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Ausgabe 05/2016 September – Oktober 2016

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Die jungen wilden Begründen Andris Nelsons und Co. eine neue Dirigenten-Ära?

Brügge Mit Jos van Immerseel durch die belgische Kulturstadt

José Carreras „Ich hatte eine Karriere vor der Krankheit und eine danach“

B47837 Jahrgang 19 / 05_2016

Mit Beihefter Class: aktuell

Musik in der  FRAUENKIRCHE DRESDEN 2016 Elemente – Schöpfung – Welt 24. September bis 3. Oktober Frauenkirchen-Bachtage 8. Oktober The King’s Singers 15. Oktober Elke Heidenreich


Foto: Gewandhausorchester Leipzig / Jens Gerber

W IR SPIEL EN DIE ERS T E GEIGE! Sachsen ist das beliebteste Reiseziel für Kulturreisen in Deutschland. Die Broschüre „Musiklandschaft Sachsen – Klassik von Weltrang erleben“ möchte Ihnen quasi als Soundtrack zum Lesen einen Eindruck vermitteln, warum das so ist. Mehr noch als in den Bereichen Kunst und Architektur nimmt Sachsen bei der klassischen Musik eine herausragende Rolle ein. Jetzt kostenlos bestellen unter info@sachsen-tour.de!


p r o l o g

Die Zeit der maestri

Fotos Titel: Mauro Taliani

winfried hanuschik Herausgeber

„Professionalität“ bei Führungskräften in Politik und Wirtschaft assoziieren wir oft mit nüchterner Rationalität und Kalkül. Bei Dirigenten, den TopFührungskräften in der Musik, ist es interessanterweise genau andersherum: Je größer der Name, desto mehr vermuten wir Emotionalität, Leidenschaft, Subjektivität, eigene Begeisterung und die Fähigkeit andere zu begeistern. Dazu eine gesunde Prise Mythos. Braucht künstlerische Exzellenz also andere Führungsqualitäten als ein Unternehmen? Oder können Unternehmenslenker sogar von Orchesterchefs lernen? Dirigenten haben ein mühsames Handwerk erlernt, über Jahre oder Jahrzehnte praktiziert und Erfahrungen gesammelt – darunter auch manches kunstvolle Scheitern. Während ein Musiker stundenlang im stillen Kämmerlein „geschützt“ vor sich hin üben kann, gibt es beim Dirigenten von Anfang nur eins: den „Ernstfall“. Darum haben wir uns in dieser Ausgabe (in der Premium-Ausgabe noch etwas intensiver) mit dem Beruf und der Magie des Dirigenten und bemerkens-

werten Pultgrößen beschäftigt und dabei viele Facetten neu entdeckt, manche Vorurteile widerlegt und manche bestätigt. Unser Autor Christoph Schlüren entwickelte sogar einen von Hand gefertigten Dirigenten-Stammbaum – also eine Darstellung, auf der man erkennen kann, welcher Dirigent von welchem Dirigenten lernte und welche Schule dieser dann weitergab. Auch wenn Schlürens Schrift nicht für jeden sofort lesbar ist, am Ende werden Sie sehr interessante Zusammenhänge zwischen den einzelnen Persönlichkeiten, die die Klassikwelt der vergangenen 400 Jahre prägten (Seite 40), finden. In der Premium-Ausgabe ehren wir auch einen meiner absoluten Lieblingssänger: 50 Jahre ist es nun her, dass Fritz Wunderlich kurz vor seinem 36. Geburtstag tödlich verunglückt ist. Deshalb baten wir seine Tochter Barbara und seine Ehefrau Eva, die mit Hingabe seinen Nachlass pflegen, um ein Gespräch. Die beiden erzählten wieder einmal neue Anekdoten und Erinnerungen an das viel zu kurze Leben von Fritz Wunderlich, und man lernt ihn – auch anhand der sehr privaten Fotos – wieder ein Stückchen persönlicher kennen. Abschied nehmen wir – zumindest, was öffentliche Auftritte betrifft – von José Carreras, der nach fast 50 Bühnenjahren im Herbst mit einer großen Tournee seine aktive Bühnenkarriere beendet. Autor Jens F. Laurson mischte sich in Wien unauffällig ins Publikum der Aufführung von El Juez und versuchte anhand dieses sehr subjektiven Erlebnisses, ein Porträt des Menschen und Künstlers José Carreras zu zeichnen. Nach dem Lesen des Textes muss ich sagen: Es ist ihm gelungen. Denn José Carreras ist mehr als ein Drittel der „drei Tenöre“ und viel mehr als ein Sänger, der nur als Don Juan in Carmen brillierte (Seite 8).

Ihre Abo-CD?

Einen klangvollen Spätsommer wünscht Ihnen

In der Premium-Ausgabe dieser Zeitschrift finden Sie an dieser Stelle die crescendo Abo-CD – eine exklusive Leistung unseres crescendo Premium-Abonnements. Darauf hören Sie die Musik zu den Artikeln, die im Heft rot gekennzeichnet sind. Eine Inspiration für Ihre Ohren! Mittlerweile ist bereits die 61. CD in dieser Premium-Edition erschienen. Haben wir Sie neugierig gemacht? Dann testen Sie crescendo Premium! Die erste Ausgabe schicken wir Ihnen kostenlos. Dazu die crescendo Abo-CD. Ganz ohne Kaufverpflichtung. Bestellen Sie per Telefon: +49-(0)89-85 85 35 48, auf www.crescendo.de/abo. Info auf Seite 49.

Winfried Hanuschik

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September – Ok tober 2016

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50 Sebastian Koch Daniel Hope traf für seine Kolumne den bekannten Schauspieler, der sich sehr mit Musik auseinandersetzt.

08 JOSÉ carreras Der dritte der „drei Tenöre“ begibt sich auf finale Tour. Zeit, seine Karriere Revue passieren zu lassen.

17 esperanza spalding Crossover-Musik vom Feinsten, Die neue Platte der Fusion-Jazz-Art-RockSängerin ist da.

STandards

Künstler

hören & Sehen

03 .... Prolog Der Herausgeber stellt die Ausgabe vor 06 .... Ouvertüre Ein Anruf bei ... Stefan Arzberger, der des Mordes angeklagt war 16..... Personalien Lionel Bringuier, Peter Baumgardt, Serge Dorny NACHRUF Peter Sadlo 27.... Impressum 44.... Kommentar Axel Brüggemann über die Optik von Dirigenten 50.... Hope triffT ... Schauspieler Sebastian Koch

08.... josé carreras Vom Bühnenabschied eines Weltsängers 12..... franco fagioli Der argentinische Countertenor mag das goldene Zeitalter der Hosenrollen 14..... pretty yende Warum die schöne Südafrikanerin durch eine Airline-Werbung zur Oper fand

17..... DIE WICHTIGSTEN EMPFEHLUNGEN DER REDAKTION 18..... Attilas Auswahl Diesmal geht es um Neueinspielungen bekannter Meisterwerke 28.... Charles Munch Sony hat die erste KomplettEdition der RCA-Einspielungen des berühmten Dirigenten herausgebracht

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Exklusiv nur in crescendo Premium TABELLE Dirigenten, Kapell- und Konzertmeister Rätsel & ­Cartoon K lassik in Zahlen

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Exklusiv nur in crescendo Premium EIN TEE mit ... André Heller Fritz wunderlich Ein Gespräch mit Ehefrau Eva und Tochter Barbara zum 50. Todestag des Dirigenten J ulia fischer & Daniel MüllerSChott Zwei Stars über ihre jahrzehntelange Freundschaft und Duo-Partnerschaft

Exklusiv nur in crescendo Premium Christoph ­Schlüren ...über die Herausforderungen des Dirigenten im heutigen Musikbetrieb Mary Portman Auf den Spuren ihrer legendären Guarneri-Geige

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Fotos: Stephanie Lehmann; Herwig Prammer; Universal Music

P r og r a mm


CD 900314

FRITZ WUNDERLICH 34 frauenkirche DRESDEN Das Architektur-Schmuckstück bietet große Musik in prachtvoller Atmosphäre.

37 Dirigenten Unser Gesellschafts-Thema befasst sich diesmal mit den Großen am Pult, und wer von wem lernte.

46 brügge Verschnörkelte Brücken, ein modernes Konzerthaus: Ein Besuch in der Hauptstadt Westflanderns.

erleben

gesellschaft

Lebensart

29.... DIE WICHTIGSTEN TERMINE UND VERANSTALTUNGEN im herbst 34.... frauenkirche dresden Im barocken Prunkbau gibt es eine Menge spannender Konzerte zu hören

38.... JUNGE ­DIRIGENTEN Was können sie wirklich, die neuen Stars? 40.... DIRIGENTENStammbaum Wer lernte bei wem? 42 .... enoch zu g ­ uttenberg Der Dirigent hat die Zauberflöte fürs Kino inszeniert

46.... r eise: BRÜGGE Ein Streifzug mit Jos van Immerseel durch die charmante belgische Metropole

Fotos: Oliver Killig; Otto Böhler (Illustration)

Exklusiv nur in crescendo Premium john axelrod Ein Orchester zu dirigieren, hat viel mit Psychologie zu tun K arina ­Canellakis Über den Einstieg in die Dirigentinnenkarriere der New Yorkerin mit groSSen dirigenten arbeiten Cellist Franz Bartolomey erzählt von seinen Begegnungen mit den Legenden

Exklusiv nur in crescendo Premium Weinkolumne Unser Chef-Sommelier John Axelrod über den Wein der großen Maestri

CD 900146

Exklusiv nur in crescendo Premium TALENT DAYS Ein Nachwuchs-Wettbewerb zeigt, was in den aktuellen Digital-Pianos steckt SPEZIAL 16 Sonderseiten der Deutschen MozartGesellschaft

Die unvergessliche Tenorstimme des 20. Jahrhunderts. In bisher unveröffentlichten Aufnahmen des Bayerischen Rundfunks aus den Jahren 1959 bis 1965 präsentiert sich Fritz Wunderlich auf dem Höhepunkt seiner künstlerischen Laufbahn mit bekannten Arien aus deutschen Spielopern und Operetten sowie mit populären Liedern. Es begleitet das Münchner Rundfunkorchester unter der Leitung von renommierten Dirigenten.

MARISS JANSONS DENIS MATSUEV

Exklusiv für Abonnenten

Ausgezeichnet interpretiert das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter der Leitung von Mariss Jansons die großen rhapsodischen Musikwerke von Emmanuel Chabrier, George Gershwin, George Enescu, Franz Liszt und Maurice Ravel. Der russische Star-Pianist Denis Matsuev beweist sich als souveräner und stilsicherer Interpret von George Gershwins „Rhapsody in Blue“.

Hören Sie die Musik zu ­unseren Texten auf der ­crescendo Abo-CD – exklusiv für Abonnenten. Infos auf den Seiten 3 & 49

5 www.br-klassik.de

Erhältlich im Handel und im BRshop / www.br-shop.de


o u v e r t ü r e

„Schon alles sehr kurios“

Foto: Leipziger Streichquartett

Ein Anruf bei ... Geiger Stefan Arzberger, der in New York wegen versuchten Mordes angeklagt war und 16 Monate lang die USA nicht verlassen durfte.

vor. Aber die Solidarität, welche mir in crescendo: Herr Arzberger, nur noch der gesamten Zeit in den USA als auch mal kurz für diejenigen, die den Fall jetzt und hier zuteil wurde und wird, ist nicht konstant verfolgt haben. Sie solunglaublich. Es zeigt auch, wozu viele fälen am 27. März 2015 in das Hotelhig sein können und was man zusammen zimmer eines anderen Gastes eingeerreichen kann. Dafür bin ich mehr als drungen sein und eine 65-jährige Frau dankbar und ich werde mich ganz sicher gewürgt haben. Sie können sich daran in dieser Richtung zukünftig selbst stark aber nicht erinnern ... engagieren. Genau. Es ist tatsächlich immer noch so, dass mir ein paar Stunden meines Immerhin sind Sie seit dem 30. Juni Lebens fehlen. Es gibt – inzwischen hawieder ein freier Mann, wie lautet das be ich viel darüber gelernt – Substanzen, offizielle Urteil? unter deren Einfluss man komplett die Alle wesentlichen Anklagepunkte sind Kontrolle verliert. ­fallengelassen worden, ich musste allerdings eine Art Geständnis ablegen, das Sie saßen jetzt 16 Monate in den USA nennt man in den USA einen „Deal“ fest, ohne Pass und durften nicht reisen und es läuft noch ein Zivilverfahren geund auch nicht musizieren, oder? gen mich. Zu diesem Prozess darf ich Nein, ich durfte noch nicht einmal gemich aber nicht äußern. meinnützige Arbeit machen, weil ein laufendes Verfahren gegen mich vorlag. Was war im Rückblick das Skurrilste Geiger Stefan Arzberger war bis November 2015 an der ganzen Geschichte? Wie steht man eine solche Zeit durch – Mitglied des Leipziger Streichquartetts, musste sich psychisch und finanziell? Ach, das ist alles höchst skurril, eigentaber aufgrund der Anklage von seinem Ensemble lich immer noch: Ich bin zum Beispiel eiEhrlich gesagt gab es viele schwarze Lötrennen. Mittlerweile ist er zurück in Deutschland gentlich mit einem Einreiseverbot in die cher und heftige Depressionen in dieser Zeit und ohne die Unterstützung – auch in finanzieller Hinsicht – USA belegt, muss aber eventuell wieder vor Gericht erscheinen, die von Freunden und vor allem Menschen aus der Musikwelt hätte ich Behördengänge hören also nicht auf. Ich musste aber auch sehr skurdas nicht durchgestanden. Unsere in Long Island ansässige Agentin rile Fragen der Ermittler beantworten – sie hatten mich als Musiker Erika Schupp zum Beispiel hat mir vom ersten Tag an sehr geholfen mit Hard-Rock-Musikern aus den 80ern gleichgestellt, so als sei das und ich durfte eine Zeit lang bei Dietlinde Turban, der Witwe von ganz normal, dass wir jedes Hotelzimmer zertrümmern und uns nur Lorin Maazel, als auch bei Alica Weilerstein wohnen. Aber ich durf- unter Einfluss von Drogen auf der Bühne exhibitionieren können. te nicht auftreten. Nicht Ihr Ernst? Konnten Sie üben, Geige spielen ist schließlich Ihr Beruf? Den Gedanken hatte ich auch. Ich kenne jedenfalls keinen Geiger, Das Spielen ist mir sehr schwer gefallen, denn man befindet sich in der sich vor dem Auftritt drei Whiskey reinschüttet, um seine Fineiner absoluten Stress-Situation. Man hat keine Nacht mehr in sei- gerfertigkeit zu verbessern. nem eigenen Bett geschlafen und befasst sich mit völlig kuriosen Im vergangenen Jahr haben Sie sich von Ihrem (Leipziger) Dingen während eines solchen Prozesses, da bleibt die Musik etwas Streichquartett getrennt, wie geht es musikalisch jetzt weiter? auf der Strecke. Ich durfte aber ab und zu bei einer deutschen Pfar- Ich werde natürlich weiterhin Geige spielen, und meine neue bererin in einer Kirche spielen, das hat mir sehr geholfen. Ich muss rufliche Heimat wird in München sein, so viel kann ich jetzt schon vom Kopf her erst freier werden, um wieder so zu spielen wie zu- verraten. Interview: Robert Kittel

1. Arcangelo Corelli: Concerti grossi

Playlist Welche Werke hört Cemballist Justin Taylor privat? Und vor allem, warum? Sein neues Album: „La Famille Forqueray“ (Alpha)

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(Amandine Beyer – Gli Incogniti) Da spürt man fast, wie die Sonne aus den Lautsprechern scheint! 2. Jean-Philippe Rameau: Pièces de Clavecin en concert

Das ist große Romantik. 3. Taraf de Haïdouks (populäre rumänische Band)

Die haben einfach eine Riesenfreude beim gemeinsamen Musizieren. 4. Robert Schumann: Cellokonzert

(Mstislav Rostropovich / Gennadi Rozhdestvensky) Mein absolutes Lieblingskonzert. 5. Felix Mendelssohn: Klaviertrio Nr. 1 op. 49

(Julia Fischer, Jonathan Gilad, Alexander Vedernikov) Damit bin ich aufgewachsen.

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HERAUSRAGENDE NEUHEITEN BEI SONY MUSIC

JONAS KAUFMANN DOLCE VITA

PRETTY YENDE A JOURNEY

LANG LANG NEW YORK RHAPSODY

Jonas Kaufmanns neues Album mit dem Orchestra del Teatro Massimo Palermo. Mit Volare, Torna a Surriento, Core ‘ngrato, Non ti scordar di me und vielen anderen italienischen Evergreens. Erhältlich ab 7.10. www.jonaskaufmann.com

„Mit ihrem diamantenen Ton und ihrem strahlenden Lächeln erobert sie jede Bühne“ (Telegraph). Auf ihrem ersten Album präsentiert Pretty Yende Arien, die ihre einzigartige Karriere begleiteten von Rossini, Bellini, Donizetti u.a. Erhältlich ab 16.9. www.prettyyende.com

Lang Langs musikalische Liebeserklärung an New York. Mit Gershwins Rhapsody in Blue, eingespielt mit Herbie Hancock in der Fassung für zwei Pianos und Orchester, Musik von Copland, Bernstein, Lou Reed u.a. Erhältlich ab 16.9. www.langlang.com

LUCAS DEBARGUE BACH, BEETHOVEN, MEDTNER

LAUTTEN COMPAGNEY BACH OHNE WORTE

Das erste Studio-Album des ungewöhnlichen französischen Pianisten, der mit seinem Live-Debüt-Album weltweit großen Erfolg feierte. Mit Bachs Toccata BWV 911, Beethovens Sonate Nr. 7 und Medtners Sonate in f-Moll, op. 5. Erhältlich ab 23.9. www.lucas-debargue.com

Die Arien aus Bachs Kantaten bestechen durch innige und bewegende Melodien. Einige der besten hat die Lautten Compagney Berlin jetzt neu arrangiert und in neuen instrumentalen Fassungen eingespielt. Erhältlich ab 23.9. www.lauttencompagney.de

EVGENY KISSIN DIE KOMPLETTE RCA & SONY CLASSICAL ALBUM KOLLEKTION

www.sonymusicclassical.de

Diese limitierte Edition enthält alle Alben, die Evgeny Kissin für die Label RCA und Sony Classical eingespielt hat. 25 herausragende Aufnahmen mit Musik von Chopin, Brahms, Schumann, Schubert u.a. www.kissin.dk

www.facebook.com/sonyclassical


k ü n s tl e r

Fotos: Herwig Prammer

„Ich hatte eine Karriere vor meiner Krankheit und eine andere danach “

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Adios, José Das bewegte Leben von José Carreras macht ihn zu einem der ganz Großen des Metiers. Wir sandten unseren Autor in eine Aufführung von El Juez in Wien und blicken vom Tribünenplatz zurück auf einen Tenor, der auf keinen Fall als Sänger von Fußball-WM-Eröffnungsfeiern in die Geschichte eingehen darf. v o n J e n s F . L a u r so n

an musste zweimal hinsehen als José Carreras im Frühsommer 2016 auf den Plakaten des Theaters an der Wien zu sehen war. Etwas verjüngt zwar, doch ja, eindeutig er, der spanische Tenor, in gestrenger Pose. Kurzer Exkurs: Sonst sind ja oft fiktive Jünglinge und junge Damen zu sehen, die thematisch mehr oder weniger zur jeweils beworbenen Oper passen – und nicht etwa die auftretenden Sängerinnen und Sänger. Aber Carreras ist eben ein Ausnahmekünstler, und da macht man gerne eine Ausnahme. Außerdem: Wie sonst könnte man für den Versuch einer Oper namens El Juez / Los Niños Perdidos von Christian Kolonovits, einem jedenfalls in Österreich weltberühmten Pop-Komponisten, Reklame machen? Es ist ein letzter Abschied, ein Comeback, ein Dankeschön an den dritten der berühmten „drei Tenöre“. Es ist aber auch eine Ausnahme, was die Qualität des im Theater an der Wien Gebotenen betrifft: Das Haus, das seit seiner Wiedereröffnung als Opernhaus 2006 zum Besten, auf jeden Fall Interessantesten und Lebendigsten gehört, das die Wiener Kulturszene zu bieten hat, gönnte sich hier eine Hommage, bei der beide Augen, vor allem aber beide Ohren zugedrückt wurden: Die drei Stunden musikalische Versatzstücke, Puccini-Abklatsch und verkrampftes Viva-España-Kolorit – bei allgemeinem Fremdschämen sensibler Ohren – hätten wohl besser ins Wiener Musical-Theater Ronacher gepasst. Das glamouröse, nicht unbedingt operntypische Publikum mit dem Noch-Präsidenten der Republik unter den jubelnden Gästen verlieh seiner Verzückung allerdings lebhaften Ausdruck. Vielleicht ob der durchaus beeindruckenden Performance des fast 70-jährigen Carreras, der hervorragend in die Rolle des gealterten, aber noch aktiven Richters passte, dessen Gewissen ihn zur Aufklärung einer dunklen Kindesentführungsgeschichte im Spanien des Franco-Regimes treibt. In der Tat erhob sich Carreras mit seiner ruhigen Würde weit über diese seichte Klischeesuppe, und auch vokal konnte er noch einigermaßen überzeugen, da die Partie gnadenlos auf seine inzwischen sehr schmale Mittellage geschrieben worden war. Als Oper ist El Juez zum Vergessen, aber als Anlass, des Lebenswerkes von Carreras mit seinen künstlerischen Höhepunkten, seiner Popularität und seinen persönlichen Schicksalsschlägen zu gedenken, tat dieser Event wohl gute Dienste. Denn mit José Carreras geht ein kleiner Gigant der klassischen Musik in den dritten, nun wohl endgültigen Ruhestand. Beginnen wir mit seinem Namen: Josep Carreras (mit vollem Namen Josep Maria Carreras i Coll). Die katalanische Schreibweise seines Vornamens ist durch-

aus von Belang. Denn Josep ist nicht nur Teil des offiziellen Namens der Josep Carreras Leukaemia Foundation, er ist vor allem Teil seiner Identität. Als stolzer Katalane, dessen Vater im Spanischen Bürgerkrieg gegen Franco gekämpft hatte, bekam er die Unterdrückung von Regimegegnern aus nächster Nähe zu spüren: Sein Vater, ein Lehrer, war dazu gezwungen, als Verkehrspolizist zu arbeiten. Carreras wurde als José Carreras berühmt, fühlte sich aber immer als Josep; doch dieser Name wurde in den Zeiten der Zwangs-Hispanisierung durch das Franco-Regime nicht geduldet. Das erklärt Carreras’ Passion für El Juez – zumindest thematisch, behandelt das Werk doch die Zeit, in der Kinder (wie es heißt, bis zu 30.000) regimekritischer Gegner den Eltern weggenommen und, meist mit expliziter oder impliziter Unterstützung der katholischen Kirche, regimetreuen Paaren zwecks Adoption übergeben wurden. Josep Carreras wurde 1946 in Barcelona geboren, wo er (von einem Jahr Auswanderungsversuch seiner Familie abgesehen) aufwuchs. Schon als Knabensopran hatte er im Gran Teatre del Liceu seine ersten Auftritte, bevor er 1970 von seiner Landsfrau Montserrat Caballé entdeckt wurde und neben ihr in Donizettis Lucrezia Borgia singen durfte. Es folgten Auftritte auf allen großen Opernbühnen der Welt sowie ein Exklusivvertrag mit Philips in einer der Blütezeiten der klassischen Schallplatten- (und CD-) Labels. Damals war Carreras, oft gemeinsam mit Caballé, ein Zugpferd, das es ermöglichte, unbekanntes Repertoire – oft Welterst­ einspielungen – aufzunehmen und zu verkaufen. So zum Beispiel Verdi-Seltenheiten (Il corsaro, Un giorno di regno, Stiffelio, I due Foscari, La battaglia di Legnano), Rossini-Obskuritäten (Elisabetta, Otello) oder die zeitgenössische Misa Criolla von Ariel Ramírez. Auch mit der Ersteinspielung des einst populären Kleinods La Juive von Jacques Halévy wurde 1986 begonnen, doch musste dieses Projekt erst einmal unvollendet bleiben: Während der Dreharbeiten zu einer Filmversion von La Bohème wurde 1987 bei dem schmächtigen, damals 40-jährigen Katalanen akute lymphatische Leukämie diagnostiziert; und die Prognosen hinsichtlich seiner Lebenserwartung waren sehr pessimistisch. Doch Josep Carreras kämpfte mit allen Mitteln am Krebs-Forschungsinstitut „Fred Hutch“ in den USA gegen seine Krankheit, überlebte, erholte sich – und stand schon 1989 wieder (an der Seite seiner Freundin und Kollegin Montserrat Caballé) auf der Bühne. Auch La Juive wurde fertiggestellt, indem Carreras seinen noch fehlenden Part im Studio auf die ansonsten schon komplett eingespielte Aufnahme sang. Trug Carreras’ Stimme schon immer einen Hauch Verletzlichkeit in sich, so wurde dies nun 9


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wurde in Bilbao, Erl, St. Petersburg und schlussendlich in Wien aufgeführt. Mit Kolonovits, der auch Produzent ist, verbindet Carreras sein Abschiedsalbum à la Frank Sinatra (einem Idol Carreras’: „Er ist der Beste“), nur dass sich die auf „25 – Meraviglioso“ enthaltene bunte Mischung der größeren und mittleren Klassikstars nicht zu einem gemeinsamen Konzert zusammenfand, sondern jeder in seinem jeweiligen Studio seinen Teil ablieferte, der dann mit den anderen zusammengemischt wurde. Wien, wo Carreras schon 1999 mit dem Großen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Josep Carreras ist am Österreich ausgezeichnet bekanntesten als einer der wurde, ist freundlich zu ver„drei Tenöre“. Die „drei dienten Stars, insbesondere Tenöre“ haben klassische in der Kulturszene. Die KriMusik beziehungsweise ein tiken urteilten milde über kleines, schmales Tortendie von Emilio Sagi inszestück klassischer Musik Schon als Knabensopran hatte Carreras erste Auftritte, seine Paraderolle nierte Oper, das brauchbare zwischen italienischer Oper wurde Don José in Carmen, er brillierte als Romeo (hier in Romeo und Julia Libretto von Angelika Messund Vokalkitsch an ein 1983) und er wurde als einer der „drei Tenöre“ weltberühmt. ner, die ordentlichen Massenpublikum gebracht, wie es sonst kaum je klassische Musiker geschafft haben. Im Nebensänger, die gleichwohl keinen bleibenden Eindruck hinterlieDunstkreis von Liberace, Beverly Sills (in Amerika), André Rieu, ßen, sogar über die Musik – und natürlich Carreras selbst. Nur das David Garrett, Richard Clayderman waren die „drei Tenöre“ auf Diktum „hölzerne Bühnenpräsenz“, die „José Carreras ein wenig der seriösen Seite; und der offensichtlich stillere, ruhige, sich sei- wie ein Geist seiner selbst wirken“ habe lassen (Stefan Ender), verner Rolle in diesem Trio bewusste Josep Carreras war der sich am strömte einen Hauch der ansonsten gerne scharfen Wiener Kritik. wenigsten anbiedernde. Aber er war auch der Initiator des Dreige- Wobei das Hölzerne ganz gut zum Charakter des Richters passte spanns: passenderweise aus teils fußballerischem Anlass (nämlich und auch inzwischen Teil des bald 70-jährigen Josep Carreras zu zum Finale der Fußball-WM 1990, nur Stunden vor Andreas Breh- sein scheint: So wirkt er freundlich, korrekt, nicht ohne Strenge; mes erfolgreichem Foul-Elfmeter gegen Argentinien), denn neben man käme nicht auf die Idee, ihm gegenüber förmlich, forsch oder der Oper gilt Carreras’ Liebe dem Fußball generell und dem FC frech zu werden. Pünktlich und kollegial sei er stets, meinen MitarBarcelona im Speziellen. (Es war zudem eine Benefizveranstaltung beiter, und höflich dazu. für seine Stiftung.) Dementsprechend suchte und fand Carreras Doch als Carreras kürzlich in der Royal Albert Hall eine Vorsofort nach dem Schlussapplaus für El Juez auf der Premierenfeier einen Fernseher, um gemeinsam mit anderen Interessierten das stellung gab, war die Kritik vernichtend: „Ein erbärmliches EreigEuropameisterschaftsviertelfinale Deutschland gegen Italien zu nis, das mich akut daran erinnerte, welche Tragödie es ist, nicht zu wissen, wann man aufhören muss.“ (Rupert Christiansen) Das ist verfolgen. doch einigermaßen grob ausgedrückt – bei einem Mann, der sich Es war das große Comeback von Carreras, dem Tod ent- so erfolgreich „aufzuhören“ weigerte, als ihm das Schicksal schon schlüpft, aber es war auch der Anfang vom Ende seiner großen das Fine ins Lebensbuch eingetragen hatte. Wer dem Tod so knapp Opernkarriere. Schon vor seiner Erkrankung hatte die Stimme, so von der Schippe springt, der wird es vielleicht als Gnade empfinKritiker, etwas von ihrem Charme und Schmelz verloren. Carreras den, so lange gesungen haben zu dürfen, weit jenseits des stimmlihatte sich, nicht zuletzt auf Herbert von Karajans Rat, schwerere chen Höhepunkts. Seinen Ruf ruiniert sich Carreras mit ein paar wenigen etwas fragwürdigen Altersauftritten wohl Rollen zugetraut (Don José, Don Carlo, Andrea Chénier), die mögkaum: Tausende Fans jubeln ihm immer noch zu. licherweise seiner Stimme abträglich waren. Mehr und mehr konJosep Carreras tritt nun von der Bühne ab, verzentrierte er sich auf Crossover-Repertoire mit den anderen zwei abschiedet sich aber keineswegs in den Ruhestand. Tenören – oder auch ohne sie. „Ich hatte eine Karriere vor meiner Er wird sich noch intensiver um seine Stiftung kümKrankheit und eine andere danach ...“ Es mögen ihn stimmmern. Menschen in ihrem Kampf gegen Blutliche Gründe, die Lukrativität oder aber die Hoffnung krebs zu helfen – da geht es nicht um Applaus bewegt haben, mit Crossover ein Publikum für klassische und schon gar nicht um Kritiken. Musik zu interessieren, das sonst keinen Kontakt zur Oper ■ gehabt hätte. Vermutlich war es ein bisschen von allem. Nun, José Carreras: „A Life in Music“ (Sony Classical); „Best Wishes from José Carreras – auf seiner Abschiedswelttournee und im letzten aktiven Jahr The Vienna Comeback“ (Arthaus); „The Legendary Tenor“ (Warner) seiner Karriere, war El Juez die finale Rückkehr zur Oper: Sie 10

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Fotos: Harry Weber; Kupfer Kultur & Media

offensichtlich – was aber in vielen Fällen dramatisch angebracht und seinem Ruf als sensiblem Künstler durchaus zuträglich war. Noch davor hatte der Sänger die schon erwähnte Leukaemia Foundation (in Deutschland seit 1995 vertreten als „Deutsche José Carreras ­L eukämie-Stiftung e.  V.“) gegründet, welche die Erforschung der Krankheit, von ihr betroffene Patienten sowie Krankenhäuser in ihrem Kampf gegen den Blutkrebs unterstützt, wobei Carreras diesem Zweck unter anderem auch eine jährliche Spendengala widmet.


live in concert 2016 F i l m m u s i k 29.09.2016 – Hamburg – Laeiszhalle 12.11.2016 – Frankfurt – Alte Oper 25.11.2016 – Hannover – Kuppelsaal 26.11.2016 – München – Gasteig 02.12.2016 – Nürnberg – Meistersingerhalle 04.12.2016 – Berlin – Tempodrom 05.12.2016 – Stuttgart – Palladium 11.12.2016 – Augsburg – Kongress am Park TickeTs unTer:

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k ü n s tl e r

Einer der

„Drei Knaben“ Seit Franco Fagioli in Leonardo Vincis Oper Artaserse die anspruchsvolle Rolle des Arbace sang, liebt ihn das Publikum. Für sein neues Album wählte der Countertenor Arien von Gioachino Rossini, in dessen Leben er Parallelen zu seinem findet.

Foto: Stephan Boehme

v o n T e r e s a Pi e s c h a c ó n R a p h a e l

crescendo: Herr Fagioli, wenn man Sie singen hört, meint man, eine Frau zu hören. Sie klingen wie Cecilia Bartoli! Franco Fagioli: Danke! Das ist ein großes Kompliment für mich, weil sie als Mezzosopranistin eines meiner größten Vorbilder ist. Kennengelernt habe ich sie 2005 in Zürich, wo wir gemeinsam im Giulio Cesare sangen. Was uns beide verbindet, ist die bedingungslose Liebe für den Belcanto-Gesang. Mein Register übrigens ist das eines Mezzosoprans. Manche nennen mich einen männlichen Mezzosopran. Also das „dritte Geschlecht“, wie Gioachino Rossini es 1863 zu seiner Petite Messe solennelle formulierte? Ja. Er meinte damit die Kastraten, die es zu dieser Zeit zumindest in der Oper nicht mehr gab, von deren Gesang er aber nach wie vor fasziniert war. Als junger Mann hatte Rossini den letzten Kastraten auf der Opernbühne, Giovanni Battista Velluti, erlebt und ihm 1813 den Arsace in Aureliano in Palmira auf den Leib geschrieben. Belcanto ist kein Konzept aus dem 19. Jahrhundert. Das meinen wir nur heute. Wenn von Belcanto die Rede war, dann meinte man den Gesang der Kastraten, es war das Goldene 12

Zeitalter. Aus Kastratenrollen sind mit Rossini und anderen Zeitgenossen die Hosenrollen entstanden. Das möchte ich auf meiner neuen CD zeigen. … nach Monteverdi, Händel, Porpora, Gluck, Mozart … … nun Rossini. Ich fühle mich sehr wohl mit ihm und seinen „Hosenrollen“. Mit Humperdincks Hänsel und Mozarts Cherubino auf der Bühne und Arien aus Rossinis Semiramide oder La donna del Lago begann ich meine Ausbildung, damals noch in Argentinien. Meine ersten Professoren waren ein Sopran und ein Bariton – es gab überhaupt keine Counter-Spezialisten dort. Sie lehrten mich die italienische Belcanto-Technik. In Argentinien geht man durch die italienische Schule, bis heute ist das große Vorbild des Teatro Colón die Mailänder Scala. Wäre es übrigens nach Rossinis Onkel, einem Metzger, gegangen, wäre der Komponist, der als Knabe sehr schön sang, kastriert worden, um seine Sopranstimme zu erhalten. Doch Rossinis Mutter verhinderte dies. Meine Mutter dachte immer, ich würde meine Stimme ruinieren, www.crescendo.de

September – Ok tober 2016


wenn ich so hoch singe. Sie wusste nichts von diesem Stimmfach. Auch meine Freunde dachten, ich mache mir nur einen Spaß und veralbere Frauenstimmen. Erst als ich eine Aufnahme des Stabat mater von Pergolesi in die Hände bekam, entdeckte ich, dass meine Stimme ein bisschen der von James Bowman ähnelte, einem Countertenor, der auf dieser Aufnahme mitwirkte. Eine noch größere stimmliche Nähe fand ich allerdings bei den großen Mezzosopranistinnen der Zeit, etwa neben Cecilia Bartoli auch Anne Sofie von Otter, Jennifer Larmore und sogar Marilyn Horne. Sie wuchsen in San Miguel de Tucumán auf, einer Stadt mit einer halben Million Einwohnern im Norden Argentiniens. Dort wurde 1816, zu Lebzeiten von Rossini, die Unabhängigkeitserklärung von Spanien ausgerufen. Seitens meiner Mutter stamme ich übrigens von Spaniern ab. Väterlicherseits von Italienern. Zu Hause gab es populäre Musik, argentinische Folklore. Ich erinnere mich an Familienfeste, irgendwann griff man zur Gitarre, meist meine Mutter. Und man sang. Mit elf bat ich meine Mutter, in einen Chor eintreten zu dürfen. In jenem Jahr gab es in Tucumán die Aufführung von Mozarts Zauberflöte. Ich wurde einer der „Drei Knaben“, das war wirklich die erste Begegnung mit der Oper. Das war sehr wichtig für mich, sehr aufregend. Bei den Großeltern väterlicherseits gab es außerdem ein Klavier, das lernte ich zu spielen. Dann kam ich auf das Konservatorium und schrieb mich für Klavier ein. Der Gesang war eher ein Hilfsmittel für meine Klavierstudien. Heute ist es genau umgekehrt. Was hat Ihr Vater Ihnen gesagt, als er Sie zum ersten Mal mit einer so hohen Stimme hörte? Ich habe immer wieder sehr viel Unterstützung seitens meiner Familie erfahren, auch seitens meines Vaters. Ich weiß aber, was Sie mit Ihrer Frage meinen. Natürlich könnte man annehmen, dass man es in Südamerika seltsam findet, wenn ein Mann ein Countertenor wird. Gerade dort, wo es keine Tradition gibt. Ich war der erste Countertenor, der das Instituto Superior de Arte vom Teatro Colón durchlaufen hat. Den internationalen Durchbruch feierten Sie dann mit der gefeierten Aufnahme von Leonardo Vincis Oper Artaserse. Ja, das war eine entscheidende Produktion, die mich sehr weitergebracht hat! Als einer von fünf Countertenören habe ich die anspruchsvolle Rolle des Arbace gesungen, die Vinci für den berühmten Kastraten 13

„Meine Mutter dachte immer, ich würde meine Stimme ruinieren, wenn ich so hoch singE. Sie wusste nichts von diesem Stimmfach“ Carestini schrieb. Mittlerweile leben Sie in Madrid. Einer der heute populärsten Kastraten, Carlo Broschi, genannt Farinelli, wirkte hier von 1737 bis 1759 am spanischen Hof. Haben Sie sich schon auf seine Spuren begeben? Ich glaube, seine größte Spur hier ist seine Berühmtheit. Ich habe noch nicht in Madrid nach ihm gesucht. Ich kenne auch seine Schriften nicht. Ich weiß allerdings, dass er ein sehr gutes Verhältnis zu den Königen hatte, dass er es in hohe politische Positionen brachte. Neben seinem sängerischen Talent hatte er wohl auch ein großes Talent für Menschen und Beziehungen. Daher auch sein großer nachhaltiger Erfolg. Er wusste, wo er zu sein hatte. Angeblich soll er mit seinem Gesang König Philipp V. getröstet haben, der manisch-depressiv war.

Farinelli wurde sogar Minister und Direktor eines Opernhauses, bekam den Orden von Calatrava, die höchste Auszeichnung, die der König zu vergeben hatte. Eine gewisse Parallele gibt es da zu Händel. Beide besaßen sie wohl eine politische Intelligenz. Könnten Sie sich eine solche Position bei Hofe vorstellen? Ach nein, ich glaube nicht. Ich liebe es zu singen, weil ich das Gefühl habe, dass ich damit etwas vermitteln und teilen kann. Das Wichtigste für mich ist, dies in dieser Form so weitermachen zu können. Was all die Positionen anbelangt, wird man sehen, wie es weitergeht. Am Hofe war Farinelli sehr beliebt. Beim spanischen Volk aber hieß es: „Kapaune in den Suppentopf!“ (lacht laut) Da war wohl Eifersucht im Spiel. Weil er dem König ja so nah war, so viel Einfluss hatte. Na ja, das kann uns nicht mehr passieren, weil wir ja keine kastrierten Hähne sind. ■ Aktuelle CD: Franco Fagioli: „Rossini“, Armonia Atenea, George Petrou (Deutsche Grammophon)

25. 09. 16, 20:00 HERZOG BLAUBARTS BURG ERÖFFNUNGSABEND MIT CONCERTO BUDAPEST 26. 09. 16, 20:00

25.-29. September 2016 München

BARTOK FOR EUROPE FESTIVAL Tickets und Informationen: www.bartokforeurope.com

DER WUNDERBARE MANDARIN LONDON PHILHARMONIC ORCHESTRA 27. 09. 16, 18:30 UNGARISCHE RHAPSODIE KAMMERMUSIK VON BARTÓK, LIGETI, KURTÁG U.A. 28. 09. 16, 18:30 BARTÓKS QUELLEN UNGARISCHE (UND ANDERE) VOLKSMUSIK MIT DEM MUZSIKÀS ENSEMBLE 28. 09. 16, 20:00 DIVERTIMENTO MÜNCHENER KAMMERORCHESTER 29. 09. 16, 20:00 CONCERTO MÜNCHENER PHILHAMONIKER (IM ABONNEMENT) - IN ZUSAMMENARBEIT MIT “BARTÓK FOR EUROPE” FESTIVAL


k ü n s tl e r

Die

weiche

Stimme aus Mpumalanga Pretty Yende sollte Buchhalterin in Südafrika werden, dann hörte sie Léo Delibes Blumenduett in der British-Airways-Werbung, und es war um sie geschehen. Jetzt lauscht ihr das Publikum der großen Opernhäuser so hingebungsvoll wie sie einst dem Werbespot. v o n Do r o t h e a W a l c hsh ä u s l

Ein Opernabend in Zürich, Mitte Juli. Auf dem Programm steht Oper gepackt und sie spürte in diesem Moment ganz deutlich, dass Bellinis Oper I Puritani, auf der Bühne steht Pretty Yende, und auch ihr Leben gerade eine völlig neue Wendung nahm. „Ich wusste bis dieser Abend wird für sie enden wie so viele zuvor: Sie wird unter dahin nicht, dass so etwas Schönes existiert auf dieser Welt. Diese Standing Ovations die Jubelrufe entgegennehmen, in staunende unendliche Freude, die in dieser Musik lag – das war ein derart Gesichter blicken und in leuchtende Augen. Wenngleich sie bereits intensives Gefühl, das von Seele zu Seele ging und auf mich im ersten Moment völlig übernatürlich wirkte.“ Da die großen Bühnen bereist, gilt die südafribegriff die Teenagerin: „Hier ist etwas, das kanische Sängerin mit dem warmen und „Ich bringe meinen ich kennenlernen sollte. Und glücklicherwendigen Sopran vielerorts als Geheimtipp weise hatte ich das Talent dazu“, sagt Yende – noch. Denn wer Yendes Stimme lauscht südafrikanischen und lacht. Für die Sängerin mit dem Namen, und die Dynamik des Kulturbetriebs kennt, Sonnenschein der klingt, als wäre er einem genialen PRder ahnt, dass sich dies rasant ändern könnte. Coup entsprungen und der doch tatsächlich In Bellinis später Oper durchlebt, -liebt nach Europa“ ihr echter ist, gab es damals keine Alternative und -leidet die 31-jährige Sängerin die Rolle mehr: Erst überzeugte sie ihre Eltern, dann der Elvira, jener verliebten Braut, die zusehends in den Wahnsinn getrieben wird. Es ist eine kraftvolle und suchte sie sich entsprechende Lehrer, erkundete mit Feuereifer die anstrengende Partie, die Koloraturarien sind hoch expressiv und Opernliteratur und begann ein Gesangsstudium am South African fordernd, die Sängerin gibt alles auf der Bühne, das ist schnell College of Music in Kapstadt. Im Jahr 2009 belegte sie schließlich in ersichtlich, und wenn Yende als Elvira schließlich in elender Ver- sämtlichen Kategorien des Internationalen Hans-Gabor-Belvederezweiflung auf einem Berg voller Leichen und kurz vor dem Suizid Gesangswettbewerbs in Wien den ersten Platz – der Startschuss ihrer internationalen Karriere, die seither stetig an Fahrt aufnimmt. steht, stockt einem der Atem. Wenngleich Yende jede Bühne mit Präsenz flutet und an keiIhre ersten Töne gab Pretty Yende in Piet Retief von sich, einer 57.000 Einwohner starken Stadt im Distrikt Gert Sibande der Pro- nen anderen Ort besser zu passen scheint, ist sie im persönlichen vinz Mpumalanga in Südafrika. Dort kam sie 1985 zur Welt und Gespräch das Gegenteil einer Diva. Begegnet man der Sängerin jenwar von Geburt an von Musik umgeben, begleitet von den Rhyth- seits der Podeste, trifft man auf eine reflektierte und zugewandte men und Melodien ihrer Familie. Viele Abende hat sie mit ihren Frau, die mit feinem Gespür für die Zwischentöne stets auf der Eltern und Geschwistern am Feuer verbracht, dann erklangen Kir- Suche ist nach innerer Klarheit. Das Singen ist der Sängerin ein Herzensanliegen im wahrsten chenlieder, Hymnen und Gospels. Der Glaube prägte den Alltag der Großfamilie, er gehörte wie die Musik ganz selbstverständlich zum Sinn des Wortes und ihre Stimme sieht sie als kostbares Geschenk, Leben und so sammelte Yende ihre ersten Auftrittserfahrungen bei das schon immer in ihr schlummerte, um nach und nach von ihr entdeckt und freigelegt zu werden. Mit Virginia Davids hatte sie bei Gottesdiensten in der Gemeinde. Was dann jedoch geschah, klingt filmreif: Yende war damals diesem Prozess eine sensible Lehrerin an ihrer Seite. Sie hat ihr die 16 Jahre alt und beruflich hatte sie eine Ausbildung zur Buchhalte- Augen geöffnet für den Schatz in sich und ihr Mut gemacht, die rin vor Augen. Bis sie eines Abends vor dem Fernseher saß und die „eigene Einzigartigkeit zu entdecken. So wie man lernt, sich selbst British-Airways-Werbung lief, welche ihren Charme insbesondere im Spiegel anzunehmen, so hat sie mir beigebracht, die eigene ihrem betörenden Soundtrack verdankte, Léo Delibes legendärem Stimme wertzuschätzen“. Lauscht man Yendes Stimme heute, so Blumenduett aus seiner Oper Lakmé. Um Pretty Yende war es entdeckt man einen klaren, wendigen und weichen lyrischen damals geschehen. Noch nie hatte sie etwas Derartiges vernommen So­pran, blitzsauber und strahlend in den Höhen, federnd und virund die Musik drang in jede Pore. Mit aller Macht wurde sie von der tuos in den Koloraturen. Aktuell beschäftigt sich die Sängerin mit 14

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Foto: Gregor Hohenberg / Sony Music Entertainment

Sängerin Pretty Yende (31): „Die eigene Stimme wertschätzen“

Belcanto-Repertoire, die weitere Entwicklung scheint offen und vieles möglich. Kein Instrument ist enger mit der Persönlichkeit und Psyche des Ausübenden verbunden als die Stimme, und in der manchmal beinharten Hochglanzwelt der großen Bühnen ist es ein kostbares, aber auch fragiles Produkt, das den Marktwert bestimmt. „Alles, was die Sicherheit nimmt, was mit Selbstzweifeln zu tun hat und mit Angst, ist Gift für die Stimme und die Musik. Wer Angst hat, kann nicht mehr atmen. Und singen kann man dann erst recht nicht mehr“, sagt Yende. Fast noch wichtiger als die Verfeinerung der Stimme ist angesichts dessen gerade für sensible Kandidaten der Schutz der eigenen Seelenruhe. Das hat auch Pretty Yende gemerkt: Nachdem sie mit gerade mal 27 Jahren ein furioses Debüt an der Met hingelegt hatte, brachen die Anfragen über sie herein. Damals musste Yende erst einmal lernen, „Nein“ zu sagen, und seither entscheidet ausschließlich ihr Bauchgefühl, ob sie ein Angebot annimmt oder nicht. Dabei wird sie unterstützt von einem Heer guter Geister und Berater, das sie begleitet – „The Pretty Army“, wie die Sopranistin sie nennt. Letztlich gehe es darum, „den Kampf im Kopf zu bewältigen und Frieden zu finden mit sich selbst“, so Yende. Die Sängerin nimmt sich hierfür am liebsten ein Beispiel an Kindern und deren Art, auf das Leben zu sehen. „Sie trauen sich etwas zu, sie freuen sich auf Neues, sie wagen sich an etwas heran.“ Pretty Yende hat diesen Blick auf das Leben verinnerlicht, und spricht sie über Musik, so scheint sie von innen heraus zu leuchten und von einer warmen, wohligen Aura umgeben. „Ich bringe meinen südafrikanischen Sonnenschein nach Europa“, sagt die Musikerin und lacht, dann streicht sie ihre Haare sanft hinters

Ohr. Ihre südafrikanischen Wurzeln geben der Sängerin bis heute Halt. Wann immer es geht, fliegt sie nach Hause und saugt den Duft und die Klänge ihrer Heimat auf. „Südafrika trägt mich“, sagt Yende und wärmt ihre Hände an der Teetasse vor sich. „Ich habe eine afrikanische Seele in mir, die Geschichte meiner Mutter und meiner Großmutter. Das ist meine Essenz, darauf gründe ich.“ Nun erscheint bei Sony das Debütalbum der Sängerin: „A Journey“, eine leidenschaftliche und facettenreiche Reise durch die Welt der Opernliteratur, die Yende mit feinem Gespür für ihre derzeitige Stimme ausgewählt hat. Auf dem zweiten Track des Albums singt Pretty Yende zusammen mit der Kollegin Kate Aldrich nun selbst das Blumenduett. Innig und strahlend scheinen die Töne aus ihrem Mund zu fließen, und hätten die PR-Manager von British Airways heute die Wahl, sie würden wahrscheinlich diese Aufnahme wählen. Für Yende war die Aufzeichnung ein Flashback der besonderen Art: „Das Blumenduett auf dem Album hat mich direkt zurückgebracht zu jenem Moment, in dem ich als 16-Jährige vor dem Fernseher saß. Das Interessante aber ist: Ich sehe keine Bilder vor mir. Da ist nur Musik.“ Im Opernhaus ist die Aufführung mittlerweile zu Ende. Der Vorhang fällt, das Publikum klatscht und als Pretty Yende schließlich die Bühne betritt, brandet tosender Jubel auf. Während alles tobt, senkt Yende langsam ihren Kopf, macht eine Beuge, schließt die Augen und verharrt für einige Sekunden. Dann erhebt sie sich, öffnet die Augen wieder und schickt die Sonnenstrahlen Südafrikas in die Züricher Oper. ■ Aktuelle CD: Pretty Yende: „A Journey“ (Sony) 15


p e r s o n a l i e n

LIONEL ­B RINGUIER

Sommer 2018 laufender Vertrag nicht verlängert wird. Laut Tonhalle-Orchester habe man sich gemeinsam dazu entschieden und freue sich über die weitere Zusammenarbeit in den kommenden zwei Jahren. Der junge Bringuier folgte an dieser Position auf David Zinman, der das Orchester beinahe zwei Jahrzehnte lang führte. Das Orchester muss sich nun erneut auf die Suche nach einem Chefdirigenten machen – mit der besonderen Herausforderung, dass die Tonhalle in Zürich ab 2018 renoviert wird und der/die Neue seinen/ihren Einstand in einer Ausweichspielstätte feiern wird.

P et er ­baumg ard t Es hat wohl nicht sollen sein: Erst zwei Spielzeiten lang ist der 29-jährige Franzose Lionel Bringuier als Chefdirigent des TonhalleOrchesters Zürich im Amt. Nun wurde überraschend bekannt, dass sein noch bis

Eine weitere einvernehmliche Vertragsauflösung gab es im niederbayerischen Passau: Der Intendant der Europäischen Wochen, Peter Baumgardt, wird das Festival verlassen. Das große Dreiländer-Festival zählt jährlich rund 70 Veranstaltungen in Ostbay-

ern, Oberösterreich und Böhmen. Baumgardt, bekannt unter anderem als Intendant der Städtischen Bühnen Augsburg, des Stadttheaters Kempten und seiner Initiative bei der Görlitzer Bewerbung um die „Kulturhauptstadt Europas 2010“, leitete das Festival seit 2012. Als Nachfolger ist Bariton Thomas E. Bauer im Gespräch, der Gründer und Leiter des 2008 ins Leben gerufenen Festivals Kulturwald Bayerischer Wald.

S erg e DO r NY Alles andere als einvernehmlich hatte sich Serge Dorny 2013 von der Dresdner Semperoper getrennt. Noch bevor er dort seine Position als neuer Intendant antrat, kündigte ihm die damalige Kunstministerin Sabine von Schorlemer fristlos: wegen unüberbrückbarer Querelen zwischen Dorny und dem Chefdirigenten der Dresdner Staatskapelle, Christian Thielemann. Das Oberlandesgericht Dresden hat nun in zweiter Instanz entschieden, dass die Kündigung unwirksam ist.

G e s to r b e n

Er war einer der ganz Großen, ein Überflieger im positivsten Sinne des Wortes, ein Schlagzeugwunder, ein Universalgenie. Mit Peter Sadlo starb wohl einer der herausragendsten Schlagzeuger Europas. In seinem Leben vollzog sich alles in atemberaubender Geschwindigkeit: Mit 20 Jahren wurde er Solopauker der Münchner Philharmoniker unter Sergiu Celibidache, ein Jahr später erhielt er eine Professur an der Hochschule für Musik und Theater München, 1985 gewann er einen ersten Preis beim ARD-Musikwettbewerb und mit noch nicht einmal 30 Jahren folgte eine Professur am renommierten Salzburger Mozarteum. Mit seiner Trennung von den Münchner Philharmonikern 1997 entschied er sich für eine glanzvolle Karriere als Solo-Schlagzeuger, aber auch als Kammermusiker an der Seite von prominenten Künstlern wie Gidon Kremer oder Anna Gourari. Von 2007 bis 2010 war er künstlerischer Leiter des hochkarätigen Basler Festivals Les Muséiques. Sadlo wirkte als nie versiegende Quelle der Inspiration auf die wichtigsten Komponisten unserer Zeit: Luciano Berio, Hans Werner Henze und Sofia Gubaidulina schrie16

ben ebenso für ihn wie Harald Genzmer, rie heraus, beschäftigte sich systematisch Moritz Eggert und Minas Borbouda- mit allen Einzelinstrumenten des Schlagkis. Der 1962 im mittelfränkischen Zirn- zeugapparats. 1997 verfasste er eine Disdorf geborene, reich mit Preisen wie etwa sertation zu Haltung und Grifftechniken bei den drei klassischen Schlag­ instrumentengruppen. Sadlo gab zahlreiche Meisterkurse und war seit 2007 künstlerischer Berater der internationalen Musikbegegnungsstätte Haus Marteau. Mit diesem Engagement beeinflusste Sadlo den Stellenwert des Schlagzeugs im Orchesterapparat insgesamt und prägte maßgeblich eine ganze Generation von Instrumentalisten. Sein Rückzugsort war die kleine altbayerische 500-Seedem Europäischen Kulturpreis dekorierte len-Gemeinde Giggenhausen im LandSadlo wirkte jedoch nicht nur als Aus- kreis Freising bei München. „This guy nahmemusiker, sondern auch als Päda- – Peter Sadlo – he is incredible“ soll der goge, Tüftler, Bastler und Wissenschaftler. berühmte US-amerikanische KompoImmer wieder erzählte er, wie er bereits nist Steve Reich über ihn gesagt haben – im Alter von drei oder vier Jahren voller dem ist nichts hinzuzufügen. Sadlo verKlangneugier in der mütterlichen Küche starb am 28. Juli im Alter von 54 Jahren mit Arrangements von Kochtöpfen als völlig unerwartet an den Folgen einer Schlaginstrumenten experimentierte. Nierenoperation in einem Münchner Sein ganzes Leben lang machte er sich Krankenhaus. Noch eine Woche zuvor aktiv um die Instrumentenentwicklung, hatte er bei den Audi Sommerkonzerbeispielsweise in Bezug auf die Pauke, ten in Ingolstadt ein Konzert gegeben. verdient, brachte eine eigene Schlägerse- Maria Goeth

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Fotos: Paolo Dutto; cdpa

P et er sad l o


hören & sehen Die besten CDs, DVDs & Vinylplatten des Monats von Oper über Jazz bis Tanz Attila Csampais Auswahl (Seite 18)

Sony würdigt Charles Munch mit einer Komplettedition (Seite 28)

Vinyl Esperanza Spalding

Charismatisches Multitalent  Auch im Jazz gibt es bald keine Männerdomänen mehr: Esperanza Spalding ist nicht nur eine hinreißende Sängerin und begabte Komponistin, sondern sie begleitet sich auch selbst mit unwiderstehlicher Coolness am großen Kontrabass oder auf der fünfsaitigen Fender Fretless. Es ist eine ganz neue Art von Vocal Jazz, den sie auf ihrer neuen LP mit Matthew Stevens (g), Justin Tyson (dr) und einigen backing vocals kreiert: ein unglaublich frischer, verschlungener Fusion-Jazz-Art-Rock mit Anleihen

von Latin, Soul, Hip-Hop und Funk und alles locker geschüttelt und komplex verdichtet zu großem Stationentheater, ja aufgebauscht zu einer rauschenden Bühnenshow. Drei Jahre lang arbeitete das 31-jährige pretty girl an der wortreichen, verwirrend schönen, poetisch-bilderreichen Operette, und in YouTube kann man sehen, dass sie das alles auch live und unplugged vorführen kann: Sie tanzt da wie eine Aztekenprinzessin mit Nerdbrille – simply irresistible. ac

Foto: Universal Music

Esperanza Spalding: „Emily’s D + Evolution“ (Concord) (auch auf CD erhältlich)

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h ö r e n & s e h e n

Die Empfehlungen von Attila Csampai

Meisterwerke in neuem Licht In Attilas Herbst-Auswahl dominieren große Namen – und ein vergessenes Genie. musikalische Logik mit Leben anzureichern und die elementaren Strukturen so auszuformen, dass der immense substanzielle Reichtum dieser Miniatursinfonien deutlich und als Prozess ständiger Überraschungen erfahrbar wird. Die in Berlin lebende PiaMozarts Le nozze di Figaro ist die fortschritt- nistin findet hier auf Anhieb die richtige Balance zwischen intellichste Oper überhaupt, die völlige Inbesitz- lektueller Klarheit und emotionaler Sensibilität, zwischen Humor nahme des Theaters durch die Musik, wobei und Empathie, zwischen struktureller Strenge und lebendiger, dem Orchester eine besondere Bedeutung zukommt. Das weiß impulsreicher Spielfreude. auch Yannick Nézet-Séguin, und so weist er in seiner vierten Mozart-Produktion dem schlanken, aber scharf zupackenden Chopin: PRELUDES Yundi (DG) Chamber Orchestra of Europe wieder den dramatischen Hauptpart zu. Mit rasanten Tempi und trockener Präzision gibt es den Bisher hielt ich den Chinesen Yundi, vormals atemlosen Lebenspuls dieses „tollen Tages“ vor und stellt den jüngster Gewinner des Warschauer Chopinobjektiven Handlungskontext über alles innere Geschehen. DieWettbewerbs, für einen soliden, kontrollierten sem historisch orientierten Ansatz des 41-jährigen Kanadiers Schöngeist. In seinem siebten Chopin-Album folgt die bunt zusammengewürfelte Startruppe mit erstaunlicher zeigt er endlich Kontur und emotionale Power. Disziplin: Thomas Hampson gibt einen herrischen, aber sehr reif In den Balladen vollzieht Chopin eine deutliche Entwicklung vom wirkenden Grafen, der gegenüber der kernigen, frischen Virilität leidenschaftlichen Konfliktpotenzial der ersten beiden hin zu der des jungen Luca Pisaroni (als Figaro) verblasst, ebenso hat abgeklärten Komplexität der späteren Stücke, und der 31-Jährige Susanna-Debütantin Christiane Karg Mühe, sich gegenüber der übersetzt diesen Prozess mit bestechender Klarheit und einer alles überstrahlenden vokalen Wärme und Ausdruckskraft der polyfonen Prägnanz, die seine hoch entwickelte Technik immer bulgarischen Newcomerin Sonya Yoncheva (als Gräfin) zu präzise und durchhörbar offenlegt – und auf jegliche Tricks wie behaupten. Weitere Prominenz gibt es auch in den Nebenrollen. rauschenden Pedaleinsatz verzichtet. Chopin erscheint hier als Trotzdem verströmt die konzertante Hochglanzproduktion kaum ein von der Klassik noch stark beeinflusster Architekt komplexer erotisches Flair oder gar politische Sprengkraft. Strukturen, der erzählerische „Freiheit“ mit formaler Strenge auf engstem Raum zu bündeln versteht: Das geht, wie in der berühmten Stretta der zweiten Ballade bis an die Grenzen des manuell Haydn: 6 PIANO SONATAS Einav Yarden (Challenge Classics) Machbaren, doch Yundi bewältigt auch diese Hürde mit unerJoseph Haydn gilt zwar als „Erfinder“ der klas- schütterlicher Coolness. Nicht ganz so souverän durchmisst er die sischen Sinfonie und des Streichquartetts, aber agogischen Tücken der vier Mazurken op. 17, deren polnische sein umfangreiches, ähnlich innovatives Sona- Seele ein noch höheres Maß an emotionaler Empathie erfordert. tenwerk für Klavier wird von den meisten Pianisten links liegengelassen, weil man damit Liszt: Études d’éxecution transcendante Kirill Gerstein (Myrios Classics) technisch kaum glänzen kann. Die junge israelische Pianistin Track 10 auf der crescendo Abo-CD: Wilde Jagd Einav Yarden hat jetzt ihr zweites Album mit sechs mittleren Klaaus den Études d’exécution transcendante viersonaten Haydns aus den Jahren 1773 – 76 bestückt, die kaum einer kennt, aber in denen die Experimentierfreude des stillen Der 1979 in Russland geborene Wahl-AmeriRevolutionärs aus Esterháza noch mehr tobt als in den späteren, kaner Kirill Gerstein zählt zur seltenen Spebekannten Werken. Mit ihrem glasklar-prägnanten Zugriff und zies des intelligenten Virtuosen: ein brillanter feiner Agogik schafft es die 37-jährige Pianistin, Haydns trockene Techniker, dem es aber stets um den „Sinn“, den ganz spezifischen Mozart: Le nozze di Figaro

Pisaroni, Karg, Yoncheva, Hampson u. a., Chamber Orchestra of Europe, Yannick Nézet-Séguin (DG)

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Charakter der jeweiligen Komposition geht, und der Effekte scheut. Jetzt hat er sich einen der schwierigsten Etüdenzyklen der Klavierliteratur vorgenommen und sie schon im Vorfeld mit großem Erfolg in London und New York live vorgestellt: Liszts 12 Études d’exécution transcendante, was nur heißt, das sie im Schwierigkeitsgrad „aufsteigen“, doch Gerstein versteht sie auch als „transzendental“ im Sinne einer zunehmenden spirituellen Entmaterialisierung. So versucht er von Beginn an, mittels raffiniertem Pedaleinsatz und betörenden Farbabstufungen die hinter aller Virtuosität lauernden nächtlichen Stimmungsbilder, das Geisterhafte, das Bizarre und Geheimnisvolle in ihrer schemenhaften, durchaus spirituellen Schönheit agogisch sensibel und zugleich suggestiv vor uns aufzuspannen. Nach dieser „transzendenten“ Meditation, die für den Pianisten alle Prüfungen bereithält, scheint nicht nur dieser geläuterter, sondern auch der Zuhörer gewinnt völlig neue Einblicke in Liszts revolutionäre Ästhetik. TchaikoVsky: SymphonY No. 6 Dvořák: Rusalka Fantasy Pittsburgh Symphony Orchestra, Manfred Honeck (Reference Recordings)

In nur wenigen Jahren hat Manfred Honeck das traditionsreiche Pittsburgh Symphony Orchestra zu einem der besten Orchester der USA geformt und ihm ein ganz eigenes, europäisch anmutendes Klangprofil gegeben. Nach seiner spektakulären Wiederbelebung von Beethovens Fünfter hat Honeck jetzt mit Tschaikowskys ­düsterer Sechster ein weiteres Evergreen packend und detailreich in Szene gesetzt und das ausgereizte Opus durch kammermusikalische Präzision wieder in einen Zustand gelenkiger Frische und einer von allem falschen Pathos gereinigten transparenten Schönheit versetzt, der ganz aus dem strukturellen Kontext heraus dessen emotionale Tiefe und dessen fantastische Modernität neu auslotet. Als positiv leuchtendes Gegengewicht zu Tschaikowskys Todesvisionen hat Honeck dem Album eine eigene sinfonische Adaption wichtiger Themen und Melodien aus Dvořáks später Erfolgsoper Rusalka hinzugefügt, die den Märchenzauber der Oper gekonnt in orchestrale Farbenpracht übersetzt. Hans Rott: Symphony NO. 1 Mozarteumorchester Salzburg, Constantin Trinks (Profil) Track 11 auf der crescendo Abo-CD: Alla breve aus der Sinfonie Nr. 1

Hatte Gustav Mahler einen unbekannten Vorläufer? Der 1858 geborene Wiener Organist und Komponist Hans Rott schrieb zwischen 1878 und 1880 nur eine Sinfonie, bevor er 1881 wegen Verfolgungswahn in eine „Irrenanstalt“ eingewiesen wurde und dort mit 25 Jahren an Tuberkulose starb. Doch gilt sein kühn vorausblickendes Werk als genialische Antizipation Mahlerscher Tonfälle und Satztechniken, gewissermaßen als Mahlers „Nullte“. Der deutsche Dirigent Constantin Trinks, zuletzt GMD in Darmstadt, hat jetzt mit dem Salzburger Mozarteumorchester Rotts E-Dur-Sinfonie neu eingespielt. Dabei gelingt es ihm, neben den deutlichen Spuren Wagners, Bruckners und Brahms’ auch die innovativen Kräfte und den jugendlichen Überschwang des 20-jährigen Rott plastisch und gestenreich herauszuarbeiten und so auch das enorme dramatische Potenzial des Werks aufleuchten zu lassen: Es ist ein Manifest des Überdrucks, der überquellenden Fantasie, bekenntnishaft, hymnisch und genialisch zerrissen und entwirft ein neues sinfonisches Vokabular, das später in vielen Werken Mahlers wieder auftaucht. 19

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h ö r e n & s e h e n

Jazz

Alte Musik

Dhafer Youssef

Ghislieri Choir & Consort

Der Wanderer

Hommage an die „ ­ Ewige Stadt“

Dhafer Youssef zieht um die Welt. Als er vor rund einem Vierteljahrhundert seine tunesische Heimat verließ, um in der Ferne sein Glück zu suchen, war er einer der Ersten, der die Oud ernsthaft in einen improvisierenden Zusammenhang einfügte. Inzwischen singt und komponiert er viel dazu und kann sich Träume wie das Album „Diwan Of Beauty And Odd“ erfüllen. Denn mit dem Pianisten Aaron Parks, Bassist Ben Williams, Drummer Marc Giuliana und dem Trompeter Ambrose Akinmusire als Gast hat er eine amerikanische Band, die seine orientalischen Grundlagen aus ungewohnt westlich urbaner Perspektive einfärbt. Youssefs Kosmos bekommt dadurch eine Weite, die Giulianas rockmusikalische Grundlagen mit Akinmusires Abstraktionskraft, Williams’ Jazzgroove und Parks’ Romantizismus verknüpft. Das Pathos früherer Aufnahmen bleibt, bekommt aber klangweltübergreifende, überraschende Tönungen. Raffiniert, inspiriert. rd

Als Händel nach Rom ging, war er gerade mal 22 Jahre alt. Schnell sorgt er für Aufsehen, unter anderem auch mit der Marien-Kantate, die er für die Festlichkeiten komponiert hat, die man als Dank für die Verschonung Roms von einem Erdbeben abhielt. In deren Zentrum steht die berührende Arie Tu sei la bella. Anne Sofie von Otter hat mit ihrer Interpretation in den 1990ern eine hohe Messlatte gelegt, an die die Sopranistin Maria Espada durchaus heran­ reicht. Auch sie singt ausdrucksvoll, auch sie schafft Momente des Berührtseins, allerdings fehlt ihr manchmal diese Innigkeit, die Anne Sofie von Otter mit ihrem Gesang hervorzaubert. Auch bei den weiteren Werken auf der CD, der Kurzkantate Ah! che troppo ineguali und dem Dixit Dominus von Händel zeigen Giulio Prandi und seine Ensembles, Ghislieri Choir & Consort, dass sie diese Musik überwiegend packend und ausdrucksvoll musizieren, der ganz große Wurf ist es aber nicht, denn die Gesangs­ solisten überzeugen nicht durchweg. Insgesamt aber hört man gern über den ein oder anderen Wackler oder die ein oder andere Intonationstrübung hinweg, die bei Live-Mitschnitten, aus der diese CD besteht, normal sind. ih

Dhafer Youssef: „Diwan Of Beauty And Odd“ (Okeh)

Ghislieri Choir & Consort: „Handel in Rome 1707“, Giulio Prandi, Maria Espada, Rachel Redmond, Marta Fumagalli (dhm) Simon Borutzki

Foto: Shiraz Fradi

Klangreise nach Süden

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In Italien war Johann Sebastian Bach zwar nie gewesen. Als herzoglicher Organist in Weimar lernte er aber Anfang des 18. Jahrhunderts viele Werke italienischer Barockkomponisten kennen und arbeitete sie für Cembalo und Orgel um. Es verwundert nicht, dass ein Genie wie Bach die Stimmen dieser Konzerte nicht einfach auf ein Tasteninstrument übertrug, sondern den Transkriptionen seine ganz individuelle Handschrift gab. Simon Borutzki und sein Ensemble haben Streicherkonzerte von Antonio Vivaldi, das bekannte Oboenkonzert von Alessandro Marcello sowie Bachs eigenes Italienisches Konzert neu für Blockflöte und Continuo-Gruppe arrangiert. Das Ergebnis kann sich hören lassen. Virtuos und mit spritzigem Elan interpretiert Borutzki die Bearbeitungen auf der Blockflöte, begleitet von der Cellistin Lea Rahel Bader, dem Lautenisten Magnus Andersson und Clemens Flick am Cembalo beziehungsweise an der Orgel. ck

Simon Borutzki & Ensemble: „Bach all’italiano“ (Klanglogo) Track 8 auf der crescendo Abo-CD: Andante aus dem Italienischen Konzert F-Dur BWV 971 www.crescendo.de

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3./4.11.2016

h ö r e n & s e h e n

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Venus und Adonis

Englische Rarität In England wollte die italienische Oper lange Zeit nicht so recht Fuß fassen. Erst mit der Uraufführung von Händels Rinaldo 1711 kamen die Briten auf den Geschmack. Der Grund für die Verspätung ist leicht gefunden: Die heimischen Sänger waren von quirligen, virtuosen Koloratur­ arien und kunstvollen Rezitativen schlicht überfordert. Just in dieser Zeit, als Händel die italienische Opernkultur nach England exportierte, schlug ein weiterer Deutscher in England, nämlich Johann Christoph Pepusch, einen anderen Weg ein und komponierte mit Venus and Adonis die erste englischsprachige Oper. Vor allem Ciara Hendrick als Venus und Philippa Hyde als Adonis ist zu verdanken, dass die Aufnahme der Opernrarität keine Pflichtübung ist, um irgendwann alle Opern der Weltgeschichte auf Tonträger gebannt zu haben. Mit einnehmender Leichtigkeit, fast schon Zartheit tänzeln sich die beiden Sängerinnen durch die Koloraturen und machen die streckenweise recht zweckmäßig wirkende Komposition zu einem Erlebnis. Mt

Johann Christoph Pepusch: „Venus und Adonis“, Ciara Hendrick, Philippa Hyde, Richard Edgar-Wilson, The Harmonious Society of TickleFiddle Gentlemen, Robert Rawson (Ramée) Track 5 auf der crescendo Abo-CD: Farewel, Venus! Welcome pleasures!

„Quo Vadis Kulturmarkt?” 500 Teilnehmer 85 Referenten 10 Themenforen 50 Partner

Unter anderem mit folgenden Referenten aus Wirtschaft, Politik und Kultur:

Prof. Dr. Dr. Manfred Bruhn, Gründer, Gesellschafter und Präsident des Verwaltungsrates der Prof. Bruhn & Partner AG

Dirk Burghardt, Kaufmännischer Direktor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden

Johannes Ebert, Generalsekretär des Goethe-Instituts

Hedy Graber, Präsidentin des FORUM • KULTUR UND ÖKONOMIE, Leiterin Direktion Kultur u. Soziales beim Migros-Genossenschafts-Bund

Thomas Helfrich, Leiter Bayer Kultur

Andrew Holland, Direktor Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia

Andrea Joras, Geschäftsführerin von Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie GmbH

Svenja Kluckow, Manager Corporate Social Responsibility der MercedesBenz Bank und von Daimler Financial Services Europa

Mechtild Kronenberg, Leitung Presse, Kommunikation, Sponsoring, Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz

Kristina Leipold, Project Manager, Google Cultural Institute

Franziska Nentwig, Geschäftsführerin Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im BDI e.V.

Rüdiger Kruse (MdB), Berichterstatter für Kultur und Medien im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages

Prof. Dr. Oliver Scheytt, Inhaber KULTUREXPERTEN Dr. Scheytt GmbH, Geschäftsführer KULTURPERSONAL GmbH, Präsident der Kulturpolitischen Gesellschaft e.V.

Folkert Uhde, Gründer des Radialsystem V

Björn Wäspe, Head Brand Activation, Sponsorship & Events, UBS AG

Vox Luminis

Archaische Schönheit Musikwissenschaftsstudenten kennen Johann Joseph Fux meist nur als staubtrockenen Theoretiker, der mit seinem auf Latein verfassten Kontrapunktlehrbuch Gradus ad Parnassum von 1725 so manchen traktierte. Dass der Bauernsohn aus dem österreichischen Hirtenfeld und studierte Jurist auch Vollblutmusiker war, beweist sein Kaiserrequiem, das erstmals 1720 beim Begräbnis der Witwe Kaiser Leopolds I. zum Einsatz kam. In zeitlicher Nähe zu Bachs Johannes- und Matthäus-Passion entstanden, wirkt es in seiner fast statischen Harmonik, den kurzen Phrasen und dem Verzicht auf Zinken und Posaunen anachronistisch. Aus dem Munde des Vokalensembles Vox Luminis aber strömt Fux’ Bitte um ewige Ruhe, Trost und Erlösung ruhig und eindringlich dahin, tief berührend in ihrer archaischen Schönheit und Reinheit. Von ähnlicher Stimmung ist Johann Caspar Kerlls Toten­ musik, die er 1689 Kaiser Leopold I. widmete. Tpr

Johann Caspar Kerll, Johann Joseph Fux: „Requiems“, Vox Luminis, Lionel Meunier (Ricercar) Track 9 auf der crescendo Abo-CD: Communio (Lux aeterna) aus dem Kaiserrequiem von Fux

Solo

Sophie Pacini

Zauberhafte Titanen

Mutig ist sie, die Pianistin Sophie Pacini. Die 24-Jährige packt auf ihrer aktuellen CD, der Debüt-CD bei Warner, bekannte Werke zweier Tasten-Titanen zusammen: Die großangelegte Waldstein-Sonate von Beethoven etwa ist ein Paradestück für Pianisten. Pacini spielt diesen Brocken mit einer eindrücklichen Ehrlichkeit, ungekünstelt, gerade heraus. Besonders berührend aber ist ihr Spiel bei den Liszt-Werken. Egal ob Consolations, Reminiscences de Don Juan oder Liebestraum: Nie läuft sie Gefahr, ins Sentimentale oder gar Kitschige abzurutschen. Mit ihrem elegant-durchsichtigen Spiel, dem nötigen Gespür für Rubati und der ungeheuren Anschlagskultur schafft sie es, dass diese bekannten LisztWerke wieder ganz neu und frisch klingen. Zauberhaft! ih

Sophie Pacini: „Beethoven, Liszt. Solo Piano“ (Warner Classics)

Anmeldung:

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kulturmarken.de Premiumpartner:

Veranstalter:

causales®

Offizieller Druckpartner:


h ö r e n & s e h e n

Bettina Aust

Solo

Foto: Christine Schneider

Quirlige Klarinettengeschichten Warum im letzten Jahr beim Deutschen Musikwettbewerb Bettina Aust gewann, macht die Klarinettistin mit ihrem Debütalbum hörbar. Obwohl die von ihr eingespielten Werke – sie reichen von der Romantik bis zur Gegenwart – vielen Hörern nicht allzu geläufig sein dürften, ist man sehr bald schier überwältigt vom Klangfarbenreichtum, den die Soloklarinettistin der Augsburger Philharmoniker in einer knappen Stunde ausbreitet. Gleich beim Eingangsstück, Jean Françaix’ Tema con variazioni for clarinet and piano, ist ihr Spiel derart sanglich, als erzählte Aust eine heitere, quirlige Geschichte. Davon, dass das Stück von halsbrecherischen, virtuosen Kapriolen durchtränkt ist, ist nichts zu hören. Diese bezwingende Mühelosigkeit setzt sich durch alle weiteren Tracks hinweg fort. Vielleicht rührt die Beschwingtheit der Interpretationen auch daher, dass Bettina Aust mit ihrem Begleiter schon seit über 15 Jahren eng zusammenarbeitet: Es handelt sich dabei um Robert Aust, ihren Bruder. Mt

Bettina Aust: „Works by Bernstein, Brahms, Burgmüller, Françaix and Widmann“, Robert Aust (Genuin)

ECHO KLASSIK 9. OKTOBER 2016 KONZERTHAUS BERLIN MIT: THOMAS GOTTSCHALK

TV-AUSSTRAHLUNG IM ZDF AM 9.10.2016 UM 22:00 UHR

WWW.ECHOKLASSIK.DE

#ECHOKLASSIK2016

Neue Welten

Orchester

Matt Haimovitz

Finnish Radio Symphony Orchestra

Reizvolles ­Wechselspiel

Finnische ­Traumstunde

Der israelische Cellist Matt Haimovitz hat die sechs Cellosuiten von Johann Sebastian Bach schon bis ins innerste Mark erforscht. Auf seinem neuen Album „Overtures to Bach“, das im Hause Pentatone erschienen ist, geht er noch einen Schritt weiter und stellt die sechs Préludes der einzelnen Suiten jeweils einer zeitgenössischen Auftragskomposition gegenüber. Oder vielmehr bringt er die unterschiedlichen Werke in Kontakt miteinander – Haimovitz forscht, sucht, durchleuchtet, stellt Bezüge her, kontrastiert und findet neue klangliche Wege, ohne ins Offensichtliche abzudriften. Philip Glass, Du Yun, Vijay Iyer, Roberto Sierra, David Sanford und Luna Pearl Woolf haben die Stücke geschrieben, die auf dem Album Bachs Suiten vorangestellt werden – keine willkürliche Personalauswahl, erkennt man, wenn man hinter die Kulissen blickt. Matt Haimovitz präsentiert musikalisch und dramaturgisch ein durch und durch stimmiges und anregendes Projekt. Kk

Traumgesicht heißt die vielschichtige sinfonische Dichtung des finnischen Komponisten Erkki ­Melartin, die das Album des finnischen Labels Ondine eröffnet. Darauf kommen nicht nur viele traumhafte finnische Musiker von Rang und Namen zusammen, sondern es werden auch gleich drei Welterstaufnahmen vereint. Traumgesicht entpuppt sich als dichtes Klangmärchen, in dem sich Erkki Melartin zweifellos als MahlerSchüler zu erkennen gibt. Die finnische Sopranis­ tin Soile Isokoski bezaubert in dem Orchesterlied Marjatta mit finnischer Mythologie aus dem Kalevala-Epos. Und eine Suite mit Musik aus dem Ballett The Blue Pearl lockt noch tiefer in Melartins fantasievolle Sphären. Hannu Lintu stellt sich als Chefdirigent des Finnish Radio Symphony Orchestra und Initiator der Aufnahme als exzellenter Wiederentdecker von Erkki Melartins Klangwelt unter Beweis und hat ein rundherum faszinierendes Album geschaffen. Kk

Erkki Melartin: „Traumgesicht, Marjatta, The Blue Pearl“, Soile Isokoski, Finnish Radio Symphony Orchestra, Hannu Lintu (Ondine)

Matt Haimowitz: „Overtures to Bach“ (Pentatone) www.facebook.com/ECHO.Klassik www.twitter.com/echo_musikpreis www.instagram.com/echo_musikpreis www.youtube.com/echomusikpreis

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September – Ok tober 2016


h ö r e n & s e h e n AUDIO/STEREOPLAY LESERWAHL 2016

Oper Die Entführung aus dem Serail

Finesse „Zu schön für unsere Ohren und gewaltig viel Noten, lieber Mozart!“, stöhnte Kaiser Joseph II. „Gerade so viel, als nötig sind, Majestät!“, soll Mozart geantwortet haben – glaubt man der nicht verbürgten Anekdote von der Uraufführung der Entführung aus dem Serail 1782 in Wien. Furioser Start mit Jérémie Rhorer. Die Ouvertüre – ein Geniestreich des Komponisten – wird zum Meisterstück des Dirigenten. Die „Janitscharenmusik“ glänzt in Händen des Le Cercle de l’Harmonie in allen Farben und Facetten. Jedes Instrument ist zu hören! Rhorers Finesse und Präzision und mehr Sprachbewusstsein hätte man sich auch für seine oft nuschelnden Sänger gewünscht. Dialoge und Rezitative geraten so unfreiwillig affektiert. Zwei vokale Glanzleistungen: Den anspruchsvollen Koloraturen ihrer Marter­arie ist Jane Archibalds als Konstanze gewachsen, trotz Schärfen in der Höhe. Mischa Schelomianski als Osmin bringt den sonoren, erdigen Bass seiner russischen Heimat ein, leider nicht die Heimtücke seiner Figur. Ein Lob für das sieben Millimeter dicke Booklet! tpr

Mehr Klangfaszination nuPro A-700 „HiFi-Aktiv-Standbox des Jahres“ Stereoplay Leserwahlsieger 2016

nuVero 60

Stereoplay Leserwahlsieger 2016. High End – aber erschwinglich!

Mozart: „Die Entführung aus dem Serail“, Le Cercle de l’Harmonie, Jérémie Rhorer (Alpha) Track 2 auf der crescendo Abo-CD: In Mohrenland gefangen war ein Mädel (Arie Pedrillo)

Wozzeck

Geballte dramatische Wucht

Jetzt Sieger gewinnen! Monatliche Verlosung eines unserer Leserwahlsieger: ■ unter www.nubert.de ■ direkt zum Gewinnspiel  Diese großartige Produktion von Alban Bergs Wozzeck wird so bald nicht wieder im Opernhaus Zürich zu sehen sein. Ein Grund mehr, die jetzt erschienene Aufzeichnung vom September 2015 dringend zu empfehlen. Intendant Andreas Homoki inszenierte die Oper, ein Schlüsselwerk des 20. Jahrhunderts, mit den Mitteln der Verfremdung als Mischung aus menschlichem Puppentheater und tragischer Commedia dell’Arte: bildgewaltig, präzise, intensiv, unsentimental, mit groteskem Witz. Und weil es exakt so – von Chefdirigent Fabio Luisi klug gestaltet – auch aus dem Orchestergraben klingt, erreicht die Aufführung eine ungeheure dramatische Wucht. Die allesamt fabelhaften Sänger, allen voran Christian Gerhaher bei seinem restlos überzeugenden Rollendebüt als Wozzeck, fügen sich darstellerisch und musikalisch so homogen in dieses Konzept, dass man mit großen Augen und Ohren staunen darf. Und dankbar ist für die hervorragende Bildregie. ar

■ nuPro A-700: Innovatives Klangmanagement, modernste DSPund Verstärkertechnik, Endstufenleistung bis 600 Watt/Box. Vielfältige Anschluss- und Wireless-Optionen. 1265,- Euro/Box* ■ Onlineshop mit Direktversand: www.nubert.de ■ Günstig, weil direkt vom Hersteller Nubert electronic GmbH, Goethestraße 69, D-73525 Schwäbisch Gmünd ■ 30 Tage Rückgaberecht ■ Hörstudios in D-73525 Schwäbisch Gmünd, D-73430 Aalen und D-47249 Duisburg ■ Bestell-Hotline mit Profiberatung, in Deutschland gebührenfrei 0800-6823780

Berg: „Wozzeck“, Fabio Luisi, Andreas Homoki, Gun-Brit Barkmin, Christian Gerhaher, Opernhaus Zürich (Accentus Music) 23

Ehrliche Lautsprecher

*Preis inkl. 19% MwSt. zzgl. Versand

Foto: Monika Rittershaus

SIEGER


h ö r e n & s e h e n

London Symphony Orchestra

In Klangfarben ­getaucht Dass Alexander Scriabin in Verbindung mit Musik auch Farben wahrnehmen konnte, ist bekannt. Hört man die Live-Einspielung seiner ersten beiden Sinfonien mit dem London Symphony Orchestra unter der Leitung von Valery Gergiev aus der Reihe LSO Live, so kann man selbst in ein echtes Farbenmeer der Töne eintauchen. Nuancierte Schattierungen und lebhafte Agogik, weite Bögen und dynamische Tiefenschärfe – es bleibt kein Wunsch offen. In der ersten Sinfonie, die Scriabin 1900 komponierte, steuern zusätzlich die Mezzosopranistin Ekaterina Sergeeva und der Tenor Alexander Timchenko weitere Farbfacetten bei. Nur ein Jahr nach der ersten Sinfonie folgte die zweite. Auch für dieses Werk findet der Klangmaler Valery Gergiev mit dem London Symphony Orches­tra das richtige Gefühl. Spätromantisch und opulent, aber dennoch feingliedrig in den Details und mit der Magie, die einem Live-Konzerterlebnis innewohnt. Ein Ohrenschmaus. Kk

Orchester

Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks

Sibelius live Zum 150. Geburtstag von Jean Sibelius haben Mariss Jansons und das BR-Symphonieorchester dem Finnen im vergangenen Herbst in München ihre Hommage erwiesen. Klangschöne LiveMitschnitte von Konzerten im Herkulessaal und in der Philharmonie im Gasteig sind jetzt beim CD-Eigenlabel des Rundfunksenders erschienen. Jansons erweist sich hier einmal mehr als großer Meister am Pult. Überzeugend lotet er die Kontraste der populären zweiten Sinfonie aus, die nach dem heiteren Allegretto im Andante in tiefe Melancholie versinkt, bevor sie über das Scherzo (Vivacissimo) zu einem triumphalen Abschluss im Finale findet. Der raue, schwermütige Zauber von Sibelius‘ Werken offenbart sich auch in früheren Kompositionen, etwa im Mittelsatz seiner Karelia-Suite. Ebenso wie Finlandia galt dieses Stück in Zeiten der russischen Fremdherrschaft als leidenschaftliches Bekenntnis zu einem unabhängigen Nationalstaat, der erst 1917 entstehen sollte. ck

Sibelius: „Symphonie Nr. 2, Finlandia, Karelia-Suite“, Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Mariss Jansons (BR Klassik)

Scriabin: „Symphonies Nos 1 & 2“, Valery Gergiev, London Symphony Orchestra, Ekaterina Sergeeva, Alexander Timchenko, Simon Halsey, London Symphony Chorus (LSO live)

Tanz der Zeiten

Internationales Orgelfestival 2. bis 16. Oktober 2016

mit Nathan Laube, Margret Köll, Shin-Young Lee, Vokalensemble „Singer Pur“, Christine Schornsheim, Barockensemble „L‘ Accademia Giocosa“, Thierry Escaich und Peter Kofler www.muenchner-orgelherbst.de www.facebook.com/muenchner.orgelherbst

Wiedererkennungsmomente gibt es beim Anhören dieses Albums genauso reichlich wie Überraschungseffekte. Für sein Album „Ballet Jeunesse“ (DECCA) hat der Hamburger Musikproduzent Matthias Arfmann mit kreativen Mitstreitern 13 Klassiker der europäischen Ballettmusik neu arrangiert – egal ob Tschaikowskys Nussknacker, Khatchaturians Säbeltanz, Ravels Daphnis und Chloé oder Debussys Prélude à l’après-midi d’un faune. Originalklänge gehen fließend über in elektronische Arrangements von Ambient über Dance bis Reggae oder werden mit treibenden Beats und Stimmen unterlegt. Jeweils drei bis sechs Minuten lang schlagen sie eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart, um „digital natives“ auf den Geschmack zu bringen. Denn die kennen die Stücke laut Arfmann bestenfalls als Leitmotive, um Werbung oder Film- und Fernsehproduktionen zu untermalen. In seinen fantasievollen Versionen von sanft bis schräg sollen sie den Sprung in Playlists und Clubs schaffen. Um sie beim Zielpublikum auszuprobieren, findet die Live-Weltpremiere von „Ballet Jeunesse“ am 21.9. auf dem Hamburger Reeperbahn-Festival statt – let’s dance zu Bizet, Strawinsky & Co. ASK

Jesuitenkirche St. Michael Neuhauser Straße 6 | 80331 München

Matthias Arfmann: „Ballet Jeunesse“ (DECCA)

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Neue Welten

Foto: GulliverTheis / DeccaRecords

Matthias Arfmann

www.crescendo.de 26.06.16 11:58

September – Ok tober 2016


h ö r e n & s e h e n

Kristian Bezuidenhout

Rendezvous mit Amadé

Solo

Die nicht ganz einfache Frage, welche Werke man auf das Debütalbum mit Orchester packt, war schnell geklärt: Ihre „Kindheitsklavierkonzerte“ sollten es sein. Das 21. Klavierkonzert von Mozart hörte Danae Dörken schon als Kind, das 2. Klavierkonzert von Mendelssohn spielte sie bereits als Schülerin. Das erklärt auch die erstaunliche Reife, die die erst 25-Jährige hörbar macht. In Begleitung der Royal Northern Sinfonia sprüht die Pianistin beim Mozart-Konzert nur so vor virtuoser Energie, ohne dass sie dabei den schillernden Klangfarbenreichtum des Orchesters unter Lars Vogt überdeckt, und gibt nach einem verhältnismäßig energetisch interpretierten zweiten Satz dem Konzert jenen feierlichen Abschluss, den es verdient. Diese überbordende Lust an der Musik setzen Orchester und Solistin im d-MollKonzert von Mendelssohn fort, freilich mit entgegengesetzten Vorzeichen. Auch hier kann man sich nur schwer der emotionalen Strahlkraft der Musiker entziehen. Mt

Mozart, Mendelssohn: „Concertos“, Danae Dörken, Royal Northern Sinfonia, Lars Vogt (Ars Produktion)

Vadim Gluzman

Emotionales Spiel

Gebanntes Lauschen

Gerade einmal neun Jahre liegen zwischen der Fertigstellung von Mendelssohns und Schumanns Violinkonzerten, doch die Rezeption könnte unterschiedlicher nicht sein. Mendelssohns Werk galt bereits nach der Uraufführung 1845 als eines der größten Konzerte seiner Gattung, während Schumann die Uraufführung nicht einmal mehr erlebte. Die erfolgte erst 1937, als die Nationalsozialisten einen Ersatz brauchten für das beliebte Violinkonzert des Juden Mendelssohn – ausgerechnet, standen doch die beiden Komponisten zu Lebzeiten in regelrechter Verehrung zueinander. Carolin Widmann und das aus internationalen Spitzenmusikern zusammengesetzte Chamber Orchestra of Europe stellen diese beiden Werke nun in aller Eintracht nebeneinander. Dass die Violinistin führend in der Schumann-Interpretation ist, stellt sie mit ihrem emotional aufgeladenen Spiel erneut unter Beweis, während ihre Version des Mendels­ sohnschen Violinkonzerts ein Musterbeispiel an vornehmer Zurückhaltung darstellt: Selten hört man beim Standardwerk die Solostimme und das Orchester derart gleichberechtigt in munterem Dialog. Mt

Die russische Seele ist Vadim Gluzman vertraut, das spürt man mit dem ersten Ton seiner Neueinspielung für das schwedische Label BIS. Sich Sergei Prokofjews beiden Violinkonzerten und seiner Sonate für Solovioline in D-Dur op. 115 zu widmen, war nicht nur ein künstlerisches Vorhaben, sondern eine persönliche Herzensangelegenheit. Die filigrane, zugleich impulsive, manchmal überraschend verspielte und dann wieder ungestüm raue Musik des russischen Meisters der Kleinteiligkeit zu interpretieren, inszeniert der israelische Geiger als ein großes Fest. So hängt man beim Hören an den Tönen wie an den Lippen eines Freundes, der gerade eine unglaubliche Geschichte erzählt. Die Aufnahme ist von der ersten bis zur letzten Sekunde von einer soghaften Intensität geprägt, die durch Vadim Gluzmans musikalische Interaktion mit dem Estonian National Symphony Orchestra unter der Leitung von Neeme Järvi noch verstärkt wird. Mit der Solosonate op. 115 gibt es zum Nachtisch knapp zwölf Minuten Gluzman pur – exzellent! Kk

Carolin Widmann: „Felix Mendelssohn Bartholdy, Robert Schumann“, Chamber Orchestra of Europe (ECM)

Sergei Prokofiev: „Violin Concertos Nos 1 & 2, Sonata for Solo Violin“, Vadim Gluzman, Estonian National Symphony Orchestra, Neeme Järvi (BIS) 25

PTC 5186 479

Carolin Widman

ues Ne um Alb PTC 5186 504

Mozart: „Piano Concertos K. 413, 414, 415“, Kristian Bezuidenhout, Freiburger Barock­ orchester (Harmonia Mundi) Track 1 auf der crescendo AboCD: Andante aus dem Klavierkonzert A-Dur, KV 414

„Stilsicherheit par excellence!“ Concerti

Reife „Kindheitsklavierkonzerte“ PTC 5186536

Er würde lieber mit dem gut gelaunten Haydn als mit einem vielleicht monströsen Mozart einen trinken gehen, sagt er. Aber dass emotionale Freiheit erst mit Beethoven beginnen darf, das widerlegt Kristian Bezuidenhout mit seiner Einspielung der Mozartschen Klavierkonzerte K 413 bis 415 so brillant, dass kein Zweifel besteht: Die beiden sind ein altes Paar. Unerhört neugierig und souverän rast Bezuidenhout über die Tasten, um im nächsten Moment in Miniaturen zu verharren, sie in einer Reinheit zu zeichnen, die gänzlich ohne Pathos auskommt – und dabei bis ins Mark erschüttert. Er erobert den Flügel, und er erobert Mozart. So intensiv, entfesselt und lebendig, dabei kontrolliert und klanglich fein hat man die drei Klavierkonzerte noch nie gehört. Das Freiburger Barockorchester hat verstanden, was er will. Und entwickelt einen überwältigenden Reichtum an Klang und musikalischer Wahrhaftigkeit. bs

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Danae Dörken

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h ö r e n & s e h e n

Otello

Oper

Brillante ­Protagonisten

Mag die Neuinszenierung von Verdis Otello zur Saisoneröffnung an der New Yorker MET auch ziemlich konventionell sein, zwei Mitwirkende machen den Mehrwert dieses Mitschnitts aus: der Dirigent und die Sopranistin. Sonya Yoncheva gibt hier ein hinreißendes Rollendebüt als Desdemona. Für ihre samtene Stimme scheinen die Schwierigkeiten der Partie nicht zu existieren, geradezu selbstverständlich und wunderbar fokussiert gelingen dramatische Ausbrüche wie die lyrische Innerlichkeit des Ave Maria. Yannick Nézet-Séguin, der 2009, mit 34 Jahren, bei Bizets Carmen erstmals das Orchester der MET dirigierte, wird zu Beginn der Spielzeit 2020/21 die Nachfolge von James Levine als Musikdirektor antreten und schon ab der kommenden Saison die musikalische Leitung übernehmen. Spannend also zu verfolgen, wie er die Dichte der Partitur bestens umzusetzen und gleichzeitig das kammermusikalische Agieren zwischen Bühne und Orchestergraben zu ermöglichen weiß. ar

Gene Kelly & Léo Staats

María der ­Leidenschaft

Kelly in Paris

„Ich bin María von Buenos Aires, María Tango, María der Vorstadt, María Nacht, María fatale Leidenschaft, María der Liebe, aus Buenos Aires bin ich“, schreibt Horracio Ferrer. Er hat das Libretto für die Tango-Oper „María de Buenos Aires“ getextet und mit diesen wenigen Worten schon gezeigt, worum es geht: um den Tango, verkörpert von María, aber auch um María, die Frau von der Straße, Arbeiterin, die Tangosängerin wird, im Puff stirbt, in Buenos Aires begraben wird, deren Schatten aber durch die Straßen irrt und am Ende ein Kind bekommt. Tangomeister Astor Piazzolla macht dieses Leben durch mitreißende Tangoklänge zu einem besonderen Erlebnis, zumindest dann, wenn das Ensemble Musiques Nouvelles seine Oper spielt. So wie sie musizieren, hört man den ganzen Kosmos des Tangos bis in den letzten Winkel. Die Stimme des Sprechers Silvia Ábalos trägt einen angenehm durch die Geschichte, die Stimme von Delphin Gardin, die die Maria singt, berührt. Zwei CDs, die man in einer lauen Sommernacht auf dem Balkon hören sollte, ein Glas feinen Rotwein an der Seite, die Augen geschlossen. Ein Genuss! ih

Kaum zu glauben, aber US-Tanz- und Film­ legende Gene Kelly choreografierte tatsächlich einmal für die Hochburg der Ballettklassik: die Pariser Oper. Sein Pas de Dieux (1960) zu Gershwins Klavierkonzert in F-Dur ist eine liebevoll ironische Spritztour der Olymp-Bewohner Aphrodite, Eros und Zeus zur Erde, wo sich die „danse académique“ der Götter und jazziger Hollywood-Showdance der Irdischen augenzwinkernd mischen. Kellys Aphrodite Claude Bessy, legendäre Pariser Etoile, danach renommierte Pädagogin (aufschlussreich ihr BonusInterview), inszenierte dieses Werk für das vom einstigen Béjart-Star Éric Vu-An geleitete Ballet Nice Méditerranée. So fesch wie der Kelly getanzt wird, so brillant auch das schritt-dichte, früh-neoklassische traumschöne Divertissement Soir de Fête (1925, auch für die Pariser Oper) – zu Musik von Léo Delibes – des zu Unrecht in Vergessenheit geratenen französischen Tanzschöpfers und Pädagogen Léo Staats (1877 – 1952). Zwei historische Juwelen auf einer DVD – die man haben muss.

Astor Piazzolla: „María de Buenos Aires“, Ensemble Musiques Nouvelles, Delphine Gardin, Gustavo Beytelmann, Roberto Cordova (Neos)

Verdi: „Otello“, Aleksandrs Antonenko, Sonya Yoncheva, Željko Lučić, The Metropolitan Opera Orchestra and Chorus, Yannick Nézet-Séguin (Sony)

Henri Marteau

Großer Komponist

Tanz

María de Buenos Aires

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Gene Kelly: „Pas de Dieux“; Léo Staats: „Soir de Fête“, Ballet Nice Méditerranée, Orchestre Philharmonique de Nice, David Garforth (BelAir classiques)

Kammermusik

Das Haus Marteau kennen hauptsächlich Musiker, die dort seit den 1980er-Jahren an den renommierten Meisterkursen teilnahmen, die dort jährlich stattfinden. Der einstige Hausherr des Anwesens im oberfränkischen Lichtenberg, Henri Marteau (1874 – 1934), galt als größter Geiger seiner Zeit. Seine progressiven Ansichten bezüglich des Urheberrechts sowie seine erstaunliche Vernetzung (Marteau war mit Max Reger, Peter Tschaikowsky und Antonín Dvořák befreundet – unter anderem) machten ihn zum vielleicht ersten modernen Musiker. Sein kompositorisches Schaffen indes ist inzwischen fast vergessen, was das Label Solo Musica mit einer CD-Serie ändern möchte. Das erste Album der Reihe zeigt gleich die Vielseitigkeit Marteaus, der sich nicht auf Bravourstücke für sein Instrument beschränkte, sondern auch Liederzyklen sowie Kammermusiken für Cello, Viola oder Klavier komponierte. Die neun (!) Solomusiker erschaffen dabei das Bild eines Komponisten, der – ganz im Gegensatz zu seiner Zeit – das Plakative scheut und das Feingliedrige, Zerbrechliche feiert. Mt

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Foto: Haus Marteau

Henri Marteau: „Entdeckung eines Romantikers“, Haus Marteau Vol. 1 (Solo Musica) Track 7 auf der crescendo Abo-CD: Berceuse für Violine und Klavier op. 2, Nr. 1

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Impressum

Jazz

Joshua Redman & Brad Mehldau

Nähe Es gibt eine Nähe, die man nicht forcieren kann. Der Pianist Brad Mehldau gehörte schon zum Quartett des Saxofonisten Joshua Redman, als jener sich in den 1990er-Jahren als junge Kraft des modernen amerikanischen Jazz empfahl. Seitdem verlaufen ihre Karrieren parallel, umkreisen sich und treffen zuweilen aufeinander, wenn sie sich gemeinsam auf Konzert­ reise begeben. „Nearness“ hält sechs Stücke der letzten Europa-DuoTournee fest und dokumentiert, wie künstlerisch symbiotisch die beiden Meister inzwischen agieren. Ausgangspunkte sind Klassiker von Charlie Parker oder Thelonious Monk ebenso wie eigene Melodien, verarbeitet werden sie mit einer gestalterischen Empathie, die es möglich macht, ebenso frei wie harmonisch und ausladend wie kompakt zu klingen. Obwohl aus dem Moment heraus entstanden, wirken die Lieder wie gut balancierte Dialoge der Inspiration, der Nähe, die keine Verstellung braucht. rd

Joshua Redman & Brad Mehldau: „Nearness“ (Nonesuch)

Verlag Port Media GmbH, Rindermarkt 6, 80331 München Telefon: +49-(0)89-741509-0, Fax: -11 info@crescendo.de, www.crescendo.de Port Media ist Mitglied im Verband Deutscher Zeitschriftenverleger und im AKS Arbeitskreis Kultursponsoring

Herausgeber Winfried Hanuschik | hanuschik@crescendo.de

Verlagsleitung Petra Lettenmeier | lettenmeier@crescendo.de

Chefredakteur Robert Kittel (RK, verantwortlich)

Art director Stefan Steitz

Redaktion Maria Goeth (MG)

schlussREdaktion Maike Zürcher

Kolumnisten John Axelrod, Axel Brüggemann, Attila Csampai (AC), Daniel Hope, Christoph Schlüren (CS), Stefan Sell (SELL)

Duke Ellington

Mitarbeiter dieser Ausgabe

Spiritualität

Ralf Dombrowski (RD), Malve Gradinger (GRA), Ilona Hanning (IH), Julia Hartel (JH), Katherina Knees (KK), Benedikt Kobel, Corina Kolbe (CK), Jens Laurson, Stefanie Paul, Angelika Rahm (AR), Teresa Pieschacón Raphael (TPR), Ruth Renée Reif, Antoinette Schmelter-Kaiser (ASK), Barbara Schulz (BS), Michael Sellger (MS), Maximilian Theiss (MT), Dorothea Walchshäusl (DW)

In den letzten Jahren seiner langen Karriere befasste sich Jazz-Ikone Duke Ellington intensiv mit geistlicher Musik: Zwischen 1965 und 1973 entstanden drei Sacred Concerts, die in San Francisco, New York und in der Londoner Westminster Abbey uraufgeführt wurden. Ellingtons großformatige Glaubensbekenntnisse, in denen sich die Vielfalt seines musikalischen Denkens spiegelt und die in wechselnden Besetzungen einen großen Bogen schlagen von Gospel, über Blues, Swing, Rock bis zur Klassik, sind hierzulande kaum bekannt. Jetzt haben sich die norddeutsche Bigband Fette Hupe und das 60-köpfige Junge Vokalensemble Hannover unter der Leitung des Posaunisten Jörn Marcussen-Wolf zusammengetan, um diese späten Arbeiten Ellingtons aufwendig wiederzubeleben, mit Unterstützung von exzellenten Vokal- und Instrumentalsolisten. Den Live-Mitschnitt zweier Konzerte bei den Niedersächsischen Musiktagen 2015 gibt es jetzt auf CD, und ich war wirklich überrascht von Ellingtons schier grenzenloser Kreativität, die auch solche spirituellen Texte ganz frei, unbefangen und auf hohem Niveau unterhaltend zu gestalten verstand. ac

Duke Ellington: „Sacred Concerts“, Junges Vokalensemble Hannover, Klaus-Jürgen Etzold, Fette Hupe, Jörn Marcussen-Wulff (Rondeau) Madeleine Peyroux

Die Folk-Seele Mitte der 1990er erschien Madeleine Peyroux in der Jazzszene und klang so verblüffend nach Billie Holiday, das viele von einer Auferstehung sprachen. Zwei Jahrzehnte später hat die Sängerin aus Athens in Georgia sich jedoch deutlich von ihren epigonalen Anfängen entfernt und wendet sich den Folk-Wurzeln des American Songbooks zu. „Secular Hymns“ sind Lieder von Tom Waits bis Willie Dixon, gespielt im kleinen Kreis mit Gitarrist Jon Herington und Bassist Barak Mori an ihrer Seite. Aufgenommen wurde in einer mittelalterlichen Kirche im englischen Oxfordshire, deren Raumklang die Künstlerin bei einem Konzert so beeindruckt hatte, dass sie mit einem mobilen Studio dorthin zurückkehrte. Der Musik tut der Aufwand gut, denn die mit rauer, fragiler, aber auch lustvoller Stimme gesungenen bluesig swingenden Melodien wirken auf diese Weise ebenso urtümlich wie direkt, als würden sie gerade erst der Folk-Seele entspringen. rd

Madeleine Peyroux: „Secular Hymns“ (Impulse!)

Projektleitung plus regional Liselotte Richter-Lux | richter-lux@crescendo.de

Verlagsrepräsentanten Tonträger: Petra Lettenmeier | lettenmeier@crescendo.de Kulturbetriebe: L. Richter-Lux | richter-lux@crescendo.de Hifi & Marke: Heinz Mannsdorff | mannsdorff@crescendo.de Verlage: Hanspeter Reiter | reiter@crescendo.de

Auftragsmanagement Michaela Bendomir | bendomir@portmedia.de

Gültige Anzeigenpreisliste Nr. 20 vom 09.09.2016

Druck Westermann Druck, Georg-Westermann-Allee 66, 38104 Braunschweig

Vertrieb Axel Springer Vertriebsservice GmbH, Süderstr. 77, 20097 Hamburg www.as-vertriebsservice.de

Erscheinungsweise crescendo ist im Zeitschriftenhandel, bei Opern- und Konzert­häusern, im Kartenvorkauf und im Hifi- und Tonträgerhandel erhältlich. Copyright für alle Bei­träge bei Port Media GmbH. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers, nicht unbedingt die der Redaktion wieder. Nachdruck und Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos wird keine Gewähr übernommen.

Abonnement Das crescendo premium-Abo umfasst sieben Ausgaben, inklusive­„crescendo Festspiel-Guide“ und zusätzlich sechs exklusive heftbegleitende Premium-CDs und kostet 49,90 EUR pro Jahr inkl. MwSt. und Versand (Stand: 1.1.2012). Versand ins europ. Ausland: zzgl. EUR 3,- je Ausgabe Bank-/Portospesen. Zahlung per Rechnung: zzgl. EUR 5,Bearbeitungsgebühr. Kündigung: nach Ablauf des ersten Bezugsjahres, jederzeit fristlos. Abo-Service crescendo, Postfach 13 63, 82034 Deisenhofen Telefon: +49-89-8585-3548, Fax: -362452, abo@crescendo.de Verbreitete Auflage: 75.560 (lt. IVW-Meldung 1I/2016) ISSN: 1436-5529 geprüfte Auflage

(Teil-)Beilagen/Beihefter: Deutsche Mozart-Gesellschaft CLASS: aktuell Deutsche Stiftung Denkmalschutz Berliner Philharmoniker

Das nächste crescendo erscheint am 14. oktober.

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h ö r e n & s e h e n

Klarheit und Eleganz Sony würdigt den französischen Dirigenten Charles Munch durch die erste Komplettedition seiner RCA-Diskografie. v o n A t t i l a Cs a m p a i

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harles Munch, der 1891 in Straßburg geboren wurde, und als Elsässer eigentlich Münch hieß, gebührt neben Pierre Monteux die Krone des wohl bedeutendsten französischen Dirigenten im 20. Jahrhundert. Er erlangte Weltruhm durch seine zwölf Jahre währende Chefposition als Musikdirektor des Boston Symphony Orchestra, das er in der Nachfolge von Serge Koussevitzky von 1949 an zu einem der besten Klangkörper der USA und zu einem der wichtigsten Botschafter der modernen Aufnahmetechnik formte – mit zahlreichen Referenzeinspielungen vor allem des französischen Repertoires für die legendäre „Living Stereo“-Edition der RCA. Nachdem schon vor zehn Jahren eine erste umfassende Würdigung seiner RCA-Aktivitäten auf 41 CDs erschienen ist, hat Sony jetzt die erste Komplettedition aller seiner zwischen 1949 und 1963 mit dem BSO produzierten Alben auf 84 CDs in verkleinerten OriginalCovers in eine feste Pappbox gepackt und mit einem 162-seitigen Begleitband versehen. Eine frühe Aufnahme der Orgelsinfonie von Saint-Saëns mit dem New York Philharmonic von 1947 und ein spätes französisches Album Munchs mit dem Philadelphia Orchestra (von 1963) rahmen die klingende Gesamtschau seiner Bostoner Aktivitäten ein, die jetzt, fast 50 Jahre nach seinem Tod, endlich auch zahlreiche lange gestrichene Modellaufnahmen in größtenteils audiophiler Qualität wieder zugänglich macht. Munch, der zunächst Geige studierte, kam erst relativ spät zum Dirigieren. Nach Ende des Ersten Weltkriegs, in dem er auf deutscher Seite gegen Frankreich kämpfen musste, übernahm er eine Violinprofessur in Straßburg, wurde später Konzertmeister im GürzenichOrchester und nach 1926 auch im Leipziger Gewandhausorchester unter Bruno Walter. Erst 1932, also mit 41 Jahren, debütierte er als Dirigent und leitete dann von 1935 bis Kriegsende verschiedene Pariser Klangkörper, darunter das renommierte Konservatoriumsorchester, bei dem er sich sehr für die französische Moderne einsetzte. Während der deutschen Besatzung unterstützte er die Résistance und weigerte sich, in Deutschland aufzutreten. Er wurde dafür nach Kriegsende in die Ehrenlegion aufgenommen. Munchs Debüt beim BSO erfolgte im Dezember 1946. Doch ausschlaggebend für seine Berufung zwei Jahre später waren seine zahlreichen exzellenten Schallplattenaufnahmen, die er nach Kriegsende in Paris und dann auch mit dem London Philharmonic für Decca dirigiert hatte, und die ihn früh als präzisen, auf Klarheit bedachten „modernen“ Dirigenten auswiesen. Schon in seinen ersten Bostoner Jahren, in denen bis 1954 knapp 20 Monoalben entstanden, zeigten sich die Umrisse seiner musikalischen Vorlieben: Und das waren vor

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allem die in den Staaten kaum bekannten französischen Meister d’Indy, Franck, Saint-Saëns und Berlioz, von dem er 1953 die erste Gesamtaufnahme der Romeo und Julia-Sinfonie durchsetzte. Daneben zählten aber auch die deutsch-österreichische Sinfonik von Haydn bis Brahms zu seinem Kernrepertoire. Zwei herausragende Monoproduktionen des Don Quixote von Strauss mit Gregor Piatigorsky und des Violinkonzerts von Tschaikowsky mit Nathan Milstein in den Jahren 1953 und 1954 unterstreichen auch Munchs besondere Affinität zum romantischen Konzertkanon. Im August 1954 betreute Starproduzent John Pfeiffer Munchs erste Stereoaufnahme von Berlioz’ mächtigem Faust-Drama und hielt sie noch Jahrzehnte später für dessen beste Aufnahme. Leider ist nur die Mono-Version erhalten geblieben, die aber auch in glasklarer Transparenz Munchs Qualitäten dokumentiert, nämlich Präzision, Klarheit und Eleganz. Munch blieb sein Leben lang ein musikalischer Aufklärer, ein unbestechlicher Perfektionist und Brückenbauer – und wie sein RCA-Konkurrent Fritz Reiner ein idealer Agent der neuen, auf Durchhörbarkeit ausgerichteten Studio-Ästhetik. Es fehlt hier der Platz, um die lange Liste seiner 65 Stereoalben im Einzelnen zu würdigen: Aber sie enthalten eine Reihe von zeitlosen Referenzen, die Munch auf Dauer einen festen Platz in der „Hall of Fame“ sichern: Ich nenne hier nur seine weiteren großartigen Berlioz-Einspielungen wie L’Enfance du Christ (1956), Requiem (1959) oder beide Versionen der Symphonie fantastique (1954, 1962), ebenso seine Kultaufnahmen von Debussys La mer (1958) oder Saint-Saëns’ Orgelsinfonie (1959). Ebenso befreite er die deutschen Romantiker, aber auch Beethoven von aller teutonischen Schwere und allem dampfenden Pathos, antizipierte die Frische und Leichtigkeit der historischen Aufführungspraxis und setzte auch in zahlreichen Konzertproduktionen mit damals weltweit führenden Solisten interpretatorische Maßstäbe, die bis heute nichts eingebüßt haben von ihrem charismatischem Zauber: Milstein und Szeryng konkurrierten unter seiner Leitung im Tschaikowsky-Konzert, während Heifetz in den Konzerten Beethovens (1955) und Mendelssohns (1959) mit Munch Schallplattengeschichte schrieb. Piatigorsky blieb sein Lieblingscellist, und bei den Pianisten begleitete er Ikonen wie Svjatoslav Richter, Byron Janis oder Gary Graffman. Insgesamt unternimmt man eine knapp 70-stündige Zeitreise in die großen Anfangsjahre der LP und der Stereofonie und erlebt klingendes Weltkulturerbe. Und das zum lächerlichen Preis von zwei Konzertkarten. ■ Charles Munch: „The Complete RCA Album Collection“ Boston Symphony Orchestra, New York Philharmonic, Philadelphia Orchestra. Aufnahmen: 1947 – 1963 (RCA) www.crescendo.de

September – Ok tober 2016


Erleben Die wichtigsten Termine und Veranstaltungen im September und Oktober im Überblick (ab Seite 30) Frauenkirchen-Bachtage in Dresden (Seite 34)

26. September bis 2. Oktober auf Schloss Elmau

Intime Kunst mit Alpenblick

Das idyllisch gelegene Schloss Elmau

Mit Liedern der französischen und deutschen Romantik geben der Bariton Samuel Hasselhorn und Renate Rohlfing am Klavier ihr Debüt in Elmau. Hasselhorn gewann im Herbst 2013 beim internationalen Schubert-Wettbewerb in Dortmund den ersten Preis sowie den Prix de Lied beim Boulanger-Wettbewerb in Paris als bester Liedsänger. Eröffnet wird die Liedwoche von der Sopranistin ­Juliane Banse. Begleitet vom internationalen Jugendorchester der LGT Young Soloists aus Liechtenstein, widmet sie sich Wagners Wesendonck-Liedern. Schloss Elmau, 26.9. bis 2.10., www.schloss-elmau.de

Foto: Will Essig

Es gibt immer etwas Neues zu entdecken, ist Benjamin Appl überzeugt. Der junge Bariton gehört zu den großen Sängertalenten der Gegenwart. Bei seinen Auftritten strebt er nach einer unmittelbaren Verbindung zum Publikum. Prägend für ihn war Dietrich Fischer-Dieskau, bei dem er Privatunterricht hatte und der mit ihm das Lied-Repertoire erarbeitete. In der Liedwoche auf Schloss Elmau interpretiert Appl mit seinem kongenialen Klavierpartner Graham Johnson ein Repertoire von Schumann und Strauss. Das Hotel im weiten Hochtal der bayerischen Alpen bietet das ideale Ambiente für eine intime Kunst wie den Liedgesang.

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September / Oktober 2016

Die wichtigsten Veranstaltungen auf einen Blick Ihr persönlicher Navigator für Premieren, Konzerte und Festivals

Premieren 10.09. Bern (CH) Vidmarhallen Köniz-Liebefeld Mondkreisläufer / J. Halter 10.09. Braunschweig Staatstheater Tosca / G. Puccini 10.09. Hannover Opernhaus Manon Lescaut / G. Puccini 10.09. Lübeck Theater Ariadne auf Naxos / R. Strauss 11.09. Bremen Theater am ­Goetheplatz Parsifal / R. Wagner 14.09. Wien (A) Theater an der Wien Hamlet / A. Schreier 15.09. Bern (CH) Kubus Weisenhausplatz Im Weissen Rössl / R. Benatzky 16.09. Wiesbaden GroSSes Haus Die Fledermaus / Johann Strauss 17.09. Basel (CH) Oper Die Tote Stadt / E.W. Korngold 17.09. Wien (A) Volksoper Axel an der Himmelstür / R. Benatzkys 17.09. Lübeck Theater Romeo und Julia / S. Prokofjew 18.09. Aachen Theater Fiddler on the Roof / J. Bock 18.09. Frankfurt Opernhaus Der Sandmann / A. L. Scartazzini 18.09. Zürich (CH) Opernhaus Der Freischütz / C. M. von Weber 22.09. Basel (CH) Oper Fauvel / K. Šilec, L. Lebič 23.09. Hamburg Staatsoper Zauberflöte / W. A. Mozart 24.09. Chemnitz Theater Turandot / G. Puccini 24.09. Dresden Semperoper Salome / R. Strauss 24.09. Kassel Opernhaus Le nozze di Figaro / W. A. Mozart 24.09. Mainz GroSSes Haus Norma / V. Bellini 24.09. Graz (A) Opernhaus Tristan und Isolde / R. Wagner 25.09. Berlin Deutsche Oper Così fan tutte / W. A. Mozart 25.09. Bonn Theater La Bohème / G. Puccini 25.09. Hannover Ballhof Eins Moby Dick / M. Tangian 30.09. Berlin Staatsoper im Schiller Theater

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25. bis 29. September in München, Bartók for Europe

Die Vielfarbigkeit ­Europas

Béla Bartók

„Béla Bartók schuf mit seiner Kunst eine Synthese zwischen Ost und West“, betont András Keller. Als künstlerischer Leiter des Symphonieorchesters Concerto Budapest initiierte er mit dem London Philharmonic Orchestra das Festival Bartók for Europe. „Wir möchten, dass Bartóks Ideal, die Verbrüderung der Völker, wieder gelebt wird in Europa“, erläutert Keller die Idee des Festivals. Erster Veranstaltungsort des Festivals ist München. Die Besucher erwartet ein großartiges Programm, an dem auch das Münchener Kammerorchester und die Münchner Philharmoniker mitwirken. Mit Herzog Blaubarts Burg, Der wunderbare Mandarin, Divertimento für Streicher und dem Konzert für Orchester erklingt in den Orchesterkonzerten je ein großes Bartók-Werk. Ergänzt wird das Programm mit Werken von Beethoven, den Bartók besonders liebte, Liszt, dem Zeitgenossen Debussy, György Ligeti, György Kurtág und Zoltán Kodály, mit dem Bartók 1906 seine Erforschung der Volksmusik begann. Diese Wurzeln Bartóks stellt das Folklore-Ensemble Muzsikás vor. „Unter den großen Komponisten des vergangenen Jahrhunderts ist Bartók derjenige, in dessen Schöpfungen die Vielfarbigkeit Europas am deutlichsten hervortritt“, erklärt Keller. „Er schrieb nationale Musik, die sehr europäisch ist. Mit der Sammlung der Musik der mitteleuropäischen Völker und der türkisch-arabischen Melodien schuf er einen einzigartigen Schatz, der ihn inspirierte. Damit baute er auf die Tradition der westlichen Musik auf und wurde einer der größten Erneuerer der europäischen Musik.“ München, verschiedene Spielorte, 25. bis 29.9., ­w ww.bartokforeurope.com

Comeback / O. Strasnoy 30.09. Erfurt Studio The Turn of the Screw / B. Britten 01.10. Dessau GroSSes Haus Der fliegende Holländer / R. Wagner 01.10. Freiburg GroSSes Haus Jerusalem / G. Verdi 01.10. Hannover Opernhaus Schubert / J. Mannes 01.10. Nürnberg Opernhaus Boris Godunow / M. Mussorgski 02.10. Augsburg Schwabenhalle Der Nussknacker / P. I. Tschaikowsky 03.10. Berlin Staatsoper im Schiller Theater Fidelio / L. van Beethoven 07.10. Berlin Deutsche Oper Der Nussknacker / P. I. Tschaikowsky 08.10. Düsseldorf Opernhaus Otello / G. Verdi 08.10. Essen Aalto Musik­ theater Norma / V. Bellini 09.10. Berlin Komische Oper Berlin Il barbiere di Siviglia / G. Rossini 09.10. Frankfurt Bockenheimer Depot Paul Bunyan / B. Britten 09.10. München Circus Krone Die Dreigroschenoper / B. Brecht 12.10. Wien (A) Theater an der Wien Falstaff / A. Salieri 14.10. Wiesbaden GroSSes Haus Zauberflöte / W. A. Mozart 15.10. Chemnitz Theater Das scharlachrote Siegel / N. Knighton, F. Wildhorn 15.10. Erfurt GroSSes Haus West Side Story / L. Bernstein 15.10. Hamburg Opera Stabile Katze Ivanka / M. Matesic, V. Nemirova 15.10. Karlsruhe GroSSes Haus Der Liebestrank / G. Donizetti 15.10. Mainz Oper La Bohème / G. Puccini 15.10. Wien (A) Volksoper Hoffmanns Erzählungen / J. Offenbach 15.10. Graz (A) Opernhaus Chess Das Musical / B. Andersson, T. Rice, B. Ulvaeus 16.10. Frankfurt Opernhaus Martha oder der Markt zu Richmont / ­­ F. von Flotow 16.10. Luzern (CH) Theater Rigoletto / G. Verdi

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September – Ok tober 2016


Fotos: PR; Felix Broede; Chris Lee; Revich Yury; Sonja Werner; Kálmán Garas; Andrea Felvégi; Jean-Baptiste Millot; Andreas Knapp; Dorothea Oberlinger; Il Suonar Parlante Orchestra; Luis Castilla; Silvia Lelli; Adam Fenster; Dario Acosta; Staatliche Hochschule für Musik; Karin Alfredsson; Věroslav Škrabánek

41.Fränkische Musiktage Alzenau 2016

Festival der Jungen · 14.10.–20.11.

18. bis 22. Oktober Linz Barock Live

Ein innovatives Projekt für sangesfreudige Silver Ager hat der Tourismusverband Linz entwickelt. Er lädt Sängerinnen und Sänger im Alter von über 55 Jahren aus Chören, insbesondere Kirchenchören, zu Mitsing-Konzerten ein. ­Unter Anleitung professioneller Musiker erfolgt das Einstudieren von Oratorien, Passionen, Messen und anderer Barockkompositionen. Sie werden hernach in ­Kirchen und Schlössern zur Aufführung gebracht. Unter dem Motto ­„ Barock Live – Musik, Kultur & Kulinarik in der Donau-Moldau Region“ sind damit auch Ausflugsprogramme verbunden wie etwa eine Orgelreise durch das Innviertel oder eine Reise ins Barocktheater von Schloss Český Krumlov an der Moldauschleife. Linz, verschiedene Spielorte, www.barocklive.eu

29. und 30. September sowie 2. Oktober Leipzig Gewandhaus

Je älter er werde, desto mehr sei er davon überzeugt, sich die großen Dirigenten der Vergangenheit zum Vorbild zu nehmen, äußerte Daniele Gatti einmal. Über zwei bis drei Jahrzehnte hätten diese ihre Solidität aufgebaut. Längst verfügt der 55-jährige gebürtige Mailänder selbst über eine solche Solidität. Geschätzt von unabhängig forschenden Musikern, wusste er am Pult renommierter Klangkörper sehr Beeindruckendes zu sagen. Das Gewandhausorchester Leipzig dirigiert er bei Hindemiths Konzertsuite Mathis der Maler sowie der großartigen Ersten Sinfonie von Johannes Brahms. Gerade die deutsche Musik, so betont Gatti, sei ihm am nächsten. Leipzig, Gewandhaus, www.gewandhausorchester.de

25. September

Stuttgart Preisträgerkonzert des 10. Internationalen Wettbewerbs für Liedkunst Das Lied, eine der kleinsten und persönlichsten musikalischen Gattungen, ist zugleich eine der anspruchsvollsten. Sie erfordert höchste technische und stimmliche Flexibilität und zugleich ein tiefes Verständnis für die vertonten Texte, die es allein durch die musikalische Gestaltung in Stimme und Klavier mit Leben zu füllen gilt. Der Internationale Wettbewerb für Liedkunst stellt sich seit drei Jahrzehnten der Herausforderung, diese Kunst zu fördern und lebendig zu erhalten. Er ist einer der ältesten und traditionsreichsten seiner Art im deutschsprachigen Raum. In diesem Jahr wird er zum zehnten Mal ausgetragen und bietet Sängerinnen und Sängern eine Plattform, um sich vor großem Publikum zu präsentieren. Stuttgart, Staatliche Hochschule für Musik und Darstellende Kunst, www.hugo-wolf-akademie.de

2. bis 16. Oktober

München 8. Internationales ­Orgel­festival Als unglaubliche Maschinerie wie das Cockpit eines Flugzeugs beschreibt Nathan J. Laube den Orgelspieltisch. Mit großen Werken von Mendelssohn und Reger eröffnet der junge amerikanische Starorganist das Orgelfestival in der Münchner Jesuitenkirche St. Michael. Der künstlerische Leiter Peter Kofler hat dazu internationale Künstler eingeladen. Shin-Young Lee spielt Werke von Cou-

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DMITRY MASLEEV

LUCIENNE RENAUDIN VARY

LUKHANYO MOYAKE

ELIZABETH KENNY

ZIYU SHEN

„Transit – Von Herz zu Herz“ Konzerthighlights Music Campus – Vocal Art RheinMain

2016 ■ Fr., 14.10. – 20.00, Rittersaal Burg Alzenau Eröffnungskonzert – Vortrag von Prof. Dr. Christoph Türcke, Werke von Mendelssohn Bartholdy und Prokofiev Wolfgang Meyer, Klarinette | Teilnehmer Music Campus RheinMain 2016 ■ So., 23.10. – 15.30, Wallfahrtskirche Kälberau Chor des Bayerischen Rundfunks Werke von Reger, Schnittke und Rachmaninov Ziyu Shen, Viola | Howard Arman, Leitung ■ Fr., 04.11. – 20.00, Schlösschen Michelbach, Domer Saal Musik um Shakespeare – Werke von Morley, Dowland, Purcell u.a. zum 400. Todestag von William Shakespeare Elizabeth Kenny, Laute/Theorbe | Teilnehmer Music Campus RheinMain 2016 ■ Sa., 05.11. – 20.00, Rittersaal Burg Alzenau Musik im Wandel – Streichsextette von Brahms, Reger und Gieshoff Natalia Lomeiko, Violine | Teilnehmer Music Campus RheinMain 2016 2016

Music Campus RheinMain

RheinMain

Rising Stars

■ Sa., 15.10. – 20.00, Schlösschen Michelbach, Domer Saal Jazz – Preisträger des ECHO Jazz 2016 – Newcomer des Jahres Natalia Mateo & Band ■ Sa., 29.10. – 20.00, Rittersaal Burg Alzenau Violinrecital – Werke von Mozart, Brahms u.a. Ziyu He, Violine (1. Preisträger des European Young Musician und Menuhin-Wettbewerbes) | Peter Wittenberg, Klavier ■ Sa., 19.11. – 20.00, Rittersaal Burg Alzenau Klavierrecital – Werke von v. Beethoven, Prokofiev, Rachmaninov, Liszt Dmitry Masleev, Klavier (Gewinner des Tschaikowsky-Wettbewerbes Moskau 2015) ■ So., 20.11. – 15.30, Wallfahrtskirche Kälberau Symphoniekonzert Werke von Korngold, Hummel und Mendelssohn Bartholdy Lucienne Renaudin Vary, Trompete | Junge Philharmonie Frankfurt RheinMain | Gerhard Jenemann, Leitung

Aufbruch und Wandel – Unterfranken 1816–2016

Eine Produktion von Forum Kultur Alzenau ■ Sa., 22.10. – 20.00, Schlösschen Michelbach William Shakespeare: Romeo und Julia Kammeroper von Boris Blacher (konzertant) Elisabeth Pratscher, Sopran – Julia | Gerard Schneider, Tenor – Romeo Ensemble Modern | Gerhard Jenemann, Leitung ■ So., 13.11. – 15.30, Wallfahrtskirche Kälberau Ludwig van Beethoven: Missa Solemnis D-Dur op. 123 Emalie Savoy, Sopran | Dorottya Láng, Alt | Lukhanyo Moyake, Tenor Ruben Drole, Bass | Music Campus RheinMain Vokalisten & OriginalklangOrchester | Süddeutscher Kammerchor | Gerhard Jenemann, Leitung Informationen: chorforum@t-online.de · www.fraenkische-musiktage.de Vorverkauf: www.adticket.de · info@alzenau.de · ✆ 06023/502-112

Forum Kultur

lzenau


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8. Oktober in Berlin

PREISGEKRÖNT

15.10. Neuenhagen bei Berlin, ­Bürgerhaus

Gustavo Dudamel 10.09. Feldkirch (A), Montforthaus 11.09. Luzern (CH), KKL 13.09. Berlin, Philharmonie

Moritz Eggert 14.09. Hannover, Kubus

Christian Gerhaher 23.09. Ingolstadt, Stadttheater

Kirill Gerstein

Valery Gergiev 14., 15., 17., 20., 21., 24., 25.09. München, Philharmonie

Enoch zu Guttenberg 20.09. Linz (A), Brucknerhaus

Ein besonderes Konzert findet am Vorabend der ECHO KlassikGala des ZDF statt. Künstler und Ensembles präsentieren sich vor Entgegennahme der Auszeichnungen mit ihrer Musik. Was dabei vor allem begeistert, ist die Verschiedenartigkeit der jungen Interpreten, die mit der Wahl ihrer Musik ebenso beeindrucken wie mit ihrem Vortrag. Der russische Geiger Yury Revich spielt mit Freunden Werke der italienischen Barockmeister Tartini und Vivaldi. Bachs Goldberg Variationen stehen auf dem Programm des Bassoon Consort Frankfurt. Der Bläsermusik des 18. Jahrhunderts hat sich das von der Oboistin Karla Schröter ins Leben gerufene Ensemble Concert Royal Köln verschrieben. Auf originalen Instrumenten wendet es sich den Kompositionen von Johann Georg Linike zu. Waldemar von Baußnern bestimmt den Auftritt des Berolina Ensembles. Die Cellistin Doris Hochscheid und der Pianist Frans van Ruth stellen den niederländischen Komponisten Rudolf Escher vor. Und die Pianistin Aurelia Shimkus befasst sich mit Liszt. In neuere Gefilde begibt sich der Bariton Holger Falk mit dem Pianisten Steffen Schleiermacher. Er erinnert an jenes inspirierende und vor Ideen sprühende Pariser Original Erik Satie. Veranstaltet wird das Konzert von CLASS, einer Vereinigung unabhängiger Tonträgerlabels, und Klassik TV, das es live im Internet überträgt. Berlin, Universität der Künste, 8.10., www.udk-berlin.de

Matt Haimovitz 11.09 Bad Münstereifel, ­S tiftskirche 14.09.Hamburg, Hauptkirche ­S t.­ Michaelis 17.09. Eisenstadt, ­ Schloss ­­E sterházy 25.09. Ettlingen, Schloss 02.10. Winnenden, Schloss 07.10. Köln, WDR-Funkhaus

Daniel Hope 13.09. Krün, Schloss Elmau 15.09. Augsburg, Kleiner Goldener Saal 20.09. Leverkusen, Erholungshaus 23.09. Steinfurt, Bagno Konzertgalerie 24.09. Hamburg, Laeiszhalle 25.09. Essen, Alfried Krupp Saal 27.09. Zürich (CH), Tonhalle 29.09. Dresden, Frauenkirche

Mariss Jansons 13.–15.10. München, Philharmonie

Jos van Immerseel

KÜnstler Matthias Arfmann 21.09. Hamburg, Schmidts Tivoli

Daniel Barenboim 10.09. Luzern (CH), KKL 19., 20.09. Berlin, Philharmonie 03.,07., 09., 14., 16.10. Berlin, ­Schillertheater

Bettina Aust 17.09. Mainau, Schloss 02.10. Augsburg, Rokokosaal 07.10. Neckargemünd-Dilsberg, Kommandantenhaus

Simon Borutzki & Ensemble 09.10. Berlin, Ernst Moritz Arndt Kirche 16.10. Berlin, Schwartzsche Villa

Kristian Bezuidenhout 21.09. Stuttgart, Liederhalle

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09.10. Essen, Philharmonie 23.09. Berlin, Kammermusiksaal 25.09. Freiburg, Konzerthaus

José Carreras 10.09. Graz (A), Stadthalle 17.09. Innsbruck (A), Olympiahalle 12.10. Berlin, Philharmonie 15.10. Leipzig, Gewandhaus 17.10. Stuttgart, Liederhalle

Teodor Currentzis 10.09. Bremen, Die Glocke 11.09. Dortmund, Konzerthaus 12.09. Wien (A), Konzerthaus 24.09. Bonn, Beethovenhalle 02.10. Linz (A), Brucknerhaus 04., 05.10. Wien (A), Konzerthaus 07., 09.10. Salzburg (A), Mozarteum

Danae Dörken 21.09. Berlin, Konzerthaus 28.09. Bielefeld, ­Rudolf-Oetker-Halle 29.09. Münster, Rathausfestsaal

02.10. Köln, Philharmonie

Daniel Müller-Schott 17.09. Neubrandenburg, Konzertkirche 29.09. Lugano (CH), Lac

Andris Nelsons 09., 10.09. Berlin, Philharmonie 15.10. Dortmund, Konzerthaus

Yannik Nézet-Seguin

18.09. Hamburg, Laeiszhalle 02.10. Berlin, Philharmonie 05.10. Wien (A), Konzerthaus 14.10. Göttingen, Stadthalle

Yury Revich

16.10. Bern (CH), Casino

Edgar Moreau

Magdalena Kozena 18.09. Bern (CH), Zentrum Paul Klee 23.09. Wien (A), Konzerthaus Le Cercle De L’Harmonie 03.10. Ascona (CH), Eglise du Collège Papio

Soile Isokoski 08.10. Hohenems, Markus-SittikusSaal

Sabine Meyer 16.09. Emden, Neues Theater 17.09. Lüneburg, Rathaus 18.09. Melle, Katholische Kirchengemeinde

Nils Mönkemeyer 24.09. Neuhardenberg, Schloss 11.10. Hersbruck, Gymnasium 12.10. Neumarkt, Reitstadl 13.10. Grünwald, August Everding Saal 14.10. Berlin, Konzerthaus

15.09. Wien (A), Staatsoper

Alice Sara Ott 14.09. Bonn, Gemeindesaal Andreas Ottensamer 30.10. Leipzig, Gewandhaus

Sophie Pacini 09.09. Berlin, Konzerthaus 13.09. Bremen, Sendesaal 24.09. Krün, Schloss Elmau 08.10. Mannheim, Rosengarten 09.10. Worms, Theater

Emmanuel Pahud 15.–17.,29., 30.09., 01., 06.–08.10. Berlin, Philharmonie

Olga Peretyatko 21., 27.09., 01.10. Berlin, Staatsoper im Schillertheater

Patricia Petibon 12., 15., 17., 19., 21., 23., 25., 27.09. Genf (CH), Grand Théâtre de Genève

Adrianne Pieczonka 16.09. Berlin, Deutsche Oper

Anna Prohaska 24.09. Wien (A), Theater an der Wien 25.09. Frankfurt, Alte Oper

Quatuor Ébène 06.10. Hohenems (A), Markus-Sittikus Saal

Jérémie Rhorer 03.10. Ascona (CH), Eglise du Collège Papio

Dorothea Röschmann 23., 27.09. Berlin, Staatsoper im Schillertheater

András Schiff 12.09. Augsburg, St. Ulrichs Kirche

Alexandre Tharaud 15.09. Bremen, Die Glocke 16.09. Wilhelmshaven, Stadthalle 17.09. Leer, Theater der Blinke

Constantin Trinks 16.09. München, Herkulessaal 10., 11., 12.10. Gelsenkirchen, Großes Haus

Lars Vogt 05.10. Stadthagen, 06.10. Bietigheim-Bissingen, Kronenzentrum 11.10. Hohenems, Markus-Sittikus-Saal

Vox Luminis 11.09. Tanzenberg, Seminarkirche

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September – Ok tober 2016


14. bis 16. Oktober

Donaueschinger Musiktage

21. September

Hamburg Il Suonar Parlante Orchestra

unterwegs

Wo befinden wir uns, wenn wir Musik hören? Und wer sind wir, wenn wir Musik hören? Die Donaueschinger Musiktage unter ihrem künstlerischen Leiter Björn Gottstein setzen sich mit dem Hörerlebnis auseinander. Was bewirkt ­Musik in uns? Enthebt sie uns der Wirklichkeit oder bewegt sie uns zu einer kritischen Auseinandersetzung mit ihr? 18 Uraufführungen stellen sich der Frage. Joanna Bailie bringt Music from Public Places. Péter Eötvös befragt in seinem ­Sirens Cycle für Streichquartett, Koloratursopran und Elektronik die Wirkung des Sirenengesangs. Und Peter Ablinger setzt sich mit den Schönsten Schlagern der 60er- und 70er-Jahre auseinander. Neue Werke stehen auch von Rebecca Saunders, Martin Smolka und Georg Friedrich Haas auf dem Programm. Ebenfalls neu sind die Donaueschinger Lectures, in denen der britische Komponist Roger Scruton einen Blick „On Zukunftsmusik“ wirft. Donaueschingen, verschiedene Spielorte, www.donaueschinger-musiktage.de

1.–7.10. 2016

Fotos: PR; Felix Broede; Chris Lee; Revich Yury; Sonja Werner; Kálmán Garas; Andrea Felvégi; Jean-Baptiste Millot; Andreas Knapp; Dorothea Oberlinger; Il Suonar Parlante Orchestra; Luis Castilla; Silvia Lelli; Adam Fenster; Dario Acosta; Staatliche Hochschule für Musik; Karin Alfredsson; Věroslav Škrabánek

perin und César Franck. Thierry Escaich widmet sich der französischen ­Literatur vom 17. Jahrhundert bis zu Olivier Messiaen. Und Kofler selbst spielt Bachs wunderbare Orgelmesse. Doch die Besucher erfahren diesmal nicht nur die Majestät des Orgelklangs selbst, sondern erhalten auch Einblick in das „Cockpit“. Was auf der Orgelempore geschieht, wird auf eine große Leinwand im Kirchenschiff übertragen. München, Jesuitenkirche St. Michael, www.muenchner-orgelherbst.de

herbstliche-musiktage.de Telefon 07125 9460-6

„Man sollte kaum glauben, was dergleichen Barockpfeiffer oder Geiger für wunderbare Einfälle haben“, schwärmte Georg Philipp Telemann über die „wahre barbarische Schönheit“ der ungezügelten Musizierpraxis in Wirtshäusern und auf Dorffesten. „Ein Aufmerckender könnte von ihnen, in 8 Tagen, Gedancken für ein gantzes Leben erschnappen.“ Das Ensemble Il Suonar Parlante des Mailänder Gambisten Vittorio Ghielmi wählt den Begriff „barbarische Schönheit“ als Motto für sein 300 Jahre später stattfindendes Konzert, bei dem sich Musik von Telemann und seinen Zeitgenossen zu einer farbenfroh-­ folkloristischen Hof-, Land- und Wirtshaussuite fügt. Eingeladen hat Ghielmi dazu befreundete Solisten wie die Blockflötistin Dorothea Oberlinger und den Zymbalisten Marcel Comendant. Den Gesangspart übernimmt die argentinische Sopranistin Graciela Gibelli. Hamburg, Laeiszhalle, www.elbphilharmonie.de

2. bis 20. September

Berlin Musikfest Berlin Dieses Mal kommt der Meister selbst. Der amerikanische Komponist John Adams gibt sein Debüt als Dirigent der Berliner Philharmoniker. Mit ihm kommt die Violinistin Leila Josefowicz. Für sie hat Adams den Solopart seiner dramatischen Sinfonie Scheherazade.2 geschrieben. ­Inspiriert zu dem Werk, dessen Titel eine Verbeugung vor Rimski-Korsakows sinfonischer Dichtung aus dem Jahr 1888 ist, hat Adams eine Ausstellung am Institut du monde arabe in Paris. Sie ließ ihn über die vielen Bilder von unterdrückten, missbrauchten und vergewaltigten Frauen nachdenken. Ein seltsames, fantasievolles und exotisches Stück über weibliche Macht habe er schreiben wollen. Entstanden ist eine großartige Sinfonie in vier Bildern. Berlin, verschiedene Spielorte, www.musikfestberlin.de

7. Oktober 2016

Johannes Brahms In stiller Nacht - Volkslieder Christiane Karg (Sopran) Mauro Peter (Tenor) Helmut Deutsch (Klavier)

14. Februar 2017

Liebestod und Liebesleid Tristan, Isolde & Co. Ansi Verwey (Klavier)

www.kunstklang-feuchtwangen.de

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e r l e b e n

Konzertatmospähre in der Frauenkirche Dresden

Barock-GigantEN „Als wenn die ewige Harmonie sich mit sich selbst unterhielte“, sagte Goethe einmal über Johann Sebastian Bach. Bei den Frauenkirchen-Bachtagen trifft der Meisterkomponist auf ein ebenso meisterliches Bauwerk, das noch viel mehr packende Musik beherbergt. Von MARIA GOETH

1996 entstand die Dresdner Frauenkirche neu – aus Legosteinen. Damals war es noch so gut wie unvorstellbar, dass der barocke Prachtbau einmal wieder so erstrahlen würde, wie ihn Johann Sebastian Bach erleben durfte, als er dort am 1. Dezember 1736 ein furioses Konzert auf der Silbermann-Orgel gab. Ungläubig und mit einem Quäntchen nostalgischer Sentimentalität pirschten die Schaulustigen um den Nachbau aus bunten KunststoffKlötzchen, während draußen das imposante Gerippe des im 34

Zweiten Weltkrieg beinahe vollständig zerstörten Baus in den sommerblauen Himmel schnitt. Für fünf Mark konnte man einen Legostein für den Wiederaufbau erwerben, für 4.000 Mark ein ganzes Kuppelsegment, für 25.000 die Turmspitze. Acht Jahre später war es so weit, und das letzte „echte“ Steinchen, die gigantische kupferne Turmhaube mit dem vergoldeten Kreuz, wurden feierlich auf 91 Meter Höhe gewuchtet. Seitdem ist die Dresdner Frauenkirche nicht nur Friedenswww.crescendo.de

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Fotos: Christiane Fritsch; Chris O‘Donovan; Robert Eickelpoth; Bettina Flitner

Elke Heidenreich

The King’s Singers

Joachim Król

symbol, monumentaler evangelisch-lutherischer Sakralbau und das sich weitgehend aus Musikern der Sächsischen Staatskapelle berechtigterweise eine der beliebtesten Dresdner Sehenswürdig- generiert, mit Werken von Bach und Hasse. Krönend beschließt ein Konzert mit Bachs Festmusiken für das kurfürstliche sächsikeiten, sondern auch Heimat für rund 100 Konzerte pro Jahr. Vom 24. September bis zum 3. Oktober finden, vernetzt mit sche Haus das Festival, interpretiert von den beiden hauseigenen dem Bachfest Dresden, die Frauenkirchen-Bachtage statt – eine Ensembles: dem Kammerchor der Frauenkirche und dem ensemglanzvolle Huldigung des musikalischen Paten der Frauenkirche. ble frauenkirche unter Matthias Grünert. Nach den Bachtagen wird es nicht still im sächsischen Acht Musikveranstaltungen in zehn Tagen, davon ein Orgelkonzert, eine geistliche Sonntagsmusik sowie fünf weitere Konzerte, Schmuckstück. Am 8. Oktober um 20 Uhr kommen die legendarunter die gemeinsamen Eröffnungs- und das Abschlusskon- dären The King’s Singers ins Haus. Das sechsköpfige britische zert von Bachtagen und Bachfest plus musikalisch speziell ausge- A-cappella-Ensemble mit seiner in der Tiefe wunderbar klangstaltete Orgelandachten, erwecken die Werke des Barockmeisters fülligen Besetzung aus zwei Countertenören, einem Tenor, zwei energiereich zum Leben. Die Dresdner Kapellsolisten unter Hel- Baritonen und einem Bass bringt unter dem Titel „Also hat Gott mut Branny eröffnen das Festival mit einer kraftvollen Mischung die Welt geliebt“ eine intensive Mischung geistlicher Gesänge aus Bach-Konzerten, Vivaldis Violinkonzert Der Meeressturm von Heinrich Schütz über Max Reger und Francis Poulenc bis und der Sinfonie Die Elemente von Jean-Féry Rebel. In den hin zu zeitgenössischen Kompositionen zu Gehör. Eine Woche später, am 15. Oktober, ebenfalls um 20 Uhr, da­rauffolgenden Tagen werden Orgelwerke von Bach zu hören sein, die der Organist, Cembalist und Improvisationsvirtuose lädt die Frauenkirche zu den „Nachtgedanken“ ein, einem künsnachweislich tatsächlich bei seinen Dresdner Konzerten spielte. teübergreifenden Format, bei dem sich herausragende Lyrik und Übrigens wurde gleich der erste Besuch Bachs in der sächsischen Prosa mit dazu maßgeschneiderter, spannungsvoller Musik verMetropole 1717 von einem kleinen Triumph veredelt: Bach sollte mengt. Geladen ist dazu Elke Heidenreich, Grande Dame der Litein einen Cembalo-Wettstreit mit dem berühmten Franzosen raturvermittlung und selbst produktive Schriftstellerin. Sie liest Louis Marchand treten, einem königlichen Hofvirtuosen. Doch aus eigenen Werken ebenso wie aus denen von Johann Wolfgang als Bach in Dresden eintraf, war Marchand verschwunden: Der von Goethe, Joseph von Eichendorff, Marcel Proust und vielen mehr. Feinsinnig darauf abgestimmt, kredenzen die Musiker des große Franzose hatte kalte Füße bekommen! Sicher keinen Grund zum Verstecken hat dagegen der Geiger Calmus Ensembles dazu eigens für sie geschriebene oder arranund fünffache ECHO Klassik-Gewinner Daniel Hope, der zusam- gierte Werke, etwa Jazzballaden nach Gedichten von Charles Baumen mit Pianist Sebastian Knauer am 29. September um 20 Uhr delaire, bekannte Chansons von Gerog Kreisler oder Vertonungen mit Werken von Bach und Brahms die „steinerne Glocke“, wie die der Galgenlieder von Christian Morgenstern. Inhaltlich rankt sich dabei alles um die intensivierten, unabwendbaren Gedanken der Frauenkirche liebevoll genannt wird, zum Klingen bringen wird. Als weitere Highlights der Frauenkirchen-Bachtage wäre Nacht: beängstigende und traurige, aber auch wunderschöne, luszum einen noch das Konzert mit Trompetenkönig Reinhold tige und inspirierende. Das Calmus Ensemble aus Leipzig – Friedrich, dem Württembergischen KamFRAUENKIRCHEN-BACHTAGE besetzt mit Sopran, Countertenor, Tenor, merorchester unter Ruben Gazarian und 24. September bis 3. Oktober Bariton und Bass – stellt mit seinen Prodem als Frankfurter Tatort-Kommissar The King’s Singers grammen gekonnt unter Beweis, dass bekannten Schauspieler Joachim Król als 8. Oktober, 20 Uhr man auf höchstem musikalischen Niveau Moderator zu nennen, bei dem sich BachNACHTGEDANKEN sowohl ernsthaft als auch humorvoll sein Werke auf spannende Weise mit der Zwei15. Oktober, 20 Uhr kann. Damit erreicht es nicht nur das deutten Sinfonie von Arthur Honegger paaren; Informationen und Kartenservice: sche Publikum, sondern es ist seit Jahren zum anderen ein Konzert des Sächsischen Tel.: +49-(0)351-65 60 67 01 auch im restlichen Europa und den USA Vocalensembles mit den Virtuosi Saxoniae, ticket@frauenkirche-dresden.de äußerst erfolgreich. einem Ensemble unter Ludwig Güttler, n www.frauenkirche-dresden.de 35


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gesellschaft Schwerpunkt: Dirigenten Die Jungen Wilden: Nelsons, Dudamel, Ticciati & Co. begründen eine neue Ära (Seite 38) Christoph Schlürens Dirigenten-Stammbaum (Seite 40)

Klassik in Zahlen

Monatliches Durchschnittsgehalt eines Dirigenten in Deutschland (brutto)

2.732,40 € Jahresgehalt von Lorin Maazel beim New York Phiharmonic Orchestra (Saison 2009/10)

3,3 Mio. $ Höchste Gage für einen Dirigenten bisher

ca. 22 Mio. €* Verkaufte Tonträger mit Karajan als Dirigent

300 Mio. Umsatzanteil der Karajan-Tonträger bei der Deutschen Grammophon (1960 – 2008)

*(Claudio Abbado verlangte 2009 als Gage für ein Dirigat an der Mailänder Scala 90.000 Bäume, die in der Stadt gepflanzt werden)

Foto: ebraxas/Fotolia.com

ca. 30 %

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Brillante Chamäleons

Foto: Marco Borggreve (2); Luca Piva

Jung, authentisch, gutaussehend und dennoch zielstrebig gibt sich die aktuelle Generation der Star-Dirigenten. Aber können sie mithalten mit den großen „Unberührbaren“, den Karajans und Kleibers?

Im Uhrzeigersinn: Die Jungstars Robin Ticciati, Yannick Nézet-Séguin, Gustavo Dudamel, Daniel Harding

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„Sakermentsverfluchter Bub’, nit trocken hinterm Ohr und fuchtelt mit ’n Spadi!“ Wie der Baron Ochs aus Richard Strauss’ Rosenkavalier schimpft vielleicht manch altgedienter Kapellmeister über die junge Dirigentengeneration, die derzeit in den Konzertsälen der Welt Furore macht. Das dürfte einen Robin Ticciati (33), Omer Meir Wellber (34), Gustavo Dudamel (35), Pablo Heras-Casado (38) oder Andris Nelsons (37) kaum kümmern, sind sie doch auf dem besten Wege, ihre geistigen Väter zu beerben und die Lücke zu füllen, die der Tod von Nikolaus Harnoncourt, Claudio Abbado, Kurt Masur und Lorin Maazel in den letzten beiden Jahren hinterlassen hat. Mit dem Kapellmeistertypus alter Schule, dem selbstverliebten Dirigenten oder aufbrausenden Pulttyrannen à la Toscanini, der alle Autorität in sich aufzusammeln schien, haben die „Grünschnäbel“ wenig gemein. Schon gar nicht mit dessen autoritärem Gebaren, das nicht bat, sondern – mit einem Lidschlag gewissermaßen – das ihm Gebührende forderte. „Diesen Diktatorentyp gibt es nicht mehr“, sagt auch Marcus Rudolf Axt, Intendant der Bamberger Symphoniker, die alle drei Jahre den Gustav-Mahler-Wettbewerb ausrichten, die Casting-Show für die kommende Dirigentengeneration. „Das Bedürfnis nach Persönlichkeiten hat sich allerdings nicht geändert.“ Betont lässig geben sich die jungen Dirigenten, erscheinen zum Interview in Sportschuhen und Jeans. In puncto Zielstrebigkeit, Ehrgeiz stehen sie aber ihren Vorgängern in nichts nach. „In England gab es Könige, die jünger waren als ich“, grinst Daniel Harding. „Autorität hat mit Alter nichts zu tun.“ 14 Jahre war der heute 40-Jährige alt, als er unbefangen und forsch den bereits weltberühmten Simon Rattle zu seiner privaten Aufführung von Schönbergs Pierrot Lunaire, die er mit Freunden veranstaltete, einlud. Hardings Unerschrockenheit zahlte sich aus. Mit 17 durfte er bei Rattle assistieren, mit 20 bei Abbado und bald darauf die Berliner Philharmoniker dirigieren. Abbado nannte ihn nicht nur „mein kleines Genie“, sondern vertraute ihm auch sein Mahler Chamber Orchestra an, das er ab 2003 als Musikdirektor führte. Unlängst wurde er vom Orchester zum Conductor Laureate ernannt. Im Herbst 2016 übernimmt Harding noch die Position des Chefdirigenten beim Orchestre de Paris. Gustavo Dudamel fliegen die Herzen genauso zu. Vielleicht, weil er das gewisse Etwas hat. Dichter schwarzer Lockenkopf, Körpersprache wie die von Leonard Bernstein. In seiner Heimat Venezuela wird er als Held gefeiert, in den USA als der „heißeste Dirigent des Planeten“ gehandelt. Seit sieben Jahren führt er das Los Angeles Philharmonic Orchestra, 2017 wird er das Wiener Neujahrskonzert dirigieren, mit knapp 36 Jahren der jüngste Dirigent in der Geschichte. Vorbei die Zeiten, als selbst die Stehplatzbesucher an der Mailänder Scala bei einem Auftritt Dudamels Handzettel verteilten mit mahnenden Worten: Dies sei ein Haus, wo man große Dirigenten erwarte vom Kaliber eines Abbado oder Muti. 2007 hatte sogar Lorin Maazel über die „Baby-Dirigenten“ geschimpft, die zu „früh debütierten“, auch dann, „wenn sie noch nichts können“, und von den Orchestern profierten, die „besser“ seien als sie selbst. War das der Neid des „alten Hasen“? Vergessen hatte Maazel, dass er selbst mit neun Jahren vor dem NBC-Orchester stand. Auch Riccardo Chailly (63) lästerte über die „überschätzten“ Youngsters und hätte sich wohl nie gedacht, dass er sich einst mit ihnen messen müsste. So geschehen 2015, als es um den begehrtesten Job der Klassik ging: die Nachfolge von Simon Rattle bei den Berliner Philharmonikern. Neben festen Größen wie Chailly und Christian Thielemann standen auch Gustavo Dudamel, Andris Nelsons und Pablo Heras-Casado auf der Kandidatenliste – nur nicht der, der es wirklich wurde: Kirill Petrenko. Aber das ist eine andere Geschichte.

„Ich fühle mich noch zu jung, 2018 als Nachfolger Simon Rattles die Berliner Philharmoniker zu übernehmen“, beruhigte Nelsons 2014 die Gemüter. Und trat stattdessen die Chefposition beim Boston Symphony Orchestra an. Ab 2018 wird der Lette auch Chef des Leipziger Gewandhausorchesters. Ein rasanter Aufstieg in nur wenigen Jahren. Auch Nelsons Charisma ist einzigartig, jenes glückselige Lächeln, innere Leuchten und Staunen, das sich auf seine jungenhaften Züge legt, wenn er dirigiert: „I’m just full of music“, sagt er. „Wir beten ihn an“, sagt Paul Buttenweiser, Aufsichtsratschef des Bostoner Orchesters, „weil er so real ist“. Die Zeiten, als sich um einen Pultstar noch Geheimnisse und Mythen rankten, die seinen unnahbaren Status zementierten, sind endgültig dahin. Junge Dirigenten sehen sich heute als „Global Players“, Daniel Harding führt seine Website sogar auf Japanisch, Dudamel freut sich über seine halbe Million Follower. Fleißig auf Twitter unterwegs ist auch der franko-kanadische Dirigent Yannick NézetSéguin. Regelmäßig versorgt er seine „Cyberfriends“ mit Kommentaren und Bildern aus seinem Musiker- und Privatleben. Ein „brillantes Chamäleon“, das sich unterschiedlichstem Repertoire öffnet wie auch jeder technologischen Entwicklung. „Jung, begabt, schwul, digital“, schrieb „Die Welt“ 2015 über ihn. Derzeit Chef des Philadelphia Orchestra, eines fast 120 Jahre alten Klangkörpers, ließ er eine App entwickeln für das Publikum, damit es während des Konzerts auf dem Smartphone oder Tablet „mitspielt“, tweetet, fotografiert, filmt und einen Blick in die Partitur wirft. Das ist sehr neu. „Vorsicht vor den Kumpel-Maestri“, warnt allerdings Christian Thielemann. „Ein Orchester erwartet, dass ein Dirigent klare Vorstellungen von dem hat, was er tut, und diese auch vermitteln kann. (…) Gleichwohl ist jeder Dirigent klug beraten, auch auf das zu hören, was ihm ein Orchester anbietet.“ Das findet auch Robin Ticciati (33). „Es ist wichtig, in all die Gesichter der Musiker vor mir zu blicken, wenn sie musizieren. (…) Nur so kann ich als Dirigent etwas von ihnen erfahren, sie psychologisch motivieren. Denn was wäre, wenn ich den Taktstock erhöbe und niemand würde gehorchen?“ Wer ihn auf dem Podium als Mozart-Interpreten erlebt hat, kennt Ticciatis ruhige und unaufgeregte Gesten, mit denen er den Klang formt. Alles atmet, ist im organischen Fluss, erscheint rein, hell, biegsam und bar jeglicher Flunke­ icciati tickt etwas anders als die anderen. Keine Website, keine rei. T Messages, keine Cyberfriends. Der introvertiert intellektuelle Dirigent kommt auch ohne aus, er liebt Bücher und die Auseinandersetzung mit Musik. Seit 2007 ist Ticciati Musikdirektor der Glyndebourne Touring Opera (GTO), 2014 auch des Glyndebourne Festival Opera. 2017/18 wird er Chef des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin. Selbst wenn man Glück habe, wachse man nur sehr langsam zu musikalischer Reife heran, sagt Ticciati. Das Internet, die mediale Dauerbeobachtung, sei allerdings für junge Musiker eine Belastung, findet Christian Thielemann. Nur wenige „vernichtende Kritiken“ könnten „einen ganz erheblich beschädigen“, sagt er. „Je erfahrener ich bin, desto experimentierfreudiger werde ich“, beteuert der 57-Jährige. „Je sicherer man wird, desto mehr neue Sachen kann man ausprobieren.“ Gelassenheit aber scheint offenbar nicht zu diesem Repertoire zu gehören, wie er jetzt in seiner Funktion als Musikdirektor der Wagner-Festspiele in Bayreuth bewies. Ursprünglich sollte Andris Nelsons die Festspiele 2016 mit dem Parsifal eröffnen. Doch es kam zum Eklat. Streit soll es gegeben haben um künstlerisch unterschiedliche Auffassungen. Drei Wochen vor der Premiere warf Nelsons hin. Der „alte Hase“ hatte (vorerst) gesiegt. „Gerettet“ hat die Premiere übrigens ein noch älterer Hase: Teresa Pieschacón Raphael Hartmut Haenchen (73). 39


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Der Dirigenten-Stammbaum v o n Ch r is t o p h S c h l ü r e n *

Eigentlich müsste man nicht von einem Stammbaum der Dirigierkunst sprechen, sondern von einem Dschungel. Erstmals ist hier zu sehen, wie vielfältig die Dirigenten historisch miteinander verwoben sind – wobei auch Komponisten als Bindeglieder aufgeführt sind, die nicht dirigiert, jedoch gelehrt haben. Es ist auch nicht als wissenschaftliche Arbeit zu verstehen, sondern vielmehr als Kunstwerk, auf dem man tatsächlich immer wieder etwas Neues entdeckt. Viel Spaß beim Suchen und Finden!

*Autor Christoph Schlüren hat die Zeichnung per Hand angefertigt. Wer Interesse hat, kann das Kunstwerk unter hoeflich@mph.de bestellen.

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Der Aristokrat Nach Ingmar Bergman und Kenneth Branagh ist Enoch zu Guttenberg der dritte, der mit Des Königs Zauberflöte die Mozart-Oper fürs Kino inszeniert hat. Ein Gespräch mit dem Dirigenten über ein Spiel im Spiel, das viel zu oft als Burleske abgetan wird.

Foto: Calla Media GmbH

von Barbara Schulz

Dirigent Enoch zu Guttenberg

crescendo: Was treibt einen Dirigenten an, die Zauberflöte zu inszenieren? Enoch zu Guttenberg: Mir ist der Sarastro immer schon auf die Nerven gegangen. Der mag keine Frauen, und das hab ich als kleines Kind schon blöd gefunden. Dann foltert er – man denke an die 77 Sohlenstreiche –, und Männerbünde mag ich ebenfalls nicht, was mit meiner Erziehung zu tun haben mag. Also habe ich meinem Freund Klaus Jörg Schönmetzler (Dramaturg, Anm. der Redaktion) erzählt, dass es doch schön wäre, den Sarastro mal auf den Kopf zu stellen und zu erklären, was das für ein Kerl ist. Zunächst ein spannendes Projekt für die Herrenchiemsee-Fest42

spiele, deren Intendant Sie sind. Wir haben dort ja immer schon szenische Aufführungen von Opern gemacht, die ins Schloss passten. Die Idee für die Zauberflöte war, dass ein alter Papageno, der bei Schikaneder und Mozart dabei war, zu einer dieser Laien-Inszenierungen, wie sie damals modern waren, dazukommt. Ein Papageno, der dazwischenquatscht und mal alles richtigstellt. Wird dadurch die Zauberflöte nicht demontiert? Das war das Problem. Die Texte in der Oper sind ja alle da. Wenn man dann den alten Papageno dazwischen rummosern lässt, dann ist das zwar sehr komisch, aber die Gefahr, dass die Musik www.crescendo.de

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ist es mit der Zauberflöte dann doch wieder nicht. Deshalb haben wir versucht, über die Umkehrung, über Ironie und Frechheit die Geschichte so zu erzählen, wie sie ist. Mit Erfolg, wie es scheint: Viele Menschen meinten, sie hätten die Story zum ersten Mal wirklich verstanden. Nun haben Sie Ihre Zauberflöte ins Kino geholt ... Das hat einen ganz einfachen Hintergrund. Wir hatten so viel Freude an dieser Inszenierung. Und obwohl ich keiner bin, der die Zeit liebt, in der er leben muss, weiß ich natürlich um ihre Vorteile. Einer davon: Man kann dokumentieren. Und warum sollen meine Enkel und Urenkel nicht auch einmal die Zauberflöte vom Großvater sehen? Als kleiner Bub war ich oft sonntags in dem Kino am Münchner Odeonsplatz in der Matinee: Gründgens und Quadflieg im Faust – mit der Schule, mit meinen Eltern, irgendwann auch mit meiner Freundin ... Und so fand ich den Gedanken sehr schön, eine ­Zauberflöte für die Matinee zu machen. Die Inszenierung ist umstritten, die technische Umsetzung aber gilt als spektakulär. Auch Ludwig II. war ein TechnikFreak. Ja, ein gewisser Zettler, ein Schüler von Edison, musste ihm den Park beziehungsweise Garten für diese Theateraufführungen illuminieren. Auch das ist ein Motiv der Inszenierung: die Probleme mit der technischen Umsetzung. Ich hatte es vergleichsweise leicht und bin meinen Freunden von der FARAO entsprechend dankbar für die technische Realisierung. Dieses neue Format – es ist unglaublich. Als säße man nicht im Kino, sondern im Orchestergraben. (Anm. der Redaktion: Der Film wurde im neuen 3D-Soundsystem Dolby Atmos produziert, das u. a. mit Deckenlautsprechern ein einzigartiges Hörerlebnis garantiert, dazu HFR, die statt 24 Bildern pro Sekunde 50 produziert und eine extrem plastische und scharfe Bildqualität liefert). Sehen Sie sich den Film manchmal selbst noch an? Klar! Wenn mich Gäste drauf ansprechen, dann kommt die große Leinwand raus, die Blu-ray rein, und wir sind alle glücklich damit. Und wie wichtig ist der Erfolg? Es wird sicher kein Kassenschlager werden. Aber dafür haben wir es nicht gemacht. Man muss halt manchmal auch Dinge tun, nur weil man sie für schön und richtig hält. Und nicht immer nur ans Geld denken. n

Foto: Julia Schneider

ins Lächerliche gezogen wird, ist natürlich gegeben. Da hatten wir den richtigen Weg noch nicht gefunden. Und die Lösung? Das bleibt jetzt unter uns (lacht), aber tatsächlich hat mir ein stilles Örtchen geholfen, zu Hause in Guttenberg. Auf einer der Toiletten hängt ein alter Theaterzettel von einer Aufführung von Schillers Die Räuber. Besetzt mit der alten fränkischen Aristokratie. Es zählte ja in Adelsfamilien im 19. Jahrhundert zu den bildungsbürgerlichen Ritualen, Bühnenklassiker aufzuführen. Und so kam mir die abstruse Idee: Der König Ludwig gibt den Sarastro und singt in seinem neuen Schloss auf Herrenchiemsee In diesen heiligen Hallen! Auch wenn das alles zunächst furchtbar kitschig aussieht – der Tamino als Kaiser Franz Josef, die Sisi als Pamina und Monostatos als Bismarck. Aber immerhin haben die Bayern endlich mal einen Preußen als Sklaven. (lacht) Das ist, was man sieht ... Ja, natürlich ist die Geschichte dahinter sehr ernst. Die drei Hauptprotagonisten, Wilhelm II., Erzherzog Franz Ferdinand und Kaiser Franz Joseph – das ist der Erste Weltkrieg. Als zum Schluss dreimal die Fahne über dem Publikum geschwenkt wird, heißt das: Die Aristokratie geht unter. Ein wirklich bitterer Moment ... Für den, der sich geschichtlich ein wenig auskennt und die Figuren genau hinterfragt, tut sich da ein Riesending auf. Entsprechend positiv ist die Resonanz. Das Publikum auf Herrenchiemsee war wirklich begeistert. Auch im Münchner Prinzregententheater war die Inszenierung ein Riesenerfolg, alle zwei Jahre ausverkauft. Für den nicht zuletzt die Kunstfigur des alten Papageno verantwortlich ist. Ja, dieser herrlich grantige Gerd Anthoff. Es hat Leute gegeben, die haben gesagt, der spinnt doch, der Guttenberg. Aber es macht ja nichts, wenn man spinnt. Auf alle Fälle war mir ganz wichtig, dass, wenn Laien etwas machen, immer eine große Ernsthaftigkeit im Spiel ist. Inszeniert man anders, wenn man die Oper selbst dirigiert? Die Frage lautet andersrum: Es gehört extreme Konzentration dazu, dass man – bis auf die eingebauten Zwischenrufe meinerseits – nichts ist als reiner Musiker. Ihre Zwischenrufe sind ein ironischer Blick auf den Adel. Gab es Reaktionen? Nun, manche Aristokraten im Publikum haben das alles mit viel Humor aufgenommen, andere fühlten sich sehr getroffen davon, die eigene Gattung so aufs Korn zu nehmen. Also doch das Freimaurer-Thema – „Er ist ein Prinz, noch mehr, er ist ein Mensch“. Darin steckt ja viel von Ihrer eigenen Geschichte. Ja, natürlich. Heute bin ich 70, und die letzten 30 Jahre sind gut gegangen. Aber als junger Dirigent habe ich unglaublich unter meiner Herkunft gelitten und mir oft gewünscht, Hans Müller zu sein. Dann hätte ich in Ruhe das tun können, was ich tun wollte. Aber so hieß es entweder, ja der, der kann es sich leisten, oder: Der hat die Kritik gekauft. Jetzt ist es besser. Ich hasse das Wort Karriere, aber ich durfte einen internationalen Weg machen. Braucht denn die Zauberflöte immer einen besonderen Dreh, um noch etwas Neues zu erzählen? Da muss man vorsichtig sein. Und ich bin jetzt mal nicht vorsichtig: Ich halte die Texte von Schikaneder nicht gerade für den ganz großen literarischen Wurf. Und ich sehe nicht, dass sich jedem sofort erschließt, um was es da ideologisch geht. So einfach

Enoch zu Guttenberg mit den Produzenten Felix Gargerle (FARAO classics) und Andreas Caemmerer (Calla Media GmbH)

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Der Axel-Brüggemann-Kommentar

Satthören statt sattsehen! Die neue Dirigenten-Generation erzählt neue Geschichten. Aber darum kann es eigentlich nicht gehen.

Neulich in der Kultursendung „TTT“: etwas anderes: Es ist das Anderssein, dem tian Thielemann? Gibt es sie noch, die Moderator Max Moor versuchte in sei- Alondra de la Parra das Porträt in „TTT“ Dirigenten, die nach dem Studium und ner Anmoderation, jedes Fettnäpfchen zu zu verdanken hat: ihrem Frausein, ihrer ersten Dirigaten den Luxus haben, sich in um­gehen. Nein, eine Frau als Dirigenten Lebhaftigkeit und vielleicht eben auch, dass einem eigenen Haus, als GMD oder zweihabe er persönlich noch nie erlebt, sagte er. Max Moor sich an dieser Frau einfach nicht ter Kapellmeister im Schatten der großen Öffentlichkeit auszuprobieren? Künstler, Aber darum würde es nun auch gar nicht sattsehen kann. Und genau hier liegt auch die Crux, die erst einmal testen können, wie sie und gehen. Denn die Dirigentin, die er uns nun vorstellen wird, sei nicht so toll, weil wenn wir – wie in dieser Ausgabe von ihre Ideen auf die Musiker wirken, wie weit sie zufällig eine Frau, sondern weil sie eine crescendo – über den Dirigenten-Nach- Theorie und Praxis auseinanderliegen? Die wunderbare Musikerin sei. So weit, so gut. wuchs reden. Es fällt uns heute schwer, hin- erfahren können, Tag für Tag, dass DiriIm letzten Satz seiner Einleitung zum Bei- zuhören – wir schauen lieber hin, wenn es gieren eben nicht nur bedeutet, eine gute trag tritt Moor dann allerdings doch noch um Musik geht. Ein Phänomen, mit dem Idee zu haben, sondern auch ein Orchester, in das Gender-Näpfchen: „Vor allen Din- der Nachwuchs zu kämpfen hat. Oder mit ein Theater und das Publikum mitzunehmen und zu begeistern? Dass es gen ist es eine Dirigentin, an der nicht nur darum geht, ein perman sich einfach nicht sattsefektes Orchester dazu zu brinhen kann.“ Oh, SCHAUT mal, ein Schwarzer. gen, Beethoven ganz anders zu Die Rede war von der spielen, sondern auch darum, mexikanischen Musikerin Oh, GUCKT Mal, eine Dirigentin! ein mittelmäßiges Orchester Alondra de la Parra. Die 35-jähüberhaupt erst einmal dazu zu rige Dirigentin wurde von Kurt bringen, bei Alban Berg richtig Masur gefördert, wird von Plácido Domingo protegiert, leitet inzwischen dem er spielen kann. Viele der Pultstars, zu zählen. Nein, es ist zum Glück noch nicht das Orchester in Queensland und, ja: ist die uns als „jung“ vorgestellt werden, sind sehr leidenschaftlich. Auf YouTube kursie- einfach gut zu vermarkten, sehen gut aus, tot, das deutsche Stadttheater. Beide Häuren Filme von ihr, in denen ihr Dirigierstil sind anders – und einige von ihnen werden ser, Aachen und Nürnberg, waren in den letzten Jahren Stationen des wirklich guten fast schon slapstickhaft aussieht: Sie taucht gleich mit großen Jobs betraut. Was ist währenddessen eigentlich aus Dirigenten Markus Bosch. Er ist inzwihinter der Partitur ab, geht immer wieder in die Knie, schneidet Grimassen, fuchtelt der guten alten Karriere geworden, die an schen 46 Jahre „alt“ und ein Dirigent, mit den Armen, scheint jeden Ton selbst einem mittelgroßen Stadttheater beginnt, wie ihn viele, auch die großen Orchester, singen zu wollen. Man kann das mögen sagen wir in Aachen wie bei Herbert von durchaus gebrauchen könnten: ein Arbeioder nicht. An dieser Stelle geht es um Karajan oder in Nürnberg wie bei Chris- ter, einer, der motivieren kann, ein (wenn es 44

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nur nicht so abgedroschen klingen würde) andere ihres Alters nicht bekommen haben. sie Teil einer Maestri-Epoche ist, die neue echter Kapellmeister. Aber der letzte, ganz Oder aber, weil sie schon damals eine Geschichten zu erzählen hat. Eine Frau! große Schritt ist bei ihm bislang ausgeblie- Geschichte zu erzählen hatten, die einfach Oder: eine Südamerikanerin! Ja, auch ein anders war. Philippe Jordan wurde nicht afrikanischer Dirigent sorgt tatsächlich ben. Vielleicht auch, weil es nicht mehr als Grazer GMD entdeckt, sondern weil noch immer für Aufsehen im vermeintlich üblich ist, dass Intendanten und Orches- er für Nikolaus Harnoncourt in Salzburg so aufgeklärten Europa. So wie der sehr termanager selber durch die Provinzen einsprang, Andris Nelsons wurde nicht als begabte Brian Kepher (22) aus Kenia, den reisen, um zuzuhören. Dass es anstren- Chef der lettischen Nationaloper oder der der Gustav-Mahler-Dirigentenwettbewerb gend ist, die langfristige Arbeit eines Diri- nordwestdeutschen Philharmonie in Her- in Bamberg nicht als musikalischen Hoffgenten mit einem Ensemble zu entdecken ford zum Star, sondern weil er schnell von nungsträger, sondern als „Hoffnungsträund zu bewerten. Weil jene Tugenden, die großen Orchestern eingeladen und sich ger aus Kenia“ vorgestellt hat. „Die Zeit“ ein Dirigent am Stadttheater lernt, heute dort durch bemerkenswerte Interpretati- nannte ihn ein „Produkt“ (!) der „Ghetto nicht mehr hoch im Kurs stehen: breites onen behauptet hat. Noch deutlicher wird Classics“. Kepher oder la Parra versprechen Repertoire, Management eines Ensembles, das Phänomen bei Gustavo Dudamel, der beständige Entwicklung eines Orchesters, kein Orchester wirklich vorangebracht, Geschichten, die über Dirigenten bislang noch nicht erzählt wurden. Mitnehmen des PubliUnd genau darin liegt auch kums. Stattdessen zähdie Gefahr. Erst kürzlich len zunehmend andere Es fällt uns heute schwer, hat der Chef der Münchner Qualitäten: Ist der hinzuhören – wir schauen lieber hin, Symphoniker, Kevin Edusei zukünftige Chef mar(39), sich darüber amüsiert, ketingtauglich? Gelingt wenn es um Musik geht wie oft seine Hautfarbe in es, jemanden zu engader Berichterstattung noch gieren, der schon mal eine Rolle spielen würde. bei den Berliner oder Wiener Philharmonikern eingeladen war? sondern von Daniel Barenboim und Simon Edusei ist Deutscher, wuchs mit KlasKann unser neuer Dirigent unser Orches- Rattle als „El Sistema“-Dirigent gefördert sik auf und hat, oh Wunder, dunkle Haut. ter in Japan oder in den USA vermarkten? wurde. Als Chef in San Francisco ist er Klar, heute würde sich niemand mehr fraOder finden wir einen Kandidaten, der ein hauptsächlich ein Maskottchen. Musika- gen, ob „ein Neger Brahms kann“, so wie die Zeitungen im Jahre 1951, als der dunAlleinstellungsmerkmal hat, für das unser lisch hat er hier nur wenig bewegt. Bedeutet das, dass eine Stadttheater- kelhäutige US-Amerikaner George Byrd Orchester auch im überregionalen Feuillekarriere heute nicht mehr zum Ziel führt? mit den Münchner Philharmonikern sein ton auftaucht? Nehmen wir Bremen. Hier suchen Nein, so einfach liegt die Sache auch nicht. Deutschlanddebüt im Herkulessaal gab. die Philharmoniker derzeit einen Nachfol- Denn der erfolgreichste der einst „jungen Aber wirklich anders ist das, was zuweilen ger für Markus Poschner. Politisch gewollt, Dirigenten“ hat jahrelang an der Komi- über Edusei geschrieben wird, eben auch so hört man, sei eine Frau. Warum? Keine schen Oper in Berlin und dann in Mün- nicht: Oh, SCHAUT mal, ein Schwarzer. Ahnung. Vielleicht weil das nicht nur für chen bewiesen, dass intensive Auseinan- Oh, GUCKT mal, eine Dirigentin! Oft ist Max Moor noch immer etwas Besonderes dersetzung mit Orchester und Repertoire das schon genug. Vom Hinhören wird selist? Weil die Benennung einer Frau mehr mancherorts eben doch der Grundstein für ten gesprochen – kein Wunder, denn das Aufmerksamkeit generieren würde als die die wirklich großen Aufgaben sein kön- Beschreiben der Arbeit, des individuellen eines Mannes? Niemand äußert sich dazu, nen. Kein Wunder also, dass Kirill Pet- Sounds, des Alltags mit den Musikern fällt was Poschners Nachfolger eigentlich tun renko zum Chef der Berliner Philharmo- vielen Berichterstattern einfach schwerer. Dabei gibt es viele Dirigenten, oft soll: das Orchester endlich wieder im Takt niker gewählt wurde und Dudamel oder spielen lassen, eine Bindung zum Publi- Nelsons, die ebenfalls im Gespräch waren, auch sehr junge, auf die das „Ohrenmerk“ kum aufbauen, ein spannendes Programm das Nachsehen hatten. Petrenko hat wie all noch gar nicht gefallen ist. Für mich gehört aufstellen. Nein: Eine Frau, das wäre schön. seine Vorgänger in Berlin, wie Karajan in – ja, auch weil eine Art Freundschaft dabei Vor einigen Jahren gab es schon ein- Aachen, wie Abbado beim London Sym- ist – Elias Grandy (34) zu diesen Leuten. Er mal eine mediale Aufmerksamkeitswelle phony Orchestra und Rattle in Birming- ist derzeit in Heidelberg tätig, oder Patrick Lange (34), dem man endlich ein eigenes, für damals junge Dirigenten, die heute ham, die Ochsentour hinter sich. Aber zurück zu Alondra de la Parra. größeres Haus oder Orchester wünscht. längst angekommen sind: Philippe Jordan (41), Andris Nelsons (37), Gustavo Duda- Um das hier klarzumachen: Ich glaube, Spannend auch Karina Canellakis (34), die mel (35) oder Kirill Petrenko (43) wur- dass sie eine gute Dirigentin ist, auch, für Aufmerksamkeit sorgte, als sie letztes den als Nachwuchs-Maestri gefeiert. Aber wenn ich sie persönlich noch nie live Jahr für den erkrankten Nikolaus Harwarum eigentlich? Sicher weil die meisten gehört habe. Aber darum geht es an dieser noncourt bei der Styriarte einsprang und von ihnen wirklich gut sind. Aber wohl Stelle nicht. Es geht darum, wie sie in den begeisterte. Und, ja, auch an der derzeitiauch, weil sie Glück hatten – weil sie die Medien angepriesen wird. La Parra gehört gen Chordirektorin aus Darmstadt, an Ines Nischen gefunden haben, die andere nicht zu jener Generation von Dirigenten, die Kaun, könnte sich ein Mann wie Max Moor gefunden haben, weil sie das eine entschei- heute „jung“ genannt wird. Aus PR-Sicht nicht nur sattsehen, sondern irgendwann dende Engagement bekommen haben, das ist sie eben auch deshalb so aufregend, weil auch satthören. ■ 45


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Brügge Mit dem Dirigenten Jos van Immerseel durch die belgische City, die nicht nur im Sommer einen ganz besonderen Charme versprüht. v o n Do r o t h e a W a l c hsh ä u s l

Der perfekte Ort: Brügge hat leckere Pommes frites, wunderbare Häuserfassaden, einen grandiosen Dirigenten und Wasserstraßen wie in Venedig

W

er bei Brügge bis dato an das britische Gangsterdrama mit dem lakonischen Titel „Brügge sehen ... und sterben?“ denken musste, sollte schleunigst die Reise antreten und sich in dieser klingenden Stadt eines Besseren belehren lassen. „Brügge sehen und leben“ lautet dort vielmehr die Devise, und wer durch die verwinkelten Gässchen schlendert und über die jahrhundertealten Brücken, wer vorbeizieht an duftenden Waffelbäckereien und Pralinengeschäften, der bekommt eine Ahnung von der Grazie und Anmut dieser Stadt. Kaum jemand könnte hierfür ein besserer Reiseleiter sein als Jos van Immerseel, der, geboren in Antwerpen, mittlerweile in Brügge lebt und die belgische Hansestadt liebevoll seine Heimat nennt. Wir treffen uns im Büro seines Orchesters Anima Eterna Brugge, angesiedelt in einem der imposanten mittelalterlichen Stadttore, dem Ezelpoort. „Von hier aus kann man Brügge sehen, zur anderen Seite liegt die Welt“, sagt van Immerseel und blickt aus dem Fenster über das rotbraun gescheckte Mosaik aus Türmen und Dächern. Dann schlüpft er in seine Jacke und eilt die steinerne Wendeltreppe hinunter, raus aus der Ruhe des Büros, hinein in das pulsierende Treiben der Stadt. Mit Anima Eterna Brugge sucht der 70-jährige Belgier die 46

Welt regelmäßig heim. 40 bis 50 Konzerte im Jahr spielt das Aushängeschild historischer Aufführungspraxis durchschnittlich, viele davon im Ausland. Dabei hat es stets gewichtige Konzertprogramme mit im Gepäck, außerdem ausschließlich Originalinstrumente, passend zum jeweiligen Repertoire, das verschiedenste Epochen abdeckt. Seit van Immerseel Anima 1987 mit sechs Musikern gegründet hat, ist das Orchester kontinuierlich gewachsen. Heute sind mitunter über 30 Nationalitäten vertreten, Spitzenmusiker aus aller Welt, die projektweise zusammenkommen, um mit van Immerseel und seinen zwei Assistenten Jakob Lehmann und Korneel Bernolet jenen fokussierten, intensiven und wendigen Klang zu erreichen, für den Anima Eterna Brugge berühmt geworden ist. Meist treffen sich die Musiker für die Proben als Orchester in Residence im Concertgebouw, einem imposanten Konzerthaus mit einem intimen Kammermusik- und einem großen Konzertsaal, der je nach Bühnengröße 1.040 bis 1.240 Leute fasst. Zur Zeit seines Entstehens erhitzte der auffällige rote Bau ob seiner außergewöhnlichen Architektur die Gemüter. Mittlerweile ist das Gesamtkunstwerk aus Holz und Beton zum geliebten Wahrzeichen der lebendigen Kulturstadt geworden und bei exzellenter Akustik das ganze Jahr über Schauplatz hochkarätiger Veranstaltungen. Im Concertgebouw findet mit dem MAfestival auch eines der zahlreichen Fes-

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tivals statt, die das Kulturleben in Brügge Jahr um Jahr bereichern. Seit seiner Gründung 1964 präsentiert das MAfestival jeden Sommer eine erstklassig konzipierte Festivalwoche, die prallgefüllt ist mit herausragenden Konzerten, ergänzt durch Wettbewerbe und Instrumentenausstellungen. Die Alte Musik wird dabei in einen spannenden zeitgenössischen Kontext gesetzt und Tradition und Moderne gehen Hand in Hand. Neben Anima Eterna Brugge ist mit dem Sinfonieorchester Flandern ein weiteres renommiertes Orchester in der Hansestadt beheimatet, das ebenfalls regelmäßig im Concertgebouw konzertiert und sich unter der Leitung des britischen Chefdirigenten Jan Latham-Koenig eines breiten sinfonischen Repertoires annimmt. Mit spannenden Konzeptprogrammen ist das Ensemble seit vielen Jahren Garant für hochkarätige Interpretationen sowohl zeitgenössischer als auch klassischer Literatur. Vom Concertgebouw aus sind es nur ein paar Schritte in die pulsierende Altstadt mit ihren Spitzendeckchen-Läden und den prachtvollen Häuserfassaden mit jahrhundertalter Geschichte. Im August ist natürlich Hochsaison im Kulturmekka Brügge, das eines der wichtigsten Zentren des Mittelalters war und bis heute einen nahezu komplett erhaltenen Stadtkern besitzt – folglich kein Wunder, dass die Altstadt von der UNESCO 2002 zum Weltkulturerbe ernannt worden ist.

Jos van Immerseel steuert nun behände durch die belebten Gassen, ein kleiner Mann in roter Hose, blauem Hemd und grüner Jacke, der gerne lacht und sein Gegenüber mit wachen Augen durch die randlose Brille anblickt. „Ich fühle mich nicht als Dirigent, ich fühle mich als Musiker“, sagt der Ausnahmekünstler, dem eine Beschränkung auf nur ein Talent, nur eine Aufgabe schon immer völlig suspekt war. Bis heute ist er Pianist, Organist, Cembalist und Dirigent gleichermaßen, er arbeitet solistisch und kammermusikalisch und ist parallel dazu immer auch als akribischer Forscher und Musikanalytiker unterwegs. Dabei sind es weniger die unbekannten Nischenkompositionen, die ihn interessieren. Viel lieber nimmt er sich die Meisterwerke und Evergreens der Musikgeschichte vor, jene Stücke also, die oft totgespielt scheinen und bereits in unzähligen Einspielungen die CD-Regale füllen. In van Immerseels Interpretationen erwachen sie wieder zum Leben, neu, ungehört und nicht selten kaum wiederzuerkennen. Van Immerseel selbst spricht davon, die Stücke zu „restaurieren“ und meist gehen einer Einspielung monate-, manchmal jahrelange Forschungsarbeiten voraus, in denen er die ursprüngliche Orchesterzusammenstellung erkundet, die Partitur durchforstet und schließlich die passenden Musiker engagiert. „Wenn man gut sucht, findet man alles“, sagt van Immerseel und grinst. 47

Foto: Paul Willaert; Pommes: fotolia / epics; fotolia / Kavalenkava Volha; Fotolia / cristianbalate

crescendo-Autorin Dorothea Walchshäusl mit Jos van Immerseel in Brügge


l e b e n s a r t

Im Herbst stehen Dvořák, Mendelssohn und Beethoven auf den Gaststätte eindrucksvoll die reiche Biertradition Belgiens unter dem Programm, für das nächste Jahr hat sich van Immerseel Gersh- Beweis stellt. Seit 1856 in der Hand einer Familie, zählt die Brauerei win vorgenommen, unter anderem dessen Rhapsody in Blue und An heute zu einer der Hauptattraktionen Brügges. Darüber hinaus unterstützt sie als Förderer aktiv die Kultur in Brügge und die Arbeit American in Paris. Man darf gespannt sein. Ein Zwischenstopp im Stadtarchiv Brügge, das sich hinter der von Anima Eterna Brugge und steht nicht zuletzt auch für kreatives prunkvollen Fassade des Rathauses verbirgt. Hier lagern unter Unternehmertum: Erst kürzlich wurde eine Pipeline fertiggestellt, die ab September über eine Disschweren Holzdecken die Schätze tanz von zwei Meilen das Bier der vergangenen Jahrhunderte, unter der Stadt hindurchpumpt, uralte Registerbücher, kostbare um es an einer Stelle herstellen Musikfragmente, gregorianische und an anderer Stelle in Flaschen Gesangsbücher und das komplette füllen zu können. Ein origineller Archivmaterial seit der EntsteGeniestreich, dessen Inhalt auch hung des MAfestivals. Ein Paranoch schmeckt. dies für jede Forscherseele, das Mittlerweile ist es Abend nach alten Büchern riecht und von geworden und Zeit für einen der reichen Geschichte der Besuch in van Immerseels zweie­ hemaligen Handelsmetropole tem Wohnzimmer, dem japanierzählt. schen Restaurant „Tanuki“. Der Die schönste Perspektive auf Musiker schätzt die Traditionsverdas idyllische Brügge aber bietet Das Concertgebouw von Brügge bundenheit des schmucken sich von einem der vielen Boote aus, die routiniert durch die Grachten steuern. „Eine Bootsfahrt ist Brügge, noch mehr aber liebt er seine Vielfalt, sei es kulturell oder Pflicht“, sagt van Immerseel und lacht, dann startet der Fahrer den kulinarisch. Noch einmal geht es durch die Gassen der Altstadt, Motor und lenkt das Boot mit sanftem Schaukeln vorbei an turteln- klangvoll begleitet vom Singsang eines inbrünstig geigenden Straden Schwanenpaaren, efeuumrankten Vorgärten und prunkvollen ßenmusikers und dem Klacken der Pferdekutschen auf den KopfHandelshäusern, die sich glitzernd im Wasser spiegeln. 16 Kilometer steinpflastern. Der Lieblingsort des Künstlers liegt schließlich in Kanäle ziehen sich durch die Stadt. Früher waren sie die zentralen einem unscheinbaren Eckhaus mitten in der Altstadt. Im Innenhof Verkehrswege für den Warentransport der Textilindustrie, heute ver- des Restaurants schwimmen leuchtend orange Kois durch einen leihen sie der zauberhaften Atmosphäre der Brügger Altstadt medi- Teich, an den Tischen direkt nebenan wird der Hausaperitif aus weißen Porzellanfiguren getrunken und der rohe Fisch mit einer Extraterranes Flair. Die Bootsfahrt ist zu Ende, und nachdem einem schon auf dem portion frisch geriebener Wasabiwurzel serviert. Ein genussreicher Wasser ein Hauch von Hopfen in die Nase stieg, wird nun die Brau- Ort, um die Brügger Nacht zu eröffnen… ganz nach dem Motto: erei „De Halve Maan“ besucht, die im Museum sowie der angrenzen- Brügge sehen und leben. ■

Tipps, Infos & Adressen

Ein paar Reiseinformationen rund um einen Besuch in Brügge.

Brügge ist Kulturstadt durch und durch, und so präsentiert sich dem Besucher ein breites Angebot an Museen, Konzerten und Festivals. Ausführliche Informationen zu den unterschiedlichen Veranstaltungen und Angeboten in der Stadt erhält man beim Tourismusbüro der Stadt: bezoekers.brugge.be

ÜBERNACHTEN Bestens gelegen, mit schön gestalteten Zimmern und Wellnessbereich ist das edle Hotel Casselbergh ein hervorragender Ausgangspunkt für einen Besuch in Brügge. Informationen zu sämtlichen sonstigen Hotels sowie verschiedenen Frühstückspensionen finden sich auf der Website von ­Brügge Tourismus. Infos unter www.grandhotelcasselbergh.be

Mit dem MAfestival wird jeden Sommer ein ­Alte-Musik-Festival präsentiert, das renommierte Künstler ­einlädt. Vom 1. bis 5. März 2017 findet zudem erstmals eine Musikbiennale statt, deren Programm von Klassik bis ­Weltmusik reicht. Das musikalische Herz der Stadt pocht seit 2002 schließlich im Concertgebouw, dem ­architektonisch wie ­akustisch beeindruckenden Konzerthaus der Stadt.

Concertgebouw

Links: www.concertgebouw.be, www.mafestival.be www.animaeterna.be, www.symfonieorkest.be

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ESSEN & Trinken

Hotel Casselbergh

De Halve Maan

Wer der Brügger Tradition nachspüren möchte, dem sei ein Besuch in der Brauerei De Halve Maan (www.halvemaan.be) empfohlen, in der neben einem Museum auch eine gemütliche Gaststätte beheimatet ist und das frisch gebraute Bier der Brauerei gekostet werden kann. Jos van Immerseels Favoriten: das japanische Restaurant Tanuki (www.tanuki.be) und das indische Restaurant Bhavani (www.bhavani.be) und die kleine Weinbar Jus (www.bar-jus.be).

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Fotos: PR; Concertgebouw; Jordi Huisman

MUSIK & KUNST


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Hop e

t r i f f t

Die Daniel-Hope-Kolumne

Wie glenn Gould Unser Lieblingsgeiger und Kolumnist traf vor seiner Haustür Schauspieler Sebastian Koch, der gerade einen neuen Film mit Florian Henckel von Donnersmarck dreht und zur Musik eine sehr innige Verbindung hat. ich ein Hörbuch einspreche. Du hast in letzter Zeit an vielen großen Produktionen in den USA mitgewirkt, sogar mit Steven Spielberg. Gibt es da immer noch große Unterschiede zum deutschen Film? Eigentlich nicht. Es ist größer, Hollywood hat mehr Geld. Mit Steven Spielberg war es sehr angenehm, weil man diesen riesigen Apparat, der bei einer Hollywood-Produktion da ist, im Inneren gar nicht mitbekommen hat. Er schafft es, eine ganz intime, private Atmosphäre zu schaffen, in der man wirklich ausprobieren kann. Hollywood bleibt draußen, vor der Tür. Und das aber mit einem riesigen Aufwand... Allerdings, ich habe meine eigene Straße gar nicht mehr erkannt. Letzte Frage: Wann entsteht endlich ein Projekt mit uns gemeinsam auf der Bühne? Sobald du mir sagst, was ich machen soll! Aber ganz im Ernst: Ich denke, dass wir in bestimmten Dingen ähnlich ticken und die gleiche Leidenschaft für viele Dinge aufbringen. Letztlich geht es ja darum, dass wir den Mut haben, einen neuen Weg zu gehen, und wirkliche Künstler agieren ja immer aus dem Zweifel heraus. Auch wenn die Industrie das eigentlich kaum mehr zulässt, sollte man den Mut haben, neue Wege zu gehen. Das würde ich mir wünschen, wenn wir was zusammen machen. Das wäre sehr schön. Ich rede immer zu viel, oder? Nein, überhaupt nicht, ich muss ja die letzte Seite hier mit Dir füllen. n Foto: Daniel Hope

Daniel Hope: Sebastian, du bist einer der wenigen Schauspieler, die sich sehr mit Musik beschäftigen und das Schauspiel sogar sehr musikalisch sehen ... Sebastian Koch: Ich glaube, dass jede Form von Kunst eine Musikalität hat. Und gerade in der Schaupielerei gibt es viele Parallelen zur Musik, jede Szene hat ja einen speziellen Rythmus, es gibt kleine Gesten, kleine Blicke, die an einem bestimmten Moment gesetzt werden müssen, und diese Musikalität zu finden, das macht mir Spaß. Man kann das ja auch nicht allein machen, das ist wie bei einem Orchester. Ich finde das spannend, Dinge gemeinsam zu entwickeln. Du drehst hier in Berlin gerade einen neuen Film, übrigens um die Ecke von mir, noch mal vielen Dank dafür, dass ich nicht so weit laufen musste ... Haben wir natürlich extra für dich so arrangiert... (lacht) Ich habe euch vorhin zusehen dürfen und habe gesehen, wie oft ihr die Szene gedreht habt, und da waren schon Unterschiede zu erkennen. Wie viele Freiräume hast du als Schauspieler bei einem Film? Na ja, niemand kennt am Ende die Rolle besser als der Schaupieler, und ich denke, ein guter Regisseur gibt dem Schauspieler einen großen Freiraum. Wenn du ein Konzert spielst, ist das auch eine Interpretationssache, oder? Du bist dafür verantwortlich, wie du das lebst und entwickelst und wie du dein Gefühl offenbarst. Ich finde das

Daniel Hope und Sebastian Koch in Berlin

bei euch Musikern übrigens sehr interessant, wie viel Persönliches da in ein Stück wandert: Wenn man Glenn Gould hört zum Beispiel, oder es gibt ein As-Dur-Stück von Bach, da spielt Friedrich Gulda so besonders, fast verbunden mit einer Kraft, die man kaum benennen kann. Kosmisch ist vielleicht ein passendes Wort – Du verstehst was ich meine, oder? Klar. Ich musste vorhin beim Dreh sogar auch an Glenn Gould denken. Er hat einmal gesagt, er glaubte, man könne eine perfekte Aufnahme machen, indem man das Ergebnis aus Hunderten kleinen perfekten Stücken zusammenfügt – ähnlich wie ihr das ja beim Film macht... Ich ticke leider ja auch so. Es gibt Menschen, die das nur aus der Intuition heraus machen, aber ich nehme dafür einfach zu viel wahr. Und es macht mir Spaß, Dinge im Nachhinein noch einmal zu korrigieren und perfekt zu machen. Auch CD-Aufnahmen, wenn

Am 14.10. erscheint auch Kochs neues Hörbuch mit dem Titel „Und lauscht hinaus den weißen Wegen – Weihnachten mit Sebastian Koch“.

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RUSSISCHE KAMMERPHILHARMONIE ST. PETERSBURG

Juri GILBO, Chefdirigent SONY 88697376322 DDD

KONZERTE 2016/2017

Mischa MAISKY

Dmitri HVOROSTOVSKY

Edita GRUBEROVA

Sergei NAKARIAKOV

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Cello

Trompete

Giora FEIDMAN Klarinette

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Sopran

Otto SAUTER Trompete

Nigel KENNEDY

Olga PERETYATKO

Fazil SAY

Dmitri BERLINSKY

Anna Maria KAUFMANN

Nikolai TOKAREV

Haiou ZHANG

Deborah SASSON

Cristian LANZA

Lena NEUDAUER

Matthias SCHLUBECK

Sopran

Violine

Sopran

Violine

Sopran

Tenor

Sopran

Klavier

Violine

Klavier

Klavier

Pannöte

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DANIEL HOPE IT’S ME THE BAROQUE AND ROMANTIC ALBUMS ERSCHEINT AM 09.09.

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MAHAN ESFAHANI GOLDBERG VARIATIONS JOHANN SEBASTIAN BACH ERSCHEINT AM 26.08.

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