aber trafen beide Künstler zusammen, und Moser erkannte, mit jeman­ dem wie Korobeinikov könnte man das Wag­ nis eingehen. Plötzlich war sie da, die Lust auf Rachmaninov, auf Prokofiev, auf Skrjabin. Kontrast und Gemeinsamkeit auf der Inter­ pretenebene setzen sich auf diesem Album schließ­ lich auch in den beiden eingespielten Hauptwer­ ken fort: Sowohl Prokofiev als auch Rachmaninov schrieben ihre heute hochberühmten Cellosonaten

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Sergei Rachmaninov (1873 -1943) Sergei Prokofiev (1891 -1953) Werke für Violoncello und Klavier Johannes Moser, Violoncello Andrei Korobeinikov, Klavier Pentatone PTC5186594

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Foto: © Sarah Wijzenbeek

Wie nah Gegensätze und Gemeinsamkeiten in der Musik beieinander liegen, zeigt Cellist Johannes Moser auf seinem neuen Album für das niederländische High-End-Label Pentatone. Das beginnt bereits mit den Interpreten. Und es hört beim Werk nicht auf…

Ursula Buckel · Hertha Töpper John van Kesteren · Kieth Engen Ernst Haefliger · Aurèle Nicolet Münchener Bach-Chor Münchener Bach-Orchester Solistengemeinschaft der BachWoche Ansbach u.v.m.


CLASS : aktuell

Evelinde Trenkner und Sontraud Speidel

Zu den Quellen

Bedrˇich Smetana (1824 -1884) Má Vlast (Mein Vaterland) Piano Duo Trenkner / Speidel

Klavierduo Trenkner Speidel spielt Smetanas Originalversion

MDG 930 1960-6 (Hybrid-SACD)

‚‚D

ie Moldau“ gehört zu den ganz gro­ ßen Schlagern auf den Konzertpo­ dien in aller Welt. Bedrˇ ich Smetanas sagenhaft - mythisches Tongemälde ist auch deshalb so ungemein populär, weil hinter der überaus plastischen Naturschilderung ein tiefempfundenes Programm steht, das in den sechsteiligen Zyklus „Mein Vaterland“ eingebun­ den ist. Noch vor der Orchesterpartitur veröf­ fentlichte Smetana, der gerade sein 50jähriges Bühnenjubiläum als vielumjubelter Pianist vor Augen hatte, eine Fassung für Klavier zu vier Händen. Das Klavierduo Evelinde Trenkner und Sontraud Speidel hat sich jetzt der Mammutauf­ gabe angenommen und den gesamten, äußerst anspruchsvollen Zyklus eingespielt – und offen­ bart dabei manche Entdeckung in vermeintlich altbekanntem Repertoire. In der Klavierversion werden die raffiniert gearbeiteten motivischen und thematischen Zu­ sammenhänge, die den gesamten Zyklus durch­ ziehen, ganz besonders deutlich. Da ist zum Beispiel die Verwendung des Hussiten-Chorals „Die ihr Gottes Kämpfer seid“: Er wird in „Tábor“, einer Referenz an die von Anhängern des böhmischen Reformators Jan Hus gegründeten Stadt zuerst eingeführt, dann in „Blaník“, dem Rückzugsort der aufständischen Kämpfer aus­

Aber auch ohne historischen Hintergrund ist „Mein Vaterland“ natürlich ein großartiger Hörgenuss. Das gilt ganz besonders für die neue in akustisch edelster SACD-Technik pro­ duzierte Aufnahme: Das dreidimensionale 2+2+2-Recording lässt das Publikum in die Konzertsaalillusion eintauchen – und die böh­ mischen Mythengestalten quellfrisch und le­ bensnah auferstehen. Lisa Eranos

Auswahldiskografie Gustav Mahler: Sinfonie Nr. 1 und 2 (arr. für Klavier zu 4 Händen von Bruno Walter) MDG 930 1778-6 (2 Hybrid-SACDs)

gearbeitet, und schließlich verbindet sich das gegen die katholisch-österreichische Fremd­ herrschaft gerichtete Lied mit dem „Vyšehrad“Motiv, das die Ursprünge einer böhmischen Nation in der einstmals prächtigen Felsenfes­ tung in der Nähe von Prag beschwört. „Má Vlast“, das auch mit „Zugehörigkeit“ übersetzt werden kann, ist natürlich ein politi­ sches Statement nationaler Identität. Seit 70 Jahren eröffnet die Tschechische Philharmonie das Festival „Prager Frühling“ mit dem Werk – und setzt damit ein beständiges Zeichen ange­ sichts zunehmender kultureller Beliebigkeit.

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Gustav Mahler: Sinfonie Nr. 6 und 7 (arr. von Zemlinsky und Casella) MDG 337 0837-2 (2 CDs)

Arthur Honegger: Pacific 231 Maurice Ravel: Boléro N. Rimsky-Korsakov: Scheherazade Suite Symphonique op. 35 MDG 330 1616-2

Bach / Reger: Brandenburgische Konzerte MDG 330 0635-2 (2 CDs)

Bach / Reger: Orchestersuiten MDG 330 1006-2 (2 CDs)

Max Reger: Sämtl. Werke für zwei Klaviere MDG 330 0756-2


EINZIGARTIGE ERSTAUFNAHME VON DEN SCHWESTERN MARI KODAMA UND MOMO KODAMA

Foto: © Marco Borggreve, Karl Thumm, A.T. Schaefer, Theresa Pewal

CLASS : aktuell Sir Roger Norrington

Dorothea Seel

Julian Steckel

Helmuth Rilling

Mehr als nur „Sohn“

Ana-Marija Markovina

Der Komponist Carl Philipp Emanuel Bach wurde in den letzten Jahren wiederentdeckt. Kaum ein anderes Label hat mehr für die Würdigung des Komponisten getan, als Hänssler Classic. Nun erscheinen alle, wirklich alle von Hänsslers C.P.E. Bach-Aufnahmen in einer geradezu sensationellen Box.

PTC 5186 579

K Zum ersten Mal gemeinsam im Aufnahmestudio, nehmen uns die Schwestern Mari und Momo Kodama mit dem neuen Album voller lebendiger Arrangements von Schwanensee, Dornröschen und Nussknacker auf eine wundersame Reise in Tschaikowskys Ballett-Welt.

9 SACDs

PTC 5186 490

MEHR VON MARI KODAMA

Beethoven Complete Piano Sonatas

www.pentatonemusic.com Im Vertrieb von NAXOS Deutschland

ann man heutzutage Carl Philipp Emanuel Bach überhaupt noch unterschätzen? Trotz des Jubiläumsjahrs 2014, trotz einer nie dagewesenen Welle an C.P.E Bach-Neuerscheinungen kann es doch noch immer nicht schaden, auf das prominente Haydn-Zitat hinzuweisen: „…wer mich gründlich kennt, der muß finden, daß ich dem Emanuel Bach sehr vieles verdanke.“ Oder auch auf den Mozart zugeschrieben Satz über C.P.E. Bach: „Er ist der Vater; wir sind die Bubn.“ Kurz gesagt: Carl Philipp Emanuel Bach wird heute von den einen zwar endlich wieder als eines der Genies des 18. Jahrhunderts wertgeschätzt. Für die anderen ist er aber noch immer vor allem „einer der Söhne“ des großen Johann Sebastian Bach. Dabei war C.P.E. Bach nicht nur ein enorm kunstvoll komponierender, ungemein souveräner Komponist. Er hatte zudem auch einen so ebenso unverkennbaren, einzig- und manchmal eigenartigen Personalstil, wie er sonst nur seinem Vater nachgesagt wird. Aber Sichtweisen auf Komponisten haben eben auch viel damit zu tun, in welcher Qualität Bachs Musik am Tonträgermarkt verfügbar ist. Und da hat sich in Sachen C.P.E. Bach gerade in den letzten Jahren viel getan. Kaum ein anderes Label hat mehr für die Verbreitung von Bachs Musik geleistet als Hänssler Classic. Dies wird nun umso offensichtlicher durch die Veröffentlichung der bislang vollständigsten C.P.E.-­Bach-­Edition. Auf sage und schreibe 54 CDs bekommt man einen Einblick in Sinfonien, Konzerte, sämtliche Sonaten sowie einer großen Auswahl an Kammermusik. Mit Künstlern wie Helmuth Rilling und Sir Roger Norrington sind Pioniere der historischen

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Aufführungspraxis dabei ebenso vertreten wie die Weltstars Patrick Gallois und Julian Steckel oder natürlich auch die großen C.P.E.-BachSpezialisten der Neuzeit wie Michael Rische und Ana-Marija Markovina. Mit enthalten sind natürlich auch die gefeierten Einspielungen des Stuttgarter Kammerorchesters und der Camerata Salzburg. Kurz gesagt: Näher kam man einem vollständigen C.P.E. Bach-Werküberblick und damit auch dem Komponisten selbst wohl noch nie. René Brinkmann

Carl Philipp Emanuel Bach (1714 -1788) Sinfonien, Konzerte, Sonaten, Kammermusik Julian Steckel, Michael Rische Ana-Marija Markovina, Patrick Gallois u.v.a. Bach Collegium Stuttgart Camerata Salzburg, Leipziger Kammerorchester Stuttgarter Kammerorchesters Helmuth Rilling, Sir Roger Norrington hänssler Classic HC16000 (Box – 54 CDs)

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CLASS : aktuell

www.karl-andreaskolly.ch

Josef Suk

Ekstatisches Verlangen Karl-Andreas Kolly spielt Josef Suks Klavierkompositionen ein

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in doppelter Schicksalsschlag teilt Josef Suks Leben in ein Vorher und ein Nachher: Innerhalb eines guten Jahres verliert er zuerst seinen Mentor und Schwiegervater Antonin Dvorˇák, dann seine junge Ehefrau Otilile. Der Schweizer Pianist KarlAndreas Kolly zeigt in seiner neuesten Einspielung Spuren dieser Zäsur auf, die Suks gesamtes kompositorisches Schaffen durchziehen, und eröffnet damit einen erfrischenden Blick auf einen viel zu wenig beachteten Komponisten. Der Klavierzyklus op. 10 „Stimmungen“ steht noch ganz in bester böhmischer Tradition; Dvorˇáks Einfluss ist unüberhörbar. Rhythmus und Harmonie der fünf zauberhaften Charakter­ stücke lassen Erinnerungen an die Volksmusik im östlichen k.u.k-Reich aufkommen, oft mit dem typischen, leicht melancholischen Unterton – und es zeigt sich, dass der überaus erfolgreiche Geiger Suk auch ganz offensichtlich ein gutes Händchen für das Klavier besaß. Das kommt auch dem Zyklus op. 30 zugute, dessen etwas rätselhafter Titel „Erlebtes und Erträumtes“ die Fantasie des Publikums beflügelt. Weitere Hilfen gibt Suk dem Hörer nicht mit auf den Weg durch die Klangwelt der zehn Stücke. Und dennoch steigen Bilder auf: Spie-

lende Kinder vielleicht, die sich auch mal zanken; ein Trauerzug, der in gewaltigem, schmerzhaftem Ausdruck kulminiert; ein rätselhaft-suchendes Adagio, das den Kreis beschließt – faszinierend, wie es Suk gelingt, die Assoziationen hervorzulocken! Weit entfernt hat Suk sich hier vom Kolorit seiner Heimat – zu Gunsten einer sehr individuellen Tonsprache, die auch Einflüsse des franzö­ sischen Impressionismus aufgenommen hat. Karl-Andreas Kolly beschließt sein SukRecital mit einem „Liebeslied“, das mit sehnsuchtsvoll-schmachtender Vorhaltsharmonik ekstatisches Verlangen in Klänge fasst. Da möchte man gar nicht mehr aufhören… Zumal die Tonmeister von MDG auch diese Aufnahme wieder mit allerfeinster SACD-Technik eingefangen haben, hochauflösend und in 3D, für das perfekte lukullische Musikerlebnis zu Hause. Klaus Friedrich

Josef Suk (1874 -1935) Klavierwerke Karl-Andreas Kolly, Klavier MDG 903 1956-6 (Hybrid-SACD)

Weitere Einspielung: César Franck (1822 -1890) Kammermusik Karl-Andreas Kolly, Klavier Simone Riniker, Violine David Riniker, Cello MDG 903 1855-6 (Hybrid-SACD)

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CLASS : aktuell

CLASS‘ musikalis zu den Festtagen Die Mitglieder von CLASS verlosen je drei Exemplare der musikalischen Empfehlungen. Um an der Verlosung teilzunehmen, senden Sie uns bitte einen selbstgebastelten Weihnachtststern oder den Entwurf eines selbstgestalteten Weihnachtssterns und verraten Sie uns, in welcher Zeitschrift Sie CLASS: aktuell entdeckt haben.

Gustav Mahler Symphony X International Mahler Orchestra Yoel Gamzou

WERGO WER 51222

Dave Brubeck A Dave Brubeck Christmas

Gustav Mahlers Symphonie Nr. 10 ist die letzte und einzig unvollendete in seinem Gesamtwerk. Der junge Dirigent und Komponist Yoel Gamzou hat es sich zur Aufgabe gemacht, Mahlers Unvollendete zu rekonstruieren und erntete höchstes Lob von Kritik und Publikum.

Telarc CD-83410

Andreas N. Tarkmann Die Prinzessin auf der Erbse & Der Mistkäfer Für Sprecher und Kammerorchester nach den Märchen von Hans-Christian Andersen Juri Tetzlaff, Erzähler Kinderchor der Oper Stuttgart, Württembergisches Kammer­ ochester, Ruben Gazarian, u.a. Coviello CLASSICS COV91615

Johann Sebastian Bach Messe h-Moll Thomanerchor Leipzig Leipziger Barockorchester, Thomaskantor Georg Christoph Biller

Andreas Tarkmann beweist einmal mehr seine Meisterschaft, mit wenigen kompositorischen Mitteln plastisch erlebbare Szenarien zu entfalten.

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Dave Brubeck hat seinen persönlichen traditionellen Weihnachts-Lieblingsliedern das verliehen, was er als eine persönliche Aussage bezeichnet, die mit der neugierigen Mischung aus der Freude und der Melancholie von Weihnachten spricht. Seine Interpretationen sind wahre Schätze.

Rondeau Production ROP404849

Ausgabe 2016/4

„Klanglich neue Maßstäbe“, so lobte die Leipziger Volkszeitung die Aufführung der h-Moll-Messe des Thomanerchores Leipzig: das Werk, mit dem der große Thomaskantor Bach die künstlerische Bilanz seines Lebenswerks zieht. Die glanzvolle Interpretation ist endlich wieder auf CD in neuem Gewand erhältlich.


CLASS : aktuell

Zusendung: per Post an:

Antonio Vivaldi Oboen- und Fagottkonzerte Matthias Ràcz, Fagott Simon Fuchs, Oboe KKO Mannheim, Johannes Schlaefli

CLASS, Bachstraße 35, 32756 Detmold per Fax an:

05231-26186 per E-Mail an:

class@class-germany.de Einsendeschluss:

24. Dezember 2016 Wünsche werden, wenn möglich, berücksichtigt.

ARS Produktion ARS 38 208  (Hybrid-SACD)

Josef & Michael Haydn Franz Xaver Gruber „Heiligste Nacht “ Weihnachtliche Motetten Hassler Consort, Franz Raml (Ltg.)

MDG 614 1048-2

Voller Charme und Esprit präsentiert das Hassler-Consort auf dieser CD bezaubernde Weihnachtsmusik. Mit Freude und Eleganz werden diese jubelnden und ruhig-lyrischen Lieder und Werke ausgekostet. Ein Genuss für Hörer, die Weihnachtsmusik lieben.

Dem Himmel entgegen Werke von Muffat, Rosier, Telemann, Jacquet de la Guerre Cölner Barockorchester

Coviello CLASSICS COV91603

Mendelssohn, Mozart Klavierkonzerte Danae Dörken Royal Northern Sinfonia Lars Vogt

ARS Produktion ARS 38 210  (Hybrid-SACD)

Danae Dörken ist eine der außergewöhnlichsten jungen Künstlerinnen ihrer Generation. Ihr atemberaubendes Talent für Gestaltung und Farben machen diese Aufnahme zu einem beeindruckenden Erlebnis.

Vivaldis Instrumentalkonzerte höchst musikalisch musiziert von Simon Fuchs und Matthias Ràcz mit dem KKO Mannheim unter Johannes Schlaefli. Warum sich nicht Weihnachten verwöhnen?

Im weitesten Sinne „himmlische Musik“ hat das Cölner Barock­ orchester auf seiner Debüt-CD eingespielt. Auf höchstem musi­ka­lischem Niveau entsteht ein faszinierendes Bild des Spannungsfelds barocker Affekte zwischen Erdenschwere und Jenseitsbezug.

Édouard Lalo Symphonie espagnole Juan Manén Concierto español Tianwa Yang Barcelona Sinfonieorchester Darrell Ang

NAXOS 8.573067

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Dieses neue NAXOS-Album entführt seine Hörer in die feurige Klanglandschaft Spaniens. Zwei hoch virtuose Violinkonzerte stehen hier auf dem Programm, bei denen die zweifache ECHO Klassik-Preisträgerin Tianwa Yang erneut zeigen kann, dass sie zu den besten Geigerinnen unserer Zeit gehört.


CLASS : aktuell

Nacht und Träume Werke von Schubert und Strauss VirCanto

Ella Fitzgerald Wishes You a Swinging Christmas

Phoenix  131567

Jingle Bells; Santa Claus Is Coming To Town; Have Yourself A Merry Little Christmas; What Are You Doing New Year’s Eve?; Sleigh Ride; The Christmas Song; Good Morning Blues; Let It Snow! Let It Snow! Let It Snow!; Winter Wonderland; Rudolph The Red-Nosed Reindeer; Frosty The Snowman; White Christmas; The Secret Of Christmas; Medley: We Three Kings Of Orient Are / O Little Town Of Bethlehem; Christmas Island; The Christmas Song [Version 2]; White Christmas [Version 2]; Frosty The Snowman [Version 2]; I’ve Got My Love To Keep Me Warm; Santa Claus Got Stuck In My Chimney

Coviello CLASSICS COV91609

Die legendäre Sängerin beschenkt ihre Zuhörer mit einer modernen und dennoch anheimelnden Zusammenstellung von beliebten Weihnachtsliedern. Die First Lady des Jazz nahm diese Stücke 1960 auf, als sie sich auf dem Höhepunkt ihres Könnens befand.

El canto quiere ser luz Das Lied will Licht sein Kubanische Chormusik Werke von Valera, Hernández, Cal, Brouwer, Silva etc. Coro Nacional de Cuba Kammerchor Entrevoces Digna Guerra, Ltg.

MDG 602 1704-2

Christmas Break Relaxing Jazz for the Holidays mit Oscar Peterson, Dave Brubeck, Al Di Meola, Ray Brown Trio, Mel Torne u.a.

Telarc CD-83657

ambitus  amb 96955

L‘amore e la morte (Liebe & Tod) Werke von Wagner und Liszt Susanne Bernhard, Sopran Harald Feller, Orgel

TYXart TXA15055

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Genau das Richtige nach den anstrengenden Weihnachtsvorbereitungen. Christmas Break: Relaxing Jazz for the Holidays enthält eine Fülle von klassischen Weihnachtsliedern, dargeboten im entspannten Jazz-Feeling.

fantasia italiana per clarinetto e piano Rolf Weber, Klarinette Kazue Tsuzuki, Klavier

Der kubanische Nationalchor und seine Solisten bieten ein überaus farbiges und abwechslungsreiches Abbild kubanischen Chorgesangs. Lebendig, temperamentvoll, voller Dynamik und mit traumwandlerisch sicherer Intonation. Eine großartige Einspielung wie man sie selten hören kann.

Die zwei großen Menschheitsthemen Liebe und Tod stehen auf geheimnisvolle Weise miteinander in Beziehung. Die außerge­ wöhnliche Besetzung mit Sopran und Orgel sowie die hervorragenden Künstler Susanne Bernhard und Harald Feller lassen die Musik Richard Wagners (Tristan und Isolde, Wesendonck-Lieder) und Franz Liszts (Orpheus, Lieder) in einem anderen, faszinierend neuen Licht erscheinen.

Das männliche Vokalensemble VirCanto stellt hier einen hellen nächtlichen Reigen vor, in faszinierendem Wechsel von solistischer Brillanz und perfekter Verschmelzung im Ensembleklang.

Mit Transkriptionen berühmter Opernmelodien (Rossini  / Verdi), in denen die Klarinette den feinfühligen Ausdruck der menschlichen Stimme wiedergibt und veredelt, gelingt es dem Duo verborgene und selten zu hörende Schätze zu heben.

swan fake Uwaga! Plus Dortmunder Philharmoniker

Uwaga! classical crossover – einzig stilübergreifend. Ein Album, das konsequent die Grenzen der Klassik erweitert mit virtuosen Musikern, die mit ihrer Klangästhetik die Herzen der Menschen zutiefst berühren. ARS Produktion ARS 38 220  (Hybrid-SACD)

Ausgabe 2016/4


CLASS : aktuell

Fanny Hensel Felix Mendelssohn Duette für 2 Soprane Judith und Felicitas Erb Doriana Tchakarova

Mozart con Tromba Matthias Höfs, Trumpet Anke Dill, Stefan Fehlandt, Gustav Rivinius, Florian Wiek

ES-DUR ES 2068

MDG 947 1651-6 (Hybrid-SACD)

Vom Reiz der Musik Wolfgang Amadeus Mozarts angezogen, von der Freude auch, ihren virtuosen und bekanntermaßen verspielten Kern herauszufeilen, haben sich der Trompeter Matthias Höfs und seine Kammermusikpartner leiten lassen und präsentieren wundervolle Transkriptionen von Werken wie dem ‚Kegelstatt-Trio‘ KV 498, dem Andante in C-Dur KV 315 oder dem Konzert für Flöte und Harfe KV 299. Mozart aus einer ganz neuen Perspektive!

ARS Produktion ARS 38 201  (Hybrid-SACD)

In dulci jubilo Weihnachtliche Chormusik der Romantik Norddeutscher Figuralchor Jörg Straube, Ltg.

C. P. E. Bach 4 Symphonies Wq 183 6 Sonatas Wq 184 Ensemble Resonanz Riccardo Minasi

Auch mit dieser Einspielung erhalten Freunde weihnachtlicher Chormusik eine unkonventionelle, abwechslungsreiche und niveau­volle Alternative zu vielen anderen, mit Kitsch beladenen Weihnachtsplatten – eben besinnliche Weihnachten.

Ensemble Resonanz und Dirigent und ECHO Klassik-Gewinner 2016 Riccardo Minasi präsentieren die 2. CD mit späten Werken von C. P. E. Bach. Die Symphonien Wq 183 werden mit großer Leiden­schaft gespielt, außerdem 6 kleine Juwelen: Die Weltersteinspielung der Bläsersonaten Wq 184!

ES-DUR ES 2070

Fritz Wunderlich Arien aus Oper, Operette und Film

Brahms Klaviersonate Nr. 3, op. 5 Berg Klaviersonate, op. 1 Vincent Larderet, Klavier

Chor des Bayerischen Rundfunks Münchner Rundfunkorchester

BR Klassik 900314

Diese Musik tut der Seele gut und hat etwas Heilsames. Es geht hier, zumindest vordergründig, „nur“ um Natur, Blumen, Vögel, Jahreszeiten. Interessant, dass z.Zt. wieder solch eine Sehnsucht nach „Idylle“ aufkommt, wie sie in dieser Musik vorhanden ist.

Obwohl es mittlerweile fünfzig Jahre her ist, dass Fritz Wunderlich auf tragische Weise ums Leben kam, blieb seine unvergleichliche Tenorstimme unvergessen. Auf der von BR Klassik anlässlich seines 50. Todestages neu veröffentlichten CD präsentiert sich Fritz Wunderlich in frühen, bislang nicht veröffent­ lichten Rundfunkaufnahmen.

ARS Produktion ARS 38 217  (Hybrid-SACD)

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Jugend-Meisterwerke, die nur 50 Jahre trennen und in denen sich schon das schöpferische Genie mit einer außer­ gewöhnlichen Authentizität und Reife deutlich abzeichnet. Laderet gelingt auch mit dieser Einspielung wieder eine beeindruckende Interpretation.


CLASS : aktuell

Klassik:XL! Bravi! Bravissimi! Ein herausragendes Klang- und Veranstaltungskonzept!

A

uch in diesem Jahr veranstaltete CLASS ein Vorkonzert zum ECHO Klassik. Man kann den Verantwortlichen nur gratulieren für die grandiose Idee und die reibungslose Durchführung, denn so etwas organisiert sich nicht einfach von selbst. Eingeladen wurde wie 2015 zum Benefizkonzert in den

großen Saal der Universität der Künste in Berlin. Es mag ein Risiko sein, mit einem Kammerkonzert in einen so großen Saal zu laden, der einst die Berliner Philharmoniker und Herbert von Karajan beherbergt hatte. Und dennoch: alle kamen, alle hörten und staunten... Mit bis auf wenige Plätze ausverkauftem Parkett haben die

Berolina Ensemble

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Ausgabe 2016/4

Veranstalter einen hervorragenden Zuspruch erhalten. Kein Wunder, denn es standen sieben hochkarätige Ensembles und Solisten auf dem Programm, die allesamt in diesem Jahr einen der begehrten ECHO-Klassik-Preise entgegennehmen konnten. Dazu ein Repertoire mit spannenden Begegnungen und einer klugen Mischung


Fotos: © www.sinissey.de - Sinisa Wagner

von Bekanntem – bisweilen im neuen Kleid – aber auch völlig unbekanntem Repertoire. Sogar für den Kenner wimmelte es geradezu von Trouvaillen, bei denen man sich unwillkürlich fragte, warum diese Werke sonst nie im Konzertsaal präsentiert werden. Und offenbar hatte es sich herum gesprochen, dass bei dieser Konzeption eindeutig weniger die Pflege der Abendgarderobe als die der Musik und der Kunst der Interpretation im Vordergrund steht. Einen roten Teppich suchte man bei Klassik:XL allerdings vergeblich. Dafür gab es ein pfiffig durchmoderiertes Konzert, bei dem

Steffen Schleiermacher und Holger Falk

ein gut gelaunter und hoch motivierter Steffen Schleiermacher auch die längste Umbaupause in einem musiktheoretischen Genuß verwandelte. Dass zudem noch eine Live-Übertragung über Klassik:TV und eine Aufzeichnung für CD und eine Sendung im Deutschlandradio stattfanden, sei denjenigen zum Trost gesagt, die dieses Ereignis bisher verpasst haben. Als Entree betrat das groß besetzte Berolina Ensemble mit dem Oktett für Klavier, drei Violinen, Flöte, Klarinette, Violoncello und Kontrabaß in d-Moll von Waldemar von Bausznern die Bühne. Ein fahler, fast monochromer Beginn im

Aurelia Shimkus

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Klavier, dazu wehte ein Unisono von Klarinette und Violoncello verhalten in den Saal, immer mehr Instrumente gesellten sich hinzu, um sich schnell zu einem farbenprächtig leuchtenden Gesamtklang aufzufüllen, bei dem die bestens aufgelegten Bläser und Streichersolisten hervorragend mit dem Klaviersatz harmonierten. Der erste Satz „Zug durch die Puszta“ ist wie das ganze Oktett eine Reminiszenz des Kom­p o­ nisten an seine siebenbürgische Heimat. Er überrascht immer wieder durch rasche Stimmungswechsel und lässt durch manche pointierte harmonische Wendung aufhorchen. Zugegeben,


CLASS : aktuell

Bassoon Consort Frankfurt

Waldemar von Bausznern ist heute allenfalls kaum jemandem bekannt, „auch mir nicht“ – wie Steffen Schleiermacher in seiner launigen Anmoderation freimütig bekannte: „dabei hätte dieser Komponist und dieses Werk es wahrlich verdient, zumal er später in Berlin, sogar an eben dieser Hochschule wirkte…“ In dieser Art ebenso kenntnisreich wie augenzwinkernd informiert, folgte mit „Czardas“ noch der zweite Satz des Oktetts, bei dem die virtuose

Concert Royal Köln

Spielfreude der Solisten wie ein ansteckender Funke übersprang; was für ein grandioser Auftakt mit viel verdientem Applaus! Mit Erik Satie folgte ein ganz anderes Kapitel – interessanterweise hat er in etwa dieselben Lebensdaten wie von Bausznern, und er gehört auch sicher zu den bekannteren Komponisten des 20. Jahrhunderts. Dennoch ist seine Musik irgendwie nicht im Bewusstsein des Konzertbesuchers – möglicherweise ist seine Biografie mit dafür

Im Foyer gespannte Erwartung

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Ausgabe 2016/4

verantwortlich, denn er hatte Zeit Lebens Probleme, sich mit Gelegenheitsarbeiten sei es für Bühnenmusiken, sei es für Chanconiers finanziell über Wasser zu halten. Vielleicht entstand gerade hieraus diese völlig überraschende Musik, die der Bariton Holger Falk und Steffen Schleiermacher am Klavier vor atemlos lauschendem Publikum zu Gehör brachten: Schon im ersten Zyklus „Ludions“ – er ist dem Spätwerk zuzurechnen und datiert aus dem Jahr 1923 – faszinierte Holger Falk mit einer großen Bandbreite an Stimmfarben und seinem enormem Stimmumfang. Seine Art der Präsentation ließ genau erahnen, was der französische Text bedeuten könnte, auch wenn man der Sprache nicht mächtig ist. Mit Steffen Schleiermacher hatte der Sänger außerdem traumhafte Begleitumstände, denn es gelang ihm den teils schlichten Klaviersatz, den teils kargen, teils fremdartigen Akkordgefügen ein sublimes klangliches Leuchten beizufügen. Der Clou waren danach vielleicht die beiden Stücke, zu denen der Text verschollen bzw. nicht überliefert ist: In „Rambouillet“ pfiff ein völlig gelöst wirkender Holger Falk die kurze Melodie kurzerhand und zum Vergnügen des Publikums, um in „Enfant-Martyre“ gar stimmlich und ansatzlos ins Posaunenfach zu wechseln… Mit dem ohrwurmartigen „Je te veux“ und seiner dezent aber höchst wirkungsvoll platzierten Mimik landete Holger Falk einen absoluten Publikumserfolg, um sich dann – quasi in aller Stille – mit der im feinsten pastellfarbenen Pianissimo vorgetragenen „Elegie“ zu verabschieden. Das war hinreißend, und hier hat die Jury des ECHO


CLASS : aktuell

Benefizkonzert „Klassik: XL“ Programm 8. Oktober 2016 , 19:00 Uhr Konzertsaal der Universität der Künste, Hardenbergstraße / Ecke Fasanenstraße Durch das Programm führte der Komponist und Pianist Steffen Schleiermacher Künstler / Programm

CD

ECHO Klassik-Preisträger 2016 „Kammermusik-Einspielung“ 19. Jh. / gemischtes Ensemble

Berolina Ensemble Waldemar von Bausznern (1866-1931) – Oktett (1. + 2. Satz), Zug durch die Puszta + Czardas

MDG 948 1937-6 (Hybrid-SACD)

ECHO Klassik-Preisträger 2016 „Solistische Einspielung / Lied / Gesang“

Holger Falk  Bariton + Steffen Schleiermacher  Klavier Erik Satie (1866-1925) – Mélodie et Chansons

Klassik tatsächlich eine Trouvaille mit Traumbesetzung ausgezeichnet. Aurelia Shimkus sieht man es nicht an. Aber tatsächlich gehört sie zu denjenigen jungen Wilden, die mit Macht und blendender Virtuosität aber gleichzeitig bescheidener Anmutung die Bühne stürmen. Liszt B-A-C-H ist sicher kein Randrepertoire, und wenn man das zur Auf­ führung bringt, dann ist man bestrebt alles an technischer Raffinesse auf die Tasten zu fokussieren. Man kann sich gut vorstellen, dass der junge Liszt ebenso kühn das Publikum zwischen Verzückung und Raserei führte, wie er die Klaviertechniker zur Verzweiflung gebracht haben muss. Mit dem Choral aus Bach / Busoni „Ich ruf zu Dir, Herr Jesu Christ“ setzte Aurelia Shimkus noch einen veritablen Kontrapunkt, denn wenn Liszt auch das Thema B-A-C-H deutlich und andauernd verwendet, eben weil es harmonisch so überaus spannend ist, so hat das Werk (wie vermutlich Liszt auch) mit Bach als Komponisten gar nichts gemein. Ganz anders Busoni, der als großer Klaviervirtuose viele Werke Bachs bearbeitet, kommentiert und sogar komposi­ torisch erweitert hat. Irgendwo zwischen „Er müsste Meer heißen, statt Bach“ (Beethoven) und „kein Tach ohne Bach“ (Kardinal Meissner) lokalisiert sich das Bassoon Consort Frankfurt: Acht Fagottisten samt Kontrafagott gruppieren sich um ihren Mentor Hendrik Rabien, der zunächst aus päda­go­gi­ schen Gründen die Goldbergvariationen für seine Studenten arrangierte. Zu wechselnden Besetzun­ gen vom tiefsten Baß- bis zum schmeichelnden,

MDG 613 1926-2

ECHO Klassik-Preisträger 2016 „Nachwuchskünstlerin Klavier“

Aurelia Shimkus  Klavier Franz Liszt (1811 - 1886) Fantasie + Fuge über das Thema B-A-C-H

ARS 38196 (Hybrid-SACD)

ECHO Klassik-Preisträger 2016 „Kammermusikeinspielung“ 17. / 18. Jh. / Bläser

Bassoon Consort Frankfurt  Fagott-Oktett Johann Sebastian Bach (1685 - 1750) Goldbergvariationen (Auszug)

MDG 903 1914-6 (Hybrid-SACD)

Pause ECHO Klassik-Preisträger 2016 „Surround Einspielung“ erste 3D Kopfhörer Aufnahme

Concert Royal Köln Johann Georg Linike (ca. 1680 - 1762) – Sonate für Violine, Oboe und Bc + Sonate für 2 Oboen und Bc

Musicaphon M56972 (Hybrid-SACD)

ECHO Klassik-Preisträger 2016 „Editorische Leistung des Jahres“

Doris Hochscheid  Cello + Frans van Ruth  Klavier Rudolf Escher (1912 - 1980) Sonate concertante

Audiomax 903 1910-6 (Hybrid-SACD)

ECHO Klassik-Preisträger 2016 „Nachwuchskünstler Geige“

Friday Nights with Yury Revich Festival Ensemble   Guiseppe Tartini (1692 - 1770) – Teufelstrillersonate Antonio Vivaldi (1678 - 1741) ARS 38170 Der Sturm aus „Die vier Jahreszeiten“

(Hybrid-SACD)

Der Sender Klassik.TV übertrug das Konzert live und stellt es für Sie auf seiner Internetseite bereit unter: www.klassik.tv/live/klassikxl-2016.html

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CLASS : aktuell

Frans van Ruth und Doris Hochscheid

bisweilen koboldhaften Diskantregister hat er wortwörtlich die Vorlage übertragen und vergnüglich aufgeführt. Dass das rauschhafte 16telPerlen eines Cembalos nicht zu erwarten ist, sollte klar sein. Dennoch überrascht bei aller satter Tieftönigkeit die strukturelle Durchhörbarkeit der Stimmen, was sicher auch auf die geschickte stereophone Verteilung zurück zu führen ist. Vielleicht wäre eine schlüssigere Verbindung der einzelnen Variationen ohne aufwendiges Blättern wirkungsmächtiger gewesen – aber das Ensemble hat die abschließenden fünf Variationen in aller Opulenz und virtuoser Klangpracht aufgeführt, und die mit fagottistischen Auszierungen versehene Aria entließ das Publikum rundum heiter gestimmt in die Konzertpause. Mit Johann Georg Linike betrat das schon im vergangenen Jahr ausgezeichnete Concert Royal die Bühne der UdK. Linike stammt aus Mecklenburg und lebte etwa zur Zeit Bachs. Der Musikgeschmack hatte sich schnell geändert und seine Musik schlummerte seitdem in irgendwelchen Archiven völlig unbeachtet, bis sie für die CD-Aufnahme entdeckt wurde. Seine Sonate für 2 Oboen und Bc. und für Violine und Oboe mit Bc. wurden stilrein in alter Stimmung präsentiert. Es braucht immer einen Moment der Umstellung, aber wenn dann bisweilen Akkorde in unvergleichlicher Reinheit im Raum entstehen und andere durch die Stimmung eine zusätzliche Spannung erhalten, dann gibt das der Musik doch ein besonderes Hörerlebnis, das uns durch die gleichschwebend temperierte

Friday Nights with Yury Revich Festival Ensemble

Stimmung abhanden gekommen ist. Faszinierend, wie sich Karla Schröters herber Oboenklang mit dem so weich und klar konturierten Generalbaß von Cembalo und Cello ergänzte. Vielleicht hätte eine reichere Akustik – etwa einer barocken Kirche – dieses Ensemble noch viel besser zur Geltung gebracht. In jedem Fall ist diese Musik eine veritable Entdeckung, zu der man Musikern und Produzenten nur gratulieren kann. Wenn eine Serie von sieben CDs mit einem ECHO Klassik für die editorische Leistung ausgezeichnet wird, dann erübrigt sich die Frage „Braucht man das?“, die Steffen Schleiermacher rhetorisch in den Saal rief: „Die niederländische Cellosonate! Natürlich braucht man das...“ In der Tat haben Doris Hochscheidt und Frans van Ruth einen immensen Schatz von zum Teil völlig unbekannten Cellosonaten aus ihrem Land entdeckt und aufgeführt. Und dabei haben sie Bezüge zu allen Musikern und europäischen Musikmetropolen herstellen können. So hat z.B. Julius Röntgen, dessen „Cinq Morceaux“ sie spielten, zusammen mit Brahms als Dirigent dessen 2. Klavierkonzert aufgeführt. Die jahrelange gemeinsame musikalische Arbeit der Musiker teilte sich unmittelbar mit. Die beiden bilden ein wirkliches Duo, nicht ein mal eben zusammengestelltes ad hoc Ensemble. Da sitzt jede Phrase, da stimmt jeder Atmer, jede Zäsur, der Zusammenklang, die Intonation. Dass sie zudem auf sämtliche Starallüren verzichten und nicht sich selbst, sondern die Musik in den Mittelpunkt rücken, machte diesen Auftritt

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besonders sympathisch. Als Zugabe erklang das Werk „Extase“ von Josph Hollmann – der in Paris mit Saint-Saens zusammen traf. Vielleicht erklärt dies, dass sich hinter dem (für uns heute) eher irreführenden Titel eine ergreifend schöne Musik verbirgt – wie uns die Moderation verhieß – der eigentlich „noch schönere“ niederländische Schwan... Nach dieser stillen Ekstase stand Friday Nights with Yury Revich Festival Ensemble in der Vorankündigung, und als Guiseppe Tartinis Teufelstrillersonate auf den Notenpulten stand, war klar, dass hier solistische Glanzleistungen programmiert waren. Die der Legende nach vom Teufel höchstselbst im Traum eingegebenen Vertracktheiten gehörten seinerzeit zum Unerhörtesten, was man sich vorstellen konnte, und auch heute macht mancher Virtuose gern einen weiten Bogen um solche Werke, erwartet das Publikum doch (vermutlich völlig zurecht) ein Feuerwerk an Artistik und Fingerfertigkeit. Jedenfalls hat Yury Revich diesbezüglich niemanden enttäuscht, wenn er teils deftig, aber stets mit viel Energie und Temperament seine breite Ausdruckspalette in Ton und Gestik vorführte. Mit dem Sturm aus Vivaldis Jahreszeiten rauschte schließlich noch eines der populärsten Werke der Musikgeschichte über die Bühne, bevor sich alle Beteiligten mit langem, höchst verdientem Applaus von den über 900 Zuhörern im Saal verabschiedeten. Fazit: Ein grandioses Erlebnis!

Lisa Eranos


Im Blickpunkt

CLASS : aktuell Kammermusik

W.A. Mozart (1756 -1791) Frühe Streichquartette Vol. 1 KV 80, 155, 159, 169, 170 Leipziger Streichquartett

Alte Musik

Jean Sibelius (1865 -1957) Streichquartette op. 56 & JS 183 Leipziger Streichquartett MDG 307 1957-2

MDG 307 1975-2

Mit Mozarts zehn berühmten Streichquartetten hat das Leipziger Streichquartett bereits vor Jahren für Furore gesorgt. Jetzt widmet sich das vielfach preisgekrönte Ensemble den nahezu unbeachteten Jugendwerken des Salzburger Meisters – mit eindeutigem Ergebnis: Vor allem die unnachahmliche Geschmeidigkeit der Melodien zeigt den überbordenden Einfallsreichtum des noch jungen Genies.

Zeitvertreib Die fünf eingespielten Quartette komponierte Mozart im Alter von 14 bis 17 Jahren, das erste davon, KV 80, während einer Übernachtung auf der Reise nach Mailand in einem Gasthof in Lodi, aus Langeweile, wie Vater Leopold nach Hause schrieb. Vor allem die langsamen Sätze überzeugen, und wenn die Perfektionierung der Satzkunst in den schnellen Sätzen noch nicht immer mit den geradezu sprudelnden Ideen mithalten kann, so entsteht doch immer ein überaus frischer Eindruck, der manche muntere Überraschung bereithält. Wie in manchen Quartteten aus Haydns Feder beginnt KV 170 mit einem Variationensatz. Aber schon das Thema ist alles andere als konventionell: Eine eingeschobene Pause bricht die „klassische“ Symmetrie, und dass nicht alle Variationen genau wie die Vorlage wiederholt werden, sorgt für zusätzliche Spannung. Das Leipziger Streichquartett präsentiert diese Stücke mit der richtigen Mischung aus Unbefangenheit und Souveränität, die jetzt schon Lust auf die Fortsetzung macht!

Schon mit den ersten Tönen seines Streichquartetts „Voces intimae“ entführt Jean Sibelius den Hörer in eine faszinierende nordische Vorstellungswelt. Und gleichzeitig beendet er eine persönliche Schaffenskrise, die alles Spätromantische hinter sich lässt und den Weg in eine moderne und gleichzeitig höchst individuelle Tonsprache weist. Das Leipziger Streichquartett setzt diesem Meilenstein ein Jugendwerk zur Seite, das mit originellen Einfällen überrascht, dabei aber höchsten kompositorischen Ansprüchen genügt.

Offene Frage… Als Abschlussarbeit verfasste Sibelius das a-Moll-Quartett 1889 und gewann damit höchste Anerkennung. Dass der Student den Kontrapunkt perfekt beherrscht, belegen schon aufregende Fugato-Passagen im Kopfsatz; ob allerdings auch die Anklänge an den heute in Finnland so populären Tango an der Hochschule gelehrt wurden, bleibt offen… Das Leipziger Streichquartett findet in dieser Neueinspielung in neuer Besetzung zu einer Ausdruckstiefe, die Ihresgleichen sucht. Man hört überschäumend-wilde Ausgelassenheit in den Finalsätzen, die in größtmöglichem Kontrast zum einsam-verlassenen Beginn steht! Mit dem frühen a-Moll-Quartett liefern die Leipziger eine hochwillkommene Repertoirebereicherung.

Ulrich Leyendecker (*1946) Streichquartette 1 - 3 Quintett für Baßklarinette und Streichquartett Minguet Quartett Volker Hemken, Baßklarinette Musicaphon M55724

Ulrich Leyendecker gehört zu den wichtigsten deutschen Komponisten seiner Generation. Er nahm bereits als Jugendlicher privaten Kompositionsunterricht. 1965 -1970 studierte er an der Musikhochschule Köln bei Günter Ludwig Klavier und bei Rudolf Petzold Komposition. Wie viele andere Komponisten seiner Generation nahm Leyendecker an den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik teil und beschäftigte sich intensiv mit seriellen Kompo­si­ tions­techniken. 1971 erfolgte ein Ruf als Theorielehrer an die Musikhochschule Hamburg, wo Leyendecker 1981 Professor für Musiktheorie und Komposition wurde. Von 1994 bis 2005 war er in gleicher Position an der Musikhochschule Mannheim-Heidelberg tätig und lebt seither als freier Komponist. Er erhielt zahlreiche Ehrungen: u.a. Stipendien der „Villa Massimo“ in Rom und der „Cité Internationale des Arts“ in Paris, die Mitgliedschaft in der freien Akademie der Künste in Hamburg und den „Eduard van der Heydt-Preis“ seiner Heimatstadt Wuppertal.

Spannungsgeladen und klangsinnlich Leyendeckers Werk beinhaltet Sinfonien und Solokonzerte, Kammermusik für Streichquartett, Klaviertrio, Klarinettentrio, Klavierduo sowie verschiedene andere Besetzungen und viele Werke für Soloinstrumente. Seine Musik zeichnet sich durch spannungsgeladene Lebendigkeit und klang­sinnliche Farbigkeit aus. Sie bewahrt eine „Rest-Tonalität“ und entwickelt aus kurzen Grundgestalten großbögige Formverläufe.

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„Insane Harmony“ Werke von Purcell, Lawes, Tomkins, Locke & Williams Musica Alta Ripa MDG 309 1961-2

Erstaunliches Ergebnis: Während überall auf dem europäischen Kontinent Italiener und Franzosen um die musikalische Deutungshoheit kämpfen, hält sich für einen kurzen Zeitraum zwischen 1650 und 1700 eine sehr eigene britische Tonsprache. Henry Purcell erweist sich in seiner „Fantazia“ dabei als großartiger Dramatiker, der auch einfachste Motive kontrapunktisch und mit großer Virtuo­ sität ausarbeitet, mit aufregenden harmonischen Wendungen. Unbekümmert verbindet er die alte höfische „Pavane“ mit der avantgardistischen „Chaconne“ zu einem phänomenalen Satzpaar.

Brexit Bizarre Einfälle, verbunden mit oft melancholischem Ausdruck, prägen auch die Werke seiner Zeitgenossen: Von William Lawes, der in den Wirren des englischen Bürgerkriegs einer Kugel zum Opfer fiel, über Thomas Tomkins, dessen Musik noch stark von der elisabethanischen Ära geprägt ist, bis zu William Williams, der sich dem Einfluss Corellis dann nicht mehr vollständig entziehen kann, spannt sich ein reich ausgestatteter Bogen. Dass Musica Alta Ripa sich dieser Epoche annimmt, erweist sich als ein wahrer Glücksfall. Mit viel Gespür für die oft eigentümlichen Schwingungen der englischen Musik zelebrieren die Hannoveraner Barockspezialisten ein Klangfest der Extraklasse – eine echte Bereicherung!


Im Blickpunkt

CLASS : aktuell Orchester

Franz Schreker (1878 -1934) Orchestermusik aus den Opern: Symphonisches Zwischenspiel aus „Der Schatzgräber“ Vorspiel aus „Die Gezeichneten“ Vorspiel aus „Das Spielwerk“ Vorspiel zu einer großen Oper Nachtstück aus „Der ferne Klang“ Royal Swedish Orchestra Lawrence Renes BIS-SACD-2212

Die Uraufführung der Oper „Der ferne Klang“ in Frankfurt bescherte Franz Schreker 1912 den Ruf als einer der besten Komponisten seiner Zeit; Arnold Schönberg nannte ihn „einen der herausragendsten unter uns“. Seine expressionistischen Opern (meist auf eigene Libretti) mit ihrer Symbolik, Erotik und opulenten Klanglichkeit waren durchweg triumphale Erfolge und erreichten zeitweise höhere Aufführungszahlen als diejenigen von Richard Strauss. Und doch geriet sein Werk seit den 1930er Jahren zunehmend in Vergessenheit.

Spätes Interesse Erst seit den 1970er Jahren zeigt sich wieder Interesse am Schaffen dieses ungewöhnlichen Komponisten. Diese Entwicklung ist nicht verwunderlich, denn auch Schreker war als Jude der Verfolgung durch die Nazis ausgesetzt. Schon 1932 wurde auf Grund des NSTerrors die in Freiburg geplante Uraufführung seiner Oper „Christophorus“ von Schreker selbst zurückgezogen, und er wurde zum Rücktritt von seinem Amt als Direktor der Berliner Musikhochschule gezwungen, die er seit 1920 geleitet hatte. Und verschwand zu dieser Zeit deshalb auch von den Spielplänen. Die Musik selbst ist oft Sujet in seinen Opern, und daher sind die rein orchestralen Abschnitte der Werke von größerer dramaturgischer Bedeutung als bei anderen Komponisten. Schon Schreker selbst präsentierte sie gern in Konzerten und zeigte dabei seine ganze Kunst der Orchestrierung.

Klavier

Viva Voce Symphonic Christmas Enrique Ugarte Russische Kammerphilharmonie St. Petersburg A-cappella-Band Viva Voce

„Calligraphy“ Asia Piano Avantgarde Vol. 2 Japan (1960 - 2012) Steffen Schleiermacher, Klavier

MDG 613 1935-2

MDG 613 1980-2

Rondeau Production ROP6136

Viva Voce – Symphonic Christmas: Die A-cappella-Band Viva Voce und die Russische Kammerphilharmonie St. Petersburg bieten auf ihrer aktuellen Weihnachts-CD eine perfekte Mischung aus höchster orchestraler Darbietung und der großen Kunst musikalischer Unterhaltung. Unter der Leitung von Maestro Enrique Ugarte präsentiert das Orchester zusammen mit ehemaligen Sängern des Windsbacher Knabenchors klassische Weihnachtslieder in völlig neuem Gewand. Frosty, der Schneemann, hat für diese Einspielung den Swing-Mantel gewählt, eine Weihnachtsgans irgendetwas völlig falsch verstanden und auch kulinarische Problemzonen sind kein Tabu. Die Vokalkünstler David Lugert, Bastian Hupfer, Mateusz Phouthavong, Heiko Benjes und Jörg Schwartzmanns singen wechselweise peppig, rhythmisch oder besinnlich gegen Konsumterror und Geschenkewahn an. Das Fazit: „Wir schenken uns nix“ – außer diese abwechslungsreiche Einspielung.

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Federico Mompou (1893 -1987) Fêtes Lointaines Steffen Schleiermacher, Klavier

„Calligraphy“ beschäftigt sich mit japanischer Avantgardemusik zwischen 1960 und 2012. Das Album repräsentiert japanische Kompositionskunst in einer großen Breite. Die Reflexion der jahrtausende alten Musiktradition des Landes bildet dabei eine verbindende Klammer. „Mai – uralte japanische Tanzmusik“ von Toshio Hosokawa bezieht sich auf das traditionelle No-Theater. Die Komposition spielt mit den Kontrasten von Klang und Stille, Bewegung und Ruhe, wobei Naturlaute eine wesentliche Rolle spielen. Keijiri Satohs „Calligraphy“ verwendet ähnliche Kontraste, allerdings viel feiner ziseliert, wie eine kunstvolle Buchhandschrift.

Schönschrift Joji Yuasas „Projection Esemplastic“ entstand 1962 und ist ein fernöstlicher Beitrag zur Fluxus-Bewegung. Grafische Figuren bestimmen das Bild der Partitur; Linien, die vielleicht Beziehungen suggerieren, müssen vom Spieler mit Leben gefüllt werden, und die wenigen richtigen „Noten“ werfen mehr Fragen auf, als dass sie Anweisung geben… Mit solchen Stücken kennt sich Steffen Schleiermacher bestens aus. Bereits zum wiederholten Mal widmet sich der umtriebige Komponist und Pianist einem rein fernöstlichen Programm. Und wieder einmal gelingt ein äußerst hörenswertes Portrait einer Musiklandschaft, die hierzulande viel zu wenig Beachtung findet.

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„Fêtes lointaines“ ist die zweite Folge mit sehr eigentümlichen Klavierwerken Federico Mompous, die Miniaturen aus der Zeit zwischen 1914 und 1921 enthält. Schon in diesen frühen Werken ist die äußerst undramatische Melancholie zu verspüren, die das gesamte Schaffen durchweht. Und wieder gelingt es Steffen Schleiermacher, die wenigen Töne in geheimnisvolles Leuchten zu hüllen, das den kurzen Stücken einen geradezu überirdischen Reiz verleiht.

Magische Klänge „Cants mágics“ sind die ersten gedruckten Stücke aus Mompous Feder. Glockenartige Klänge bestimmen das Geschehen. Ob seine Herkunft aus einer Glockengießerfamilie etwas damit zu tun hat? Die Begeisterung für Chopin hat in den „Trois variations“ ihren Niederschlag gefunden, dessen Thema von geradezu entwaffnender Schlichtheit ist. Aber besonders das abschließende Nachtstück wartet mit luxuriöser Harmonik auf, bevor das Werk in klassisch-mompouscher Manier im Unbestimmten verweht. Auch in „Charmes“ verweigert sich Mompou jeder musikalischen Entwicklung. Die Klänge sind einfach da und irgendwann auch wieder weg. Darin ähnelt er Erik Satie, den er in Paris noch kennen- und schätzen gelernt hat. Der Steinway D-Flügel „Manfred Bürki“ kann in dieser ganz besonderen Produktion unter Steffen Schleiermachers sensiblen Fingerspitzen seine ganze durchsichtige Farbigkeit präsentieren – auch ohne lautes Auftrumpfen, ein magisches Fest für empfindsame Hörer!


Im Blickpunkt

CLASS : aktuell Klavier

Portrait

Schumann und die Sonate II Robert Schumann Allegro op. 8 Sonate fis-Moll op. 11 Sonate g-Moll op. 22 Florian Uhlig, Klavier

Amanda Maier (1853 -1894) Werke Vol. 1: Violinkonzert d-Moll Klavierquartett e-Moll Schwedische Lieder und Tänze Gregory Maytan, Violine; Bernt Lysell, Viola; Sara Wijk, Cello; Ann-Sofi Klingberg, Klavier Helsingborg Symphonieorchester, Andreas Staehr

hänssler Classic CD HC16081

Florian Uhlig stellt sich auf diesem Album einer der schwierigsten Aufgaben der gesamten Klaviermusik: Robert Schumanns zweiter Klaviersonate. Mit ihren paradoxen Tempovorgaben und ihrem enormen technischen Anspruch hat diese Sonate Generationen von Pianisten in die Klausur getrieben: Wie um Himmels Willen soll man ein solch komplexes, dabei zugleich aber emotionsgeladenes Werk zur Geltung bringen?

Komplett, nicht komplex Florian Uhlig zeigt wie es geht. Bei ihm klingt alles ganz natürlich, flüssig. Technische Belange scheinen eine ganz untergeordnete Rolle zu spielen. Stattdessen kümmert sich Uhlig lieber um den Werkzusammenhang. Besonders interessant wird die Aufnahme durch den Einbezug des von Schumann verworfenen, ursprünglichen Finales und eines Allegros (Op. 8), das in engem Werkzusammenhang steht mit Schumanns erster Sonate Op. 11, die auf diesem Album ebenfalls bewundert werden kann. Und so zeigt sich wieder einmal Uhligs Anspruch, die bislang zwar kompletteste Einspielung des Schumann-Klavierœuvres vorzulegen, zum Glück aber eben nicht die komplexeste. Sehr wohltuend, dass sich hier jemand mehr um wirkliche Musik kümmert, als um vordergründigen Effekt!

dbProductions DBCD174 (Ersteinspielung)

Immer noch und immer wieder hält die Musik­ geschichte ungehobene Schätze und Überraschungen bereit. Das schwedische Label dbProductions nimmt sich jetzt der Werke von Amanda Maier an. Die war verhei­ ratet mit Julius Röntgen (einem Komponisten und Vetter des berühmten Physikers Wilhelm Conrad Röntgen) und eine enge Freundin von Edvard Grieg, Johannes Brahms, Anton Rubinstein, Joseph Joachim und vielen anderen Größen ihrer Zeit. Die junge Schwedin (ihr Vater, Carl Eduard Maier, stammte aus Riedlingen) erhielt eine Ausbildung an Geige und Klavier und studierte schließlich in Leipzig als Privatstudentin von Engelbert Röntgen, Carl Reinecke und Ernst Friedrich Richter. Nach der sehr erfolgreichen Uraufführung ihres Violinkonzerts in Halle an der Saale (1875) mit ihr selbst als Solistin folgten ausgedehnte Konzerttourneen. Nach ihrer Heirat 1880 trat sie nicht mehr als Violinistin auf, komponierte aber weiterhin.

Ein bisher ungehobener Schatz In Amsterdam, wohin sie mit ihrem Mann übersiedelt war, führte sie einen sehr beeindruckenden musika­ lischen Salon (das ausführliche Booklet zur CD bietet bezüglich ihres Lebens viele unbekannte Fakten und gleichzeitig ein interessantes Zeitbild). Gesundheitlich war Maier schon ab 1887 angeschlagen. 1891 schrieb sie ihr letztes großes Werk, das ambitionierte Klavierquartett in e-Moll. Hier vorgestellt von Gregory Maytan, Bernt Lysell, Sara Wijk und der Grammy-Gewinnerin Ann-Sofi Klingberg am Klavier.

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Im Blickpunkt

CLASS : aktuell Chor

Lied

CARL PHILIPP EMANUEL

BACH

Sofia Gubaidulina (*1931) Sonnengesang für Cello, Kammerchor und Schlagzeug Jauchzt vor Gott für Chor und Orgel Hell und dunkel für Orgel solo Christian Schmitt, Orgel; Ivan Monighetti, Cello Elbtonal Percussion NDR Chor, Philipp Ahmann BIS-SACD-2276

A Verlaine Songbook Lieder von Claude Debussy, Poldowski, Maurice Ravel, Jósef Szulc, Déodat de Séverac, Gabriel Fauré, Ernest Chausson, Camille Saint-Saëns, Reynaldo Hahn, Charles Bordes

Carolyn Sampson, Sopran Joseph Middleton, Klavier BIS-SACD-2233

Sofia Gubaidulina, die am 24. Oktober 2016 ihren 85. Geburtstag feiern konnte, bekommt zu diesem Anlass vom NDR Chor unter der Leitung von Philipp Ahmann ein schönes Geschenk auf dem Label BIS präsentiert: Die Erst­einspielung ihres Chorwerkes „Jauchzt vor Gott“. In dem neunminütigen Werk für Chor und Orgel vertont Gubaidulina drei Verse aus Psalm 66. Dieser Komposi­ tion folgt auf der SACD das Orgelwerk „Hell und Dunkel“, bereits 1976 geschrieben, und den Abschluss bildet der großformatige „Sonnengesang“ für Cello, Kammerchor und Schlagwerk. Ein höchst ungewöhnlich besetztes Werk mit dem Cello als Solisten (sie widmete die Komposition Mstislav Rostropowitsch); der Chor singt die berühmten Verse des Franz von Assisi.

54 HC16000

CDs

Mit der Gesamtaufnahme aller Werke für Klavier solo und für Orgel. Außerdem enthalten sind Konzerte für diverse Soloinstrumente, Sonaten, Sinfonien, Kammermusik und das Magnificat. Mit u. a. Julian Steckel, Michael Rische, Ana-Marija Markovina, Dorothea Seel Bach-Collegium Stuttgart, Camerata Salzburg, Helmuth Rilling und Sir Roger Norrington.

Im Vertrieb der NAXOS Deutschland GmbH www.naxos.de · www.naxosdirekt.de

Repräsentative Veröffentlichung Eine durchaus repräsentative Veröffentlichung mit Musik einer Komponistin, die ihr gesamtes Schaffen religiös motiviert und geprägt sieht. Seit zwei Jahrzehnten gehört Sofia Gubaidulina zusammen mit Alfred Schnittke und Edisson Denissow zu den führenden, weltweit anerkannten Komponisten Russlands der Ära nach Schostakowitsch. Sofia Gubaidulina lebt seit 1992 in Deutschland und wohnt in Appen (Kreis Pinneberg). Sie ist Mitglied der Akademie der Künste in Berlin, der Freien Akademie der Künste in Hamburg sowie der Königlich Schwedischen Musikakademie Stockholm sowie Ehrenmitglied der American Academy of Arts and Letters. Im Jahre 1990 wurde sie zum Mitglied des Komitees für Verleihung der LeninPreise ernannt. Im Jahre 1999 wurde sie in den Orden Pour le mérite aufgenommen. Seit dem Jahre 2001 ist sie Ehrenprofessorin des Konservatoriums von Kasan, seit 2005 auch an den Konservatorien von Beijing und Tianjin.

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In seiner „Art poétique“ erklärt Paul Verlaine, dass Dichtung vor allem musikalisch sein soll („Musik, Musik vor allen Dingen“). Seine hochmusikali­schen Verse bringen feinste Gefühls­regungen und Zwischentöne zum Ausdruck; die Thematik reicht dabei von morbider Erotik bis zu ekstatischer Frömmigkeit. Der Vers soll Musik sein, eine Harmonie von Tönen, ein flüchtiger Rausch, der die Grenzen der Form verwischt und die Farben nur als Nuancen wiedergibt.

Nicht mehr fassbar Das im Schwebezustand verharrende Gedicht wird zum Pendant einer begrifflich nicht mehr fassbaren Welt. Diese besondere Qualität seiner Werke fiel Komponisten schon zu seinen Lebzeiten auf, und der im realen Leben so versagende Verlaine ist so oft vertont worden wie kaum ein Dichter nach ihm. Für ihr Verlaine Songbook haben Sampson und Middleton Lieder von zehn Komponisten ausgesucht, darunter zwei komplette Zyklen: Faurés „La Bonne Chanson“ und Debussys „Ariettes oubliées“. Die 33 Lieder auf dieser SACD beziehen sich auf 25 Gedichte; wobei es interessant ist, die Doppelungen zu vergleichen. Alle Lieder entstanden innerhalb der kurzen Spanne von nur 35 Jahren, und dennoch sind die stilistischen Unterschiede enorm. Ein Beweis dafür, wie unterschiedlich die künstlerischen Tem­ peramente auf Verlaines vielschichtige Lyrik reagieren.

Ausgabe 2016/4


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