crescendo Premium 02/14 März / April / Mai

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Ausgabe 02/2014 März – April – Mai 2014 www.crescendo.de 7,90 Euro (D/A)

PREMIUM AUSGABE

CD

inkl.

Auf Einen Kaffee mit ... Konstantin Wecker Der Liedermacher über seine illustre Vergangenheit – und Zukunft – in der klassischen Musik Schwerpunkt Klassik im Netz Wie das Internet die ganze Branche verändert

Happy Birthday, Sir!

NEVILLE MARRINER Der britische Dirigent gewährt uns im Alter von 90 Jahren eine sehr unterhaltsame Audienz B47837 Jahrgang 17 / 02_2014

Mit Beihefter Class Aktuell & Sonderseiten der Deutschen Mozart-Gesellschaft

Intern. Bodenseefestival

2. Mai bis 8. Juni 2014 TÜRK KÜLTÜRÜ Fazil Say ist Artist in Residence. Ballett, Theater, Literatur und Konzerte mit Gidon Kremer, Patricia Kopatchinskaja u.v.a.


f e s t w o C H e n d e r a u to s ta dt I n w o l f s b u r g 2 2 . a P r I l ― 0 1 . J u n I 2 0 14

lesungen & sCHausPIel

konzerte Beady Belle · nathan Haines Baptiste trotignon trio · Yilian Cañizares Gregory Porter · terri Lyne Carrington diana Krall Jochen distelmeyer · Cibelle · sizarr the majority says Annelien van wauwe & Lucas Blondeel trio con Brio Copenhagen · Kit Armstrong Céline moinet & movimentos ensemble scharoun ensemble & mojca erdmann Benedict Kloeckner & José Gallardo daniel Beilschmidt & Pina Bettina Rücker Weitere

informationen:

0 8 0 0 2 8 8 6 7 8 2 3 8 oder w w w. m ov i m e n tos . d e Stand: 18. februar 2014 ; Änderungen vorbehalten

ta n z sidi Larbi Cherkaoui · Grupo Corpo Beijing dance theater wayne mcGregor | Random dance · diavolo

martin Brambach · Ulrich noethen Udo samel & Kuss Quartett Alexander scheer · Gerd wameling Hannelore Hoger sophie Rois · Helene Grass Johanne von Harsdorf · Henning nöhren martin wuttke · stefan Kurt Angela winkler · nele winkler martina Gedeck · sylvester Groth Joachim Król · dagmar manzel Robert Gallinowski · michael Abramovich iris Berben · Katharina schüttler mark waschke · thomas thieme K u l t u r p a r t n e r :


p r o l o g

Klassik 2.0

Fotos Titel: Star Fotos Hosrt Maack, Berlin; Marco Borggreve

winfried hanuschik Herausgeber

Liebe Leser, auch wenn es manchem vielleicht noch gar nicht bewusst ist: Viele von uns bekamen vor nun 20 Jahren ihre erste E-MailAdresse und fingen an, mit Hilfe des Computers aktuelle Informationen im neuen Medium Internet zu suchen. Als 1999 die Internetblase platzte und viele der neuen, jungen Start-upFirmen wieder verschwanden, erlebte die neue Technologie zwar einen kleinen Dämpfer – aufhalten konnte man sie aber nicht. Wenn ich morgens mit der S-Bahn ins crescendo-Büro fahre, stelle ich fest: Selbst konservative Uniprofessoren blicken nicht mehr wie früher in Bücher oder Tageszeitungen, sondern starren auf Smartphones und Tablets, über die sie inzwischen mehr Informationen beziehen können als die Bibliothekare der städtischen Großarchive. Der in Mainz ansässige Verlag PediaPress behauptete kürzlich, er wolle alle englischsprachigen Artikel des Online-Lexikons Wikipedia als Buchedition drucken. Das wären laut Verlag 1.000 Bände à 1.200 Seiten. Man bräuchte also ein Wand­regal der Maße 10 mal 2,5 Meter, um alle Bücher unterzubringen. Das Problem dieses Vorhabens: schon während der Druckphase

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wäre die Edition bereits wieder veraltet und nicht mehr aktuell (man denke nur an politische Entwicklungen wie soeben in der Ukraine). Auch die klassische Musik, die den neuen Technologien früher eher skeptisch begegnete, ist im digitalen Zeitalter angekommen. Es fühlt sich so an, als würden Künstler, Intendanten, Dirigenten und Labels in der digitalen Revolution langsam eher die Chancen sehen als – wie noch vor ein paar Jahren üblich – die Risiken und Gefahren. Das ist meiner Meinung nach der richtige Schritt und auch aus diesem Grund haben wir in unserem Heftschwerpunkt diesmal das Thema „Klassik im Netz“ in allen Facetten betrachtet. Und es ist wirklich erstaunlich, wie die gesamte Musikwelt mit den modernen Formen der Kommunikation zusammenwächst. Alleine die Tatsache, dass ein Schüler in Peking einen Meisterkurs in Salzburg besuchen kann, ohne den langen Weg auf sich zu nehmen, ist grandios. Und wenn uns Anna Netrebko fast in Echtzeit im Badeanzug einen Gruß von ihrem verschneiten New Yorker Balkon schickt, haben wir das Gefühl, die Sopranistin persönlicher zu erleben als in ihrer letzten Aufführung. Welche Künstler das Internet am meisten nutzen, wie Sie die Musik aus dem Internet in bester Qualität hören und woher überhaupt – historisch gesehen – der Wunsch nach dem Abspeichern von Musik kommt, lesen Sie ab Seite 75 auf insgesamt 14 Seiten.

Herzlichst, Ihr Winfried Hanuschik ONLINE PREMIUM-SERVICES: TRETEN SIE EIN!

Ihre Abo-CD In der Premium-Ausgabe finden Sie nicht nur doppelt so viel Inhalt: mehr Reportagen, Porträts, Interviews und ­ Hintergründe aus der Welt der Klassik – in einer besonders hochwertigen Ausstattung, sondern auch unsere ­ crescendo Abo-CD. Sie ist eine exklusive Leistung unseres c­ rescendo Premium-Abonnements. Premium-Abonnenten erhalten sechs Mal jährlich eine hochwertige CD mit Werken der in der aktuellen Ausgabe vorgestellten Künstler. Mittlerweile ist bereits die 47. CD in dieser crescendo Premium-Edition erschienen.

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März / April / Mai 2014

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Neuheiten bei Berlin Classics

1 CD · 0300566BC

P r o g r a m m

»Heimliche Aufforderung« Richard Strauss · Lieder CHRISTIANE KARG Sopran Malcolm Martineau

Klavier

Violin Concertos Joseph Haydn MIDORI SEILER

Violine

Concerto Köln

1 CD · 0300567BC

Haydns Violinkonzerte neu interpretiert: Midori Seiler und Concerto Köln musizieren auf Originalinstrumenten, technisch präzise, lebhaft und auf höchst charmante Weise.

Violin Sonatas 1-3 Johannes Brahms CATHERINE MANOUKIAN Violine Gunilla Süssmann

Klavier

Große Kammermusik zwischen Gefühl und Verstand: Catherine Manoukian und Gunilla Süssmann spielen Brahms’ Violinsonaten mit klarerm Blick für Strukturen und mit großer emotionaler Intensität.

JETZT IM HANDEL SOWIE ALS DOWNLOAD ERHÄLTLICH. Weitere Informationen und den Katalog erhalten Sie bei: Edel Germany GmbH, Hamburg · Telefon (040) 89 08 53 13 www.edelclassics.de

youtube.com/berlinclassics Videos4auf

10 Cameron Carpenter Der Organist hat sich seinen Lebenstraum erfüllt: Er bekommt seine eigene Orgel.

28 Pumeza Matshikiza Die Südafrikanerin schaffte den Sprung aus dem Township in die Klassikwelt.

34 Linus Roth Auf seinem neuen Album spielt der Geiger Violinkonzerte von Britten und Weinberg.

STandards

Künstler

hören & Sehen

03.... Prolog Der Herausgeber über die Klassik 2.0. 06.... Ensemble Mit unseren Autoren hinter den Kulisssen. 08.... Blickfang Die (Foto)-Kunst des französischen Balletts. 10..... Ouvertüre Ein Anruf bei... Cameron Carpenter, der nun mit eigener, portabler Orgel auf Tournee geht. „Jenseits der Klassik“ Vier Alben, die über die Klassik hinausgehen, und sehr zu empfehlen sind. 30.... PersonaLia Mit den Wiener Philharmonikern und Andriss Nelsons. 35.... Impressum

14..... Ein Kaffee mit ... Konstantin Wecker. 16..... Begegnungen Vier Künstler erinnern sich, wie sie mit dem Komponisten Richard Strauss in Berührung kamen. 18..... Neville Marriner Der Dirigent gewährt mit 90 exklusive Audienz und überrascht mit gutem englischem Humor. 22.... Christiane Karg Wie die Sängerin ihre neue Freiheit genießt. 24..... K laus Florian Vogt Ein Gespräch mit dem weltweit gefragten Tenor. 28.... Newcomerin: Pumeza Die Südafrikanerin schaffte den Sprung aus dem Township in die Klassikwelt.

58.... R ätsel des Alltags 84.... Kolumne Axel Brüggemann über die Pläne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. 98.... Hope triffT... Alice Herz-Sommer. 4

31..... DIE WICHTIGSTEN EMPFEHLUNGEN DER REDAKTION 32.... Attilas Auswahl Die wichtigsten Empfehlungen unseres Kolumnisten. 36.... A na MariJa Markovina Die Pianistin veröffentlicht eine Gesamteinspielung des Klavierwerkes von C.P.E. Bach. 43.... Die Christoph SchlürenKolumne Unerhörtes und neu entdecktes von Busch bis Stokowski.

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Fotos: Bob Coat; Decca / Simon Fowler; Linusroth.com

1 CD · 0300550BC

Mit leuchtender Stimme und sicherem Sinn für den Klang und die Tiefe romantischer Poesie haucht sie ihrem persönlichen Strauss-Liederkreis Leben ein.

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44 Das C.P.E. BAch-Jahr crescendo reiste an die sechs Orte, in denen der Komponist seine Spuren hinterließ.

76 Anna Netrebko Live (auf facebook) Wie sich die Stars der Klassikszene auf den Social Media Kanälen vermarkten.

90 Reise: Luxemburg Unsere Autorin verliebte sich in die Stadt, die eigentlich als Finanzplatz bekannt ist.

erleben

gesellschaft

Lebensart

Illustration: Olaf Hajek; Fotos: facebook; ONT

44.... Auf den Spuren von C.P.E. Bach Unsere Autorin begab sich auf die Reise zu den Orten des Komponisten. 47..... C.P.E. Bach Alben und Termine 48.... Bodenseefestival Das Festival spürt in diesem Jahr der türkischen Kultur nach. 50.... Soli Deo Gloria In Braunschweig dreht sich in diesem Jahr alles um Beethoven. 52..... Vorschau Die wichtigsten Termine von März bis Mai. 59..... Sonderseiten Deutsche Mozart-Gesellschaft

75.... K lassik in Zahlen 76..... Schwerpunkt Klassik im Netz Wie vermarkten sich die Stars im Internet? 79..... valentina ­lisitsa Ein Twitter-Interview auf 140 Zeichen. 80.... Onlinekurse Die Technik macht es möglich: Musikunterricht geht auch über große Distanzen. 82.... Live-Stream & Co. Die neuen digitalen Möglichkeiten, Musik zu machen – und zu erleben. 86.... Akustik Die neuen Abspielgeräte im neuen (digitalen) Musikzeitaler. 88.... Woher kommt... eigentlich das Speichern von Musik – ganz historisch gesehen.

90.... Reise Die kulturell unterschätzte Stadt Luxemburg mit Tipps von Pianistin Cathy Krier. 94.... Weinkolumne Dirigent und Kolumnist John Axelrod über den Wein, den man auch im Internet bestellen kann. 96.... Produkte Die schönsten CD-Regale für Ihre Musiksammlung.

Exklusiv für Abonnenten Hören Sie die Musik zu u­ nseren Texten auf der ­crescendo Abo-CD – exklusiv für Abonnenten. Infos auf den Seiten 3 & 95.

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E n s e m b l e

Hinter der Bühne

Die Welt von crescendo lebt von den Künstlern & Mitarbeitern, die sie mit Leben füllen. Deshalb der gewohnte Blick hinter die Kulissen der Produktion. Stefan Sell crescendo lud während dieser Produktion zur „Housewarming“-Party in die neuen Redaktionsräume am Münchner Marienplatz und viele unserer Autoren fanden den Weg (in den 6. Stock). Einer war eigens aus Nürnberg angereist und sorgte für die große Überraschung des Abends: Stefan Sell hatte seine Guitarre mitgebracht und gab ein imposantes Solokonzert. Manchmal muss man erst eine Party schmeißen, um herauszufinden, welches Talent in manchem Mitarbeiter steckt. In dieser Ausgabe schrieb Sell, woher eigentlich das Speichern von Musik stammt – im ursprünglichen Sinne. Sehr interessant zu lesen und zu finden auf Seite 88.

CHAD HOOPES

Julia Hartel C. P. E. Bach feiert Geburtstag, und im Normalfall würde nun auch eine Stadt – zum Beispiel Weimar – dieses gebührend feiern. Da C. P. E. Bach aber an sechs Stätten gewirkt und gelebt hat, machte sich Autorin Julia Hartel die Mühe, Weimar, Leipzig, Frankfurt/ Oder, Berlin, Potsdam und Hamburg zu besuchen – auf den Spuren des bedeutendsten Nachfahren von Johann Sebastian Bach. Was sie erlebte und welches Festival wann stattfindet, lesen Sie ab Seite 44.

EINE ENTDECKUNG Packend und dynamisch: Mit pulsierender Virtuosität spielt der junge Amerikaner Chad Hoopes die Violinkonzerte von Mendelssohn und Adams. Aufgenommen mit dem MDR Sinfonieorchester unter Leitung von Chefdirigent Kristjan Järvi. Anna Novák & Sina Kleinedler

MENDELSSOHN VIOLINKONZERT

04. + 06. April 2014

Fotos: privat

KONZERTE

Die beiden Autorinnen nahmen sich in dieser Ausgabe des Schwerpunktthemas „Klassik im Netz“ an, was ihnen aber nicht schwer fiel, denn sie gehören nun mal selbst zur Generation Facebook & Twitter. Erstaunt waren sie bei den Recherchen allerdings, wie lebhaft das einst konservative Klassikbusiness in den sozialen Netzwerken vertreten ist. Manche „Posts“ von Klassikstars geben inzwischen mehr Auskunft als das Interview im Feuilleton. Die Geschichte finden Sie ab Seite 76.

MÜNCHEN, Prinzregententheater 6

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© Yossi Zwecker

Juni 2014

La Traviata auf Masada. Kommen Sie nach Israel und lassen Sie sich von einem einmaligen Opern-Erlebnis der Extraklasse verzaubern. Vom 12. bis 17. Juni 2014 verwandelt sich das beeindruckende Felsplateau Masada wieder in eine spektakuläre Opernbühne unter freiem Himmel. Genießen Sie die unvergessliche Aufführung von Verdis La Traviata am Fuße dieser atemberaubenden Naturkulisse und erleben Sie hautnah, welche Wunder Israel für Sie bereithält.

Besuch Israel

Besuch Israel

Erleben Sie die faszinierende Vielfalt Israels.

www.goisrael.de

Faszinierend bunt.


b l i c kfa n g

Ballett für die Linse Der Franzose Ludovic Florent ist ein großer Fan des Balletts und ein noch größerer Fotograf. Deshalb fragte er professionelle Ballett-Tänzerinnen, ob sie in einer ausrangierten Halle nahe Paris in Staub und ohne Kleider vor seiner Kamera tanzen würden. Zu klassischer Musik, natürlich. Heraus kamen wunderbare Kunstwerke, die nun in der Pariser Galerie HEGOA (16, Rue de Beaune) hängen. Die ganze Serie seiner Bildkompositionen gibt es auch auf seiner Website www.ludovicflorent.com zu sehen.

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Foto: Ludovic Florent

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o u v e r t ü r e

Endlich am Ziel

Cameron, wo erwischen wir Sie gerade? Wenn man es genau nimmt, vor über zehn Jahren. Es gibt dazu folgende Geschichte: In Berlin. Ich lebe ja immer noch zum Bei den Anschlägen am 11. September großen Teil in dieser wunderbaren Stadt. 2001 wurde die historische Orgel in der Es gibt gute Neuigkeiten in Ihrem LeNew Yorker Trinity Kirche zerstört. Im ben: Sie haben nun Ihre eigene digitale Jahr 2003 installierten die für mich besten Orgel, mit der Sie um die Welt touren digitalen Orgelbauer Marshall&Ogletree können. Unglaublich, oder? erstmals eine digitale Orgel an einem Ja, und ich kann Ihnen gar nicht sagen, solch historischen Platz. Früher war ich wie sehr mich das freut. Es ist wirklich ein totaler Verfechter von Pfeifenorgeln, ein unglaubliches Geschenk, denn ich aber als ich dann die Möglichkeit hatte, kann endlich das tun, was ich immer auf dieser neuen Orgel zu spielen, änderte wollte: ein Konzert mit meinem eigenen sich meine Einstellung nach nur fünf MiInstrument geben. nuten. Seit diesem Moment habe ich von Für andere Musiker ist das ganz der eigenen, digitalen Orgel geträumt. normal ... Exakt. Joshua Bell zum Beispiel hat seiHatten Sie wirklich daran geglaubt oder ne eigene Geige, und er kann mit diewar es eher ein Traum, eine eigene portasem Instrument überall auf der Welt er ble Orgel zu besitzen... selbst sein – etwas, das für mich bisher Eines war mir von Anfang an klar: Ich nicht galt, denn alle Orgeln auf dieser musste den Künstler Cameron Carpenter Welt sind komplett – und zwar wirklich in eine Position bringen, in der es realiskomplett – verschieden. Ich denke, es ist tisch war, solch ein finanziell nicht ganz auch gegenüber meinem Publikum günstiges Vorhaben zu realisieren. nur „fair“, dass sie jetzt überall den Ist der Preis Ihrer neuen Orgel ein Cameron Carpenter und seine neue Orgel (nicht im Bild) gleichen Cameron Carpenter zu höGeheimnis? sind ab Mai auch auf Deutschland-Tournee. Alle Termine ren bekommen. Nein. Sie hat etwa 500.000 US-Dollar dazu unter www.cameroncarpenter.com gekostet. Wann ist die große Premiere? Am 9. März im New Yorker Lincoln Wie muss man sich das vorstellen? Center. Es wird aber nicht nur ein Konzert geben, sondern sozusagen Sie könnten jetzt theoretisch an einem Abend in Berlin auftreten einen ganzen Cameron-Carpenter-Tag. und am nächsten Abend in Shanghai, weil die Orgel mitreist? TheSo eine Orgel lässt man wahrscheinlich nicht in zwei Wochen bau- oretisch ja, aber ich würde nicht unbedingt Shanghai am nächsten en. Wann haben Sie das erste Mal über das Projekt „eigene, portable Abend machen, sondern eher am Abend darauf. Orgel“ nachgedacht? 1. Christina Pluhar: Los impossibles

Playlist Welche Werke hört ­Countertenor Max Emanuel Cencic auf seinem iPod? Und vor allem, warum? * Cencics neues Album „Rokoko“ ist gerade bei Decca erschienen.

Ich liebe die Mischung aus Jazz, südamerikanischem Esprit und Barock. Es entführt in eine Traumwelt. 2. David Guetta: Turn me on

Einfach nette, kitschige Teenie-Musik. Hör ich immer gern, wenn ich mal ein „Brainwash“ brauche. 3. Ministry of Sound: Ibiza annual 2013

Noch eine „Brainwash“-Compilation. Eignet sich super fürs Fitnesscenter! 4. Lauryn Hill: The miseducation of Lauryn Hill

Lauryn ist absolut meine Lieblingssängerin. Ihr Album The miseducation of Lauryn Hill ist ein wahres Kunstwerk aus starker Lyrik, einer Stimme, die unter die Haut geht, und einfach großartiger Musik. 5. Ebbi da te la vita von Hasse aus dem Album „Caffarelli“ von Franco Fagioli

Das Album ist extrem schön und gibt eine unglaublich große Bandbreite an Arien aus dem Leben des großen Kastraten wieder.

+++ Muti dirigiert Abbados Orchester: Riccardo Muti wird das Orchestra Mozart Bologna laut einer Meldung des Corriere di Bologna am 30. Juni dieses Jahres im Rahmen des Ravenna Festival bei einem Gedenkkonzert für den verstorbenen Claudio Abbado dirigieren. +++ Rückzug vom Grünen Hügel: Eva Wagner-Pasquier zieht sich aus der Leitung der Bayreuther Festspiele zurück. Ab Herbst 2015 will sie lediglich als Beraterin tätig sein, schreibt der Nordbayerische Kurier. +++ Arte bringt neue Online-Konzert-Plattform: Pro Jahr sollen auf „Arte Concert“ rund 650 Konzerte, unter anderem von großen Festivals zu sehen sein, davon 300 Konzerte als Livestream. Die Angebote bleiben nach der Erstausstrahlung für mehrere Monate online abrufbar. +++ weiter auf S. 12

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Foto: Bob Coat

Ein Anruf bei ... Cameron Carpenter, der sich seinen Lebenstraum von einer eigenen, portablen Orgel erfüllt hat.


AKTUELLE NEUHEITEN bei Sony Classical

KLAUS FLORIAN VOGT FAVORITES Für „Favorites“ hat Klaus Florian Vogt seine Lieblingsmelodien aus Operette und Musical ausgewählt – Musik, welche die Anfänge seiner Karriere als Sänger begleitete und die er auch heute immer noch liebt und gerne singt. Begleitet wird Vogt vom Münchner Rundfunkorchester unter Gerrit Prießnitz.

ANDREAS MARTIN HOFMEIR & MÜNCHNER PHILHARMONIKER TUBAKONZERTE Der LaBrassBanda-Tubist, MozarteumsProfessor und Kabarettist Andreas Martin Hofmeir bringt die Tuba vor ein Spitzenorchester. Mit den Münchner Philharmonikern unter Andrew Manze spielt er Tubakonzerte von Jörg Duda, John Williams und Roland Szentpali. Mit zwei Weltersteinspielungen!

www.sonymusicclassical.de

TEODOR CURRENTZIS MOZART: LE NOZZE DI FIGARO Der junge griechische Dirigent Currentzis wirft mit seinem Orchester MusicAeterna und ausgewählten Solisten (u.a. Simone Kermes) ein völlig neues Licht auf Mozarts Musik.

FAURÉ QUARTETT & SIMONE KERMES JUGENDWERKE VON MAHLER & STRAUSS Simone Kermes und das Fauré Klavierquartett haben frühe Lieder von Strauss und Mahler in neuen Fassungen für Sopran und Klavierquartett eingespielt. Das Fauré Quartett spielt zudem die selten aufgenommenen Klavierquartette von Strauss und Mahler.

JONAS KAUFMANN & ANJA HARTEROS VERDI: DON CARLO

NIKOLAI TOKAREV HOMMAGE AN HOROWITZ

Der umjubelte Don Carlo von den Salzburger Festspielen in Spitzen-Besetzung: mit Jonas Kaufmann, Anja Harteros, Thomas Hampson, Matti Salminen und den Wiener Philharmonikern unter Antonio Pappano.

Eine Hommage mit ausgewählten Werken, die Horowitz in seinen Recitals und als Zugaben spielte. Mit Sonaten von Scarlatti, Cimarosa, Mazurken von Chopin sowie der Liszt-Fantasie von Alexander Rosenblatt u. a.

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o u v e r t ü r e

Klassik meets ... Finger weg von Katherine Jenkins oder zweifelhaften Männergesangsvereinen. Es gibt nämlich gute Alben, die über die Klassik hinausgehen! Holger Wemhoff hat die besten gefunden (und verglichen).

STEVE HACKETT A Midsummer Night's Dream

Christina Pluhar

Improvisations on Henry Purcell

TONY BANKS Six and Seven

KIRI TE KANAWA

mit Bernstein. Loewe, Jenkins, Kern und Co.

Background

Wie klingts?

Originalitätsfaktor

Der gute alte Shakespeare. Nicht nur musikalisch hat sein Sommernachtstraum über die Jahrhunderte inspiriert, auch beispielsweise Woody Allen in seinem genialen „Midsummer Night´s Sex Comedy“. Da viele bekannte Alt-Rocker auf ihre alten Tage klassisch werden, ließ sich auch Ex-Genesis-Gitarrist Steve Hackett nicht lumpen und verfasste seine eigene Version des Klassikers mit dem Royal Philharmonic Orchestra und selbstredend höchstpersönlich an der Gitarre.

Brillant. Nicht umsonst bezeichnete Hackett sein Stück selbst als „das anspruchsvollste, was ich je geschrieben habe“. Es gelingt ihm, trotz der gewaltigen Komponistennamen vor ihm, den Zauber der Vorlage in allen Belangen einzufangen. Und auch vor emotionalen Entladungen schreckt er nicht zurück.

Hoch! Ein Kunststück, weder Klassik- noch Genesis-Fans vor den Kopf zu stoßen, und eine eigene Mischung zu kreieren, die einen in den Bann zieht. Was bei der gewaltigen Vorlage von Shakespeare kein Zuckerschlecken ist.

Seit über zehn Jahren mischt die geniale Christina Pluhar die klassische Musik-Szene gewaltig auf, zusammen mit ihrem Ensemble “L'Arpeggiata“. Seit Jahren mischt sie ihre Konzerte und CDs mit Elementen aus Jazz, Folk und World Music und erzielt dabei immer erstaunlichere Resultate. Ein Weggefährte darf dabei auf keiner Aufnahme fehlen: Countertenor Philippe Jaroussky, der auch auf Pluhars neuem „Purcell-Projekt“ einen Löwenanteil hat.

Wie Pluhar es schafft, die originalen PurcellStücke mit ihren Improvisationen streckenweise sogar zu veredeln, das ist schlicht atemberaubend. Mit ihren handverlesenen Solisten entsteht so eine organische Einheit aus Trauer, Tanz, Wahnsinn, verrauchtem Saloon und barocker Spielwiese.

Wieder ein Ehemaliger von Genesis! Diesmal der Keyboarder! Nach seinem Ausstieg bei der legendären Truppe hatte er sich langsam an die Klassik herangetastet, indem er viele Filmmusiken geschrieben hat. Aber das Feuer für ein Klassik-Album war von Anfang an da. Und nach mehreren Jahren intensiver Vorbereitung kam es 2001 zu „SEVEN“! Das war so erfolgreich und verkaufte sich (für Klassik-Verhältnisse) so gut, dass der Orchesterzyklus „SIX“ nachgeschoben wurde.

Extrem originell. In beiden Alben merkt man die Liebe und intensive Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten der Klassik, des großen Orchesters. Das treibt und peitscht. Er geht auch mal auf die Entspannungsebene und verleugnet dabei nie seine Wurzeln. Der Genesis-Fan hört in jedem Stück typische Banks-Harmonien heraus, gemischt mit einem tüchtigen Stück britischer Spätromantik à la Elgar.

Für mich darf – pünktlich zu ihrem 70. Geburtstag – DIE Lady nicht fehlen, die wie keine andere Opernsängerin (neben Renée Fleming) den Spagat geschafft hat zwischen wirklichem Opernstar und perfektem Crossover-Gesang. Das Hauptproblem ist ja bei Opernsängern, dass sie ihre Stimme verstellen, wenn sie sich auf ungewohntes Terrain begeben. Kiri verließ sich immer auf die natürliche Technik ihrer Stimme.

Nicht umsonst verpflichtete sie Leonard Bernstein als Maria für seine legendäre Einspielung seiner West Side Story, ließ Kult-Komponist Karl Jenkins seine Noten für sie spielen. Auch bei den Songs von Kern, Cole Porter oder Irving Berlin wirkt sie nie fremd oder auf falschem Boden, sondern umschmeichelt mit ihrem cremigen Sopran diese legendären Lieder.

„Ich bin genauso leicht zu Verzweiflung und Begeisterung zu bringen wie früher. Gelassen bin ich erst im Sarg.“ Dirigent Nikolaus Harnoncourt im Magazin des Schweizer Tagesanzeigers.

G E L E S E N N O T I E R T Die Zitate des Monats

„Sie läuft zum berühmten Nusskacker von Tschaikowsky ...“ Radio-Reporterin Sabine Töpperwien, die live aus Sotschi den Eiskunstlauf-Wettbewerb der Damen kommentierte.

Lustvoll, saftig, kräftig. Punkt.

Ebenfalls hoch! Nicht nur für Neueinsteiger, die sich bisher nicht an ein Sinfonieorchester herangetraut hatten. Banks macht es ihnen aber auch leicht – mit dem brillanten London Philharmonic Orchestra, das sich mit Leidenschaft auf diese Musik stürzt, als sei es ein Bruckner oder Mahler!

Einzigartig!

„Ein ganzes Jahrzehnt Ferien von seiner Arbeit als Thomaskantor soll Bach sich gegönnt haben. [...] Bach, der große Johann Sebastian, mit Sonnenbrille und Bademantel am See?“ aus einem Text in Die Zeit über die These, dass Johann Sebastian Bach das Sabbatical erfunden haben könnte

Mozarteum I.: Siegfried Mauser wird neuer Rektor des Salzburger Mozarteums. Der bayerische Musikwissenschaftler und Pianist übernimmt das Amt für den Zeitraum 2014 bis 2018. Seit 2003 ist Mauser Präsident der Hochschule für Musik und Theater München. +++ Mozarteum II.: Das Mozarteum Salzburg stellt als „Mozart-Libretti-Online-Edition“ die weltweit erste historisch-kritische Ausgabe der Texte zu den Opern Wolfgang Amadé Mozarts im Internet kostenlos zur Verfügung: dme.mozarteum.at/libretti-edition. +++ 3. Redaktionswettbewerb des Kulturmanagement Network ausgeschrieben: Das Thema diesmal: „Endstation Kultur – Bitte alle aussteigen!“ Der Wettbewerb richtet sich an Studierende. Weitere Infos unter www.km-wettbewerb.de

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März / April / Mai 2014


o u v e r t ü r e

Viele Künstler aus der Welt der klassischen Musik ähneln anderen Prominenten derart, dass wir sie in diese Rubrik packen müssen. Diesmal: Alison Balsom & Tennis-Star Maria Sharapova.

Foto: Matthias Creutziger

Die sächsische Kunstministerin Sabine von Schorlemer hat den designierten Intendanten der Dresdner Semperoper entlassen – und das noch bevor er sein Amt überhaupt angetreten hat. Serge Dorny habe, so die Ministerin, „entgegen seinen Zusagen in den vergangenen Monaten leider kein Klima des gedeihlichen und vertrauensvollen Miteinanders mit den Mitarbeitern, sowohl in den künstlerischen als auch in den administrativen Bereichen der Oper, etablieren“ können. Vorhandenes und entgegengebrachtes Vertrauen von allen Beteiligten habe er

pa s d e D e u x

Fotos: Matt Hennek; Tennisreview

Designierter Intendant Serge Dorny muss gehen

in kürzester Zeit verspielt. Der 1962 geborene Belgier Dorny wehrt sich gegen diese Vorwürfe und sagt in einem Offenen Brief, dass er einen Vertrag mit Kompetenzen für alle Sparten erhalten habe, ihm nach und nach aber klar wurde, dass die Staatskapelle das alleinige Reich Thielemanns sei. All seine Vorschläge in diese Richtung seien ins Leere gelaufen. Die Vorwürfe werden nun hin- und hergeschoben.

Nur zur Aufklärung: Alison Balsom (35) stammt aus dem englischen Hertfordshire und spielt Trompete. Maria Sharapowa (26), wurde im russischen Westsibirien geboren und ist eine der besten Tennisspielerinnen der Welt. Was beide wirklich eint: Sie sind sehr fotogen!

BAYERISCHES STAATSBALLETT BALLETT FESTWOCHE 2014 4. — 13. APRIL Foto Wilfried Hösl

Der gelbe Klang / Uraufführungen Gastspiel Sasha Waltz & Guests – Dido & Aeneas La Bayadère

Helden Ein Sommernachtstraum Matinee der Heinz-Bosl-Stiftung /Junior Company Forever Young

Ballett extra: Das Phänomen Sasha Waltz Ein Probentag mit dem Bayerischen Staatsballett

INFORMATION/ KARTEN WWW. STAATSBALLETT.DE T 089 21 85 19 20 NATIIONALTHEATER

Streit an der Semperoper


K ü n s t l e r

Auf einen Kaffee mit ...

Liedermacher Konstantin Wecker (66) zuhause in seinem Haus in München-Schwabing.

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Foto: Bob Coat.

Konstantin Wecker


Crescendo: Herr Wecker, vielen Dank, dass wir Sie zuhause auf einen Kaffee besuchen dürfen. Ihre Schulter ist allerdings bandagiert, was ist passiert? Konstantin Wecker: Naja, neulich bin ich die Treppe mit einem Satz nach unten, und sagen wir mal so: Ich bin als Jugendlicher abgesprungen und als alter Mann aufgekommen. Die Schulter ist gebrochen, seit zwei Wochen kann ich nur mit der rechten Hand spielen. Aber am 9. Mai treten Sie doch mit der Bayerischen Philharmonie im Gasteig auf? Ja, ja, bis dahin ist alles wieder gut. Die Bayerische Philharmonie spielt die Carmina Burana von Carl Orff, und ich spiele – begleitet vom Orchester – meine Carmina Bavariae. Da sind ein paar alte Lieder dabei, die damals schon orchestral gedacht waren, aber auch ein paar neue, die wir fürs Orchester arrangiert haben. Ich freue mich wahnsinnig. Stimmt es, dass Sie Carl Orff persönlich kennengelernt haben? Ja, ein Freund von mir hat dieses Treffen arrangiert, das muss kurz vor seinem Tod Anfang der achtziger Jahre gewesen sein. Er war schon sehr gebrechlich, aber seine Augen waren hellwach. Und, haben Sie ihm was vorgespielt? Ja, wir standen in seinem Arbeitszimmer, und auf einmal sagt er: „Spiel was, Bua!“ Und ich habe mich ans Klavier gesetzt und zwei, drei Lieder gespielt. „Komisch Klavier spielst du“, hat er dann gesagt und mich angeschaut: „Du bist koa Mozart“, meinte er, „du bist koa Schubert“, und nach einer Pause, „du bist a Wecker.“ Das war eines der schönsten Komplimente, die ich je bekommen habe. Was für einen Bezug haben Sie zur klassischen Musik? Ich liebe klassische Musik, seit ich denken kann. Mein Papa war Opernsänger, aber zum Glück kein besonders erfolgreicher, weswegen er nicht auf den großen Bühnen der Welt, sondern meistens bei uns zuhause war. Zusammen haben wir die gesamte romantische italienische Opernliteratur rauf- und runtergesungen. Ganz ehrlich, wenn ich damals eine Puccini-Arie gehört habe, bin ich auf einer Leiter in den Himmel gestiegen. Es hat lange gedauert, bis ich gemerkt habe, dass es auch noch andere Musik gibt. Lassen Sie uns raten: Die Beatles haben Sie überzeugt. Eben nicht, ich war damals ziemlich arrogant und habe so getan, als würde mich das ganze Zeug, also Schlager und Popmusik, überhaupt nicht interessieren. Ich habe immer betont, dass ich das Violinkonzert von Beethoven wesentlich spannender finde. Klingt ein bisschen altklug. Natürlich war da auch Attitüde dabei, aber irgendwann hat es dann doch Klick gemacht: Als ich das erste Mal Janis Joplin gehört habe. Auf einmal habe ich etwas gespürt, was ich bei der klassischen Musik vermisst habe, eine bis zur Selbstvernichtung gehende Leidenschaft, ein Feuer im Gesang, eine entfesselte, fast schamanische Art des Musikmachens. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich liebe den Kunstgesang, aber es gibt eben auch noch eine andere Form des Singens, bei der man schreit und tobt und brüllt. Damals hat mich das pralle Leben, die dionysische Seite voll gepackt. Inwiefern? Ich bin in Bars gegangen, wo Soulmusik gespielt wurde. Damals war München voller GIs, die zwei Wochen später nach Vietnam mussten. Sie können sich vorstellen, wie die gefeiert haben. Ich bin auch immer mal wieder von zuhause ausgerissen, um meinen Traum vom freien Liedermacher zu verwirklichen. Aber selbst als ich mit meiner Gitarre auf dem Markusplatz in Venedig stand, bin ich der Klassik nie untreu geworden. Auch nicht, als Sie Ihre ersten Erfolge als linker Liedermacher gefeiert haben? Nein, deswegen gab es ja ständig Diskussionen. Sicher kennen Sie den Hannes Wader. Heute sind wir gute Freunde, aber am Anfang mochte der mich gar nicht. Der war so drauf: Wenn eine Gitarre

sechs Seiten hatte, waren es drei zu viel. Alles andere war dem viel zu kulinarisch. Oder Franz Josef Degenhardt. Wenn der auftrat, stand er auf der Bühne, sah das Publikum schräg von der Seite an und ging ab, bevor jemand klatschen konnte. Es war verpönt, Beifall entgegenzunehmen oder mit dem Publikum in einen Dialog zu treten. Klingt extrem ideologisch. Genau das war es auch: ideologisch. Was zählte, war die nüchterne Aussage. Und dann kam auf einmal der Wecker aus Bayern daher, setzt eine Cellistin auf die Bühne, singt pathetisch wie die Sau, aber hatte die gleiche politische Einstellung. Das war ein Skandal. Was glauben Sie, was ich mich für dieses Cello rechtfertigen musste. „Aber Konstantin“, haben alle geschimpft, „wie kannst du nur? Ein Cello ist ein bourgeoises Instrument.“ Hatten Sie damals Groupies? Keine solchen, wie es sie in der Rockmusik gab. Sondern? Naja, wir haben mehr miteinander geredet. Wie langweilig. Okay, Groupie ist das falsche Wort, das waren sehr intelligente und selbstbewusste Frauen, aber ja, es gab schon ein paar, die nicht nur meine Musik gut fanden. Gehen Sie heute noch oft ins Konzert oder in die Oper? Sooft ich kann. Letztes Jahr war ich mit meinem Sohn bei den Salzburger Festspielen. La Bohème mit Anna Netrebko. Ein wunderbarer Abend, aber 250 Euro pro Karte, und dann saßen wir im Parkett ganz hinten, das ist schon der Wahnsinn. Und wissen Sie, was mich noch irritiert hat? Der Beifall. Die Netrebko hat gesungen wie eine Göttin, und nach zwei Vorhängen hetzten die Leute nach draußen, weil sie irgendwo zum Essen hinmussten. Das war wieder mal so ein Abend, wo ich froh über mein Publikum war. Vor solchen Leuten würde ich nicht spielen wollen. Wird bei Ihnen länger geklatscht? Darum geht es nicht, sondern um die Atmosphäre, um die Art der Begeisterung. Wer mich nicht mag, der kommt auch nicht zu einem Wecker-Konzert, aber die Leute, die kommen, die sind voll dabei, textlich, musikalisch, inhaltlich, und das genieße ich sehr. Mich vereint mit meinem Publikum nicht die gleiche Meinung – das wäre ja schlimm – , aber die gleiche Sehnsucht, und das meine ich nicht nur politisch, sondern spirituell. Sie sind ein sehr guter Pianist. Werden Sie neidisch, wenn Sie große Solisten im Konzert erleben? Neidisch nicht, aber als ich neulich Arcadi Volodos in Schloss Elmau die h-Moll Sonate von Liszt habe spielen hören, habe ich schon Stilaugen bekommen. Mein Lieblingspianist ist übrigens Daniel Barenboim. Warum? Weil er mit dem Klavier singt. Wenn Barenboim Klavier spielt, höre ich ein ganzes Orchester, egal ob bei Mozart oder bei Chopin, ich höre Geigen und Celli und Bässe. Barenboim denkt orchestral, das ist mir sehr nahe. Hätten Sie Lust, mit ihm zusammen Musik zu machen? Das wäre sinnlos, weil ich kein Pianist, sondern ein Klavierspieler bin. Da würden sich Welten begegnen. Dazu kommt, dass ich fast nie nach Noten spiele, sondern meistens improvisiere. Das können viele Weltklassepianisten nicht. Stimmt, dabei ist es ganz natürlich, es wird nur nicht mehr gelehrt. Wenn ich Filmmusik komponiere, schaue ich den Film zusammen mit dem Regisseur und spiele – ganz assoziativ – dazu. Ich lasse mich von den Bildern und der Handlung berühren, und aus meinen Fingern kommt Musik, ganz instinktiv. Natürlich muss man das dann noch nachbearbeiten oder verfeinern, aber zu neunzig Prozent ist die erste Idee auch die beste. Interview: Tobias Haberl n 15


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Strauss-Kinder

Im Richard-Strauss-Jubiläumsjahr gibt es noch viele offene Fragen: Eine davon ist, wie die Künstler selbst ihre Beziehung zu diesem großen Komponisten sehen. Hier sind vier, die ihn noch immer verehren. v o n A n t o i n e t t e S c h m e l t e r d e Es c o b a r

Anna Tomowa-Sintow Kammersängerin

Fotos: KASSKARA / DG; Schauspielhaus Zürich; T+T Fotografie / Toni Suter + Tanja Dorendorf

Über meine Beziehung zu Richard Strauss und seine Musik zu schreiben stimmt mich sehr emotional, weil er eine besonders große Rolle in meiner künstlerischen Entwicklung gespielt und mir immer sehr viel bedeutet hat! Ausgebildet bin ich in der Tradition des italienischen Belcanto, und so verliefen meine ersten und viele weiteren Engagements mit diesen Partien (Traviata, Butterfly, Leonora im Trovatore, Desdemona, Aida, Tosca etc.). Es waren alles Partien, die ich heiß geliebt habe! Aber … ich hatte auch das Glück, einen intensiven Kontakt mit dem damaligen GMD Paul Schmitz zu haben, der in seiner Jugend ein persönlicher Assistent von Richard Strauss war. Als er mich zum ersten Mal hörte, kam er spontan zu mir und sagte: „Solch eine Stimme wünschte sich Richard Strauss für seine Frauengestalten!“ Und so langsam öffneten sich für mich neue Türen, um eine neue Welt zu entdecken, die für mich bis dahin fast unbekannt war! Mit Arabella fing die große Liebe an – ich war absolut fasziniert. Es folgten Ariadne, die Marschallin, danach die Gräfin in Capriccio, die Kaiserin, die Ägyptische Helena. Mit Worten alles zu beschreiben ist schwer! Seine Musik ist einmalig, einerseits überdimensional, andererseits absolut direkt und vom ganz normalen Denken und Fühlen der Menschen (jeder nach seinem Individuum) erfüllt. Text und Musik sind absolut eins, und wenn man schon eine bestimmte Partie übernimmt, heißt es, sich voller Hingabe und mit ganzem Herzen dieser Herausforderung zu widmen. Man ist so total drin, identifiziert sich völlig mit der Gestalt und kann fast an nichts anderes mehr denken! Strauss kennt die Frauenseele so wie kein anderer – mit allen ihren Facetten und nicht ausgesprochenen Sehnsüchten, so etwa wie Guy de Maupassant in der Literatur! Bei ihm gibt es keine Geheimnisse – das Innigste ist auch so, wie es ist und einmalig musikalisch ausgedrückt! Vieles ist bei ihm außergewöhnlich, und meine persönliche Überzeugung ist, dass Richard Strauss der Komponist der Zukunft ist – für die kommenden Generationen.

Barbara Frey, Regisseurin

(... die Strauss an der Dresdner Semperoper inszeniert) Man war sich nach der Elektra-Uraufführung durchaus einig darüber, dass Strauss musikalisch sehr weit gegangen war, vielleicht für die damalige Zeit zu weit; es gab allerhand Lärm und Brutalität in dieser Oper, und Strauss bemerkte einem Journalisten gegenüber: „Ja mei, wenn auf der Bühne a Muatter derschlag’n wird, kann i dazu im Orchester koa Violinkonzert spielen lassen!“ Einerseits war es schlau, den archaischen Stoff für die Wahl der kompositorischen Mittel verantwortlich zu machen, andererseits zeigte sich in der etwas bäuerlich wirkenden Äußerung der durch und durch formbewusste Wirkungsmechaniker. Unabhängig davon aber sind Hofmannsthals vielschichtige Deutung des Elektra-Stoffes und Strauss’ komplexer Umgang mit den verschiedenen musikalischen Motiven gerade in den zarteren, durchsichtigeren Passagen noch immer von abgründiger Schönheit.

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Manfred Trojahn Komponist Mein Geburtsjahr ist sein Sterbejahr, aber es dauerte ein Weilchen, bis ich aus dieser Koinzidenz eine fast natürliche Verbundenheit mit ihm abgeleitet habe. Natürlich fühlte ich mich als junger Komponist, wie eigentlich alle anderen auch, Richard Strauss nicht sehr verbunden. Das änderte sich allerdings schon bald, eigentlich in Verbindung mit der wachsenden Admiration für Mahler, die allerdings Höhen und Tiefen aufweist – Strauss dagegen ist seit dem Beginn meiner Liebe zu ihm nie wieder in Frage gestellt worden. Da ist zum Einen seine ungeheure Handwerkskunst, die dafür Sorge trägt, dass sich seine klangliche Leidenschaft in jedem Moment vermittelt. Er liebte Sänger, und er liebte es, sie zu hören – und das ermöglicht ihm das Handwerk, das er in seinen Kompositionen einsetzen kann, seine unglaubliche Erfahrung, die aus dem engen Kontakt zu Sängern und der Oper resultierte und die jeden Komponisten unserer Zeit neidisch machen muss. Dann die Komplexität seiner musikalischen Texte, mit welcher Klugheit wird disponiert und wie sicher sind die Personen seiner Opern geführt – besonders in denen, die aus der Zusammenarbeit mit Hofmannsthal schöpfen konnten, aber auch bei der letzten, von mir besonders geliebten: Capriccio, in der die Interaktionen zwischen Musik, Text und der Welt der Oper eine wunderbare, ironische Qualität erreichen. Die Bewunderung für das Metier – dieses Gefühl steht immer im Vordergrund. Sein Bild steht seit Jahren auf meinem Flügel, ein Altersfoto – er ist schon etwas schwerhörig in jener Zeit gewesen und schaut recht skeptisch –, und dieser Blick ist ein unschätzbarer Anreiz, etwas zu machen, das seinem Maßstab genügen könnte.

Westminster Legacy

Christian Thielemann Dirigent Meine erste Alpensinfonie mit Karajan war eine Erweckung. Ich mag das Fortissimo im Grunde nicht, die verschiedensten Schattierungen eines Pianissimo interessieren mich viel mehr. Aber als ich Karajan gehört habe, dachte ich, dass ich dieses runde Fortissimo auf dem Gipfel mit den hohen Trompeten gern eine ganze Stunde lang gehört hätte. Die Berliner Philharmoniker haben dieses Stück von Richard Strauss so einmalig gespielt, wie ich es nie wieder gehört habe. Das ist in meinem Ohr hängen geblieben. Karajan war eben nicht nur ein großer Dirigent, sondern auch ein großartiger Kapellmeister, der genau wusste, was er seinen Musikern zu sagen hatte, um ein derartiges Fortissimo zu erreichen.

Limitierte 40 CD „Original Jacket“ Edition Westminster Records: das Klassik-Kultlabel Legendäre Aufnahmen von 1949-1970 Einzigartiger Sound durch spezielle Aufnahmetechnik

Hermann Scherchen · Pierre Monteux · Erich Leinsdorf · Artur Rodzi´nski · Hans Knapperstbusch · Daniel Barenboim Amadeus Quartett · Clara Haskil · Jörg Demus · Smetana Quartett · Sena Jurinac · Paul Badura-Skoda · Beverly Sills

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Dirigent Sir Neville Marriner

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Foto: Richard Holt

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Sirmit Humor

Der viel

Der britische Dirigent Neville Marriner wird 90 Jahre alt. Wir durften ihn treffen und erlebten einen sehr unterhaltsamen Menschen, der im Laufe seiner langen Karriere eigentlich alles erlebte. von Rainer Aschemeier

Sir Neville, die Anfänge der Academy of St Martin in the Fields sind eine moderne Legende. Tun Sie uns trotzdem den Gefallen und schildern noch einmal die Gründungstage? 1959, als wir mit der Academy begannen, war die Zeit auf unserer Seite. Die Stereotechnik war jung, die Schallplattenfirmen brauchten neue Einspielungen. Jeder suchte nach frischen Künstlern. Wir waren 15 Streicher, die sich in einem großen Sinfonieorchester zunehmend unwohl fühlten. Wir fanden, wir bekämen nicht genügend Verantwortung und Gelegenheit, unsere eigenen Vorstellungen umzusetzen. Wir hatten eine ganz präzise, eigene Klangvision. Und dann gründeten Sie mal eben das bekannteste Kammerorchester der Welt ... Ganz so einfach war es nicht. Wir haben erst mal viel geredet. Die Musik kam später. Als wir anfingen, in meinem Wohnzimmer zu proben – just for fun – konnte keiner wissen, dass wir uns zu so etwas wie einer Marke entwickeln würden. Ich hörte einmal einen Moderator, der kündigte uns mit den Worten an: „And now the Handel Concerti Grossi by the Academy of you know where, conducted by you know who!“ So etwas kann man nicht planen, das war pures Glück. Sahen Sie sich in den 1960ern als Ensemble, das die historische Aufführungspraxis vorantrieb? Sie wurden ja damals mit dem Concentus Musicus und dem Collegium Aureum bekannt. Nein, wir hatten nie den Anspruch, „historisch korrekt“ zu sein. Auch als die Alte-Musik-Bewegung den Massenmarkt eroberte, habe ich nie daran gedacht, damit zu wetteifern. Ich glaube aus tiefstem Herzen, dass ein Komponist immer den besten Klang hören wollen würde, der zurzeit möglich ist. Nehmen Sie etwa Beethoven: In Sachen Klavierbau war er immer am Puls der Zeit. Ich erinnere mich daran, als wir Michael Tippetts Concerto for Orchestra eingespielt haben. Unser Hornist Barry Tuckwell ging zu Michael und beschwerte sich: „Diese Noten da, die sind gar nicht spielbar mit dem Horn.“ Und Michael antwortete: „Ich weiß, Darling! Aber bald werden sie es sein.“ Heute kann man diese Noten tatsächlich auf jedem modernen Horn spielen. Ich glaube also, man

muss nicht auf alten Instrumenten spielen, damit eine Interpretation einem Werk gerecht wird. Wie kamen Sie zu Ihrem für damalige Zeiten ungewöhnlichen Repertoire? Oh, Sie meinen, warum haben wir ausgerechnet mit den „Eiscremeverkäufern“ angefangen? Corelli, Locatelli, Manfredini ... (lacht). Auch das war Zufall. Wir suchten frisches Repertoire. Wir waren schließlich ein junges Orchester. Simon Stratfield hat damals Aufführungsfassungen von Alter Musik ediert. Die Werke vieler Barockkomponisten waren ja noch gar nicht gedruckt erhältlich. Er hatte Dutzende Stücke von seinerzeit völlig unbekannten italienischen Komponisten in der Schublade. Wir mussten praktisch nur zugreifen. Wie können wir uns die Academy der Anfangstage vorstellen? Vom ersten Tag an waren wir ein rein privat finanziertes Orchester. Bis heute hat die Academy nicht einen einzigen Penny staatlichen Zuschuss erhalten. Das bedeutete, dass wir anfangs auf jeden Auftrag angewiesen waren. Wir waren jung, und die Frauen im Orchester hatten alle kleine Babys – unmöglich, die Kinder ständig auf Tournee mitzunehmen. Also haben wir uns vor allem im Aufnahmestudio ausgebreitet. Jede Plattenfirma war uns willkommen. Und wie sind Sie zum Dirigieren gekommen? Eigentlich waren Sie ja Geiger ... Das Repertoire für Streichorchester war irgendwann erschöpft. Wir wollten auch mal was Neues ausprobieren. Da haben wir Mozart aufgenommen. Das war ein großer Schritt für uns, denn wir benötigten plötzlich Bläser. Okay, was kommt nach Mozart? Da guckt Beethoven ja schon um die Ecke. Später sollten wir Brahms und Schubert aufnehmen, irgendwann Tschaikowsky, dann sogar Vaughan Williams. Das Orchester wurde immer größer. Das ging nicht ohne Dirigenten. Ich hatte bei Pierre Monteux Dirigieren gelernt. Außerdem hatte ich als Orchestermusiker Erfahrungen unter einigen recht qualifizierten Dirigenten gesammelt: Toscanini zum Beispiel oder Furtwängler. Es war einfach ein logischer Schritt.

„Ehrlich gesagt, war es zeitweise der blanke Horror!“

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Fotos: Richard Holt; Jim Four; Phonogram International; Mike Evans

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Marriner beim Proben und am Mischpult mit seinem Orchester, der Academy of St Martin in the Fields (ASMF), das er auch mal mit Geige (links oben) leitete.

an Sir William Walton Der Soundtrack zu Milos Formans Film Amadeus soll bis ging, der für die Acaheute das erfolgreichste Album der Academy sein. demy ein StreichquarJa, das war der große Wendepunkt. Bis dahin hatte die Acatett für Orchester umgedemy finanziell auf wackligen Füßen gestanden. Es gab Konarbeitet hat. zerte, bei denen wir pro Kopf nur fünf oder zehn Pfund verSie meinen die Sonata for dient haben. Ich habe Milos Forman an irgendeinem Flughafen Strings. Nun, wir hofften, Walton würde uns ein eigenes Stück getroffen, und wir haben uns über seinen geplanten Amadeusschreiben. Dann bekamen wir die Sonata. Übrigens: Ich habe Film unterhalten. Wir haben die gewünschte Musik in den AbbeyZweifel daran, dass er das wirklich selbst gemacht hat. Ich habe Road-Studios eingespielt. Der Soundtrack war fertig, bevor ein den schelmischen Verdacht, dass Malcolm Arnold die meiste Millimeter Film gedreht war. Milos hat dann den Film rund um Arbeit erledigt hat – vermutlich für 1000 Pfund und eine Flasche die Musik inszeniert. Amadeus hat uns einer neuen Klientel vorgeChampagner. Malcolm Arnold kam jedenfalls immer zu den Konstellt: den Kinogängern. Das war zwar kein Publikum, das sich zerten, wenn wir das Stück spielten. intensiv für klassische Musik interessierte, aber Amadeus fanden Warum gibt es eigentlich nur sie toll. Danach gab es so zwei oder wenige Aufnahmen von Ihnen aus drei Jahre, in denen die Verkaufszahlen Wie ist sein neues Album? Minnesota und Los Angeles? für Mozarteinspielungen generell Schließlich waren Sie dort jahredurch die Decke schossen. Noch immer studiert der unermüdliche Neville lang Musikdirektor. Traumhafte Zustände, oder? Marriner neue Werke ein. Diesmal sind es drei zauDas hatte rein ökonomische Naja, jeder wollte von uns nur noch berhafte Tripelkonzerte von Schulhoff, d’Indy und Gründe. In den USA ist die MusiMozart hören. Ehrlich gesagt, war es Krenek (Weltersteinspielung), die zeigen, wie melodieprall die Musik des oft geschmähten Expressiokergewerkschaft sehr streng. Da zeitweise der blanke Horror! Wir wollnismus sein kann. Pianistin Maria Prinz, die das Prostehen Leute mit der Stoppuhr im ten nicht sein wie manche italienische jekt ins Leben rief, schwärmt zurecht von dem noch Studio und messen, ob du die Gruppen, die ihre gesamte Karriere mit immer einzigartigen Klang der Academy of St Martin erlaubte Arbeitszeit um zwei MinuVivaldi bestritten. Und nun waren wir in the Fields. ten überziehst. Was tun, wenn man das „Mozart-Orchester“. Dafür hatspät dran ist, und man hat gerade ten wir die Academy nicht gegrün„The 20th Century Concerto Grosso“ den langen Schlusssatz einer grodet. Wir wollten Vielfalt! Wir haben Maria Prinz, Karl-Heinz Schütz, Christoph Koncz, ßen Sinfonie eingespielt und der in dieser Zeit erstmals KompositiRobert Nagy, Academy of St Martin in the Fields, Sir Flötist meldet sich und sagt: „Maesonsaufträge vergeben. Neville Marriner (Chandos) tro, I fucked up!“? Da ist guter Rat ... von denen ein ganz prominenter 20

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Marriner in Zahlen: 13 Jahre alt war Neville Marriner, als er als Student am Royal College of Music a­ ufgenommen wurde. 64 Jahre sind vergangen, seit er seine erste Schallplatte einspielte. £ 7,70 betrug sein Honorar für seine erste Schallplatte. 1961 erschien die erste Schallplatte der Academy of St Martin in the Fields. 479 Aufnahmesessions zählt die 1999 erschienene Diskografie der Academy of St Martin in the Fields. 345 davon wurden von Sir Neville Marriner geleitet. 67 weitere Einspielungen realisierte Marriner bis 1999 mit anderen Orchestern, ­darunter 40 mit dem Radiosinfonieorchester Stuttgart. Mit 15 verschiedenen Orchestern hat Marriner Aufnahmen eingespielt. 26 verschiedene Labels haben Einspielungen der Academy of St Martin in the Fields veröffentlicht, Lizenzveröffentlichungen nicht eingerechnet. Mit jeweils 5 verschiedenen Aufnahmen sind dies die Werke, die Marriner am ­häufigsten eingespielt hat: Fauré: Pavane, Haydn: Trompetenkonzert Es-Dur, Mozart: Die vier Horn­konzerte, Ravel: Pavane, Telemann: Trompetenkonzert D-Dur. C

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teuer, und zwar meistens für die Plattenfirma, weil das Orchester anderntags wiederkommen muss. Dabei hätte man die Sache in zwei Minuten erledigen können. In England lief das anders? Ich erinnere mich an eine Aufnahmesession in Kingsway Hall, London. Es war furchtbar, nichts klappte! Es wurde auch immer später. Um 19 Uhr legten wir die Instrumente zur Seite und gingen zum Abendessen – ein wunderbares Dinner, es wurde viel gelacht. Gegen halb neun fühlten wir uns so gut, dass wir es noch einmal versuchen wollten. Um elf Uhr hatten wir dann die perfekte Aufnahme im Kasten. Das wäre in Amerika nicht möglich gewesen. Sind Sie zufrieden mit den vielen Coverfotos, die über die Jahre von Ihnen entstanden? Mit den Fotos war das immer so eine Sache. In den 1980ern kamen zum Beispiel diese Fotoleute von der EMI nach Salzburg, wo ich gerade dirigierte. Sie stellten mich vor jede Mozartstatue, die sie finden konnten. Der Höhepunkt war, als sie mich mit einer großen Mozartpuppe aus Zuckermasse fotografieren wollten. Ich habe den Zucker-Mozart später mit ins Flugzeug genommen – was einiges an Überredungskunst beim Sicherheitscheck gekostet hat. Ich präsentierte die Figur dem Orchester, wir schlugen sie kaputt und aßen sie stückweise. Auf den Albumfotos der letzten fünfzehn Jahre sind Sie auffallend häufig in einem bunt gestreiften Oberhemd zu sehen. Ein Maskottchen? (Lacht, verschwindet nach nebenan und holt das bunte Hemd.) Sehen Sie, das habe ich mir bei Pierre Monteux abgeschaut. Pierre trug immer ein Oberhemd aus so einer Art „Deckchair-Material“, sehr robust und wunderbar bequem. Ich habe immer nach so einem Hemd gesucht, habe es aber nie gefunden. Irgendwann ist meine Frau auf einen tollen Stoff gestoßen und hat Hemden für mich daraus nähen lassen. Drei habe ich ständig in Gebrauch, zwei weitere warten auf mich in London. Die halten ewig! Ich besitze sie teilweise schon seit 30 Jahren. Eins wurde mir sogar mal gestohlen. Bis Ende der 1990er brachte die Academy ständig neue Aufnahmen heraus. Ab den 2000ern wurden es schlagartig weniger. Was war da los? Dafür gab es mehrere Gründe. Der Boom der historischen Aufführungspraxis hat viele Käufer abgezogen, die früher unsere Alben gekauft hatten. Außerdem sind einige Plattenfirmen vom Markt verschwunden, mit denen wir gearbeitet hatten: Philips verschwand praktisch über Nacht, Argo war vorher schon eingestellt worden. Decca und Hänssler ging es zu jener Zeit auch nicht so gut. Außerdem, dessen bin ich mir wohl bewusst: Wir waren einfach nicht mehr so interessant für die Labels. Die Academy hat sich aber gerade dadurch noch einmal ganz neu erfunden und ist heute vor allem ein Tourneeorchester – ständig unterwegs. n Y

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Die neue Freiheit Christiane Kargs neues Lieder-Album passt nicht nur hervorragend ins Strauss-Jahr, es ist auch eine Hommage an ihre bayerische Heimat. von Anna Novák

Christiane Karg (*1980)

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n der vergangenen Saison lief ihr Engagement im Ensemble der Frankfurter Oper ab. Nun ist Christiane Karg frei. Sie hat sich gegen eine feste Stelle an einem Opernhaus entschieden – und dafür, Solistin zu sein. Sie sagt: Die neue Freiheit fühlt sich sehr gut an. Und ihr gegenwärtiger Erfolg gibt ihrer Entscheidung recht. Der Konzertplan für den Rest des Jahres ist prall gefüllt. Ihr Debüt mit den Berliner Philharmonikern steht an, ein Liederabend in der Londoner Wigmore Hall, Konzerte in Madrid, Lissabon, Wien. Wir treffen Christiane Karg bei ihrer Album-Präsentation in München. Sie ist ein bisschen angeschlagen. Die Nebenhöhlen hat‘s erwischt, aber die Stimme sei in Ordnung, sagt sie. Sie singt die Lieder von Strauss, die sie auf der neuen Aufnahme verewigt hat, mit engagierter, inniger Ausdrucksstärke. Karg will Geschichten erzählen – so unterschiedliche Geschichten, wie sie auch Richard Strauss in seinen Liedern vertont hat. Traurige Intermezzi, neckische, volksliedhafte Weisen, auch lange, eigentlich mit Orchesterbegleitung gedachte Liedstrecken. crescendo: Ein Strauss-Album zum Strauss-Jahr ist kein Zufall, oder? Christiane Karg: Ach, ich habe so viele Programme und Liederabende, da hat man immer viele Ideen, was man aufnehmen könnte. Und da saß ich im Büro meiner Plattenfirma und wir spra-

chen darüber, wie traurig wir sind, dass die Opernsängerin Lisa della Casa Ende 2012 gestorben war. Sie war ein großes Idol von mir. Ich hatte ja gerade mein Rollendebüt als Sophie im Rosenkavalier und ich habe dafür alle alten Aufnahmen von Lisa della Casa durchgehört, weil ich finde, die alten Aufnahmen treffen den Strauss-Charakter besser als viele neue, sie haben noch ein ganz anderes Klangideal. Und so eine komplette Strauss-Platte hatte lange keine deutsche Sängerin mehr aufgenommen. Was macht Strauss für Sie so besonders? Strauss hat für alle Lebenslagen irgendwas geschrieben. Auch für jeden Stimmcharakter. Er hat eine solche Masse, über 200 Lieder, geschrieben – da muss man doch etwas finden! Außerdem mag ich die Gedichte, die er vertont hat und finde sie überhaupt nicht schwülstig. Da sind zauberhafte Sachen dabei. Seine Musik geht mir sehr nah. Sie sprachen von einem früheren, anderen Klangideal. Welche Stimme braucht es denn für das Liedgut von Richard Strauss? Strauss braucht einen silberstrahlenden Klang. Jemanden, der eine gute Mittellage hat und dennoch über allem drüberschweben kann, einen, der eine leichte Höhe hat. Keine Puccini-Masse, sondern ein Schweben. Man kann über die Schwarzkopf streiten, aber sie hat genau das! Ich glaube, man hat früher das Strauss-Fach einfach leichter besetzt. Heute besetzt man mit Stimmen, die auch schweres italienisches Repertoire singen. Aber ich finde, man muss sich

„Strauss hat eine solche Masse an Liedern geschrieben – da muss man doch was finden!“

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CHRISTIANE KARG LIVE 20., 21. und 22.3.14: Berlin, Philharmonie Gustav Mahler, Symphonie Nr. 4 G-Dur Kargs Debüt bei den Berliner Philharmonikern 30.3.14: Frankfurt, hr-Sendesaal hr-Lunchkonzert 1.4.14: München, 3.4.14: Stuttgart Liederabend mit Malcom Martineau

Foto: Gisela Schenker

8.4.14: Heidelberg Liederabend beim Heidelberger Frühling

die ganz frühen Aufnahmen anhören, man muss schauen, wie es damals geklungen hat. Man hat sehr viel mit Sprache gearbeitet. Das neue Album ist ja doch in seiner Aufmachung und auch seinem Inhalt sehr „bayerisch“ geworden. Steht man Strauss näher, wenn man, wie Sie, die Landschaft kennt, die ihn so inspiriert hat und in der die Lieder auch entstanden sind? Ich habe innere Lieder: Ich muss mir immer irgendwelche Geschichten im Kopf ausdenken, ich kann nicht ohne ein Bild meine Emotionen verkörpern. Deswegen kann ich auch das Umfeld, in dem die Musik oder der Text entstanden ist, nicht davon separieren. Man muss wissen, wo die Musik entstanden ist. Das gilt übrigens auch für die Lieder: da muss man die Figuren und die Geschichten dahinter kennen. Kurz zur Aufnahmesituation: Ist es härter, eine intime Liedplatte oder ein Arienalbum mit Opernarien und großem Orchester aufzunehmen? Durch die vielen Instrumente und die vielen Klangfarben komme ich in eine Opernarie, glaube ich, leichter rein. Die Stücke sind oft lang und man wird vom Orchester schon eine Minute lang im Vorspiel an das Thema herangeführt. Da ist das Lied schon anstrengender. Man muss ganz schnell die Stimmungen wechseln und sich vorher klug überlegen, in welcher Reihenfolge man aufnimmt. Wir hatten 25 Stücke und vier Tage Aufnahme-Zeit, das ist schon viel. Für Sie hat sich einiges verändert: Ihr Vertrag an der Oper Frankfurt ist Ende der letzten Saison ausgelaufen. Wie fühlt sich die neue Freiheit an? Wunderbar! Ich fühle mich richtig frei. Ich bin einfach viel unabhängiger. Wenn ich jetzt ein paar Projekte absage, weil ich krank bin, dann stört das Niemanden – außer meinen Geldbeutel vielleicht. Ich kann so viele Liederabende geben! Damit habe ich niemals gerechnet, weil ich dachte, dass heute keiner mehr Liederabende hören will. Aber ich kann mich nicht retten vor Anfragen! Das ist wirklich eine luxuriöse Situation. Ich bin nun auch viel gefragter, gerade auch bei den deutschen Opernhäusern, die vorher sagten: Warum soll ich die nehmen, wenn sie in Frankfurt fest ist? Jetzt kann ich meine eigenen Programme verkaufen, werde viel machen – zum Beispiel auch in den Staaten in den nächsten Jahren, da bin ich dann teilweise komplett weg vom deutschen Markt. Aber das ist ja auch mal ganz gut, die Leute sollen einem ja nicht überdrüssig werden und denken: Ist die schon wieder da!? Läuft man in dieser neuen Freiheit Gefahr, sich den Konzertplan zu voll zu packen? Diese Gefahr war immer schon da. Wir arbeiten alle viel, wir arbeiten alle am Limit. Anna Netrebko hat neulich in einem schönen Interview gesagt: „Ich kann mich ausruhen, wenn meine

Karriere vorbei ist.“ Wir haben alle intensive Jahre. Es ist eine goldene Zeit. Ein Sportler kann ja auch nicht sagen: Ich mach jetzt weniger. Wenn er fünfzig ist, ist nunmal der Körper hinüber und es ist nun mal eine kurze Zeit. Wenn man das in der Zeit nicht macht und schafft, dann braucht man es auch nicht später machen. Ich habe viel Freude dran, es ist mir nicht zu viel. Und wenn es doch so viel ist, dass man krank davon wird, dann muss man sich eben mal eine Auszeit nehmen und dann darf einem auch keiner böse sein. Sie sagten in einem Interview, Sie hätten in der letzten Zeit in Frankfurt einfach zu viel genörgelt. Ist die Zeit der Nörgelei jetzt vorbei und Sie sind rundum zufrieden? (lacht) Ich nörgele weniger. Aber das Problem ist: Ich bin eine, die sich immer beschwert. Ich kann Dinge einfach schlecht hinnehmen. Das war schon in der Schule so. Wenn man in einem Opernbetrieb fest drin ist, wird man jeden Tag damit konfrontiert, was falsch läuft. Überall läuft was falsch. Gerade war ich in Antwerpen, da habe ich natürlich auch Sachen gesehen, die mir gut gefallen haben und Sachen, die mir nicht gefallen haben – aber da kann ich nach zweieinhalb Monaten wieder meine Koffer packen und bin weg. Wenn man in einem festen Engagement ist, und es jeden Tag mitbekommt, dann muss man sich über die Ungerechtigkeiten beschweren. Wenn ich so etwas ignoriere, dann entspricht es nicht meiner Persönlichkeit. Aber das kostet eben viel Kraft und Zeit und Energie. Ist dieses konsequente „die Meinung sagen“ ein Teil Ihres Erfolgsrezepts? Man darf sich einfach nie zufrieden geben. Stillstand ist Rückschritt. Man muss doch immer nach noch mehr streben. Wenn mir jemand nach der Probe sagt: „Okay, das ging schon so“ – damit kann ich nicht leben. Ich will immer perfekt sein – oder wenigstens optimal vorbereitet sein. Ob das Konzert dann perfekt läuft, kann man nicht wissen. Aber die Planung vorher muss aufs Optimum zielen, damit solche Momente wie Krankheit oder ein Fehltag auch mal drin sind. Haben Sie diese Momente vollkommener Zufriedenheit? Ja. Es passiert manchmal, ganz selten. Aber es passiert. Und ich bin auch mit Konzerten, in denen nicht alles perfekt lief, oft zufrieden. Man kann nicht jeden Tag die Goldmedaille gewinnen, man muss sich auch mal mit der Silbermedaille zufrieden geben. Ich finde man darf niemals unter 80 Prozent seiner Höchstleistung kommen, aber man muss immer das Beste aus den bestehenden Bedingungen machen – dann können wunderbare Momente entstehen. „Heimliche Aufforderung“ Christiane Karg, Malcom Martineau (Berlin Classics) 23


Foto: Tim Schober / Sony Classical

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Klaus Florian Vogt (*1970).

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Ein moderner Held Klaus Florian Vogt gehört inzwischen zu den gefragtesten Wagner-Tenören. Auf seiner Reise durch die weltweiten Opernhäuser passten wir ihn kurz ab und ließen ihn noch einmal die wichtigsten Stationen seiner Karriere analysieren. von Michael Sellger

Klaus Florian Vogt wartet in der Kantine der Deutschen Oper bei einem Wasser. Er trägt ein weißes Hemd, im Haar steckt eine Sonnenbrille, so als käme er gerade von einen Heidespaziergang aus Dithmarschen, wo er aufgewachsen ist und noch heute lebt. Vogt sagt, der Norden habe etwas, was er anderswo vermisse, die Luft, das Licht und das Lachen der Menschen, das meist still und hintergründig sei. Er selbst hat ein melodiöses Heldentenorlachen, das zuweilen die Leute an den Nachbartischen aufhorchen lässt. In Berlin ist er für die Premiere von Fausts Verdammnis, für das an diesem Abend noch eine Probe ansteht. Herr Vogt, der Pförtner sagt, nur zwei Straßen weiter parke ein Wohnmobil. Ist das Ihres? Klaus Florian Vogt: Das hab ich mir auch schon angesehen. Aber nein, so nah würde ich mich damit nie ans Theater stellen. Ich habe immer gern ein bisschen Abstand. Viele Menschen denken nicht nur an Lohengrin, wenn sie ihren Namen hören. Sie denken auch an einen Opernsänger, der mit dem Wohnmobil zu Auftritten fährt oder gleich mit der eigenen Maschine einfliegt. Gehört das inzwischen zum Image? Natürlich wird hinter meinen Flügen manchmal eine PR-Masche vermutet, vielleicht würde ich das an Ihrer Stelle auch so sehen. Aber mit dem Fliegen ist es so wie mit dem Wohnmobil: Das war alles schon vor vielen Jahren da. Wieso sollte ich das plötzlich verschweigen? Das gehört zu mir, mit Image-Arbeit hat das nichts zu tun. Apropos Image: Obwohl Sie ein gefeierter Wagner-Interpret sind, wenden Sie sich mit Ihrem neuen Album der Operette und dem Musical zu. Beides gilt ja eher als leichtere Muse... Ich teile die Geringschätzung nicht, die diesem Metier häufig entgegengebracht wird. Es ist einfach schöne Musik! Sie ist übrigens auch recht schwer zu singen. Und mit dem Musical ist es so: Als Hornist in Hamburg habe ich öfter aushilfsweise in der Neuen Flora im Phantom und Cats gespielt. Vor den Künstlern dort habe ich seither ganz große Hochachtung. Die leisten mehrmals in der Woche Erstaunliches als Sänger, Tänzer und Akrobaten. Das Album ist also auch eine Reminiszenz an ihre Zeit als Hornist?

Eher an meine ersten Auftritte als Sänger. Während ich in Lübeck Gesang studierte, habe ich gemeinsam mit meiner Frau in Kurorten in Travemünde und am Timmendorfer Strand Operetten gesungen, um Erfahrungen zu sammeln und Geld zu verdienen. Meine erste Solorolle als Sänger war die Titelfigur in Franz Lehárs Operette Zarewitsch, das war in meiner Flensburger Zeit. Am dortigen Landestheater hatten sie 1997 ihr erstes Engagement als Sänger. War der Abschied vom Horn damals schon endgültig? Nein, ich befand mich damals in einem Dilemma. Der Übergang vom Orchestermusiker zum Sänger fiel mir unsagbar schwer. Ich musste als Vater von drei Kindern auch existenzielle Entscheidungen treffen. Das klingt sehr dramatisch. Das war es für mich auch. Als Hornist am Philharmonischen Staatsorchester hatte ich in Hamburg eine tolle Zeit. Auch finanziell war ich abgesichert. Der Wechsel in das Sängerfach war dagegen mit vielen Risiken verbunden. An kleineren Bühnen würde ich immer weniger verdienen als im Orchester und in einem Chor singen wollte ich nie. Ich wusste damals: Wenn ich mich tatsächlich für das Singen entscheide, gibt es keinen Weg ins Orchester zurück. Der Gedanke, einmal als Sänger erfolgreich zu sein, muss Ihnen damals noch einigermaßen fremd gewesen sein. Eigentlich schien Ihnen ja eine solide Karriere als Orchestermusiker vorgezeichnet. Mit der Musik hat mich schon früh sehr viel verbunden. Als Sechsjähriger begann ich Klavier zu spielen und mein Vater hat uns Kindern einmal im Spanien-Urlaub allen eine Flöte geschenkt und sofort beigebracht, damit zu spielen. Und als Weihnachtsgeschenk bekam ich dann irgendwann ein Horn geschenkt, das ich dann sehr schnell lernte. Nur gesungen haben wir selten. Wie sind Sie dann überhaupt zum Singen gekommen? Durch meine damalige Freundin. Sie überredete mich dazu, mit ihr auf einer Geburtstagsfeier Rossinis Katzenduett zu singen. Das besteht eigentlich nur aus vielen „Miau“ und sollte in erster Linie nur witzig sein. Das heißt, Sie wurden auf einer Geburtstagsfeier entdeckt? 25


Foto: Bettina Stoess

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Klaus Florian Vogt als „Faust“ in Fausts Verdammnis an der Deutschen Oper Berlin.

So kann man das nicht sagen. Das Duett wäre folgenlos geblieben, hätte es meine Freundin nicht auf Kassette aufgezeichnet und ein paar Tage später ihrer Mutter vorgespielt. Der fiel dann meine Stimme auf. Erst dann hat es bei mir geklingelt und ich wollte mehr wissen. Also habe ich einem Professor an der Hochschule vorgesungen. Ich erfuhr, dass ich Tenor sei und begann dann, hin und wieder Unterrichtsstunden zu nehmen. Später wechselte ich zum Lehrer meiner Frau, der mir dann vorschlug, eine Aufnahmeprüfung an einer Hochschule zu machen. Und das klappte auf Anhieb? Nein. Ich versuchte es zuerst in Hamburg, dort spielte ich ja bereits im Orchester. Ich weiß noch, wie mich die Vorsitzende der Prüfungskommission sehr misstrauisch beäugte und fragte, ob ich mich denn für begabter halten würde als meine Kollegen. Die Hamburger haben mich abgelehnt. Ein paar Jahre später bin ich der Vorsitzenden nach einem Auftritt als Sänger wieder begegnet, sie konnte sich aber nicht an mich erinnern. In Lübeck hatte ich mehr Glück und begann dort, Gesang zu studieren. Fiel Ihnen der Abschied vom Orchester schwer? Ich habe noch nicht Abschied genommen, denn ich studierte in Lübeck, ohne meine Arbeit in Hamburg aufzugeben. Aber vom Orchestergraben aus habe ich die Leute auf der Bühne schon sehr bewusst wahrgenommen und bewundert. Mir imponierte, wie viel Verantwortung die da oben tragen. Wie reagierten die Kollegen auf ihren Wunsch, vom Graben auf die Bühne zu wechseln? Mit dem Wunsch, Sänger zu werden, bin ich zunächst nicht hausie-

ren gegangen. Fast niemand von meinen Kollegen im Orchester wusste, dass ich nebenbei singe. Als ich es dann offen sagte, reagierten aber alle sehr kooperativ. Vom Intendanten wurde ich sogar unbezahlt beurlaubt, um das Engagement in Flensburg annehmen zu können. Vielleicht hätte ich den Flensburgern ohne dieses gewisse Maß an Sicherheit gar nicht zugesagt. Das muss ein aufregendes Gefühl gewesen sein, zum ersten Mal ohne Instrument auf der Bühne zu stehen. Das war selbst auf den kleineren Konzerten am Anfang schon sehr eigenartig. Im Orchestergraben ist man geschützter, man hat das Instrument und das Orchester um sich herum. Als Sänger ist man so gut wie nackt. Ich habe einmal bei einem Vorsingen der Zentralen Künstlervermittlung der Arbeitsagentur teilgenommen, das war in Hamburg in einem viel zu kleinen Raum. Ich gab beim Singen viel von mir preis, hörte dann aber lediglich ein „Dankeschön!“ und dann nie wieder etwas. Ich empfand das als eine furchtbare Demütigung. Das ist heute ein großes Privileg: keine Vorsingen mehr! Vom Landestheater Flensburg gingen Sie an die Dresdner Semperoper. Ein beachtlicher Karrieresprung! Flensburg war für mich eine Art Probezeit, ich habe dort viel gelernt und wollte für mich herausfinden, ob ich danach in den Orchestergraben zurückkehre oder wirklich eine Chance habe als Opernsänger. Ich habe viele Menschen befragt, einige rieten ab, andere machten mir Mut. In der Semperoper habe ich dann an einem informativen Vorsingen teilgenommen, es ging also nicht um eine Stelle, sondern nur um ein Feedback. Der Intendant bot mir allerdings danach an, nach Dresden zu kommen und mich

„Im Orchestergraben ist man geschützter – als Sänger ist man so gut wie nackt.“

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15.03.–12.04.14 internationales musikfestival KLAUS FLORIAN VOGT LIVE 27.Februar / 5. März / 8. März 2014 Berlin FAUSTS VERDAMMNIS von Hector Berlioz Rolle: Faust

BBC Philharmonic Orchestra Boris Berezovsky City of Birmingham Symphony Orchestra Arvishai Cohen Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen Veronika Eberle Julia Fischer Vilde Frang David Fray Richard Galliano Hélène Grimaud Martin Grubinger Viviane Hagner Christiane Karg Magdalena Kožená Igor Levit Valentina Lisitsa Meitar Ensemble Gabriela Montero Daniel Müller-Schott Andris Nelsons John Neumeiers Bundesjugendballett Nôze Band Matthias Pintscher Luca Pisaroni Mikhail Pletnev »Quartett der Kritiker« Russian National Orchestra Denis Scheck Maximilian Schmitt Jörg Widmann u.v.m.

12. April / 16. April 2014 Wien LOHENGRIN von Richard Wagner Rolle: Lohengrin 19. Mai / 22. Mai 2014 Barcelona WALKÜRE von Richard Wagner Rolle: Siegmund

dort aufbauen zu lassen. Das machte es nicht leichter. Nicht leichter? Die Semperoper gehört zu den ersten Häusern der Republik. Das stimmt zwar, doch ich stand dann in Dresden erstmal in der zweiten Reihe. In Flensburg hatte ich lauter erste Partien, in der Semperoper musste ich dagegen sehr geduldig sein. Den Lohengrin hätte ich in Dresden nicht ohne Weiteres gekriegt. Ein paar Mal haben mir kleinere Häuser den Max in Neuinszenierungen von Webers Freischütz angeboten, aber die Semperoper hat mir das nicht erlaubt. Erst nach etlichen Angeboten anderer Häuser bekam ich in Dresden dann den Max. So war es auch mit dem Lohengrin. Für den wurden sie 2002 in Erfurt umjubelt ... Das war ein gewaltiger Erfolg damals, nie zuvor habe ich so großen Applaus bekommen – die Initialzündung für mein Leben als Sänger. Ich bekam endlich die Gelegenheit, unter Beweis stellen zu können, dass ich solchen Partien gewachsen bin. Hat Sie Ihre Familie mit nach Dresden begleitet? Das hat sie, auch wenn es am Anfang nicht leicht war. Meine Frau hatte mich in den Jahren zuvor immer wieder ermutigt; sie war es, die mich immer unterstützt hat – und plötzlich war ich erfolgreicher. Manchmal hat sie sich bei mir ironisch beschwert und gesagt, sie habe schließlich einen Hornisten und keinen Sänger geheiratet. Trotzdem ging sie mit nach Dresden. Meine Kinder können übrigens heute noch sehr gut Sächsisch sprechen, wenn man sie darum bittet. Mit Anfang Dreißig wurden Sie freischaffender Künstler, dabei dürfte es Ihnen nach Ihrem Lohengrin-Erfolg kaum an Engagements gemangelt haben. Mir blieb damals nichts anderes übrig, als mich von festen Engagements zu lösen. Nach der Erfurter Aufführung bekam ich so viele Angebote, dass meine Verpflichtungen in Dresden zunehmend hinderlich wurden. Die angebotenen Rollen an der Semperoper reizten mich nicht so sehr. Katharina Wagner engagierte Sie 2007 für ihre Inszenierung bei den Bayreuther Festspielen. War das der endgültige Durchbruch? Eigentlich war der Durchbruch für mich der Moment, von dem an ich mit dem Singen meine Familie ernähren konnte. Bayreuth bedeutete aber, in der Öffentlichkeit sehr viel stärker wahrgenommen zu werden, seither muss ich immer wieder Fragen zu meinem Wohnwagen oder den Flügen beantworten. ... und zu den Beweggründen, ein Album mit Operetten und Musicals aufzunehmen. Was sind Ihre Favoriten auf dem Album? Lehárs Land des Lächelns. Das würde ich unglaublich gern mal auf der Bühne singen, die Operette steht einer Heldentenor-Partie in puncto Vielseitigkeit und Anspruch nicht nach. Das gilt auch für die Stücke aus der West Side Story. Wenn mich mal einer fragen würde, das zu machen – es würde mir schwerfallen, nein zu sagen. Den Toni hätte ich wirklich gerne mal gesungen.

parallel geschichten Bestellen Sie kostenlos unser Programm unter Tel 06221 - 584 00 12 oder www.heidelberger-fruehling.de

„Favorites“ Klaus Florian Vogt, Münchner Rundfunkorchester, Gerrit Priessnitz (Sony)

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k ü n s t l e r

Aus dem Township auf die große Bühne Foto: Decca / Simon Fowler

Die in Südafrika aufgewachsene Sängerin Pumeza veröffentlicht ihr erstes Soloalbum. Wie es dazu kam und was sie über ihre Heimat heute denkt, verriet sie uns in Berlin. v o n D a g ma r L e i s c h o w

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Foto: Decca / Sarah Nankin

umeza Matshikiza steht in der südafrikanischen Botschaft in Berlin auf einer kleinen Bühne. Wie ein Hollywoodstar, möchte man sagen. Die Pailletten ihres KleiPUMEZA LIVE des glitzern, sie trägt High Heels. Aber wer die 35-Jäh30.5., 4., 15., 18., 20., 24.6.14: Stuttgart, Oper rige singen hört, fragt sich: Wozu braucht diese Frau Als „Mimi“ in La Bohème eigentlich so viel äußerlichen Glamour? Sie versteht es doch, das Publikum allein mit ihrer Sopranstimme in ihren Bann zu ziehen. Die Stücke aus ihrer Heimat Südafrika, die sie an diesem Abend vorträgt, profitieren von ihrem samtig-warmen Timbre. Selbstverständlich nimmt sie sich Malaika vor, ein Lied, das die meisten „Einige glauben, er hätte zu viele Kompromisse gemacht und die Europäer dank des berühmten Harry-Belafonte-Miriam-Makeba- Freiheit der Schwarzen an große Unternehmen verkauft.“ Auch sie Duetts kennen. selbst ist mit den Zuständen in Südafrika unzufrieden. Bis heute Dieser Klassiker, sagt Pumeza, erzählt die Geschichte zweier wird sie in einigen Geschäften wegen ihrer Hautfarbe nicht bedient: Liebender, die es sich nicht leisten können, zu heiraten. Einerseits „Ehrlich gesagt bringen mir die Deutschen mehr Respekt entgegen hat sie deren Schicksal berührt, andererseits wollte sie diesen Titel als einige Landsleute.“ unbedingt für ihr Album Voice of Hope aufnehmen, weil er auf ewig Im Ensemble der Oper Stuttgart, wo sie regelmäßig als Pamina mit Miriam Makeba verbunden ist. Diese wahrhaft legendäre Welt- oder Nannetta auf der Bühne steht und ab Mai die Mimì gibt, fühlt musikerin zählt sie zu ihren ganz persönlichen Idolen, daran lässt sie sich von ihren Kollegen akzeptiert. Mit Rassismus wurde sie nie ihre erste Einspielung nicht den geringsten Zweifel. Immer wieder konfrontiert. Ob es in der Opernwelt tatsächlich keine Vorurteile tauchen eigens für die Makeba komponierte Songs im Repertoire gibt? Weiß sie nicht, sie verweigert sich dem Gedanken daran: auf – von Ntyilo Ntyilo bis zu Holilili. Sie können es an Ausdrucks- „Wenn ich eine Rolle nicht kriege, schiebe ich das keinesfalls auf stärke wohl für Pumeza mit jeder Oper aufnehmen. Sie sagt: „Ich meine Hautfarbe. Sonst würde ich paranoid werden.“ Stattdessen finde diese Musik wirklich großartig.“ fragt sie sich: „Wie kann ich meine Stimme weiterentwickeln?“ Mit ihr wuchs sie in diversen Townships in Kapstadt auf, auch Ihr Fleiß und ihre enorme Arbeitsbereitschaft zeichnen sie traditionelle afrikanische Lieder hörte sie daheim oft. Das gab für aus, übertrieben ehrgeizig ist Pumeza aber nicht. Zunächst studierte sie den Ausschlag, auf ihrer CD die Kluft zwischen Volkstümsie gar nicht Gesang, sondern Vermessungstechnik. Weil ihr lichem und Klassik zu überbrücken. Mal lässt sich Pumeza ein Lehrer geraten hatte, etwas Solides zu machen. Schon bei einer Nummer in Xhosa, einer der elf amtlichen südafbald schwänzte sie ihre Vorlesungen, sie trieb sich lieber an Newcomer der Musikhochschule von Kapstadt herum, wo sie schließrikanischen Landessprachen, von einem Kinderchor begleiten, mal interpretiert sie eine lich die Aufnahmeprüfung bestand. Puccini- oder eine Mozartarie: „Ich Nach zwei Semestern engagierte sie habe diese völlig unterschiedlichen der südafrikanische Komponist Werke einfach deshalb ausgewählt, Kevin Volans für seine Oper The weil sie meine musikalische EntConfessions of Zeno, mit der sie ein wicklung nachzeichnen.“ Jahr durch Europa tourte. Dann Schon als kleines Mädchen setzte sie ihr Studium fort. Zum hat Pumeza im Chor gesungen, die bestandenen Examen schenkte ihr Oper kannte sie damals überhaupt Volans ein Flugticket nach London. nicht. Das änderte sich während Sie sang am Royal College of Music ihrer Teenagerjahre. Rein zufällig vor und bekam einen Studienplatz. stieß sie eines Tages auf einen „Europa ist die Wiege der Oper. Radiosender, der eine Passage aus Darum wollte ich meine AusbilLe nozze di Figaro spielte. Sie hörte dung unbedingt dort fortsetzen.“ Künstlerin Pumeza in einem Township ihrer Heimat Südafrika. Edith Mathis als Susanna und war Leicht war es indes nicht für wie verzaubert: „Ich verliebte mich sofort in diese Art des Gesangs.“ Pumeza, sich in der britischen Hauptstadt einzuleben. Sie vermisste Allerdings kam sie noch nicht auf die Idee, Opernsängerin zu wer- ihre Familie, ihre Freunde, die ewige Hektik überforderte sie: „In den: „Ich wusste gar nicht, dass das ein richtiger Beruf ist.“ Woher London ist das Lebenstempo doppelt so hoch wie in Kapstadt.“ Alldenn auch? Ihr Großonkel, der Jazzpianist und Komponist Todd mählich gewöhnte sie sich daran – und blieb. Nach ihrem StudienMatshikiza, starb lange vor ihrer Geburt. Sie selbst stammt aus abschluss wurde sie vom Royal Opera House in ein Förderprobescheidenen Verhältnissen. Nach der Trennung ihrer Eltern zog sie gramm für Nachwuchskünstler aufgenommen. Schritt für Schritt mit ihrer Mutter und ihrem Bruder vom Ostkap nach Kapstadt. baut sie jetzt ihre internationale Karriere auf. Damit brach eine harte Zeit für die Familie an: „Als alleinerzieSo weit hätte sie es in Südafrika gewiss nicht bringen können. hende Schwarze mit einem geringen Bildungsgrad hatte meine Mut- Dort gibt es kaum Auftrittsmöglichkeiten für Opernsänger. Dabei ter kaum eine Chance auf einen vernünftig bezahlten Job.“ lieben die Menschen klassische Musik, viele singen in Chören, Mit dem Anspruch, ihrem Nachwuchs eine bessere Zukunft leider fast immer – wie Pumeza selbst – ohne Klavierbegleitung: bieten zu wollen, mischte sich ihre Mutter unter die Anti-Apart- „A-cappella-Gesang bringt oft Intonationsprobleme mit sich.“ heid-Demonstranten. Meistens nahm sie ihre Kinder mit zu den Außerdem wird kein Wert darauf gelegt, Noten lesen zu können. Protesten. „Zuerst“, erinnert sich Pumeza, „empfand ich das nicht Pumeza lernte das erst mit 21: „Bis heute studiere ich meine Partien als gefährlich. Ich genoss es, lauter Menschen um mich herum zu relativ langsam ein.“ n haben, die sangen.“ Das änderte sich schlagartig, wenn die Polizei „Voice of Hope“ Pumeza (Deutsche Grammophon) kam. Sie setzte Tränengas ein, schoss, es gab Tote. Ein Albtraum, der schließlich mit Nelson Mandelas Präsidentschaft endete. So wirkte es zumindest von außen. Laut Pumeza feiert in ihrer Heimat längst nicht jeder den Widerstandskämpfer als Nationalhelden: 29


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Wiener Philharmoniker Der begehrte Herbert-von-Karajan-Musikpreis geht in diesem Jahr an die Wiener Philharmoniker. Die mit 50.000 Euro dotierte Auszeichnung wird an herausragende Einzelkünstler und Ensembles verliehen. Das Preisgeld ist zweckgebunden für die musikalische Nachwuchsarbeit.

einem tiefen Bewusstsein dafür, dass die Musik lebendig gehalten wird und nicht museal werden darf “, sagte Baden-Badens Festspielhaus-Intendant Andreas MölichZebhauser zur Wahl der Preisträger 2014. Herbert von Karajan ist eng mit der Geschichte der Wiener Philharmoniker verknüpft: In mehr als fünfzigjähriger Zusammenarbeit prägte er eine Ära in der Geschichte der Wiener Philharmoniker. Im Rahmen eines Galakonzerts der Wiener Philharmoniker am 12. Dezember 2014 wird der Preis im Festspielhaus BadenBaden verliehen. Dirigent des Abends wird Andris Nelsons sein. Am 24. März 2014 beginnt der Vorverkauf.

Apropos Andris Nelsons. Neben dem GalaKonzert mit den Wiener Philharmonikern wird er in diesem Jahr auch beim Lucerne Festival auftreten. Er übernimmt das Dirigat der Konzerte des Lucerne Festival Orchestra während des Sommer-Festivals 2014. Zur Aufführung kommen zwei Konzertpro„Mit dem Herbert-von-Karajan-Musikpreis gramme mit Werken von Johannes Brahms, wird 2014 ein Orchester ausgezeichnet, das die Claudio Abbado für den Sommer noch wie kaum ein zweites Ensemble seinen ganz selbst zusammenstellte. „Wir freuen uns spezifischen Klang über viele Jahrzehnte außerordentlich, dass wir Andris Nelsons hinweg bewahrt hat und damit unverwechals einen der führenden Dirigenten unserer selbar geworden ist. Dass die ‚PhilharmoZeit für die Konzerte [...] gewinnen konnnische Idee‘ rechtzeitig von Generation zu ten“, sagt Michael Haefliger, Intendant des Generation weitergegeben wird, zeugt von

Festivals, „dass wir darüber hinaus die von Claudio Abbado konzipierten Brahms-Programme präsentieren können, macht uns sehr glücklich. Das Andenken an den Gründer des Lucerne Festival Orchestra bleibt auf diese Weise auch im künstlerischen Programm des Festivals lebendig.“ Andris Nelsons tritt mit Beginn der Saison 2014/15 offiziell die Position als Music Director des Boston Symphony Orchestra an. Mit seinem City of Birmingham Symphony Orchestra, dessen Chefdirigent er seit 2008 ist, wird Nelsons ebenfalls in Luzern zu erleben sein.

G e s t o r b e n

V iolette Ja c quetSilb e rstei n „La musique m’a sauvée la vie“ – die Musik hat mir das Leben gerettet, bei Violette Jacquet-Silberstein war dieser Satz keine Floskel, sondern Wirklichkeit. Als Mitglied des Mädchenorchesters im Konzentrationslager Auschwitz überlebte die Jüdin den grausamen Völkermord des NSRegimes. 1925 in Rumänien geboren, zog Jacquet-Silberstein schon früh mit ihren Eltern nach Frankreich, wo sie siebenjährig mit dem Violinspiel begann. Im Juli 1943 wurde die Familie nach Auschwitz deportiert und direkt bei der Ankunft getrennt. Ihre Eltern sah die junge Violette nie wieder. Die Dirigentin Alma Rosé, eine Nichte Gustav Mahlers, bewahrte sie vor dem sicheren Tod, indem sie sie nach einem Vorspiel für das von ihr gelei-

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A l ic e H erz- S o m m e r

tete Mädchenorchester auswählte. Von da an musizierte Jacquet-Silberstein mit den anderen Frauen für die Offiziere. Auf Sie galt als ein immer fröhlicher und optiGeige, Cello, Blockflöte und Akkordeon mistischer Mensch – und das, obwohl sie spielten sie Märsche, die die Gefangenen zwei Jahre im Konzentrationslager Theresiauf ihrem Hin- und Rückweg zur Arbeit enstadt verbringen musste. Dort munterte begleiten und Auszüge bekannter Opern, sie ihre Mithäftlinge mit ihrem Klavierspiel die die Soldaten unterhalten sollten. „Dieauf, und auch viele Jahre später antwortete selben Monster, die in der Lage waren, sie auf die Frage, was ihr die gute Laune kaltblütig ein Kind vor den Augen seiner erhalten habe, stets mit: „Spiele Klavier.“ Mutter zu töten, konnten weinen, wenn Sie sagte: „Ich bin zwar jüdisch, aber Beetsie ein Kunstlied hörten“, erinnerte sich hoven ist meine Religion.“ Bis zu ihrem Jacquet-Silberstein in ihrer Autobiografie. Tod spielte sie jeden Tag Klavier – aus 15 Monate nach ihrer Ankunft in Auschder Erinnerung, weil sie die Noten schon witz wurde sie nach Bergen-Belsen lange nicht mehr lesen konnte. Sie bekam gebracht, im selben Transport wie Anne gern Besuch und trug Converse-TurnFrank. Nach der Befreiung durch die Brischuhe, um nicht zu stürzen. Ein 38-minüten am 15. April 1945 tauschte sie die Geige tiger Dokumentarfilm über ihr Leben, gegen eine Gitarre und begann in franzö„The Lady in Number 6 – Music Saved my sischen Kabaretts zu singen. Sie ging an Life“, ist für einen Oscar nominiert. Mit Schulen und erzählte ihre Geschichte. Vio110 Jahren ist Alice Herz-Sommer in Lonlette Jacquet-Silberstein wurde 88 Jahre alt. (siehe auch Kolumne S. 98) don gestorben.

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Fotos: Terry Linke; Priska Ketterer / Lucerne Festival

And ris N el so ns


hören & sehen • •

Die besten CDs & DVDs des Monats von Oper über Jazz bis Tanz Anna Marija Markovina spricht über ihr Erweckungserlebnis mit den Werken von C. P. E. Bach (Seite 44) Christoph Schlüren über Entdeckungen von Stokowski (Seite 43)

Artemis Quartet

Ein Klang-Kaleidoskop op. 80, das kurz nach dem Tod von Mendelssohns Schwester Fanny entstand. Die Aufnahme ist ein sich unaufhörlich drehendes Klang-Kaleidoskop: unschuldige, fast kindliche Melodien wechseln mit satten, dann wieder schroff-ungestümen, erschütternden Passagen ab. Das aktuelle Pressefoto passt erstaunlich gut zur Platte: es ist eine musikalische Reise, auf der es viel zu entdecken und zu hören gibt. CN

„Mendelssohn“ Artemis Quartet (Erato)

Foto: Molina Visuals

Vor ziemlich genau einem Jahr stellte das Artemis Quartet seine neue erste Geigerin vor, die Lettin Vineta Sareika. Sie wollten den Besetzungswechsel als Chance sehen, sagt das Quartett – das Gute bewahren und die neuen, hinzukommenden Qualitäten aufnehmen. Auf ihrer ersten gemeinsamen CD-Einspielung in Neubesetzung zeigen sie, wie intensiv sie als neues Quartett schon zusammengewachsen sind. Sie spielen drei Streichquartette von Mendelssohn aus völlig unterschiedlichen Perioden: op. 13, op. 44/1 und

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Die wichtigsten CDs des Monats, ausgewählt von Attila Csampai

Exoten, AuSSenseiter & Newcomer Vergessene Meisterwerke und unterschätzte Interpreten stehen im Mittelpunkt der aktuellen CD-Auswahl unseres stets neugierigen Chefrezensenten.

W. A. Mozart: „Le nozze di Figaro“ Simone Kermes, Andrei Bondarenko, Christian von Horn, Fanie Antonelou, MusicAeterna, Teodor Currentzis (Sony Classical)

cat, die erste seiner vier späten bahnbrechenden „Orchester-Sinfonien“ und schließlich den kurzen Chorsatz Heilig, den Bach für seine beste geistliche Komposition hielt. Dieses historische Programm hat nun der von Hans-Christoph Rademann geleitete RIAS Kammerchor gemeinsam mit der 40-köpfigen Berliner „Akademie für Alte Musik“ und vier exzellenten Solisten zum 300. Geburtstag des Komponisten neu eingespielt und mit großem Engagement und wunderbar fließenden Tempi ein extravagantes Plädoyer für den noch immer unterschätzten Bach-Sohn geliefert. Neben der irrealen Schönheit der zwischen himmlischem Engelsgesang und dem irdischem Chor der Völker wechselnden Heilig-Mottete wirkt die zahnradhafte Logik und der rhythmische Witz seiner D-Dur-Sinfonie wie ein Sprengsatz des Experimentellen: Hier wird die Barockmusik mit ihren eigenen Mitteln ausgehebelt.

Mozarts Le nozze di Figaro ist die fortschrittlichste Oper überhaupt, die völlige Inbesitznahme des Theaters durch die Musik. Die beiden letzten Jahrhunderte aber hätten ihr revolutionäres Potenzial weitgehend eliminiert – meint auch Teodor Currentzis, der exzentrische Opernchef der russischen Ural-Metropole Perm, und so nahm er sich vor, in seiner Debütproduktion für sein neues Label Sony den ursprünglichen subversiven Geist und die Magie dieses „tollen Tags“ wiederherzustellen. Es ist die kompromissloseste Studioaufnahme der Oper, die ich je gehört habe, mit atemlosen Tempi, einer gnadenlosen Detailpräzision im Orchester und einer hochmotivierten, aus ganz Europa rekrutierten jungen Sängercrew, die L. v. Beethoven: „Klaviersonaten“ Alexej Gorlatch (Oehms Classics) bereit war, sich mit höchster Sorgfalt, Demut und Leidenschaft einzufügen in das von der Partitur vorgegebene hochkomplexe Geflecht Man muss schon etwas Neues zu sagen haben, von inneren und äußeren Aktivitäten, und so völlig aufzugehen in wenn man sein erstes Beethoven-Soloalbum Mozarts nervöser Seelenseismographie. Die Strenge und Perfektion gleich mit drei so populären Sonaten bestückt, der musikalischen Architektur wird dabei ständig durchbrochen und sich erdrückender Konkurrenz stellt: Aber durch die frechen und erfrischenden Kommentare des improvisieder erst 25 Jahre alte, in Deutschland aufgerenden Fortepianospielers, der in der lebendigen Rolle des Narren wachsene Ukrainer Alexej Gorlatch fiel schon beim ARD-Wettbeden entscheidenden Bezug zu unserer Gegenwart herstellt: So muss werb 2011, den er souverän gewann, aus dem Rahmen üblicher Mozart im 21. Jahrhundert klingen. Kraftmeierei: Jetzt fesselt er uns schon in den ersten Takten der Pathétique durch seine feinstoffliche Präzision, durch seine akribisch genaue Umsetzung von Beethovens Notentext. Gorlatch ist C. P. E. Bach: „Magnificat“ RIAS Kammerchor, Akademie für Alte Musik Berlin, ein Meister der leisen Töne, ein Ästhet und Feinmechaniker, der Hans-Christoph Rademann (Harmonia Mundi) selbst in den rasanten Kopfsätzen der Pathétique und der SturmsoTrack 10 auf der crescendo Abo-CD: „Heilig, heinate oder im explosiven Schluss-Satz der Mondscheinsonate nie ins lig, heilig ist Gott“ aus: „Heilig ist Gott Wq 217“ Grobe oder Brutale abdriftet, sondern allen Furor aus Beethovens Am 9. April 1786, also drei Wochen vor der Wie- geheimnisvoller Piano-Kultur entwickelt. So verleiht er auch den ner Premiere von Mozarts Figaro, dirigierte der langsamen Sätzen große Innenspannung und krönt seinen emp70-jährige Carl Philipp Emanuel Bach in Hamburg ein Benefizkon- findsamen Lyrismus durch eine geradezu träumerisch-entrückte, zert, in dem er u.a. drei exemplarische Werke aus eigener Feder vor- zärtliche Interpretation des berühmten Kopfsatzes der cis-Mollstellte: das bereits 1749 komponierte prächtige neunteilige Magnifi- Sonate op.27/2. 32

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THE

Free Fall – Cellosonaten von Mendelssohn und Schostakowitsch u.a. Wassily Gerassimez, Nicolai Gerassimez (Genuin)

Free Fall nennen die musikbesessenen Brüder Wassily (Cello) und Nicolai (Klavier) Gerassimez ihre erste gemeinsame CD. Sie belegt eindringlich, dass auch hierzulande herausragende Talente heranreifen. Die beiden gebürtigen Essener gewannen zuletzt den Deutschen Musikwettbewerb in der Sparte Cello und Klavier. Ihr Debüt-Programm mit Mendelssohns furioser zweiter Cellosonate (op. 58) und der elegisch-expressiven d-Moll-Sonate Schostakowitschs zeugt von Mut und Risikobereitschaft, und sie meistern diesen „freien Fall“ mit ungestümer Spielfreude, jugendlicher Frische und einer unerschütterlichen Souveränität, die großes Potenzial anzeigt und den Zuhörer öffnet für die tieferen Schichten dieser wunderbaren Werke. Dass diese beiden Vollblutmusiker vor allem positive Energien verströmen, den Lebenspuls der Musik entfachen wollen, zeigen auch ihre vom Jazz inspirierten, frechen Zugaben, darunter hinreißende neue Paganini-Variationen des türkischen Exzentrikers Fazil Say.

LEONARD BERNSTEIN COLLECTION

“Bizet / Fauré / Gounod“ Orchestre de la Suisse Romande, Kazuki Yamada (Pentatone)

Ballett- oder Theatermusiken, die in den Konzertsaal gelangen, werden vom Publikum geliebt, von den „symphonischen“ Dirigenten oft nicht ernst genommen: So gelingt es nur wenigen, neben der reinen Musik auch die ganz besondere Bühnenatmosphäre solcher Stücke im Klang mit einzufangen. Auf der neuen SACD des traditionsreichen „Orchestre de la Suisse Romande“ gelingt dies dem jungen japanischen Dirigenten Kazuki Yamada mit mitreißendem choreografischem Schwung. In Gounods elegant-kapriziöser Ballettmusik zu seiner Oper Faust glaubt man sogar eine imaginäre Tanzbühne vor sich zu sehen, auf der die schönsten Frauengestalten der Antike den alternden Faust umgarnen. Auch in den beiden Arlésienne-Suiten von Bizet und den filigranen Masques et Bergamasques von Fauré zeigt der 34-jährige „Principal Guest Conductor“ des OSR ein phänomenales Gespür für den rhythmischen Elan und den inneren Sog dieser stilisierten Tänze, sodass sie hier unglaublich frisch und spannungsreich daherkommen. SLIXS: „Quer Bach A Capella“ SLIXS (Raumklang)

Meine letzte CD-Empfehlung bietet zwar nur 18 Minuten Spielzeit, aber es sind 18 Minuten puren Hör-Glücks: „Auslöser“ des Albums „Quer Bach“ des ostdeutschen Vokalsextetts SLIXS war ein Kinofilm, für den die bis dahin in Jazz- und Bluessphären agierende A-Cappella-Formation die Musik J. S. Bachs für sechs Solostimmen bearbeiten sollten. Heraus kam eines der faszinierendsten Vokalalben der letzten Jahre, das einen an die jazzigen Arrangements der „Swingle Singers“ aus den 1960er Jahren erinnert, das aber dann doch sehr viel tiefer und berückender hineinleuchtet in die geistigen und seelischen Mysterien von Bachs Kontrapunkt. Man ist augenblicklich verzaubert und gebannt von der Musikalität, der Homogenität, der phänomenalen Intonation und der ekstatischen Intensität dieser sechs Weltklasse-Performer aus Berlin, Dresden, Leipzig und Halle, die seit 15 Jahren zusammenarbeiten, sich aber erst seit kurzem SLIXS nennen. Ein weiteres großes Bach-Album ist jetzt fällig! 33

THE LEONARD BERNSTEIN COLLECTION VOLUME ONE SÄMTLICHE AUFNAHMEN FÜR DIE DEUTSCHE GRAMMOPHON 59 CDs + DVD „The Making of West Side Story” Streng limitierte Edition im Deluxe-LP-Format 40-seitiges Deluxe-Booklet mit einem Vorwort von Jamie Bernstein, der Tochter des Dirigenten Sämtliche Aufnahmen von Beethoven, Brahms, Bernstein, Haydn, Copland und Werke von Debussy, Bruckner, Dvoˇrák u.v.m.

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h ö r e n & s e h e n

Linus Roth

Unerwartet gute Kombi

Foto: Linusroth.com

Solo

Eine unerwartet gute Kombination: Das emotionale Britten-Konzert trifft auf Weinbergs sinistres Concerto Op. 67 (nicht zu verwechseln mit dem musikalisch viel lyrischeren Concertino). Linus Roth hatte sich 2013 mit der Gesamtaufnahme der WeinbergViolinsonaten viele Sympathien erspielt. Nun legt er nach – mit einem Album, das einen sensationellen HifiSound mitbringt. Roths Stärke ist die Emotion: individuelles Ausgestalten bis hin zum Knarzen/Kratzen, ein Accelerando, das einem die Sprache verschlägt, Spannung pur – das ist Linus Roth! Im Vergleich zu Britten-

Solo

Referenzen der jüngeren Zeit (etwa der 2004er-Einspielung von Daniel Hope) wird deutlich, dass Roth noch nicht ganz in dieser Liga geigt. Aber er ist auf dem besten Weg. Ein Extrakompliment geht an das unglaublich furios aufspielende DSO Berlin unter Mihkel Kütson. Es macht aus dieser SACD erst das ganz große Kino! RA

Benjamin Britten & Mieczysław Weinberg: „Violin Concertos“ Linus Roth, Deutsches Symphonie-Orchester Berlin, Mihkel Kütson (Challenge)

Alte Musik

Peter Whelan, Ensemble Marsyas

Norwegian Baroque Orchestra

Macht Liebe blind?

Feinsinniger Klangzauber

Dieses Album macht es dem Rezensenten nicht leicht. Es enthält so überwältigend schöne Musik, dass man gar nicht anders kann, als sich auf den ersten Blick zu verlieben. Man möchte am liebsten gar nicht kritisieren. Aber es hakt doch manches im Orchester, der Aufnahmesound hat viele Nebengeräusche und unter dem Aspekt kompositorischer Qualität ist das eine oder andere dabei, das man als „schnell gestrickt“ identifiziert. Ja, auf dieser SACD stehen eher profane (aber eben sehr nett anzuhörende) Gelegenheitskompositionen neben großer Kunst aus der Feder Couperins, Faschs oder Telemanns. Solist Peter Whelan ist ein Phänomen auf dem Barockfagott. Wie viel Farbe und Lyrismus er aus diesem schwierig beherrschbaren Instrument herausholt, nötigt einem tiefen Respekt ab. Im Vergleich zu seinem Ensemble Marsyas spielt er in einer ganz anderen Liga. Dieser Kontrast ist leider manchmal hörbar. RA

Wenn man in einer musikalischen Familie aufwächst, dann ist das oft ein fruchtbarer Nährboden für künstlerische Ergüsse, die sich über Generationen fortsetzen. Gutes Beispiel: die dänisch-norwegische Familie Berlin, die im 18. Jahrhundert komponierte. So ist es ein purer Grund zur Freude, dass sich das Norwegian Baroque Orchestra unter Gottfried von der Goltz dazu entschieden hat, vier Sinfonien und ein Violinkonzert aus der Feder von Sohn Johan Heinrich und Vater Johan Daniel Berlin nun erstmalig einzuspielen. Insbesondere der warme und feinsinnige Streicherklang überzeugt ab der ersten Note und begeistert durchgehend mit liebevoller und ausgewogener Klanggestaltung. Gottfried von der Goltz kennt man sonst als künstlerischen Leiter des Freiburger Barockorchesters. Hier übernimmt er neben der Leitung des Norwegian Baroque Orchestra auch den Part der Solovioline in Johann Daniel Berlins Violinkonzert in A-Dur. Mit barocker Anmut lässt er so filigrane Klangwelten entstehen, dass man sofort die Ohren spitzt. Bravo! KK

„The Proud Bassoon“ Peter Whelan, Ensemble Marsyas (Linn) 34

„Johan Daniel & Johan Heinrich Berlin“ Norwegian Baroque Orchestra, Gottfried von der Goltz (Simax) www.crescendo.de

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Impressum Orchester

Aram Khatschaturian

Feuerwerk und Eleganz Mit dieser 5-CD-Box präsentiert uns Melodiya zwischen 1946 und 1987 entstandene Aufnahmen von berühmten und unbekannten Orchesterwerken des großen Armeniers Aram Khatschaturian, des neben Schostakowitsch und Prokofieff erfolgreichsten Sowjetkomponisten. Der Meister selbst leitet ergreifend seine hochdramatische 2. Sinfonie im Jahr vor seinem Tod, eine Gayaneh-Suite und eine Suite aus der Filmmusik zur Schlacht um Stalingrad. Besondere Highlights: das Violin-Konzertstück mit Leonid Kogan und Kondraschin, Spartacus-Auszüge unter Alexander Gauk, eine sehr schön gestaltete Maskerade-Suite unter Veronika Dudarova und die selten gegebene Suite zur Witwe von Valencia – höchst elegante Musik zwischen ergreifender Elegie und furiosem Feuerwerk. An Raritäten sind außerdem die Filmsuite aus Otello, das überwältigend bombastische, großformatige Poème solennel, eine musikantische Begrüßungs-Ouvertüre und die Fantasie über russische Themen zu hören. Eine hinreißende Begegnung! CS

Aram Khachaturian: “Spartacus (Anniversary Edition)” Moscow Philharmonic Orchestra u. a. (Melodiya)

Verlag Port Media GmbH, Rindermarkt 6, 80331 München Telefon: +49-(0)89-741509-0, Fax: -11 info@crescendo.de, www.crescendo.de Port Media ist Mitglied im Verband Deutscher Zeitschriftenverleger und im AKS Arbeitskreis Kultursponsoring

Herausgeber Winfried Hanuschik | hanuschik@crescendo.de

Verlagsleitung Petra Lettenmeier | lettenmeier@crescendo.de

Chefredakteur Robert Kittel (RK, verantwortlich)

Art director Stefan Steitz

REdaktion Anna Novák (AN)

schlussREdaktion Edigna Hackelsberger

Autoren Tobias Haberl, Teresa Pieschacón ­Raphael (TPR), Antoinette Schmelter de Escobar (SDE)

Kolumnisten

Mariss Jansons

Interpretation fantastique Mariss Jansons und sein Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks sind seit Jahren ein Garant für künstlerisch hochwertige, spannende und detailgenau musizierte Interpretationen. Mit Hector Berlioz’ Symphonie fantastique liegt nun in einem Live-Mitschnitt ein Paradestück dieser Paarung vor. Jansons führt diese Tour de force durch romantische Chiffren und Gefühlswelten seit langem regelmäßig auf, und so profitiert diese Einspielung von einer Vielzahl offengelegter Details. Es ist ein obsessives Eintauchen in Berlioz’ raffinierte Orchestersprache, mit überbordender Spielfreude in den exzellenten Holzbläsern, Brillanz im massierten Klang des Blechs und duftigen Streicherpassagen. Das imaginäre Theater Berlioz’ wird zu musikdramaturgisch größter Wirkung gebracht, nicht nur, weil hier Proportionen und Balance ideal austariert erscheinen, sondern weil es gelingt, plattes Sentiment zu unterdrücken und einen ebenso lebendigen wie präzisen, vor allem aber spannungs- und klangfarbenreichen Erzählton zu finden, der den Hörer vom ersten Takt an mitnimmt. US

Attila Csampai, Daniel Hope, John Axelrod, Axel Brüggemann, Christoph Schlüren (CS)

Mitarbeiter dieser Ausgabe Angelika Rahm (AR), Uwe Schneider (US), Klaus Härtel (HÄ), Stefanie Paul, Götz Bühler (GB), Rainer Aschemeier (RA), Malve Gradinger (GRA), Hartmut Krafczyk, Carla Neumann (CN), Julia Hartel (JH), Maximilian Stössel (STÖ), Sina Kleinedler (SK), Antonia Emde, Katherina Knees (KK), Martina Drechsler, Dorothea Walchshäusl, Annette Zerpner, Holger Wemhoff, Stefan Sell & Bob Coat.

Projektleitung plus regional Liselotte Richter-Lux | richter-lux@crescendo.de

Verlagsrepräsentanten Tonträger: Petra Lettenmeier | lettenmeier@crescendo.de Kulturbetriebe: L. Richter-Lux | richter-lux@crescendo.de Hifi & Marke: Heinz Mannsdorff | mannsdorff@crescendo.de Verlage: Hanspeter Reiter | reiter@crescendo.de

Auftragsmanagement Petra Lettenmeier | lettenmeier@crescendo.de Anna Hermann | hermann@crescendo.de

Gültige Anzeigenpreisliste Nr. 17 vom 16.09.2013

Druck

Berlioz/Varèse: „Symphonie fantastique/Ionisation“, Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Mariss Jansons (BR Klassik)

Westermann Druck, Georg-Westermann-Allee 66, 38104 Braunschweig

Vertrieb Axel Springer Vertriebsservice GmbH, Süderstr. 77, 20097 Hamburg www.as-vertriebsservice.de

Tanz

Giselle

Erscheinungsweise

Solisten im Liliput-Format

crescendo ist im Zeitschriftenhandel, bei Opern- und Konzert­häusern, im Kartenvorkauf und im Hifi- und Tonträgerhandel erhältlich. Copyright für alle Bei­träge bei Port Media GmbH. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers, nicht unbedingt die der Redaktion wieder. Nachdruck und Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos wird keine Gewähr übernommen.

Im romantischen Ballett – Beispiel Giselle – schweben die Arme in eine weiche Linie hinein. Im rein klassischen dagegen werden sie noch barockhöfisch geführt. Somit ist Marius Petipas 1890 in St. Petersburg uraufgeführtes Tschaikowsky-Dornröschen wohl das klassischste Ballett überhaupt. Und es ist anzunehmen, dass die Version von 1952 des großen Klassik-Bewahrers Konstantin Sergeyev für sein damaliges Ensemble, das elitäre St. Petersburger Kirov-, heute wieder Mariinsky-Ballett, möglichst Petipa-getreu ist. Von daher ist diese DVD historisch wertvoll. Allerdings ist der Mitschnitt anlässlich des Montreal-Gastspiels 1989 bei häufiger Supertotalen und daher zu Winz-Playmobil geschrumpften Tänzern ziemlich ermüdend. In der Halbtotalen sind die Beine oft abgeschnitten. Trotz Nahaufnahmen bleiben die Solisten im Liliput-Format. Immerhin ist die damals 20-jährige Larissa Lezhnina eine technisch feine, anmutige Aurora und der exotische Farukh Ruzimatov ein Sprung-eleganter Prinz Désiré. GRA

Peter Illjitsch Tschaikowski: „The Sleeping Beauty“ The Kirov Ballet, Viktor Fedotov (Arthaus)

Abonnement Das crescendo premium-Abo umfasst sieben Ausgaben, inklusive­„crescendo Festspiel-Guide“ und zusätzlich sechs exklusive heftbegleitende premium-CDs und kostet 49,90 EUR pro Jahr inkl. MwSt. und Versand (Stand: 1.1.2012). Versand ins europ. Ausland: zzgl. EUR 3,- je Ausgabe Bank-/Portospesen. Zahlung per Rechnung: zzgl. EUR 5,Bearbeitungsgebühr. Kündigung: nach Ablauf des ersten Bezugsjahres, jederzeit fristlos. Abo-Service crescendo, Postfach 13 63, 82034 Deisenhofen Telefon: +49-89-8585-3548, Fax: -362452, abo@crescendo.de Verbreitete Auflage: 69.123 (laut IVW-Meldung 4/2013) ISSN: 1436-5529 geprüfte Auflage

Beilagenhinweis: Diese Ausgabe enthält (Teil-)Beilagen/Beihefter von RSD Reise Service Deutschland, CLASS und der Deutschen Mozart-Gesellschaft.

Das nächste crescendo erscheint Am 04.06.2014

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Ana Marija Markovina

„Bis er mein Schatten wurde“

Foto: Harald Hoffmann

Ana Marija Markovina hat C. P. E. Bachs Klavierwerk komplett aufgenommen. Eine Spurensuche, die das Leben der Pianistin veränderte.

Es gab Tage, bekennt Ana Marija Markovina, da habe sie sogar von CPE geträumt. Manchmal waren es Albträume, in der Art: „Werde ich die Sonate finden, die ich am nächsten Tag spielen muss? Manchmal aber auch Träume, in denen ich vor ihm fast auf die Knie falle vor Ehrfurcht.“ CPE aber habe immer wieder in ihren Träumen gesagt: „Es ist alles gut.“ Und es wurde alles gut. Das Box-Set ist nun auf dem Markt, rechtzeitig zum 300. Geburtstag von Carl Philipp Emanuel Bach. Über 200 Werke, über 2000 Minuten Musik auf weit über 20 CDs. In fast zweimal zwanzig Tagen aufgenommen. Ein Mammut-Unternehmen, das einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde verdient hätte. „Ein Genie!“, schwärmt die deutsche Pianistin mit kroatischen Wurzeln von Carl Philipp Emanuel Bach. Niemals wird sie den Moment vergessen, als sie 2004 für ein Konzert in Chemnitz die Noten für das d-Moll-Konzert Wq 23 bestellte. „Als ich das Notenbild sah, habe ich die Partitur sofort wieder zugeklappt. Ich dachte: Was ist denn das für eine Musik?!“ Sie war verwirrt, witterte ein Geheimnis und wollte unbedingt dahinter kommen. Der Beginn einer tiefen Leidenschaft: „Ich kann es nicht anders beschreiben.“ In Chemnitz war CPEs Klavierkonzert d-Moll mitgeschnitten worden. Später kam das in a-Moll hinzu. Dann entdeckte Markovina CPEs Württembergische Sonaten und die Preußischen Sonaten. Bald war klar, dass nur sie das Gesamtwerk für das Jubiläum 2014 einspielen konnte. Auf was sie sich da eingelassen hatte, ahnte Markovina zunächst nicht. Etwa zwei Drittel des Klavierwerks ist veröffentlicht, der Rest „in der ganzen Welt“ verstreut, „in Afrika und sonstwo“. Viele Noten bekam sie als Druckentwurf, als PDF „noch vor der Veröffentlichung“. „Ich war die erste, die in Wq 65 blicken durfte! Und in Wq 118!“ („Wq“ nach Alfred Wotquenne, der 1905 CPEs Werk als Erster katalogisierte), erzählt sie euphorisch – trotz der vielen Fehler, der nicht ausgeschriebenen Verzierungen. „Allein wenn man das Notenbild von Vater Bach und Sohn vergleicht“, stöhnt sie. „Beim Vater Bach alles so schön ordentlich: die Achtel, die Sechzehntel. Beim Sohn: absolutes Chaos! Als ob jemand Samen gesät hätte über ein Feld, völlig chaotisch, viele 32-stel, vieles überpunktiert!“ Ob sie all dies schaffen könnte? 36

Mehr noch: Die Verantwortlichen für die Produktion drängten, wollten die Anzahl der CDs festlegen, fragten ständig, wie lang sie denn die Dauer pro Sonate einschätze. Woher sollte sie das wissen? Sie hatte ja noch nicht mal alle Noten. Sie machte sich dennoch ans Werk. An über 150 Sonaten „plus Variationen, Fantasien, Rondos, Menuette, Polonaisen, Charakterstücke, Singoden, Concerti und Symphonien für Clavier solo etc.“ Das ging nur mit eiserner Disziplin. „Nach meiner Berechnung musste ich auf 55 Minuten produzierte Musik pro Aufnahmetag kommen. Der Tonmeister hatte es besser, er teilte sich die Arbeit mit einem anderen“. Doch sie war so inspiriert, dass alles aus ihrem (modernen!) Bösendorfer „ins Mikrofon“ zu fließen schien: „Er zeichnet sehr schön, er spricht, vermischt sich gut in der Mittellage: Läufe, die nah beieinander liegen, klingen wie Glissando, obwohl es kein Glissando ist. Gleichzeitig kann man sehr präzise sein. Ich spiele ja keinen Rachmaninoff.“ Die sechseinhalb Wochen vergingen wie im Rausch. „Ich arbeitete wie eine Wahnsinnige. Von morgen bis abends Carl Philipp, zehn Stunden pro Tag“, bis der ihr „Schatten“ wurde „und ich seiner“. Gleichzeitig durfte sie nicht ihre anderen Verpflichtungen als Konzertpianistin vergessen. Und auch nicht ihren Mann und die kleine Tochter. Was ist denn so besonders an der Musik von CPE, dass man all dies auf sich nimmt? „Der Vater hat Monumente in die Welt gesetzt … der Sohn reißt auseinander, was der Vater hermetisch geschaffen hat, und bringt etwas ins Spiel hinein, das es bis dahin so noch nicht gegeben hat: die Subjektivität. Ich bin, weil ich fühle. Ich kenne Wut, ich kenne Enttäuschung, ich kenne Raserei, ich kenne Humor. CPE Bachs Musik hat mein Spiel, mein Gehirn, meine Seele und mein Bild anderer Komponisten völlig verändert. Seine Musik ist für mich Inspiration fürs Leben.“ Teresa Pieschacón Raphael C. P. E. Bach: „The Complete Works for Piano solo“ Ana Marija Markovina (Hänssler Classic) Track 7 auf der crescendo Abo-CD: „Klaviersonate c-Moll Wq 65,31“

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Foto: B. Ealoveg a

Solo

Ludwig van Beethoven: „Klaviersonaten Vol. 2“ Jean-Efflam Bavouzet (Chandos) Jean-Efflam Bavouzet

Experimentierfreudiger Purcell

Schon mit der ersten von drei Folgen seiner Gesamteinspielung von Beethovens Klaviersonaten hatte Jean-Efflam Bavouzet einen so makellosen wie charaktersicheren und sinnfällig strukturierten Eindruck hinterlassen. Nun Teil 2: die elf Sonaten op. 22-53, und wir dürfen sicher sein, dies ist der neue ReferenzZyklus, ohne Mätzchen und prätentiöse Übertreibungen, von erlesener Finesse, leuchtender Intensität, inniger Poesie, ohne die Zwanghaftigkeit hektischer Temponahmen ebenso wie ungefährdet von nachromantischer Rubato-Exzentrik. Es mag noch so ausdrucksgeladen sein, das Momentum geht Bavouzet nicht verloren. Im Detail mag hier und da noch ein Wunsch offenbleiben, doch das ist der Preis umfassender Aufnahmeprojekte. Ein wahrhaft reifer Künstler von aristokratischer Souveränität und bezwingendem Formsinn. Auch tontechnisch rundum gelungen, mit intelligent informativem Booklet. Uneingeschränkt zu empfehlen. CS

Der Wiedererkennungswert ist bei jedem Stück da. Denn die von Henry Purcell komponierten Basslinien und Melodien bleiben absichtlich unangetastet. Um sie herum improvisiert die Lautistin Christina Pluhar auf „Music for a while“ gemeinsam mit ihrem Ensemble L’Arpeggiata sowie zwei weiteren Solisten und vier Sängern freischwebend zwischen verschiedensten Stilen. Der daraus resultierende Mix klingt genauso gut nach alter Musik und fröhlichen Volkstänzen wie nach Jazz, Country und Klezmer. „Wir wollten die erstaunliche Aktualität von Purcells Musik unterstreichen“, skizziert Christina Pluhar das Ziel ihres Vorhabens, das den Zuschauer in einen „zeitlosen Musikraum“ versetzen soll. Spürbar sind bei diesem geglückten Unterfangen die Spiel- und Experimentierfreude aller Beteiligten, die vom Countertenor Philippe Jarouss­k y bis zum Jazz-Klarinettisten Gianluigi Trovesi hervorragend harmonieren. Bonus-Track ist ein hauchzart intoniertes Hallelujah von Leonhard Cohen. SDE

„Music for a while. Improvisations on Purcell“ L᾽Arpeggiata, Christina Pluhar (Erato)

Bamberger Symphoniker

BrillAnte & Con BrAvurA Solisten der

Tudor 7192 SACd HYBrId

www.classicsonline.com · www.tudor.ch Naxos deutschland · Gramola Wien · Tudor Zürich

Tudor 7184 SACd HYBrId

Wiener Philharmoniker & Berliner Philharmoniker

Tudor 7174 Cd

Tudor 7162 SACd HYBrId

Tudor 7191 SACd HYBrId

L‘Arpeggiata

Finesse, Intensität, Poesie

Gustav Mahler Jonathan Nott

Tudor 7176 SACd HYBrId

Neue Welten

Wiener Zauberflöten! Ein doppeltes Vergnügen: die virtuosen Duos der Doppler-Brüder.

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Orgel und Trompete: barocke Lebensfreude, meisterhaft und brillant interpretiert.


Brilliant Classics bei jpc

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Carl Philipp Emanuel Bach

Carl Philipp Emanuel BachEdition Orchesterwerke · Kammermusik · Klavierwerke · Orgelwerke · Vokalwerke Barbara Schlick, Christoph Pregardien, Stephen Varcoe, Gotthold Schwarz, Venceslava Hruba-Freiberger, Peter Schreier, Olaf Bär, Pieter-Jan Belder, Federico Guglielmo, Paolo Pandolfo, Rheinische Kantorei, Collegium Pro Musica, Das Kleine Konzert, Musica ad Rhenum, Kammerorchester Carl Philipp Emanuel Bach, Concertgebouw Chamber Orchestra, Jed Wentz, Hartmut Haenchen, Hermann Max

30 CDs 353 88 87

Brilliant, ADD/DDD, 1984–2013

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49,99

Foto: Harald Hoffmann

Zum 300. Geburtstag Oper Parsifal

Ein Höhepunkt des Wagner-Jahres Der Parsifal der New Yorker Met wurde als einer der wenigen wirklichen Höhepunkte des Wagnerjahres 2013 gefeiert. Nun kann man das auf DVD überprüfen. Bezwingend zunächst die naturpoetischen, suggestiven Bilder, die das Team um den kanadischen Regisseur FranÇois Girard geschaffen hat. Ein Bühnenzauber mit behutsamer Aktualisierung ins Zeitlose und Universelle des Mythos’ vom tumben Toren Parsifal, der zum Wissenden wird. Jonas Kaufmann gibt diesen mit intensivem Spiel und dem baritonalen Fundament seiner sich zu kräftigen Ausbrüchen aufschwingenden Stimme. René Papes Gurnemanz ist voller Fülle des Wohllauts das ruhende Zentrum der Aufführung, Peter Matteis Amfortas der dramatisch bewegende Gegenpol. Nur die emotionale Kundry Katarina Dalaymans fällt da mit unruhiger Stimmführung ab. Daniele Gatti gibt allem viel Raum und Zeit – für die einen eine kontemplative Sicht, für andere vielleicht zu breit und zergliedert. Ein „Jahrhundert-Parsifal“, wie stolz auf der Hülle prangt, ist es vielleicht nicht, aber sicherlich eine der besten Produktionen des ansonsten weitgehend enttäuschenden Wagnerjahres 2013. US

Richard Wagner: „Parsifal“ Jonas Kaufmann, René Pape, Peter Mattei, Katarina Dalayman, Evgeny Nikitin, Daniele Gatti, Metropolitan Opera (Sony)

Ariadne auf Naxos

Sämtliche Orgelwerke

Historisches Juwel

Luca Scandali/Dell’Orto & Lanzini-Orgel Parish Church Santa Maria Assunta, Vigliano Biellese

2 CDs 404 68 16

Brilliant, DDD, 2013

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13,99

Für Kenner und Liebhaber

Die schwarz-weiße Bildqualität erinnert an Dinner for one und das Tonformat ist nur mono. Doch sobald Karl Böhm den Taktstock zum Vorspiel von Ariadne auf Naxos hebt, fängt das historische Juwel an zu funkeln. Der Zauber dieser Salzburger Festspielaufführung von 1965 wirkt noch heute. Das liegt zum einen an Karl Böhm, dem Uraufführungsdirigenten einiger Strauss-Opern, der hier erneut seine geballte Kompetenz zeigt: Er leitet die Wiener Philharmoniker zutiefst kammermusikalisch, findet für das Vorspiel einen natürlich-lockeren Parlandoton und kostet in der Oper die gegensätzliche Tonsprache von mythologischer und buffonesker Handlung aus. Zum anderen agiert in Günther Rennerts uneitler, stimmiger Inszenierung eine einzigartige, geradewegs dem Lexikon legendärer Strauss-Stimmen entstiegene Sängerriege. Allen voran die hinreißende, vom Publikum zurecht stürmisch gefeierte Reri Grist als Zerbinetta. AR

Richard Strauss: „Ariadne auf Naxos“ Erik Frey, Paul Schöffler, Sena Jurinac, Kurt Equiluz, Jess Thomas, Reri Grist, Wiener Philharmoniker, Karl Böhm (Arthaus)

Sammlung 1–6 Pieter-Jan Belder, Hammerklavier & Clavichord

5 CDs 306 23 91

Brilliant, DDD, 2012

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Symphonien Wq. 174, 175, 178, 179, 181 »Berliner Symphonien« Kammerorchester CPE Bach, Hartmut Haenchen

CD 404 68 22

Brilliant, DDD, 1985

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Written on Skin

19,99

8,99

Diese und weitere Titel finden Sie im Internet unter www.jpc.de/ brilliant-classics Oder bestellen Sie telefonisch unter 0180 / 525 17 17

Gesamtkunstwerk Der Kern dieser neuen Oper ist alt: Für sein Libretto zu Written on Skin packte der Dramatiker Martin Crimp eine Troubadour-Ballade aus dem 13. Jahrhundert – die Dreiecksgeschichte von einem Gutsbesitzer und dessen blutiger Rache für die Liebesbeziehung seiner Frau mit dem von ihm engagierten Buchmaler – in einen zeitgenössischen Rahmen. Den Zuschauer gleichzeitig bannend und distanzierend zieht sich der Wechsel zwischen historischer und moderner Erzählebene konsequent durch die gesamte Opernproduktion: Er prägt Bühnenbild und Inszenierung und spiegelt sich in George Benjamins dichter, kontrastreicher, farbiger Musik, die erzählt, beschreibt oder kommentiert. So entstand ein großartiges Gesamtkunstwerk, das schon bei der Uraufführung 2012 einhellig und frenetisch gefeiert wurde, wozu nicht zuletzt auch die drei überragenden Hauptdarsteller Barbara Hannigan, Bejun Mehta und Christopher Purves beitrugen. AR

George Benjamin: „Written on Skin“ Barbara Hannigan, Bejun Mehta, Christopher Purves (Opus Arte)

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Film

300 Jahre arl Philipp Emanuel Bach

Soundbreaker

Alles andere als angepasst

Wenn Kimmo Pohjonen spielt, stöhnt und rauscht sein Akkordeon, tobt wie ein Gewitter, wirbelt durch Tonleitern und Akkorde. Normen sind definitiv nicht das Ding des Finnen, genauso wenig wie irgendwelche Trends. Stattdessen geht er unbeirrbar seinen Weg. Wie er den fand, erklärt Kimmo Koskela in seinem Dokumentarfilm „Soundbreaker“. Angepasst war Pohjonen nämlich nur als Kind und Jugendlicher. Während seines Studiums an der Sibelius-Akademie entdeckte er allmählich seine wahre Stimme. Für zusätzliche Horizonterweiterung sorgte ein langer Aufenthalt in Tansania. Seither lotet der martialisch aussehende Ausnahme-Musiker die Grenzen seines Instruments akustisch und elektronisch immer weiter aus. Diesen Prozess schildert „Soundbreaker“ mit eigenwilligen Bildern und Statements – mal still, mal außer Rand und Band. Und am liebsten auf oder unter endlosem Eis. SDE

(1714-1788)

„Soundbreaker“, ab 17.4. im Kino Beltracchi – die Kunst der Fälschung

Betrüger oder Meister? „Wir wollten ja eigentlich aufhören“, sagt Wolfgang Beltracchi gegen Ende des Films, „aber ich wollte mir doch unbedingt noch ein Palazzo in Italien kaufen. Jetzt habe ich das Palazzo gegen den Knast getauscht.“ Die Geschichte des Kunstfälschers, der im Oktober 2011 zu einer sechsjährigen Haftstrafe verurteilt wurde: Beltracchi malt im Stile der großen Meister, nutzt geschickt Lücken in deren Lebensläufen und Schaffensperioden und jubelt der Kunstwelt über Jahrzehnte angebliche „Meisterwerke“ unter. Beltracchi wird hier als collagierter Dokumentarfilm gezeigt, mit dem Ehepaar Beltracchi im Mittelpunkt. Ein spannender und sehr unterhaltsamer Film, in dem man Beltracchi beim „Fälschen“ über die Schulter schauen kann, in sein Leben als Inhaftierter blickt – und in dem man als Zuschauer stets schwankt: Ist Beltracchi, der sympathische und etwas kuriose Rheinländer, berechnender Betrüger oder genialer Künstler? AN

Klavierkonzerte Wq 22, 43/5, 46 Michael Rische (Klavier und Leitung) Rainer Maria Klaas (Klavier) Kammersymphonie Leipzig CD-No. 098.027 | 1 CD

„Beltracchi – die Kunst der Fälschung“ Regie: Arne Birkenstock (Senator Filmverleih, im Kino)

Foto: Wolfgang Ennenbach Fruitmarket Kultur und Medien

20e0n0Musik

Lied

t en Minuzahlreich mit eltersteinn W lunge spie Sämtliche Werke für Klavier solo

Ana-Marija Markovina (Klavier) CD-No. 098.003 | 26 CD-Box

Jonas Kaufmann

Unbedingter Ausdruckswille

„Einen Kreis schaueriger Lieder“ nannte Franz Schubert Die Winterreise, als er sie 1827 den Freunden vorstellte. Für Jonas Kaufmann aber hat das Werk eine „fast meditative Wirkung“, wie er sagt, „die mich letztlich tröstet und mich meine innere Balance finden lässt“. So unterschiedlich kann man – je nach Temperament – Schuberts letzten Liederzyklus empfinden, von dem viele meinen, er sei die ‚auskomponierte Todessehnsucht’ schlechthin. Davon ist Jonas Kaufmanns Interpretation allerdings entfernt: Sein Wanderer ist ein feinnervig emphatischer Jüngling, der in Affekten schwelgt. Dies teils berückend schön – trotz einiger nicht ganz geschmeidiger Registerwechsel. Kaufmanns unbedingter Wille zum Ausdruck, der den leicht opernhaften Zugriff nicht scheut, mag zu einigen Liedern passen, aber nur schwerlich zu dem in tonloser Hoffnungslosigkeit verharrenden alten Leiermann im Schlusslied, in dem der junge Wanderer sich erkennt. Das Herz ist leer, die Melodie erstarrt, das Leben gewichen. Da ist jede große Geste zu viel. TPR

Franz Schubert: „Winterreise“ Jonas Kaufmann, Helmut Deutsch (Sony Classical) 39

Hamburger Sinfonien Wq 182 Stuttgarter Kammerorchester Wolfram Christ (Dirigent) CD-No. 098.637 | 1 CD

haenssler-classic.de classic@haenssler.de Im Vertrieb bei Naxos Deutschland


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Vincent Peirani

Die gute, alte Zeit wird wieder modern Wenn es zwei Instrumente gibt, die den meisten Musikfreunden schon bei ihrer bloßen Erwähnung Kopfschmerzen bereiten, dann diese: Sopransaxophon und Akkordeon. Ausnahmemusiker bestätigen die Regel. So zelebrieren die französischen Starsolisten Vincent Peirani und Emile Parisien hier auf so eigenartige und wunderbare Duo Art ihre „Belle Époque“, dass man ihnen die Wahl der Instrumente nicht nur verzeiht, sondern sie sogar begrüßt. Ihr Zusammenspiel ist wach und von einer nahezu schlafwandlerischen Instinktivität, so energiegeladen wie meditativ. Der Albumtitel ist übrigens durchaus ernst gemeint: Der Opener Egyptian Fantasy ist eine von drei Kompositi-

onen von Sidney Bechet, dem amerikanischen Sopransaxophonisten im Pariser Exil, dessen Petite Fleur gleichzeitig Hymne und Pophit wurde. Außerdem geben die beiden den Temptation Rag, Ellingtons Dancers In Love und den New-Orleans-Standard St. James Infirmary auf sehr eigene Weise. Ihre Eigenkompositionen passen ebenfalls in diesen Traditionsreigen, etwa das dynamische Le Cirque des Mirages von Peirani oder Parisiens nicht minder wilder Place 75. Das Bemerkenswerteste an dieser Produktion dürfte sein, neben der Virtuosität der Musiker und ihres Zusammenspiels, dass sie bei aller Tradition doch modern klingt. GB

Jazz

Foto: Dean Bennici

Vincent Peirani & Emile Parisien „Belle Epoque“ (Act)

Dauner // Dauner

Zara McFarlane

Generationengroove

Offenherzig

„Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum“, meinte Nietzsche. Nach dieser Einsicht, die wie eine Überschrift im Innenteil dieses Albums prangt, leben und spielen Wolfgang und Florian Dauner: Der Vater eine Ikone des deutschen, ja, europäischen Jazz, ein Bundesverdienstkreuzträger an allen Tasteninstrumenten, der auch nicht mehr ganz junge Junior ein gefragter Schlagzeuger für etwa die Fantastischen Vier. Auf „Dauner//Dauner“ groovt und swingt sich diese energische Familienbande durch neun, meist eigene Kompositionen von Fusion-Funk über ambiente Abgehangenheit bis zum freien Experiment. Es macht ernsthaft Spaß, diesen gefühlvollen Berserkern zuzuhören, denen der Bassist Dieter Ilg mehr als nur den rhythmischen Rücken freihält. Man kommt nicht umhin, gelegentlich an Äpfel zu denken, die nicht weit vom Stamm fallen und sich zu freuen, dass dieser Generationengroove mehr als nur funktioniert. Eine Wendung vom Familiären zum Freundschaftlichen nimmt dieses tolle Album im abschließenden Zwiegespräch, einem schwebenden und gebenden Duett, das Wolfgang Dauner vor Jahren mit seinem langjährigen Bassisten Eberhard Weber eingespielt hat. Ein Jammer, dass Weber nach einem Schlaganfall nicht mehr spielen kann, ein Glück, dass Dauner Senior sich von seinem Schlaganfall ganz offensichtlich bestens erholt hat. Es geht voran. GB

Die Sängerin Zara McFarlane, Hoffnungsträgerin der jungen britischen Jazzszene und Protegé des Tastemakers Gilles Peterson, lotet auf ihrem zweiten Album „If You Knew Her“ die tiefen Räume zwischen subtil und fragil aus. Mit ihrer unmittelbaren Art und dieser einzigartigen, unbedingt wiedererkennbaren Stimme – mit feiner Nase und eleganter Kraft – singt die Dreißigjährige darauf hauptsächlich eigene Lieder. Dezent begleitet, etwa vom perkussiven Metall-Ufo namens „The Hang“ und gestrichenem Bass, gibt sie gleich zur Eröffnung das Motto vor: in Open Heart präsentiert sie auf 4:44 ihre Erkenntnis, nach der ein offenes Herz gleichermaßen Schloss und Schlüssel ist. Das wirkt, auch durch die schönen Harmonien mit denen sie sich öfter selbst umsingt, so melancholisch wie mantrisch. Aber auch mit einer vollen Rhythm Section, etwa in Her Eyes oder auch Angie Lala, lässt ihre Zurückhaltung tief fühlen. Ein Highlight ist auch die Jazz-Version von Junior Murvins Reggae-Klassiker Police & Thieves, fast noch intensiver als von The Clash, weil die Tochter jamaikanischer Einwanderer die Anti-Gewalt-Botschaft eben nicht schrei, sondern eher flüstert. Oder besser: singt. Suchen viele ihrer Kolleginnen ihr Heil in Stimmakrobatik und Imitation, überzeugt Zara McFarlane mit gelassenem Selbstbewusstsein – und wunderbarer, offenherziger Eigenständigkeit. GB

„Dauner//Dauner“ Wolfgang und Florian Dauner (Connector) 40

„If You Knew Her“ Zara McFarlane (Brownswood Recordings) www.crescendo.de

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NE

U!

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Foto: Larry Horricks

Neue Welten

Mauricio Kagel: „Klaviertrios“, Trio Imàge (CAvi) Trio Imàge

Irrlichternde Zeitreise Der Argentinier Mauricio Kagel (1931–2008) war mit seiner rituellen Theatralik einer der Heroen der Avantgarde der sechziger Jahre. Mehr und mehr bezog er dann Elemente der kompositorischen Tradition und der Populärmusik ein, bis hin zur 1985 vollendeten Sankt-Bach-Passion, um schließlich auf den fantastischen Pfaden einer ‚absoluten Musik’ zwischen den Stilen, Zeiten und Genres abseits jeder Kategorisierung seinen gereiften Ausdruck zu finden. Die drei Klaviertrios entstanden 1984–85, 2001 und 2006–07. Moderne, unkonventionelle Techniken der Klangerzeugung treffen auf unvorhersehbar wechselnde Tanzrhythmen, romantische Gesten und Stimmungsbilder, mosaikartig verknüpfte tonale Formeln. Der Grundduktus ist nächtlich, die verschlungenen, abrupt changierenden Verläufe dieser irrlichternden Zeitreise erscheinen wie eine Unterholzwanderung unter dem Vergrößerungsglas. Das Trio Imàge spielt mit identifikatorischer Emphase. CS Gidon Kremer

Für 17 Solisten Mieczysław Weinbergs (1919–1996) Leben war geprägt von Flucht und Verfolgung. In Warschau geboren, floh er beim Einmarsch der Nazis in Polen zu Fuß nach Osten mit seiner Schwester, die – den Strapazen nicht gewachsen – zurückkehrte zur Familie. Weinberg wird sie nie wiedersehen und erst später erfahren, wo sie alle von den Nazis ermordet wurden. Sein Leben lang sieht er es als „moralische Pflicht“ an, „vom Krieg zu schreiben, von den Gräueln, die der Menschheit in unserem Jahrhundert widerfuhren.“ Wie besessen komponiert er: 22 Sinfonien, 17 Streichquartette, 6 Opern, Ballette und Operetten, Sonaten, Filmmusiken – ein Werk, das quantitativ das seines Mentors und Protegés Dimitri Schostakowitsch übersteigt, qualitativ ihm nicht nachsteht, und durch Gidon Kremer u. a. nun die gebührende Aufmerksamkeit erhält. Werke von 1948–1979 kommen zu Gehör, darunter die experimentelle 10. Sinfonie für 17 (!) Solisten und die 3. Sonate für Solovioline op. 126, die Kremer in Abschnitte unterteilte und mit Titeln versah – analog zur Biografie des Komponisten. Somit schließt sich der Kreis. TPR

„Mieczysław Weinberg“ Gidon Kremer, Kremerata Baltica (ECM) 41

im el Hand l s und a Abo

Jetzt kostenloses Probeexemplar bestellen! Jahresabonnement (11 Ausgaben): 31 Euro, ermäßigt 24 Euro Tel. (030) 84 71 08 978 abo@chorzeit.de www.chorzeit.de

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h ö r e n & s e h e n

sirventes berlin

2014 ist Homiliusjahr!

Alte Musik

Pünktlich zum Jubiläumsjahr des 1714 geborenen Bach-Schülers Gottfried August Homilius hat der Carus-Verlag nun eine CD mit 15 Motetten des ehemaligen Dresdner Kreuzkantors veröffentlicht. Im Vergleich zu den Motetten seines Lehrers sind die Stimmführungen weniger instrumental gedacht, sondern orientieren sich deutlicher an der menschlichen Stimme, Homophonie und übersichtliche Harmonik dominieren. Hier ist Homilius ganz Kind seiner Generation, die sich von der als überladen und unnatürlich empfundenen Barockmusik abgrenzen möchte. Die Meisterschaft von Homilius besteht hier darin, klangschöne Textausdeutung und hohe kontrapunktische Kunstfertigkeit mit dem kantabilen, vordergründig schlichten, empfindsamen Stil seiner Zeit zu kombinieren. Zum Klingen bringen das sirventes berlin unter der Leitung von Stefan Schuck. Das Ensemble begeistert durch einen beweglichen, homogenen und transparenten Chorklang und exzellente Deklamation. STÖ

Wie das duftet!

Max Bruch: „Scottish Fantasy“ / Tchaikovsky: „Violin Concerto in D“ Ning Feng, Deutsches-Symphonie-Orchester Berlin, Yang Yang (Channel Classics) Daniel Barenboim

Kurzgeschichten Maestro Barenboim nimmt sich trotz seines vollgestopften Konzertkalenders immer wieder noch die Zeit, über Musik und deren gesellschaftliche Aufgabe nachzudenken. Sein gerade erschienenenes Buch ist eine Sammlung von Gedanken und Reflexionen über Welt und Werke. Hier findet sich Barenboims Eröffnungsrede der Salzburger Festspiele 2010 ebenso wie seine Rede zur Verleihung des WillyBrandt-Preises von 2011. Der zweite Teil des Buches besteht aus Gesprächen über Opern sowie über Barenboims West-Eastern Divan Orchestra. Ein Sammelsurium an interessanten Musik-“Kurzgeschichten“. CN

„Musik ist alles und alles ist Musik. Erinnerungen und Einsichten“ Daniel Barenboim (Berlin Verlag) 42

Giulio Caccini: „L‘Euridice“ Concerto Italiano, Rinaldo Alessandrini (Naïve)

Kammermusik

Ning Feng? Das war doch der Geiger, dessen 3,5 Millionen teure Stradivari im vergangenen Jahr am Frankfurter Flughafen beschlagnahmt wurde, weil er keine Papiere dabeihatte! Richtig. Dass er aber auch ein Geiger ist, den man ungeachtet seiner Zoll-Schwierigkeiten beachten sollte, beweist er mit seiner Einspielung der Schottischen Fantasie von Max Bruch und Tschaikowskys Violinkonzert. Da mag Eduard Hanslick noch so oft gesagt haben, er könne in diesem Werk Tschaikowskys Musik „stinken hören“, denn im Gegenteil: Ning Fengs hat einen betörend duftenden Geigenton – noch mehr in den ruhigeren, lyrischen Passagen, in denen er die langen, säuselnden Bögen so richtig auskostet, als in den kraftvoll-wummernden, da dürfte es dann doch manchmal etwas energischer und fordernder klingen. Aber diese Einspielung macht Spaß: natürlich weil es zwei besonders schöne Werke der Romantik sind, aber auch weil das DeutscheSymphonie-Orchester Berlin wach und gut aufgelegt aufspielt. CN

Bücher

L’Euridice

Claudio Monteverdis L‘Orfeo, 1607 in Mantua uraufgeführt, wird häufig als „erste Oper überhaupt“ angesehen. Doch schon 1600 kommt es durch Künstler der Camerata Florentina zur ersten im Druck veröffentlichten Oper der Musikgeschichte: L‘Euridice, ebenfalls eine Vertonung des antiken Orpheus-Mythos. Das selten gespielte Werk von Giulio Caccini (Musik) und Ottavio Rinuccini (Libretto) wurde bei den Festwochen für Alte Musik Innsbruck 2013 vom Concerto Italiano und einem erlesenen Gesangsensemble unter der Leitung von Rinaldo Alessandrini aufgeführt, live (besonderer Charme!) aufgezeichnet und nun veröffentlicht. Das ist nicht nur musikwissenschaftlich hoch interessant, sondern bietet auch einfach herrlich schöne Musik! Wenn z.B. der Bariton Furio Zanasi als Orfeo in der Unterwelt mit elegischer Zärtlichkeit sein sanftes mezza voce und ein gepflegtes Portamento auspackt – dann glaubt man ergriffen daran, dass Orfeo mit diesem Gesang die Götter verzaubern kann. STÖ

Gottfried August Homilius: „Habe deine Lust an dem Herrn. Motetten II“ sirventes berlin, Stefan Schuck (Carus) Ning Feng

Concerto Italiano

Orsolya Korcsolan, Emese Mali

Wiener Erbe

Zwei nahezu vergessene Komponisten aus dem Umfeld des jüdischen Wiens der Jahre um 1900 bilden das Zentrum dieser CD für Entdeckerfreudige. Die Geigerin Orsolya Korcsolan und die Pianistin Emese Mali widmen sich darauf dem einst geschätzten und viel gespielten Carl Goldmark und dem einstigen Wiener Wunderkind und Erfolgskomponisten Erich Wolfgang Korngold. Beide teilten als jüdische Komponisten das Schicksal der Vertreibung und damit verbunden die Verbannung und schließlich das Vergessen ihrer Musik. Der gebürtige Ungar Goldmark stand Brahms nahe, seine Königin von Saba war einst fester Bestandteil der Opernspielpläne. Korngolds Tätigkeit als erfolgreicher Filmkomponist im amerikanischen Exil überdeckt bis heute den Rest seines großen Œuvres. Die mit kräftiger Tongebung etwas auf der sentimentalen, spätromantischen Seite stehenden Interpretationen des jungen Duos sind voller Emotionen, man spürt das persönliche Anliegen, diese Komponisten und den New Yorker Rubin Goldmark, Neffe Carls und Lehrer Gershwins und Coplands, wieder zu entdecken. US

„Korngoldmark“ Orsolya Korcsolan, Emese Mali (Solo Musica) Jochen Kowalski

Der Counter aus dem Osten Der Countertenor-Hype ist in vollem Gange. Philippe Jaroussky, Franco Fagioli und Max Emanuel Cencic sind momentan als aufstrebende Jungstars in aller Munde. Ein gutes Umfeld für den „Altstar“ Jochen Kowalski, den ersten gefeierten Countertenor der DDR, ein biografisches Buch auf den Markt zu bringen. In Gesprächen mit der Journalistin Susanne Stähr verrät der Berliner Kammersänger, der seit über 30 Jahren auf der Bühne steht, Privates wie Musikalisches, spricht in Kapiteln mit den klangvollen Namen „Olle Jochen ist halt etwas verrückt“, „Entweder singen oder saufen“ oder „Geheimpost an Herbert von Karajan“ über sein Leben auf und ab der Bühne, über Begegnungen mit großen Musikern. Im Anhang gibt es die komplette Diskographie, einen Lebenslauf und die Übersicht aller Rollen, die Kowalski gesungen hat. CN

„Der Countertenor Jochen Kowalski“ Gespräche mit Susanne Stähr (Bärenreiter Henschel) www.crescendo.de

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h ö r e n & s e h e n

Die Christoph-Schlüren-Kolumne: Unerhörtes und neu Entdecktes

Deutsche Erregung, Schweizer Erinnerung Wiedergefundenes von Adolf Busch bis Leopold Stokowski

V

on den bekannten Komponisten ist alles Verfügbare längst erschlossen. Sollte man meinen. Als vor 15 Jahren Horst Stein die Orchesterwerke Max Regers einspielte, vergaß man ein Werk, und zwar sein letztes vollendetes Orchesterwerk, und tatsächlich ist dieses erst jetzt – in einer Aufnahme von 1942 in Berlin unter Robert Heger – erstmals auf CD erhältlich: Eine Vaterländische Ouvertüre op. 140, komponiert als moralische Unterstützung der Truppen im Ersten Weltkrieg (also insofern ebenso eine nationalistische Musik wie Claude Debussys gleichfalls 1914 entstandene Berceuse héroïque). In diesem typisch Reger’schen chromatisch-polyphonen Tonsatz-Dschungel werden die deutsche Nationalhymne, ‚Nun danket alle Gott’, ‚Die Wacht am Rhein’ und ‚Ich hab mich ergeben’ schwindelerregend kontrapunktisch kombiniert. Für Reger-Freunde ein Meisterwerk, für die Gegner ein Muster an Geschmacklosigkeit. Aus heutiger Sicht der unbedingt kennenswerte Endpunkt einer Entwicklung, die danach nur noch andere Wege nehmen konnte. Da später die Nationalsozialisten das Werk für ihre Zwecke vereinnahmten, hat es bis heute keine Neueinspielung erfahren, und so musste auch hier auf ein authentisches ‚Nazi-Dokument’ zurückgegriffen werden, das nun Bestandteil einer durchweg hochinteressanten Doppel-CD mit historischen Reger-Orchesteraufnahmen unter Dirigenten wie Fritz Lehmann, Eduard van Beinum oder Eugen Jochum ist. Die enthaltene Ersteinspielung ist eine schlichte Sensation. Eine „deutsche Erregerung“, wie Anders Eliasson die Vaterländische Ouvertüre mit einem Lächeln nannte, wird über den Schweizer Umweg ins kollektive Gedächtnis zurückgeholt. Das in Ramsen nahe Schaffhausen ansässige Label Guild hat neben bemerkenswerten Schweizer Komponisten wie Volkmar Andreae oder Fritz Brun seinen Schwerpunkt auf hochwertig remasterten und exzellent informierend ausgestatteten historischen Veröffentlichungen. Monat für Monat werden wir aus der Schweiz mit unschätzbaren Funden bombardiert. Neu sind ein grandioses New Yorker Tschaikowsky-Album unter dem genial leidenschaftlichen griechischen Maestro Dimitri Mitropoulos; Mitschnitte des Kölner Rundfunkorchester von 1958 unter George Szell, darunter Boris Blachers virtuose Music for Cleveland; ein 1954er Konzert der Wiener Symphoniker unter Karl Rankl mit Sena Juri-

nacs in Mahlers 4. Sinfonie. Und neu sind wieder einige zeitlos gültige Dokumente der Kunst Leopold Stokowskis, diesmal überwiegend mit dem Philadelphia Orchestra nach seinem Comeback 1960: überwältigend klar, vital und geschmackssicher in Brahms’ 1. Sinfonie, Rimsky-Korsakovs Scheherazade, Tschaikowskis Romeo und Julia und der wahrhaft gelungenen 25minütigen „Symphonischen Synthese“ aus Tristan und Isolde. Dazu gibt es eine Mozart-CD, auf der mich eine Aufführung des d-Moll-Konzerts mit der damals ganz jungen italienischen Pianistin Maria Isabella De Carli ganz besonders hingerissen hat. Die Scheibe gehört alleine dafür schon in den Mozart-Olymp. Kommen wir zurück zum Beginn. Max Regers begabtester Bewunderer und Fürsprecher war Adolf Busch, der nicht nur als Komponist zutiefst von Reger beeinflusst war, sondern sich auch als Deutschlands vollendetster Geiger für ihn einsetzte. Niemand hat das Violinkonzert von Beethoven schöner, poetischer, transzendenter darzustellen vermocht als Busch, und leider ist die von ihm selbst zurückgezogene New Yorker Aufnahme kein ideales Zeugnis dieser Kunst, zumal sein Bruder Fritz am Pult der Philharmoniker nicht gerade auf dem Gipfel seiner Inspiration stand. Nun kommt eine Aufnahme mit dem Dänischen Rundfunk-Symphonieorchester von 1949 unter Launy Grøndahl ans Licht, die noch mehr unter die Haut geht. Da damals nur ein Aufnahmegerät zur Verfügung stand, musste die Aufnahme mehrmals unterbrochen werden, und die Lücken wurden mit Transplantaten aus der New Yorker Aufnahme so kunstvoll geschlossen, dass man dem Restaurateur Antony Hodgson nur gratulieren kann. Diesen Konzertmitschnitt sollte jeder kennen, der das Beethoven-Violinkonzert liebt! Auch sonst expandiert Guild in Sachen Adolf Busch, und erstmals sind jetzt sämtliche Berliner Aufnahmen von 1921-29 (mit den Pianisten Seidler-Winkler und Rudolf Serkin, sowie mit dem Busch-Quartett) auf einer Doppel-CD verfügbar. Es gibt, ähnlich wie bei George Enescu, kein tiefer anrührendes, sanglicheres, innigeres Geigenspiel, das uns als Echo aus einer lange vergangenen Zeit noch erreichen könnte. Reger: Vaterländische Ouvertüre / Busch: Berlin Recordings 1921-29 / Mitropoulos: Tschaikowsky 5. / Stokowski & De Carli: Mozart / Stokowski: Rimsky-Korsakov & Tschaikowsky / Szell: Blacher, Mozart, Brahms, Strawinsky / Rankl & Jurinac: Mahler 4. & Dukas (alle erschienen bei Guild) 43


e r l e b e n

Auf DEN SPUREN VON C. P. E. BACH Von Weimar bis Hamburg über Leipzig, Frankfurt/Oder, Berlin und Potsdam. Unsere Autorin Julia Hartel begab sich auf die gleiche Reise, die der Komponist mit dem großen Nachnamen vor 300 Jahren begann.

D

ie Weimarer Gingkobäume befin­ den sich wahrscheinlich fast noch im „Winterschlaf “, als Carl Phil­ ipp Emanuel Bach am 8. März 1714 in dieser kleinen, aber schon damals bedeutenden Residenzstadt gebo­ ren wird. Er, der zweitälteste Sohn Johann Sebastians und zu Lebzeiten höchst populäre Komponist, mit dem sich, dem Leipziger Bach­ forscher Dr. Peter Wollny zufolge, eine ganze Epoche „nachhaltig identifiziert“ hat, ist kultur­ affinen Menschen natürlich auch heute noch ein Begriff. Und dennoch steht er auch heute stets im Schatten seines Vaters. Daher machen wir uns anlässlich seines 300. Geburtsjahres gespannt auf Spurensuche – in den Städten, in denen Carl Philipp gelebt und gewirkt hat. Vor einer solchen Reise stellt man sich ein paar Fra­ gen: zum Beispiel, was für ein Mensch er war; welche ästhetischen Ideen lagen seinem Schaffen zugrunde – und wie viel C. P. E. Bach ist heute noch an seinen Lebens­ stationen zu finden? Mit diesen und weiteren Fragen im Gepäck reisen wir als Erstes: nach Weimar.

Illustration: Olaf Hajek

„In Weimar gebohren“ Carl Philipp verbringt die ersten drei Lebensjahre in seiner Geburts­ stadt. Und man möchte fast meinen, dass auch nahezu alle anderen klugen und kreativen Köpfe der deutschen Geschichte wenigstens einmal hier Halt gemacht haben. Aber heute hat man das Gefühl, der Geist Goethes weht allenthalben noch ein wenig durch diese einst bedeutenden Gassen. Wir betrachten die Überreste (sprich: die Grundmauern) von Bachs Elternhaus, dem „Freihaus am Markt 16“, das der Verein „Bach in Weimar e. V.“ als Gedenkstätte für die Bach-Familie wie­ deraufbauen will. Außerdem besichtigen wir Carl Philipps Taufkir­ che, die derzeit in Restauration befindliche „Stadtkirche Sankt Peter und Paul“, inklusive des originalen Taufsteins. Dort dürfen wir auch 44

einen Blick ins Taufbuch werfen, das niemand Geringeren als Georg Philipp Telemann als Paten angibt.

„In der Komposition und im Clavierspielen habe ich nie einen andern Lehrmeister gehabt als meinen Vater.“ Unsere Reise führt uns weiter nach Leipzig. Carl Philipp verbringt hier seine Schul- und einen Teil seiner Studienzeit, singt im Chor der Thomasschule mit und erhält Orgel-, Cembalo- und Komposi­ tionsunterricht von seinem Vater. Johann Sebastian, der große Tho­ www.crescendo.de

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maskantor, steht in Leipzig naturgemäß deutlich im Zentrum – auch im zum Bach-Archiv gehörigen Bach-Museum. Beides ist im „Bosehaus“ untergebracht, dem ehemaligen Wohnhaus von Georg Heinrich Bose, in dem C. P. E. damals vermutlich oft verkehrt hat, da der Hausherr ein Freund der Familie ist. Unter den Expona­ ten befindet sich auch ein rekonstruiertes Modell der heute nicht mehr existieren­ den Thomas­

Stationen eines (Komponisten)-Lebens: C. P. E. Bachs Weg führte ihn von Weimar über Leipzig, Frankfurt/Oder, Potsdam und Berlin nach Hamburg.

ist sehr beeindruckend, wie wenig ihn dessen Genialität offenbar einzuschüchtern vermag: Selbstbewusst entscheidet er sich für eine ähnliche Karriere, auch wenn er in kompositorischer Hinsicht schon früh eigene Wege geht. Trotzdem wird er stets überaus sorg­ fältig mit seinem Nachlass umgehen. Auch Bachs allererste Veröf­ fentlichung fällt in diese Zeit, und bald werden bis an sein Lebens­ ende Profimusiker wie Laien, Adelige wie Bürger aus ganz Europa seine Werke bestellen („Meine Sonaten und mein ‚Heilig‘ gehen ab, wie warme Semlen …“). Im ostdeutschen Frankfurt mit dem Rathaus aus dem 13. Jahr­ hundert und der Kirche St. Marien, die als eine der größten Hallen­ kirchen der norddeutschen Backsteingotik auch über drei Chor­ fenster mit mittelalterlicher Glasmalerei verfügt, geht es eher beschaulich zu. Aber die Stadt besitzt ein sehr sehenswertes KleistMuseum – und sie ist seit jeher stolz auf ihren Bach: Direkt am Oder­ufer liegen die nach ihm benannte Konzerthalle, die ursprüng­ lich als Kirche diente, und ein Kammermusiksaal, wo jedes Jahr die „Musikfesttage an der Oder“ stattfinden. Wir besuchen die neue, im gleichen Komplex untergebrachte Dauerausstellung zu Leben, Werk und Rezeption des Komponisten, in der es unter anderem histori­ sche Instrumente, Porträts und Erstdrucke zu sehen gibt.

„... bin ich beständig in preussischen Diensten gewesen ...“

C.  P.  E. beendet sein Jurastudium nicht: Kronprinz Friedrich von Preußen, der kurz darauf König wird, beruft ihn 1738 an seine Kapelle, in der er ab 1740 in den Berliner und Potsdamer Schlössern offiziell als Cem­ balist mitwirkt. Einen der Silbermann-Ham­ merflügel, auf denen Carl Philipp dabei spielt, dürfen wir im schmucken Konzertzimmer von Schloss Sanssouci bewundern. Ebenfalls sehr pittoresk: das Holländische Viertel in Potsdam, das zu Bachs Zeiten schon so ähnlich ausgese­ hen haben dürfte wie heute. Bei einer Pressekonferenz zum BachJubiläumsjahr in Berlin lernen wir den Pianisten Michael Rische kennen. Er hat sich auf drei CDs der Klavierkonzerte Bachs ange­ nommen, die, wie er sagt, so gut wie gar nicht gespielt werden, obwohl sie „eine besondere Stellung in seinem Gesamtwerk ein­ nehmen“ – fast in jedem Lebensjahr hat Bach eines geschrieben, schule. Der Thomaner­ und sie sprühen vor Individualität. Da sie sehr differenzierte chor und das Gewand­ Klangvorstellungen enthalten – mitunter werden für beide Hände hausorchester bestehen unterschiedliche Lautstärken verlangt –, wählt Rische für ihre bekanntlich noch immer. Interpretation selbstbewusst den modernen Konzertflügel. Ebenfalls in dieser Zeit gibt Bach im Selbstverlag seine zwei­ Wir erleben die altehrwürdigen Ensembles bei einer Motette in der Thomaskirche, und man ist ganz gefesselt von der Vorstellung, bändige Musizierlehre Versuch über die wahre Art das Clavier zu immer noch das gleiche Klangbild erleben zu dürfen wie die Leipzi­ spielen heraus, die zu einer „empfindsamen“ Spielweise anleitet und schnell zur Pflichtlektüre – nicht nur für Musiker seiner ger Kirchenbesucher im 18. Jahrhundert. Generation – avanciert. Seine Ambitionen als großer Komponist „... habe ich die Rechte sowohl in Leipzig gehen bei Hofe jedoch ins Leere. Als durch Telemanns Tod in als nachher in Frankfurt an der Oder Hamburg die Stelle des Musikdirektors vakant wird, bewirbt sich studirt ...“ Carl Philipp Emanuel Bach erfolgreich um dessen Nachfolge. Im Herbst 1731 schreibt sich Carl Philipp für ein Jurastudium an „... erhielte ich die Vocation der Universität Leipzig ein, 1734 wechselt er an die „Viadrina“ in nach Hamburg ...“ Frankfurt an der Oder. Neben dem Studium gibt er Klavierunter­ richt; außerdem komponiert er und führt zu festlichen städtischen In der Hansestadt leitet Bach die Kirchenmusik an den fünf Haupt­ oder universitären Anlässen zusammen mit dem Frankfurter Colle­ kirchen St. Petri, St. Nicolai, St. Katharinen, St. Jacobi und St. Micha­ gium musicum eigene, aber auch Werke Johann Sebastians auf. Es elis. Leider hat sich das Gesicht der Stadt durch den verheerenden 45


Foto: Julia Hartel

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C. P. E.-Bach-Ort Schloss Sanssouci in Berlin.

Was mich beständig umtreibt, ist die Frage, wie ein dermaßen bedeutender Komponist überhaupt so nachhaltig in Vergessenheit geraten konnte. Als ich Dr. Peter Wollny bei der Pressekonferenz danach frage, erklärt er es mir mit der Französischen Revolution und den Napoleonischen Kriegen: „Bis 1820 hatte sich Europa so stark verändert – auch in kultureller Hinsicht –, dass ein Anknüpfen an früher schlicht nicht mehr möglich war. Die Musik ging in eine ganz andere Richtung.“ Im 20. Jahrhundert seien die Versuche, seine Werke wiederzubeleben, vor allem am Zweiten Weltkrieg gescheitert. Ein ganz besonderes Konzerterlebnis haben wir am letzten Abend in der Hamburger Laeiszhalle: Das „Ensemble Resonanz“ präsentiert mit viel Feuer vier der Hamburger Sinfonien Bachs, kombiniert sie dabei aber auch mit zeitgenössischen Werken, in denen unter anderem eine E-Gitarre zum Einsatz kommt: dem Keskellä Blues von Eero Hämeenniemi und dem Chanson-Zyklus Der Mensch als Pflanze von Jan Dvořák. Bach und eine E-Gitarre?! Ja, das passt besser zusammen, als man denkt! Das „Städtenetzwerk C. P. E. Bach *1714“, das sich übrigens auf Initiative des Musikwissenschaftlers Dr. Alexander Steinhilber von der Hamburger Kulturbehörde zusammengeschlossen hat, bietet „Er ist Original!“ über das gesamte Jahr 2014 hinweg noch weitere Veranstaltungen Dass die Zeitgenossen von Carl Philipps Musik so begeistert rund um den Jubilar und sein Schaffen an. Sie alle sind auf der Web­ sind, liegt wohl vor allem an ihrer Neuartigkeit: Sich fast von Takt site www.cpebach.de gelistet. Wer es uns gleichtun und Carl zu Takt ändernde Affekte, harmonische Kniffe, eine unkonventio­ Philipps Lebensstationen bereisen möchte, dem sei der vom Bachnelle kontrapunktische Eleganz, plötzliche Pausen und Abbrüche Archiv herausgegebene, sehr informative Almanach Unterwegs mit sind kennzeichnend für seine Werke. Und auch, dass einer seine Carl Philipp Emanuel Bach empfohlen. Wenn man nach Hause fährt, hat man das Gefühl, C. P. E. Bach ganz persönlichen Empfindungen kompositorisch verarbeitet (etwa den Tod seines jüngeren Sohnes 1778 im Rondo a-Moll Wq 56.6), jetzt besser zu kennen, und man hofft noch mehr für ihn, dass er es ist etwas noch nie Dagewesenes: „Er ist Original! Alle seine Pro­ endlich ins Standardkonzertrepertoire schafft. Oder, um mit den dukte sind mit Originalität gestempelt!“, jubelt Johann Lavater. Die Worten von Initiator Steinhilber zu schließen: „Ich wünsche mir, dass ich nie mehr gefragt werde, wer Carl Philipp Emanuel Bach ist.“ Epoche Johann Sebastians gilt als überholt.

Stadtbrand 1842 sowie durch den Zweiten Weltkrieg seit seiner Zeit extrem verändert: Kein Haus, in dem C. P. E. gelebt oder musiziert hat, ist erhalten. Die zerstörten Kirchen wurden in neuer Gestalt wiederaufgebaut, und kaum eine Straße sieht noch aus wie damals. Jedoch soll Bach zusammen mit den anderen Hamburger Kompo­ nisten im in der Gestaltung befindlichen „Komponisten-Quartier“ in der Peterstraße bald seinen Platz bekommen. In diesen Jahren entstehen Bachs große geistliche Werke, die er auch im Rahmen öffentlicher Konzerte aufführt: Er macht sich stark für ein bürgerli­ ches Musikleben (auch seine Hamburger Sammlungen von Klavier­ musik sind ja „Kennern und Liebhabern“ zugedacht). Er ist nun sehr berühmt und beliebt. Etliche Briefe dokumentieren, was für ein vorzüglicher Gastgeber, Genussmensch und angenehmer Gesell­ schafter er ist. Am 14. Dezember 1788 stirbt er. Sein Nachruf im „Hamburgi­ schen Unpartheyischen Correspondenten“ ist überschwänglich, man bezeichnet ihn darin als „sehr merkwürdigen und berühmten Mann“ und seine Kompositionen als „Meisterstücke“. Wir besuchen sein Grab in der Krypta der Michaeliskirche, und der Kreis schließt sich.

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C. P. E. Bach Jubiläums-Veranstaltungen Natürlich finden in den sechs verschiedenen „Bachstädten“ in diesem Jahr viele Konzerte und Festivals statt (www.cpebach.de). Hier ist eine Auswahl: 22. Februar, Frankfurt/Oder: Unter der Leitung von Hartmut Haenchen spielt das Kammerorchester C. P. E. Bach in der Frankfurter Konzerthalle. 5. März, Frankfurt/Oder: Konzert des Brandenburgischen Staatsorchesters Frankfurt in der Konzerthalle „Carl Philipp Emanuel Bach“. 8. März, Berlin: Das Konzerthaus Berlin würdigt Bachs Ehrentag mit einem Konzert des Kammerorchesters C. P. E. Bach unter seinem Dirigenten Hartmut Haenchen. Foto: Bachfest Leipzig, Gert Mothes

8. März, Hamburg: Offizielles Geburtstagskonzert im Wahrzeichen der Hansestadt, der Hauptkirche St. Michaelis. 10. März, Hamburg: Konzert des südafrikanischen Hammerklavier-Virtuosen Kristian Bezuidenhout in der Laeiszhalle. 29. März, Potsdam: Die Nikolaikirche begrüßt Gäste mit dem Nikolaichor und der Matthäus-Passion. Zu Ostern erklingt in dem markanten Sakralbau Bachs auch noch das Osteroratorium. 30. April bis 4. Mai, Weimar: Bachfest der Neuen Bachgesellschaft im Rahmen der Thüringer Bachwochen (Festivalbeginn: 11. April). 30. April, Weimar: Eröffnungskonzert der Niederländischen Bachvereinigung unter der Leitung von Jos van Veldhoven in der Stadtkirche St. Peter und Paul. 1. Mai, Weimar: In der Weimarhalle präsentiert das Freiburger Barockorchester einen Querschnitt durch die Cembalokonzerte C. P. E. Bachs.

Außerdem lädt die Stadt Leipzig im Rahmen des Bachfests Leipzig unter dem Motto Die wahre Art zu einem einwöchigen Bachfest vom 13. bis 22. Juni ein, das vom Thomanerchor und dem Tafelmusik Baroque Orchestra in der Thomaskirche eröffnet wird.

Die aktuellen Alben

von links: 1. „Piano Concertos Wq 22, Vol. III“ Michael Rische, Kammersymphonie Leipzig, Rainer Maria Klaas (hänssler CLASSIC) 2. „Werke für Violine und Hammerflügel“ Albrecht Breuninger, Piet Kuijken (hänssler CLASSIC) 3. „Berlin Symphonies“ Orchestre de Chambre de Lausanne, Christian Zacharias (MDG)

4. „Sonates, Rondos & Fantaisie“ Emmanuelle Guigues, Daniel Isoir (Agogique) 5. „Württemberg Sonatas“ Mahan Esfahani (Hyperion) 6. „Hamburger Sinfonien“ Stuttgarter Kammerorchester, Wolfram Christ (hänssler CLASSIC) 7. „Magnificat“ Gächinger Kantorei Stuttgart, BachCollegium Stuttgart, H. Rilling (hänssler CLASSIC)

8. „Recorder Concertos/Chamber Music“ Stefano Bagliano, Collegium Pro Musica (Brilliant Classics) 9. „The Complete Works for Piano Solo“ Anna Marija Markovina (Hänssler Classic) 10. „The Complete Keyboard Concertos Vol. 20“ M. Spányi, T. Szekendy, C. Holtz, C. Armonico (BIS) 11. „Magnificat“ Akademie für Alte Musik Berlin, Hans-Christoph Rademann (Harmonia Mundi)

Die crescendo Premium-CD diesmal ganz im Zeichen von C. P. E. Bach 1 „Konzert in d-Moll Wq 22 (H 425)“ I. Allegro. Stefano Bagliano, Collegium Pro Musica, Andrea Coen (Brilliant Clasics) 2 „Solo a Viola da Gamba e Basso Wq 137 (H 559)“ II. Allegro di molto. Emmanuelle Guigues, Daniel Isoir (Agogique) 3 „Sonatina D-Dur Wq 109 (H 543)“ II. Arioso. Miklós Spányi, Cristiano Holtz, Concerto Armonico Budapest, Péter Szüts (BIS) 4 „Sonate h-Moll Wq 76 (H 512)“ III. Allegretto siciliano. Albrecht Breuninger, Piet Kuijken Carl Philipp Emanuel Bach (1714–1788)

Kleiner Tipp: Unsere Premium-CD enthält diesmal zehn Tracks von den oben vorgestellten C. P. E.-BachAlben (siehe Liste nebenan).

(hänssler CLASSIC)

5 „Sinfonie h-Moll Wq 182 Nr. 5 (H 661)“ I. Allegretto, II. Larghetto, III. Presto. Stuttgarter Kammerorchester, Wolfram Christ (hänssler CLASSIC)

6 „Sonate B-Dur Wq 49 (H 32)“ II. Andante. Mahan Esfahani (Hyperion)

7 „Klaviersonate c-Moll Wq 65,31 (H 121)“ I. Allegro assai, II. Andantino, III. Allegro scherzando. Ana-Marija Markovina (hänssler CLASSIC)

8 „Sinfonie e-Moll Wq 178 (H 653)“ II. Andante moderato. Orchestre de Chambre de Lausanne, Christian Zacharias (MDG) 9 „Klavierkonzert F-Dur Wq 46 (H 408)“ II. Largo con sordini. Michael Rische, Kammersymphonie Leipzig, Rainer Maria Klaas (hänssler CLASSIC)

10 „Heilig, heilig, heilig ist Gott“ aus: „Heilig ist Gott Wq 217 (H 778)“. Rias Kammerchor, Akademie für Alte Musik Berlin, Hans-Christoph Rademann (Harmonia Mundi) 11 „Sicut erat in principio“ aus: „Magnificat Wq 215 (H 772)“ Gächinger Kantorei Stuttgart, Bach-Kollegium Stuttgart, Helmuth Rilling (hänssler CLASSIC)

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Staatsballett Istanbul

Patricia Kopatchinskaja

Musikalischer Schmelztiegel Das Bodenseefestival spürt in diesem Jahr an über 30 verschiedenen Veranstaltungsorten der türkischen Kultur nach. Ein musikalisches Erleben zwischen Orient und Okzident. V o n D o r o t h ea W a l c h s h ä u s l

Kaum etwas ist spannender als die Mischung von Kulturen, das Ver- des Entdeckungsfeld für das Publikum. „Die Türkei ist ein unglaubschmelzen der unterschiedlichsten Düfte und Geschmäcker, traditi- lich vielseitiges Land durch die Lage und die unterschiedlichen Kuloneller Rezepte und gewagter Exotik, etablierter Künstler und auf- turen, die dort aufeinandertreffen“, so Pau, und diese Vielseitigkeit, strebender Newcomer. Im Feuerkessel der türkischen Kultur bro- diesen Spannungsreichtum zwischen Tradition und Moderne, zwidelt es schon seit Jahren gewaltig, es schäumt und dampft, und hebt schen Orient und Okzident möchte das Bodenseefestival seinen man den Deckel, dringen betörend intensive Aromen in die Nase. Besuchern aufzeigen. An über 30 Veranstaltungsorten rund um den Bodensee, in Schlössern, Kirchen und Beim 26. Internationalen Bodenseefestival vom Museen, Kinosälen, Theatern und Biblio2. Mai bis zum 8. Juni 2014 steht in diesem Jahr Bodenseefestival theken, können die Besucher auf Entdealles unter dem Motto „Türk kültürü“. Es wird „Türk kültürü“ 2. Mai bis zum 8. Juni 2014 ckungstour gehen, ungeahnte Schätze nach mildem Paprika riechen und nach würziheben, sich überraschen, berühren und gem Schwarzkümmel, nach samtigem Sesam Informationen und Kartenservice: unterhalten lassen. und manchmal auch nach feurigem Chili. Tel.: +49-(0)7541-203 33 00 Fax: +49-(0)7541-203 33 10 Mit dem Künstler Fazil Say hat das Geschäftsführerin Bettina Pau hat das Festival info@bodenseefestival.de Festival einen facettenreichen Künstler zusammen mit Winfried Neumann konzipiert www.bodenseefestival.de von Weltformat gewonnen, der sowohl als und sieht in der türkischen Kultur ein spannen48

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Anadolu Atesi

Pianist als auch als Komponist auf den großen Bühnen zu Hause ist und das Bodenseefestival als „Artist in Residence“ prägen wird. „Komponieren ist immer eine Form der Improvisation – der Improvisation mit Ideen, mit musikalischen Versatzstücken, mit bildhaften Vorstellungen“, so beschreibt Fazil Say sein Kompositionsverständnis, und wie lebendig, wie direkt auftrumpfend und virtuos bestechend das klingen kann, wird bei insgesamt 12 Konzerten des türkischen Künstlers zu erleben sein. Neben diesen solistischen Abenden, neben kammermusikalischen Begegnungen, unter anderem mit dem Borusan Quartet und der Geigerin Patricia Kopatchinskaja, und orchestralen Konzertprogrammen, unter anderem mit dem SWR-Sinfonieorchester, ist Fazil Says Kunst auch in der bewährten Konzertreihe mit jungen Musikern präsent. „Junge Preisträger spielen Fazil Say“ ist der Titel, dahinter verbergen sich Auftritte unterschiedlicher junger Künstler, die, bereits preisgekrönt, noch am Anfang einer vielversprechenden Karriere stehen. Außerdem gibt Fazil Say am 6. und 7. Mai in Zusammenarbeit mit dem Vorarlberger Landeskonservatorium einen Meisterkurs, der auch den persönlichen Austausch mit ihm ermöglichen wird. Die Zuhörer sollen miteinander ins Gespräch kommen in diesen fünf klanggewaltigen und farbenfrohen Wochen am Bodensee, das ist das Ziel von Bettina Pau und Winfried Neumann, und dazu laden auch die anderen klassischen Konzertprogramme ein, die herausragenden Musikerpersönlichkeiten, wie etwa dem Geiger Gidon Kremer oder der Sopranistin Vesselina Kasarova, die Bühne bieten. Die besondere Raffinesse und Würze des diesjährigen Bodenseefestivals aber macht das breite Spektrum der weiteren Veranstal-

Fotos: Marco Borggreve (2); Thomas Rabsch; Bodenseefestival

Geschwister Önder

Fazil Say

tungen aus. Nicht nur in der Musik, sondern auch im Tanz, in der Literatur und im Theater kann die „Türk kültürü“ in ihrer Geschmacksvielfalt erkundet werden und mischen sich die verschiedenen Sparten zu einem vollmundigen Augen- und Ohrenschmaus. In Friedrichshafen kommt „Hürrem Sultan“ mit dem Ballett der Staatsoper Istanbul zur Aufführung, in Lindau steht ein Abend ganz im Zeichen der türkischen Literatur, in Konstanz bringt das Theater Konstanz William Shakespeares Stück „Der Sturm“ auf die Bühne, und in Ravensburg erklingt mit „Die abenteuerliche Reise ins Morgenland“ eine Kinderoper von Wolfgang Amadeus Mozart. Und wer die türkische Kultur auch spätabends noch genießen möchte, der kann die Türkische Nacht im Graf-Zeppelin-Haus in Friedrichshafen besuchen – eine Veranstaltung, die in Zusammenarbeit mit den türkischen Kulturvereinen vor Ort entwickelt wurde. Ein gefühlsreiches Kleinod stellt im gesamten Festival schließlich die Filmreihe „Türk filmleri“ dar, die mit verschiedenen Filmen die herausragende Kreativität, die Vitalität und den ganz eigenen Blick türkischer Filmemacher ins Zentrum rückt. Da kann es bitter schwarz-humorig zugehen wie in Yusuf Pirhasans Komödie „Haltestelle der Erlösung“, es kann geheimnisvoll knistern wie in Pelin Esmers Film „Watchtower“ und tragisch anrühren wie in Semih Kaplanoglus Filmdrama „Honig“. „Was wir uns für das Bodenseefestival wünschen, ist ein lebhafter Austausch und ein erfolgreicher Brückenschlag hin zur türkischen Kultur, bei dem die Grenzen am Ende verschwimmen“, so Bettina Pau. Mit Blick auf das Programm könnten diese Wünsche in Erfüllung gehen. n 49


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Igor Levit

Ton Koopmann

Jos van Immerseel, Midori Seiler

Fotos: Felix Broede, Harald Hoffmann / Sony Classical, Camile Schelstraete; PR; Bodo Vitus

Amsterdam Baroque Orchestra

Christine Schäfer

Barock bis Beethoven Das Soli Deo Gloria Braunschweig Festival startet in seine neunte Runde: mit Fortsetzung der Countertenor-Reihe und einem Beethoven-Schwerpunkt, ohne dabei den Ausgangspunkt aus den Augen zu verlieren: die geistliche Musik. Von Teresa Pieschacón R aphael

Es ist eine dieser Geschichten, wie sie immer wieder in Deutschland passieren, die den Ruf Deutschlands als Musikland par excellence bestätigen. Weil sie dafür sorgen, dass Musik auch jenseits der Kulturmetropolen München, Berlin, Frankfurt, Hamburg oder Köln so selbstverständlich wird wie Wasser und Strom. Ein Graf aus altem deutschen Adelsgeschlecht und ein weltberühmter englischer Dirigent, der von der Queen zum Ritter geschlagen wurde, kamen einst auf der Mozartwoche in Salzburg ins Gespräch. Man sprach über Bach und die Kunst, über Kirchen und Musik in Kirchen. Man sprach über das Rittergut des Grafen im niedersächsischen Bisdorf, einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, den er verwaltet und auf dem er mit seiner Familie lebt. Vielleicht auch über den Öko-Bauernhof im englischen North Dor50

set, den der Dirigent in seiner Freizeit führt. Vor allem aber sprach man über die gemeinsame Liebe zur Musik, über Konzerte, die man gemeinsam veranstalten könnte. Das war 2002. Ein Jahr später kam es zur Aufführung von Bachs Johannespassion im romanischen Kaiserdom zu Königslutter. 2004 folgte Bachs h-Moll-Messe, 2005 die Matthäuspassion. Doch dies war Günther Graf von der Schulenburg und Sir Eliot Gardiner nicht genug. Ein richtiges Festival sollte es werden, Soli Deo Gloria („dem alleinigen Gott die Ehre“) sollte es heißen, genauso wie Gardiners Plattenlabel, das er 2004 gegründet hatte. Ein Titel, der für den hohen Anspruch der beiden steht; schließlich unterzeichneten die Meister des Mittelalters und der Renaissance wie auch Bach und Händel viele ihrer Werke mit der Signatur S.D.G., der Abkürzung von Soli Deo Gloria. www.crescendo.de

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Für 2014 habe man deshalb entschie„Der Name steht für einen bestimmten Inhalt“, Soli deo Gloria Braunschweig 29. März / 20. Juni - 6. Juli den, einen Beethoven-Schwerpunkt zu sagt Graf Schulenburg. „Damit meine ich, dass und 21. Dezember 2014 setzen, ohne allerdings auf das Barockich nicht irgendwas unter diesem Motto veranInformationen und Kartenservice: Repertoire zu verzichten. „So wollen wir stalten werde. Es ist zu einer Marke geworden Tel.: +49-(0)531-166 06 oder ein breiteres Publikum erschließen, aber für authentische Musik an historischen Orten. Tel: 01805-54 48 88 (14 Ct./Min. aus dem dt. Festnetz, Mobil max. 42 Ct./Min.) unserer Qualität und der historisch Oft auch geistliche Musik.“ Zu Hilfe kam dem www.solideogloria.de authentischen Herangehensweise an die „gläubigen Christen“, dass er das Patronat diverkarten@solideogloria.de Musik verbunden bleiben“, sagt Schulenser Kirchen in der Umgebung Braunschweigs burg. inne hat – eine Tradition, die in seiner Familie Fünf besondere Konzerte aus dem umfangreichen Programm seit jeher gepflegt wurde. 2006 ging das Festival an den Start und wird heuer zum neun- für 2014 seien herausgehoben: In der letzten Juni-Woche wird der ten Mal ausgetragen. Kantaten von Johann Sebastian Bach – oft von argentinische Countertenor Franco Fagioli im jüngst renovierten Gardiner und seinen Ensembles sowie anderen Originalklang- Lessing-Theater in Wolfenbüttel mit Il Pomo d’Oro Arien des KastGruppen interpretiert – standen in den ersten Jahren auf dem Festi- raten Caffarelli vortragen. Außerdem gastiert das Originalklangenval-Programm, das sich an wichtigen Stationen des Kirchenjahres semble Anima Eterna Brügge unter Jos von Immerseel mit Beethoorientierte. Im Händel-Jubiläumsjahr 2009 setzte Schulenburg des- vens Sinfonien Nr. 3 und 5. Der derzeit sehr angesagte Pianist Igor sen wenig bekannte Oper Arianna in Creta auf den Spielplan, Levit spielt Beethovens Klaviersonaten im Steigenberger Parkhotel. schließlich war das Werk unmittelbar nach seiner Uraufführung am Im Dezember schließlich kommt Ton Kopmann mit dem AmsterLondoner Haymarket Theatre am damaligen Hoftheater Braun- dam Baroque Orchestra und Bachs Weihnachts-Oratorium in schweig aufgeführt worden. Für 2011 wählte er Vivaldis fast verges- Braunschweigs St. Martini Kirche. Last but not least wird Midori Seiler, Konzertmeisterin des senes weltliches Oratorium Juditha Triumphans. Ironie der Geschichte: Vivaldi hatte das Werk 1716 zu Ehren einer seiner Vor- Anima Eterna Brügge, mit Jos van Immerseel in der Stiftskirche Stefahren, des Generals Johann Matthias Graf von der Schulenburg terburg Violinsonaten von Beethoven interpretieren. Zwischen komponiert, der seinerzeit das von den Türken belagerte Korfu wie- Braunschweig und Wolfenbüttel gelegen, wirkt die Barockkirche von 1751 im Inneren wie ein Festsaal, wie geschaffen auch für ein der befreite. Ohne Sponsoren und die Unterstützung von Stiftungen wären weltliches Repertoire. Vielleicht wird das Auge des einen oder andesolche Projekte kaum zu realisieren, räumt der Graf ein. Schließlich ren Besuchers über den vermauerten Grufteingang zum Taufstein erhalte man keine staatlichen Subventionen. Und man sei eben wandern, entlang seines hohen, reich verzierten Fußes gleiten bis „nicht die klassische Touristenregion … Bis zum Mauerfall war das hin zu einem gewölbten Giebel – und neben dem Namen der Stifterin auch die Zeilen lesen: soli deo gloria. hier ‚Zonenrandgebiet‘.“ n


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Die wichtigsten Veranstaltungen auf einen Blick Ihr persönlicher Navigator für Premieren, Konzerte und Festivals Movimentos Festwochen, 22. April bis 1. Juni

Glück im Tanz

15.3. Luzern Theater (CH) Moving Metaphors/Delcroix, Timulak (Ballett, UA) 15.3. Magdeburg Opernhaus Otto/G. F. Händel und F. Ph. Telemann 15.3. Osnabrück Theater Vanda/A. Dvoř ák (Deutsche EA) 16.3. Wien Staatsoper (A) Schwanensee/P. I. Tschaikowski (Ballett) 20.3. München Cuvilliéstheater Arsen - Ein Rokokothriller/J. Strømgren (Ballett) 20.3. München Deutsches Theater West Side Story/L. Bernstein (Musical) 21.3. Cottbus Theaterscheune Wie einst im Mai/Kollo, Lieck (Operette) 22.3. Dresden Semperoper Simon Boccanegra/G. Verdi 22.3. Koblenz Theater Salome/Strauss 23.3. Wuppertal Opernhaus Alcina/G. F. Händel 26.3. Hamburg Staatsoper Lucrezia Borgia/G. Donizetti 28.3. Düsseldorf Oper Hidden Features/ Jully, Scenario/Cunningham, Grosse Fuge/van Manen (Ballett, UA) 28.3. Oldenburg Staatstheater Eugen Onegin/P. I. Tschaikowsky 28.3. Weimar Deutsches Nationaltheater Vom Lärm der Welt/Helbig (UA) 29.3. Dessau Anhaltisches Theater Lady Macbeth von Mzensk/Schostakowitsch 30.3. Frankfurt Oper Die diebische Elster/G. Rossini 3.4. Lüneburg Junge Bühne T.3 Kunst Ver-rückTanz (Ballett) 4.4. Dortmund Opernhaus Krieg und Frieden/Schostakowitsch (Ballett) 4.4. Meiningen Südthür. Staats-

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Foto: Jiang Han

Premieren

Beijing Dance Theater „Das Glück ist das einzige, das sich verdoppelt, wenn man es teilt.“ Wusste schon Albert Schweitzer. Nun veranstaltet die Autostadt in Wolfsburg die 12. Movimentos Festwochen unter eben diesem Motto „Glück“. Internationale Tanzensembles, Musiker, Schauspieler und Nachwuchskünstler aus aller Welt gastieren in den niedersächsischen Städten Wolfsburg, Braunschweig und Wolfenbüttel. Den Auftakt des Festivals gestalten die jungen Tänzer der Movimentos Akademie mit ihrer eigenen Produktion zum Thema „Glück“. Als erste Tanzveranstaltung im denkmalgeschützten KraftWerk präsentiert der marokkanisch-flämische Choreograf Sidi Larbi Cherkaoui sein Tango-Stück „m¡longa“. Tänzerisch geht es weiter mit der brasilianischen Company Grupo Corpo und dem Beijing Dance Theater. Die Company Wayne McGregor | Random Dance des britischen Choreografen Wayne McGregor stellt die Arbeit „Atomos“ im Rahmen einer Deutschlandpremiere vor. Eine Europapremiere zeigt das amerikanische Diavolo Dance Theater. Während der Movimentos Festwochen ist zudem die Kunstausstellung „Glückssache“ zu sehen und mit verschiedenen literarischen Zugängen zum Thema „Glück“ setzen sich namhafte Schauspieler wie Iris Berben und Ulrich Noethen auseinander. Movimentos Festwochen, verschiedene Orte, 22.4 bis 1.6. www.movimentos.de

theater Der Rosenkavalier/R. Strauss 4.4. München Nationaltheater Der gelbe Klang/R. Maliphant (Ballett, UA) 5.4. Kassel Staatstheater 100.000 Superstars/Wieland (Ballett, UA) 5.4. München Postpalast, LUX40Musik und Licht, ein synästhestisches Konzertprojekt von Michaela Pods-Aue: Ecco si beato giorno/Alessandro Striggio (40-stimmig in a cappella, Weltpremiere) 5.4. Nürnberg Staatstheater Die Walküre/R. Wagner 5.4. Schwerin Theater Rockballett/S. Gordienko (Ballett) 6.4. Dresden Semperoper L’impresario delle Canarie, Sub-Plot/ G. B. Martini, L Ronchetti (UA) 6.4. Zürich Oper (CH) Pique Dame/P. I. Tschaikowski 9.4. Hamburg Kammeroper Der scharlachrote Buchstabe/F. Kroll (UA) 11.4. Halle Oper Die Zähmung der Widerspenstigen/R. Rossa (Ballett) 12.4. Berlin Staatsoper im Schillertheater Tannhäuser/R. Wagner 12.4. Trier Theater In 80 Mouseclicks um die Welt/S. Grützmacher (Ballett) 12.4. Osnabrück Theater Alkestis/C.ie Zerogrammi (UA, Ballett) 13.4. Bonn Theater Die Zauberflöte/Mozart 14.4. Wien Theater an der Wien (A) Messiah/G. F. Händel 17.4. Stuttgart Staatstheater Fahrende Gesellen/E. Clug, M. Béjart, D. Volpi (Ballett) 18.4. Lübeck Theater Der Zwerg,Eine florentinische Tragödie/von Zemlinsky 19.4. Coburg Landestheater Pelléas et Mélisande/C. Debussy 19.4. Essen Aalto-Musiktheater Ariodante/G. F. Händel 20.4. Wuppertal Opernhaus

www.crescendo.de

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Die verkaufte Braut/B. Smetana 17.5. Mainz StaatsTheater Lady in the Dark/Kurt Weill (Musical) 18.5. Salzburg Landestheater (A) Peter Breuers Flying Circus/P. Breuer (Ballett, UA) 21.5. Kassel Staatstheater Die Frau ohne Schatten/R. Strauss 22.5. Berlin Deutsche Oper Billy Budd/B. Britten 23.5. Düsseldorf Oper Deep Field/ A. Hölszky, M. Schläpfer (Ballett, UA) 23.5. Münster Theater Tanzabend/F. Landerer (Ballett, UA) 24.5. Koblenz Theater Der Barbier von Sevilla/G. Rossini 24.5. Erfurt Theater Otello/Verdi 25.5. München Nationaltheater Die Soldaten/B. A. Zimmermann 25.5. Hamburg Staatsoper Almira, Königin von Kastilien/G. F. Händel 25.5. Frankfurt Bockenheimer Depot Orpheus oder Die wunderbare Beständigkeit der Liebe/G. P. Telemann 25.5. Regensburg Velodrom Tanz.Fabrik! Zwei/Y. Mori (Ballett, UA) 25.5. Weimar E-Werk Schwarze Bären/K.-I. Baulitz, D. Eichmann (UA) 30.5. Dresden Semperoper Simon Boccanegra/G. Verdi 31.5. München Herkulessaal Larissa/M.G. Kendlinger (Klavierkonzert, UA)

Klangraum Europa

Anna Sophia Richter

Wer für die Schwetzinger Festspiele Tickets haben möchte, muss sich sputen, will er eine der 50 Veranstaltungen mit mehreren hundert internationalen Künstlern auf den Bühnen des Schwetzinger Schlosses erleben. Gleich in der ersten Festspielwoche gastiert das junge dynamische Quatuor Ebène. Die vier Franzosen präsentieren drei Gipfelwerke der Streichquartett-Literatur von Mozart, Bartók und Brahms. Die Reise „Klangraum Europa“ führt mit Ensembles wie La Compagnia del Madrigale, La Cetra oder dem Cuarteto Casals in die südlichen Gefilde des Kontinents. Mit der Uraufführung der Oper Re:igen und drei Porträtkonzerten ist Bernhard Lang in diesem Jahr eine Art „Composer in Residence“. Weitere Schwerpunkte sind C. P. E. Bach und Vokalmusik in verschiedenen Facetten u.a. mit: Christoph Prégardien, Anna Sophia Richter, Philippe Jaroussky und Singer Pur. Schwetzinger SWR Festspiele, 25.4. bis 7.6., www.schwetzinger-swr-festspiele.de

22. März bis 6. April

20. bis 29. März

Mit drei arbeitsintensiven Wochen und vier hochkarätig besetzten Konzerten macht sich die neue Chorakademie Lübeck auf, die Kulturlandschaft in Norddeutschland mit seiner etablierten und mittlerweile zur Vollendung gereiften Idee zu bereichern. Und es ist ein Neubeginn: Die von Rolf Beck im Jahre 2002 als wichtige Basis für seine qualitativ höchst anspruchsvolle Arbeit beim Schleswig Holstein Musikfestival gegründete Chorakademie löst sich in die eigene Unabhängigkeit: Die „Internationale Chorakademie Lübeck“ präsentiert eigene Konzerte und startet fulminant mit einem Chorfestival ins Frühjahr. Für die erste Arbeitsphase mit drei Konzerten zeichnen neben Rolf Beck herausragende Musikpersönlichkeiten wie Helmuth Rilling, die A-Capella-Gruppe „Vocal Six“, Fazil Say und Martin Grubinger verantwortlich. Rendsburg, Christkirche, 22.3.; Lübeck, Dom 23.3.; Lübeck, Musik- und Kongresshalle, 30.3. und 6.4., www.chorakademie-luebeck.de

„Guitarissimo“ – das zur lebenden Legende gewordene Gitarrenduo aus den 80ern ist zurück. So heißt es auf der Homepage des künstlerischen Kosmopoliten und Gitarren-Virtuosen Peter Horton. Und das Duo, bestehend aus Horton und Sigi Schwab, kommt in der XL-Version, erweitert mit zwei zusätzlichen Juwelen: Tommi Müller am Bass und Andreas Keller am Schlagwerk. Die beiden sind rhythmischer Zündstoff für die Fingerchampions Horton und Schwab. Explosive Spielfreude ist versprochen! Magdeburg, Karstadt, 20.3.; Mainz, Frankfurter Hof, 21.3.; Prien, Großer Kursaal 29.3., www.peter-horton.de

Rendsburg, chorakademie Lübeck

Fotos: Rob Marinissen; DaCapo J. Kendlinger; Wecker; Mat Hennek; Julia Wesely; Ernst Mayer; Clement & Sanôu

Schwetzingen, Schloss, 25. April bis 7. Juni

Foto: Offen!

Le Pas d‘Acier - Schritt in die Zukunft/ S. Prokofjew (Ballett) 25.4. Berlin Deutsche Oper Der Liebestrank/G. Donizetti 26.4. Köln Altes Pfandhaus Der gestiefelte Kater/Montsalvatge (Kinderoper) 27.4. Dortmund Opernhaus Die Jahreszeiten/J. Haydn 2.5. Dresden Staatsoperette Die verkaufte Braut/B. Smetana 3.5. Augsburg Theater Lohengrin/R. Wagner 4.5. Mannheim Nationaltheater Kammerspiel/J. King (UA, Ballett) 5.5. Wien Theater an der Wien (A) Die Kameliendame/F. Chopin (Ballett) 8.5. München Gasteig/Carl-OrffSaal Wüstung (Vastation) - Nach der Wahl ist vor der Wahl/S. Moussa (UA) 9.5. Halle Oper Pique Dame/P. I. Tschaikowsky 9.5. Ulm Theater Serse/Händel 10.5. Coburg Landestheater Sunset Boulevard/A. L. Webber 10.5. Kiel Theater Ariadne auf Naxos/R. Strauss 11.5. Berlin Komische Oper Castor et Pollux/J.-P. Rameau 16.5. Nordhausen Theater Rigoletto/G. Verdi 16.5. Braunschweig Staatstheater Farnace/A. Vivaldi 16.5. Schwerin Theater

9. April bis 8. Juni

Hamburg, Der scharlachrote Buchstabe Als Roman gehört Der scharlachrote Buchstabe zur Weltliteratur. Verfilmt wurde er mehrere Male (zuletzt 1995 mit Demi Moore in der Hauptrolle). Nun, mehr als 160 Jahre nach seiner Veröffentlichung, dient der Roman um unterdrückte Leidenschaften, Liebe und Tod als Stoff für ein Opernlibretto. Fredric Krolls Oper Der scharlachrote Buchstabe erzählt mit sprachlicher und musikalischer Wucht das Schicksal von vier Protagonisten, die untrennbar verbunden und der geistigen Enge und Unterdrückung komplett ausgeliefert sind. Die musikalische Leitung der Uraufführung hat Fabian Dobler inne, für die Regie zeichnet Michael Bogdanov verantwortlich. Hamburg, Allee Theater, 9.4. (Uraufführung) bis 8.6. www.hamburger-kammeroper.de

Tournee „Guitarissimo XL“

12. bis 21. April

Graz, Psalm - Viel Frucht Die Wechselwirkungen zwischen Kultur und Landwirtschaft, zwischen Fruchtbarkeit und Kunst stehen im Zentrum des Festivals „PSALM“ – ein aktuelles Thema. Dieses Osterfestival wendet sich den Früchten der Erde und deren Spuren in der Musik zu und gestaltet unter dem Motto „Viel Frucht“ in der Helmut-ListHalle ein spannendes, fruchtiges Festival. The Early Folk Band mit alter schottischer und englischer Folkmusik rund um die Früchte der Erde steht auf dem Programm wie auch die Vokalgruppe Calmus u.a. mit Le Chant des Oyseaux von Clément Janequin und Orlando di Lassos Ein guter Wein ist lobenswert, der Wein, der schmeckt mir also wohl. Aber auch J. S. Bachs Osterkantate Der Friede sei mit dir ist zu hören. Den Festivalrahmen bildet eine programmatisch ausgestaltete Helmut-List-Halle: ein Markt mit alten Saatkartoffelsorten, ein Bio-Pflanzenmarkt und Weinverkostung der neuen jungen Biowein-Initiative „Süd Herz“. Graz, Helmut-List-Halle, 12. bis 21.4., www.psalm.at

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13. April

Bayreuth, 18. bis 27. April, verschiedene Orte

live on air, Improvisation im Radio

7. bis 23. Mai

München, 14. Münchener Biennale „Ich schlug vor, etwas einzurichten, was bisher gefehlt hat, und was es auch sonst an keinem Ort der Welt gibt und doch eine dringende Notwendigkeit wäre: nämlich einen Ort, an dem theaterinteressierte Komponisten der jungen Generation ihre Ideen in die Wirklichkeit umsetzen könnten.“ So begründete der Komponist Hans Werner Henze 1988 die Entstehung der Münchener Biennale. Die 14. Auflage, zum letzten Mal unter der künstlerischen Leitung von Peter Ruzicka, dreht sich um das Motto „Außer Kontrolle“. Fünf Auftragswerke werden diesmal uraufgeführt, Werke von Samy Moussa, Dieter Schnebel, Héctor Parra und Detlev Glanert. Um Claude Vivier, der im März 1983 in Paris, 34 Jahre jung, ermordet wurde, dreht sich Marko Nikodijevićs Oper, mit der die Biennale eröffnet wird. Außerdem wird Hans Werner Henze, der Gründer des Festivals geehrt. Das Kernprogramm dieser Biennale ergänzen große Sonderkonzerte und in der Reihe Biennale Special stellen Münchner Künstler und Gruppen Konzepte neuen Musiktheaters vor. Zu Reflexion und Diskurs regen zwei Symposien und Veranstaltungen der Volkshochschule an. München, verschiedene Orte, 7. bis 23.5. (Fünf Uraufführungen) www.muenchener-biennale.de

31. März bis 12. April

Nowosibirsk (RU), i. trans-siberian Art festival Über 120 Jahre ist er her, der Bau einer Eisenbahnbrücke über den Fluss Ob, und mit ihm die Gründung der Stadt Nowosibirsk. Nun baut der Violinist Vadim Repin in seiner Heimatstadt neue musikalische Brücken: Er gründet ein Festival für klassische Musik. Das Trans-Siberian Art Festival lädt im ersten Jahr auf eine imaginäre Reise von Westeuropa nach Sibirien ein. Unter dem Titel „Von Spanien nach Japan“ werden bedeutende sinfonische und kammermusikalische Werke von europäischen Komponisten wie Bach, Beethoven, Berlioz Werken von Mussorgski, Prokofiew, Tschaikowsky gegenübergestellt. ­Eröffnet wird das Festival unter der musikalischen Leitung von Kent ­Nagano. Das Abschlusskonzert dirigiert Valery Gergiev. Nowosibirsk (RU), Arnold-Katz-Konzerthalle, 31.3. bis 12.4. www.transsiberianfestival.com

27. bis 31. Mai

Detmold, Land Schafft Kultur Kultur satt gibt es bei der zweiten Biennale für Ostwestfalen-Lippe. In zwölf Veranstaltungen an fünf Tagen hört man Ende Mai Lieder, Konzerte und Lesungen unter dem Titel „Mein Herz ist grün von Wald“. Dem Motto gemäß zieht es Musiker und Publikum hinaus in die Wälder rund um Detmold. Die Nordwestdeutsche Philhar-

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Musik zu ostern

Foto: Osterfestival Bayreuth

Die bulgarische Pianistin Galina Vracheva ist eine der wenigen, die aus dem Stegreif heraus über eine Bildbeschreibung, ein Stichwort oder gar ein Gefühl am Klavier improvisieren können. „Wunsch: Musik“ ist der Titel der Sendung auf BR-Klassik, die am Nachmittag des 13. April live ausgestrahlt wird. Zusätzlich zum Studiopublikum haben die Hörer die Möglichkeit, per Telefon oder E-Mail aktiv an der Sendung und der Improvisation teilzunehmen. Konzertübertragung, BR-Klassik, 13.4., 15 bis 17 Uhr, www.br.de

Dass Bayreuth weit mehr als Wagner zu bieten hat, beweist seit nunmehr 20 Jahren das Bayreuther Osterfestival. Wir sprachen mit dem Intendanten Ulrich S. Schubert über das bevorstehende Event. Herr Schubert, was dürfen die Besucher vom 20. Osterfestival erwarten? Wir haben wieder ein großes Symphoniekonzert auf dem Programm. Ulrich S. Das Orchester der InternationaSchubert len  Jungen Orchester-Akademie wird aus 110 Musikern bestehen, die aus 36 Nationen kommen, unter anderem aus Nord- und Südkorea, Ägypten, Palästina. Das Programm der zehn Tage reicht von Klassik bis Jazz, hält Kammerkonzerte bereit und Liederabende. Gibt es ein persönliches Highlight? Da ich das Programm persönlich zusammengestellt habe, freue ich mich wirklich auf alle Konzerte. Wir freuen uns besonders, dass wir erneut die Mezzosopranistin I Chiao Shih in Bayreuth begrüßen dürfen, die eine Liedermatinee mit Schubert, Wolf, Liszt und Brahms gestalten wird. Im Eröffnungskonzert am Karfreitag erklingt die Matthäuspassion von C. P. E. Bach. Was zeichnet das Werk aus? Dieses Werk wird extrem selten gespielt und der 300. Geburtstag Bachs bietet da natürlich eine gute Gelegenheit. Die Matthäuspassion ist ein doppelgesichtiges Werk. Carl Philipp Emanuel Bach übernimmt Teile der Passion des großen Vaters Johann Sebastian, prägt es aber in den Arien selbst im neuen Stil. Im Zentrum steht das Symphoniekonzert „20 Jahre IJOA“ ... ... ja, dort stehen Schubert und Bruckner „in unvollendeter Vollendung“ auf dem Programm. Damit wollen wir auch darauf hinweisen, dass der große Plan noch nicht beendet ist. Wir haben vor 20 Jahren einen Klangkörper aus der Taufe gehoben mit dem Ziel, anderen Menschen zu helfen. Ich kann mich noch gut an die Gespräche mit August Everding im Vorfeld des 1. Osterfestivals erinnern. Wenn man so etwas macht, meinte er, dann muss es ein Event werden. Bayreuth, verschiedene Orte, 18. bis 27.4., www.osterfestival.de

monie spielt auf der Waldbühne am Hermannsdenkmal. Hier ist dann auch Bariton Thomas Quasthoff zu Gast und rezitiert literarische Texte. Eine Wanderung zur Falkenburg soll ebenfalls zum musikalischen Erlebnis werden. Bei der Biennale mit dabei sind die Theater in Bielefeld, Detmold und Paderborn sowie die Musikhochschule Detmold. Detmold, verschiedene Orte, 27. bis 31.5., www.landschafftkultur.de

31. Mai

München, K&K Philharmoniker Der Herkulessaal ist Schauplatz, wenn Matthias Georg Kendlinger und seine K&K Philharmoniker zum Sinfoniekonzert unter dem Motto „Mensch-Sein“ einlädt. Schicksal und Menschlichkeit sind inhaltliche Aspekte, von denen die auf dem Programm stehenden Kompositionen Tschaikowskys und Kendlingers getragen werden. Neben Tschaikowskys Fünfter Sinfonie wird die Uraufführung des ersten Klavierkonzerts Larissa von Matthias Georg Kendlinger sehr persönliche Akzente setzen. Hierfür konnte der junge Grazer Pianist Philipp Scheucher gewonnen werden. Dem vorangestellt sind zwei weitere Werke aus Kendlingers Feder: Der verlorene Sohn sowie Heilung. München, Herkulessaal, 31.5. (UA Larissa), www.dacapo.at www.crescendo.de

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E 20 JAHR AR MO NI HE PH ILH BAYE RI SC 94 – 2014 19 Sta ats

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CARMINA BURANA UND CARMINA BAVARIAE JUBILÄUMSKONZERT – 20 JAHRE BAYERISCHE PHILHARMONIE

Freitag, 9. Mai 2014, 20.00 Uhr MĂźnchen, Philharmonie im Gasteig 5. Orff-Tage der Bayerischen Philharmonie Konstantin Wecker | Jo Barnikel Klavier | Andreas Giebel Sprecher Jakob Zimmermann Knabe | Carmela Konrad Sopran Gustavo MartĂ­n-SĂĄnchez Tenor | Giorgos Kanaris Bariton Kinderchor und Chor der Bayerischen Philharmonie Junge MĂźnchner Philharmonie | Mark Mast Dirigent und Gesamtleitung www.bayerische-philharmonie.de Karten: 64 / 59 / 49 / 39 / 32 / 24 â‚Ź, ermäĂ&#x;igt 50 % fĂźr SchĂźler und Studenten Bayerische Philharmonie | BäckerstraĂ&#x;e 46 | Telefon 089 / 120 220 320 | www.muenchenticket.de

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KULTUR IN UNTERSCHLEISSHEIM

S P I E L Z E I T 2 013 /2 014

16.3. Weimar Weimarhalle Staatskapelle Weimar, Ltg: Stefan Solyom; Janos Solyom: I. Lidholm, W. Stenhammar & A. Pettersson 16.3. LĂźneburg Vamos! Kulturhalle Salut Salon 17.3. St. PĂślten Festspielhaus (A) TonkĂźnstler-Orchester, Salzburger Bachchor, Ltg: AndrĂŠs Orozco-Estrada; Lars Vogt: L. van Beethoven 18.3. Wien Musikverein (A) Birmingham Symphony Orchestra, Ltg: AndrĂ­s Nelsons; Anne-Sophie Mutter: J. Brahms & I. Strawinsky 18.3. Bremen Glocke Bremer Philharmoniker, Ltg: TomĂĄs Hanus; Joseph Moog: Burlesk-Tanz 20.3. Baden-Baden Festspielhaus Lang Lang: Klavierabend 20.3. Frankfurt Alte Oper hr-Sinfonieorchester, Ltg: Paavo Järvi; Hilary Hahn: J. Brahms & A. Bruckner 20.3. MĂźnchen Orff-Zentrum La Capilla: C. de Rore 21.3. DĂźsseldorf Robert-Schumann-Saal Nils Landgren Quintet, ­Michael Wollny Trio (Jazz) 22.3. DĂźsseldorf Oper Festliche Operngala fĂźr die Deutsche AIDS-Stiftung 23.3. Berlin Komische Oper Orchester der Komischen Oper Berlin, Ltg: Bernhard Forck: J.-B. Lully, A. Campra & J.-P. Rameau 23.3. Magdeburg Johanniskirche Virtuoses Finale der Telemann Festtage, Ltg. und Trompete Ludwig GĂźttler: Georg Philipp Telemann, Johann Gottlieb Graun & Carl Philipp Emanuel Bach 23.3. MĂźnchen Philharmonie MĂźnchner Symphoniker, Ltg: Alexander Shelley; MiloĹĄ: Carmen & Bolero 24.3. MĂźnchen Prinzregententheater Valentina Lisitsa 28.3. Essen Philharmonie Ian Bostridge, Julius Drake: Winterreise 29.3. Wolfsburg Volkswagen werk halle 11: Lang Lang 31.3. Wien Musikverein (A) Wiener Philharmoniker, Ltg: Zubin Mehta; Robert KovĂĄcs: Brahms, SchĂśnberg, Saint-SaĂŤns 31.3. KĂśln Philharmonie GĂźrzenich-Orchester KĂśln, Ltg: Leonidas Kavakos: J. S. Bach, J. Sibelius & L. van Beethoven 31.3. Dortmund Konzerthaus Dortmunder Philharmoniker, Ltg: Gabriel Feltz: Nosferatu – Eine Sinfonie des Grauens 2.4. Berlin Sammlung ScharfGerstenberg Ensemble Farou Berlin: A. Zemlinsky, P. Hindemith, D. Milhaud, E. Schulhoff & P. Haas 3.4. Essen Philharmonie Essener Philharmoniker, Ltg: TomĂĄĹĄ Netopil; Lauma Skride: Husa, Mozart & Suk 4.4. Frankfurt hr-Sendesaal hr-Sinfonieorchester, Ltg: Hugh Wolff; Sharon Kam: L. van Beethoven, F. Krommer, G. F. Händel & J. Haydn 4.4. Brandenburg Theater Brandenburger Symphoniker, Ltg: Pavel Baleff: B. Smetana, B. Martin & A. DvoĹ™ ĂĄk 4.4. DĂźsseldorf Tonhalle Polnische Kammerphilharmonie, Ltg: Woj-

ciech Rajski; CĂŠdric Pescia; Reinhold Friedrich: W. A. Mozart, J. N. Hummel & D. Schostakowitsch 5./6.4. MĂźnchen Postpalast Chor vox nova, Ltg. Andreas Stadler; Michael Lutzeier, Modern String Quartet: LUX40 - Musik der Renaissance 40-stimmig in a cappella Weltpremiere 6.4. Hamburg Laeiszhalle Philharmoniker Hamburg, Ltg: Roman Kofman; Gidon Kremer, Giedre Dirvanauskaite: J. S. Bach, J. Brahms & R. Strauss 6./7.4. Weimar Weimarhalle Staatskapelle Weimar, Ltg: Massimo Zanetti; Daniel MĂźller-Schott 6./7./8.4. MĂźnchen Philharmonie MĂźnchner Philharmoniker, Ltg. Lorin Maazel; Anja Harteros: Webern & Strauss 7.4. Frankfurt Alte Oper Frankfurter Opern- und Museumsorchester, Ltg: Neeme Järvi: J. Brahms & A. DvoĹ™ ĂĄk 8.4. Dortmund Konzerthaus Dortmunder Philharmoniker, Opernchor des Theater Dortmund, Ltg: Gabriel Feltz; Jana SĂ˝korovĂĄ; Shin-Kyung Kim; Roman Nowicki; Franziska Batzdorf: vater_land 9.4. Wiesbaden Kurhaus Hessisches Staatsorchester, Ltg: Theodor Guschlbauer; Elisabeth Leonskaja: Vom Piano zum Forte 10.4. Berlin Konzerthaus Konzerthausorchester Berlin, Ltg: IvĂĄn Fischer: Ăœberraschungskonzert 10.4. Berlin Philharmonie Deutsches Symphonieorchester, Ltg: ­David Afkham; Leonidas Kavakos: A. Webern, J. Brahms & D. Schostakowitsch 11.4. Hamburg Opera Stabile barockwerk hamburg in Kooperation der der Staatsoper Hamburg, Ltg. und TangentenflĂźgel Ira Hochman: „Mein Geschwätze und Geschmier“ – Ein Geburtstagsständchen fĂźr den Hamburger Bach. 13.4. Garmisch-P. Kongresshaus Symphonieorchester der Hochschule fĂźr Musik und Theater MĂźnchen, Ltg. Ulrich Nicolai: Operngala, G. Verdi, W.A. Mozart und Richard Strauss 13.4. Hamburg Laeiszhalle Mitglieder der Philharmoniker Hamburg: Reinhard Kaiser, Johann Mattheson, Telemann & C.P.E. Bach 17.4. Basel Theodorskirche (CH) Kammerorchester Basel, Camerata Vocale Freiburg i.Br., Ltg: Winfried Toll; Ruth Sandhoff; BenoĂŽt Arnould; Sebastian KĂźchler-Blessing: J. S. Bach, F. Poulenc & M. DuruflĂŠ 18.4. Berlin Komische Oper Orchester der Komischen Oper Berlin, Ltg: Michael Schønwandt: I. Strawinsky, P. I. Tschaikowsky, C. Debussy & A. DvoĹ™ ĂĄk 18.4. Kassel Stadthalle Orchester des Staatstheaters Kassel, Ltg. Yoel Gamzou: W. Furtwängler 18.4. Gotha Margarethenkirche ThĂźringen Philharmonie Gotha, Bachchor Gotha, Ltg: Jens Goldhardt 19./21.4. Berlin Philharmonie Deutsches Symphonieorchester, Ltg: Tugan Sokhiev; Lars Vogt: L. van Beethoven & S. Prokofjew 23.4. Frankfurt Alte Oper Mahler Chamber Orchestra, Ltg: Vladimir Jurowski; Sophie Karthäuser; Gerald Finley 24.4. Essen Philharmonie Essener Philharmoniker, Ltg: TomĂĄĹĄ Netopil; Liza Ferschtman: L. JanĂĄcˇek & B. BartĂłk

Sonntag, 23. März 2014, 19 Uhr

SAX ALLEMANDE Echo Klassik Preisträger Samstag, 29. März 2014, 20 Uhr

DAVID & GĂ–TZ: DIE SHOWPIANISTEN Klassik bis Pop, Musical bis Swing Sonntag, 4. Mai 2014, 19 Uhr

FORUM UNTERSCHLEISSHEIM

Fotos: Rob Marinissen; DaCapo J. Kendlinger; Wecker; Mat Hennek; Julia Wesely; Ernst Mayer; Clement & SanĂ´u

konzerte

MUNICH BRASS CONNECTION Klassisch, bayerisch, unwiderstehlich BĂźrgerhaus UnterschleiĂ&#x;heim Rathausplatz 1 [direkt an der S 1 Haltestelle UnterschleiĂ&#x;heim] Karten: 089/54 81 81 81 oder 089/310 09 200 www.forum-unterschleissheim.de

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e r l e b e n

BallettFestwoche

Foto: Wilfried Hösl

La Bayadère

„Am Anfang stehen die Musik und die Choreografie“, erzählt der Choreograph Russell Maliphant im Interview. „Allerdings denke ich stets darüber nach, wie eine Choreografie im Licht aussieht.“ Der Brite legt Wert auf eine ausgetüftelte Beleuchtung, die hochemotional wirkt und die Tänzerpersönlichkeiten in den Mittelpunkt rückt. Derzeit kreiert er mit dem Bayerischen Staatsballett ein neues Stück, das in München die BallettFestwoche eröffnet. Für denselben Abend erarbeitet auch Michael Simon Der gelbe Klang zu Musik von Frank Zappa, ein choreografisches Bildertheater basierend auf dem gleichnamigen Konzept von Wassily Kandinsky. Während der Festwoche ist außerdem die Compagnie Sasha Waltz & Guests mit Dido & Aeneas in München zu Gast. Aus dem Repertoire stehen La Bayadère, Helden, Ein Sommernachtstraum und Forever Young auf dem Programm. München, Nationaltheater, 4. bis 13.4., www.bayerische.staatsoper.de 26.4. Hamburg Kulturkirche Altona CPE-Bach-Chor Hamburg, Elbipolis Barockorchester: C.P.E. Bach „Die Israeliten in der Wüste“ – szenische Aufführung in Kooperation mit der Hochschule für Musik und Theater Hamburg 26.4. Dresden Frauenkirche Ensemble amarcord & Gäste, Lautten Compagney Berlin, Ltg: Wolfgang Katschner: J. S. Bach 27.4. Oldenburg Weser-Ems-Halle Oldenburgisches Staatsorchester, Ltg. Roger Epple: Apotheose des Tanzes 27.4. Wuppertal Historische Stadthalle Zemlinsky Quartett, Fabiana Trani & Sascha Rotermund: Konzertreihe Saitenspiel - Musikmetropole Paris 27./28.4. Hamburg LaeiszhallE Philharmoniker Hamburg, Ltg. und Klavier Christian Zacharias: C.P.E. Bach, Bernd Alois Zimmermann, Robert Schumann 2.5. Brandenburg Theater Brandenburger Symphoniker; Ltg: GMD Michael Helmrath;Florian Krumpöck: J. Brahms & J. Haydn 2.5. NeuÖtting Stadtpfarrkirche St. Nikolaus Eröffnungskonzert des Musiksommers zwischen Inn und Salzach mit dem Euregio-Chor und der Philharmonie Bad Reichenhall, Ltg. André Gold: Franz Liszt und Anton Bruckner 4.5. Pforzheim Theater Badische Philharmonie Pforzheim, Deutsche Radiophilharmonie Saarbrücken Kaiserslautern, Ltg: GMD Markus Huber: Mozart, Gouvy & Bruckner 5.5. Köln Philharmonie GürzenichOrchester Köln, Ltg: Markus Stenz; Radu Lupu: Mozart, Höller & Brahms

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6.5. Erl (A) Festspielhaus Kammermusikreihe der Münchner Philharmoniker: Teufelsgespräch - Dietlinde Turban - Maazel liest Thomas Mann begleitet durch Klaviertrios von Beethoven, Schostakowitsch, Mahler/Schnittke 10.5. Wien Musikverein (A) Wiener Philharmoniker, Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien. Ltg: Riccardo Muti; Julia Kleiter; Saimir Pirgu; Ildar Abdrazakov: F. Mendelssohn Bartholdy & H. Berlioz 11.5. Hamburg Laeiszhalle Philharmoniker Hamburg, Ltg: Simone Young; Louis Lortie: Berg, Chopin & Zemlinsky 12.5. Augsburg Kongress am Park Augsburger Philharmoniker; Sayako ­Shoji: Urknall 13.5. Dortmund Konzerthaus Hilary Hahn 14.5. München Philharmonie Münchner Philharmoniker, Ltg: Lorin Maazel; Khatia Buniatishvili: R. Wagner, S. Rachmaninow & P. I. Tschaikowsky 15.5. Berlin Konzerthaus Konzerthaus Kammerorchester, Ltg: Matthias Kirschnereit; Michael Erxleben: C.P.E. Bach, Mendelssohn Bartholdy & Mozart 15.5. Kaiserslautern Fruchthalle Yaara Tal & Andreas Groethuysen 16.5. Berlin Komische Oper Orchester der Komischen Oper Berlin, Ltg: Henrik Nánási; Sabine Meyer: W. A. Mozart & L. van Beethoven 16.5. Ludwigsburg Forum Württembergisches Kammerorchester Heilbronn, Ltg: Ruben Gazarian; Veronika Eberle: W. A. Mozart, F. Mendelssohn Bartholdy & L. Spohr

17.5. Rostock Villa Papendorf Galakonzert mit Sergei Nakariakov, Maria Meerovitch: Werke von Rueff, Chopin, Fauré, Schumann, Liszt, Poulanc & Arban 18.5. Bonn Beethovenhalle Beethoven Orchester Bonn, Ltg: Lutz Rademcher: Abenteuer im Garten 20.5. München Max-Joseph-Saal Solisten und Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz, Ltg: Marco Comin: Musik am Dresdner Hof 21.5. Meiningen Südthüringisches Staatstheater Meininger Hofkapelle, Ltg: Philippe Bach; Esther Hoppe: Viel Lärm um Nichts 22.5. Berlin Philharmonie Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, Ltg: Vassily Sinaisky; Daniil Trifonov: P. I. Tschaikowsky & E. Elgar 23.5. Kaiserslautern Fruchthalle Orchester des Pfalztheaters Kaiserslautern, Ltg: Uwe Sandner; Sandra Urba; Philipp Bölck: C. Seither, D. Schostakowitsch & F. Mendelssohn Bartholdy 24.5. München Prinzregententheater Münchener Bach-Chor & Münchener Bach-Orchester, Ltg: Hansjörg Albrecht: G. F. Händel & J. S. Bach 25.5. Frankfurt Alte Oper Budapest Festival Orchestra, Ltg: Iván Fischer; Daniel Müller-Schott: A. Dvo ř ák 25.5. Oldenburg Oldenburgisches Staatstheater Oldenburgisches Staatsorchester, Ltg. Eckehard Stier; Linda Sommerhage; Alexander Gavrylyuk: Inspirationen 25.5. München Prinzregenten­ theater Fazil Say: W. A. Mozart 26.5. Frankfurt Alte Oper Frankfurter Opern- und Museumsorchester, Ltg: Sebastian Weigle; Radu Lupu: L. van Beethoven & A. Bruckner 27.5. Wien Musikverein (A) Tonkünstler-Orchester, Ltg: Jun Märkl; Stella Doufexis; Nikolay Borchev; Nicholas Ofczarek: Claude Debussy & Arnold Schönberg

festivals Alle Bach-Festivals siehe Seite 45 14.-23.3. Berlin MaerzMusik 14.-23.3. Magdeburg Telemann-Festtage 14.3.-13.4. Monte-Carlo (MC) Printemps des Arts 15.3.-12.4. Heidelberg Intern. Musikfestival Heidelberger Frühling 20.-23.3. Raiding (A) Liszt Festival 21.-23.3. Neuruppin AEQUINOX 25.-30.3. Burghausen Jazzwoche 29.3.-22.4. Interlaken (CH) Classics 4.-13.4. München BallettFestwoche 4.-20.4. Hall (A) Osterfestival Tirol 5.-3.4. Luzern (CH) Festival zu Ostern 12.-21.4. Baden-Baden Festspielhaus Osterfestspiele 12.-21.4. Graz (A) Styriarte PSALM 12.-21.4. Salzburg (A) Osterfestspiele 18.-27.4. Bayreuth 20. Osterfestival 22.4.-1.6. Wolfsburg Movimentos 25.4.-7.6. Schwetzingen Schwetzinger SWR Festspiele 2.5.-8.6. Bodensee Bodenseefestival 9.5.-12.7. RuhrGebiet Klavier-Festival 13.5.-10.6. Dresden Musikfestspiele 14.-18.5. Salzburg (A) Aspekte 16.-25.5. Landshut 17. Hofmusiktage 17.-25.5. Augsburg 63. Deutsches Mozartfest 25.-31.5. Kufstein Region (A) Tiroler Beethoven-Tage 27.-31.5. Detmold Biennale Weitere Festival-termine: ab 16. April 2014 im Festspiel-Guide! Diese große Saisonvorschau erscheint im 15. Jahrgang als Printmagazin sowie online auf www.festspielguide.de und mit der Festspiel-Guide-App!

Interlaken, verschiedene Orte, 29. März bis 22. April

Meisterkonzerte

Foto: Cosimo Filippini

München, Nationaltheater, 4. bis 13. April

Zakhar Bron ist ein inspirierender Geiger. Der 1947 geborene ­Russe steht im Zentrum der diesjährigen Interlaken Classics, die in der Schweiz zu den ältesten Festivals für klassische Musik gehören. Bron leitet unter anderem das Festival-Orchester und konzertiert bei einem Meister-Konzert. Weitere Meisterkonzerte gibt es von David Geringas (Violoncello) und Reinhold Friedrich (Trompete). Die Interlaken Classics setzen, unter anderem mit einem Auftritt des Gustav Mahler Jugendorchesters weiterhin konsequent auf Spitzenmusik im Nachwuchsbereich. Interlaken, verschiedene Orte, 29.3. bis 22.4., www.interlaken-classics.ch

www.crescendo.de

März / April / Mai 2014


17. bis 25. Mai

Augsburg, 63. Deutsches Mozartfest Anlässlich seines 150. Geburtstages wird das Deutsche Mozartfest 2014 den überraschenden wie vielfältigen musikalischen Verbindungen des Jubilars Richard Strauss zum Werk von Wofgang Amadeus Mozart nachspüren. Kammersängerin Brigitte Fassbaender hat die Schirmherrschaft übernommen, denn kaum eine andere Sängerpersönlichkeit ist durch ihre Karriere und Rollen so sehr mit beiden Komponistenpersönlichkeiten verbunden. Konzerthöhepunkte dürften sein: das Eröffnungskonzert des Württembergischen Kammerorchesters, Bläserserenaden von Mozart, Strauss und Reger, das Konzert des Armida Quartetts sowie das Abschlusskonzert der Bayerischen Kammerphilharmonie mit Evgenia Rubinova und Albrecht Mayer. Deutsches Mozartfest, Augsburg, 17. bis 25.5. www.mozartstadt.de

9. Mai

München 20 Jahre Bayerische philharmonie „Wir sind uns inhaltlich sehr nahe“, hatte der Komponist und Liedermacher Konstantin Wecker vor vier Jahren anlässlich der „1. Orff-Tage der Bayerischen Philharmonie“ über den in München geborenen Carl Orff gesagt. Zu ihrem 20-jährigen Jubiläum präsentiert die Bayerische Philharmonie nun im Rahmen der „5. Orff-Tage der Bayerischen Philharmonie“ erstmals in der Philharmonie im Gasteig ihr Jubiläumskonzert. Und als Wiederaufnahme von damals wird das Auftragswerk Carmina Bavariae von Konstantin Wecker ebenso zur Aufführung kommen, wie Carl Orffs berühmtes Werk der Chorsymphonik – die Carmina Burana. München, Philharmonie im Gasteig, 9.5. www.bayerische-philharmonie.de

23. Mai bis 1. Juni

Fotos: Rob Marinissen; DaCapo J. Kendlinger; Wecker; Mat Hennek; Julia Wesely; Ernst Mayer; Clement & Sanôu

Nürnberg, Intern. orgelwoche „Ein musikalisches Sinnenfest“ versprechen die Veranstalter. Die Bandbreite der 63. Internationalen Orgelwoche Nürnberg wird von Gregorianik bis zu zeitgenössischer Elektronik und vom Solorezital bis zu symphonischer Klangpracht reichen. Das früheste Konzert beginnt um 6 Uhr, das späteste um 23 Uhr. Renaissancepolyphonie und arabischer Gesang sind ebenso wichtige Bestandteile wie raumgreifende Perkussionsperformances, außergewöhnliche Orgelrepertoireerweiterungen und der Remix Alter Musik. Der künstlerische Leiter Folkert Uhde verspricht: „Das Sich-Hingeben bedeutet die Abwesenheit der Ratio, den Kontrollverlust, den Rausch.“ Und „Rausch“ ist das Motto der ION 2014. Internationale Orgelwoche Nürnberg, 23.5. bis 1.6. www.ion-musica-sacra.de

28. Mai bis 1. Juni

Im Ries, 15. Rosetti-Festtage Die Internationale Rosetti-Gesellschaft hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Werk des 1750 geborenen Komponisten Antonio Rosetti, der von Zeitgenossen auf eine Stufe mit Haydn und Mozart gestellt wurde, wieder allgemein bekannt zu machen. Auch aus diesem Grund finden nun zum 15. Mal im Ries die Rosetti-Festtage statt. Das Programm gestalten renommierte Künstler mit viel neuer Alter Musik rund um Rosetti im besonders stimmungsvollen Ambiente ausgewählter historischer Räumlichkeiten. Rosetti-Festtage im Ries, verschiedene Orte, 28.5. bis 1.6. www.rosetti.de

URAUFFÜHRUNGEN Marko Nikodijevic´ VIVIER Samy Moussa WÜSTUNG (Vastation) Dieter Schnebel UTOPIEN Detlev Glanert DIE BEFRISTETEN Hèctor Parra DAS GEOPFERTE LEBEN

Karten: München Ticket Tel. 089 – 54 81 81 81 www.muenchenticket.de und alle bekannten Vorverkaufsstellen Information www.muenchenerbiennale.de

Künstlerische Leitung Peter Ruzicka

Veranstalter

Kulturreferat der Landeshauptstadt München

in Zusammenarbeit mit Spielmotor München e.V. – eine Initiative der Stadt München und der BMW Group

Vorverkaufsbeginn: 24. März 2014

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r e s o n a n z

Rätsel des klassischen alltags Was verbirgt sich hinter diesem Text? Es ist an der Zeit. Für eine Veränderung. Es soll um nichts weniger gehen als die Reformierung der Oper. Eine neue Musik soll entstehen. Eine, „bei der gute Dichtung die Grundlage wäre, bei der die Vortrefflichkeit der Töne nicht herabgezogen wird durch die Jämmerlichkeit der Gedanken, an die sie gekettet sind.“ Richten soll es ausgerechnet ein Deutscher, geboren 1685 in Halle an der Saale. Ausgerechnet einer, der mit seinen Opern bislang ein – naja, sagen wir einmal – eher unglückliches Händchen hatte, sowohl künstlerisch als auch finanziell. Aber ein Volk, das nicht einmal davor zurückschreckt, Schokoriegel zu frittieren, lässt sich davon wohl nicht beeindrucken. Es fühlt sich stattdessen vielleicht sogar noch angespornt. Von der Oper hat der Deutsche dann doch endgültig die Finger sein lassen, glücklicherweise könnte man sagen. Denn er schrieb, jenseits des Ärmelkanals, stattdessen Musikgeschichte. Er wagte etwas Neues, etwas Englisches, und begeisterte Publikum und König gleichermaßen. Der Deutsche mag in seinem Schaffen vielleicht nicht immer erfolgreich gewesen sein, ambitioniert war er aber auf alle Fälle. In nur drei Wochen bringt er eines seiner berühmtesten Werke zu Papier. Er nimmt sich nichts Geringeres vor, als eine der größten Geschichten der

Menschheit. Die Chronik eines Lebens – und gleichzeitig ein persönliches Glaubensbekenntnis. Der Komponist kommentiert sein Werk so: „Ich glaubte den Himmel offen und den Schöpfer aller Dinge selbst zu sehen“. Andere, wie zum Beispiel Johann Gottfried Herder sprechen von einer prophetischen und apokalyptischen Verkündigung, „eine Gemeinde der Seelen, eine Geisterversammlung, kein Theater“. Einige sind aber auch entsetzt. Die Worte der Bibel in einem profanen Theater? Skandal! Der Zusatz „sacred oratio“ soll die kirchlichen Würdenträger beruhigen. Den König von England soll es bei der Gelegenheit allerdings nicht mehr auf seinem Stuhl gehalten haben. Vor Begeisterung wohlgemerkt. Und seine Untertanen tun es ihm bis heute nach. Meistens dann, wenn der oft mehrere hundert Stimmen umfassende Chor zu seinem Glanzstück anhebt. Für den Komponisten schließt sich mit seinem Werk der Kreis. Es ist eines seiner berühmtesten und erfolgreichsten Werke – und es ist das letzte Werk, dem er während einer Aufführung im Covent Garden beiwohnt. Acht Tage vor seinem Tod. Er selbst sagte einmal über sein Werk: „Ich würde es bedauern, wenn ich meine Zuhörer nur unterhalten hätte, ich wünschte sie besser zu machen.“ Amen und – Halleluja.

rätsel lösen und „Gluck“-DVD-BOx gewinnen! Wenn ­Sie die Antwort kennen, dann schreiben Sie Ihre Lösung unter dem Stichwort „Alltags-Rätsel“ an die crescendo-­ Redaktion, Rindermarkt 6, 80331 München oder per E-Mail an redaktion@crescendo.de. Unter allen richtigen ­Einsendungen verlosen­wir die DVD-Box „300 Jahre Christoph Willibald Gluck“ von Arthaus. Einsendeschluss: 30. April 2014. Viel Glück! Die Gewinnerin unseres letzten Alltags-Rätsels ist Marion Rietzke-Spengler aus Ulsnis. Die richtige Lösung war übrigens „Bühneneingang“.

Leserbriefe Bekanntmachungen, Post und ein Lob, das wir gerne annehmen. Betreff: „Klingt nach John Axelrod“

Betreff: „Rolando-Villazón-Ausgabe“

Betreff: „Rolando Villazón“

Liebes Team von crescendo, vielen Dank für diesen Artikel. John Axelrod ist wunderbar. Ein großer Dirigent, der gute Musik macht und gute Bücher schreibt! Und ein dickes Lob für die Weisheit, Axelrod über Wein und Musik schreiben zu lassen. Ich habe meine Weinsammlung dank ihm und crescendo aufgefüllt! MfG, Christophe via Kommentar auf www.crescendo.de.

Liebe crescendo-Redaktion, es ist sehr schön, zu sehen, dass ein Star wie Rolando Villazón immer noch die nötige Beachtung in einem Magazin wie crescendo bekommt, die er verdient (6 Seiten und ein Cover!!!). Ich habe die Karriere von Villazón in den vergangenen 15 Jahren verfolgt und lange darauf gewartet, ein solch intimes und gutes Porträt über ihn lesen zu dürfen. Villazón mag nicht der beste Tenor auf der Welt sein, aber er ist der wichtigste! Regina Strasser via E-Mail.

Liebes crescendo-Team, ich bin ein großer Bewunderer von Rolando Villazón und habe dieses sehr interessante und unglaublich menschliche Interview in Ihrem Magazin gelesen. Dürfte ich fragen, ob Sie mir ZWEI Ausgaben schicken können. Ich lebe derzeit in Budapest. Eléonore Lautner via facebook.

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März / April / Mai 2014


Die Seiten der Deutschen Mozart-Gesellschaft

MOZART! 03

FEStiVALthEMA: »MOZARt uND RichARD StRAuSS« Was hat Mozart im Fin de Siècle zu suchen? F1-Rennfahrer

14 ADRIAN SUTIL

© Sauber Motorsport AG

und Kammersängerin Brigitte Fassbaender im Doppel-Interview

10

4 MONAtE pROBEN – BAStELN – SchRAuBEN

12

MOZARt-ORt AthEN: »WiR BRAuchEN DiE MuSiK!«

Die »Zauberflöte« in Trier – oder warum von Musikvermittlung auch das Theater profitiert

»Don Giovanni« in Krisenzeiten

… und: neue Mozart-Bücher und CDs – unsere Empfehlungen


über »das Wunder Mozart« zu schreiben, hielt der Komponist Richard Strauss für unmöglich. Die Deutsche Mozart-Gesellschaft (DMG) geht – so gesehen – ein Wagnis ein, in dem sie den Kosmos und die Aktualität ihres Namenspatrons auch schriftlich ergründet. Mit den folgenden Seiten erweitern wir erstmalig die Crescendo-­Premium-Ausgabe mit »Mozart!« und freuen uns darauf, Ihnen unter diesem Namen zweimal im Jahr neue Mozart-Orte, interessante Interview­ partner, Kritiken oder auch ungewöhnliche Vermittlungsprojekte vorstellen zu dürfen, die jeweils ihren ganz eigenen Bezug zum »Wunder Mozart« haben. Als Auftakt steht das Verhältnis von Richard Strauss zu Mozart im Blickpunkt. Dessen 150. Geburtstag nehmen wir als willkommenen Anlass, seiner Liebe zum – und Sehnsucht nach dem Mozartschen Kunstideal nachzuspüren. Fast mag man von einer Wahlverwandschaft sprechen, denn die Mozart-Verehrung blieb an keine bestimmte Phase des Strauss’schen Schaffens gebunden. Zu Karl Böhm soll er einmal gesagt haben, dass er allein für die Komposition der beiden einleitenden Streichertakte des Masken-Terzetts aus Don Giovanni drei seiner Opern geben würde. Unser besonderer Dank gilt dem Herausgeber von Crescendo, Winfried Hanuschik, der den Gedanken der Kooperation gerne aufgegriffen und von Anfang an unterstützt hat. Viel Vergnügen bei der Lektüre wünscht Ihnen Ihr

editorial Thomas Weitzel, Präsident der Deutschen Mozart-Gesellschaft

Ein »Strauss« mit Mozart 63. Deutsches Mozartfest in Augsburg vom 17. – 25. Mai 2014 Das traditionsreiche Deutsche Mozartfest feiert ausnahmsweise einmal nicht nur seinen Namensgeber, sondern auch den diesjährigen Jubilar Richard Strauss. Dessen 150. Geburtstag ist willkommener Anlass, den bekennenden Mozartianer einmal in die schönsten Säle Augsburgs einzuladen. Der hätte sich darüber sicher gefreut, war sein verehrter und bewunderte Kollege für ihn doch schlicht »das Wunder Mozart«.

Informationen zum Festival finden Sie unter www.mozartgesellschaft.de Tickets beim Besucherservice des Theaters Augsburg, Tel: 0821 / 32 44 900 oder online unter www.theater-augsburg.de

Evgenia Rubinova

Hier einige Highlights für diejenigen, die sich ihren persönlichen »Strauss« ­klassisch und geschmackssicher zusammenstellen möchten: 17. Mai  ❙  Eröffnung Ev. St. Ulrich Veronika Eberle, Violine Württembergisches Kammer­ orchester Heilbronn, Ltg.: Ruben Gazarian 20. Mai  ❙  Kleiner Goldener Saal Richard Strauss und die Wiener Schule Armida Quartett mit Maximilian Hornung

24. Mai  ❙  Ev. Hl. Kreuz «un-er-hört« Bayerische Kammer­ philharmonie Evgenia Rubinova, Klavier Albrecht Mayer, Ltg. und Oboe 25. Mai  ❙  Parktheater im ­Kurhaus Liedmatinée Sophia Brommer, Sopran Nicholas Rimmer, Klavier

Außerdem: Mittagskonzerte, Meisterkurse und ein wissen­schaftliches Symposium.

2 Die Seiten der Deutschen Mozart-Gesellschaft

Foto Thomas Weitzel © Klaus Lipa

Liebe Mitglieder der DMG, liebe Crescendo-Leser,


FestiVAltheMA

© Theaterwissenschaftliche Sammlung, Universität zu Köln

Ernst von possart (1841 – 1921) in einem porträt von Franz von lenbach (München, um 1880). Als generalintendant der Münchner hoftheater war possart zusammen mit den Dirigenten hermann levi und richard strauss seit 1893 maßgeblich für die »Mozart-renaissance« der Münchner hofoper verantwortlich.

Wunder, Welterlösung, Offenbarung der Seele richArD strAuss und MozArt von Melanie Wald-Fuhrmann Richard Strauss hat in seinem künstlerischen Leben manches Mal die Seiten und den Stil gewechselt. Einer Leitfigur indes blieb er stets treu: Mozart. Ihn dirigierte er häufiger als ein Dutzend seiner Dirigentenkollegen zusammen. Von ihm ließ er sich für seine eigenen Werke inspirieren. Warum? Wenn man Richard Strauss nach seiner Musik für die einsame Insel gefragt hätte, wäre sicherlich zuerst der Name Wolfgang Amadé Mozarts gefallen: der langsame Satz aus dem g-Moll-Streichquintett, Ferrandos »Un’aura amorosa« aus dem ersten Akt der Così fan tutte, Susannas Gartenarie (»Deh vieni, non tardar«) und Cherubinos »Voi, che sapete« aus dem Figaro, aus Don Giovanni die Zerlinenarien, Donna Annas »Non mi dir, bel idol mio« sowie Don Ottavios »Dalla sua pace«, schließlich wohl auch noch Belmontes »O wie ängstlich, o wie feurig« aus der Entführung aus dem Serail. Strauss liebte die »welterlösende Mozartsche Melodie« Strauss war ein enthusiastischer Bewunderer Mozarts – und im Gegensatz zu vielen Zeitgenossen handelte es sich dabei nicht nur um Lippenbekenntnisse. Seine Bewunderung speiste sich aus intimer Kenntnis der Werke und schlug sich in einem außerordentlichen Die Seiten der Deutschen Mozart-Gesellschaft

dirigentischen Engagement für den seit den 1870er Jahren zunehmend seltener aufgeführten Mozart nieder. Fand man auf den Spielplänen anderswo meist nur Don Giovanni, Figaro und Zauberflöte, so setzte Strauss auch die als unmoralisch verschriene Così fan tutte sowie den vergessenen Idomeneo auf seine Programme. Was Strauss an Mozart liebte, das lässt sich an seiner persönlichen »Hitliste« leicht ablesen: das schmelzende Melos. In seinen Notizen, Interviews und Briefen findet man immer wieder Loblieder auf die »welterlösende Mozartsche Melodie«, ihre unmittelbare Schönheit und Ausdruckskraft sowie ihre weiten Bögen. Für Strauss stand die Musikgeschichte nicht für sich selbst, sondern in einem direkten Bezug zu den übrigen kulturellen Entwicklungen seit der Antike. »Das letzte Kapitel der Weltweisheit« oder auch »einer 3000jährigen Culturentwicklung« habe mit Bach begonnen und sei dann mit Mozart, Beethoven, Schubert und Wagner zum Höhepunkt (und Abschluss) gelangt. Mozart ist in diesem System derjenige, in dessen Melodien 3


»die menschliche Seele geoffenbart wurde, um deren Entdeckung und Deutung sich die Denker von Jahrtausenden bemüht haben«. Das ist ein bisschen über Wagner und seinen Mentor Alexander Ritter vermittelter Schopenhauer, das ist aber v. a. die Ansicht eines Komponisten, der auch in seinem eigenen Schaffen von der schön und expressiv gestalteten Melodie ausging, und eines Menschen, der sich nicht am Beginn von etwas Neuem, sondern am Ende von etwas Altem stehen sah. Bis 1914 hatte Strauss schon 234 Mozart-Opernabende dirigiert Das nahe Verhältnis zu Mozart wurde Strauss freilich schon an der Wiege gesungen: Das »musikalische Glaubensbekenntnis« seines Vaters, Solo-Hornist in der Münchner Hofkapelle, »galt der Trinität Mozart (über allen), Haydn, Beethoven«. In seiner Jugend begleitete er den Vater unzählige Male auf dem Klavier, wenn dieser die Mozartschen Hornkonzerte spielte. Und in der Hofoper sowie in den Sinfonie- und Kammermusik-Programmen seiner Heimatstadt konnte er das damals gängige Mozart-Repertoire kennen lernen. So nimmt es nicht Wunder, dass die Beschäftigung mit Mozarts Werken Strauss’ ganzes Leben durchzog: Als junger Komponist versuchte er, den drei Wiener Klassikern und hier namentlich Mozart nachzueifern. Und als er durch die relativ spät begonnene Begeisterung für Wagner schließlich seinen eigenen Stil gefunden hatte, blieb Mozart doch eine Referenz und Inspiration für ihn. Noch eines seiner letzten Werke, die Sonatine für 16 Blechbläser Nr. 2, widmete er »den Manen Mozarts«. Als Dirigent setzte er immer wieder Mozart-Werke, v. a. die Opern, auf seine Programme. Sowohl in Weimar als auch als Münchener Kapellmeister debütierte er mit der Zauberflöte. Als erster Dirigent überhaupt spielte er zwischen 1926 und 1928 mit den Berliner Philharmonikern die drei letzten Sinfonien ein. Raymond Holden hat in seinem Buch »Richard Strauss – A musical life« vorgerechnet, dass Strauss bis 1914 sage und schreibe 234 Aufführungen von Mozartopern dirigierte. Im selben Zeitraum gab es in London immerhin 96 Vorführungen, in Paris hingegen nur zwei und in Köln drei. Mozart lieben und doch sich selbst treu bleiben: Ein Spannungsfeld, das Fantasie und Kreativität beflügelte Zwei Phasen seines Schaffens standen ganz besonders im Zeichen Mozarts: Die erste umfasst die Jahre von 1896 bis 1898, als Strauss Hofkapellmeister in seiner Heimatstadt wurde. Zusammen mit

dem Hoftheaterindendanten Ernst von Possart brachte er Neuproduktionen von Don Giovanni, der Entführung, Così fan tutte und der Zauberflöte heraus, die einen nachhaltigen Einfluss auf die deutsche Mozartpflege gewinnen sollten und geradezu als Mozart-Renaissance gelten. Der künstlerische Ansatz war geprägt von Werktreue und dem Bemühen um größtmögliche stilistische Authentizität: Neuübersetzungen nah am italienischen Original, ein mit den Autographen abgeglichenes Notenmaterial, keine Striche, eine schlanke Orchesterbesetzung, historisierende Kostüme und ein passender Aufführungsraum, das Residenz- (heute Cuvilliés-)Theater. Strauss selbst begleitete die Rezitative von einem historischen Fortepiano aus und entzückte die Zuhörer mit passenden kleinen motivischen Interpolierungen: historisch informierte Aufführungspraxis avant la lettre, sozusagen. 1931 – man feierte den 175. Geburtstag Mozarts – fügte Strauss diesen Bemühungen mit einer Bearbeitung des Idomeneo noch ein Kapitel hinzu. Die zweite Phase betrifft sein kompositorisches Wirken: Nach den Sensationserfolgen von Salome und Elektra bemühte sich Strauss ab 1910 um einen neuen Musiktheaterstil, der sich mithilfe Mozartischer Inspirationen aus der allzu engen Wagnernachfolge löste. Der Rosenkavalier, Ariadne und Die Frau ohne Schatten sind in je verschiedener Weise ein Versuch, Mozart in die Gegenwart zu übertragen: im Rokoko-Stoff, in der Anlage als Komödie, in einem behutsamen Wiederaufgriff des Nummernprinzips oder in der Neuinterpretation der Märchenoper. Kurze Zitate legen die Reverenz offen: Das Schluss-Duett des Rosenkavalier, »Ist ein Traum, kann nicht wirklich sein« beispielsweise wirkt wie eine verträumte Erinnerung an das Duett von Pamina und Papageno »Könnte jeder brave Mann«. Das Lied des Harlekin »Lieben, Hassen, Hoffen, Zagen« aus der Ariadne ist nach dem Thema der A-Dur-Sonate KV 331 gemodelt. In der Kartenspielszene von Intermezzo klingt kurz die Figaro-Ouvertüre an. Wer Fortschritt nur als die Freiheit von jeglicher Traditionsbindung verstehen konnte, hat Strauss deswegen des Rückschritts und Konservatismus geziehen. Wer genauer hinhört, muss indes Strauss recht geben, der mit Bezug auf den Rosenkavalier sagte: »Mozartscher Geist stieg unwillkürlich in mir auf, aber ich bin mir doch selbst treu geblieben.« Wie bei den meisten Zeitgenossen klang in dem Kampfruf »Zurück zu Mozart« immer auch ein »Weg von Wagner« mit. Und doch ist Strauss einer der wenigen, die Mozart- und Wagnerbegeisterung nicht nur miteinander vereinbaren, sondern auch produktiv nutzen konnten.  ❙

Deutsches Mozartfest 2014 · Symposium

»Blick zurück nach vorn: Richard Strauss und / mit / nach Mozart« Sa 17. / So. 18. Mai 2014 · Bildungs- und Begegnungszentrum Zeughaus In Kooperation mit dem Leopold-Mozart-Zentrum Augsburg Spezialisten der Strauss-Forschung und der deutschen Kulturgeschichte um 1900 beleuchten verschiedene Facetten der Beziehung »Strauss –Mozart« und stellen sie in ihren geschichtlichen Kontext: von der für Strauss prägenden Mozart-Renaissance in seiner Vater­

stadt München über seine eigenen Mozartdirigate in Berlin und Wien bis hin zu seiner eigenen Sicht auf Mozart und seine komponierenden Auseinandersetzung mit ihm. Genaueres zum Inhalt und Ablauf unter www.mozartgesellschaft.de oder in der Tagespresse.  ❙

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Der Bürger als Edelmann in der Bearbeitung von Hugo von Hof­mans­thal, nach Molières Komödie. Uraufführung vom 25.10.1912 am Kleinen Haus des Hoftheaters Stuttgart, Regie: Max Reinhardt

Rokoko-begeisterung

»Vorwärts zu Mozart!«

von Wolfgang Fuhrmann Während im 19. Jahrhundert nur wenige Werke Mozarts zum Repertoire gehörten und der Komponist als historisch gewordene Figur galt, ändert sich dies in den Jahrzehnten um 1900 fast dramatisch: Mozarts Musik wird im Zuge einer allgemeinen »Rokoko«-Begeisterung plötzlich zum Vorbild und Maßstab all jener, die der monumentalen Orchesterapparate und pathetischen Bekenntniswerke müde geworden waren. »Nichts vermag die Identitätskrise, von der die bürgerliche Gesellschaft […] erfaßt wurde, besser zu verdeutlichen als die Geschichte der Kunst und Literatur zwischen 1870 und 1914. Es war die Zeit, als sowohl die schöpferischen Künste als auch ihr Publikum die Orientierung verloren.« So hat der vor kurzem verstorbene große österreichisch-englische Historiker Eric J. Hobsbawm die Jahrzehnte um 1900, das »imperiale Zeitalter«, in seinem gleichnamigen Buch charakterisiert. So paradox es klingt: Zu dieser Krise des Fin de siècle, die sich auch auf die Musik erstreckte, gehört auch die Mozart-Renaissance. Worin zeigt sich diese Orientierungs- und Identitätskrise? In einem Schlingern zwischen dem Drang nach »Fortschritt« und »Zukunftsmusik« in monumentalen Opern, Oratorien und Symphonien einerseits und andererseits dem Rückgriff auf die »festen Formen« aus Barock – Bach für die Deutschen, François Couperin für die Franzosen – und Klassik, die die Romantik des 19. Jahrhunderts geglaubt hatte, hinter sich lassen zu können. Der Rosenkavalier, die Ariadne auf Naxos, die Bühnenmusik zu Molières Bürger als Edelmann bei Richard Strauss oder Gustav Mahlers schlanke Vierte Symphonie, das sind Beispiele für eine solche Suche nach vereinfachter Tonsprache und reduzierten klanglichen Mitteln.

Auf der Suche nach »moderner Klassizität« Mozart spielte dabei stets die Rolle eines Leitsterns, eines Sehnsuchtsbilds, nicht nur in den Mozart-Variationen eines Max Reger, der einmal schrieb: »Ich bete jeden Tag: Gott der Allmächtige möchte uns einen Mozart senden; der thut uns so bitter noth!«, in den Opern des als »giovane Mozart redivivo« (als wiedergeborener junger Mozart) gepriesenem Ermanno Wolf-Ferrari und nicht zuletzt dank der Münchner Bemühungen von Hermann Levi und Richard Strauss um »authentische« Aufführungen von Mozarts Opern. Es war eine Suche nach »moderner Klassizität«, wie Heinz Tiessen schon 1911 mit Bezug auf Strauss geschrieben hatte, lange bevor Ferruccio Busoni nach der Katastrophe des Ersten Weltkriegs mit seinem kleinen Manifest »Junge Klassizität« der Zeit ein Stichwort gab. Und der Mozart-Anbeter Busoni widmete sich gerade in den wenigen Jahren, die ihm noch blieben, intensiv und immer wieder Mozart (dessen Klavierkonzerte er, damals ungewöhnlich für einen Virtuosen seines Ranges, in Berlin 1921/22 aufführte). 1919 schrieb er: »Die meisterliche Gestaltung und die Spielfreudigkeit müssten wieder zu ihrem Rechte gelan­ ubjektivismus ist zu viel gen. Des Grübelns und Tiefsinn’s und des S

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© Landesarchiv Baden-Württemberg – Staatsarchiv Ludwigsburg

Mozart im Fin de siècle


Bildbeschreibung folgt noch

© Landesarchiv Baden-Württemberg – Staatsarchiv Ludwigsburg

Bei der vom Komponisten geleiteten Uraufführung bildetet der Opernakt Ariadne auf Naxos den Schluss eines Zwitterwerkes, das aus Schauspiel (Der Bürger als Edelmann) und Oper bestand

g­ ewesen. Auch der unnötigen Geräusche. Man sollte – sagt Schopenhauer – Ungewöhnliches mit gewöhnlichen Worten sagen und nicht umgekehrt. Also Mozart und Goethe.« Bei all dem ging es nicht bloß um eine Nachahmung älterer Musik, um eine Stilkopie, die so tot wäre wie eine Mozartfigur aus Porzellan. Es ging um den Eindruck, dass mit dem übersteigerten Expressionismus, der bedeutungsschwangeren Weltanschauungsmusik, den üppigen, mit viel Blech und Schlagzeug gepanzerten Orchesterapparaten der Jahrhundertwende Leichtigkeit, Klarheit, Einfachheit, Ordnung und gerade dadurch auch Ausdruck verlorengegangen seien. Wer den Ausdruck »Zurück zu Mozart!« geprägt hat, scheint nicht mehr festzustellen – aber um die Jahrhundertwende kursierte er und löste so viele Missverständnisse aus, dass der Dirigent Felix Weingartner, selbst als Opernkomponist Epigone Wagners, ihn umformulierte in: »Vorwärts zu Mozart!« und erklärte: »Mit unseren modernen Ausdrucksmitteln im Geiste Mozarts zu schaffen, das wäre vielleicht das Richtige.« Wie hat man sich das vorzustellen? 1904 hatte der Komponist und Klavierpädagoge Rudolf Maria Breithaupt (1873 – 1945) in einer Glosse mit dem Titel »Mehr Mozart!« verfasst, in der er Mozart als ein Gegenwicht zum eigenen Zeitalter »schneidender, eiskalter Materialprinzipien und positivistischer Erkenntnislehren« empfahl. »Die Kunstmittel sind zu ungeahnter Höhe entwickelt«, diagnostiziert Breithaupt an der Musik seiner eigenen Zeit – mit besonderem Bezug auf Strauss’ Heldenleben übrigens –, »aber der Ideengehalt ist nicht in gleicher Weise gewachsen.« So fordert er: »Mehr Mozart: mehr positive Erfindung und süsseren melodischen Kern!!« Mozart soll »weniger kontrapunktisches Kraftmeiertum und mehr natürli-

ches Tonspiel« verbürgen, »Grundakkorde und Gefühls-Grundbegriffe«. Und er erklärt: »Mozartisch sein heisst: musikalisch-melodisch sein, und musikalisch sein, heisst: in die Tiefe lauschen, auf sich lauschen, und Klang werden lassen, was ›unverhofft gelingt‹, was notwendig ist.« Mozart als Elixier, auch gegen die Décadence Solches »Mozartisch sein« war übrigens nicht durchweg mit einer strikten Abwendung von der Romantik und vor allem von der übermächtigen Figur Richard Wagners verbunden, der ja selbst auf seine Weise Mozart verehrt hatte. Viele Mozartianer waren auch Wagnerianer. Das gilt für alle Protagonisten der Münchner »Mozart-Renaissance«, namentlich für Strauss – aber auch für Reger, oder eine so gefeierte Mozart- und Wagner-Sopranistin wie Lili Lehmann. In ihren 1913 erschienen Memoiren »Mein Weg« über den Meister von Bayreuth schrieb Lehmann: »Seine Kraftentladung wirkte elektrisierend auf die Zeitgenossen, und ob gewollt, ob nicht, abklärend auf das Urteil der Besten seiner Zeit, indem er die einfache Größe, das gesunde göttliche Genie Mozarts, nur um so erkennbarer hervortreten, nur um so anbetungswürdiger erscheinen läßt. Gesund, das ist’s! Mozarts Genie ist gesund, und unverdorben, was er uns gegeben. Mozart beglückt, beruhigt, ohne auf Schmerz und Tränen zu verzichten, die er in seiner Größe so einfach, so erhaben gezeichnet hat.« Diese Suche nach Gesundheit in einer Zeit, die sich viel auf ihre Décadence, ihre Nervosität und ihrer zerrütteten, übersensiblen Nerven zugute hielt, sollte Mozart verbürgen. Seine Musik galt auch als eine Art Medizin.  ❙

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Empfehlungen BÜCHER und CDs Bücher

Malte Krasting: Mozart. Così fan tutte. Kassel / Leipzig: Bärenreiter / Henschel 2013 (Opern­füh­ rer kompakt), 136 Seiten. Die Reihe Opernführer kompakt sieht ihre Bände als ideale Begleiter für Opernabende. Ob als einführende Lektüre in Handlung und Werkkontext vor dem Besuch oder zum schnellen Nachschlagen der Ausführungen zu Come scoglio während der Pause, für beides eignet sich auch der Band zu Così fan tutte. Im Rundumpaket zur Oper sind biographische Informationen ebenso enthalten wie Hinweise zur Positionierung des besprochenen Werkes im weiteren Opernschaffen Mozarts und ein kulturgeschichtlicher Abriss zum späten 18. Jahrhundert. Die Kapitel zu Werkgenese und -analyse zeichnen sich nicht nur durch Textgenauigkeit aus (die Figur des Guglielmo wird konsequent in der bei Mozart und Da Ponte überlieferten Schreibweise »Guilelmo« vorgestellt), sondern machen Interpretationsangebote, die zum eigenen Nachdenken anregen. Der Werkbesprechung folgen drei Kapitel zur Werkrezeption bis in die Gegenwart. Der Dramaturg Malte Krasting orientiert sich an geschichtsträchtigen Inszenierungen hauptsächlich des deutschen Sprachraums und bietet damit gleichzeitig einen Einblick in allgemeine Entwicklungslinien im Bereich der Opernregie. Beschlossen wird

die Übersicht durch Hinweise auf Referenzeinspielungen sowie eine Zusammenstellung von filmischen und literarischen Verarbeitungen. Zahlreiche über das Buch verteilte »Informationskästchen« geben ferner Auskunft zu den eigentlich brennenden Fragen: Serviert Despina das Frühstück tatsächlich um sechs Uhr morgens? Mit welchem Schiffstyp legen Guilelmo und Ferrando ab? Daneben erhält jeder Protagonist einen Steckbrief, italienische Wortspiele werden aufgeschlüsselt oder die Personenkonstellation visualisiert. Damit erreicht der Band sein Ziel, »Musikfreunden« auf hohem Niveau ein Werk und ­ möglichst viele seiner Facetten näher zu bringen. Michaela Kaufmann

Hans-Joachim Fritz: Mozarts La Clemenza di Tito. Die Geschichte einer Oper. Köln etc. Böhlau Verlag 2013, 372 Seiten, 16 z. T. farbige Abbildungen. Erklärtes Anliegen dieses Buches ist der Nachweis, dass Mozarts La Clemenza di Tito gegenüber den drei Da Ponte-Opern und der Zauberflöte weder eine Absage an deren aristokratiekritische und aufklärerisch-humanistische Tendenz, noch einen musikdramatischen Rückschritt bedeuten. Anders als in der älteren Mozart-Literatur häufig dargestellt, seien zukunftsweisende dramaturgische Neuerun-

gen und die Politisierung des Bühnen­geschehens das Kennzeichen dieser letzten Oper des Meisters. Zunächst aber wird in den ersten Kapiteln vor allem das Sujet der Oper – der Titus-Stoff – nebst dem Topos der Cle­menza ausführlich abgehandelt. Es folgt eine mit interessanten Kom­mentaren versehene, freilich im Verhältnis zum Ganzen deutlich überdimensionierte Synopse des berühmten Librettos von Pietro Metastasio, das Mozart und seinem Librettisten als Vorlage diente. Die folgenden Kapitel sind dann den zahlreichen Eingriffen gewidmet, die der Hofpoet Caterino Mazzolà sehr ver­mut­ lich in Zusammenarbeit mit Mozart vorgenommen hat. Hier nun bündelt der Autor alle Ergebnisse der jüngeren Mozartforschung, die das eingangs be­ nannte Grundanliegen stützen und fügt ihnen einige weitere hinzu. Auch die These, dass das musikdramatische Konzept von Mazzolà und Mozart als eine aufklärerisch motivierte Politisierung des Dramas und zugleich als Artikulation einer humanitären Gesellschaftsuto­ pie begriffen werden kann, wird überzeugend erörtert. Den durchaus bedenkenswerten Kri­tiken an der künstlerischen Qua­ lität des Werks indes stellt sich der Autor nicht, sondern behauptet lediglich das Gegenteil. Als Abhandlung über das musik­ dramatische Konzept der Oper und deren weltanschaulichen Implikationen kann man dieses Buch gewiss jedem Opernfreund empfehlen. Das musikalische Fachpublikum wird jedoch nähere Ausführungen zur Musik Mozarts schmerzlich vermissen. Außer­dem hält das Buch nicht das, was es dem Titel

nach verspricht: Es ist jedenfalls keine »Geschichte einer Oper«, zu der ja ganz wesentlich ihre Rezeptionsgeschichte gehörte. Zu dieser aber gibt es lediglich im letzten Kapitel des Buches auf 8 von insgesamt 372 Seiten einen kursorisch verkürzten Überblick. Hartmut Grimm

Marko Simsa und Silke Brix: Mozart für Kinder. Nachtmusik und Zauberflöte. Hamburg: Jum­ bo Ver­lag 2013, 31 Seiten und AudioCD. Klassische Musik ist schwer zugänglich. Dieses Klischee versucht der Schauspieler und Autor Marko Simsa zu überwinden. Mozart für Kinder. Nachtmusik und Zauberflöte entstand aus einer gleichnamigen Theateraufführung. Mit sympathischem österreichischen Akzent erzählt Simsa auf der beiliegenden CD die Geschichte von Mozarts Leben, die auch als Text zum selber Vorlesen beiliegt. ­ Kurze meist ein- bis zweiminütige Musik­ ausschnitte untermalen die­ se. Text, Zeichnungen und Musik fügen sich zu einer Zeitrei­ se, bei der die Kinder auch selbst aktiv werden können: als Dirigent der Kleinen Nachtmusik (15) oder als Tänzer zum Menuett aus Don Giovanni (18). Die Aufnahmen der CD sind durchweg gut, die Illustrationen Brix’ farbenprächtig und mit bewegtem Duktus gezeichnet, … Fortsetzung auf Seite 16.

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kritik

Petrenko und Bosse enttäuschen mit Mozarts »La Clemenza di Tito«

Alle Fotos © Wilfried Hösl

Bayerische Staatsoper München, Premiere 10.02.2014

Von Dieter David Scholz Sie war mit Spannung erwartet worden, die Premiere von Mozarts Dramma serio La Clemenza di Tito an der Bayerischen Staatsoper in München. Die erste Produktion des Stücks seit 15 Jahren und das Hausdebüt des aus Stuttgart stammenden Regisseurs Jan Bosse. Vor allem aber ist es die zweite Premiere des neuen Generalmusikdirektors Kirill Petrenko, der nach seinem spektakulären Debüt mit Richard Straussens Frau ohne Schatten in München einen triumphalen Einstand gab. Eine »porcheria tedesca!«, eine »deutsche Schweinerei!« soll die Kaiserin angeblich ausgerufen haben, bei der Uraufführung des Titus 1791 in Prag. Dennoch wurde Mozarts letzte Oper, zugleich die letzte Opera seria überhaupt, bis Anfang des 19. Jahrhunderts häufig gespielt. Dann geriet die Huldigungsoper für Leopold II. für lange Zeit in Vergessenheit. Das über vierzig Mal von verschiedenen Komponisten vertonte Stück des berühmten Librettisten Pietro Metastasio über die Herrschertugend der Großmut geriet beim Publikum in Misskredit. Mozart hatte die Oper unter großem Zeitdruck zwei Jahre nach dem Sturm auf die Bastille für die böhmische Krönung des Habsburgerkaisers Leopold II. geschrieben. Es ist ein Werk über das Grundproblem des aufgeklärten Herrschers, Macht und Humanität vereinen zu wollen. Der Schauspielregisseur Jan Bosse, der mit diesem Spätwerk Mozarts erst seine vierte Oper inszeniert, liest das

Stück als die »Sehnsucht des Absolutismus nach vorangegangenen Kriegszügen«, Titus ist für ihn eine zerrissene Herrschergestalt. Der britische Tenor Toby Spence leiht ihr seine rauhe, grobe Stimme. Kein Mozarttenor des feinen Klangs. Gerecht und gnadenvoll rühmt man Kaiser Titus. Er ist ein scheinbar Unfehlbarer, der – nach dreifacher Änderung seiner Heiratspläne – in seinem Umfeld für ein Gewirr aus enttäuschter Liebe, frustriertem Begehren, Eifersucht und Verrat sorgt. Als sein Freund und Vertrauter Sesto seiner Widersacherin Vitellia verfällt, und einen Brandanschlag auf den Herrscher verübt, steht für Titus alles Gefühl in Frage. Wem kann man noch trauen? Das Private und das Politische berühren sich, Kalkül und Intrige, Macht und Emotion. Tara Erraught singt den Sesto, kann allerdings nicht an die stimmlichen Sensationen in dieser Partie anknüpfen, die man an diesem Hause in der Vergangenheit erlebte (man denke nur an Brigitte Fassbaender). Und das Vitellia-Rollendebüt der lettischen Sopranistin Kristine Opolais, die mit ihrem Einspringen als Rusalka in der ersten Premiere der Saison 2011/2012 in München ihren internationalen Durchbruch feierte, überzeugt eher durch Lautstärke und Espressivität als durch Kultur und Ebenmaß des Gesangsvortrags. Immerhin sang einmal eine Julia Varady diese Partie.

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Toby Spence als Tito

Tara Erraught als Sesto, Kristīne Opolais als Vitellia

Insgesamt ist diese neue Münchner Mozartproduktion alles andere als ein Fest schöner Stimmen! Schon an unbedeutenderen, kleineren Häusern hat man Mozarts Titus in besseren Besetzungen gehört. Von einem überzeugenden Münchner Mozartensemble jedenfalls kann man ebensowenig sprechen wie von einer originellen Inszenierung. Es ist vor allem der Gegensatz von Schein und Sein, Fassade und Wirklichkeit, die Jan Bosse in München inszeniert. Eine Studie über die Mechanik menschlicher Gefühle. Stéphane Laimé hat Bosse dazu eine in ihrer Mechanik transparente Bühne gebaut, die die Säulenarchitektur des schönen Münchner Zuschauerraums jenseits des hochgefahrenen Orchestergrabens fortsetzt und zum antiken Amphitheater rundet, auf dem Kaiser Titus seine Auftritte hat. Dessen pompöse Selbstinszenierung in weiß weicht nach der Pause schwarzer Desillusionierung. Ein im wahrsten Sinne des Wortes schwarz-weißes Inszenierungskonzept, das von statischer Personenführung geprägt ist. Von den völlig überflüssigen Videoprojektionen zu schweigen. Die Orchestermitglieder wechseln nach der Pause ihre Hemdenfarbe. Alle Kulissen sind verschwunden. Ein nacktes Bühnenhaus mit sichtbarer Technik demonstriert: Alles nur Fassade. Die Sänger entledigen sich der zwischen Barock und Moderne changierenden, übertrieben kari-

kierenden Kostüme von Victoria Behr mehr und mehr. Wir haben verstanden! Die Inszenierung ist leider so plakativ wie die musikalische Lesart Kirill Petrenkos, die vor allem auf pauken-knallige Effekte und extrem aus­g estaltete Affekte setzt. Er beweist zwar immer wieder aufhorchen lassende Arbeit am Detail. Doch verfällt er darüber oft in lähmende Augenblicksverliebtheit und vergisst den großen Zusammenhang. Es ist kein Mozart aus einem Guss. Jede Nummer der Oper steht für sich, wird skelettiert, analysiert und scheinbar neu zusammengesetzt. Die Tempodynamik Petrenkos ist extrem: Retardierende Langsamkeit wechselt sich mit gehetzter Schnelligkeit ab. Grossbögige Spannung und einheitlicher dramatischer Fluss fehlen Petrenkos Dirigat. Es ist ein gegen den Strich gebürsteter Mozart ohne Charme und Eleganz. Leider läßt das Bayerische Staatsorchester es auch an klanglicher Brillianz mangeln, vor allem bei den Streichern. Die Holzbläser überzeugen weit mehr. Sehr schön sind die Soli der Bassettklarinette und des Bassetthorns. So erstaunliche Stärken Kirill Petrenko mit Richard Strauss und Richard Wagner bewiesen hat, so enttäuschend schwach zeigt er sich in diesem Titus als Mozartdirigent. Mozart scheint seine Sache nicht zu sein. Mozartglück jedenfalls, wie man es in vergangene Zeiten an der Bayerischen Staatsoper hörte, klingt anders.  ❙

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Musikvermittlung

Die Zauberflöte als Lebenshilfe

von Dieter Lintz In unserer Rubrik »Musikvermittlung« wollten wir eigentlich zeigen, wie gut ausgetüftelte Projekte Kindern in ihrer Entwicklung helfen können. Dass ein solches zugleich eine wahre »Lebenshilfe« für ein Stadttheater bedeuten kann, zeigt gleich unser erster Beitrag aus Trier: Hier haben die integrative Porta-Nigra-Schule und das Theater Trier zusammen Zukunftsweisendes gestaltet. Es war ein Experiment: 80 geistig behinderte Schüler in einer Produktion der Zauberflöte, gemeinsam mit dem kompletten Orchester, dem Chor und den besten Solisten, im großen Haus des Theaters. Vier Monate intensive Probenarbeit, zum größten Teil in der Freizeit der Künstler, der Lehrer und der Schüler gelegen. Mit allen Unwägbarkeiten, die es mit sich bringt, wenn man als tragendes Element in eine Produktion Kinder und Jugendliche einbaut, deren Handeln auf der Bühne nur begrenzt berechenbar ist. Regisseur und Choreograph Jean-Pierre Lamperti und der Trierer Generalmusikdirektor Victor Puhl erarbeiteten eine Fassung, die Kernelemente von Mozarts Zauberflöte auf einer Länge von 75 Minuten zusammenfassten. Die Charaktere blieben erhalten, aber die Darstellungsformen wurden verändert. Tamino und Pamina wandelten sich in Tanz-Figuren, Sarastro, Papageno und die Königin der Nacht blieben Sänger. Die Handlung wurde der Erlebniswelt der Kinder angepasst: Vor dem Weisheitstempel wachten Disco-Türsteher, die Feuerprobe war eine Art Casting, bei dem neben Tamino und Pamina auch Schüler der Porta-Nigra-Schule ihre künstlerischen Fähigkeiten demonstrieren durften – von Rap bis »Freude, schöner Götterfunken«. Das alles wirkte freilich nicht wie abstrakte Dramaturgen-Fantasie, sondern logisch und lebensnah. Die Jury des Junge-Ohren-Preises 2013 lobte an der Inszenierung »die ­Begeisterung, den Ideenreichtum, den Witz und das Finger­spitzengefühl« Ein Abenteuer war es allemal. »Ich konnte nicht einfach sagen: So machen wir das, und dann wird das umgesetzt«, erinnert sich Regisseur Lamperti, der zwar schon mit Kindern gearbeitet hatte, aber nie mit Behinderten. Sein Rezept: »Viel Improvisation«. Auch Schüler Dominik, zum ersten Mal auf einer Bühne, brauchte Mut: »Alles war neu, und man wusste nicht, was rauskommt«, sagt der 15-Jährige, der einen patzigen Türsteher spielte. Ein wesentliches Ziel war, möglichst alle Schüler in die ­Produktion einzubinden. So übernahmen sie kleine Chor- und Instrumental-Aufgaben, Komparsenrollen, Gastauftritte, kümmerten sich aber auch um die Gestaltung – nebst Auf- und 10 Die Seiten der Deutschen Mozart-Gesellschaft


Buchtipp Wie die Zauberflöte mit behinderten Kindern erarbeitet werden kann: Carla Klimke / Klaudia König-Bullerjahn: Beinahe die Zauberflöte: Ein musikalisches Märchen – Praxisbeispiele für voraussetzungslose kulturelle Teilhabe. Dortmund: Verlag Modernes Lernen 2013, 96 Seiten

Geschafft: Papageno und ­Papagena (Evelyn Czesla) feiern im großen Kreis das Finale der Zauberflöte. Im Hintergrund: Dirigent Victor Puhl

Alle Fotos © Friedemann Vetter

Anstehen für die Casting-Show im Weisheitstempel: Papageno (Amadeu Tasca, rechts) macht mit Hilfe der Zauberflöte den Weg frei

Abbau – der Dekoration. Das durchaus komplizierte Bühnen-Geschehen lief unerwartet geschmeidig – dank cleverer, Barrieren meidender Regie und engagierter Lehrer hinter den Kulissen. Und vor allem dank des Zaubers der Zauberflöte, der sich auch – wie in diesem Fall – Menschen erschloss, die ansonsten mit der Kunstform Oper nie in Berührung kommen. Es gab zwei restlos ausverkaufte Vorstellungen mit jeweils über 600 Besuchern – ein Vielfaches an Karten wäre verkaufbar gewesen, wenn das Theater in seinen engen Dispositionsplänen weitere Aufführungen hätte unterbringen können. Die Produktion aus dem Jahr 2013 erhielt regional und überregional große Anerkennung, unter anderem mit dem »Junge-Ohren-Preis« des bundesweiten Netzwerks Junge Ohren und mit dem Ehrenpreis des Verbandes Sonderpädagogik. »Wir sind jetzt Profis!« freut sich Christine (18). Für die Schüler und ihre Schule war das Projekt mit einer enormen öffentlichen Anerkennung und Wertschätzung verbunden. Und mit einem »Erfolgserlebnis, das noch lange nachwirkt«, wie es der Lehrer und Initiator Gerd Dahm rückblickend formuliert. Bei der Premierenfeier im Theaterfoyer flossen bei vielen Familien Tränen der Rührung und der Freude. Nicht minder wichtig war der Erfolg auch für das Theater, denn er kam in einem entscheidenden Moment: Der Trierer Stadtrat diskutierte gerade darüber, ob er das Haus angesichts finanzieller Nöte nicht von einem Ensemble- in ein Bespiel-Theater umwandeln solle. Die spartenübergreifende Gemeinschaftsarbeit an der Zauberflöte und das Interesse des Publikums waren gewichtige Argumente für die Ratsfraktionen, die Umwandlungspläne ad acta zu legen. Die Kommunalpolitiker machten aber auch deutlich, dass sie solche soziokulturellen Projekte künftig häufiger von ihrem Theater erwarten.  ❙ Wie formiert man aus runden Platten den­ Körper ­einer Riesenschlange? Regisseur Jean-Pierre ­Lamperti (links) probiert es aus.

Die Zauberflöte von W. A. Mozart wird häufig für die musikpädagogische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen herangezogen. Eine aktuelle Besprechung dazu finden Sie in unseren Rezensionen auf Seite 7.

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Mozart-Ort

»Wir brauchen die Musik« – Klassische Musik in Zeiten der Krise Im Jahr 1976 war Baubeginn, fünfzehn Jahre später war sie fertiggestellt: die Megaron-­Konzerthalle, auch Heimat auch des Staatsorchesters Athen

von Theodora Mavropoulos »Davon kann man kein Orchester mehr bezahlen«, sagt Posaunist Kostas Avgerinos. Der Mitvierziger spielt seit über 20 Jahren im Staatsorchester Athen. Wie viele andere befindet sich auch dieses Ensemble am Rande der Existenz. Vor fünf Jahren hatte das Orchester noch gut eine Million Euro an staatlicher Unterstützung pro Jahr zur Verfügung, mittlerweile beträgt das jährliche Budget nur noch 6500 Euro. »Mein Gehalt wurde bis heute um fast die Hälfte gekürzt«, berichtet Avgerinos. »Außerdem herrscht ständig die Unsicherheit, dass das Orchester gänzlich geschlossen wird und wir Musiker unseren Arbeitsplatz verlieren«, so der Familienvater. Griechenland befindet sich im siebten Jahr der Rezession. Die Sparmaßnamen im Lande haben auch die Musikszene hart getroffen: Staatliche Budgets für Musikhäuser, Orchester und Konservatorien wurden seit 2010 um über die Hälfte (52%) gekürzt. Im Juni 2013 löste Ministerpräsident Antonis Samaras die staatliche Rundfunkanstalt ERT auf und damit auch ihr Orchester. Dennoch gibt die Musikszene Griechenlands nicht auf: Und so spielt auch Kostas Avgerinos im Orchester »Recht auf Musik« mit, das seit Oktober 2013 quer durch Griechenland zieht, um an Musikgymnasien zu spielen. »Wir wollen den Schülerinnen und Schülern Mut machen, an ihrer Leidenschaft festzuhalten und uns mit ihnen austauschen«, sagt der Posaunist. Doch für eine Zukunft als Musiker sieht es in Grie-

chenland momentan schlecht aus. Auch der Tenor Christos Kechris sieht wenig Chancen, in seiner Heimat beruflich Fuß zu fassen: »Es gibt generell viel zu wenige Konzerthäuser und Orchester – das wird in Zeiten wie diesen natürlich nicht besser«, bedauert der 31-jährige. Seinen Abschluss am staatlichen Konservatorium Athen machte Kechris vor fünf Jahren. Seitdem bekommt er immer wieder Engagements, doch mittlerweile meistens im Ausland. In Griechenland werde man so schlecht bezahlt, davon könne man kaum leben, sagt er. Doch es gibt auch Projekte, die Hoffnung wecken. So etwa die »Oper im Koffer«, bei der auch Kechris mitsingt. Sie wurde vor gut zwei Jahren von Myron Michailidis, dem Intendanten der National­ oper Athens, ins Leben gerufen.

Themen sind im heutigen Griechenland total aktuell. Und das Komödiantische ist eine gute Möglichkeit, um zwar die Probleme aufzuzeigen, trotzdem aber auch unseren Optimismus vermitteln zu können.« Oper bedeute ein bisschen Glanz im oft schwierigen Alltag und das sei besonders in Krisenzeiten wichtig, ist sich Intendant Michailidis sicher. Im Jahr 2011 übernahm er die Nationaloper mit Schulden von ca. 17 Millionen Euro und schraubte diese bis heute auf knapp fünf Millionen Euro herunter. Zwar wurde ihm in dieser Periode die Finanzierung des Hauses um nahezu die Hälfte gekürzt. Trotzdem schaffte es Michailidis, die Produktionen fast zu verdoppeln.

Die »Oper im Koffer« kann dem schwierigen Alltag ein wenig Glanz verleihen

Zum Beispiel indem er dafür sorgte, dass Requisiten und Kostüme umgestaltet und mehrfach verwendet werden – ganz nach seinem Motto: Produktionen müssen nicht teuer, sondern gut sein. Damit überzeugt er auch private Finanziers: Ein Sponsor hat sich gefunden, der die »Oper im Koffer« finanziert. Nach den Stationen in Athen tourt die Truppe durch ganz Griechenland. »Wir brauchen die Musik, weil sie nicht einfach zur bloßen Unterhaltung dient. Die Musik in Krisenzeiten ermöglicht eine kurze Auszeit vom meist schwierigen Alltag,« sagt Michailidis. So können die Menschen wieder auftanken.  ❙

Umsonst und an öffentlichen Plätzen, etwa in Bibliotheken oder in kleinen Stadttheatern, werden bekannte Opern in leicht gekürzter Fassung aufgeführt. Zur Zeit wird Mozarts Don Giovanni gegeben. »In Mozarts Kompositionen und insbesondere in seinen Opern findet ein großartiges Zusammenspiel von dramatischen Elementen und Humor statt«, so Kechris. Mozart kommentiere durch die Oper Themen wie Betrug, Verbrechen und Tod – aber eben auf eine komödiantische Art und Weise. »Diese

Mit einem guten Konzept lässt sich sogar ein Sponsor finden

12 Die Seiten der Deutschen Mozart-Gesellschaft

Alle Fotos © Raphael Kominis

Athen


Das Staatsorchester Athen

Eine Oper als Kraftpaket aus Dramatik und Humor: Der Tenor Christos Kechris (rechts) bei den Proben zu Mozarts »Don Giovanni«, zusammen mit Sofia ­Kianidou (Sopran) und Alexandras Eyklidis (Dirigent)

Die Seiten der Deutschen Mozart-Gesellschaft 13


Interview

Kammer­sängerin Brigitte Fassbaender Kammersängerin Brigitte Fassbaender stand drei Jahrzehnte lang als gefeierte Mezzosopranistin auf der Bühne, in Opern, Konzerten und Liederabenden. Nun mischt sie sich als Regisseurin und Intendantin u. a. des Richard-Strauss-Festivals weiter in die Musikszene ein. Im Mai ist sie Schirmherrin des 63. Deutschen Mozartfestes. Frau Fassbaender, welches erste musikalische Erlebnis ist Ihnen besonders deutlich in Erinnerung geblieben? Wenn mein Vater zuhause gesungen hat. Ich saß dann immer unter dem Flügel und hörte zu. Ganz besonders eingeprägt hat sich mir Schumanns »Dichterliebe«, die mein Vater zusammen mit seinem Begleiter für Liederabende vorbereitete. Was hatte Mozart für Sie in Ihrer Kindheit für eine Bedeutung? Das war der Leib- und Magenkomponist der Familie. Mein Vater war einer der berühmtesten Mozart-Sänger seiner Zeit. Ich selbst empfand Mozart als ungemein beflügelnd und beglückend. Ein paar Takte seiner Musik und man war in einer anderen Welt. Wann war für Sie klar, dass Sie Profimusikerin werden wollten? Meine Stimme habe ich schon als Kind entdeckt. Sie klang anders als sonst die Kinderstimmen. Aber dann habe ich das wieder in mir vergraben. Ich wollte es nicht wahrhaben, das war ein ganz merkwürdiger Prozess. Es brach sich erst wieder am Ende der Schulzeit Bahn. Da kam der Wunsch auszuprobieren, was da gewachsen war: eine Stimme, die berechtige, diesen Beruf zu versuchen. Mein Vater, der auch mein Lehrer wurde, war glücklich, dass damit dieser wunderbare, aber schwere Beruf – diese Berufung – in der Familie weiterging. Was ist schwerer beim Musizieren: anfangen oder aufhören?

Es ist spannend und herausfordernd anzufangen und es ist befreiend und erleichternd aufzuhören. Es kommt ganz darauf an, in welcher Stimmung und Atmosphäre man ist. Welches ist Ihr musikalischer Lieblingsort? Die Wigmore Hall und das Covent Garden Opera House in London. In beiden habe ich am liebsten gesungen, weil dort das beste und klügste Publikum ist. Das besterzogene, disziplinierteste, gleichzeitig wohlwollendste und kenntnisreichste. Wenn Sie Wolfgang Amadé Mozart gewesen wären, was hätte Ihnen am besten daran gefallen? Wahrscheinlich gar nichts. Mozart hatte ein schweres Leben, es war ein Tanz auf dem Vulkan. Die Herausforderungen, denen er gegenüberstand, und seine Genialität, die sicher für ihn auch spürbar war, das hätte mir gefallen. Aber nicht diese schweren Lebensbedingungen, die schwere Kindheit, mit vielen Krankheiten und Sorgen, und die ungeheure Hektik. Der kam ja gar nicht zu sich selber, außer im Musizieren. Er hatte ein unglaublich erfülltes Leben, was wunderbar ist, aber leben hätte ich es so nicht wollen. Welche Musik berührt Sie am tiefsten? Die Musik von Franz Schubert ist die große Liebe meines Lebens. Sie löst ein immenses Staunen in mir aus – über so viel Schöpferkraft und Schöpferfreude. Sein Liedschaffen insbesondere und seine Kammermusik sind unerschöpfliche Quellen unbegreiflicher Ent­

deckungen. Schubert ist weit über seinen Zeitgeist hinausgewachsen. Er kommt aus der Klassik und weist ganz stark in den Expressionismus. Ein anderer Komponist, dessen Musik mich tief berührt und beglückt, auch in ihrer handwerklichen Perfektion, ist Richard Strauss. Seine Musik ist mir sehr nah. Was würden Sie gern musikalisch noch erleben? Eine Revolutionierung und ein Wiederaufblühen der Liederabende, und das Mitgehen des Publikums dabei. Ich würde die Steifheit und das Zelebrieren der Kunst abschaffen. Es sollte etwas Selbstverständliches sein, das dem Menschen in einem Dialog zwischen Sänger und Publikum ganz nahe gebracht wird. Lieben Sie schnelle Autos? Früher habe ich sie sehr geliebt, auch ihr Design. Ich fuhr einen Mercedes 220 Sportcoupé. Mein Vater war zeitweise Porschefahrer. Inzwischen kann man ja nicht mehr schnell fahren, da finde ich es immer etwas albern – wenn man in so einem Auto mit 130 km/h dahintuckern muss. Haben Sie sich als Sängerin schon mal so gefühlt wie ein Rennfahrer auf der Rennstrecke? Ja natürlich! Singen ist ein Hochleistungssport und verlangt dieselbe Konzentration, wie sie ein Rennfahrer, Spitzenreiter oder Spitzenfußballer aufbringen muss. Da geht es immer ums Ganze. ❙  Das Interview führte Julika Jahnke.

14 Die Seiten der Deutschen Mozart-Gesellschaft

© Rupert Larl

Die Perfektionistin


»Auch am Klavier kann ich schnell unterwegs sein, (je nach Stimmung).«

Interview

Der Perfektionist © Sauber Motorsport AG

Formel 1-Rennfahrer adrian sutil Die Welt kennt Adrian Sutil eigentlich nur im Cockpit von rasanten Autos. Doch der Formel 1-Rennfahrer hätte genauso gut am Klavier durchstarten können. Sein Vater gehörte den Münchner Philharmonikern an, seine Mutter war Pianistin und auch er selbst stand schon als Kind vielfach auf der Bühne. Herr Sutil, an welches frühe musikalische Erlebnis können Sie sich besonders gut erinnern? Im Alter zwischen vier und zwölf Jahren hab ich am meisten musiziert, mit sechs Jahren stand ich zum ersten Mal auf der Bühne. Sehr deutlich in Erinnerung geblieben ist mir zum Beispiel ein größerer Auftritt damals vor mehreren hundert Leuten. Als kleiner Junge hat man da auch mal etwas nervöse Hände. Da musste ich mich beruhigen, alles hinkriegen, durfte keinen Fehler machen. Und das ist ganz ähnlich zu dem, was ich jetzt mache in der Formel 1. Da ist Präzision gefragt. Man hat dann halt nur eine Chance: eine Stunde, in der man das, was man kann, zu 100% zeigen muss. Es war mit sehr viel Arbeit und Disziplin verbunden, das Klavierspiel so zu erlernen. Aber es war eine schöne und besondere Zeit. Sie hatten damals sogar vor, Profimusiker zu werden. Warum haben Sie doch eine andere Laufbahn eingeschlagen? Als ich dreizehn war, kam die Idee, mit dem Rennsport anzufangen. Das Klavier war da ein wenig langweilig geworden. Ich brauchte diesen Adrenalinkick. Zuerst habe ich mit dem Cart-Fahren angefangen und das war genau mein Ding. Das war auch sehr professionell und etwas, das sehr viel Gefühl und Disziplin erfordert. Und ich bin ein sehr wettbewerbsfähiger Mensch, ich möchte mich sehr gern messen mit anderen und brauche diese Herausforderung jeden Tag. Im Gegensatz zum Klavier, wo es mir schwerfiel, zwei bis drei Stunden auf dem Stuhl zu sitzen und zu üben, wollte ich aus dem Go-Cart gar nicht mehr raus. Was ist schwerer für Sie – beim Rennfahren beziehungsweise beim Musizieren – anfangen oder aufhören? Beim Rennfahren ist eher das Aufhören schwierig. Das ist wie eine Droge. Zum Anfangen brauche ich da keine Überwindung. Ich bin der erste, der in ein Auto einsteigt und versucht, es bis ans Limit zu bewegen. Mit der Musik konnte ich eben aufhören. Da hab ich mal eine Stunde geübt und das reichte mir dann auch. Das ist der Grund, warum ich Rennfahrer geworden bin und nicht Pianist.

Haben Sie einen musikalischen Lieblingsort oder einen Ort, den Sie besonders mit Musik verbinden? Der einzige Ort, den ich wirklich mit Musik verbinde, ist mein Zuhause in Gräfelfing. Oder auch die erste Zeit, als wir in Herrsching am Ammersee gelebt haben, weil wir damals am meisten Musik gemacht haben. Welches musikalische Ereignis würden Sie gern einmal erleben? Ich geh gerne mal in die Oper, ins Theater oder ins Konzert. Ich war früher natürlich häufig bei den Münchner Philharmonikern und hab dann auch meine Eltern spielen sehen. Ich war ein kleiner Junge und saß im Saal und wollte eigentlich lieber wieder raus und spielen gehen. Es wird Zeit, dass ich wieder einmal zu den Münchner Philharmonikern gehe, denn meine Stiefmutter ist da zur Zeit immer noch aktiv. Sind Sie auch beim Musizieren gerne schnell? Ich spiele sehr gerne schnell und ich kann das auch ganz gut. Meine Finger sind sehr flink. Aber manchmal spiele ich auch gern langsam, ein bisschen verträumt. Man braucht vor allem sehr viel Gefühl und je nach Stimmung kann man ja entsprechend spielen. Ein paar Stücke kann ich immer noch gut und das genieße ich dann auch. Das erinnert mich an meine Kindheit – und ich hatte eine sehr schöne Kindheit. Es ist auf jeden Fall etwas, worauf ich stolz bin. Ein Instrument zu spielen ist etwas Besonderes und besonders Klavier ist eines der schönsten Instrumente. Gibt es für Sie Ähnlichkeiten zwischen dem konzentrierten Musizieren und dem Absolvieren einer Rennstrecke? Es gibt schon Ähnlichkeiten: diese Präzision, die Disziplin. Wenn man beim Rennen einen kleinen Fehler macht, entscheidet das über Sieg oder Niederlage. Dasselbe passiert beim Klavierspielen auf der Bühne: Jeder hört jeden Fehler. Wenn man eine Taste falsch trifft, ist das ganze Stück versaut und man hat eben nicht alles rausgeholt. Und diese Perfektion ist das Entscheidende – in beiden Disziplinen. ❙  Das Interview führte Julika Jahnke.

Die Seiten der Deutschen Mozart-Gesellschaft 15


Empfehlungen Bücher und CDs Fortsetzung von Seite 7. … insbesondere die Tanzenden der Ballszene. Allerdings irritiert an dieser Stelle das gezeigte Bläser­ ensemble, da auf der CD Streicher das Don Giovanni-Menuett spielen (19). Dies tut dem Ziel des Buches jedoch keinen Abbruch, eine lebendige Einführung in das Werk Mozarts zu bieten (empfehlenswert ab 3 Jahren). Alexis Ruccius

CDs

W. A. Mozart: Klavierkonzerte Nr. 15 & Nr. 27. Martin Helmchen. Netherlands Chamber Orchestra unter der Leitung von Gordon Nikolić. PentaTone classics 2013. Nachdem im September 2007 bereits Mozarts Klavierkonzerte Nr. 13 & 24 bei PentaTone classics erschienen sind, stellen Martin Helmchen und das Netherlands Chamber Or­ches­ tra unter Gordon Nikolić ein weiteres Mal zwei sehr verschiedene Klavierkonzerte derselben Tonart (B-Dur) gegenüber. Diese Gegenüberstellung lässt

vor allem die kompositorische Entwicklung Mozarts hörbar werden. In der Interpretation von Martin Helmchen bestechen die äußerst klar akzentuierten temporeichen Läufe von KV 450, die mit großer Leichtigkeit gestochen scharf vorgetragen werden, ebenso wie die sensible Gestaltung der langen Spannungsbögen im Larghetto von KV 595. Bedauerlich ist einzig, dass sich Orchester und Solist bei der dynamischen Entwicklung der Musik eher zurückhalten. Janine Wiesecke

Klavierkonzerte Nr. 14 KV 449, Nr. 17 KV 453, Nr. 21 KV 467, Nr. 26 KV 537 »Krönungskonzert«. Maria João Pires. Wiener Phil-

harmoniker, Chamber Orchestra of Europe unter der Leitung von Claudio Abbado. Deutsche Grammophon 2013 Klavierkonzerte No. 25 KV 503, No. 20 KV 466. Martha Argerich. Orchestra Mozart unter der Leitung von Claudio Abbado. Deutsche Grammophon 2014. Wieviel auch die Mozart-Interpretation am kürzlich verstorbenen Dirigenten Claudio Abbado verloren hat, dokumentieren zwei Neuerscheinungen mit Klavierkonzerten. Die beiden 2013 in Luzern eingespielten Konzerte hat Abbado vor 40 Jahren mit Argerichs Lehrer Friedrich Gulda in klassisch gewordenen Aufnahmen vorgelegt. Im Vergleich zu deren glühender Intensität und unverzärtelter Ernsthaftigkeit wirkt die neue Aufnahme merkwürdig entrückt: Der stärker transparente, aufge­fächerte Klang des Orchestra Mozart und das zurückhaltende, ziselierte, in keinem Moment virtuos auftrumpfende Spiel Argerichs entkleiden sogar das d-Moll-Konzert weitgehend seiner Dramatik. Stattdessen wirken die Werke wie Kammermusik für großes Ensemble, so sensibel und genau reagieren hier Pianistin und vor allem die Holzbläser aufeinander. Insgesamt kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, dass dieser Aufnahme schon etwas von Abschied und Vermächtnis innewohnt. Mozart scheint

hier mit den Ohren etwa eines ­ aurice Ravel gehört: aus eiM nem unüberbrückbaren historischen Abstand und mit dem Gefühl der Unwiederbringlichkeit, zugleich aber auch mit einem gewissen exquisiten Sinn für Nuancen. Fein ausgehörte Nuancen zeichnen auch die Einspielung mit Maria João Pires aus. Wie sehr sie den besonderen musikalischen Gestus Mozarts verinnerlicht hat, zeigen nicht nur ihr außerordentlicher Sinn für die rhythmische und metrische Gestaltung selbst feinster motivischer Nuancen, sondern auch ihr Blick für die dynamische Form-Gestaltung. Besonders in den ruhigen mittleren Sätzen findet sie die richtige Balance zwischen Ausdruckswillen und der klanglichen Feinheit und Leichtigkeit, nach denen Mozarts Klavierkompositionen verlangen. Abbado schafft es, diese Ausgewogenheit des Klanges mit beiden Orchestern aufzugreifen, wenngleich die Stücke mit dem Chamber Orchestra of Europe besonders hervorstechen. Hier gelingt nicht nur ein wunderbar feiner, transparenter Klang der Streicher und eine präzise Motivgestaltung, das Ensemble zeigt vor allem eine hohe Sensibilität für die dynamischen und agogischen Bewegungen der Pianistin. Wolfgang Fuhrmann, Paul Elvers

Impressum Deutsche Mozart-Gesellschaft e. V. Mozarthaus · Frauentorstraße 30 · 86152 Augsburg Telefon: +49 (0)821 / 51 85 88 E-Mail: info@mozartgesellschaft.de Präsident: Thomas Weitzel

Schriftleitung: Melanie Wald-Fuhrmann Redaktion und Geschäftstelle: Julika Jahnke Layout: Esther Kühne

16 Die Seiten der Deutschen Mozart-Gesellschaft


gesellschaft

Schwerpunkt Klassik im Netz: Wie präsentiert sich die Klassische Musik im Netz? (Seite 76) Ein Interview mit Netz-Star Valentina Lisitsa über Twitter (Seite 79) Akustik: die besten Musik-Streaming-Geräte (Seite 86)

Klassik in Zahlen Klassik im Netz

YouTube-Aufrufe einer Aufnahme von „Nessun dorma“: Paul Potts (bei „Britain‘s got Talent“)……………………………………………… 121.140.477 Luciano Pavarotti…………………………………………………………………………………… 28.528.067 Plácido Domingo………………………………………………………………………………………… 2.743.565 Die meisten YouTube-Aufrufe eines Videos von...: Antonio Vivaldi – Four Seasons (kein genannter Interpret)…………… 34.025.590 David Garrett – Rimski-Korsakow: Hummelflug………………………………… 9.119.632 Wladimir Horowitz – Schumann: Kinderszenen…………………………………… 705.439 David Fray – Schubert: Moments Musicaux Nr.3…………………………………… 199.596 Follower auf Twitter: Gustavo Dudamel ………………………………………………………………………………………… 514.790 Berliner Philharmoniker………………………………………………………………………………62.039 Valentina Lisitsa……………………………………………………………………………………………… 6.600 zum Vergleich:

Foto: ebraxas/Fotolia.com

Justin Bieber…………………………………………………………………………………………… 49.708.752 Barack Obama………………………………………………………………………………………… 41.538.814 Yoko Ono…………………………………………………………………………………………………… 4.672.013

Quelle: google, youtube, twitter (Stand: 25.02.2014)

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Klassik im Netz

@klassik

Kurioses, Bratschenwitze, Katzenbilder. Warum die Klassik im Netz viel lebendiger ist, als wir bisher dachten. von Anna Novák und Sina Kleinedler

D

ie Nachricht bestand aus einem bloßen „Holà!“ und Wegweiser. Wer mag, kann seinem „Tweet“ also ein kleines Schildeinem Foto von Plácido Domingo, auf dem er in die chen verpassen. Sucht man dann nach diesem Thema, bekommt alle Beiträge angezeigt, die es dazu gab: Kamera winkt. Innerhalb von wenigen Minuten ver- man breitete sich diese Botschaft, die der Startenor selbst Holà. #domingo oder Juchu, Plácido is back #domingo. In der Klasauf seinem offiziellen Account des Social Media sikwelt hat man zu diesen Hashtags übrigens seine ganz eigene MeiDienstes „Twitter“ gepostet hatte. Was aber war das besondere nung – die Netzgemeinde schreibt: Beethoven habe das „#“ schon daran? Es war Domingos erste kurze Meldung, nachdem er einige benutzt, als es noch kein Twitter gab. Unabhängig von der Frage, ob die Klassik-Szene nicht eigentTage zuvor wegen einer Lungenembolie ins Krankenhaus eingeliefert worden war. Ein einziges kleines Wort, das Heerscharen von lich viel zu alt für das Netz sei, ist die klassische Musik im Internet mittlerweile groß vertreten. Neben zahlreichen Internetseiten, auf Fans aufatmen ließ. Lange Zeit sagte man, es gäbe kein schnelleres Medium als das denen der Klassikinteressierte tagesaktuelle News aus der Klassikwelt zu lesen bekommt – Intendant X Radio, denn das gesprochene und über wechselt nach Y, Z wird Chefdirigent in UKW-Welle übermittelte Wort ist so M, Uraufführung der Oper A in B – finunmittelbar, wie es sein kann. Seit es den det man hunderte Klassikforen für alle Nachrichtendienst Twitter gibt, dürfte erdenklichen Instrumente, in denen sich das geändert haben. Twitter, abgewww.crescendo.de (klar) sich deren Spieler miteinander austauleitet vom englischen Wort für „GezwitKlassik-News schen können, Musikjob-Börsen, Seiten scher“, ist eine Anwendung in Echtzeit, www.codex-florex.ch für den Notendownload. Und wer der mit der man – so heißt es im Computerwww.gramophone.co.uk (auf Englisch) Meinung ist, Klassik wäre verstaubt, Jargon – „mikrobloggen“ kann. Bloggen www.klassik.com verknöchert und vor allem langweilig, im Miniaturformat, das heißt: keine Klassik-Humor der kann sich im Netz vom Gegenteil Nachricht ist länger als 140 Zeichen. www.bratschenwitze.de überzeigen. Denn bei allen NachwuchsWarum das spannend ist? Weil es www.classicfm.com Problemen im Konzertsaal: die Klassik irgendwie retro wirkt. 140 Zeichen, so classicalmusichumor.tumblr.com im Netz ist lebendig, erfrischend vielseiviele passten früher in eine SMS. Und Noten im Netz tig – und lustig! noch früher schrieb man in diesem Stil www.imslp.org Social-Media-Experten untersuchTelegramme. „Holà. Stopp. Bin wieder www.cpdl.org ten in den letzten Jahren, welche Beigesund. Stopp. Plácido.“ Klassik im (Online-)Radio träge in sozialen Netzwerken die meisIn der unendlichen Welt des Internets, www.klassikradio.de ten Klicks bekommen und kamen zu in der man mittlerweile riesige Datenwww.brklassik.de nicht wirklich überraschenden Ergebmengen problemlos transportieren nissen: Was funktioniert? Kurioses, kann, kommt dieses komprimierte Instrumente und Zubehör Online Kinder, Katzen. Schaut man sich die www.thomann.de Nachrichtenformat erstaunlich gut an. Online-Klassikinhalte auf diese Twitter unterscheidet sich insofern von Blogs Erkenntnisse hin an, dann sieht man: anderen Social-Media-Diensten wie www.thelistener.de die Klick-Garanten sind die gleichen, Facebook oder Google+, als es weniger egal ob auf Spiegel Online oder im Klasder Selbstdarstellung oder der Inszeniesik-Portal. rung der eigenen Person dient, sondern So wurde ein Bild von Anna Netrebko im Badeanzug auf ihrem sich mittlerweile zu einer, auch von Journalisten intensiv genutzten, Informationsplattform gemausert hat. Schnell ein Bild gemacht, 140 verschneiten Balkon in New York (siehe rechte Seite) von fast 35.000 Zeichen aktuelle Information – und ab damit ins World Wide Web. Fans „geliked“ – das wenig später veröffentlichte Bild eines SchneeOft tauchen hier Informationen, beispielsweise aus Krisengebieten, manns, der wiederum den Badeanzug der Starsopranistin trug, viel früher auf als irgendwo sonst. Twitter dient dem Reporter von immerhin knapp 8.000-mal. Unter der Überschrift „Wir brauchen Ihre Hilfe“ postete das Bach-Archiv Leipzig gerade ein Gemälde von heute als wertvolles Werkzeug zur Informationsbeschaffung. Früher als Raute bekannt, firmiert das #-Zeichen in der Online- Johann Sebastian Bach, auf das handschriftlich gekritzelt war: „1 Welt unter dem Wörtchen „Hashtag“ und bildet einen thematischen Million Likes und ich beende die ‚Kunst der Fuge‘“. Rund 3.000

Die besten Klassik-Seiten:

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www.crescendo.de

März / April / Mai 2014


Das neue Filmplakat mit „Oboe Wan Kenobi“ – very funny indeed!

„Relieved – and happy“ – nach dem Auftritt bei den Olympischen Spielen in Sotschi.

„Valentines day in Zurich. Wanna be kissed by us?“ mit Martha Argerich. Igudesman&Joo Klassik-Duo

Anna Netrebko Sopranistin

facebook-Post vom 21. Januar: „Greetings from a snowy New York.“ Anna Netrebko Sopranistin

Daniel Harding twittert ein Bild mit Startenor Plácido Domingo. Daniel Harding Dirigent

Facebook-Post vom 1. Januar: „Happy New Year.“ LangLang Pianist

„Happy Birthday, Verdi!“ Tenor Rolando Villazón malt für seine Facebook-Fans. Rolando Villazón Tenor

Fotos: facebook; twitter; Julian Hargreaves

Classical Music Humor Lustiges im Netz

Igudesman & Joo bei „Das Supertalent“ mit Thomas Gottschalk. Igudesman&Joo Klassik-Duo

Die Klassikseite „classicalhumor“, die Künstler Anna Netrebko, Lang Lang, Igudesman&Joo sowie Dirigent Daniel Harding gehören zu den „Viel-Nutzern“ von Social Media. Rolando Villazón „postet“ eher mal eine Zeichnung von Giuseppe Verdi.

Likes haben sie damit bereits ergattert. Und ja, selbst den berühmten „Cat-Content“, die süüüüßen Katzenbildchen im Netz, gibt es mit Klassikbezug. Wir empfehlen außerdem das Video eines Dreijährigen, der erstaunlich präzise eine Aufnahme von Beethovens 5. Sinfonie mitdirigiert (und zum Schluss von seinem Dirigentenpodest purzelt (Auf Youtube „kid conducting beethoven“ eingeben). Das Internet der unbegrenzten (Klassik-)Möglichkeiten bietet aber nicht nur eine bunte Sammlung an Kuriosem, sondern fördert auch den ein oder anderen echten Schatz zu Tage. So überschwemmte nach dem Tod von Claudio Abbado eine Welle an großartigen Aufnahmen die sozialen Netzwerke. Manche davon historische Dokumente, die man bisher kaum gehört hatte. Apropos Hören: Das Angebot an Online-Klassik-RadioSendern ist schier unglaublich! Allein 264 Klassik-Radio-Sender listet das Radio-Portal www.radio.de auf. Hier kann der KlassikInteressierte neben den bekannten Klassik-Sendern Klassik Radio,

BR Klassik oder den Kulturwellen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auch eine ganze Reihe privater und teilweise bloß online empfangbarer Nischenprogramme finden. Haben Sie schon mal in Ottos Baroque Music reingehört? Oder in den Opernkanal RadioCrazy Opera? Auch für Klassikpuristen gibt's genügend Auswahl, so spielt beispielsweise Radio Mozart den ganzen Tag ausschließlich Mozarts Werke. Besonders aus dem Online-Radio-Angebot sticht der britische Sender Classic FM heraus, dessen Online-Redakteure echte Trüffelschweine sind: Neben den „zehn tränenreichsten Opernmomenten“ findet man im wirklich reichhaltigen Online-Archiv des Senders unter anderem „zehn total streberhafte Momente der klassischen Musik“ (der Tristanakkord, das cis in der Eroica, Hemiolen an sich und das Bach-Motiv) und auch „die zehn peinlichsten Musikfilme“ (bestes Beispiel hier: Schauspieler Hugh Grant als Frédéric Chopin). 77


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Die Künstler und Plattenlabels selbst haben das Internet längst Musikkritikerin der F.A.Z.) mutieren, loben, kritisieren, urteilen. als Marketingplattform entdeckt. Denn modernes Marketing funk- Wie war das letzte Konzert von Daniel Barenboim? Hat Julia Fischer tioniert heutzutage am besten durch den direkten Kontakt zu den einen schlechten Tag erwischt? War Sol Gabetta in Topform? Hat Fans. Das heißt: Wer als Künstler etwas auf sich hält, der pflegt Anna Netrebkos neue CD so viel Aufmerksamkeit wirklich verneben einer eigenen Homepage auch einen Facebook- oder Twitter- dient? Und überhaupt, dieses retuschierte Cover! So lassen sich Account. Hier ist allerdings ein Fallstrick eingebaut, denn Erfah- mittlerweile seitenweise Konzertbesprechungen und CD-Rezensiorungswerte im Nutzerverhalten zeigen: es ist die Authentizität, die nen ganz unterschiedlichster Formen finden. Oft sind die Meinungen so ambivalent, dass einige der sogezählt. Die zwölfte Ankündigung der neuen nannten „Threads“, also eine Seite des CD wiegt wenig gegen ein „posting“, das Forums zu einem bestimmten Thema, zu der Künstler selbst verfasst hat. Ein „Posseitenlangen Streitgesprächen avancieren. ting“, welches das von der Mutti gekochte Dass die meisten Foren dabei ohne den Lieblingsessen zeigt, ein Foto vor oder richtigen Namen oder ein echtes Bild ausnach einem Konzert, gemeinsam mit Famikommen, gehört vielleicht auch zu den lie und Freunden, dem eigenen Hund beim Nachteilen dieser KommunikationsplattSpaziergang im Park – klick. Wenn etwas formen. In der Anonymität des World persönlich ist, dann berührt es uns direkt. Wide Web wird schnell etwas geschrieben, Das gilt im Netz genauso wie im echten voreilig oder drastisch überdramatisiert, Leben. Die Klassik-Stars mit den meisten viel zu scharf oder sogar beleidigend. Facebook-Freunden und Twitter-FolloEinige User scheinen sich regelrecht zu wern sind also vielleicht gar nicht diejeniprofilieren. Steht man in der Pause eines gen, die die größten Konzertsäle füllen, Konzerts im Forum, so merkt man, dass sondern diejenigen, die aktiv in Dialog mit sich die kritischen Stimmen meistens in ihren Fans treten. Übrigens kommunizieGrenzen halten, eher beschwichtigen, entren die netz-affinen Künstler auch untereischuldigen bei Leistungen, die unter dem nander. Dirigent Daniel Harding twitterte Erwarteten liegen. Im Internet jedoch, neulich vor einem Konzert an der Metrowenn man den Luxus der Anonymität politan Opera aus der Künstlergarderobe, „Ich habe das ‚# ‘ schon benutzt, genießt, ist die Hemmschwelle, seiner Entdas Marketingteam der Met antwortete: „@ als es noch kein Twitter gab.“ täuschung freien Lauf zu lassen, sehr viel djharding: nicht vergessen, das Konzert Ludw ig va n Be e t ho v e n niedriger. Oft sieht man, wie die Grenze beginnt um acht!“ Daniel Harding war zwischen dem Künstler und seiner Leisauch einer der Kollegen, der auf ein lustiges tung langsam verschwimmt und persönliFacebook-Posting von Alban Gerhardt reagierte. Der hatte geschrieben: „Bin heute morgen um 7:06 Uhr che Sympathie und Antipathie ungehindert in das öffentlich, aber aufgewacht und habe den Flieger nach London um 7:30 Uhr noch irgendwie doch auch geschützte Urteil mit einfließen. Anders sind da noch die Fanforen. Ja, so etwas gibt es auch in erwischt (er war pünktlich). Ratet mal, wie ich das gemacht habe!“ Überhaupt scheint auch bei den Klassik-Superstars die Selbst- der Welt der klassischen Musik. Bewunderung pur in vielen tausend Vermarktung in sozialen Netzwerken einen immer höheren Stellen- Zeichen, das gegenseitige Befeuern der Begeisterung und ganz wert einzunehmen. Privates findet hier genauso viel Platz wie Kon- nebenbei gleichgesinnte Leute kennenlernen, sich vielleicht sogar zertankündigungen oder Presseberichte. Skurril: auf ihren Album- zu gemeinsamen Konzertbesuchen verabreden. Eine hübsche Internet-Kuriosität ist auch der Geigenkasten Covern lassen sich die Künstler verschönern, retuschieren, in feine Kleider stecken – hier leben sie die perfekte, vom normalen Leben der Violinistin Hilary Hahn, der unter dem Namen „theviolincase“ abgegrenzte Glitzerwelt –, um sich hinterher auf ihrem Facebook- einen eigenen Instagram-Account besitzt. Instagram ist eine PlattAccount ungeschminkt und spontan zu zeigen, nah bei den Fans, form, auf der die Benutzer kleine quadratische und oft mit Farbfiltern aufgewertete Bilder posten können. Das Fotoalbum 2.0 quasi, je erreichbar und zugänglich. Der Aspekt der Zugänglichkeit spielt in der Klassik-Netzge- nach Einstellungen für „Freunde“ oder die ganze Welt sichtbar. Und meinde eine entscheidende Rolle. Der Komponist und Chorleiter so schickt der kleine Geigenkasten jede Woche ungefähr ein DutEric Whitacre rief 2009 Sänger in aller Welt dazu auf, einen virtuel- zend Bilder in die Welt, von sich selbst, seinem Bewohner und len Chor zu gründen und gemeinsam seine Komposition Lux natürlich seiner berühmten Besitzerin. So sieht man den BackstageAurumque aufzuführen. Die Idee: jeder Sänger singt eine Tonspur bereich der großen Konzerthäuser, unzählige Flughäfen, den ein, zum Schluss werden die Stimmen aus aller Welt zu einem schwarzen Kasten im Fan-T-Shirt des Los Angeles Philharmonic gemeinsamen Video zusammengeschnitten. Für sein zweites Pro- Orchestra und das Mittagessen von Hilary Hahn. Der Geigenkasten jekt Sleep versammelte er so über 2.000 Internetnutzer aus 58 Län- hat, so scheint es, ein sehr gutes Auge für's Detail. Und trotzdem: Das Internet ist kein Ersatz für den Konzertdern für sein Chorprojekt. Ein musikalisches Experiment, mit dem Menschen zusammengeführt wurden, die sonst niemals miteinan- saal, virtuelles Musizieren nicht für das gemeinsame Musik-Erleder musiziert hätten (wobei hier der Klassik-Purist zu Recht fragen ben, digitale Instrumente trotz bewundernswerter Technik kein darf, ob ein solches Online-Projekt das Gefühl des gemeinsamen Vergleich zu realen Klangkörpern. Aber wer glaubt, die Klassik wäre ein nicht für das Internet geeignetes Themenfeld, der irrt. Denn das Chorsingens auch nur annähernd imitieren kann). Die Klassikliebhaber, also das Publikum, soll nun ebenfalls die Netz ist jetzt schon voll von positiven, modernen, ansprechenden Stimme erheben und am Geschehen teilhaben. In Internetforen darf Klassik-Initiativen und praktischen Möglichkeiten. Auch auf facejeder Konzertgänger zur selbst deklarierten Eleonore Büning (die book.com/crescendo-magazin. n 78

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März / April / Mai 2014


@ ValLisitsa Ein Interview mit Pianistin Valentina Lisitsa* auf der Plattform „Twitter“: Fragen und Antworten in maximal 140 Zeichen. Öffnen

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crescendo @crescendo - 19. Feb. Hallo @ValLisitsa. Sie sind sehr aktiv auf Twitter! Wie oft twittern Sie? Öffnen

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Valentina Lisitsa @ValLisitsa - 19. Feb. @crescendo: Jeden Tag, manchmal nur ein paar Tweets, manchmal eine Tweet-Orgie. Öffnen

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Twittern Sie nur musikbezogene Themen? Überhaupt nicht! Bei meinen meisten Tweets geht’s um Weltgeschehen, viel Politik… Wann “retweeten” Sie etwas? Ich retweete Neuigkeiten, gegensätzliche Meinungen, verrückte Dinge. Ach so, und natürlich Katzenfotos! Haben Sie jemals während eines Konzerts getwittert? Nur während meiner eigenen Konzerte :) Wer ist Ihr wichtigster/berühmtester Follower? @iowahawkblog, ein humoristischer Blogger, der die mächtigsten Männer der US-Politik abwechselnd rot-weiß und blau vor Ärger werden lässt. Sie haben gerade ein neues Album mit Klaviermusik von Michael Nyman herausgebracht. Was mögen Sie an seiner Musik? Seine Musik ist ein einzigartiges Geschenk! Er macht die berührendsten Melodien der Welt – und das aus einer twitter-artigen Anzahl von Noten. Beschreiben Sie @ValLisitsa in 140 Zeichen! Echte Person voraus: eitel, katzenhaft, eigensinnig, kontrovers. Folgen auf eigene Gefahr! :) Das Beste daran, ein „Online-Superstar” zu sein? Ich bilde mir ein, dass ich wenigstens eine Nanosekunde Aufmerksamkeit meiner Fans habe, um über wirklich wichtige Dinge zu reden. Das Nervigste daran, ein “Online-Superstar” zu sein? Trolle, Betrüger-Accounts und Fans, die leichtgläubig genug sind, um auf einen BetrügerAccount reinzufallen. :) Wem sollten wir auf Twitter unbedingt folgen? #classicalfollowerpower Rebellieren Sie gegen die sprichwörtlichen „das Team von“-Accounts – folgen Sie echten Leuten, die ihre eigenen Meinungen vertreten. Eine Empfehlung: @paavo_jarvi Twitter oder Facebook? Bei Twitter sammle ich Informationen, bei Facebook verbreite ich sie. Was mögen Sie lieber: Fans online oder offline treffen? Ich versuche die Online-Bilder den echten Personen zuzuordnen, wenn ich meine Fans in der echten Welt treffe. Liegt die Zukunft der klassischen Musik im Internet? Die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft JEDER Musik ist die Live-Show als soziales Event. Das wird niemals ersetzbar sein. Sind die meisten Klassik-Hörer nicht zu alt für's Internet? Chopin hat sich auch schon über zu altes Publikum beschwert. Vor 200 Jahren :) Wie viele Views wird Ihr berühmtes Rachmaninow-Video bei Youtube in 20 Jahren haben? Ich hoffe Youtube überlebt so lange. Erinnert sich noch irgendjemand an MySpace? Könnten Sie sich ein Leben ohne Internet vorstellen? Ich glaube, das ist wie in den Himmel kommen :) Alles ist perfekt – bloß: man ist eben tot! Sie sind im Urlaub: Twitter aus oder an? Aus, an, aus, an… und nebenbei: Ich kann mir Urlaub bloß vorstellen. Ich habe keinen.

* Valentina Lisitsa (*1973) war der erste echte „Youtube-Star“ der Klassik-Szene. 2007 wurde ihre Rachmaninow-Etüde innerhalb kürzester Zeit mehrere Millionen mal angeklickt. Die Plattenfirma Decca verpflichtete sie kurz darauf als Künstlerin. Aktuelles Album: „Chasing Pianos“ mit Musik von Michael Nyman.

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Klassik im Netz

Neue Perspektive Die Qualität von Online-Meisterkursen ist bereits auf beachtlichem Niveau: Das Portal „Play with a Pro“ hat gleich eine ganze Riege namhafter Lehrer im Angebot.

Play with Pahud: Online-Meisterkurse erfreuen sich immer größerer Beliebtheit.

Offizielle Tourneeblogs, Streamings aus Konzertsälen, Werkstattveranstaltungen mit twitterndem Nachwuchspublikum – Orchester und Opernhäuser entwickeln Netzformate, um ihre Fangemeinde näher heranzuholen und in Aktivitäten einzubinden. Auch zwei Orchestermusiker nutzen das interaktive Medium virtuos, um Profis, Nachwuchs und Fans zusammenzubringen. Adam Erik Simonsen sitzt in Berlin-Mitte vor dem Café Fleury. Obwohl er extrem früh aufgestanden sein muss, strahlt der hochaufgeschossene Klarinettist vor Enthusiasmus zwischen den müden Frühstückern. Für einen Tag ist er aus Kopenhagen hergeflogen, um potentielle Meisterkurs-Lehrer für seine Online-Mediathek „Play with a Pro“ zu treffen. Diesmal geht es um hochkarätige Streicher. Das Angebot für Bläser umfasst bereits weltbekannte Musiker wie Fagottist Sergio Azzolini, Flötist Emmanuel Pahud, die Oboisten François Leleux und Hansjörg Schellenberger, Trompeter Reinhold Friedrich, Hornist Radovan Vlatković oder Adam Simonsens eigenen Klarinettenprofessor an der Juilliard School, Charles Neidich. Manche Professoren musste der Däne überzeugen, sich beim Unterrichten filmen zu lassen: „Sergio Azzolini will eigentlich nur 80

Fagott spielen, ist keine Online-Person und entsprechend schwer zu erreichen.“ Deshalb wirkt Adam Simonsen ein wenig stolz, dass er den scheuen Musiker trotzdem gewonnen hat. Das persönliche Verhältnis, aber auch die technische und ästhetische Qualität von „Play with a Pro“ gaben den Ausschlag. „Wir vertrauen Adam, er ist einer von uns und hat den gleichen Zugang zu Musik“, bestätigt Emmanuel Pahud, der von Anfang an dabei war und Neuerungen gegenüber nie Berührungsängste hat, „wo sie das Leben leichter machen“. Dass die Videos in diese Kategorie fallen, hat der Flötist bereits bemerkt: Teilnehmer seiner realen Meisterkurse sind durch sie besser auf seinen Unterrichtsstil vorbereitet und wissen schneller, worauf er hinauswill. Tagen, an denen er 14 Stunden am Computer Videos ediert, sind für Adam Simonsen normal. Von seiner festen Stelle im Royal Danish Orchestra hat er ein Sabbatjahr genommen. Reich werde er sicher nicht mit „Play with a Pro“, sagt er achselzuckend. Aber glücklich: „Ich treffe ständig Menschen, die ihre gesamte Energie

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Lust auf GROSSEN Klang aus schlanken Boxen?

und Leidenschaft einer Sache gewidmet haben, bis sie sie so gut konnten wie niemand sonst. Es ist ungeheuer faszinierend, ihnen zuzusehen.“ Inspiriert wurde das Projekt von Erlebnissen in der brasilianischen Provinz, als Simonsen ein paar Jahre Soloklarinettist des Nationalorchesters in Rio war. Im Bus fuhr das Ensemble quer durchs Land und trat in Stadien auf. Davor begrüßten sie oft Kinder mit Instrumenten: „Wir machten dann ein bisschen Musik mit ihnen, haben die Instrumente durchgecheckt, gaben ein paar Tipps – was eben möglich war in kurzer Zeit.“ Ihr Hunger nach Unterricht ging ihm nicht aus dem Kopf. Zurück in Dänemark, produzierte Simonsen eine DVD, die Kindern beim Klarinettelernen hilft. „Play with a Pro“ funktioniert auf hohem Niveau ähnlich: Viele Musikstudenten haben nie die Möglichkeit, bei Meisterkursen von ihren Vorbildern zu lernen. Nun können sie die HD-Filme für relativ wenig Geld auf Laptop oder Tablet laden und sogar offline unbegrenzt studieren. Das nutzen zukünftige Profis, Musiklehrer und gute Amateure aus über 80 Ländern und Regionen wie Gaza, Iran, Indien oder Hawaii. Wessen Meisterkurs-Videos am beliebtesten sind und welche Downloadzahlen sie inzwischen erreicht haben, verrät Adam Simonsen nicht. Aber für die „nächsten drei bis fünf Jahre“ hat er „noch tonnenweise Ideen“: Instrumente sollen hinzukommen, Kammermusik, mehr interaktive Kursformate und eine Plattform, auf der „Viele Instrumentalisten aller Niveaus Unterstützung und Musikstudenten Video-Antworten auf ihre Fragen-Clips bekommen. Hornistin Sarah Willis hat vor Kurzem ein Videohaben nie die MögMischpult gekauft – eine größere Anschaffung. „Wir lichkeit, bei Meistersind echte Web-Unternehmer geworden“, lacht sie. An diesem Samstag hat die Britin konzertfrei, sitzt in ihrer kursen von ihren Berliner Küche am Computer und bespricht per Vorbildern zu Videochat mit Tim Kelly die nächsten Episoden „Sarahs Horn Hangout“. Von Melbourne aus kümmert sich der lernen.“ Netzspezialist um die gesamte Technik und das Streaming. Ihr Projekt sei für sie allerdings keine Einnahmequelle, erzählt Sarah, sondern ein „zeitintensives, kostspieliges, großartiges Hobby“. Sie ist auf der Suche nach Sponsoren, die zumindest einen Teil der Kosten decken. Wer live dabeisein und Fragen ins mitlaufende Chat-Fenster tippen möchte, wenn die Berliner Philharmonikerin legendäre Hornkollegen, Sopranistin Anna Prohaska oder Dirigent Daniel Harding interviewt, muss dafür jedenfalls nichts bezahlen. „Im Internet ist Platz für alles, und manches davon sollte kostenlos sein – dazu gehört der Horn Hangout.“ In Melbourne ist bereits Abend. Tim Kelly hat den ganzen Tag lang ein „Martial Arts“-Turnier im Netz übertragen. „So etwas ist leicht – die Leute waren schon glücklich, weil alles geklappt hat. Klassische Musiker sind dagegen solche Perfektionisten“, seufzt der dunkelhaarige Australier in gespielter Verzweiflung. Sie seien immer etwas „besorgt, wie sie ‚rüberkommen‘.“ Darum muss sich zumindest Sarah Willis überhaupt keine Gedanken machen: 1500 live eingeloggte Teilnehmer hatte der letzte Chat vor der Sommerpause. Souverän, witzig und zugleich sehr persönlich im Ton bringt sie alles unter einen Hut: die Geschichten der Gäste, ihre eigenen Fragen und die der Community, die manchmal erst nach „Hangout“-Ende im Chat restlos beantwortet werden können. Dazu kommen spontane Musikeinlagen, vom bewährten Duett mit Kollege Klaus Wallendorf bis zum Alphorn-Einsatz oder einem Jazzhorn-Duo mit Arkady Schilkopfer. Störungen, wie Bildausfall oder die Katze auf der Tastatur von Tubistin Carol Jantsch, steckt sie locker weg. „Manchmal wird der Chat richtig wild. Musiker treffen sich dort wieder, die sich vor Jahren aus den Augen verloren haben. Oft denke ich, wir sind heute eine einzige große weltweite Horngruppe!“ Entdeckt hat Sarah Willis ihr Talent für dieses spezielle Multitasking in den letzten beiden Jahren auf eigenen Meisterkursen in Melbourne und London. Dort kam zur Chat-Community sogar noch ein Saalpublikum, das einbezogen werden musste. Die feine Balance zwischen Kontrolle und Spontaneität braucht viel Vorbereitung. Am Tag vor der Übertragung sei sie zu nichts zu gebrauchen, erzählt die Musikerin. Dem Charme des „Ganz-nah-dran-Seins“, den das Hangout-Format für die Community besitzt, setzt Sarah Willis daher manchmal ganz bewusst Grenzen: Einen „Horn Hangout“ aus ihrer eigenen Wohnung wird es wohl nicht geben, „obwohl das technisch problemlos möglich ware und das Publikum es bestimmt klasse fände.“ Annette Zerpner

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Klassik im Netz

Peking live in Salzburg!

Foto: Mozarteum Salzburg

Das neue Internet-Zeitalter verändert auch das Studien- und Konzertleben der Musiker: Live-Schaltungen, Tablets statt Instrumente und „Live-Coding“ sind in der Entwicklung, die Opernaufführung im Live-Stream bereits bittere Realität. v o n M a r t i n a D r e c h s l e r

„E

Neue digitale Welt: Der CEUS-Flügel im Salzburger Mozarteum wird von Peking aus bespielt.

s hat angefangen mit dem Thema auf dem CEUS-Flügel, also keiner war da, und plötzlich … Pampamtidadim … ging᾽s los“, beschreibt Univ.-Prof. Klaus Kaufmann, Leiter der Abteilung für Tasteninstrumente an der Salzburger Universität Mozarteum, den Beginn eines außergewöhnlichen Konzerts. Wie von Geisterhand bewegen sich die Tasten und Pedale des Bösendorfer Flügels und lassen das Thema der Goldberg-Variationen von Johann Sebastian Bach erklingen. Es folgt die erste Variation auf einem weiteren Flügel – und diesmal ist der ausführende Pianist präsent. Dann erklingt der erste­ Flügel wieder scheinbar von selbst. Ein Flatscreen enttarnt den Interpreten, der sich in diesem Moment im 7700 Kilometer entfernten Peking befindet. Insgesamt zwölf Studierende gestalten dieses atemberaubende Pingpongspiel zwischen Salzburg, Wien und Peking. Möglich macht das ein elektronisches Playersystem des Wiener Klavierherstellers Bösendorfer. CEUS (Create Emotions with Unique Sound) zeichnet die Anschlaginformationen durch geräuschlos arbeitende Sensortasten auf und gibt sie wieder. Dabei handelt es sich um einen ganz normalen Konzertflügel, erklärt Prof. Kaufmann: „Auf dem Flügel spielen Sie wie auf jedem normalen Flügel. An dem ist nichts anders, nur dieses CEUS-System ist zusätzlich eingebaut.“ Ursprünglich wurde das System für Reproduktionsklaviere entwickelt und kam auch als Gesangsbegleiter zum Einsatz. An der Universität Mozarteum wurde jedoch eine völlig neue Verwendungsmöglichkeit für

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CEUS entdeckt. Seit der Gründung der Austrian-Chinese Music University 2008 in Kooperation mit dem China Conservatory wird von Salzburg aus bereits erfolgreich Fernunterricht per Videokonferenz in Peking geleistet. Dadurch entstand die Idee, die Konferenzsituation durch vernetzte CEUS-Flügel von Bösendorfer zu ergänzen. Nach anfänglichen technischen Schwierigkeiten beträgt die Toleranzrate der Übertragung zwischen den knapp 8000 Kilometer voneinander entfernten Instrumenten jetzt nur noch 2 bis 8 Sekunden. Prof. Kaufmann erklärt, worin die Vorteile liegen: „Ich habe eine Klavierklasse aufgebaut in China, die von einer chinesischen Absolventin aus meiner Klasse hier [in Salzburg] betreut wurde. Die hat die Studenten unterrichtet, und ich habe so einmal im Monat oder alle 14 Tage fernunterrichtet und kontrolliert. Und wenn ich dann selber nach China gekommen bin, konnte ich natürlich ganz anderswo ansetzen, als wenn da nix passiert wäre.“ Bis zu acht Studierende unterrichtet Prof. Kaufmann regelmäßig in diesen OnlineMasterklassen. Obwohl er betont, dass der Fernunterricht nur einen Kompromiss darstellen kann, ist er von den Möglichkeiten durch CEUS überzeugt. „Es ist wirklich für sehr viele Dinge hilfreich“, meint Prof. Kaufmann, der chinesischen Studienanwärtern auf diese Weise auch eine Vorbereitung auf das Studium am Mozarteum ermöglicht. Sogar eine Aufnahmeprüfung wurde bereits von Salzburg aus in Peking abgenommen: „Es erspart den Chinesen, dass sie extra herkommen müssen mit dem Risiko, dass sie nicht bestehen, wieder heim müssen und viel Geld ausgegeben haben.“ www.crescendo.de

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Livecoding Die Faszination für Computer brachte den Saxophonisten Patrick Borgeat zum Livecoding. Es handelt sich dabei um eine sehr spezielle Aufführungstechnik, bei der das Publikum den Schaffensprozess des Komponierens live miterlebt. Auf großen Leinwänden erscheint hinter den Musikern eine für den Laien kryptisch wirkende Abfolge an Buchstaben, Zahlen und Sonderzeichen, die zeitgleich erklingt. Es handelt sich um den Notentext, den Patrick Borgeat und seine Kollegen von Benoît and the Mandelbrots am Laptop live programmieren. „Beim Livecoding kommen Komposition und Improvisation auf der Bühne zusammen. Man hat eine Idee für einen Prozess und experimentiert mit dem Prozess. Man verändert ihn, man schreibt ihn neu, man wirft ihn weg“, erklärt Patrick Bor-

Benoît and the Mandelbrots

geat. Es ist eine musikalische Entdeckungsreise. Die Musiker haben eine Vorstellung vom Klang, den sie programmieren wollen, die Spontaneität des Zusammenspiels auf der Bühne lässt dabei aber auch viel Freiheit für Unerwartetes. Manche Livecoder programmieren nach den klassischen Kompositionsregeln und nach klassischer Harmonielehre. Einige schreiben für Reproduktionsklaviere oder fühlen sich mit den algorithmischen Klängen in der Neuen Musik beheimatet. Andere wiederum wollen mit ihrem Algorave das Publikum zum Tanzen animieren. Livecoding wird als inklusive Form des Musizierens beschrieben, an der jeder teilhaben kann. Die Software dafür ist kostenlos im Internet erhältlich. Um flexibel und virtuos zu musizieren, sollte man die Programmiersprache beherrschen. Dafür bedarf es allerdings ein wenig Ausdauer. Patrick Borgeat vergleicht das mit dem Erlernen einer Fremdsprache: „Da gibt es auch die Grammatik und einen Wortschatz, den man sich aneignen muss.“

Oper im Netz

Foto: COOPER

Den Traum vom eigenen Flügel erfüllen sich Smartphoneund Tabletnutzer jetzt dank Musikinstrumenten-Apps. Diese mobilen Softwareminiaturen stehen in unzähligen Varianten im Netz zur Verfügung. Einmal downloaden, Instrument auswählen und ran an die Tasten! Wer des Flügels überdrüssig wird, kann zudem quer durch den Orchestergraben sein Instrument am Touchscreen wechseln. Wie viel Potenzial in den cleveren Klangerzeugern steckt, zeigt das DigiEnsemble Berlin. 2010 erprobten die professionellen Musiker erstmals Spielkonzepte und Musikprogramme auf den taschengroßen Instrumenten. Dabei stellte sich bald heraus, dass dieses Forschungsprojekt bühnentauglich ist. Neben Eigenkompositionen widmen sich die Musiker nun auch den Werken von Johann Sebastian Bach und Edvard Grieg. Damit eroberten sie gemeinsam mit ihren musikalischen Mobilgeräten bereits Spielstätten wie das Gewandhaus Leipzig und den Berliner Dom.

Foto: Daniel Bollinger

Foto: Youtube

Instrument 2.0

Nach einem Auftritt lässt Tara Erraught ihren Abend am liebsten ruhig ausklingen. Im Anschluss an den Live-Stream von Mozarts La Clemenza di Tito Mitte Februar war das für sie aber unmöglich: „Als ich nach Hause kam, war ich auf positive Art schockiert“, schwärmt die Mezzosopranistin über die „verblüffende“ OnlineResonanz auf ihre Hosenrolle als Sesto in Jan Bosses Neuinszenierung an der Münchner Staatsoper. „Leute von Südamerika bis Irland hatten zugeschaut und jede Sekunde der Oper auf Facebook und Twitter kommentiert. Ich hatte keine Ahnung, wie groß die Power des Internets ist. Dass auf diese Weise Menschen, die zu weit weg wohnen oder kein Ticket bekommen, eine Vorstellung verfolgen können, ist toll.“ Bis zu 100.000 Zugriffe aus fünf Dutzend Ländern wurden schon gezählt, wenn Stars bei einem Streaming aus dem Münchner Nationaltheater zu sehen und zu hören waren. Insofern hat sich die „Ausweitung des Kulturauftrags“ gelohnt, die laut Pressesprecher Christoph Koch seit 2011 mit circa zehn kostenlosen Angeboten pro Saison für eine „Öffnung des Hauses“ sorgen soll. Immer mehr Opernhäuser und Orchester wollen im virtuellen Raum auf sich aufmerksam machen. Vorreiter waren dabei die Berliner Philharmoniker. Seit Januar 2009 können Fans rund um den Globus circa 40 Konzerte pro Saison in der Digital Concert Hall mitverfolgen, für die ein eigenes Studio für Fernsteuerung der festinstallierten Kameras, Schnitt und Übermittlung der digitalen Signale eingerichtet wurde. „Die Zielgruppe ist aber delikat, weil sich nicht jeder Interessent an klassischer Musik souverän im Internet bewegt“, weiß Sprecher Tobias Möller. „Dennoch war die Resonanz größer als angenommen, so dass mittlerweile 400.000 Menschen bei uns registriert und 20.000 Tickets für bezahlte Inhalte im Umlauf sind.“ Im Gegensatz zum GratisAngebot der Bayerischen Staatsoper werden Usern hier – abgesehen von Video-Specials – zwischen 9,90 Euro pro Tag und 149 Euro jährlich für die Digital Concert Hall berechnet. SDE Nützliche Links: www.bayerische.staatsoper.de//tv nächste Gratis-Live-Streams „La Bayadère“ am 15.3. und „Die Soldaten“ am 31.5. www.digitalconcerthall.com/de/ Zugang nach einmaliger ­Anmeldung und Bezahlung, nächste Konzerte am 15./17./22.3. www.staatsoperlive.com/de/ Zugang nach einmaliger Anmeldung und Bezahlung, nächster Live-Stream „Dornröschen“ am 1.3. www.tmg.de/tmg/index.php?StoryID=191 Liste aller teilnehmen­ den Kinos auf dieser Internetseite. Nächste Live-Übertragungen aus der MET „Fürst Igor“ am 1.3. und „Werther“ am 15.3. www.royaloperahousekino.de Links zu teilnehmenden Kinos auf dieser Internetseite.

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Der Axel-Brüggemann-Kommentar

Die Nische der Nische Der Nische Wie die öffentlich-rechtlichen Sender die Klassik aussortieren: vom Hauptprogramm in die Sparten-Kanäle und schließlich ins Internet. Früher, als es nur drei Programme gab, war die Welt klar geordnet: ARD, ZDF und die Dritten Programme haben ihren Bildungsauftrag ernst genommen und Kultur als Teil des medialen Auftrags verstanden. Die Landesstudios von BR, NDR, SWR und Co. haben sich nicht nur Sinfonieorchester geleistet, deren Programme sie ausgestrahlt haben, sondern auch eigene Klassik-Redaktionen, in denen Redakteure sich in Ruhe um Nischen der Musik kümmern konnten. Oft erreichten ihre Sendungen das Publikum nur, weil die Zuschauer keine andere Wahl hatten, als ein Feature über die historische Aufführungspraxis, ein Interview mit Hans Werner Henze oder eine Übertragung von Opern anzuschauen. Und es gab, da bin ich sicher, den einen oder anderen, der über diese Programm-Stolpersteine seinen Weg zur Klassik gefunden hat. Es gab kaum Konkurrenz, das Umschalten war nicht per FernbedienungsKlick zu haben, sondern mit Aufstehen verbunden, und an andere Ablenkungen wie Smartphone oder Internet war nicht zu denken. Es gab höchstens das ebenfalls öffentlich-rechtliche Radio, Schallplatten, Bücher oder den Konzertbesuch. Mit dem Siegeszug der Privaten wurde dem deutschen Fernsehzuschauer plötzlich ein neues Home-Entertainement-Angebot unterbreitet. Nun lief zur späten Stunde neben der Telemann-Doku auch Tutti Frutti. Und damit verschob sich irgendwie auch die 84

mediale Legitimation: GEZ-Gebühren wurden nicht mehr durch schwer verkaufbare Programme gerechtfertigt, also durch jene Sendungen, die Förderung nötig hatten, weil sie ein relativ kleines Publikum ansprachen, sondern dadurch, dass das Staatsfernsehen mit dem Erfolg der neuen Sender mithalten wollte: Es muss?te das Fernsehen des Volkes bleiben und gegen die Konkurrenz der vielfältigen Ablenkung bestehen. Die Quote wurde zur neuen Währung. Die öffentlich-rechtlichen Sender rea­ gierten, indem sie sich popularisierten: mehr Unterhaltung, weniger Nische. Zunächst war der Wandel kaum spürbar: Noch immer hielten die Hauptprogramme Sendeplätze für Opern- und Musik-Übertragungen bereit, hielten an Spielshows wie Erkennen Sie die Melodie? fest und nutzten die „Dritten“ zur Belebung des regionalen Kulturangebots. Aber diese Sendungen brachten wenig Quote. Also musste ohne Gesichtsverlust Platz für Leichteres geschaffen werden. Die Lösung hieß: Spartenkanal. Als die Fernsehsender 3Sat (1984) und Arte (1992) auf Sendung gingen, wurde das so legitimiert: Statt weniger Sendungen im Hauptprogramm bekommt die Kultur breite Flächen in der Nische. So würde das Staatsfernsehen seinem Auftrag, „Bildung für alle“, noch besser nachkommen. Doch was kultur-optimistisch gedacht war, ist heute nur noch eine Farce. Denn klassische Musik wurde gleichzeitig

immer weiter aus dem Hauptprogramm – und damit von möglichen Erstzuschauern – entfernt. Sendungen wie Erkennen Sie die Melodie?, Achtung Klassik! oder Eine große Nachtmusik hat man stillschweigend abgeschafft. Schnell wurde die Musik, mit der nicht mehr als zehn Prozent Quote zu machen ist, zum Schwarzen Peter der Sendeanstalten. Und das war noch nicht das Ende: Vor einigen Jahren gerieten auch die sogenannten Kultursender aus unerfindlichen Gründen unter Quotendruck. Zunächst haben sie mit dem „Theaterkanal“ und „ZDFKultur“ noch kleinere Nischen kreiert, um die „schweren Stoffe“ loszuwerden und mehr Platz für Dokumentationen, Wiederholungen und besonders für Spielfilme zu schaffen – denn die versprechen mehr Quote. Bis heute ist es unverständlich, warum gerade die französische Seite von Arte einen der Vorkämpfer der Klassik, Jean Wittersheim, entmachtete und nun darauf setzt, statt Klassik lieber Spielfilme zu senden – Louis de Funès und Pseudokultur-Softpornos statt Wagner und Bach. Und an dieser Stelle kommt nun das Internet ins Spiel. Es ist die Fortsetzung der Ablenkungsmöglichkeit, ein neues Medium, das dem Fernsehen Konkurrenz macht. Doch für die öffentlich-rechtlichen Sender ist es zur Abspielstation ihres Hauptprogramms per Mediathek und gleichzeitig zu so etwas wie der Mülldeponie für das Gefahrengut „Kultur“ geworden.

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Bei Arte-Live-Web zum Beispiel ähnelt deanstalten für Klassik im Hauptprogramm Barrieren und der wahlweisen Klassikdie Argumentation jener, mit der zuvor die werben – die aber gegenüber Produzenten Ästhetik von gestern oder seiner überdrehten Spartensender legitimiert wurden: „Wir kön- und Autoren nicht mehr halten können, was Form der Pseudo-Aktualität und seiner nen mehr Kultur anbieten, wenn wir sie aus sie versprechen. Viele Redakteure sind längst Main-Stream-Ästhetik als Partner zu verstedem Kultur-Programm ins Netz verschieben, Könige ohne Königreich. Und ihre Vorge- hen. Theater und Konzerthäuser wissen, dass denn dort gibt es keine zeitlichen Grenzen.“ setzten scheinen nur auf ihren Ruhestand zu ihre Subventionen von 80 Prozent der BevölDieses Mal ist es aber kein Kulturoptimismus, warten, um die Klassik endgültig mit der kerung befürwortet werden – auch von sondern sarkastische Abschiebepolitik. Denn Unterhaltungsredaktion zu fusionieren. Der- jenem Teil der Menschen, die nie ein Theater in Wahrheit weiß jeder, dass die Klassik von zeit senden die Hauptprogramme von ARD besuchen. Weil die Mehrheit der Deutschen der Nische ersten Grades (Hauptprogramm) und ZDF im Jahr gerade noch eine oder zwei eben weiß, dass Kultur kein Marktwert, sonin die Nische zweiten Grades (3Sat und Arte) Opern-Live-Übertragungen, den ECHO dern eine hilfsbedürftige Sinnstiftung ist, und weiter in die Nische dritten Grades Klassik (am Spätabend), das Silvester- und kein Luxus, sondern eine staatliches Grund(Internet) verschoben wird. Denn was statt- Neujahrskonzert. Und in den Nischen von bedürfnis. Es ist dieses Verständnis, das dem dessen ins Hauptprogramm nachrückt, ist 3Sat und Arte glaubt man oft nur noch Klas- öffentlich-rechtlichen Rundfunk gerade fehlt. Schon bald werden Fernsehen und schlichtweg oft TV-Trash. Die Unlogik, die sik entweder als schrilles DSDS oder als Absurdität und gigantische Lüge der „Mehr- günstig produzierte Langeweile verkaufen zu Internet sich via Smart-TV verbinden und Platz“-Argumentation wird deutlich, wenn können. Selbst ehrwürdige Sendungen wie die innovativen Formate der privaten Anbieman sich die Etats anschaut: Während ARD aspekte sehen nach dem Relaunch aus wie – ter direkt mit dem öffentlichen Fernsehprogramm konkurrieren. Nicht und ZDF Millionen in auszuschließen, dass die staKochshows, Soap-Operas, Für die öffentlich-rechtlichen Sender ist bile Gruppe der KlassikBoulevard-Magazine, tägliFans dann statt Soaps, che Talkshows, in Wetten das Internet zur Abspielstation ihres HauptKochsendungen oder Talkdass ... oder das Quiz mit der Maus investieren, um mit programms per Mediathek und gleichzeitig zu shows von ARD und ZDF bereit ist, Geld für eine dem Unterhaltungsfernseso etwas wie der Mülldeponie für das Opern-App auszugeben. hen der Privaten zu konDas wäre zum einen schade kurrieren, schmelzen die Gefahrengut „Kultur“ geworden. für all jene, die durch KlasEtats für kulturelle Websik im Hauptprogramm an Produktionen auf ein Minimum. Seriöse, gar innovative Formate lassen Verzeihung: Markus Lanz – ein aufgeregter diese Kunst herangeführt werden könnten. sich hier kaum noch entwickeln. Für eine Kultur-Boulevard, auf dem ein bisschen Es würde außerdem die Auflösung des Bilmoderne Neuerfindung von Klassik-Talkern getalkt und ein Beitrag über Olympia gesen- dungsauftrages bedeuten. Und das wiedewie Justus Frantz, Senta Berger, Götz Als- det wird. Kein Wunder, dass die klassik- rum wäre ein ernsthaftes Problem der Öffentmann oder August Everding ist ebenfalls affinen Zuschauer abschalten und die poten- lich-Rechtlichen, weiterhin GEZ-Gebühren ziellen Klassik-Anfänger lieber gleich Stefan zu verlangen. All das hätte dann eben sehr kein Platz mehr. Und das Fernsehen ist längst nicht das Raab schauen. Inzwischen scheint es so, dass viel mit der schwelenden Stimmung und den einzige Opfer der Netz-Outsourcing-Politik die Klassik nach der Vertreibung in die aktuellen Debatten über die Bürokratie der der Öffentlich-Rechtlichen: Die alten Radio- Nischen-Hölle nie wieder in das Hauptpro- Sender zu tun. Früher oder später wird der Frust jener Minderheiten wachsen, die nicht Kultursender, die sich immerhin noch gramm-Paradies einziehen wird. Und wo bleibt das Positive? Vielleicht in einsehen wollen, wofür das öffentlich-rechtliOrchester halten, mussten in den vergangenen Jahren zunächst den Wortanteil steigern, der Hoffnung, dass es für die Kultur gerade che Fernsehen überhaupt noch steht, wenn Pop-Musik integrieren und sich der „Ver- im Privaten einen Aufbruch gibt. Die MET- es den Bildungsauftrag in die Nische der nachrichtlichung“ anpassen. Nun ist die Übertragungen im Kino sind einer von vie- Nische der Nische verschiebt. Und dann werEskalation erreicht, wenn darüber diskutiert len Beweisen. Sie rechnen sich und schaffen den die Quoten dem öffentlich-rechtlichen wird, dass einer der letzten echten Klassik- es gerade ohne hierarchische Strukturen mit Fernsehen kaum reichen, um ihre Arbeit – sender, BR Klassik, keine Frequenz mehr einer „Hau-Ruck“-Mentalität neue Formate und vor allen Dingen ihren Staatsauftrag – zu erhalten, sondern ins Internet abgeschoben zu entwickeln: Blicke hinter die Kulissen, begründen. Um es nicht so weit kommen zu lassen, werden soll. Klar, die Zuhörerzahl war im ernsthafte Interviews mit Künstlern und Vergleich zu Bayern 1 verschwindend, aber kluge Einführungen in die Werke. Die Oper gibt es nur eine Lösung: Das deutsche Staatsim Netz werden noch weniger zuhören. Es ist beginnt im Medium Kino neu zu leben. Ähn- fernsehen muss jetzt den Mut haben, in Vorein Skandal, wenn dieser einmalige Sender liches passiert im Netz: Auch die „Digital leistung zu gehen, seine Gebühren durch das nur noch als kulturelles Feigenblatt dienen Concert Hall“ der Berliner Philharmoniker Unkonventionelle und das Subventionsbesoll. Wer nicht den Mut hat, einen Todeskan- rechnet sich zwar nur durch Sponsoren, dürftige behaupten und dadurch, dass es das didaten mit der Guillotine zu ermorden, ebenso wie die Livestreams der Bayerischen Internet nicht als Abstellgleis, sondern als sollte nicht damit hausieren gehen, wie milde Staatsoper. Aber hier begreifen die Veranstal- Möglichkeit begreift, auf das Hauptproer ist, wenn er ihm nur das Bein abhackt und ter selbst, dass das Medium Internet nicht gramm wirken. Das öffentlich-rechtliche nur die Abbildung eines Konzerts bedeutet, Fernsehen war jahrzehntelang für den kultuihn verbluten lässt! Klar, dass dieser Umgang mit den Klas- sondern die Nähe zu den Beteiligten, die rellen Geist in Deutschland verantwortlich, sik-Redaktionen für internen Frust sorgt. Tiefe der Gespräche und die Begeisterung es hat die Nation gebildet und geprägt. DarNoch gibt es Redakteure, die Interesse an der Macher. Ein Großteil der Kulturinstituti- auf muss es sich besinnen, wenn es in neuen Formaten haben, die begeistert sind, onen hat längst aufgegeben, das öffentliche Zukunft nicht weiter kochen und talken will, die täglich in den Führungsgremien der Sen- Fernsehen mit all seinen selbst errichteten während die Musik andernorts spielt. n 85


A k u s t i k

Die leichte Art des Streamens

Klassik im Netz

Musik aus dem Internet ist kein Hexenwerk mehr. Selbst einfache Geräte finden den Weg ins World Wide Web. Hier eine Auswahl an Lautsprecher- und Musiksystemen, die fürs Streamen gemacht sind.

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ie kommt die Musik aus dem Internet in mein Ohr? Noch vor wenigen Jahren musste hierfür der Computer die Verbindung ins World Wide Web herstellen und eine Brücke zur Stereoanlage schlagen. Heute haben so gut wie alle HiFi-Hersteller „Fertiglösungen“ im Angebot: Lautsprecher mit integriertem WLAN. Damit können Sie Internet-Streams und Webradio-Stationen direkt anzapfen. Viele Gerät beherrschen auch Apples AirplayTechnologie, um auf iTunes-Musikbibliotheken zuzugreifen, die auf Macbooks, iPads, iPhones oder iPods abgelegt sind. Zunehmend sind auch klassische Musikanlagen mit Netzwerkfunktionen ausgestattet. Selbst Mini-Anlagen fürs Regal beherrschen schon die Kunst des Streamens. Und das alles ohne den PC.

Bowers & WilkinsZ2 Erhältlich in Schwarz und Weiß. Info: www.bowers-wilkins.de Preis: 399 Euro Cambridge Audio Minx 100/200 In Schwarz und Weiß erhältlich. Info: www.cambridgeaudio.de Preise: 399 und 499 Euro

Streaming-Lautsprecher

Das Ohr zur Welt Die Cambridge Audio Air 100 und 200 sind fürs Streaming per Airplay ausgelegt, doch im Unterscheid zu anderen kabellosen Lautsprechern können sie Musik auch per Bluetooth empfangen. Die Typenbezeichnungen stehen für die unterschiedliche Leistungsaufnahme: 100 und 200 Watt. Zu den Geräten liefert Cambridge Audio eine App für Apple- und Android-Geräte mit einer Datenbank von weltweit 20.000 Internetsendern, die per Knopfdruck angewählt werden können. Darunter sollte doch jeder seine Lieblingsmusik finden!

Verlosung

crescendo und Cambridge Audio verlosen zwei Cambridge Minx Air 200. Einfach folgende Frage beantworten und bis 30. April 2014 an Redaktion crescendo, Rindermarkt 6, 80331 München oder gewinnspiel@crescendo.de schicken: „Für was stehen die Typenbezeichnungen des Audio Air 100 und 200?“

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Streaming-Kompaktsystem

Aus einem Guss Neben Lautsprechern und Subwoofer sind in den Soundtouch-Systemen von Bose auch ein OLED-Display und Bedientasten integriert. Die Musik wird per Airplay, WiFi oder Netwerkkabel direkt aus dem Internet oder aus der privaten Musikbibliothek gestreamt. Zur Bedienung entwickelte Bose eine passende App für PC, Tablet-PC und Smartphone. Erhältlich sind drei Systeme für unterschiedlich große Räume.

Kompakter Airplay-Speaker

Universelle Schönheit Eine einfache, aber umso schönere AirplayLösung bietet Bowers & Wilkens mit dem Wireless-Musiksystem A2. Es besitzt zwar ein Dock für das iPhone 5 und den iPod (ab 5. Generation, iPod touch ab 7. Generation), ist aber dennoch nicht komplett auf Apple-User ausgerichtet. Denn Musik kann auch per WiFi oder Netzwerkkabel auf den Lautsprecher gespielt werden.

Bose WiFI SoundTouch In drei Versionen erhältlich, u.a. auch mit Batteriebetrieb. Info: www.bose.de Preise: ab 400 Euro

Aktiv-Lautsprecher

Wohlklang direkt aus dem PC Wer Musik direkt am Computer streamt und zum Beispiel InternetLive-Konzerte auf dem PC-Bildschirm verfolgt, mag diese garantiert nicht über die üblichen PC-Boxen hören. Was tun, wenn die Stereoanlage nicht in der Nähe ist und genutzt werden kann? Eine Lösung hierfür bieten aktive Standlautsprecher wie die aus der nuPro-Reihe von Nubert, die direkt an den PC angeschlossen werden können.

Nubert nuPro A-100, A-200 und A-300 Aktivlautsprecher in verschiedene Farben und Ausführungen. Info: www.nubert.de – Preis: ab 285 Euro/Stück Sony SRS-X5R und -X7R Beide sind auch in Weiß erhältlich. Info: www.sony.de – Preis: 199 und 299 Euro

All-in-one-Kompaktanlage

Kompaktanlage geht online

Kabellose Design-Lautsprecher

Ceol spricht sich „kjoll“, ist Gälisch und heißt nichts anderes als „Musik“. Und die gelangt aus vielen Quellen auf die kompakte Stereoanlage. An Bord sind natürlich CD und Radio, aber dank integriertem WiFi zapft sie Musik auch aus dem Netz, per Airplay verbindet sie sich mit einem iTunes-Gerät und mit Hilfe der Netzwerktechnik DLNA kann sie auch auf eine Netzwerkfestplatte zugreifen. Nicht zu vergessen: das Dock für iPod/iPhone.

Bitte berühren! Zwei Lautsprecher, die dank Akku nicht mal ein Stromkabel benötigen. Eine Batterieladung soll bis zu acht Stunden Betrieb ermöglichen. Die Besonderheit beider Mini-Boxen ist die NFC-Technik. NFC steht für „Near-Field-Communication“ und besagt: Um ein NFC-taugliches Zuspielgerät mit dem Lautsprecher zu verbinden, müssen sich beide Geräte nur einmal kurz berühren. Das Modell X7 verfügt zusätzlich über Airplay und WiFi, kann aber auch per Kabel in ein Netzwerk integriert werden. Damit lässt es sich für alle Arten der Streaming-Musik nutzen – auch auf der Terrasse und im Garten.

Denon CEOL Passt in jedes Regal und erstrahlt wahlweise in Hochglanz-Weiß oder Schwarz. Info: www.denon.de – Preis: 799 Euro

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Woher kommt eigentlich ... die musikalische Aufnahme an sich?

uns von der Wahrheit weit entfernt.“ Er stand Auf„Tereng! tereng! teng! teng!“ ... tönte die wohl erste Klassik nahmen seines musikalischen Schaffens ablehnend „Tonkonserve“. Es war das Horn des Postillions, von gegenüber, sprach von der Schallplatte als „tönendem dem Münchhausen berichtete, es fror auf winterlicher im Netz Pfannekuchen, Dreck, Onanie.“ Kutschfahrt gespielte Melodien ein, um sie erst am Glenn Gould hingegen verließ den Konzertsaal warmen Wirtshausfeuer langsam tauend wieder preiszugunsten des Aufnahmestudios. Er liebte die Ästhezugeben. Gleich mehrere Lieder sollen ertönt sein, tik, sah in der Aufnahme neue Möglichkeiten für Umgang und bevor es verstummte. Musik ist ein flüchtiges Element. Auch wenn sie in dieser Gestaltung von Musik. Er dokumentierte mit seinen Einspielungen Geschichte des „Lügenbarons“ festgehalten wurde – einmal von Bachs „Goldberg-Variationen“ den Wandel der eigenen Interpretation. Würde Bach seine Variationen von 1741 heute noch so gespielt, bleibt sie verklungen. Die erste „Cloud“ ist das menschliche Gedächtnis, Musik im interpretieren wie einst erdacht? Über den Gedächtnis-Stream lassen sich viele Stücke direkt Kopf, erträumt, erahnt, erdacht oder gehört, konnte von Beginn an abrufen, liest man nur: „Mozarts Kleine Nachtmusik“, hat man die gespeichert und erinnert werden. „Wenn sie nämlich nicht von den Menschen im Gedächtnis Melodie schon im Kopf. Musik kann sich im Hirn winden wie ein „Wenn sie nämlich nicht von den Menschen im Gedächtnis behalten Wurm. Einen solchen werden, vergehen die Töne, weil sie sich ja nicht aufschreiben lassen,“ Ohrwurm erlebte der erkannte im 7. Jahrhundert Bischof Isidor von Sevilla. 24-jährige Heine 1822 mit behalten werden, vergehen die Töne, weil sie sich ja nicht aufschrei- dem Freischütz in Berlin: „von morgens früh bis spät in die Nacht ben lassen“, erkannte im 7. Jahrhundert Bischof Isidor von Sevilla. verfolgt durch das Lied: ,Wir winden dir den Jungfernkranz‘ ... Damit die Töne nicht verloren gehen, begann man, sie aufzuschrei- Mein Kopf dröhnt. Ich kann's nicht aushalten. Doch glauben Sie nicht, dass die Melodie desselben wirklich schlecht sei. Im Gegenben, sie in Noten zu verschlüsseln. Doch „das Beste der Musik steht nicht in den Noten“, meinte teil, sie hat eben durch ihre Vortrefflichkeit jene Popularität Gustav Mahler und spricht davon, was alles verloren geht, wenn erlangt.“ Als Beethoven ertaubte, folgte er seinem inneren Ohr. Ganz Musik festgehalten wird. Für die Aufzeichnung von Musik stand 1860 erstmals ein anders die Musik im Kopf Ravels, sie fand nie mehr heraus. Er litt Phonautograf bereit. Édouard-Léon Scott de Martinville ließ den in seinen letzten Lebensjahren an Amusie und konnte seine Musik Schall des Liedes Au clair de la lune mit einem Trichter einfangen, auf eine Membrane überCelibidache stand Aufnahmen seines musikalischen Schaffens tragen und versetzte so eine Schweinsborste ablehnend gegenüber, sprach von der Schallplatte als „tönendem in Schwingung, die die Töne auf einer Walze Pfannekuchen, Dreck, Onanie.“ voller Ruß sichtbar machte. Die Wiedergabe war nicht vorgesehen. „Wenn es einen Weg gibt, es besser zu nicht mehr aufschreiben, weder singen noch spielen. „Diese Oper machen, finde ihn!“ riet Thomas Edison. 1877 konnte sein Phono- (Jeanne d'Arc) ist hier in meinem Kopf; ich höre sie, aber ich werde graph Aufgenommenes auch wieder abspielen. Es folgten Schall- sie niemals schreiben.“ Beethoven, Ravel und vielen anderen sind im Netz eigene platten, Tonbänder, Musikkassetten, CDs und mp3-files. Das Fixieren auf Tonträger ermöglicht dem Hörer ein und Radiostationen gewidmet, rund um die Uhr läuft hier ausschließdieselbe Musik in ein und derselben Vortragsweise immer und lich ihre Musik. Spartenradios spezialisieren sich auf Barock, immer wieder zu hören. Das löst Erwartungen aus. Diese Erwar- Opern und Alte Musik. Es gibt die Möglichkeit, die eigene Musiktungen können einen Interpreten so beeinflussen, dass er eine sol- sammlung im Hause aufzulösen und sie in einer Cloud zu verwalche Tonaufnahme, sei es die eigene oder die eines anderen, als Vor- ten, um sie rund um den Erdball jederzeit hören zu können. Die Musik, die per Stream aus der Cloud kommt, birgt auch gabe für die Darbietung im Konzertsaal nimmt und auch vom Publikum an diesen Vorgaben gemessen wird. So beeinflusst das die Chance, einzig und allein die Musik selbst wieder in den Mittelpunkt zu stellen – hier und jetzt, für den Augenblick, den OhrenFesthalten der Musik den Fluss der Musik. Der Dirigent Sergiu Celibidache befürchtete: „Wenn wir so kick, sinnlich gespielt, sinnlich erfahren und verflogen. Wird der Zugriff auf die Cloud versperrt, bleiben Konzertbeweit gekommen sind, dass wir musikalische Erfahrungen überwiegend durch die virtuelle Welt der Schallplatte sammeln, haben wir suche und Selbermusizieren. Stefan Sell 88

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l e b e n s a r t

Luxemburg ... aus der Sicht einer Musikerin

Fotos: Anna Novák; ONT; Alfonso Salgueiro, Sebastien Grebille

Der kleine Staat im Herzen Europas leidet unter dem Vorurteil, ein reiner Finanzplatz zu sein. Dabei ist Luxemburg auch eine kulturelle Hochburg. V o n A n n a N o v á k

Ansicht des Großherzoglichen Palasts im Historischen Museum; Avenue de la Liberté; Grand Théâtre du Luxembourg; Philharmonie; von Luxemburg aus ruckzuck nach Deutschland, Belgien, Frankreich; Blick auf die Stadt; französisch angehauchtes Essen; Gärten im Stadtteil „Grund“.

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Autorin Anna Novák mit der Luxemburger Pianistin Cathy Krier (re.), die uns ihre Lieblingsplätze verriet.

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enn man Luxemburg erleben will, setzt man sich nie ist ein dickes Büchlein mit Programmtexten in unterschiedliam besten in den Zug. Denn für unschlagbare chen Sprachen, die Hinweisschilder für Touristen erklären uns, dass zwei Euro kann man einmal durch das ganze im Tal sowohl die „groe Schleek“ (luxemburgisch) als auch die Land fahren: ganz aus dem Norden, den luxem- „petit-gris“ (französisch) als auch die „gesprenkelte Schnirkelschneburgischen Ardennen, durch die pulsierende cke“ (deutsch) lebt. Das musikalische Zentrum des Landes liegt in seiner gleichnaHauptstadt hindurch in den Süden, bis zur französischen Grenze. Wer an Luxemburg denkt, hat oft Vorurteile im Kopf: Luxem- migen Haupstadt. Luxemburg Stadt ist das quirlige Zentrum eines burg steht zum Beispiel für „günstig tanken“, weil der Staat wenig doch eher ländlich geprägten Landes. Eindrucksvoll erhebt sich die Steuer auf Luxusgüter erhebt. Für manche ist es nur Durchfahrts- Stadt auf dem Fels, gebaut aus dem Tal, dem sogenannten „Grund“. land auf dem Weg nach Belgien. Es gibt eine große Finanzindustrie Früher lebten dort unten Handwerker und ärmere Leute, weil weniund Jean-Claude Juncker, den Europa-Politiker. Und klar, ein biss- ger Sonnenlicht hineinfällt in die kleinen, hohen, aber schmalen chen Glanz und Gloria gibt es auch, im einzigen Großherzogtum Häuschen, die dort stehen. Heute ist der „Grund“ ein Trend-Viertel der Welt. Prinzessin Stéphanie von Luxemburg, die schöne Erb- Luxemburgs, mit schönen Bars und Cafés und eine Feier-Meile. Wer allerdings das musikalische Wunderwerk der Stadt besugroßherzogin an der Seite des Thronfolgers Guillaume, ist gerade 30 Jahre alt geworden. Gefeiert habe sie aber nur im kleinen Rah- chen will, der wagt sich auf den „Kirchberg“. Inmitten von großen Bürogebäuden und Bankenzentralen steht men, liest man in den Klatschzeitungen. Aber die 2005 eröffnete Luxemburger Philharmostolz sind die Luxemburger schon auf ihre nie, eines der wohl schönsten Konzerthäuser, Erbmonarchie. Postkarten der großherzöglidas in den letzten Jahren in Europa gebaut chen Familie gibt es nahezu an jedem Kiosk wurde. Der französische Architekt Christian zu kaufen. de Portzamparc hat ein tropfenförmiges, weiAber der kleine Staat, mit 2500 Quadratßes Gebäude geschaffen, das von 823 jeweils kilometern Fläche der zweitkleinste Mit20 Meter hohen Säulen dominiert wird. So gliedsstaat der Europäischen Union und eines wie sich die Philharmonie, besonders wenn der kleinsten Flächenländer überhaupt, ist auf sie im Dunkeln beleuchtet ist, von den andeden zweiten Blick reich an Überraschungen. ren Gebäuden des Viertels abhebt, hat sie Denn die etwas über 500.000 Einwohner des Kammermusiksaal der Philharmonie echten Wahrzeichencharakter. Aber auch Ländchens – davon rund 200.000 Ausländer – sind ein weltoffenes Volk. Freundlich, international und sprachge- innen gibt es einiges zu bestaunen: Das große Auditorium, der wandt sind Adjektive, die einem in den Sinn kommen, wenn man größte Saal des Gebäudes, ist einer großen Piazza nachempfunden. mal einen Tag in Luxemburg-Stadt verbracht hat. Der besonderen Die Bühne – die sich übrigens komfortabel auf 14 verschiedene geographischen Lage in Europa – zwischen Belgien, Deutschland Höhen verstellen lässt – ist der Mittelpunkt des Raumes, aus rund und Frankreich gelegen – sei Dank, ist Luxemburg nämlich ein drei- um den großen Platz aufgestellten, fast Wohnhaus-artigen Türmen sprachig geprägtes Land. Die Amtssprachen sind Deutsch, Franzö- schauen Besucher wie von Balkonen auf das Bühnengeschehen. Ist sisch und Luxemburgisch – ein zumindest für das deutsche Ohr der Saal mit seinen rund 1300 Plätzen vollbesetzt, dann spürt man einigermaßen verständlicher, sprachlicher Mix aus deutschen und diesen trubeligen Tummel, den sich der Architekt bei seinem Entfranzösischen Begriffen, eine „moselfränkische Sprachvarietät des wurf vorgestellt und gewünscht hat. Ein kleines, aber entscheidendes Detail fällt erst bei genauem Hinsehen auf: Im großen AuditoWestmitteldeutschen“, heißt es im Lexikon. So ist es aber kein Wunder, dass man in Luxemburg ständig rium gibt es keine geraden Linien! Alles ist etwas schief, verschoben, Leute trifft, die mindestens drei Sprachen fließend sprechen, oft gewellt – die Sitzreihen ähneln einem dahinrinnenden Meer. sogar mehr. Auch die Benutzung ist hier eine andere, denn das Scheinbar hatte es der Architekt mit maritimen Themen, denn der Wechseln zwischen den unterschiedlichen Sprachen, manchmal gar ebenfalls zur Philharmonie gehörende Kammermusiksaal ist in mitten im Satz, gehört für die Luxemburger zum ganz normalen einem muschelförmigen Bau untergebracht, und er hat nicht nur Alltag. Seine Croissants bestellt man beim Bäcker auf Französisch, einen atemberaubend schönen, über der Bühne angebrachten „Sterdie Nachbarin grüßt man auf dem Heimweg auf Luxemburgisch nenhimmel“, sondern noch dazu eine fantastische Akustik. Auch rein programmatisch ist die Luxemburger Philharmonie und mit dem Kollegen auf der Arbeit, der jeden Tag aus Saarbrücken pendelt, wird fließendes Deutsch gesprochen. Das hat natür- ein echtes Erlebnis: Der Konzertplan ist bis obenhin gefüllt mit lich auch rein praktische Auswirkungen: Verkehrsschilder sind oft Konzerten der internationalen Klassik-Stars, Konzerten des hauseimehrsprachig, das Jahresprogramm der Luxemburger Philharmo- genen Orchesters Orchestre Phiharmonique du Luxembourg sowie 91


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später dann zum Orchestre Philengagierten Musikvermittlungsharmonique du Luxembourg reihen. Besonders beliebt sind die wurde) machte Luxemburg erstKinderkonzerte mit Musik- und mals einen echten Namen in der Bastelateliers, die für den Nacheuropäischen Klassik-Szene: wuchs in unterschiedlichen Die vom luxemburgischen Altersstufen angeboten werden – Radio übertragenen Konzerte typisch luxemburgisch: mehrdes Orchesters hörten teilweise sprachig. 15 Millionen (!) Menschen. Aber was ist musikalisch Das Motto des Großherzogeigentlich typisch luxemburtums „Mir wölle bleiwe wat mir gisch? Ein wirklicher „Nationalsin“ (Wir wollen bleiben, was wir stil“ hat sich im Großherzogtum sind) lässt sich auf die aktuelle nicht herausgebildet. Im 19. JahrPosition des Landes in der eurohundert gastierten zwar immer Die Kinderkonzerte der Philharmonie (hier links mit Cathy päischen Klassikmusikszene nur mal wieder bekannte KomponisKrier) sind abwechselnd auf französisch und luxemburgisch. bedingt anwenden. Auffällig ist ten dort – Franz Liszt hatte in Luxemburg seinen letzten öffentlichen Auftritt –, aber davon abge- nämlich, dass die Luxemburger sich stark für die musikalische Zukunft interessieren und in punkto Neue Musik mit allerhand sehen brodelten die Klassik-Zentren woanders. Luxemburg ist, das zeigt die Tradition, ein singendes Land. bemerkenswerten Projekten aufwarten können. Die jungen KünstIn der Klassik spielte die Sinfonik bis zum Beginn des 20. Jahrhun- ler des Landes profitieren von Staatsförderungen und haben folglich derts kaum eine Rolle, viel ausgeprägter war die Chor- und die viel Raum für musikalische Experimente – mit Francesco Tristano Gesangstradition. Am ehesten als Nationalkomponisten kann und Cathy Krier sind bereits zwei im internationalen Klassikzirkus man Edmond de la Fontaines, genannt Dicks, bezeichnen, der in angekommen. Wer seine musikalische Reise außerhalb der Hauptstadt fortseinen Operetten luxemburgische Traditionen verarbeitete und setzen will, der wird jenseits der vielen Berge und Hügel des Landes seine Stücke in luxemburgischer Sprache schrieb. Wir haben die Probe aufs Exempel gemacht: Dicks Lieder fündig. Denn auch auf dem Land blühen immer mehr kulturelle Stätten auf: Das Kulturzentrum „Trifolion“ in Echternach und der können die Luxemburger heute noch mitsingen! Heute erzählt man sich außerdem noch die Anekdote, wie „Cube 521“ in Marnach sind nur zwei erfolgreiche Beispiele für KonMaurice Ravel einmal in den einzigen Badeort Luxemburgs zertstätten mit engagierten und innovativen Musik- und Kulturprogekommen sei, bloß um eine Probe mit dem Orchester von Radio grammen inmitten der erlebenswerten luxemburgischen LandLuxemburg, das 1933 gegründet wurde und schließlich doch noch schaft. Also: Investieren Sie zwei Euro, setzen Sie sich mit offenen den Siegeszug der sinfonischen Musik antreten konnte, zu hören Ohren und offenen Augen in den Zug, und fahren Sie einmal auf – und um mit den Musikern Karten zu spielen. Das Orchester (das kultureller Mission quer durch Luxemburg – es lohnt sich!

Tipps, Infos & Adressen

Wichtige Reiseinformationen rund um einen Besuch in Luxemburg Stadt, empfohlen von Cathy Krier.

Das umfangreiche Programm der Luxemburger Philharmonie (www.philharmonie.lu) bietet für jeden Luxemburg-Besucher etwas: Neben hochkarätigen Klassik-Konzerten gibt᾽s auch Jazz und Weltmusik-Konzerte. Statten Sie vor dem Konzertbesuch unbedingt dem MUDAM (www.mudam.lu) einen Besuch ab, rät Cathy Krier: „Das Museum für zeitgenössische Kunst Luxemburg hat immer sehr interessante Ausstellungen und die Architektur des Gebäudes ist faszinierend. Hier spürt man die Energie und Dynamik, die der Luxemburger Kulturszene entspringt.“ Die Pianistin empfiehlt außerdem das Festival International Echternach (echternachfestival.lu): „Dieses Festival hat die musikalischen Erinnerungen meiner Kindheit geprägt.“ Ebenfalls lohnenswert: Das Festival de Wiltz (www.festivalwiltz.lu) mit beeindruckender Amphitheater-Kulisse.

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Wo übernachten? Direkt im Zentrum von Luxemburg liegt das Hotel Simoncini (6, Rue de Notre Dame, www.hotelsimoncini.lu): für KulturInteressierte der ideale Ausgangspunkt einer Luxemburg-Reise, denn zum Hotel gehört eine Kunstgalerie, die man sich unbedingt anschauen sollte, bevor man sich ins Kultur-Getümmel der Stadt stürzt. Die großen Zimmer sind relativ schlicht gehalten, aber die Kunstwerke aus den Bereichen Lyrik, Graphik, Malerei und Bildhauerei setzen sich auf den sechs Etagen des Hotels fort, wobei zusätzlich auch direkte Verbindungswege zwischen dem Hotel und der Galerie bestehen – das macht die Hotelübernachtung zum Galeriebesuch.

Essen In Luxemburg kann man vielfältig und gut essen (der Einfluss der französischen Nachbarn ist unverkennbar!). Cathy Krier empfiehlt einen Besuch in ihrem Lieblingscafé Konrad Café & Bar (7, Rue du Nord): „Ein toller Ort, um Zeit zu verbringen, eine Kleinigkeit zu essen, mit Freunden zu plaudern“, und abends nach dem Konzert einen Abstecher ins Ristorante Dal Notaro (149, Rue de la Tour Jacob, www.notaro.lu): „Tolle Pasta, gute Weine. Tolles Lokal!“

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Fotos: Christian Aschman/Mudam; Hotel Simoncini; Ristorante dal Notaro; Rémi Villaggi

Konzerte & Festivals:


für globetrotter Die internationalen Termine für März bis Mai 2014 Amsterdam

Termine

Termine

20.3. Ein Abend für Filmmusik-Freunde steht im berühm-

ten Royal Concertgebouw in Amsterdam an: Die Holland Symfonia spielt unter der Leitung von Charles Floyd die Filmmusiken zu unter anderem Schindlers Liste und Star Wars (John Williams), Fluch der Karibik (Klaus Badelt), Die fabelhafte Welt der Amélie (Yann Tiersen) und dem Klassiker Amarcord mit der legendären Filmmusik von Nino Rota. Mit dabei ist die holländische Harfenistin Lavinia Meijer, die Stücke von Ludovico Einaudi beisteuert, die sie jüngst auch als Album herausbrachte. Tickets unter www. concertgebouw.nl

Zürich

26.3. Die schöne Widmung, die Ludwig van Beethoven dem Erzbischof Ru-

dolf schrieb, soll auch für das Publikum gelten: „Von Herzen – möge es wieder zu Herzen gehen“. Der Komponist meinte damit eines seiner beeindruckendsten Vokalwerke: Die Missa Solemnis kommt in Zürich unter Bernhard Haitink zur Aufführung, der hier schon in den letzten zwei Jahren gemeinsam mit dem Tonhalle Orchester Zürich Konzerte mit BeethovenRepertoire gestaltet hat. Die Solopartien singen Ricarda Merbeth, Bernarda Fink, Werner Güra und Christof Fischesser. Weitere Infos und Tickets unter www.tonhalle-orchester.ch

London

7.4. Dieses Konzert in der Londoner Wigmore Hall hat gleich drei Beson-

derheiten: Erstens ist es mit Geigenstar Joshua Bell, Jazz-Größe Henning Kraggerud, der Bratscherin Rachel Roberts, dem Cellisten Steven Isserlis und Pianist Dénes Várjon in hochspannender Kombination besetzt. Zweitens ist das Programm mit Werken von Suk, Janáček, Kodály und Elgar vom Solo bis zum Klavierquintett ausgesprochen abwechslungsreich. Und drittens gibt es bei diesem Konzert der sogenannten „Chamber Zone“ kostenlose Tickets für alle Besucher im Alter zwischen 8 und 25 Jahren! Weitere Infos unter www.wigmore-hall.org.uk

Oslo

7.5. Wer einen Besuch der norwegischen Hauptstadt plant, sollte sich die-

sen Abend im Konzerthaus nicht entgehen lassen: Das Oslo Philharmonic Orchestra spielt die Alpensinfonie von Richard Strauss, der in diesem Jahr seinen 150. Geburtstag feiert. Es ist geniale Musik, die die Natur plastisch beschreibt: steile Hänge, Wasserfälle, Blumenwiesen und Gletscher, ein Gewitter und schießlich ein atemberaubender Sonnenuntergang. Am Pult steht bei diesem Sinfoniekonzert der Russe Vasily Petrenko, der seit der Saison 2013/2014 Chefdirigent des Orchesters ist. Karten gibt es unter www.konserthus.no

Hoteltipp

50 Jahre – drei Generationen

Foto: Blaha

Im Zillertaler Hotel Theresa wird nicht nur die Tradition großgeschrieben.

Etwa eineinhalb Stunden von München entfernt tauchen wir ein in die berühmte Bergwelt des Zillertals und besuchen das Hotel Theresa. „Herzlich willkommen, mein Name ist Theresa Egger“ begrüßt uns die Junior-Chefin, die ihren Namen dem Familienhotel verdankt und als gelernte Sommeliere den Weinkeller verantwortet. Ihre Mutter, Theresia Egger, hat in den letzten 50 Jahren die einfache Pension für Bergwanderer und Wintersportler in ein luxuriöses 4-Sterne Superior-Hotel verwandelt. Inzwischen betreuen drei Egger-Generationen die Gäste, deren Anliegen sozusagen immer „Chefsache“ sind. Diese Wertschätzung und das heimelige Gefühl, „daheim zu sein“, genießen die Gäste spürbar. Viele kommen seit Jahren und lassen sich verwöhnen, zum Bei-

spiel im Spa-Bereich, der auf 3000 Quadratmetern und mit großzügigem Freiluftbereich ausgebaut wurde – für gerade mal 130 Gäste. Küchenchef Stephan Egger kredenzt eine naturbelassene Wellnessküche mit vorwiegend Bio-Produkten aus der Region. Nun bietet der diplomierte Diätkoch „metabolic balance®“Urlaub: Auf Basis einer Blutanalyse kombiniert er einen individuellen Ernährungsplan, Bewegungsprogramm und spezielle WellnessBehandlungen zu einem sehr angenehmen und nachhaltigen Abnehmerlebnis. Preis im DZ inkl. Wellness-Genießerpension, WLAN, Spa, Kinderbetreuung, pro Person ab 140 Euro Infos: www.theresa.at, Tel. +43-(0)-5282-22860 93


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John AXELRODS Weinkolumne

Wein Online Auch unser Kolumnist stellt sich noch dem Schwerpunktthema „Klassik im Netz“ und erklärt, warum der Wein ebenfalls schon ins Internet abgewandert ist. Es gab ja Zeiten, da war das reine Anfassen einer Vinyl-LP ein spiritueller Moment. Diese quadratische Hülle mit unseren Idolen vorne drauf wurde als Wanddekoration genutzt – man verband damit Erinnerungen und hatte seine eigene Sammlung. Heute ist alles anders. Auch wenn die LP als Reaktion auf die digitale Revolution ein kleines Comeback feiert, ist die Musik aus dem Internet zur wichtigsten Verkaufsfläche geworden – sowohl für Songs als auch für Filme. Als Dirigent nutze ich iTunes, Amazon und YouTube – um selbst Songs zu hören und auch, um mich zu informieren. Ganz ehrlich, erst durch youtube kann ich eine viel größere Anzahl von historischen und zeitgenössischen Stücken von einer Brahms-Sinfonie beispielsweise (auch meiner eigenen Aufnahme) hören und vergleichen als zu Zeiten, in denen man in einen Plattenladen gehen musste. Wie sollte das auch gehen? Nur besteht eben der signifikante Unterschied darin, dass man im virtuellen Musikladen nichts anfassen kann (außer die Maus des Computers). Der Sinn und Zweck von Musik aber ist doch, dass es ein Zusammenspiel von Interaktion und Gefühlen gibt. Wenn das wegfällt, fällt für mich auch ein wichtiger Bestandteil der Musik weg. Aber es ist die Realität jetzt, und es ist – im Zeitalter des Internets – das, was wir wollen. Um jetzt zum Wein überzuleiten: Im Weinbusiness gibt es ebenfalls eine digitale Revo-

allem bei den Jüngeren ist es im Moment ganz hip, eben nicht immer einen Bordeaux zu einer Dinner Party mitzubringen.“ Der größte Internetweinhändler in den USA ist www.wine.com. In Europa ist dies www. chateauonline.com. Und in Deutschland ist www.hawesko.de der mit der größten Reputation. In China versucht www.yesmywine. com gerade, den Markt mit dem größten Potential zu besetzen und dort „echte“ Weine anzubieten, denn die meisten Weine in den chinesischen Shops sind Fälschungen. Wie Musik ist auch Wein sehr subjektiv, vor allem, wenn man über den Geschmack redet. Manche lieben Schönberg, manche denken, seine Musik ist nur was für Kenner. Man sollte niemals irgendwelchen Charts oder landet, ist es – Gott sei Dank – noch nicht Statistiken trauen. Nur weil ein Wein im möglich, Trauben in Algorithmen zu ver- Internet sehr erfolgreich verkauft wird, heißt wandeln. Allerdings lässt sich Wein sehr gut das noch lange nicht, dass er sehr gut ist. Ich online kaufen, was schon der erste Schritt des empfehle immer, erst einmal einen Wein zu Weines im Zeitalter der digitalen Revolution bestellen, den man kennt. Einfach, um ist. Während der Verkauf in den USA auf- sicherzugehen, auch das zu bekommen, was grund von verschiedenen Vorschriften noch man bestellt hatte. Und sehr bald werden Sie sehr limitiert ist, sind es vor allem die Web- feststellen, dass Wein, den man im Internet seiten von Spezialisten, die hier eine Nische bestellt hat, sehr wohl genauso gut ist wie im Onlinehandel besetzen. Es sind kleine Musik, die man über das Internet hört. Mit feine Anbieter, die mit guten Weingütern einem Unterschied allerdings: Die Lautsprecher eines Computers oder die Kopfhörer vernetzt sind – und das vor allem in der EU. Audrey Bouttier, der für die europäischen eines iPods geben nicht immer den vollen Aktivitäten des Weinhändlers www.slurp. Sound wieder. Bei unserem Geschmackssinn co.uk verantwortlich ist, sagt: „Wir versuchen ist das anders: Der funktioniert auch bei manches ein wenig anders zu machen. Vor einem online bestellten Wein. n lution! Bei Wein, denken Sie? Wenn es irgendetwas gibt, was mit direktem Fühlen zu tun hat, dann ist es doch der Wein! Ich finde, eine Flasche Wein in der Hand zu halten, ist wie eine Vinyl-Platte zu halten: ein spiritueller Moment. Weinflaschen werden heutzutage gehandelt wie historische Aufnahmen. Und solche Weine werden genauso sensibel archiviert und gelagert wie LPs. Während die digitale Form von Musik unaufhaltsam auf unseren iPods und Smartphones

„Weine werden so sensibel gelagert wie LPs.“

John Axelrod ist erster Dirigent des Orchestra Sinfonica di Milano „Giuseppe Verdi“. Nebenbei schreibt er Bücher („Wie großartige Musik entsteht ... oder auch nicht. Ansichten eines Dirigenten“) und philosophiert über sein Lieblingshobby: guten Wein. John Axelrods neue CD „Brahms Beloved“ mit dem Orchestra Sinfonica di Milano Giuseppe Verdi ist gerade erschienen. 94

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»Ich lese crescendo« Jan Vogler, Cellist

Abonnieren Sie die schönsten Seiten der Klassik für nur 49,90 EUR*: sechs Ausgaben crescendo + Festspiel-Guide + Geschenk-CD Geschenk-CD: „Heimliche Aufforderung“ Richard Strauss Lieder – Christiane Karg, Malcolm Martineau (Berlin Classics)

Sie möchten die nächste Ausgabe gratis testen? Geben Sie uns 10 Tage nach Erhalt des Heftes keine gegenteilige Nachricht, sind Sie mit der regelmäßigen Weiterbelieferung* einverstanden. In diesem Fall erhalten Sie kostenlos die Geschenk-CD.

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Schöner Aufbewahren Klar, Musik-Download ist populär, aber die CD hat noch lange nicht ausgedient. Wir haben die schönsten Regale für Ihre Sammlung gesichtet.

Asiastyle

reditum

CD-Halter „Der Goliath-Cubus“

CD-Regal „moveo.20.60“

Klein aber fein: Der CD-Halter „Der Goliath-Cubus“ fasst zwar keine große CD-Sammlung, bietet dafür aber die Möglichkeit, einige ausgewählte Platten direkt auf dem Schreibtisch zu platzieren, und sieht dabei auch noch lustig aus! Für CD-Besitzer, die ihre Lieblingsmusik immer griffbereit haben wollen!

z. B. über www.asiastyle.de, 36,90 €

„Möbel mit Vorleben“ gibt es bei reditum: Hier werden aus gebrauchten Gegenständen von Hand neue Möbel zusammengebaut. Das Regal „moveo“ zum Beispiel besteht aus Einwegpaletten und Fahrradschläuchen, mit denen man einzelne Module auch miteinander verbinden kann. Produziert werden die Möbel übrigens in sozialen Werkstätten. Für Liebhaber ungewöhnlicher Materialien.

www.reditum.de, 64 € pro Modul, 20 x 60 x 17,5 cm

Das kleine b

CD-Regal „(b)cd“ KARE Design

Wer bitteschön hatte behauptet, dass Regale eckig sein müssen? In diesem kreativen Exemplar aus Stahlblech und Spanplatte können Sie laut Hersteller bis zu 150 CDs aufbewahren und haben außerdem einen echten Hingucker im Wohnzimmer. Für Design-Fans, die ihre Wohnung preiswert aufpeppen wollen!

Auf geradezu zauberhafte Weise präsentiert werden Ihre CDs in diesem Regal aus der Hamburger Möbelmanufaktur „Das kleine b“: Der Holzrahmen, der die Platten trägt, scheint vor der Wand zu schweben! Die Befestigung sieht man nur, wenn das Regal leer ist. Aus Rahmen in drei verschiedenen Größen lässt sich für jedes Wohnzimmer das richtige Regal zusammenstellen. Für Freunde innovativer Einrichtungsideen, die ihre Besucher gerne zum Staunen bringen!

www.kare-design.de, 85 € (Abholpreis), 75 x 75 x 13 cm

www.daskleineb.de, ab 89 €

Wandregal „Snail“

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Moormann

„Musikstapler“

Kristalia

CD-Schrank „Music Box“ Sie haben es satt, Ihre CD-Sammlung ständig mit dem Staubwedel bearbeiten zu müssen? Dann ist dieser CD-Schrank das Richtige für Sie: Hier finden über 500 CDs ein staubfreies Zuhause und bleiben trotzdem immer griffbereit! Für Besitzer vieler CDs, die ihre Sammlung sicher und ordentlich verwahrt wissen wollen!

z. B. über www.cairo.de, ca. 1000 €, 190 x 65 x 20 cm

LOWKON

Regal ­„Sigmarail“ An Ihrer Wand ist kein Platz mehr für ein CD-Regal? Dann bewahren Sie Ihre Sammlung doch in diesem drehbaren CD-Ständer auf! Auf wenig Platz können so viele CDs übersichtlich aufbewahrt werden. Die Anzahl der jeweils etwa 60 CDs fassenden Etagen ist flexibel, so dass sich das Regal bei Bedarf problemlos erweitern lässt. Für Besitzer vieler CDs – mit kleiner Wohnung!

Garantiert zum Tischgespräch wird Ihre Musik, wenn Sie dieses Regal an Ihrer Wand montieren: Hier werden die CD-Cover zur kreativen Wandgestaltung. Wahlweise fünf oder sieben CDs können in einer Schiene nebeneinander untergebracht werden, die Schienen gibt es einzeln oder im Set zu kaufen. Für alle, die sich nicht nur akustisch, sondern auch optisch an ihren CDs erfreuen wollen!

www.designathome.de, ab 361 €, 40,5 x 33 x 33 cm (kleinste Höhe)

www.lowkon.com, 42 € / 54 € pro Schiene

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H o p e

t r i f f t . . .

Geiger & crescendo Kolumnist DANIEL HOPE

„...Sie selbst müssen zufrieden sein“ Alice Herz-Sommer, die durch ihre Konzerte im Konzentrationslager Theresienstadt weltweite Berühmtheit erlangte, ist im Alter von 110 Jahren gestorben. Unser Kolumnist hatte die Pianistin im Frühjahr 2012 in ihrer Wohnung besucht und interviewt. Eine Erinnerung. Daniel Hope und Alice Herz-Sommer 2012 in London.

reicher. Wenn sich Leute über Blödsinn beklagen, was haben die eine Ahnung! Ich habe meine Geige dabei. Darf ich etwas für Sie spielen? Na, das wäre herrlich!

Rückblickend gehört meine Begegnung mit Alice Herz-Sommer in ihrer Wohnung in London zu den prägendsten Erlebnissen meines Lebens. Wir hatten mit der Bayerischen Akademie der Schönen Künste damals jenen Film über die Musik in Theresienstadt gedreht und dazu sowohl Coco Schumann (Jahrgang 1924) als auch Alice Herz-Sommer (Jahrgang 1903) interviewt. Hier sind einige Passagen im Original. Frau Herz-Sommer, können Sie beschreiben, wie das war, mit der Musik in Theresienstadt? Die Frage wurde mir oft gestellt und ich antworte immer: Ich für meine Person, ich war ganz jung und die Zuhörer in diesen 98

Alice Herz-Sommer wünschte sich ein Stück von Johann Sebastian Bach. Ich habe ihr die Sarabande aus der d-Moll-Partita vorgespielt, die sie natürlich kannte. Es ist etwas besonderes, einer Frau wie Alice Herz-Sommer vorzuspielen. Foto: privat

Ich bin gerade von der Bühne eines Konzertes im Festspielhaus Baden-Baden gekommen, als ich vom Tod Alice Herz-Sommers erfuhr. Just an diesem Tag wurde unser Film über Theresienstadt – zufällig – von der jüdischen Gemeinde in Stockholm vorgeführt. Ich habe sofort Anne Sofie von Otter angerufen, die bei der Vorführung in der schwedischen Hauptstadt vor Ort war. Konzerten, das waren alte, fürchterlich kranke, am Ende ihres Lebens stehende Menschen und doch sind sie zu diesen Konzerten gekommen. Denn es war das Einzige, wofür sie gelebt haben. Wie oft gab es diese Konzerte? Jeden Abend! Jeden Abend? Ja, für uns Spielende war das göttlich. Gewusst zu haben: Heute Abend spielst du, so ist es. Ein Wort vor Gott – an den ich nicht glaube! Welche Lehre für das Leben zieht man aus einer solchen Erfahrung im Konzentrationslager? Wissen Sie, es klingt vielleicht eigenartig, aber so eine schwere Zeit macht einen

Sie haben einmal gesagt: „Sogar in der dunkelsten Ecke der Erde nahm uns die Musik unsere Angst und erinnerte uns an die Schönheit der Welt.“ Ja, und es ist genau so. Wissen Sie, der Höhepunkt des Glückes ist meiner Ansicht nach die Zufriedenheit mit sich selbst. Sie sind ein Geiger. Wenn Sie zufrieden sind, so ist es etwas. Sie selbst müssen zufrieden sein mit Ihrem Spiel und nicht die Anderen. Habe ich Recht? Absolut. Und das ist das Glück in unserem Leben. Nur das. Nicht andere Menschen, gar nichts. Das ist es. Die Zufriedenheit. n www.crescendo.de

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© Kent Nagano / Benjamin Ealovega

© Cameron Carpenter / Heiko Laschitzki

25.06 – 28.07

© Piotr Beczala / Anja Frers / DG

2014

Alle Informationen über die Audi Sommerkonzerte 2014 unter: www.sommerkonzerte.de

Audi ArtExperience


THE DECCA SOUND MAX EMANUEL CENCIC ROKOKO

VALENTINA LISITSA CHASING PIANOS

Der gefeierte Countertenor singt Arien von Johann Adolf Hasse – brillant zwischen verinnerlichtem Lyrismus und atemberaubender Virtuosität.

Valentina Lisitsa spielt Klaviermusik von Michael Nyman. Inklusive aller zehn Transkriptionen für Solo-Klavier aus dem Film „The Piano“

LEONIDAS KAVAKOS & YUJA WANG BRAHMS THE VIOLIN SONATAS

PUMEZA VOICE OF HOPE

Leonidas Kavakos präsentiert nach seiner preisgekrönten Einspielung von Brahms' Violinkonzert nun die Sonaten für Violine und Klavier. An seiner Seite: die chinesische Star-Pianistin Yuja Wang.

Aus den Townships in Südafrika auf die großen Opernbühnen Europas. Ein Debüt mit großen Opernhits und traditionellen südafrikanischen Songs in Xhosa.

JONAS KAUFMANN GOUNOD: FAUST

CECILIA BARTOLI ROSSINI: LE COMTE ORY

Mit dem „MET–Superstar“ (New York Times) Jonas Kaufmann in der Titelrolle, René Pape und Marina Poplavskaya unter Yannick Nézet-Séguin.

Cecilia Bartoli als Gräfin Adèle in Moshe Leiser und Patrice Cauriers spektakulärer Inszenierung aus dem Opernhaus Zürich. Mit dem Orchestra La Scintilla unter Muhai Tang.

www.klassikakzente.de


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