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B47837 Jahrgang 9 – 04/2006

Juni 2006 www.crescendo-magazin.de

Der Verriss Deutschlands beste Kritiker Katharina Wagner

Ist das Publikum sadomasochistisch? Klassik im Stadion

Schlachtgesänge und Hochkultur

plus regional MDR MUSIKSOMMER Sachsen/Sachsen-Anhalt/Thüringen 1. Juli bis 3. September 2006

DREILÄNDEREINKLANG

„Treffen mit Mozart” und neue Konzertreihe „Gartenträume”


� Photo: Decca/Johannes Ifkovits

JUAN DIEGO FLOREZ ´

Sentimiento Latino

475 757-6

Erstmals mit lateinamerikanischem Album! “Ich bin mit Marineras, Boleros, Rancheras und Tangos groß geworden, diese Musik lag immer in der Luft. Deshalb war es für mich eine unermessliche Freude, diese CD Juan Diego Flórez aufzunehmen!” “Der Tenor auf den die Welt gewartet hat”

Frankfurter Allgemeine Zeitung

JUAN DIEGO FLÓREZ IN DEUTSCHLAND 2006:

AB SOFORT IM HANDEL!

01./04./06.10. Berlin · 09.10. Baden-Baden · 12.10. Hamburg · 15.10. Frankfurt Tickethotline*: 01805-570000 (0,12€/Min.) (für alle Termine außer Berlin*) Hören Sie rein auf www.klassikakzente.de!

Wöchentlich top-aktuell: Klassik-News, CD-Neuerscheinungen, Konzert- und TV-Daten und vieles mehr


Gestern bin ich bei einem Werbespot hängen geblieben: ein weinender Manager, ein jubelnder Fettsack. Strahlende, kreischende, hysterische, jammernde, tobende, niedergeschmetterte Menschen. Im Hintergrund eine Stimme. Maria Callas! Werbung verkauft mit Gefühlen. Und dafür braucht sie die Kunst der Emotionen. Das Multimedium Musik. Klassik ist keine Nischenkunst, kein schallender Elfenbeinturm. Klassik bewegt die Welt. Und dafür braucht sie keine Cross-Overs. Klassik verkörpert, wonach wir uns sehnen: die ganz großen, existenziellen und wahrhaftigen Gefühle. Ein guter Opern- oder Konzertabend verändert den Besucher. Und manchmal schafft die Klassik es sogar, die Welt zu verändern. Darum geht es in Ihrem neuen crescendo. Warum pilgern Politiker nach Bayreuth? – Katharina Wagner antwortet. Warum ist Hans Werner Henze in den 68ern geflohen? – Ein Gespräch mit seinem Lebenspartner. Dmitri Schostakowitsch komponierte gegen Stalin. Und wie geht die Kritik mit all dem um? Stimmen Sie ab! Der TV-Spot hat übrigens für die WM und den Pay-TV-Sender „arena“ geworben. Frei nach dem Motto: Kick it with Klassik! Dieses crescendo ist neu. Neu ist auch unser Konzept für die premium-CD (Seite 11). Auf ihr hören Sie die Musik zu unseren Artikeln: Schostakowitsch, Henze, Wagner, etc. Fussball-Fan Rolando Villazón schmettert exklusiv für Sie die mexikanische Nationalhymne. Wenn Sie Ihr Leben verändern wollen, werden Sie premium-Kunde und bestellen Ihr Klassik-Magazin zum Hören. Axel Brüggemann

inhalt

Katharina Wagner 4 Bayreuths Kronprinzessin über das Regietheater 6 Kritiker Titel: Wählen Sie Deutschlands besten Rezensenten Schostakowitsch 8 Wie der Komponist Noten gegen Stalin schrieb 11 premium Wie Sie ganz einfach an die CD zu crescendo kommen 13 rezensionen Anne-Sophie Mutter erklärt die Musik luxemburg 18 Das Kinder-Projekt der neuen Philharmonie 19 Fußball Warum die besten Chöre in den Stadien singen Hans Werner Henze 20 Exklusiv: Sein Lebenspartner über den Komponisten 24 Hans-Joachim Frey Warum die Stadttheater in der Krise stecken HiFi 26 DVD für die Jackentasche 29 Reise Wie Musik Inseln belebt Regional 30 Wahnsinn und Musik 34 lieto fine Callas oder Netrebko? Impressum

WAGNERFESTSPIELE

Kick it with Klassik!

DER RING DES NIBELUNGEN

crescendo 04 2006 3 | editorial

OKTOBER 2006 JAHRHUNDERTHALLE / BRESLAU / POLEN PREMIERE GÖT TE R DÄM M E R U N G

23., 24.06.2006

DA S R H E I N G O LD D I E WA LKÜ R E S I E GF R I E D GÖT TE R DÄM M E R U N G

06.10.2006 07.10.2006 13.10.2006 15.10.2006

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Blond gefärbt und gar nicht blöde: Katharina Wagner in der Deutschen Oper Berlin.

Ist

sado

Foto: Bernd Uhlig

Katharina Wagner ist Kronprinzessin der Bayreuther Festspiele. Die Urenkelin des Komponisten wird in einem Jahr ihr Debüt auf dem Grünen Hügel geben – mit den „Meistersingern“. Sie hat sich inzwischen mit Inszenierungen an kleinen und mittleren Häusern auf den Ernstfall vorbereitet. Ein Gespräch über die Bedeutung der Oper. crescendo: Frau Wagner, für normale Menschen ist die Oper eine geheimnisvolle Gefühlsmaschine. Sie sind in der bekanntesten Oper der Welt aufgewachsen. Das Bayreuther Festspielhaus war Ihr Spielzimmer. Sind Sie anders als wir? Katharina Wagner: Auf der einen Seite sicherlich. Oper war für mich immer normal und profan. Die Bühne war mein Spielplatz, die Sänger unsere Gäste am Abendbrottisch. Aber das ist nur die Welt hinter den Kulissen. Als Zuschauer kann ich mich vollkommen auf die Oper einlassen. So wie jeder andere auch. In der Oper fühle ich mich wie bei einem Zauberer – man weiß, dass er nicht zaubert, sondern nur Tricks zeigt. Aber man will seine Tricks unter keinen Umständen kennen. Diesen Vergleich hat schon der Philosoph Slavoj Žižek gemacht. Der Komponist Wolfgang Rihm fordert, dass die Oper ihre Illusionen aufgeben und den Betrug sichtbar machen sollte... Wagner: ... Es ist doch klar, dass die Oper immer auf Illusionen basiert. Verändert hat sich nicht die Oper, sondern die Bedeutung der Illusion im Alltag. Nehmen Sie „Lohengrin”. Der kam in der Uraufführung in einer silbernen Rüstung auf die Bühne. Zu Wagners Zeit war das ein gigantischer Effekt, weil der Gralsritter der hellste Punkt auf der mit Gas illuminierten Szene war. Heute würde dieser Auftritt einfach lächerlich wirken, weil sich in jeder Dorfdisko eine „Lohengrinkugel” dreht. Früher konnte das Theater Illusion leicht herstellen, inzwischen ist unsere Wirklichkeit die bessere Illusion geworden. Aber liegt nicht darin die Chance der Oper? Wagner: Wo die Wirklichkeit illusionärer ist als die Bühne, kann Theater eine andere Wirklichkeit vorstellen.


crescendo 04 2006 5 | interview

das Publikum

masochistisch? Bayreuths Thronfolgerin. Katharina Wagner wird die Festspiele übernehmen und will das Regietheater neu erfinden.

Sie meinen, es muss auf der Bühne um Wahrhaftigkeit statt um Wirklichkeit gehen? Wagner: Ja, weil früher die Imitation der Wirklichkeit schon als wahrhaftig verstanden wurde. Inzwischen wissen wir aber, dass die Wahrhaftigkeit eine übergeordnete Wirklichkeit jenseits der realen Dinge erahnen lässt. Gehen Sie doch einmal vor Weihnachten über den KuDamm in Berlin. Die Glühbirnen und die High-TechWerbung, die Sie da sehen, kann sich kein Theater der Welt mehr leisten. Uns bleibt gar nichts anderes übrig, als einen Gegenentwurf dazu auf die Bühne zu stellen. Wird die Oper damit zu einer Art Religion? Wagner: Auf jeden Fall thematisiert sie das Element des Transzendenten immer wieder. Eines der größten Themen der Oper ist die Liebe, auch sie ist transzendent. Selbst Gott ist ein Thema. Das Regietheater läuft derzeit in eine Sackgasse. Sie gehören einer neuen Regie-Generation an. Nach was suchen Sie konkret? Wagner: Ich glaube, dass es in Zukunft darum gehen wird, die Oper als Medium zu kultivieren, durch das wir miteinander über die Welt reden können. Deshalb sollte unsere Generation ihre Konzepte wieder aus den Stücken selbst entwickeln, aus der Musik und den Texten, statt ihnen krampfhaft eine Ideologie aufzupfropfen. Sie haben in Bayreuth an der Seite verschiedener Regisseure gearbeitet, von Ihrem eher konservativen Vater Wolfgang bis zum Bühnen-Provokateur Christoph Schlingensief... Wagner: ... und ich habe von beiden gelernt. Von meinem Vater die Genauigkeit des Handwerkes. Von Schlingensief die Offenheit des Konzeptes. Mich hat es damals wahnsinnig gemacht, als zwei Minuten vor der „Parsifal”-Premiere noch nichts festgezurrt war, keiner wusste, wie die Aufführung enden wird. Auf der anderen Seite bin ich seit dieser Produktion, die ich als Dramaturgin begleitet habe, viel geduldiger geworden. Schlingensief hat die Welt in Bayreuth zur Bühne erhoben: Er hat verschiedene Medien eingeladen, über Wagner, den Nationalsozialismus und das Innenleben der Festspiele geplaudert.

Wagner: Und sie haben alle darüber geschrieben! Aber ich glaube, dass die Bühne als Ausdrucksraum genügen sollte. Ich will den Zuschauern die Ideen nicht jenseits des Theaters in den Zeitungen vorkauen. Was ist der beliebteste handwerkliche Fehler, der in der Oper immer wieder gemacht wird? Wagner: Wenn die Sänger auf der Bühne wissen, wie die Oper zu Ende geht. Es kann nicht sein, dass „Otello“ im ersten Akt schon weiß, dass er sterben wird. Der Moment der Aufführung sollte ein Moment der Naivität sein. Sie haben sich schon als Kind gewundert, dass „Lohengrin” auf den Bayreuther Eintrittskarten steht – obwohl der Name des Erlösers ja eigentlich unbekannt sein soll. Wagner: Es ist doch klar, dass die Sänger die Oper kennen und ein Großteil des Publikums den Opernführer gelesen hat. Dennoch glaube ich fest daran, dass wenigstens die Möglichkeit bestehen muss, dass alles ganz anders kommt. Wagner wollte auch auf seine Zeit wirken. Kann die Oper das heute noch leisten? Wagner: Es geht vielleicht nicht mehr um die Gesellschaft als Ganzes, sondern um den einzelnen Zuschauer. Deshalb muss die Oper auch weiterhin mit Effekten spielen, mit Momenten, die uns berühren. Wenn ich „Sour Angelica” inszeniere, geht es mir nicht darum, eindeutige Antworten zu geben, das Stück ins Heute zu übersetzen, in den Frauenknast zu verlegen, sondern Fragen zu stellen – zum Beispiel: „Was ist das Paradies?” Opernregie sollte Bilderwelten finden, in denen wir uns auflösen können und bei uns sind. In sofern ist die Oper vielleicht doch eine Art Religion.

Katharina Wagner Die Tochter von Bayreuths Festspielleiter Wolfgang hat Chancen, neue Chefin auf dem „Grünen Hügel“ zu werden. Ihre ersten Regiearbeiten waren provokant. Den „Fliegenden Holländer“ erzählte sie als Geschichte im Prostituierten-Milieu und für Puccinis Erbstreit-Oper „Gianni Schicci“ persiflierte sie das Bayreuther Nachfolge-Gerangel.

Aber auch ein Stück Realpolitik. Bayreuth war schon immer ein Cat-Walk der Politiker. Wagner: Auch in Bayreuth repräsentieren Politiker nicht nur. Angela Merkel ist immer mehr als einen Tag da gewesen, ist interessiert, betreibt keine PausenPublicity, und wenn ich mit ihr über Inszenierungen rede, haben ihre Kommentare Hand und Fuß. Aber Frau Merkel ist doch eine Ausnahme, oder? Wagner: Wenn man in die Provinz schaut, kommen öffentliche Repräsentanten oft nur, wenn ein Spektakel auf dem Programm steht. Ich muss schon sagen, dass mich die Sparmaßnahmen an den deutschen Opernhäusern sorgen. Aber es ist eine Sache, um Subventionen zu kämpfen, eine andere, eine Inszenierung vernünftig über die Bühne zu kriegen. Etatstreichungen dürfen nicht als Entschuldigung für schlechte Arbeit dienen. Ich verstehe die Menschen nicht, die sich dauernd Premierenkarten kaufen und dann immer über die schlechte Aufführung und die hohen Preise meckern. Warum wartet man nicht erst die Kritiken ab und kommt dann? Weil die Aufregung ein wichtiger Teil der Oper ist. Wagner: Aber das ist doch sadomasochistisch. Ist die Oper nicht per se sadomasochistisch? Wagner: Ich kann ja verstehen, wenn sich Menschen wieder nach konservativen Inszenierungen sehnen, im wahrsten Sinne Verismo mit Kerzen und Co. wollen. Das ist die Sehnsucht nach der guten alten Zeit, in der es kein Handy und keine Autos gab. Sie werden in Bayreuth mit den „Meistersingern” debütieren. Haben Sie Ihr Konzept schon fertig? Wagner: Ja, aber ich will nicht zu viel verraten. Ich glaube nicht, dass die „Meistersinger” eine Oper sind, in der Raum und Zeit einheitlich sind. Ich verstehe auch nicht, wie man sie einfach als „komische Oper“ bezeichnen kann. Mir hat der Schlussmonolog von Hans Sachs sehr viel Kopfzerbrechen bereitet. Er gehört nicht in das Mittelalter, sondern ist ein tagesaktueller Kommentar, den Wagner geschrieben hat, weil seine Frau Cosima es so wollte. Das Gespräch führte Axel Brüggemann

Mehr Wagner auf der crescendo-premium-CD


Name ............. Stephan Mösch Medium .......... Die Opernwelt Bester Satz.... Oper ist immer Musik, wenn schon nicht der, so doch für die Gegenwart. Stil ................... Leistet sich den Blick von oben. Ausgeruhter Journalismus. Einige Abstecher in die Tagespresse.

Name ............. Hans-Klaus Jungheinrich Medium .......... Frankfurter Rundschau Bester Satz.... Ich fuhr als musikjournalistischer Anfänger durch halb Europa. In französischen Dörfern gab es drohend entgegengestreckte Fäuste. Stil ................... Rezensionen wie Romane. Experte für Neue Musik und Innenanschauungen.

Name ............. Claus Spahn Medium .......... Die Zeit Bester Satz.... Der Dirigent Pierre Boulez gestaltet Musik nur mit den Unterarmen, den Handwurzelgelenken und den Fingern. Stil ................... Liebt die klassische Rezension, denkt eine Woche – und manchmal liest man das auch. Guter Großinterviewer.

Name ............. Klaus Umbach Medium .......... Der Spiegel Bester Satz.... Bösendorfer – der Bordeaux unter den Stradivaris. Stil ................... War Meinungsmacher der Musik, schrieb Lang Lang hoch und bramabasiert mit wagnerhafter Wollust. Ging in Ruhestand. Sein Posten ist vakant.

Name ............. Christine Lemke-Matwey Medium .......... Der Tagesspiegel / Die Zeit Bester Satz.... Vorhang. Sehr rasch. Gut so. Stil ................... Schreibt lieber über Häppchen auf der Premierenfeier als über die Premiere. Wollte dem Schreiben einmal als Regisseurin entfliehen – musste aber zurückkehren.

Kritik der

Populäre Klassik-Vermittlung oder Elfenbeinturm? Was will das Feuilleton? crescendo stellt Deutschlands Großkritiker vor – und Sie wählen, wer der beste ist. „Heute findet jede Zeitung größere Verbreitung durch Musikkritiker“ – der alte Satz aus Georg Kreislers Spottlied über die Musikkritik scheint längst nicht mehr zuzutreffen. In den letzten Jahren ist der Anteil der klassischen Musikberichterstattung in den deutschen Feuilletons kontinuierlich geschrumpft: Rezensionen gibt es fast ausschließlich zu überregionalen Events, Klassik-Essays und ausführliche Interviews mit Künstlern sind selten geworden. Aber es gibt sie noch: die Musikkritiker. Sie versuchen in einem Alltag, in dem Kino, Pop und Literatur zum Mittelpunkt der Kulturberichterstattung geworden sind, ganz unterschiedlich, Worte über die Musik für ihre Zeitungen zu finden. Musikkritiker haben einen schlechten Ruf. In seinem galliggiftigen Lied stellt Georg Kreisler die Faustregel des Kritikers auf: „Aber ich weiß sehr gut, was Kritik ist: Je schlechter, umso mehr freu‘n sich die Leut. Es gehört zu meinen Pflichten, Schönes zu vernichten als Musikkritiker. Sollt ich etwas Schönes finden, muss ich‘s unterbinden als Musikkritiker.“ Stimmt es, dass Kritiker ihr eigenes Ego am besten durch Verrisse in Szene setzen? Ist es richtig, dass sich nichts besser unter die Leute bringen lässt als ein Abgesang? Und welche Rolle spielt die Kompetenz? Die deutsche Musikkritik beschreitet unterschiedliche Wege, um Klassik ins Gespräch zu bringen. Die Feuilletons überregionaler Tageszeitungen haben sich in den letzten Jahren kontinuierich von Rezensionen

Stimmen Sie mit! Wer ist Deutschlands Klassik-Papst? Der Reich-Ranicki der Musik? Bestimmen Sie mit! Wir haben eine ExpertenJury aus Intendanten und Vertretern der Plattenindustrie eingeladen, und wir laden Sie, unsere Leser, ein. Und so einfach geht es: Schreiben Sie den Namen Ihres Favoriten auf eine Postkarte, die Sie an „Port Media GmbH, Team crescendo, Senefelderstraße 14, 80336 München“


crescendo 04 2006 7 | umfrage Name ............. Manuel Brug Medium .......... Die Welt Bester Satz.... Deutsche lieben Pandas. Lang Lang ist klein, rund und knuddelig. Die Deutschen lieben ihn. Stil ................... Pflegt einen Champagnerstil. Sticht mit dem Florett tiefe Wunden. Autor von Sänger- und Regie-Lexika.

reinen Kritik

schicken, senden Sie ein Fax an 089-74150911, oder wählen Sie direkt auf unserer Internetseite unter www.crescendo-magazin.de Einsendeschluss ist der 15. Juni. Unter allen Mitspielern verlosen wir 20 Klassik-CDs. In der nächsten Ausgabe stellen wir Ihnen die Gewinner der Leser-Abstimmung und der Experten-Jury vor.

Name ............. Eleonore Büning Medium .......... Frankfurter Allgemeine Bester Satz.... Opernschaffende selber haben das Vertrauen in die Gattung verloren. Stil ................... Edelfeder! Verwandelt Rezensionen in bodenständige Geschichten. Feindin der Berliner Opernstiftung. Liebling von Reich-Ranicki.

Grafiken: Ahmad Alsharaa

verabschiedet. Gegen den Trend schreibt „Die Zeit“ an, die ausgeruhte Premierenberichte – meist im Wechsel mit ausführlichen Künstler-Interviews – abdruckt. Auch „Welt“ und „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ unternehmen noch Ausflüge in die sogenannten Provinzen. Die „Süddeutsche Zeitung“ hat diese Art der Berichterstattung fast vollends gestrichen. Wohl auch, weil man den Glauben verloren hat, dass eine Opernpremiere in Bielefeld den Leser in München interessieren würde. Diese Tendenz hat kulturpolitische Dimensionen: Stadttheater spielen im überregionalen Feuilleton keine Rolle mehr und müssen sich wieder auf ihre Kernkompetenz konzentrieren: die Vermittlung der Klassik vor Ort. In den deutschen Massenmedien, sowohl im Fernsehen als auch in den überregionalen Magazinen wie „Spiegel“ oder „Stern“, findet Klassik nur noch dann statt, wenn es um Skandale oder Events geht, um Anna Netrebko oder Lang Lang. Das ist umso erstaunlicher, da sich die Klassik längst aus der Krise befreit hat, Opern- und Konzerthäuser erfolgreich ein neues Publikum gewinnen und Kultur und Kunst im Zuge der Bildungs-Reform angeblich Priorität haben sollen. Doch in einer Gesellschaft der Individualisierung haben sich auch die Medien individualisiert. Klassik findet in hermetisch geschlossenen Elfenbeinturm-Zeitschriften statt. „Die Opernwelt“ ist das Zentralorgan der Singspielgemeinde, das „Fono Forum“ ein 50 Jahre altes Bollwerk der Plattensammler. Die Zeitschrift „Partituren“ bedient den bürgerlichen Normalkonsumenten. Es ist inzwischen Gang und Gäbe, dass Musikkritiker überregionaler Zeitungen den Raumverlust in ihren Blättern durch Artikel für Fachzeitschriften ausgleichen.

Name ............. Jürgen Kesting Medium .......... Frankfurter Allgemeine Bester Satz.... Anna Netrebko ist eine hinreißende Sängerin für Leute, die mit den Augen hören. Stil ................... Liebt Sängervergleiche mit historischen Einlassungen. Eine wandelnde, meinungsstarke CD-Sammlung.

Name ............. Joachim Kaiser Medium .......... Süddeutsche Zeitung Bester Satz.... Es ist zu viel Irak und zu wenig Streichquartett im Feuilleton. Stil ................... Der sogenannte „Klavier-Kaiser“ ist ein analytischer und weiser Mann. Hat viele Kontakte, großen Einfluss, ohne Aufhebens darum zu machen.

Name ............. Frieder Reininghaus Medium .......... taz, dlf Bester Satz.... Oper ist kein Verbrechen. Stil ................... Markenzeichen: Extra dry. Klug, kompetent, sachlich, genau. Im geschriebenen wie im gesprochenen Wort.

Name ............. Reinhard J. Brembeck Medium .......... Süddeutsche Zeitung Bester Satz.... Über Schlingensiefs „Parsifal“: Wer verstehen will, hat schnell verloren. Stil ................... Der introvertierte Kritiker, lautlos, unsichtbar, bescheiden.


schostakowitsch | 8 crescendo 04 2006

Schostakowitsch:

Noten aus Er sah aus wie ein biederer Beamter – aber sein Leben war spannender als ein „James Bond“-Roman. Von Nike Luber

Er wäre die Idealbesetzung für die Figur des Willy Loman in „Tod eines Handlungsreisenden“ gewesen: eine unauffällige, seriöse Erscheinung mit dicker Brille. Rein äußerlich alles andere als ein Erfolgsmensch, eher der Typ stiller Buchhalter. Doch bei dem ruhigen Herrn mit Brille handelt es sich um einen der größten Komponisten des 20. Jahrhunderts. In diesem Jahr, am 25. September, wäre Dmitri Schostakowitsch 150 Jahre alt geworden. Seine Werke zählen inzwischen zum Kernrepertoire, auch und gerade in seiner russischen Heimat. Ein Zustand, der den Komponisten vielleicht mit grimmiger Genugtuung erfüllen würde – immerhin hat er sein Vaterland geliebt und gehasst.

Die Sinfonien 5 und 6 sind unter Yuri Temirkanov bei Warner erschienen. Diese CD gibt es als Willkommensgeschenk für neue crescendo premium-Abonnenten.

Schostakowitschs unspektakuläre Erscheinung, die ihn davor bewahrt, hinter Anekdoten zu verschwinden wie „Wolferl“ Mozart, der ja dieses Jahr ebenfalls ausführlich gefeiert wird, verdeckt ein Leben, das in Wirklichkeit aufregender war als jeder „Bond“-Thriller. Lebensgefährlich spannend war das 20. Jahrhundert, das Jahrhundert der Extreme und der Diktatoren. Eu-ropa eingekeilt zwischen den Massenmördern Hitler und Stalin, in China Mao mit seinem „Großen Sprung nach vorn“, der Millionen Chinesen das Leben kostete. Keine Zeit, um in Ruhe an Noten zu feilen. Oder gerade die Zeit, um ausdrucksstarke Musik zu komponieren! 1906 wurde Schostakowitsch in St. Petersburg geboren, die Familie war musisch und politisch interessiert. Der Großvater des Komponisten, ein polnischer Revolutionär, der vom Zaren nach Sibirien verbannt wurde. Dmitri, in der Familie liebevoll Mitya genannt, wuchs mit Revolutionsliedern und Klavierunterricht auf. Im zaristischen Russland brodelte es: 1905 schoss am „Blutigen Sonntag“ die Armee in St. Petersburg friedliche Demonstranten zusammen, der folgende Aufstand wurde ebenfalls gewaltsam unterdrückt. Mitya, noch nicht einmal zwölf, schreibt während des Ersten Weltkriegs Klavierstücke wie „Hymne an die Freiheit“ oder „Trauermarsch zum Gedenken an die Opfer der Revolution“. 1919 nimmt er ein Klavier- und


crescendo 04 2006 9 | schostakowitsch

der Diktatur Kompositionsstudium am traditionsreichen Konservatorium in St. Petersburg auf. Nach der Oktoberrevolution 1917, dem verlustreichen Ende des Ersten Weltkrieges und mitten im Bürgerkrieg zwischen der Roten und der Weißen Armee, war der Winter in St. Petersburg kalt, die Wege lang, die wenigen Straßenbahnen überfüllt. Schostakowitsch schreibt später: „Die Jahre meines Studiums waren schwere Jahre. Ich erinnere mich an die kalten Klassenräume im ungeheizten Konservatoriumsgebäude, die kärglichen Lebensmittelrationen und die allgemeine Zerrüttung des Lebensablaufes in der Stadt. (...) Aber ungeachtet aller Schwierigkeiten erinnere ich mich an diese Zeit mit warmem Gefühl. Wir hörten viel gute Musik und spielten selbst viel.“ Schostakowitsch studierte bei Maximilian Steinberg, Leonid Nikolajew und Alexander Glasunow, der Kompositionsstudenten durch kritische Strenge in Angst und Schrecken versetzte. Allerdings längst nicht so sehr wie es später „Väterchen“ Stalin tun sollte.

Musikalischer Anfang in wirren Zeiten Die erste Sinfonie in f-Moll op. 10 ist Schostakowitschs Diplomarbeit – ein glänzender Erfolg. Sie hatte einen manischen Anfall von Selbstkritik des jungen Komponisten überlebt, der kurz nach Ende des Studiums 1925 viele seiner Kompositionen vernichtet hat, unter anderem die Oper „Die Zigeuner“ nach Versen von Puschkin. Später hat er diesen Anfall sehr bedauert. 1925 hatte er zunächst ein anderes Problem, wie alle jungen Komponisten überall auf der Welt: Womit verdiene ich meinen Lebensunterhalt? Schon während des Studiums ging der ernsthafte junge Mann regelmäßig ins Kino – um am Klavier die improvisierte Filmmusik beizusteuern. Kein Wunder, dass er später oft Filmmusik komponierte. Am Theater der Arbeiterjugend, in der mittlerweile zu Leningrad umgetauften Stadt, erhielt Schostakowitsch eine erste Anstellung als Komponist von Schauspielmusik. Noch herrschte Aufbruchstimmung, konnte sich Schostakowitsch mit den Neutönern Berg, Schönberg, Hindemith, den Expressionisten Krenek und Schreker, den Komponisten der Groupe des Six beschäftigen.

Früh zeigte sich Schostakowitschs Hang zur Satire. Von Gogol stammt die Textvorlage zur skurrilen Oper „Die Nase“, die sich über die russische Bürokratie lustig macht. Über seine heute bekannteste Oper, „Lady Macbeth von Mzensk“, schrieb Schostakowitsch 1932, es handele sich um eine „entlarvende Satire“. Entlarven wollte der Komponist eigentlich die bedrückenden Lebensumstände seiner tragischen Opernheldin im vorrevolutionären Russland. Nach der erfolgreichen Uraufführung 1934 entlarvte sich das neue Regime. Stalin, der oft und gern in Moskau die Oper besuchte (ähnlich wie Hitler ein Stammgast der Bayreuther Festspiele war), sah 1936 die „Lady Macbeth“ und mochte das Stück nicht. Er suchte, wie Diktatoren das zu tun pflegen, durch positive Botschaften in Film, Buch und Musik das ausgelaugte Volk bei Laune zu halten. Mit Stalins Ablehnung der „Lady Macbeth von Mzensk“ startete das Duell zwischen Diktator und Komponist, das seitens des Diktators von einer Art Hassliebe geprägt war, mal ließ er den Komponisten verbal prügeln, wie 1936 in dem berühmt-berüchtigten „Chaos statt Musik“-Artikel der Prawda, mal lobte er ihn. Für den Familienvater Schostakowitsch verwandelte sich Leben und Komponieren in eine lange Wanderung über sehr dünnes Eis, stets bedroht durch Stalins Säuberungsaktionen und Schauprozesse. In den Monaten nach den Vorwürfen in „Chaos statt Musik“, er komponiere „formalistisch und volksfremd“, schlief der Komponist mit einem gepackten Koffer unter dem Bett – er rechnete mit seiner Verhaftung. 1937 traf dieses Schicksal seine Schwester und ihren Mann. Vorbei die Zeit unbekümmert temperamentvoller Stücke wie dem 1933 uraufgeführten Konzert für Klavier, Trompete und Streichorchester. Schostakowitsch geht weder in die innere noch in die äußere Emigration, er riskiert in jedem neuen Werk den schwierigen Balanceakt zwischen „linientreuem“ Klang und seinem eigenen Anspruch und Stil. Neigt sich die Balance zugunsten Anspruch und Stil, riskiert der Komponist sein Leben. So vergräbt er die vierte Sinfonie für die nächsten Jahre in der Schublade und versucht, in der fünften Sinfonie den kulturpoliti-

schen Forderungen gerecht zu werden, ohne sich selbst zu verraten. Scheinbar angepasst an den „sowjetischen Realismus“ (frei übersetzt: geht erschöpften Helden der Arbeit nach Feierabend gut ins Ohr), verrät die 1937 in Leningrad uraufgeführte Sinfonie Nr. 5 hinter der spätromantischen Politur doch die Gefühle des Komponisten: die Apotheose im Finale fällt aus. Das Publikum war begeistert, die Partei ließ die Fünfte als Rückkehr des verlorenen Sohnes feiern, doch alle hatten sich getäuscht. In seinen Memoiren offenbarte Schostakowitsch, dass der Triumphmarsch in Wirklichkeit einen Totenmarsch darstellt.

Der russische Klang im Heute Es gibt viele Einspielungen der fünften Sinfonie, eine der interessantesten ist die der St. Petersburger Philharmonie. Das Orchester steht seit der Uraufführung in eine ununterbrochenen Schostakowitsch-Tradition, was sich im unmittelbaren Ausdruck der Aufnahme zeigt. Bläser und Schlagwerk gehen über Schostakowitschs Vorbild für die grotesken Momente, Gustav Mahler, hinaus und erinnern unerbittlich an die von „Säuberungen“ geprägte Atmosphäre anno 1937. Einsame Trauer vermittelt die klangschöne Wiedergabe des 2. Satzes (Schostakowitsch: Symphonies 5&6. Yuri Temirkanov, St. Petersburg Philharmonic. Warner Classics) Ebenso doppelbödig gibt sich die bekannteste und wohl auch am meisten gespielte Sinfonie aus Schostakowitschs Œuvre, die Siebte, genannt „Die Leningrader“. Die naheliegende, auch sofort offiziell in In- und Ausland übernommene Deutung lautete, dass hier Leid und heroischer Widerstand der Leningrader Bevölkerung während der Belagerung durch die Wehrmacht zu Klang geworden waren. Kaum hatte der mit seiner Familie per Flugzeug evakuierte Komponist die Sinfonie fertig gestellt, wurde sie vor Ort in Kuibyschew vom ebenfalls dorthin evakuierten Orchester des Bolschoi uraufgeführt. Es folgten Erstaufführungen in Moskau, London, New York und Leningrad. Wie so oft kam die Wahrheit erst Jahre später ans Tageslicht: Schostakowitsch hatte mit der Arbeit an der Siebten schon vor der Belagerung begonnen, und


schostakowitsch | 10 crescendo 04 2006

HotelMusik von Uli Schirmer

Ein Hotel ist auch nur ein Opernhaus. Eine Kulisse für das echte Leben. Ein Leben, das so leidenschaftlich ist wie bei Mozart, Verdi oder Puccini. Und der Hoteldirektor? Manchmal komme ich mir vor wie ein Intendant, der sich im Hintergrund hält und trotzdem den Regisseur ersetzen muss. Neulich residierten zwei der größten Dirigenten im „Palace“. Daniel Barenboim, Chef der Staatskapelle in Berlin und Christian Thielemann, Chef der Münchner Philharmoniker. Zwei göttliche Tonschwelger, gewiss, aber konnte das gut gehen? Immerhin haben die Zeitungen ihre Oper über diese Dirigenten längst geschrieben. Ein Singspiel, gegen das „Macbeth“ eine unblutige Angelegenheit ist. Eine Soap-Opera aus dem Zeitungsboulevard. Der eine könne den anderen nicht leiden, als sie in Berlin an konkurrierenden Häusern dirigierten. Ein Opernkrieg mit Pauken und Kanonen. Barenboim und Thielemann wurden als Feldherren unterschiedlicher Truppen ins Feld gejagt. Aber die Wirklichkeit ist keine MedienOper. Christian Thielemann vor Daniel Barenboim im Hotel. Der Steinway stand in seinem Zimmer. Spät am Abend wurde ich angerufen. Ein Problem. Barenboim wohnte im „Palace“, um in München Bachs „Wohltemperiertes Klavier“ zu geben. Er wollte sich einspielen, am nächsten Morgen um neun. Was tun, Apollon, Gott der Musik? „Ich werde Herrn Thielemann fragen, ob er uns sein Instrument ausleihen kann“, sagte ich zu Maestro Barenboim, „machen Sie es sich bequem.“ Ich ging hinauf: „Verehrter Herr Thielemann, Herr Barenboim würde so gern morgen Früh...“ – „Herr Barenboim kann von mir haben, was er will!“, fiel mir Thielemann ins Wort. Dann haben wir das Klavier durch die Hotel-Flure geschoben. Am nächsten Abend saßen beide an der Bar. Ihre Termine haben sie verschoben. Es gab Wichtigeres an diesem Abend: die Musik. Hätte ich einen Wunsch, ich würde sie gern gemeinsam hören: den einen dirigierend, den anderen am Steinway. Alle Dirigenten kämpfen schließlich an der gleichen Front. Sie streiten gemeinsam für das Wunderland der Musik. Uli Schirmer ist Musik-Fan und Direktor des Fünf-Sterne Hotels „Palace“ in München.

Foto: Warner

Dirigentenkampf?

er selbst widmete sie nicht nur den Opfern des Krieges, sondern bewusst auch den Opfern Stalins. „Die Musik muss eine aktive Kraft sein. Das ist russische Tradition.“ Aus diesem Diktum des Komponisten erklärt sich der politisch gedachte Hintergrund vieler seiner Werke. Das Katz-und-Maus-Spiel mit Stalin, die Doppeldeutigkeit seiner Musik, die Achterbahnfahrt zwischen Erfolg und Zensur, nahm Schostakowitsch auf sich. Nie brach er ganz mit dem Regime, aber oft versuchte er mutig, verhaftete Musiker zu retten. Seinen Studenten erzählte Schostakowitsch später: „Aber ihr habt keine Vorstellung davon, was es heißt, eine Zeit zu durchleben, in der man heute mit jemandem zusammensitzt, trinkt und sich unterhält, der am nächsten Tag wie vom Erdboden verschluckt ist. Er ist einfach nicht mehr da. Oder man kommt nach Hause, und dort ist bereits die Wohnungstür versiegelt.“

Eine Jugend in Zeiten des Umbruchs: Dmitri Schostakowitsch.

Das Grauen auf der Geige Das alltägliche Grauen dieser Zeit spiegelt sich auch in den Violinkonzerten, besonders im Ersten. 1948 führte Stalins Kultur-Wachhund Andrej Schdanow einen Feldzug gegen Komponisten, die anderes als eingängige, linientreue Volkschöre und Arbeiterkantaten schufen. Auch Schostakowitsch fiel, wieder einmal, in Ungnade, verlor sein Lehramt am Moskauer Konservatorium und wurde mit Aufführungsverbot belegt. Das Überleben der Familie sicherte er, wie ebenfalls betroffene Kollegen, durch das Komponieren von Filmmusik. Von Trauer und Verzweiflung, aber auch tiefschwarzem Galgenhumor erzählt denn auch das Violinkonzert Nr. 1. Von diesem Werk gibt es gleich mehrere Neuaufnahmen: Sarah Chang und die Berliner Philharmoniker stellen dem Violinkonzert von Schostakowitsch das Schwesterwerk von Prokofjew gegenüber. Eine sinnvolle Zusammenstellung, denn Schostakowitsch hat den älteren Prokofjew sehr geschätzt. Chang spielt das Violinkonzert voller Energie und Leidenschaft, zeichnet es als Ventil für Schostakowitsch, seinen nach außen hin unterdrückten Gefühlen freien Lauf zu lassen – der Komponist wusste, dass er dieses Stück erst nach Stalins Tod herausbringen konnte. (Sarah Chang, Simon Rattle, Berliner Philharmoniker. EMI Classics).

1 Sarah Chang und Simon Rattle nehmen für die EMI das erste Violinkonzert auseinander. 2 Daniel Hope bietet das KonkurrenzProgramm mit dem ersten und zweiten Geigenkonzert – er spielt

Daniel Hope spielt beide Violinkonzerte von Schostakowitsch, ergänzt um die Romanze aus der Filmmusik zu „Die Hornisse“. Für die Authentizität dieser Aufnahme bürgt der Sohn des Komponisten, Maxim Schostakowitsch, als Dirigent. (Schostakowitsch: Daniel Hope, BBC Symphony Orchestra. Warner Classics). Leila Josefowicz gibt das Violinkonzert Nr. 1 schlank, manchmal sogar spröde im Ton, aber ihre Interpretation besticht durch bohrende Intensität und aufblitzenden Furor. Das Violinkonzert Nr. 2 sollte das Geschenk des Komponisten zu Oistrachs 60. Geburtstag werden, doch hatte sich Schostakowitsch um ein Jahr vertan. Also musste zum tatsächlichen Geburtstag noch ein Stück geschrieben werden: die Violinsonate op. 134, von Leila Josefowicz und John Novacek souverän interpretiert. (Schostakowitsch: Violin Concerto No 1, Sonata. Birmingham Orchestra, Sakari Oramo, Warner Classics). Mit Stalins Tod 1953 wurde das Leben und Arbeiten der Künstler in der Sowjetunion etwas leichter. Doch die unerwarteten Wendungen in Schostakowitschs Leben hätten jedem Druchbuch-Autor den Vorwurf eingetra-

mit dem BBC Symphony Orchestra für Warner. 3 Der Klassiker: Die Jazz-Suite Walzer mit Riccardo Chailly bei Decca – Soundtrack zum Film „Eyes Wide Shut“. 4 Für Anfänger und Kenner: Die Naxos-

Box „A Portrait“. 5 DVD über die „Kriegssinfonien“ mit Valery Gergiev bei Philips. 6 Leila Josefowich geigt sich für Warner mit russischer Seele durch das 1. Violinkonzert von Schostakowitsch.


crescendo 04 2006 11 | premium

Werden Sie premium-Kunde

gen, seiner Fantasie jenseits jeder Realität freien Lauf gelassen zu haben. Das Leben schreibt nun mal die besten Krimis. Nicht direkt ein Tanz auf Stalins Grab, aber hörbar eine Befreiung, meldet sich der Komponist 1953 mit seiner Sinfonie Nr. 10 zurück. Gar nicht so versteckt, verkündet er mit seinen in Noten gesetzten Initialen crescendo gibt es nun auch auf CD. 16 Tracks zu den Themen dieses Heftes. DaD-Es-C-H, dass er den Diktator und dessen Psycho-Terror runter die Neuerscheinungen vom Plattenmarkt. Als Bonus: Rolando Villazón singt – heute Stalin-Preis, morgen Vorladung, erst der Leninexklusiv für Sie die mexikanische Nationalhymne. Wenn Sie premium-Kunde werden, Orden, dann öffentliche Anklage – überlebt hat. schicken wir Ihnen jedes crescendo nach Hause. Jeweils mit der neuesten premiumEndlich konnte Schostakowitsch eine Reihe von bisCD. Weiterer Vorteil für Sie: Besondere Angebote bei Konzertbesuchen und ein Willher versteckten Werken veröffentlichen und aufführen. kommensgeschenk. Aber der Tod seiner Mutter Sofia und, vor allem, der Tod seiner geliebten Frau Nina trafen den Komponisten Hören Sie, worüber wir schreiben: Zunächst erklärt Ihnen Klassik-Radio Moderator Holger hart. Nicht gerade glücklich war er über die Umarmung Wemhoff das Wort „crescendo“, Anne-Sophie Mutter und Christian Thielemann sprechen über der Kommunistischen Partei, die ihn 1960 erbarmungsAgogik und den Taktstock (99xKlassik). Zum los in ihre Reihen aufnahm. Der im Westen gefeierte Interview mit Katharina Wagner können Sie und viel gespielte Schostakowitsch stellte für die Herr� ���������������������������������� � �� ������������������������������������������������������������������������������������� � �� ������������������������������������������������������������������������������������ das „Meistersinger“-Vorspiel und Lohenscher im Kreml ein hervorragendes Aushängeschild dar � ������������������������������������������������������ �� ����������������������������������������������������������������������������������� grins „Gralserzählung“ hören (Naxos) – und wie hätte er sich ��wehren können, außer in Noten? ������������������������������������������������������������������������ � ������������������������������������������������������������� ��������������������������������������������������������������������������� – und wie gefällt Ihnen Christian ThieDas tat er, doppelbödig� wie eh und je, in der Sinfonie � ��������������������������������������������������������������������������������� � ���������������������������������� lemanns neuer „Parsifal“ (DG)? Hören Nr. 12, offiziell dem Revolutionsjahr 1917 gewidmet. ����������������������������������������� � ����������������������������������������������������������������������������������� � ��������������������������������������������������������������� ������������� Sie Schostakowitsch (EMI, Naxos) und Längst fühlte sich der� ����������������������������������������������������������������������������������� Komponist den unterdrückten � ��������������������������������������������������������� ���������������������������������������������������������������������� lassen Sie sich von Rolando Villazón jüdischen Kollegen verbunden, ließ er jüdische Motive ���������������������������������������������������������������������������� mit der mexikanischen Nationalhymne in seine Kompositionen���������������������������������������������������������������������������� einfließen. Auch als Parteimit������������������������������������������������������������� � ������������������������������������������������������ auf die WM einstimmen (EMI). Joseph glied konnte er es nicht lassen, wider den Stachel zu ������������������������������������������������������ � ��������������������������������������������������������������������������������� ������������������������������������������������������������������������������������ Calleja entführt Sie nach Malta (Decca). löcken: die dem Massaker an jüdischen Menschen in � ���������������������������������������������������� Hören Sie Gitarren-Musik von Hans Werner Babi Jar gewidmete Sinfonie Nr. 13. Henze, über dessen Leben sein Freund Fausto Schon 1924 war Tuberkulose diagnostiziert worden, Moroni in diesem Heft redet, und streiten Sie mit Hans-Joachim Frey über die Theaterlandschaft 1959 kam eine unheilbare Rückenmarkserkrankung – dazu natürlich der Prolog zum „Bajazzo“ (Naxos). hinzu, 1967 brach sich der ohnehin angeschlagene Komponist bei einem Autounfall ein Bein. Umso mehr Konzerte für premium-Kunden wandte sich Schostakowitsch der Natur zu – und dem Wo immer Sie in diesem Heft das Logo „crescendo Kreislauf von Leben und Sterben, deutlich hörbar in premium“ sehen, lohnt es sich. Im Regio-Teil bedeuden Sinfonien Nr. 13 und 14, in der Kammermusik, in tet es: Wir halten Freikarten für Sie bereit. Kreuzen den Liedern. Am 9. August 1975 starb Dmitri SchostaSie auf unserem Bestell-Coupon Ihren Wunsch an. crescendo lädt premium-Teilnehmer kowitsch durch einen Herzinfarkt – es war bereits der zu ausgewählten Veranstaltungen ein. Sie können mit crescendo premium an Künstlerdritte. Unter den Kränzen nach der Beerdigung war eipräsentationen und VIP-Veranstaltungen teilnehmen oder haben die Chance auf Autogrammkarten, ner des KGB. Eine sehr ironische Pointe des Schicksals. signierte CDs oder Bücher. Lassen Sie sich überraschen. Dmitri Schostakowitsch hat ein unendlich reiches Œuvre hinterlassen. Man hat die Qual der Wahl – oder Und so geht‘s man verschafft sich einen ersten Überblick anhand Für 34,- Euro im Jahr erhalten Sie sechs Mal crescendo, den festspiel-guide und alle premiumeiner Zusammenstellung aus biographischen Daten, Leistungen. Wenn Sie sich bis zum 30. Juni entscheiden, erhalten Sie zusätzlich die CD zum verknüpft mit Auszügen aus Aufnahmen einiger SchlüsSchostakowitsch-Artikel als Begrüßung: Die Sinfonien 5 und 6 unter Yuri Temirkanov (Warner). selwerke, ergänzt um den Meister selbst am Flügel sowie eine Radio-Ansprache, dann hat man die Stimme Schostakowitschs gehört. Dmitri Schostakowitsch: A Portrait. His Works, His Life (Naxos) ist nicht nur der Ja, ich möchte für 34,- EUR pro Jahr die Vorteile von Bitte buchen Sie den Betrag von diesem Konto ab: ideale Einstieg für Nicht-Experten, die Doppel-CD bietet crescendo premium nutzen und erhalte die Begrüßungs-CD: Kontoinhaber auch etwas für Schostakowitsch-Kenner. Schostakowitsch: Sinfonien 5 und 6 Yuri Temirkanov

crescendo für die Ohren

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Ich kann jederzeit zum Ende des Kalenderjahres kündigen. (Im europ. Ausland zzgl. 10,– EUR Auslandsspesen) Nike Luber hat Musikwissenschaft, Geschichte und Kunstgeschichte studiert und ist im Elsass als freie Musikjournalistin tätig.

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crescendo 04 2006 13 | rezension

René Jacobs durchblutet Mozarts Antike mit „Titus“

Geschichte aus dem Takt

Foto: Harmonia Mundi

Historischer Moment: Titus Krönung

Wer diese CD auflegt, dem fliegen die Ohren um die Ohren. Allein, wie René Jacobs die Ouvertüre zum „Titus“ anlegt: als Geschichte vom Aufstieg, Fall und der zutiefst humanistischen Erkenntisse des antiken Herrschers. Zeit und Tempo sind in diesem Historiendrama eine Frage von Repräsentation und wahrem Sein. Eine atemberaubende Achterbahn seelischen Empfindens. Es ist eine Parabel entstanden, in der das Politische privat wird und das Private politisch. In Musik gegossene Historie. Bei Jacobs sind die Charaktere keine Marmorheiligen, sondern von Blut durchpulste Menschen. Wie immer unterlegt der Meister der historischen Aufführungspraxis seine Musik mit grundlegenden Theorien – dieses Mal räumt er mit allen Vorurteilen gegen die Opera Seria auf. Besonders kümmert er sich um die sonst vernachlässigten

Rezitative. Jacobs Devise: „Die musikalischen Schwächen können durch einen vollendeten Vortrag wettgemacht oder durch ‚Retuschen‘ behoben werden. Die Erstere ist Aufgabe der Sänger, die Zweite – eine Möglichkeit – ist Sache des Dirigenten.“ Die Sänger der Aufnahme erfüllen ihre Pflicht. Mark Padmore als Titus, Alexandrina Pendatchanska als Vitella und Bernarda Fink als Sesto. Aber vor allen Dingen beweist Jacobs mit dem Freiburger Barockorchester, dass Mozart ein Komponist der Extreme war. Wenn eine Aufnahme im Jubeljahr überfällig war, dann diese.

crescendo März 06_24.4.2006

Mozart: La Clemenza di Tito. René Jacobs, Freiburger Barockorchester. Harmonia Mundi.

25.04.2006

Brugs Bühnen-Brevier

Manuel Brug: Opernregisseure heute. Henschel, 24,90 Euro.

Seite 1

K O N Z E R T E D E R B U N D E S S TA D T B O N N Foto: Yannis Bournias

Eurotrash und Briten-Regie Regietheater in Deutschland bedeutet Peter Konwitschny, Christoph Marthaler oder Hans Neuenfels. Manuel Brug, Musikchef der „Welt“, ist ein weitgereister und spitzfedriger Musikkritiker – und er gibt sich in seinem Update der Regiegeschichte nicht mit einem nationalen Blick zufrieden. Er ist Populist genug, sein Buch mit der Jahrhundert-„Traviata“ mit Netrebko in Salzburg zu beginnen. Aber gleich am Anfang seines Bühnen-Abrisses stellt Brug schon die Sollbruchstelle vor: den Unterschied zwischen Opern-Rezeption in Deutschland und jener in England oder den USA, wo das Regietheater in „Eurotrash“ umbenannt wurde. Ein Seitenblick mit Vernetzungen auf Regisseure wie David Alden, Peter Sellars oder Peter Brook. Ein Kompendium für Neuseher.

15:51 Uhr

B ORCHESTER B EETHOVEN

ONN

Sichern Sie sich jetzt Ihr Abo für die Spielzeit 2006/2007! Leonidas Kavakos: Solist und Dirigent

Saisonprogramme: (0228) 45 49 3 -15 www.beethoven-orchester.de Abonnements / Konzertkarten: Theater- und Konzertkasse (0228) 77 80 08

2. Kammerkonzert Freitag, 8. Dezember 2006 Bonn, Beethoven-Haus, 20 Uhr Leonidas Kavakos, Violine Enrico Pace, Klavier

4. Sonntagkonzert Sonntag, 10. Dezember 2006 Bonn, Beethovenhalle, 18 Uhr Leonidas Kavakos, Dirigent und Violine Beethoven Orchester Bonn

Sonaten für Violine und Klavier: Beethoven: A-Dur op.30/1 Busoni: Nr.2 e-Moll op.36 A Brahms: Nr.3 d-Moll op.108

Mozart: Konzert Nr.3 für Violine und Orchester Mozart: Sinfonie Nr.38 „Prager” Mendelssohn Bartholdy: Sinfonie Nr.3 „Schottische”


rezension | 14 crescendo 04 2006

Großartige Werke neu entdecken

Was bedeutet „crescendo“?

Musik-Lexikon der Stars

Aktuelle Einspielungen bei SONY BMG

Harald Schmidt über die Orgel: „Das Großartige an der Orgel ist, man kann sich nicht wegmogeln. Und das Tolle ist: Je einfacher die Orgel ist, je weniger Register sie hat, desto besser muss man spielen können. Bei einem großen fünfmanualigen Instrument mit 130 Registern kann man sich noch durch Tschinderassa und Kawumm hinwegmogeln – jedenfalls vor Laien. Aber bei kleinen Orgeln muss man schon richtig zeigen, was man kann. Auf keinem Instrument hört sich zeitgenössische Musik so toll an wie auf einer Orgel.“ Christian Thielemann über den Taktstock: „Früher hat man den Taktstock nicht geschlagen, sondern gestampft – mit Kraft auf den Boden. Der Komponist Lully hat sich mit diesem Ding einmal in den Fuß gepiekt und starb an einer Blutvergiftung. Ich glaube, aus dieser Tradition des Taktmarkierens ist der Taktstock erfunden worden. In Bayreuth, wo der Dirigent weit vom Orchester entfernt sitzt, fungiert er als längerer Arm, um die Gesten klarer zu machen und ist weiß, damit er besser auffällt.“

82876765162

Foto: Universal

Haydns „Orlando Paladino“, die Oper um die Sage vom Ritter Roland, in präsentem Originalklang, mit hochkarätigen Sängern und dem Concentus Musicus Wien unter Nikolaus Harnoncourt.

Foto: ARD

82876733702 Ab 19. Mai erhältlich.

Musik ist Emotion. Aber noch mehr Spaß macht sie, wenn man weiß, wie die Töne funktionieren. Die „Deutsche Grammophon“ gibt unterhaltsamen Nachhilfeunterricht. Stars der Klassik von Hélène Grimaud über Christian Thielemann bis zu TV-Moderator Harald Schmidt erklären auf drei CDs unter dem Titel „99xKlassik“ die wichtigsten Begriffe der Musik. crescendo stellt die besten Antworten vor – und Abonnenten können sie auf der premium-CD nachhören.

Rossinis „Barbier von Sevilla“, die beliebte Oper um Liebe, Heirat und Intrigen mit ihren eingängigen Melodien – jetzt in einer Liveaufnahme mit Elina Garancˇ a als Rosina, Lawrence Brownlee als Graf Almaviva und Nathan Gunn als Figaro.

Foto: Universal

82876804292 Ab 16. Juni erhältlich.

Die junge Flötistin Magali Mosnier interpretiert auf ihrem Debüt-Album „Fantaisie“ Werke für Flöte und Orchester von J. Ibert, G. Fauré, M. Ravel, L. Cheminade und vielen anderen französischen Komponisten. „Magali Mosnier interpretiert mit großer Eleganz: Man ist ergriffen von der intensiven Tiefe ...“ (Süddeutsche Zeitung)

Anne-Sophie Mutter über Agogik: „Agogik kommt eigentlich aus dem Griechischen und bedeutet ‚führen‘. In der Musik bedeutet es die in den Noten nicht notierte Modifikation des Tempos. Eigentlich ist Agogik der lebendige Ausdruck im Spiel. In einem Auftakt kann man das Tempo stauen, oder vor einem Höhepunkt das Tempo anziehen, um einen besonderen Effekt zu erzielen. Im Spezialfall geht die Agogik in das Tempo Rubato über. Das Rubato ist ein noch freierer Umgang mit der Zeit, eine weitere Manipulation als es die Agogik ist. Die nächsten Steigerungen von Agogik und Rubato sind das Ritardando (Verzögern) oder das Accelerando (Beschleunigen).“ 99xKlassik: Holger Wehmhoff erklärt 99 Begriffe der klassischen Musik mit Beiträgen von Joseph Calleja, Hélène Grimaud, Hilary Hahn, Lang Lang, Anne-Sophie Mutter, Anna Netrebko, Harald Schmidt und Christian Thielemann. Deutsche Grammophon.

99 x Klassik auf der crescendo-premium-CD

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crescendo 04 2006 15 | rezension

Von Zubin Mehta:

Zwischen hier und Indien

In meiner Kindheit in Indien bin ich auf einer europäischen Kultur-Insel aufgewachsen. Bei uns drehte sich alles um die klassische Musik. Mein Vater war Geiger, was für einen Inder damals sehr ungewöhnlich war. Zu Hause spielte er in einem Kammermusikensemble, und dann ging er für drei Jahre in die USA – um Geige zu studieren. In der Zeit habe ich seine Plattensammlung okkupiert. Mit der indischen Musik bin ich damals allerdings so gut wie gar nicht in Berührung gekommen – und das, obwohl wir ein sehr nationalistischer Haushalt waren. Aber eben auch offen: Mit elf Jahren habe ich eine spanische Jesuitenschule besucht. Heute ist die einzige indische Tradition, die mir beim Musizieren hilft, das Yoga. Hätte ich es nicht, würde ich manchmal wahrscheinlich viel müder sein. Aber so habe ich das Wissen, wie ich meinen Atem kontrollieren kann, um mir nach außen Aufregung leisten zu können, aber nach innen ganz kühl zu agieren. Man muss wissen, dass die Musik in Indien ganz anders organisiert ist als in Europa. Es gibt keine Dur-Moll-Harmonik, keine harmonische Organisation der Noten. Indische Musik ist hauptsächlich improvisiert und basiert auf einer Rada, also einer festgeschriebenen Tonfolge. Mir ist erst bei meinen Studien in Wien aufgefallen, dass Schönberg mit der 12-Ton-Musik nichts anderes gemacht hat, als eine Rada zu imitieren. Allerdings verzichtet er auf die Elemente der Improvisation. Aber in ihr liegt der ganze Unterschied. Das ist wie mit der Klassik und dem Jazz – das geht auch nicht zusammen. Trotz aller Cross-Over-Versuche. Meine Begeisterung für Schönberg ist jedenfalls groß. Ich habe als junger Mann alles über ihn gelesen, über seine Ausflüge in das Atonale und zurück – er ist für mich ein Moses der Musik. Zubin Mehta: Die Partitur meines Lebens. Droemer, 22,90 Euro.

Fritz Wunderlich mit Sohn Wolfgang

Foto: Universal

„Die Partitur meines Lebens“ heißt die Autobiographie des Dirigenten Zubin Mehta. Wir haben den Maestro aus Indien gebeten, uns den Unterschied zwischen der Musik seiner Heimat und Europas zu erklären.

WunderlichsWohnzimmer Als Rolando Villazón von den bislang unentdeckten Aufnahmen seines Idols gehört hat, schrieb er einen Brief an die Plattenfirma: „Wunderbar! Fritz Wunderlich gehört zu den Sängern, die ich keinen Moment als ‚historisch‘ empfinde. Wenn man ihn den Leuten vorspielen würde, die ihn nicht kennen, würden sie sagen: Wo singt der Mann, wo kann man ihn hören?“ Villazón hat nur zum Teil Recht. Denn die neuen Aufnahmen, Lieder von Beethoven, Strauss, Brahms und Haydn, hat der Tenor in seinem Wohnzimmer, auf seinem eigenen Aufnahmegerät gemacht. Und so klingen sie auch: zutiefst

intim. Das Erstaunlichste ist, so wie Wunderlich zu Hause sang, so sang er auch auf den Bühnen der Welt. Er hatte diesen Klang der Innerlichkeit. Ein Tenor, der lebte, was er interpretierte – mit Leib und Seele. So einen Tenor wie Wunderlich gibt es heute nicht mehr. Er ist nirgends zu sehen oder zu hören. Zum Glück gibt‘s ihn auf CD.

Fritz Wunderlich: Privat. Lieder von Beethoven, Strauss u.a. Deutsche Grammophon.

Carolin Widmann

Geigen durch die Gegenwart Mit der Klassik ist das so wie mit dem ganzen Land: Die Globalisierung schlägt erbarmungslos zu. Und während VW sich Toyota beugen muss, mussten sich deutsche Musiker von perfektionistischen Kollegen aus den Klassik-BoomLändern überholen lassen. Japanische, chinesische und russische Musiker beherrschen den Weltmarkt. „Made in Germany“ war gestern. Doch so langsam scheint sich eine junge Generation wieder auf die alten Tugenden zu besinnen: Klarheit gemischt mit Romantik, Präzision und Intellektualität. Besonders erfolgreich ist dabei die Geigerin Carolin Widmann. Die Münch-

nerin studierte in Köln, Boston und London, ist eine Globetrotterin, und ihre eigentliche Heimat scheint die Gegenwart. Und das macht sie auf ihrem neuen Recital deutlich. Widmann spielt SoloWerke von Pierre Boulez, Eugène Ysaÿe, Salvatore Sciarrino und ihrem Bruder, dem Komponisten Jörg Widmann. Dabei ist Neue Musik für sie keine Sache, die allein im Kopf spielt. Sie verlangt den ganzen Körper. Carolin Widmann: Reflections. Mit Werken von Boulez, Ysaÿe, Sciarrino und Widmann. telos music.


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crescendo 04 2006 17 | rezension

Foto: Universal

Wiener „Parsifal“, dirigiert von Christian Thielemann

Vorbereitung auf Bayreuth Dieses Jahr fällt die Konkurrenz der Festspiele besonders scharf aus: Salzburg lockt mit dem Jubiläumsprogramm zum 250. Mozart-Geburtstag, und in Bayreuth wird der Literat Tankret Dorst Wagners „Ring des Nibelungen“ neu inszenieren. Dirigieren wird ihn Christian Thielemann – und der hat nach seinem „Tristan“ nun auch mit einem „Parsifal“ bewiesen, dass er zu den besten gegenwärtigen Wagner-Dirigenten gehört. Der schwelgerische Romantiker nimmt die Partitur des Leidens unverhofft rasch, lässt sich selten gehen, gefährdet nie die innere Struktur des „Bühnenweihfestspiels“, sondern schaltet immer wieder den Kopf ein, wenn der Bauch mit ihm durchzugehen droht. Und: Im neuen Live-Mitschnitt steht ihm eine altbekannte, aber noch immer frische Sänger-garde zur Verfügung. Placido Domingo singt den Titelhelden erstaunlich jugendlich, und Waltraud Meier ist als Kundry noch immer eine erotische Verführerin. So feindlich Thiele-mann einst in Berlin

seinem Konkurrenten Daniel Barenboim gegenüberstand, so ähnlich sind sich die beiden Dirigenten bei der Arbeit. Sie glauben noch an das Epische, das Erzählen, und haben das postmoderne Zerschlagen längst hinter sich gelassen. Barenboims Bayreuther „Ring“ in der Regie von Harry Kupfer erscheint nun endlich auf DVD – und zeigt, dass Barenboim ein noch größerer Furtwängler-Verehrer ist als Karajan-Schüler Thielemann. Barenboim lässt die Partitur hemmungslos krachen, wo sie kracht und in fast lautlose Piani verdimmen, wenn sie sich auflöst. Diese Aufnahme ist das Dokument einer legendären Bayreuth-Ära. Und dieses Jahr ist der direkte Vergleich mit Thielemann möglich. Live und vor Ort, natürlich auf dem „Grünen Hügel“. Historisch, aber ohne altbackene Patina ist nun ein weiteres WagnerWerk neu zu entdecken. Der „Lohengrin“ unter Erich Leinsdorf von 1943 klingt in der neuen Naxos-Historical-Edition klar und frisch. Und er ist ein Fest der Stimmen: Lauritz Melchior singt die Gralserzählung mit heißblütiger Innbrunst, Astrit Varnay ist eine wunderbare Femme fragile als Elsa. Eine historische Aufführung, die ihre Modernität gerade im Vergleich mit den beiden anderen Einspielungen bekommt, denn Thielemann und Barenboim führen den Mut zum Pathos fort, den Leinsdorf ebenfalls vorstellt. 1. Parsifal. Thielemann, Domingo, Meyer. Deutsche Grammophon. 2. Rheingold, Walküre. Daniel Barenboim, Bayreuth. DVD, Warner. 3. Lohengrin. Leinsdorf, Melchior. Naxos.

Parsifal auf der crescendo-premium-CD

Gielens Beethoven

Sachliche Messe

Beethoven: Missa Solemnis. Gielen. Capriccio.

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Michael Gielen hat Beethoven revolutioniert. Seine Einspielung der Sinfonien war neu. Kein Schlachtgetümel mehr, kein Pathos. Stattdessen sachlich, analytisch, eiskalt. Er hat den Baton mit Adorno geschlagen. Kann man diesen Stil auch in spirituelle Musik übersetzen? Ja! Gemeinsam mit dem Orchestre Philharmonique du Luxembourg und der Europa Chor Akademie hat Gielen zusammen mit Joshard Daus nun die „Missa Solemnis“ aufgenommen. Herausgekommen ist eine Interpretation, die eigentlich nicht erstaunt. Gielens abgrundtiefe Ernsthaftigkeit macht das Werk klar und deutlich, und hinterfragt Beethovens Glaubensbekenntnis kritisch. Auf der DVD zur CD ist noch nachzusehen, wie Chormusik höchster Qualität entsteht. Die Proben waren eine Mischung aus Inspiration und Können.

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musik & bildung | 18 crescendo 04 2006

Heute Spaß für das Publikum von morgen In der Philharmonie Luxembourg sind 60 von 150 Veranstaltungen für Kinder. Und dabei geht es weniger um die Erziehung des Nachwuchses als um die Lust im Jetzt. Ein Pionier-Projekt.

Eröffnungsreden zeichen sich durch Zeitwertverfall aus: hehre Worte, ausgeklügelte Pointierungen. Doch wenn die Wortgewalt auf Hochglanz gedruckt und zum Abnicken ausgeteilt wird – ist sie schnell vergessen. Eigentlich schade. Denn in Eröffnungsreden offenbart sich oft eine Philosophie. So wie damals, zur Einweihung der neuen Philharmonie Luxembourg. Matthias Naske, Generaldirektor des Hauses, wollte „Raum schaffen, damit die Musik in den Menschen an Raum gewinnt“. Und Naske wollte jeden erreichen, den Melomanen und den, der sich nur im weitesten Sinn für Musik interessiert. Erwachsene und Kinder. Seine Philharmonie sollte ein Ort der Kommunikation werden. Nun, ein Jahr später, sitzt Naske mit einer Tasse grünem Tee da und spricht noch immer „vom Konzertraum als Ort der Begegnung, vielleicht auch mal der Stille, aber vor allem der emotionalen Ergriffenheit – ein Ort der Individuation, so sehr man Musik auch im Kollektiv wahrnimmt. Das eigentliche Geschehen passiert nicht in der Gruppe, sondern im einzelnen Menschen selbst“. Und was ist aus seinen Worten geworden? Sieben Jahre lang hat Naske als Generalsekretär der Jeunesses Musicales Österreich, wie er sagt „Wissen und ein besonderes Bewusstsein entwickeln dürfen, für den

kultur-, aber auch gesellschaftspolitischen Stellenwert von professioneller Arbeit für Jugendliche und Kinder“ und hat bei der Programmgestaltung der Philharmonie Luxembourg mit den Kinderprogrammen einen Schwerpunkt gesetzt. 60 Produktionen für Kinder und Jugendliche bietet das Haus in der Saison 2006/2007. Und das bei rund 150 eigenen Veranstaltungen. Spätestens mit der Pisa-Studie ist der Anspruch auf ein gesellschaftliches Forum für Kinderentwicklung bis hin zur oft verpönten Eliteförderung entstanden. Maßgeblich beteiligt an diesem Sinneswandel sind die Lernstudien, bei denen die äußerst günstige Auswirkung von Musik und früher musikalischer Erziehung auf das Lernverhalten ein große Rolle spielen. Ein Aufwachsen mit Musik begünstigt die zielgerichtete Intelligenznutzung, Ausdauer und Ausgeglichenheit und fördert die sogenannten Softskills (etwa die Bildung sozialer Kompetenz). Matthias Naske liegt mit seinem Engagement für ein großes und vielseitiges musikalisches Angebot im Trend. Aber Kinderveranstaltungen als Investition in spätere Konzertsaalfüller zu sehen, ist nicht seine Sache. Er rät jedem, der Kinderprogramme gestalten will: „a) das Thema ernst zu nehmen und b) nicht zu glauben, es ginge um das Publikum von morgen. Denn es geht um das Publikum im Augenblick, in dem etwas passiert.

Zu ernten, was gesät wurde, hat etwas Wahres, aber es ist nicht vollständig“. Und schließlich sollte man nicht den Fehler machen, alles über einen Kamm zu scheren, meint er, sondern genau seine Zielgruppen definieren. Einen Dreijährigen kann man nicht in die gleiche Veranstaltung wie einen Zwölfjährigen einladen. Bei ein paar Stücken könnte dies funktionieren, „Peter und der Wolf“ ist so ein Beispiel. Die Philharmonie Luxembourg hat im ersten Jahr Konzertserien für 3 – 5-Jährige, für 5 – 9-Jährige und eine weitere für 9 – 12-Jährige gestaltet. Außerdem gibt es unterschiedlichste Ateliers mit themenbezogenen Workshopreihen für Jugendliche. Für 2 – 3-Jährige wird das umfangreiche Programmangebot in der nächsten Saison um die Reihe „1.2..3... musique“ erweitert. Konzipiert sind die teils szenischen Konzerte für Interaktionen zwischen Kindern, Eltern und Künstlern. Diese Veranstaltungen finden im Espace Découverte statt, einem 220 qm großen Raum mit traumhaften Lichteffekten. Musik soll hier mit mehreren Sinnen wahrzunehmen sein. Matthias Naske möchte individuelle emotionale Erlebnisse schaffen, für Klein und Groß – Raum schaffen, damit die Musik in den Menschen an Raum gewinnt. Je früher, desto besser. Weitere Informationen unter www.philharmonie.lu Liselotte Richter-Lux


crescendo 04 2006 19 | olé-olé-olé!

Dokumentarfilmer Harold Woetzel hat einen Film über Musik im Stadion gedreht. Hier erklärt er, wie er darauf kam.

Foto: Philharmonie Luxembourg

Eigentlich sollte es ein Film über die „Männergesangsvereine“ werden, Hort der deutschen Liedgut-Tradition. Kein wirklich „sexy“ Thema, fand ich: Abende und Nächte im deutschen Niemandsland, den Nebenzimmern der „Deutschen Eiche“, des „Goldenen Hirschs“ oder der „Krone“ – mit den vielen freundlichen alten Herren und der Gewissheit, letztlich das langsame und unaufhaltbare Aussterben einer Gattung dokumentieren zu müssen. Ich wollte das nicht. Wo sind die Nachfolger der Gesangsvereine? Wo sonst wird noch gesungen, massenhaft, regelmäßig und mit Freude? Ich kam auf das Fußballstadion: Denn dort singen, pfeifen, skandieren, trommeln, klatschen jeden Samstag und Sonntag Hunderttausende. Und vor allem: Immer sind es Ohrwürmer! Die wahren Hits der Massenkultur. Mit dem Staunen über Triviales fängt Erkenntnis an, so Aristoteles. Und so entsann ich mich eines wunderbar witzigen und gescheiten Buchs von Desmond Morris, Zoologe und Verhaltenswissenschaftler aus Oxford: das Standardwerk über den Fußball mit dem schönen Namen „The Soccer Tribe“ („Der Fußball-Stamm“). Desmond hat die Parallelen zu archaischen Kriegsgesängen und Ritualen gezeigt. Hüpfende Fußballfans, hüpfende Afrikaner beim Ritualtanz – wo ist der Unterschied? Die einen wollen die Götter milde stimmen – und die anderen? Narkotikum, Maske, Gesang und Tanz – passt auf die Afrikaner wie auf die Fans. Narkotikum, in unserer Kultur eben Bier. Wie schaffen es Tausende von Menschen, von Woche zu Woche ohne einen Gotthilf Fischer denselben Ton zu treffen? Antwort: Es gibt ein „kollektives Tonhöhengedächtnis“. Wie schaffen sie es, den außerordentlich schwierigen Klatschrhythmus auf eine Zehntelsekunde genau zu treffen? Antwort: Die vielen Individuen in der Masse agieren wie ein einziges Tier. Nicht gerade ein Ausdruck der Hochkultur sind Liedtexte wie „Steh auf Du Sau“, „Kölle, die Scheiße vom Dom“, „Ihr seid die Ruhrpott- (oder Weißwurst-)Kanaken“, „Hässlische Hessen überall“ oder „Eins zwei drei und wieder einer tot“ – auch dem Gentleman-Ideal kommen sie nur bedingt entgegen... Aber sie funktionieren als ritualisierte Drohgebärden gegenüber dem Feind – eine ganz eigene und lustvolle Art, unblutig mit der erregt-aggressiven Grundstimmung im Fußballstadion umzugehen. Hier darf der politisch korrekt domestizierte Gutmensch wieder böse sein – und sei es nur im Lied. Ein Glücksfall: die Begegnung mit dem Gelehrten Reinhard Kopiez, Professor an einer Musikhochschule, der als Erster eine tiefgehende musikologische Untersuchung dieser Fan-Gesänge begonnen hatte. Immer bezogen auf die scheinbar triviale Grundfrage, was Zehntausende von Menschen an so einem Ort wie dem Stadion dazu bewegt,

fast hundert verschiedene Lieder (auswendig!) zu singen. Mit ihm waren wir bei den Dortmunder Borussen, den heimlichen Sängerkönigen der Bundesliga. Dort betrieb er „Feldforschung“ in der Südkurve, wie ein Ethnologe bei den Wilden, fragte die BVBFans um sich herum und zeichnete den gesamten Verlauf der Fan-Aktivitäten auf: Alle 35 Sekunden ein Einsatz, fand er heraus – so intensiv ist der Einsatz der Sangesfreunde im Stadion, dass sie dem Spielverlauf oft kaum mehr richtig nachkommen können. Ein wunderbares Bild – der vergeistigte kleine Professor mit Ohrstöpseln und Aufnahmegerät im Feldtornister neben den robusten und mit Inbrunst „Olé oléoléola“ grölenden Schwarzgelben... In solchen Biotopen schafft es der Mensch von heute am ehesten, den Göttern nahe zu sein. Dann erhält alles Singen eine quasi-religiöse Bedeutung („Michael Ballack, Fußballgott“). Das Fußballspiel bekommt den Charakter eines Gottesdienstes, das Stadion ist die Kathedrale, Netzer liefert die Orakelsprache. Wenn die Fußballstadien zu den bedeutendsten Kultstätten unserer Zeit werden, versteht man vielleicht auch die rätselhafte Äußerung des englischen Fußballgurus: „Fußball“, hatte Bill Shankley, Manager des FC Liverpool und legendärer „Medizinmann“ des Stammes, einmal gesagt, „ist kein Spiel auf Leben oder Tod – es ist weit weit ernster....“ Woetzels Film „Schlachtgesänge“: 20. Mai, 22:30 Uhr, arte und 11. Juni, 23:00 Uhr, SWR

Schlacht Gesänge

Große Oper im Stadion Villazón singt Mexiko-Hymne auf der crescendo-premium-CD


henze | 20 crescendo 04 2006

Hans Werner

„Nenn mich Komponist und Dirigent: Simon Rattle lässt sich vom Komponisten Hans Werner Henze die Partitur erklären.


crescendo 04 2006 21 | henze

Henze:

h Maestro“ Für ein neues Buch spricht der Freund des Komponisten, Fausto Moroni, zum ersten Mal über sein Leben mit dem Musiker. Über Liebe, Studenten-Revolution und Rudi Dutschke. Ein Vorabdruck.

Foto: Fausto Moroni

Er ist der stille Begleiter des tönenden Musikers. Nun erzählt der Freund des Komponisten Hans Werner Henze über sein Leben an der Seite des Maestro. Clemens Wolken traf Fausto Moroni für das Buch „Komponist der Gegenwart“ (Henschel), aus dem wir hier exklusiv einen Auszug vorabdrucken. Begonnen hat die Liaison in einem Antiquitätengeschäft in Rom – und sie durchlebte stürmische Zeiten. Clemens Wolken: Lieber Fauso, wie hast du Hans Werner Henze kennen gelernt? Fausto Moroni Henze: Er hatte mich in einem Auto in der Via Condotti gesehen, ist ihm gefolgt, in unseren Laden gekommen und hat wie verrückt Sachen gekauft, für die er dann das Geld nicht bei sich hatte. Er hatte eine Million Lire ausgegeben, was damals ein Vermögen war, und ich hatte ihm alle Silberwaren gegeben, die er wollte, ohne eine Lira zu verlangen oder zu fragen, wer er sei. Ich sagte zu ihm: „Danke, Herr Doktor.“ Und er antwortete mir: „Nenn mich nicht Herr Doktor, nenn mich Maestro.“ Natürlich begriff ich nicht, weshalb ich ihn Maestro nennen sollte. Als der Besitzer kam, war ich überglücklich, alle diese Sachen verkauft zu haben, und er fragte mich: „Und wo ist das Geld?“ „Er hat nicht bezahlt“, habe ich erwidert, „er kommt morgen, um zu zahlen.“ Und da hat der Chef mir schrecklich eine verpasst. „Du wirst sehen, dass er kommt“, habe ich ihm gesagt, und tatsächlich hat Hans am nächsten Tag das Geld gebracht. So haben wir uns kennen gelernt; es war

im Mai 1964, glaube ich. Im November wurde dann in der römischen Oper „Der junge Lord“ aufgeführt, und ich habe ihn um eine Eintrittskarte gebeten. Ein Fan seiner Musik bist du aber nicht gleich geworden. Hans schreibt in seiner Autobiographie: „Fausto besuchte mich ein paar Tage später in der Via Sant’Andrea delle Fratte, nicht zuletzt, um mir zu gestehen, daß [sic] er mit meiner Musik so gut wie gar nichts hatte anfangen können.“ Moroni: Das ist absolut richtig, außerdem war ich zuvor noch nie in einer Oper gewesen, so viel ist sicher. Danach sind wir zusammen nach Berlin gefahren, wo die „Bassariden“ unter der Regie von Gustav Sellner und mit den Kostümen von Filippo Sanjust aufgeführt wurden. Und gleich nach eurer Rückkehr hast du angefangen, für Hans zu arbeiten. Moroni: Ja. Er sagte mir, dass seine Villa gerade im Bau sei und dass er jemanden brauche, der sich darum kümmere. Und von Berlin aus bin ich direkt nach Marino gekommen, habe meine Wohnung in Rom aufgegeben und ein Jahr lang in einem grässlichen Haus in der Via dei Laghi gehaust, um die Arbeiten an der Leprara zu beaufsichtigen. Am 26. November 1966 habe ich dieses Haus hier bezogen, Hans kehrte aus Tokio zurück, wo sie die „Elegie“ mit Kerstin Meyer aufgeführt hatten. Ich erinnere mich, dass ich ihn zum Flugplatz brachte und sagte, „Wenn du aus Tokio zurückkommst, ist das Haus fertig“, und so war es. 1968 war die verunglückte Uraufführung des Oratoriums „Das Floß der Medusa“. Eigentlich


1. September bis 18. Oktober 2006

Hamburger Mozartwochen

Idomeneo Die Entführung aus dem Serail Le Nozze di Figaro Don Giovanni Così fan tutte Die Zauberflöte La Clemenza di Tito Requiem Hans Werner Henze

www.staatsoper-hamburg.de (0 40) 35 68 68

L’Upupa


war es keine Premiere, da die Musik an dem Abend nicht gespielt wurde. Wie ist es dir dabei ergangen? Moroni: Ich erinnere mich ganz genau an alles an diesem 9. Dezember. Ich saß unten im Saal, unter anderem waren da der Schriftsteller Ernst Schnabel, Georg Solti, Paul Dessau, Rolf Liebermann, Peter Ustinov und unsere Freundin Margaret von Hessen. Edda Moser, Dietrich Fischer-Dieskau und der Sprecher Charles Regnier hätten auf der Bühne agieren müssen. Hans hätte dirigieren sollen, aber sie haben es ihm verunmöglicht. Studenten hatten eine rote Fahne am Podium befestigt, und Hans weigerte sich, sie zu entfernen. Es herrschte ein Riesenkrawall, und der Chor des RIAS weigerte sich, unter roten Fahnen zu singen, die Polizei kam mit ihren Schilden herein, knüppelte studentische und nichtstudentische Zuschauer nieder, verhaftete den Librettisten des Stückes, Schnabel, der zudem noch verletzt wurde, weil sie ihn durch eine Glastür gestoßen hatten. Wir sind durch einen Notausgang weggegangen. Hat euch der Skandal wirklich wie ein Blitz aus heiterem Himmel getroffen? Moroni: Wir hatten keine Ahnung, was uns an dem Abend erwarten würde, und ich war richtig schockiert. Die folgenden vier, fünf Jahre waren hart. Derart schwierig, dass wir glaubten, unser Haus hier in Marino verkaufen zu müssen. Ich lieh Hans sogar von meinem Geld. In diesen Jahren wurde Hans’ Musik in Deutschland wenig aufgeführt und ihm wurde sogar der Vertrag mit seiner Plattenfirma gekündigt. 1968, im Jahr der Skandale, wohnte Rudi Dutschke nach dem Attentat für einige Monate bei euch und hatte Ruhe, um sich von seiner Schussverletzung zu erholen. Moroni: Er kam mit seiner Frau Gretchen, dem Arzt und der Krankenschwester am Bahnhof Roma Termini an, und wir holten ihn in Begleitung der Polizei ab. Im August gingen Hans und ich nach Santa Fé, wo Hans die „Bassariden“ dirigierte. Auf unserer Rückfahrt an Bord der Cristoforo Colombo sah ich nach einigen Tagen Seefahrt in einer italienischen Illustrierten Aufnahmen unserer Villa, die vom Hubschrauber aus gemacht worden waren. Ich telefonierte vom Schiff aus mit dem Personal, das mir sagte, wir sollten sofort heimkommen, weil bei ihnen eine Katastrophe ausgebrochen sei. Endlich in Neapel gelandet, sind wir per Zug nach Rom gefahren und Rudi hat uns am Bahnhof abgeholt, immer eskortiert von der Polizei. Drei Monate lang hatten wir 24 Stunden am Tag die Polizei im Haus. Wenn ich morgens einkaufen ging, hat sie mich den ganzen Weg über begleitet. Ich habe sie aber trotzdem ausgetrickst, habe aber auch mit ihnen in der Küche Karten gespielt. Mit Dutschke hatte ich jedoch wenig Kontakt.

Foto: Fausto Moroni

crescendo 04 2006 23 | henze

Sie haben gemeinsam gelitten und gemeinsam Erfolge gefeiert: Fausto Moroni Henze (links) mit seinem Partner, dem Komponisten Hans Werner Henze.

Wie ging es dir, als ihr 1969 auf Kuba wart? Moroni: Der Aufenthalt war wunderbar, aber auch hart, weil wir bald dahinter kamen, dass wir mit „Wanzen“ ausspioniert wurden. Ich merkte es, weil, wann immer in unserem Hause ein kritisches Wort über die Lage in Kuba gefallen war, unser jeweiliger Gast tags darauf spurlos verschwand. Es wurde alles überwacht, und das war nicht sehr angenehm. Auch, weil wir nicht nach Kuba gegangen waren, um die Konterrevolution anzuzetteln. Und leider waren auch unsere besten Freunde, die uns zu Hause besuchten, Spione. Hans schreibt, dass ihr auch an Ernteeinsätzen teilgenommen habt. Moroni: Hans und ich, wir haben Zuckerrohr geschnitten und auf die Laster geschmissen, in den Baracken geschlafen, umzingelt von Ratten, und sind morgens zur Arbeit auf die Felder gegangen. Dann haben wir gemeinsam mit Alicia Alonso und ihrer Ballett-Gruppe die Kaffeeplantagen gegen eine Mikrobe desinfiziert, die die Ernte beinahe zerstört hätte. Und da wir von unseren Reisen sprechen, fällt mir ein, was wir in Costa Rica erlebt haben. Hans ist eines Tages in der Sonne am Pool eingeschlafen und hat sich einen kompletten Sonnenbrand geholt. Weil ihm das schon einmal passiert war, wusste ich, dass ich ihn in sehr warmes Wasser legen musste, um die Verbrennungen zu lindern. Ich habe ihn in eine Badewanne gelegt, aber das Wasser war dermaßen heiß, dass er komplett gesotten war. Also mussten wir nach Sacramento gehen, auf 2000 Meter Höhe in den Bergen, wo es verdammt kalt war. Zur Erwärmung habe ich 200 Kerzen angezündet und ihn auf die Schultern genommen, um ihn umzubetten. Damals rauchte er noch, und ich bin also runtergegangen nach San José di Costa Rica, um diese

besonderen Zigaretten für ihn aufzutreiben. Man hatte mir eine Adresse genannt, ich zog los und landete in einem Bordell. Mutig sagte ich: „Ich habe eine Verabredung mit Maria“, und wer kam da auf mich zu? Ein Transvestit namens Maria. Wir sind in das Elendsviertel von San José gegangen, und diese Maria fragte mich: „Wie viele willst du?“ und ich antwortete „fünfzig“. „Dann müssen wir warten, weil sie sie Stück für Stück fabrizieren.“ Kurz und gut, ich wartete und ging mit diesem Transvestiten auf den Straßen von San José spazieren. Werde ich nie vergessen. Wie war es für dich, vierzig Jahre im Schatten einer Persönlichkeit wie Hans zu leben? Moroni:Die ersten zehn Jahre waren wirklich sehr schwierig. Ich habe sehr gelitten, vor allem, weil ich kein Deutsch und Englisch konnte und die Musikwelt und die Menschen nicht kannte. Es war schlimm. Wie hat Hans sich in den vierzig Jahren des Zusammenlebens verändert? Moroni: Überhaupt nicht, Hans ändert sich nicht, er hat seine ureigene Linie. Er ist immer sehr anspruchsvoll gewesen, lässt dir nichts durchgehen. Er ist keine Person, die sich ändert, aber glücklicherweise bin ich gewachsen. Ins Deutsche übersetzt von Karl-Alfred Wolken

Hans Werner Henze: Komponist der Gegenwart: Michael Kerstan, Clemens Wolken (Hrsg.), mit Texten von Kurt Masur, Sir Peter Jonas, Riccardo Chailly, Christian Thielemann, Ingo Metzmacher u.a. Henschel, 34,90 Euro.

Mehr Henze auf der crescendo-premium-CD


PRÄSENTIERT

Starbesetzung der Sonderklasse! „Kasarova, Röschmann, Schade – Ein Trio zum Träumen“ Die Welt Wolfgang Amadeus Mozart

LA CLEMENZA DI TITO Salzburger Festspiele, 2003

Michael Schade Vesselina Kasarova Dorothea Röschmann Barbara Bonney Elina Garanc ˇa Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor Wiener Philharmoniker NIKOLAUS HARNONCOURT Inszenierung: Martin Kus ˇej DVWW-OPCLETI (2 DVDs)

Alban Berg

LULU

Opernhaus Zürich, 2002

Laura Aikin

Alfred Muff · Peter Straka Cornelia Kallisch Steve Davislim Orchester der Oper Zürich

FRANZ WELSER-MÖST Inszenierung: Sven-Eric Bechtolf DVWW-OPLULU

Claude Debussy

PÉLLEAS ET MÉLISANDE

Opernhaus Zürich, 2004

Rodney Gilfry · Isabel Rey Michael Volle · László Polgár Cornelia Kallisch Zusatzchor Opernhaus Zürich Orchester der Oper Zürich

FRANZ WELSER-MÖST Inszenierung: Sven-Eric Bechtolf DVWW-OPPEM (2 DVDs)

GÜNTER WAND

dirigiert Bruckner und Beethoven Schleswig-Holstein Musik Festival, 1990

Bruckner: Symphonie Nr. 4 „Romantische“ Beethoven: Ouvertüre „Leonore III“

NDR Sinfonieorchester

GÜNTER WAND DVWW-COWAND5

Vertrieb in Deutschland:

www.tdk-music.com

D

as Bremer Theater hat in der deutschen Theaterlandschaft eine große Tradition. Basierend auf den goldenen Jahren der „Hübner“-Ära verbinden sich mit diesem Theater so bedeutende Namen wie Stein, Zadek, Minsk – aber auch Arbeiten von Tabori und Rainer-Werner Fassbinder. Der dienstälteste amtierende Intendant Dr. Klaus Pierwoß hat in seiner Ära an diese große Theatertradition angeknüpft: Als Theatermacher hat er mit Christof Loy, Claus Guth, David MouchtarSamorai und auch Konstanze Lauterbach immer wieder exzellente Theaterproduktionen auf die Bremer Bretter gebracht. Die Geschichte der Musikalischen Oberleitung, zwischen Musiktheater und Philharmonie, hat als Generalmusikdirektoren ebenfalls so bedeutende Namen wie Peter Schneider, Marcello Viotti oder Günter Neuhold beheimatet, die leider in jüngster Zeit nicht fortgeschrieben werden konnte. An dieser für das Haus so wichtigen Position

werden.

muss zukünftig nachgebessert

Ein weiteres Problem kam in Bremen zudem in den letzten Jahren sehr offen zu Tage: Die Finanzsituation der öffentlichen Hand. Da das öffentlich subventionierte deutsche Theatersystem an die Tarifbedingungen des Öffentlichen Dienstes gekoppelt ist, haben sich hier in Deutschland eine

erhebliche Teuerung der Personalkosten

und eine Überbürokratisierung der Theaterapparate entwickelt. Das deutsche Stadttheater mit seinem Repertoiresystem steckt bei inzwischen 92% festen Personalkosten und einem durchschnittlichen Kostendeckungsgrad von 15% in der Falle. Zumal der kommunale Träger als Tarifpartner des Öffentlichen Dienstes auf Arbeitgeberseite die selbst ausgehandelten Tarifsteigerungen nicht mehr über Subventionserhöhungen tragen kann und diese Mehrausgaben an die Theater weiter gibt. Wir wissen alle, dass die öffentliche Hand in Deutschland auch in Zukunft nicht mehr Geld zur Verfügung haben wird, selbst wenn der Wille zur Förderung der öffentlichen Aufgaben da wäre. Dies führt zwangsläufig zu drastischen Sparmaßnahmen – auch an den Theatern. So ist dies auch seit Jahren in Bremen, wo Generalintendant Dr. Klaus Pierwoß gerade sehr medienwirksam seinen dritten Bremer Theatertod verkündet – als Antwort auf erneute Kürzungen durch die Stadt Bremen sowie auf die plötzliche Erkenntnis, dass das Theater einen Schuldenberg von über 4,5 Millionen angehäuft hat. Ich denke, wir Kulturschaffenden müssen in Deutschland inzwischen die Antworten auf die Probleme der Zukunftssicherung selber geben und Strukturen schaffen, in denen die Möglichkeiten freigesetzt werden, die das Theater als Ö F F E N T L I C H E , G E S E L L S C H A F T S B I L D E N D E I N S T I T U T I O N hat. Lediglich flächendeckend zu sparen hilft niemandem und ist keine Antwort. Nur wir Theater- und Kulturmanager haben die Mittel und das Know-How, unsere eigenen Apparate zu hinterfragen und sie durch Komplementärwissen darüber, wie das internationale Theatersystem mit seinen vielen Facetten und Lösungsansätzen funktioniert, erfolgreich umzugestalten. Die Konkurrenz des Theaters gegenüber dem Kino, den Medien in einer Dienstleistungs- und Freizeitgesellschaft ist sehr groß geworden. Die Selbstverständlichkeit, mit der bis vor einigen Jahren Kultur und Theater rezipiert wurden, nimmt ab. Auch dieser . Darin liegt Umstand erfordert für mich die spannende Herausforderung meiner neuen Tätigkeit am Bremer Theater. Ich bin mir sicher, dass wir neue Antworten geben können, dass wir neue Strukturen schaffen, die zukunftsträchtig sind. Uns wird gemeinsam die Schaffung eines neuen Bremer Theatermodells gelingen. Das bedeutet zunächst die Entwicklung neuer Instrumente und neuer Strukturen. Eine Abteilung Development (Entwicklung) wird dabei wichtige und zukunftsweisende Aufgaben übernehmen. In ihr liegt der Kern der Innovation. Diese Abteilung wird die Aufgabe haben, neue Partner für das Bremer Theater zu binden, bürgerschaftliches Engagement zu bündeln und so das Bremer Theater ins Zentrum der Bremer Bürgergesellschaft zu stellen. Es geht dabei auch um die Etablierung eines großen Förderkreises, der als „Vierstufenmodell“ mit einem Premiumzirkel ausgebaut wird. Die wichtigsten Partner aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik sollen stärker als bisher Partner

neue Wege und Antworten


crescendo 04 2006 25 | essay

Was bisher geschah ...

des Bremer Theaters werden. Sie werden als Förderer, Sponsoren, neben- und ehrenamtliche Helfer stärker in die Arbeit des Bremer Theaters einbezogen. Weiterhin gilt es, durch zahlreiche Zusatz- und Sonderveranstaltungen in enger Zusammenarbeit mit engagierten Institutionen und Vereinen, ein interessiertes, aber auch neues Publikum für die einzelnen Theaterprojekte und Produktionen zu gewinnen. Zudem hilft der zu einem großen Edukationschwerpunkt, große Teile der Gesellschaft zu binden. Wichtig für die hier skizzierten Vorhaben ist dabei an erster Stelle das Branding des Theaters, das Herausarbeiten eines klaren Profils für das Bremer Theater. Wofür steht dieses Theater, wofür stehen die einzelnen Spielstätten und Sparten? Welche Identifikationsmöglichkeiten bieten wir an, wie ist die künstlerische von Hans-Joachim Frey: Ausrichtung des Hauses? Nur ein starkes Profil findet auch Partner, die, sei es als Sponsor oder durch inhaltlichen Input, bereit sind, sich für das Bremer Theater zu engagieren, die sich in diesem Haus aufgehoben wissen, weil ihnen hier Aufmerksamkeit und Identifikation mögFür einige ist er eine Hassfigur, für andere ein lich gemacht wird. möglicher Erlöser: Wenn Dresdens Opernchef Meine Vision für das Bremer Theater ist ein „Internationales KulturForum Bremer TheaIntendant in Bremen wird, will er das Stadttheaterter“. Internationale Projekte und überregionale System auf den Prüfstand stellen. Exklusiv für Ausrichtung, verbunden mit lokaler Identifikation. Ein Theater für alle, das über die crescendo hat er seine Überlegungen aufgeschrieTheaterproduktionen hinaus auch als Forum ben. Ein streitbares Thesenpapier. für Kongresse, als ein Ort für den Austausch zwischen den gesellschaftsprägenden Kräften genutzt werden soll. Ich assoziiere mit dem „Internationalen KulturForum Bremer Theater“ Begriffe wie I N N O V A T I O N , K R E A T I V I T Ä T ,

dient Schauspiel, Oper, Bal-

T R A D I T I O N , W E R T E O R I E N T I E R U N G , V E R T R AU E N S W Ü R D I G K E I T, E M O -

Theaterlandschaft. Frey ist

T I O N A L I T Ä T , D Y N A M I K , höchsten Anspruch und Qualität.

als Neudenker bekannt. Ist

ARBEIT

AUSBAU DER KINDER- UND JUGEND-

Ende der

Normalität

Alle strukturellen und finanziell neu erarbeiteten Spielräume dürfen nur ein Ziel haben: bestmögliches Theater auf allerhöchstem Niveau, das gesellschaftsbildende Wirkung hat und der Kern der geistigen Auseinandersetzung mit der Gegenwart ist. Die besten Regisseure, Bühnen- und Kostümbildner, gute Schauspieler, Sängerdarsteller und Tänzer müssen an das Haus gebunden werden. Ein besonderer Schwerpunkt wird die Förderung der besten jungen Künstler weltweit sein, deren Biografien durch Bremen eine besondere positive Dynamik gewinnen sollen. Eine langfristige Planung und Verlässlichkeit sorgt für eine hohe Transparenz und eine sehr frühe Veröffentlichung der Saisoninhalte. Schon im März 2007 wird die neue Spielzeit 2007 / 2008 der Öffentlichkeit vorgestellt und mit genauen Vorstellungsangaben unterlegt. Die Spielzeit kann so auf der ITB in Berlin vorgestellt werden und mit zahlreichen Partnern aus der regionalen und überregionalen Tourismusbranche angeboten werden. So kann ein Steuerungsinstrument geschaffen werden, das hilft, langfristig viele zusätzliche Besucher an das Bremer Theater zu binden.

Das Goethetheater in Bremen ist zum deutschen Präzedenzfall geworden, hier wird sich schon bald entscheiden, ob sich Städte lokale Bühnen noch leisten können. Das Haus in der Hansestadt ist Vier-Sparten-Theater, belett und Kindertheater. Aber wie lange noch? Als die Stadt Bremen am 30. März 2006 den Vertrag über die Generalintendanz des Bremer Theaters mit dem Opernleiter der Semperoper in Dresden, Hans-Joachim Frey, abgeschlossen hat, ging ein Beben durch die

es sinnvoll in allen Städten ein Repertoiretheater zu betreiben, an dem viele Produktionen in engen Zeiträumen abwechselnd auf der Bühne zu sehen sind? Oder muss sich auch die Theaternation Deutschland an Ländern wie Frankreich oder Italien

Diese Langfristigkeit hilft dann auch bei Strukturveränderungen im Spielplan, so dass die Vorstellungen mehr und

mehr im EnBloc-System eines SemistagionePrinzips angesetzt werden können. Das spart Lagerzeiten, zusätzliche Transporte und Ab- und Aufbauzeiten

auf der Bühne und sichert zusätzlichen finanziellen Spielraum für besondere künstlerische Projekte. Zudem wird es verstärkt künstlerische Koproduktionen mit anderen Bühnen weltweit geben. Im Moment werden Partner-Bühnen gesucht, die ähnliche technische Voraussetzungen haben und ein ähnlich gelagertes entwickeln. Die Spielzeiten sollen in Zukunft bestimmten Nationen zugeordnet werden. Bremen als weltoffene deutsche Stadt präsentiert sich so in Verbindung mit jeweils einem europäischen und einem außereuropäischen Partnerland. Wir zeigen Produktionen, die sich entweder inhaltlich oder durch die Einbindung von international ausgesuchten Künstlern an diesen Ländern orientieren. Damit möchten wir Internationalität, zusätzliche Identifikationen und Ausrichtungen erreichen und die Bindung zahlreicher weiterer Partner aus Wirtschaft und Politik schaffen. Das sichert langfristig auch zusätzliche Finanzquellen und hilft vor allem die künstlerische Qualität des „Internationalen KulturForum Bremer Theater“ zu sichern. Hoffen wir, dass es gelingen wird, das Angedachte umzusetzen um die künstlerische Profilierung dieses großartigen, traditionsreichen Theaterstandortes auszubauen.

künstlerisches Profil

spannende Zeit vor uns.

Es liegt also eine sehr

Bajazzo-Prolog auf der crescendo-premium-CD

orientieren, die im StagioneRhythmus spielen, also eine Produktion aufnehmen, sie einige Male zeigen und dann wieder verschwinden lassen?

Hans-Joachim Frey Derzeit leitet er noch die Oper in Dresden. Aber 2007 wird er Intendant in Bremen und will die alten Strukturen aufräumen.


hifi | 26 crescendo 04 2006

Innovationen

das Wohnz Ein Fest für Experten – ein Dschungel der Neuheiten für Anfänger. Auf der „High End“ ist die Zukunft zu sehen und zu hören. Welche Geräte sind wirklich nützlich? crescendo berät Sie. Von Marius Dittert Die „High End“ ist so etwas wie der Gral der Highfidelity. Eine Messe der Superlative: 200 Aussteller, 600 Marken und tausende Besucher. Es wird ein Treffen der Hifi-Experten werden, wenn sich die Kojen im MunichOperation-Center vom 25. bis 28. Mai öffnen. Natürlich wird auch crescendo vertreten sein. Um Ordnung in das Chaos der Innovationen zu bringen. Welchen praktischen Wert hat die „High End“ – und welche neuen Geräte sollten auch in Ihrem Wohnzimmer landen? Die „High End“ versteht sich seit 25 Jahren als Bindeglied zwischen traditionellen und zukunftsweisenden Technologien. Die Organisatoren wollen „das musikalische Ereignis unverfälscht und mit höchster Präzision ins Wohnzimmer transportieren.“ Diesem hohen Anspruch genügt auch das allerneueste Equipment nicht immer. Im Gegenteil. Gerade Geräte, die längst unter der Firmierung „Gaslicht“ laufen, müssen, um ein Zitat Herbert von Karajans abzuwandeln, auch heute noch vor allen Dingen eines leisten: durch überragenden Klang überzeugen. Ein gutes Beispiel dafür sind die auf der „High End“ traditionell zahlreich ausgestellten Schallplattenspieler.

Innovation und Tradition Während in anderen Branchen älteres Equipment zumeist wirklich an „Gaslicht“ erinnert, gibt es in der HiFi-Branche ein seltenes Miteinander von Innovation und Tradition. Scheinbar antiquierte Gerätschaften, wie sanft glimmende und klingende Röhrenverstärker, werden auf dem 14.000 Quadratmeter großen Messe-

gelände völlig ungeniert neben ultra-modernen, ultracoolen Digitaltechnologien präsentiert. Beim Streben nach möglichst unverfälschtem und wirklichkeitsgetreuem Klang haben Aufnahmen klassischer Musik schon immer eine entscheidende Vorreiterrolle gespielt: Die ersten kommerziellen Stereo-Langspielplatten, die Mitte der Fünfziger Jahre auf den Markt kamen, stammten nicht etwa vom „King“, Elvis Presley, sondern firmierten unter der Bezeichnung „Living Stereo“ und ließen Künstlerpersönlichkeiten wie Jascha Heifetz, Charles Munch oder Fritz Reiner hören. Klassik-Kunden haben die besten Ohren. Das wissen auch die Hersteller. Deshalb waren Aufnahmen mit klassischer Musik stets Avantgarde in Sachen guter Ton – und sind es bis heute geblieben. Das machen die neuesten technischen Errungenschaften einiger Aussteller besonders deutlich, die mit nützlichem Equipment gerade ihre Klassik-Kunden ansprechen. Zum Beispiel Sony. Die japanische HiFi-Schmiede, die schon immer ein großes Herz für Audiophile hatte und die zu den entscheidenden Erfindern der Compact Disc und Super Audio CD (SACD) gehörte, glänzte in früheren Zeiten bereits mit überwältigend verarbeiteten (und ebenso klingenden) CD-Playern. Dieses Jahr stellt Sony neue Kopfhörer vor. Der crescendo-Partner Sony liefert die Technik zum Hör- und Seherlebnis: Genießen Sie in der crescendoLounge bei einem Cappuccino entspannt die neuesten Klassik-Produktionen auf einem Großbild-FlatscreenTV in hochwertigem Surround-Sound (5.1-MehrkanalAnlage inklusive). Wir zeigen teilweise noch unveröffentliche, gut gelungene Klassik-DVDs, unter anderem mit Anna Netrebko und Lang-Lang.


für

zimmer

BESSER ALS L I V E.

Kabellose Freiheit Besser als viele Boxen, die mit Raumakustik und Umgebungsgeräuschen fertig werden müssen, klingt klassische Musik über Kopfhörer. Hören Sie mit Ihren eigenen Ohren über die beiden aktuellen Sony-High End-Modelle MDR-SA3000 und MDR-SA5000. Sie haben einen Frequenzumfang von 5 bis 110.000 Hertz und eignen sich so optimal für die gesteigerten dynamischen Anforderungen der SACD. Schätzen Sie die kabellose Freiheit und wollen trotzdem nicht auf den Raumklang verzichten? Dann werden Sie Freude an den Surround-Funkkopfhörern finden, die Sie in der crescendo-Klassik-Lounge ausprobieren können.

crescendo auf der „High End“

Foto: Sony

Besuchen Sie die crescendo-Lounge auf der „High End“ (Studio C/D, Atrium 3, 2. Obergeschoss). Wir helfen Ihnen im praktischen Umgang mit der Technik und geben neue Einblicke.

- Hifi-Beratung (Täglich 12-13 Uhr): HiFi-Spezialist Marius Dittert erklärt anhand eines schlichten Klangvergleichs von drei Geräten, worauf man beim Kauf einer HiFi-Anlage achten sollte.

Der jüngste Spross der SonyWalkman-Reihe spielt jetzt auch DVDs und versteht sich hervorragend mit den SACD-tauglichen kabellosen Kopfhörern: Das Gerät ist gerade mal halb so groß wie dieses Heft und spielt unterwegs, im Zug, im Flugzeug oder im Auto ihren Wunschfilm auf DVD. Natürlich ist die Displaygröße mit einem Fernseher nicht vergleichbar, aber durch den geringeren Betrachtungsabstand wirkt das Bild erstaunlich groß. Diese Weltneuheit können Sie erstmals bei uns auf der „High End“ natürlich auch testen. Bilden Sie sich an den drei Teststationen der Klassik-Lounge einfach Ihre eigene Meinung.

- Sprechstunde (13-14 Uhr): Marius Dittert beantwortet persönlich Ihre Fragen. - Wagner-Klang (15-17 Uhr): crescendo-Chefredakteur Axel Brüggemann setzt sich kritisch mit aktuellen und historischen WagnerAufnahmen auseinander und liest aus seiner neuen Wagner-Biographie. - Klassik-Klatsch (17-18 Uhr) : StimmExperte Thomas Voigt plaudert mit dem Klassik-Novizen Tom Beivers über StimmLegenden.

Die Erlebnismesse für exzellentes Stereo-, TV und Home-Cinema-Equipment.

M,O,C, München 25. - 28. Mai 2006 w w w. h i g h e n ds o ci et y. d e > H I G H E N D J E T Z T lo g k a ta M e s s e rd e rn ! a n fo


Süddeutsche Zeitung Festival Open Air ’06 Jazz & Classics im Brunnenhof der Residenz München So, 25.06. 20 Uhr

Sa, 29.07. 20 Uhr

Irish Folk meets Opera

Orchestra di Padova e del Veneto

Celtic Tenors

Mozart-Serenade

Mi, 28.06. 20 Uhr

Jazz and Blues Night Barrelhouse Jazzband & Harriet Lewis

Do, 29.06. 20 Uhr

Strangers in the Night The Blue Eyes BigBand spielt Sinatra

Fr, 30.06. 20 Uhr

Jazz-Frühschoppen

Axel & Torsten Zwingenberger The Boogie Woogie Brothers

So, 30.07. 20 Uhr

„Contratiempo“ – Flamenco Compañia Maria Serrano

Hanna Schygulla

Mi, 02.08. 20 Uhr

Musical Sommer Gala

Der Tango, Borges und Ich

M0, 03.07. 20 Uhr

Romantische Serenade Bach Collegium München

D0, 06.07. 20 Uhr

Uwe Kröger & Friends

So, 06.08. 11 Uhr Matinee

Una festa sui prati Konrad Beikircher singt Celentano

„Unforgettable“ Nat King Cole

Do, 10.08. 20 Uhr

Melvin Edmondson & BjörnVüllgraf Orchester

The Swingle Singers A cappella Weltklasse live!

Sa, 12.08. 20 Uhr

Mo, 10.07. 20 Uhr

Carel Kraayenhof

S0, 30.07. 11 Uhr

Bandoneon

Morricone meets Tango

Di, 11.07. 20 Uhr

Von Babelsberg nach Hollywood

Melodien großer Hollywood-Filme Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz

High Society – Louis Armstrong The Louis Armstrong Revival Band

So, 13.08. 20 Uhr

Cuba Party

Sonora Universal Mit Salsa-Kurs ab 19:15 und Freigetränk!

Fr, 28.07. 20 Uhr

Vivaldi im Brunnenhof Orchestra di Padova e del Veneto Preise von E 19 bis 49

musikerlebnis-Tel. 0800-545 44 55 · SZ-Ticket Tel. 01805-69 54 00

www.musikerlebnis.de


crescendo 04 2006 29 | reise

Malta, Insel für das Auge und das Ohr: Die Landesflagge, Marsamxett Harbour, erfolgreicher Fischfang, eine Volkstanzgruppe, das Auditorium auf Gozo, Hafen von Luzzu und der Palast Grand Masters (v.li.).

Ruhestörung auf

den Inseln

Umgeben vom Wasser, abgeschieden von der Welt: Inseln sind schon immer ein Ort musikalischer Sehnsucht. Nun haben sie die Musik für sich entdeckt und locken mit Festivals. Von Moritz Meinken.

Als der Tenor Joseph Calleja 19 Jahre alt war und auf der Bühne des Astra Theatre in Victoria, auf Maltas Schwesterinsel Gozo, den Mcduff aus Shakespeare‘s „Macbeth“ spielte, war er noch unbekannt. Gozo ist eine kleine, ländlich geprägte Insel. Im Winter und Frühjahr bedeckt ein Teppich aus blühenden Kräutern das Land. Im Sommer blühen Oleander, Bougainvillea und Geranien. Barockkirchen und alte Bauernhäuser aus Stein sind die typischen Bauten. Inzwischen verliert dieses Idyll regelmäßig seine Gelassenheit, wenn Joseph Calleja an den Ort seiner Anfänge zurückkehrt – als Weltstar. Dann ist das Astra-Theater ausverkauft und

die Insel steht Kopf. Am 8. Juli gibt der Tenor auf der Halbinsel „Manoel Island“ ein Konzert mit den Sopranistinnen Tatiana Lisnic, Elena Zaremba, dem Bariton Vittorio Vitelli sowie dem Royal Liverpool Philharmonic Orchestra. Auch andere Künstler haben die Abgeschiedenheit der Inseln längst entdeckt. Peter Maxwell Davies ist „Composer in Residence“ beim idyllischen „St Magnus Festival“ auf den Orkney-Inseln, auf dem die BBC Philharmonic spielen. Justus Frantz zieht sich regelmäßig nach Gran Canaria zurück und lädt seine Besucher zum Finca-Festival (14.-22.7.). Dieses Jahr heißt das Motto „Mostly Mozart“. Aber auch die Musik der Moderne erhält Einzug. Vor zwei Jahren wurde hier Peter Ruzickas „Gran Canaria Sinfonietta“ uraufgeführt, dieses Jahr Noam Sheriffs „Gran Canaria“. Selbst auf Mallorca wird der „Ballermann“ allmählich von der Klassik übertönt. Die „MusicaMallorca“ (17.10.-10.11.) lockt mit Konzerten, Mozart-Abenden und Liederabenden des Tenors Siegfried Jerusalem. Info Malta: Tel. 069-92187482, www.visitmalta.com, St Magnus Festival: www.stmagnusfestival.com, Finca-Festival: Tel. 040-3232070, www.philharmonie-der-

Joseph Calleja Als Teenager hat er Heavy Metal gesungen, liebte „Iron Maiden“ und „Metallica“. Er trug lange Haare und lebte das wilde Malteser Leben. Dann hat Calleja Caruso und Mario Lanza gehört – und wollte Tenor werden. Einige Kritiker glauben, dass er bis heute zu viel schreit, zu viel Heavy Metal bei Puccini und Verdi hören lässt. Aber der Tenor ließ sich nicht abhalten. Er nahm Unterricht bei Paul Asciak, dem bekannten Malteser Tenor der 50er Jahre, und sang sich in die internationale Weltspitze. Inzwischen liegen zwei Recitals von ihm bei Decca vor.

nationen.de, MusicaMallorca: www.musicamallorca.com

Mehr Calleja auf der crescendo-premium-CD

Foto: Decca

Wenn Operncharaktere sich von SopranKoloraturen ausruhen müssen, dann schicken Komponisten sie gern auf die Insel – so wie Richard Strauss seine Ariadne auf Naxos ausharren ließ. Und eigentlich hat sich bis heute nichts an den Inseln und ihren musikalischen Bedeutungen geändert: Sie sind Orte der Sehnsucht, Entspannung und Weltverlorenheit. Von Mallorca über Gran Canaria, die Orkney-Inseln bis Malta bieten sie ihren Gästen aufregende Musik-Veranstaltungen.


plus regional mitte | 30 crescendo 04 2006

„Hölderlins Wahnsinn“ von Elsie Russell

Der Wahnsinn begann ungefähr im Jahre 1802. Da brach der Dichter Friedrich Hölder-lin zu einer suizidhaften Wanderung auf – „dem Kaukasos zu“ sollte es gehen. Er wollte zurückwandern in eine Welt, in der alles anders war, zurück in die Antike. Die Reise wollte er zu Fuß absolvieren – aber der Schöngeist kam nicht weit. Schon in den Schweizer Alpen wurde er niedergeschlagen und ausgeraubt. Den Rest seines Lebens verbrachte er mehr oder weniger im Wahn.

Foto: Katalog

Gemeinsam mit Siegfried Thieles „Abendphantasie“, Nikolaus A. Hubers „Ohne Hölderlin!“, György Ligetis „Der Sommer“, Heinz Holligers „Unerlaubte Gedanken zu Hölderlins ‚Tinian‘“ und Georg Friedrich Haas‘ „aus freier Lust … verbunden“. Ein Kaleidoskop der aktuellen Hölderlin-Rezeption. Am 6. Juli werden dann Rihms „Wölffli-Liederbuch“, „Neue Friedrich Hölderlin wollte der Antike entgegen wandern Alexander-Lieder“ und „Tutuguri und wurde verrückt. Seine Werke inspirieren Komponisten VI (Kreuze)“ neben Werken von bis heute. Unter dem Motto „Wahn? Sinn!“ nimmt der MDR Hermann Keller gegeben. Rihms Sehnsucht in der Musiksommer sie unter die Lupe. Von Moritz Meinken Kunst gilt der „größtmöglichen Sinnlosigkeit bei formaler KlarDas Leben Hölderlins und seine Werke bieten sich an, in Musik gegosheit“. Kunst schafft bei ihm die Vergewisserung im alltäglichen Wahn, ersen zu werden. Weil sie den Grenzbereich menschlichen Seins abtasten, das möglicht aber auch immer die Erfahrung eines möglichen Endes der Kunst an Transzendieren zwischen der sogenannten „Wirklichkeit“ und der Welt als sich. So empfindet Rihm seine auf fragmentarisierte, sinnlose, in Texten von private und zutiefs subjektive Vorstellung. Und mehr noch: Hölderlin war immer Hölderlin, Nietzsche, Artaud, Celan vorgefundene Sprache als „Ausschlag des auch ein exzessiver Grenzgänger, ein Modernisierer seiner Zeit aus dem Geist Pendels“, als Schwungholen, als ein „Werkzimmer“. Die Komponisten-Klause der antiken Tradition. Er war ein Mensch, dessen Leben selbst zum absurden wird zum Hölderlin-Turm. Zum Ort der Weltflucht, in dem es um nichts anderes Kunstwerk wurde. Die letzten 36 Jahre hauste der Autor des „Hyperion“ abgeht als um eine (Er)findung der Welt zwischen Wahn und Sinn. geschlossen von der Welt im Tübinger Turm seines Freundes und Verehrers, des Tischlers Ernst Zimmer. Der MDR Musiksommer Friedrich Hölderlin wurde von Hanns Eisler, Max Reger und Stefan Wolpe

Wahnsinn in der Musik

vertont und ist noch immer aktueller Bezugspunkt für Komponisten wie Wilhelm Killmayer, Aribert Reimann, Manfred Trojahn, Moritz Eggert, Jan Müller-Wieland und Wolfgang Rihm. In den Werken des Karlsruher Tonsetzers lässt sich eine besondere Nähe zum Dichter aufspüren: Rihm hat – ebenso wie Hölderlin – einen Faible für die Antike und dem „Ödipus“-Mythos Töne gegeben. Außerdem kreist bei ihm die Musik immer wieder um den Wahnsinn der Dichter, so wie in der biographischen Oper „Lenz“. Rihms „Hölderlin-Fragmente“ für Mezzosopran und Klavier stehen am 5. Juli unter dem Motto „Wahn? Sinn!“ beim MDR Musiksommer auf dem Programm.

Neben dem eher kleinen Festival im Festival, der Reihe „Wahn? Sinn!“, hat der MDR Musiksommer (1.7.-3.9.) folgende Schwerpunkte: Unter dem Titel „Ein Treffen mit Mozart“ dreht sich alles um den Jubilar, acht Ensembles kümmern sich um „Johann Sebastian Bach und seine Städte“, es gibt „Konzerte entlang der Straße der Romanik“, „Konzerte auf der Wartburg zu Eisenach“ , die „Gartenträume“ und die Reihe „Lebendige Klöster.“ MDR Musiksommer: Tel. 0341-141414, www.mdr.de/musiksommer


crescendo 04 2006 31 | plus regional mitte Foto: Art des Hauses / Daniel Klafke

Warten auf die One-Man-Show: das Klavierfestival Ruhr.

Klavier-Festival Ruhr

Foto: April Jazz Espo

Leistungsschau in schwarz-weiss

Auf keinem Gebiet der Klassik geht es unübersichtlicher zu als beim Klavierspiel. Tastenstars werden täglich geboren und verbrennen allabendlich. Das Klavier-Festival Ruhr hat es sich zur Aufgabe gemacht, Ordnung in die schwarz-weiße Welt zu bringen, die Stars zu feiern und den Nachwuchs zu entdecken. Wenn Intendant Franz Xaver Ohnesorg ruft, kommen alle, die etwas in Musik zu sagen haben: die One-Man-Boy-Group am Flügel, Martin Stadtfeld, Boris Berezovsky, Heinrich Schiff, Lars Vogt, der russische Tasten-Berserker Mikhail Pletnev, Christian Zacharias und viele andere. Sie spielen allein, in kammermusikalischen Formationen oder in großen Sinfoniekonzerten– das Ruhrgebiet wird zur ultimativen Leistungsschau an den Tasten.

Foto: Joerg Hejkal

Klassik, Jazz, et cetera...

Foto: Festival Wiltz

Open Air im Burgtheater

Junge Sommernacht der Klassik “Viva Amadeus!” Wolfgang Amadeus Mozarts schönste Werke vorgestellt von jungen Nachwuchskünstlern

Konzert für Horn & Orchester Nr. 2 Es-Dur Konzert für Klavier & Orchester Nr. 21 C-Dur Auszüge aus “Die Zauberflöte” Sinfonie Nr. 41 C-Dur “Jupiter” Neue Philharmonie Westfalen Leitung: Gregor Bühl

Freitag 2. Juni 2006 19.00 Uhr Freilichtbühne Burgtheater Dinslaken

Tickets an allen Vorverkaufsstellen und unter

www.fantastival.de

Klavier-Festival Ruhr (30.5-18.8.): Tel. 0180-5001812 (12Ct/Min) , www.klavierfestival.de

Festivals und Philharmonie in Luxemburg

foto: Festival Echternach

Stadtwerke Dinslaken präsentieren:

„Die ganze Welt der Musik“ ist das Motto der Philharmonie in Luxemburg – und es könnte das Motto für das gesamte Land sein, das mit Konzerten und Festivals durch den Sommer geht. In der Philharmonie (siehe Seite 18) kommen die „Musica Antiqua“ aus Köln (27.5.), das „Concentus Musicus“ (31.5.) und Thomas Hampson (14.6.). Klassik und Jazz vereinen sich beim Echternach Festival (10.5.-2.7.). In 18 Veranstaltungen reist die musikalische Weltelite an. Pianisten wie Alfred Brendel und Martha Argerich, der russische Klavierspieler Evgeny Kissin. Das argentinische Duo Augustina Videal und Claudio Aspera spielen Werke von Piazolla, und der Jazzgitarrist Larry Coryell tritt gemeinsam mit dem Luxemburger JazzOrchester auf. Das Europäische Freilichtfestival in Wiltz bietet Schnittmengen zwischen Oper, Klassik, Jazz und Weltmusik. Unter anderem mit den Afrocuban All Stars, Peter Petroc und dem Musical „Hair“.

SCHLOSSFESTSPIELE SONDERSHAUSEN Mozart DIE HOCHZEIT DES FIGARO Sommeroper im Schlosshof Premiere: 14. Juli 2006 - 20.00 Uhr Weitere Vorstellungen: 16. I 23.07.2006 - 15.00 Uhr 21. I 22. I 28. I 29.07.2006 - 20.00 Uhr Kartenvorverkauf: Sondershausen Tel. (0 36 32) 78 81 11 Nordhausen Tel. (0 36 31) 98 34 52

Philharmonie: www.philharmonie.lu, Freilichtfestival Wiltz: www.festivalwiltz.lu, Echternach Festival: Tel. 00352-729940, www.echternachfestival.lu

Informationen unter: www.schlossfestspiele-sondershausen.de


plus regional nord | 32 crescendo 04 2006

Festspiele Mecklenburg-Vorpommern

Mozart auf Rügen und Literatur nach Noten Vom 17. Juni bis zum 16. September laden die Festspiele Mecklenburg-Vorpommern zur musikalischen Landpartie von Redefin bis Ulrichshusen und vom Klützer Winkel bis auf die Insel Usedom. Mit 104 Konzerten an 51 Spielorten sind die Festspiele das drittgrößte Klassikfestival Deutschlands. Im Mittelpunkt stehen Wolfgang Amadeus Mozart und die Frage nach Literatur und Musik. Zu den prominenten Gästen zählen der Geiger Nigel Kennedy, die Dirigenten Mstislaw Rostropowitsch und Kent Nagano sowie der Cellist Mischa Maisky. Mozart: Bei der größten Mozart-Jubiläumsfeier Norddeutschlands steht der Geiger Daniel Hope im Mittelpunkt. Am 5. August interpretiert er unter dem Motto „Happy Birthday Amadeus“ das Doppelkonzert für Violine und Klavier mit dem Pianisten Sebastian Knauer und den renommierten London Mozart Players. Außerdem beweisen die Klazz Brothers & Cuba Percussion mit ihrem Programm „Mozart meets Cuba“, dass Amadeus überall auf der Welt rockt. Den festlichen Abschluss des sechsstündigen Mozart-Marathons bildet ein Höhenfeuerwerk. Junge Musiker: Die eigentlichen Stars der Festspiele sind die jungen Musiker, die das Festival aus seiner Reihe „Junge Elite“ zu Preisträgern erhoben hat. In diesem Sommer kommen unter anderem Festspiel-Preisträger wie die Geigerinnen Julia Fischer (u.a. als Leiterin der Academy of St Martin in the Fields) und Viviane Hagner (u.a. mit Pendereckis 1. Violinkonzert unter Leitung des Komponisten) oder das schwedisch-britische Kungsbacka Piano Trio. „Preisträger in residence“ ist der Geiger Daniel Hope.

Foto: Festspiele

Musik und Literatur: In dieser außergewöhnlichen Reihe treten unter anderem die Schauspieler Armin Mueller-Stahl und Sky du Mont sowie Otto Sander und Ben Becker auf, die bei den Festspielen erstmals gemeinsam auf der Bühne stehen. Festspiele Mecklenburg-Vorpommern: Tel. 0385-5918585, www.festspiele-mv.de

Fantastival in Dinslaken

Braunschweig ClassixFestival

Das Fantastival im romantischen Burgtheater von Dinslaken lebt von seiner historischen Aura: Hinter der Bühne erhebt sich der Burgfried aus dem 12. Jahrhundert, das Theater integriert die Burgmauer und den Aufstieg zum Burginnenhof. Ein hautnahes Festival, bei dem keiner der über 1800 Besucher weiter als 20 Meter entfernt von der Bühne sitzt. Dieses Jahr (26.5.-2.6.) bietet das Fantastival in Dinslaken eine Mischung aus Folk, Klassik und Jazz. Neben Fury in the Slaughterhouse treten Tim Fischer mit seinem Programm „Regen“ auf. Abschluss ist die Sommernacht unter dem Motto: „Viva Amadeus!“

Im Mittelpunkt des 19. Braunschweig ClassixFestival (3.6.-4.10.) steht Wolfgang Amadeus Mozart. Allerdings überraschend anders. Schon beim Eröffnungskonzert beweisen die Klazz Brothers, Cuba Percussion, die Swingle Singers, Edson Cordeiro und das NDR Pops Orchestra, wie Mozart die Fantasie zu neuen Interpretationen beflügeln kann. Außerdem dabei in diesem Jahr: Weltklasse-Künstler wie der Dirigent Kurt Masur und das London Philharmonic Orchestra. Außerdem spielen das NDR Sinfonieorchester, Jacques Loussier, Yundi Li, Midori, aber auch die Tambours du Bronx und der Trompeter Till Brönner.

Beverly Daley

Fantastival Dinslaken: www.fantastival.de

Masur kommt!

Foto: Christian Steiner

Burg ohne Grenzen

Foto: Fantastival Dinslaken

Foto: Monika Lawrenz

Braunschweig ClassixFestival: Tel. 0531-222111, www.classixfestival.de


crescendo 04 2006 33 | plus regional nord

Rias Kammerchor mit Bo Holten

Sonambiente Berlin

Kunst in Klang und Bild Das sechswöchige Festival sonambiente berlin will die inzwischen alle Einzelkünste umspannende Klangkunst durch einen repräsentativen Querschnitt künstlerischer Positionen einer breiten Öffentlichkeit vermitteln. Für das Sehen, Hören und Erleben sorgen Protagonisten der internationalen Klangkunst-Szene ebenso wie neue, junge Talente mit ihren Werken.

Der Rias-Kammerchor ist eines der erfolgreichsten Stimmensembles Deutschlands. Das Abschlusskonzert der Rias-Saison macht nun mit einem Ausnahmekünstler bekannt, mit dem Dänen Bo Holten. Der Komponist und Dirigent, der 1948 geboren wurde, gilt als Provokateur, als streitbarer Querdenker im Mainstream der Neuen Musik. Er, dem Tradition weder Schimpfwort noch Schlamperei ist, Verständlichkeit ein unerlässliches Gut, Tonalität noch längst nicht überlebt, Modernismus um seiner selbst willen ein Gräuel – er hat die Courage zur Gegenrede. Den Mut zur Außenseiterrolle. Sein Chorzyklus „The Marriage of Heaven and Hell“, komponiert zwischen 1992 und 1995, fußt auf Gedichten des visionären Malerpoeten William Blake, Englands epochaler Doppelbegabung im ausgehenden 18. Jahrhundert. Holtens Vertonung, die sich vieldeutiger Einschleusungen älteren Materials bedient, lebt von raffiniert erzeugten Stimmungen, von der Lust an feinzeichnerischer Illustration und dem glaubwürdigen Bekenntnis zur Magie des Klangs. Von Stilmerkmalen also, deren Wurzeln unschwer aus dem historischen Kontext skandinavischer Musik von Grieg bis Sandström abzuleiten sind. Ist Bo Holten nur eine Randerscheinung der Gegenwartsmusik? Vielleicht. Aber auf jeden Fall auch eine der persönlichsten und ehrlichsten unserer Zeit. Rias Kammerchor mit Bo Holten (9.6., Philharmonie): Tel. 030-25488132, www.rias-kammerchor.de

Klangkunst stellt als Feld interdisziplinärer und intermediärer Arbeitsweisen von Künstlern ein längst integriertes Phänomen im internationalen Kunstbetrieb dar. Im Kontext der Kulturlandschaft Berlins soll der gewachsenen Bedeutung zeitgenössischer Klangkunst – auch angesichts der inzwischen immer häufigeren Verwendung und Thematisierung von Klang in der Bildenden Kunst – mit einem eigenen Festival Ausdruck verliehen werden. Sonambiente (1.6.-16.7.): Tel. 030-32532425, www.sonambiente.net

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10. Oldenburger Promenade

Flanieren und musizieren

Foto: Programm

Musik beim Spazierengehen: das Konzept der Oldenburger Promenade (10.-18.6.) ist anders als andere Konzert-Konzepte. Man kauft eine Eintrittskarte und kann sich drei unterschiedliche Konzerte in drei unterschiedlichen Sälen des Schlosses anhören. Zwischen den 45-Minuten-Programmen ist genügend Zeit, um von der einen zur anderen Location zu promenieren und sich im Festzelt des Schlossinnenhofes zu laben. Die Konzertprogramme sind aus unterschiedlichen Musikbereichen zusammengestellt. Jede Promenade bietet verschiedene Kombinationen aus klassischer Musik der Barockzeit und der Romantik, aus drei Jahrhunderten der Chorkunst sowie aus der Jazz- und Weltmusik. Die Lambertikirche, das Schloss und der Schlossgarten bieten für die Konzerte eine wunderbar ansprechende Kulisse. Mit dabei in diesem Jahr: das Wojciechowski Jazz Trio, das KammerOrchester Hannover u.v.a.

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Oldenburger Promenade: Tel. 0441-36118811, www.oldenburger-promenade.de

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Foto: Rias Kammerchor

Foto: Sonambiente

Modernität und Tradition


lieto fine | 34 crescendo 04 2006

Die Nase Groß und charakteristisch bei Callas, der griechischen Göttin – zu schade zum Riechen. Bei Netrebko dient das Näschen zur Witterung des nächsten Werbevertrages. Der Mund Die Lippen der Callas küssten Kennedy und Onassis. Da muss Netrebko ihren Mund noch ein bisschen spitzen.

Die Augen Verklärt nach innen gerichtet bei Callas, der Tragödin des wahren Lebens, verführerisch in die Welt bei Netrebko, der virtuellen Primadonna.

Die Kehle Aus ihrer Kehle kommt die Kreatürlichkeit, schrieb Ingeborg Bachmann über Maria Callas, aus dem Hals Netrebkos regnet es (zu)hohe Noten.

Das Kleid Callas zog Dior und Chanel an, um nicht seelen-nackt sein zu müssen, Netrebko hüllt sich in Gucci und Dolce&Gabbana, weil sie nicht dauernd nackt in der Wanne liegen kann.

Die Figur Callas war ein Pummelchen, sang und lebte sich schlank – bei Netrebko ist das umgekehrt.

Callas?

Das behaupten manche Kritiker – crescendo macht den Test. Körperteil für Körperteil.

Maria Callas. Foto aus: „Maria Callas. Die Kunst der Selbstinszenierung“, Henschel, 29.90 Euro.

Impressum Verlag:

Port Media GmbH Senefelderstraße 14, 80336 München Telefon: +49-89-741509-0, Fax: -11 email: info@portmedia.de www.portmedia.de Herausgeber: Winfried Hanuschik email: hanuschik@portmedia.de Chefredakteur: Axel Brüggemann (verantwortlich) email: brueggemann@portmedia.de Artdirector: Stefan Steitz (verantwortlich) email: crescendo-layout@portmedia.de Redaktion: Marius Dittert (Hifi) email: hifi@portmedia.de Michaela Wurstbauer

plus regional:

Projektleitung: Liselotte Richter-Lux email: richter-lux@portmedia.de Schlussredaktion: Michaela Wurstbauer Autoren dieser Ausgabe: Ferdinand Alexander, Axel Brüggemann, Marius Dittert, Hans-Joachim Frey, Winfried Hanuschik, Nike Luber, Zubin Mehta, Moritz Meinken, Klaus-Peter Maas, Anne-Sophie Mutter, Liselotte Richter-Lux, Uli Schirmer, Christian Thielemann, Harold Woetzel, Clemens Wolken Grafik und Zeichnungen: Titelseite: Wilfried Hösl, Universal, MDR Musiksommer Ahmad Alsharaa (Karikaturen)

Auftragsmanagement: Petra Lettenmeier (verantwortlich) email: lettenmeier@portmedia.de Michaela Wurstbauer email: wurstbauer@portmedia.de Verlagsrepräsentanten: Tonträger: Petra Lettenmeier email: lettenmeier@portmedia.de Kulturbetriebe & Markenartikel: L. Richter-Lux email: richter-lux@portmedia.de Hifi: Barbara Wunderlich email: wunderlich@portmedia.de Gültige Anzeigenpreisliste: Nr. 8 v. 1.1.06 Beilagenhinweis: Diese Ausgabe enthält eine Beilage der High End Society Marketing GmbH und den Beihefter CLASS aktuell.

Druck: Westermann Druck GmbH Georg-Westermann-Allee 66, 38104 Braunschweig Erscheinungsweise: crescendo erscheint mit sechs Ausgaben pro Jahr und zusätzlichen crescendo-themenspecials. crescendo ist bei Opern- und Konzerthäusern, im Kartenvorkauf und im Hifiund Tonträgerhandel erhältlich. Copyright für alle Beiträge bei Port Media GmbH. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers, nicht unbedingt die der Redaktion wieder. Nachdruck und Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos wird keine Gewähr übernommen.

Angabe d. Beteiligungsverhältnisse: Gesellschafter der Port Media GmbH: 100 % Winfried Hanuschik (Werbekaufmann), München Abonnement-Preis: crescendo premium inklusive sechs premium-CDs: Inland: EUR 34,- pro Jahr inkl. 7% MwSt. Bei Zahlung per Rechnung fallen zusätzlich EUR 5,- Bearbeitungsgebühr an. Europ. Ausland: zzgl. EUR 10,- Bank-/ Portospesen Kündigung: jederzeit zum Ende des Kalenderjahres Verbreitete Auflage: 104.378 (laut IVW-Meldung I/06) ISSN: 1436-5529 geprüfte Auflage

Foto: Universal

Ist Netrebko wirklich die neue


Höhepunkte Saison 2006/2007 ... wieder einmal zu wenig Platz für unsere Highlights! Alle Konzerte der kommenden Spielzeit finden Sie in unserer Jahresvorschau. Bestellen Sie Ihre druckfrische Jahresvorschau unter: welcome@philharmonie-essen.de, unter der Faxnummer: 0201-81 22 812 oder per Post: AboBüro, II. Hagen 2, 45127 Essen.

Werke von L. van Beethoven und P. I. Tschaikowski

Mo 30. Okt 2006 | 20:00 Orchestre de Paris & Christoph Eschenbach Daniel Müller-Schott, Violoncello

Werke von S. Prokofjew, W. A. Mozart und C. Debussy

Di 31. Okt 2006 | 20:00 Orchestre de Paris & Christoph Eschenbach

Mi 30. Aug 2006 | 20:00 Philadelphia Orchestra & Christoph Eschenbach Mi 6. Sep 2006 | 20:00 The Cleveland Orchestra & Franz Welser-Möst Fr 15. Sep 2006 | 20:00 Arnold Schönbergs „Gurrelieder“ mit Michael Gielen Gesangssolisten, Andreas Schmidt, Sprecher, Chöre des BR und des MDR, SWR Sinfonieorchester BadenBaden und Freiburg

Sa 30. Sept 2006 | 20:00 Die 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker „Dance of the Angel – Dance of the World“ Markus Stockhausen, Trompete, Flügelhorn Werke von A. Piazzolla, M. Stockhausen, D. Schostakowitsch u. a.

Do 26. Okt 2006 | 20:00 Dave Douglas Quintett Dave Douglas, Trompete, Uri Caine, Klavier, Donny McClaslin, Saxophon, James Genus, Bass, Clarence Penn, Schlagzeug

Werke von R. Schumann, H. Berlioz

Werke von L. van Beethoven, H. Dutilleux, R. Schumann

Mi 1. Nov 2006 | 20:00 Kammermusik mit Mitgliedern des Orchestre de Paris, Christoph Eschenbach, Klavier und Musikalische Leitung

Werke von R. Schumann und W. A. Mozart

Do 2. Nov 2006 | 20:00 Orchestre de Paris & Christoph Eschenbach, Klavier und Musikalische Leitung Werke von W. A. Mozart, M. Ravel und A. Roussel

So 5. Nov 2006 | 20:00 Mozart Loops III: „Don Giovanni: von Liebe, Eros und Höllenfahrt – love songs“, Münchener Kammerorchester, Christian Muthspiel, Posaune, Klavier, Electronics, Werke von W. A. Mozart, I. Strawinsky, M. Kagel, A. Schönberg, J. Lennon/ P. McCartney

Kartenvorverkauf (in der Regel beginnend vier Monate vor Veranstaltungstermin) bei allen bekannten Ticket Online-Verkaufsstellen · Philharmonie-Hotline: 0180/59 59 59 8 (€ 0,12/min) www.ruhr-ticket.de · www.ticketonline.com

Sa 25. Nov 2006 | 19:00 Große AIDS-Gala Grace Bumbry, Agnes Baltsa, Essener Philharmoniker, Stefan Soltesz, Dirigent, u. a.

Eine Veranstaltung der Deutschen AIDS-Stiftung in Kooperation mit der Philharmonie Essen und den Essener Philharmonikern.

Mo 18. Dez 2006 | 20:00 NDR Sinfonieorchester & James Conlon, Lang Lang, Klavier Werke von F. Chopin, M. P. Mussorgski

Mo 29. Jan 2007 | 20:00 London Philharmonic Orchestra & Kurt Masur

Werke von R. Strauss, L. van Beethoven, M. P. Mussorgski

Di 30. Jan 2007 | 20:00 Alban Berg Quartett „Requiem für Thomas Kakuska“

Werke von J. Haydn, W. Rihm und L. van Beethoven

So 11. Feb 2007 | 20:00 Ornette Coleman and his quartet meet Joachim Kühn Ornette Coleman, Saxophon, Joachim Kühn, Klavier, Greg Cohen, Bass, Tony Falanga, Bass, Denardo Coleman, Schlagzeug Do 15. Feb 2007 | 20:00 Helge Schneider mit seinem neuen Programm Helge Schneider, Gesang, Geschichten und diverse Instrumente

Do 8. März 2007 | 20:00 „Mstislav Rostropovich zum 80.“ – Litauisches Nationalorchester & Mstislav Rostropovich Danjulo Ishizaka, Violoncello Werke von P. I. Tschaikowski

Fr 16. März 2007 | 20:00 Barbara Bonney & Concerto Köln Werke von J. M. Kraus, W. A. Mozart und J. Haydn

Di 24. April 2007 | 20:00 Mahler-Zyklus der Bochumer Symphoniker & Steven Sloane Gesangssolisten, Philharmonische Chöre Bochum und Essen Werke von C. Ives und G. Mahler Fr 25. Mai 2007 | 20:00 Håkan Hardenberger, HK Gruber & Amsterdam Sinfonietta Candida Thompson, Musikalische Leitung,

Werke von A. Schönberg, HK Gruber und L. van Beethoven

Fr 1. Juni 2007 | 20:00 30 Jahre Vienna Art Orchestra „American Dreams – Portraits of 13 American Women“ mathias rüegg, Musikalische Leitung Sa 2. Juni 2007 | 20:00 30 Jahre Vienna Art Orchestra „European Visionaries – Portraits of 13 European Men“ mathias rüegg, Musikalische Leitung So 3. Juni 2007 | 20:00 30 Jahre Vienna Art Orchestra „Visionaries & Dreams – Portraits of 13 Couples“ mathias rüegg, Musikalische Leitung

Mo 18. Juni 2007 | 20:00 Etta Scollo & Ensemble Resonanz „Canta Ro“ Eine Hommage an die 1990 verstorbene Volkssängerin Rosa Balistreri.

www.philharmonie-essen.de


Kl avi er sommer bei EMI C l assic s

GABRIELA MONTERO BACH & BEYOND Die international gefeierte Pianistin beherrscht als eine der wenigen heutigen Persönlichkeiten ihres Faches eine Kunst, die allen großen Klassikern selbstverständlich zu Gebote stand: die Improvisation. Auf ihrer neuen CD fantasiert die Pianistin über Themen von Bach. „Ist das Klassik? Jazz? Crossover? Es ist gut bis genial. Fertig!“ Stern 6.4.06 GABRIELA MONTERO Bach & Beyond · CD 3 57477 2

MARTHA ARGERICH & FREUNDE Neues vom Lugano-Eldorado Bis 2002 war Lugano „nur“ eine wunderschöne Stadt im schweizerischen Kanton Tessin – herrlich am See gelegen und Magnet für Touristen. Heute ist der Name des Ortes ein Synonym für klassische Musik auf allerhöchstem Niveau. So wurden die Mitschnitte vom Lugano-Festival der Jahre 2002 und 2004 für einen Grammy Award nominiert. Die Aufnahmen des vergangenen Jahres vereinen auf drei CDs exzellente Kammermusik mit vielen bekannten Künstlern, so etwa mit dem Pianisten Piotr Anderszewski, den Gebrüdern Renaud und Gautier Capuçon, Mischa Maisky und Lilya Zilberstein. LUGANO FESTIVAL 2005 · 3 CDs 3 584722 2

NICHOLAS ANGELICH Ball aden, Rhapsodien & Variationen Nicholas Angelich gilt als großer Pianist des klassisch-romantischen Repertoires. Bisher hat er mit den Brüdern Renaud und Gautier Capuçon großartige, von der internationalen Kritik gepriesene Brahms-Kammermusikaufnahmen vorgelegt. Jetzt folgt seine erste Solo-Einspielung bei Virgin Classics, ebenfalls mit Werken von Brahms: den Balladen op.10, den Rhapsodien op.79 und einem der virtuosesten Werke, die der große Spätromantiker hinterlassen hat: den Paganini-Variationen. NICHOLAS ANGELICH Brahms: Balladen, Rhapsodien & Variationen · CD 3 32628 2

DANIEL BARENBOIM Mozart & Barenboim auf der Kegelbahn Eine großartige künstlerische Begegnung im Mozart-Jahr: Das bietet die Aufnahme von Mozarts sechs Klaviertrios. Daniel Barenboim, seit Jahrzehnten als einer der führenden MozartPianisten (und -Dirigenten) geschätzt, ging im September 2005 in ein Berliner Aufnahmestudio, um zum ersten Male Mozarts Klaviertrios einzuspielen. Ihm saßen mit dem dänischen Geiger Nikolaj Znaider und dem weißrussischen Cellisten Kyril Zlotnikov junge Künstler zur Seite. Im Kegelstatt-Trio musiziert Barenboim mit dem Bratschisten Felix Schwartz und dem Klarinettisten Matthias Glander. DANIEL BARENBOIM Mozart: Klaviertrios · 2 CDs 3 44643 2

LARS VOGT Sonaten, Variationen und Fantasien Lars Vogt gehört zu den wenigen deutschen Pianisten von internationalem Rang. Nicht nur als Solopianist hat er sich einen Namen gemacht, sondern auch als Kammermusiker und Festivalgründer. Lars Vogt widmet sich nun den drei großen Bereichen von Mozarts Klaviermusik, den Sonaten, Variationen und Fantasien, in bedeutenden Beispielen. Drei große Sonaten, die Rondos D-dur und a-moll sowie das hoch expressive späte h-moll-Adagio runden die Veröffentlichung ab, die man mit Fug und Recht als Meilenstein in Vogts Diskografie bezeichnen kann. LARS VOGT Mozart: Sonaten, Variationen und Fantasien · 2 CDs 3 36080 2

auch als Download erhältlich! · Bestellen Sie unseren aktuellen Newsletter unter www.emiclassics.de


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