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B47837 Jahrgang 9 – 06/2006

September / Oktober 2006 www.crescendo-magazin.de

Der Pop entdeckt eine neue Welt

DJ-Klassik Beiträge von:

Sting, Claudia Roth, Moritz von Uslar Meisterkurs bei Thomas Quasthoff

Harte Arbeit an der Stimme Großer Rezensionsteil:

Die besten CDs und DVDs plus regional Theater Erfurt Kulturachse Ost

Intendant Guy Montavons überraschende Opernsaison

mit Beihefter

CLASS aktuell

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Daniel Hope: Echo Klassikpreisträger 2006 • GEIGER DES JAHRES

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crescendo 06 2006 | 3 editorial

Grenzüberschreitung?

Ja bitte!

In der letzten crescendo-Ausgabe ging es um Klassik und Politik. Darum, wie die Musik Deutschland und seine Repräsentanten langsam erobert: Papst Benedikt, Angela Merkel oder Claudia Roth. Letztere ist nicht nur konsequente Bayreuth-Pilgerin, sondern auch ehemalige Managerin der Rock-Band „Ton Steine Scherben“ um Rio Reiser. Für dieses Heft hat sich die Grünen-Politikerin Zeit genommen, um nachzudenken, wie sich die Grenzen zwischen E- und U-Musik in den letzten Jahren verschoben haben.

Sicher ist: Es hat sich etwas getan im Verhältnis zwischen Klassik und Pop. Zum einen hat die Klassik aus der Krise heraus auf die Mechanismen des Pop gesetzt und mit erheblichem Werbeaufwand Stars wie Lang Lang oder Anna Netrebko geboren.

Auf der anderen Seite ist es umso erfreulicher, dass Pop-Legenden wie Sting oder Paul McCartney sich nun ausgerechnet von der Klassik neue Impulse für den Pop erhoffen. McCartney indem er stilvolle Oratorien komponiert, Sting, indem er den elisabethanischen Komponisten John Dowland und die Laute entdeckt hat. Auch von Sting lesen Sie in diesem crescendo einen Bericht. Dass die Verbindungen zwischen der neuen Musikszene und der Technomusik längst ausgeprägt sind, beweist unser Autor Thomas Lindemann, wenn er sich auf die Suche nach intelligenten Formen des modernen Klanges macht.

Während der Produktion dieses Heftes haben wir gemerkt, dass die Grenzen zwischen Pop und Klassik nicht nur in der Musik liegen, sondern in einer grundlegenden Ästhetik. Wir standen vor den fertigen Seiten und haben uns gefragt, ob wir mit den Bildern von Paul McCartney oder DJ Tenor das Klassik-Publikum schockieren. Allein diese Frage zeigt, dass die Grenzen in unseren Köpfen noch bestehen. Wir sollten sie abbauen! Die Klassik kann sich Souveränität leisten. Denn Künstler wie Thomas Quasthoff oder Ton Koopman, die wir in dieser Ausgabe ebenfalls porträtieren, stehen durch ihre Ernsthaftigkeit für die Unvergänglichkeit des Genres. Ihre akribische Arbeit macht die Klassik zu dem, was sie ist und was sie so spannend macht: zu einer Kunst mit Tradition und Zukunft.

Es kann nicht um billige Crossover gehen und auch nicht um das Anbiedern der Klassik an ein großes Publikum – so wie die ARD es kürzlich tat, als sie die Übertragung von Mozarts „Figaro“ aus Salzburg mit einem Porträt über Hera Lind und einem albernen Harald Schmidt aufpeppte. Modern und trotzdem ernsthaft über die Musik sprechen, das ist die Aufgabe, die sich der Popliterat Moritz von Uslar stellt. Lesen Sie ein Interview mit ihm.

Zum Schluss möchte ich Sie für unsere neue Serie begeistern. Meine Kollegin Michaela Wurstbauer hatte die Idee, eine Reihe auf den Reiseseiten zu starten. Wir begleiten Orchester auf ihren Tourneen. Den Anfang macht ein historischer Bericht des ehemaligen Solo-Bassisten der Berliner Philharmoniker. Friedrich Witt schreibt über die erste US-Reise mit Herbert von Karajan – auch eine Grenzüberschreitung.

Viel Spaß beim Lesen wünscht Ihnen Ihr Axel Brüggemann

inhalt Inspiration Klassik 4 Sting und Paul McCartney auf Abwegen 8 Meisterkurs bei Quasthoff Wer Sänger werden will, muss sich Kritik gefallen lassen Claudia Roth 12 Die Grünen-Politikerin über E- und U-Musik 14 Der Tod des Pop Gespräch mit dem Popliteraten Moritz von Uslar

20 Rezension Die besten CDs und DVDs des Monats Ton Koopman 28 Der Dirigent entdeckt den Komponisten Buxtehude

Das müssen Sie sehen 30 Die zehn wichtigsten Opernpremieren der Spielzeit 32 Mozart und Gott Ein Zwiegespräch über den Wolken

34 DJ-Klassik Wie Techno und Klassik sich ergänzen

39 Essay Dieter Oehms über den Plattenmarkt crescendo premium 40 Große Umfrage und Gewinnspiel 42 Hifi Brauchen Klassik-Fans einen iPod? Reise 44 Mit den Berliner Philharmonikern in Amerika

46 Regional Das Theater Erfurt entdeckt die Kulturachse Ost

48 Termine Die wichtigsten Veranstaltungen in Ihrer Region

50 Lieto fine Ist Rolando Villazón der neue Fritz Wunderlich?

DJ-klassik 4 | crescendo 06 2006

Paul McCartney bei den Aufnahmen zu seinem neuen Requiem.

Die Neuerfindung des Pop:

Wie Klassik inspiriert

Seit Jahrzehnten bestimmen Sting und Paul McCartney die Pop-Szene. Sie waren immer auf der Suche nach etwas Neuem. Nun haben sie es gefunden: ausgerechnet in der klassischen Musik. Von Frank-Peter Felderlin.

Es liegt ein strenger Geruch von Blüten und Räucherstäbchen in der Luft. Egal, wo Sting gerade auftritt, in London, Aarhaus oder Mailand: In seiner Garderobe riecht es immer gleich. Und sie ist auch überall gleich eingerichtet: weißes Sofa, weiße Deckchen und, eben, Blumen. Ein Stück Heimat auf der Tournee durch die Fremde.

Auf seinen Reisen hat der Popstar in den letzten Jahren auch einen neuen Begleiter: Eine Laute.

Bevor der Ex-„Police“-Sänger auf die Bühne geht und vor 40.000 Fans seine Klassiker wie „Roxane“, „Fields of Gold“ oder „All this Time“ singt, hockt er sich allein auf sein Sofa, nimmt die Laute, schlägt ein Buch mit Renaissance-Noten auf und beginnt zu spielen – unplugged, natürlich. Und ganz bei sich. „Die Besinnung auf die Formen der klassischen Musik ist unglaublich“, sagt Sting, „bei dieser Mu-

sik kann man ganz bei sich sein.“ Wenn der britische Rock-Musiker über Klassik spricht, meint er keinen Crossover, und das unterscheidet ihn von Kollegen wie Elton John. Der spielt gern mit dem Klischee der Klassik und installiert sich ein bisschen größenwahnsinnig als Nachfolger Verdis, wenn er „Aida“ zu einem belanglosen Musical ummodelt, so wie es derzeit in Berlin gegeben wird.

Ganz anders als Elton John ist da auch Paul McCartney, der bereits in den ChorKompositionen „Liverpool Oratorio“ und „Standing Stone“ bewiesen hat, dass er die klassische Form Händels mit leichten gegenwärtigen Einsprengseln opulent beleben kann. Nun kommt sein neues Klassik-Werk heraus: das Oratorium „Ecce Cor Meum“.

Die Grenzgänge zwischen Pop und Klassik haben eine lange Tradition. Legendär war die Zusammenarbeit des Sängers von „Queen“, Freddy Mercury, mit der Sopranistin Montserrat Caballé, die in ihrem Album „Barcelona“ ein kluges Crossover vorstellten. Steve Hackett von „Genesis“ hat mit seinem Album „A Midsummer

crescendo 06 2006 | 5 DJ-klassik

Die 5 besten Pop-Klassiker 1. Freddy Mercury „Barcelona“

2. Sting

„Songs from the Labyrinth“

3. Billy Joel „Fantasies and Delusions“

4. Steve Hackett

(Genesis) „A Midsummer Night‘s Dream“

5. Jon Lord

(Deep Purple) „Pictured Within“

Fotos: Universal, EMI

Night´s Dream“ versucht, den Pop in die Klassik zu überführen, Jon Lord von „Deep Purple“ in „Pictured Within“. Billy Joel hat ebenfalls Orchesterwerke komponiert.

Und dann ist da noch „Pink Floyd“: „The Wall“ war vielleicht die erste wirklich große Rockoper.

Sting und McCartney interessieren sich nicht für derartige Verrenkungen. Sie spielen wie selbstverständlich auf beiden Seiten der Musik- und in jeder spielen sie anders. Für Sting ist sowohl der Rock als auch die Klassik eine Form der E-Musik, also der ernsthaften Musik. Und er versucht in jeder Auseinandersetzung mit den Noten so etwas wie den authentischen Ton zu treffen. Sting unterscheidet nur in den Kategorien „gute Musik“ und „schlechte Musik“.

Schon vor einigen Jahren hat er sich die Werke von Bach auf der Gitarre zusammengezupft und versucht, dabei den Originalcharakter zu erreichen. Wenn er Pop macht, ist davon so gut wie gar nichts zu hören. Dann ist Sting ein perfekter Rocker.

Zwei Klassiker: Elton John (li.) am Klavier und Paul McCartney an der Gitarre.

DJ-klassik 6 | crescendo 06 2006

Sting hat den elisabethanischen Komponisten John Dowland entdeckt – hier erklärt er wie.

„Die Musik verfolgt mich“ Über die letzten 20 Jahre haben mich die Lieder von John Dowland unaufdringlich verfolgt. 1982 bin ich im Drury Lane Theatre in Covent Garden aufgetreten. Nachdem ich mit einem meiner Songs aufgetreten bin, kam der Schauspieler John Bird auf mich zu, um mir seine Anerkennung auszusprechen. Bei der Gelegenheit fragte er mich, ob ich die Lieder von John Dowland kennen würde. Ich war gezwungen zuzugeben,

dass ich den Namen wohl kannte und auch eine vage Ahnung hatte, dass Dowland ein Komponist aus der Zeit Elisabeths I. war, meine Kenntnisse aber damit endeten. Ich dankte Bird sehr für sein Kompliment und war am nächsten Tag noch so fasziniert, dass ich eine Zusammenstellung von Dowlands Liedern kaufen musste. Während ich die melancholische Schönheit dieser Musik sehr schätzte, konnte ich mir nicht vorstellen, wie sie in das Repertoire eines Rocksängers passen könnte.

Es war mein langjähriger Freund und Kollege, der Gitarrist Dominic Miller, der mein Interesse an Dowland vor einigen Jahren wieder aufleben ließ. Freundlicherweise hatte er eine neunchörige Laute in Auftrag gegeben, die als Geschenk für mich gedacht war. Gebaut von Klaus Jakobson, ist sie einzigartig in ihrer Konstruktion. Die »Rose« in der Mitte des Klangkörpers hat die Form eines Labyrinths.

Es war auch Dominic, der mich Edin Karamazov vorstellte. Edin ist einer der bedeutendsten Lautenisten Europas. Vor einem Auftritt in Frankfurt kam er zu uns. In dieser Nacht öffneten wir Dowlands „First Book of Songs“, und ich begann meine Ausbildung, mein Eintauchen in der Musik.

Das Bild einer Gruppe von Musikern und Sängern des 16. Jahrhunderts, die um einen Tisch sitzen, deutet an, dass die Auftritte damals nicht in großen Salons oder gar in Konzertsälen gegeben wurden, sondern in kleinen, privaten Wohnzimmern. Ich empfinde eine Intimität dieser Musik, der der geringe Abstand und die wispernde Nähe des modernen Mikrofons gut bekommt. Ich fühlte wenig Grund dafür, diese Lieder besonders volltönend vorzutragen. Sie zu sprechen scheint mir bereits genug.

Die beiden Genres sind für den Sänger und Bassisten zwei getrennte Kosmen. Er betritt sie mit unterschiedlichen Ansprüchen – aber in seinem Kopf inspirieren sich die Einflüsse letztlich doch gegenseitig.

Fast ein viertel Jahrhundert hat sich Sting mit den Liedern des englischen Dichters und Komponisten John Dowland beschäftigt. Er war so etwas wie der erste Pop-Sänger Europas. Seine Liederbücher gingen in Druck, und wurden bis ins ferne Amerika nachgesungen. Trotzdem gelang Dowland sein eigentliches Ziel nicht: Gern wäre er Hofkomponist bei der englischen Königin Elisabeth I. geworden. Doch dazu war der Künstler zu tief verwickelt in die Intrigen seiner Zeit.

Seine Lieder sind geblieben, und wenn man nun hört, wie Sting sie gemeinsam mit dem Lautenspieler Edin Karamazov interpretiert, tut er das ganz ohne Verrenkungen. Er bläst seine Stimme nicht auf, sondern singt, wie damals gesungen wurde, in einer Art Sprechgesang – in manchen Songs erinnert das an die Balladenkultur des Pop – gleichzeitig sind Dowlands Kompositionen aber voll exzentrischer Innigkeit und emotionaler Explosionen – all das wird zusammengehalten durch die Form, und der scheint Sting in seiner Interpretation besonders zu vertrauen. „In der Form dieser Kompositionen liegt ihr eigentlicher Inhalt. Das kann man von der klassischen Musik lernen: Es muss nicht immer darum gehen, die Gitarre auf der Bühne zu zerbrechen, sondern Musik ist in ihrer Form genug Aussage und steht erst in der Strenge im Spannungsfeld zu den Emotionen, von denen sie erzählt.“ Für einige ist Paul McCartney als Ex-„Beatle“ schon selbst ein Klassiker. Und tatsächlich ist der Ruhm der frühen Jahre auch ein Fluch. Wie soll sich ein Popstar, der alles erlebt hat, neu erfinden. Wie Sting, der dauernd nach neuen Klängen und Inspirationen sucht, ist auch McCartney in der Klassik fündig geworden. Seine neue Komposition versteht sich in der Tradition von Händels „Messiah“; ein volltönendes, zuweilen bombastisches Chorwerk mit viel Blech, Rhythmus und Geigen. Pathetisch, aber so aufgeblasen groß, dass man es nicht kleinreden kann.

Der Titel „Ecce Cor Meum“ („Siehe mein Herz“) begegnete ihm in der New Yorker Kirche „St. Ignatius Loyola“ als Inschrift. Es ist ein Oratorium der Hoffnung geworden, dem eine Autofahrt der „Beatles“ zu Grunde liegt. „Ich erinnere mich, wie wir in einen Sturm gerieten und von der Fahrbahn abkamen“, sagt McCartney, „‚Was nun‘, fragte einer, und ein anderer sagte: ‚Es wird schon weitergehen.‘ Wir wurden gerettet. Diese Zuversicht hat ‚Ecce Cor Meum‘ geformt.“ Es ist schon interessant, dass seit einigen Jahren die Klassik-Krise ausgerufen wird, dass der Klassik-Markt sich mit seinen Crossover-Projekten und seinen Marketingstrategien heimlich am Popmarkt ausrichtet, und dass es nun ausgerechnet die erfolgreichsten Rock- und Popsänger unserer Zeit sind, die eine Neuerfindung ihrer Musik gerade in der Klassik suchen.

Sting und Paul McCartney begegnen der Grenzüberschreitung unterschiedlich, aber ihre Hoffnung ist die Gleiche. Aus der Tradition alter, gewachsener Formen erhoffen sie sich einen Aufbruch in die Welt der wirklich neuen Musik.

Sting begibt sich in seinem neuen Album „Songs from the Labyrinth“ auf die Spuren des Renaissance-Komponisten John Dowland. An der Laute wird er dabei begleitet von Edin Karamazov (Deutsche Grammophon).

John Dowland als klassisches Original mit Laute ist gerade herausgekommen, mit Nigel North: „Fancyes, Dreams and Spirits“ (Naxos).

Paul McCartneys neues Oratorium unter dem Titel „Ecce Cor Meum“ erscheint im Oktober und wird interpretiert von der Academy of St Martin in the Fields und den Chören des King‘s College und des Magdalen College. Es singt die Sopranistin Kate Royal (EMI).

Mehr Sting und Dowland auf der crescendo-premium-CD

LANG LANG

Unbestrittener Höhepunkt des Albums Dragon Songs ist das glanzvolle Yellow River Concerto für Klavier und großes Orchester, in dem Lang Lang alle seine Trümpfe ausspielen kann: Virtuosität, Expressivität und technische Bravour. »Lang Lang ist ein moderner Romantiker mit pianistischer Brillanz – ein Gefühlsmusiker par excellence.« Süddeutsche Zeitung

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DRAGON SONGS

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Foto: Kasskara / DG

Dragon Songs Das China Album

reportage 8 | crescendo 06 2006

Ein Meisterkurs mit Thomas Quasthoff

„Lernen Sie einen anderen Hart aber herzlich. Wer nach Verbier kommt, um beim Bassbariton den Feinschliff fßr die Stimme zu bekommen, der muss sich warm anziehen.

Denn gute Lehrer sind schonungslos ehrlich. Von Nike Luber.

crescendo 06 2006 | 9 reportage

Beruf“ Thomas Quasthoff mit der Sopranistin Susanna Andersson bei der Meisterklasse in Verbier.

Fotos: Mark Shapiro

So ein Meisterkurs ist kein Vergnügen, nicht einmal dann, wenn er auf gut über 1.200 Metern Höhe in den Walliser Bergen stattfindet. Susanna Andersson, eine der acht ausgewählten Teilnehmerinnen des Gesangs-Meisterkurses von José van Dam und Thomas Quasthoff während des Festivals in Verbier, reiste mit zehn Arien von Mozart und anderen Komponisten sowie sieben Liedern von Schumann bis Strauss an.

Vor ihrer Tournee will sie in Verbier das Programm durcharbeiten, für das Nobel-Sportresort bleibt wenig Zeit. Morgens nimmt sie die Seilbahn hinauf zum Gipfel und läuft zwei Stunden, Höhenluft tut auch der Stimme gut. Abends besucht sie die Festivalkonzerte, zu denen sie freien Eintritt hat. Dazwischen liegt Arbeit für die junge schwedische Koloratursopranistin. Zum Einsingen stellt die Verbier Academy keine Räume zur Verfügung, jeder Teilnehmer muss sehen, wo er seine Stimme aufwärmt. Susanna Andersson hat das Glück, privat bei einer Familie zu wohnen, da kann sie sämtliche Türen schließen und sich in ihrem Zimmer einsingen.

Das mitgebrachte Repertoire wird in der winzigen protestantischen Kapelle mit einem Pianisten geübt, allerdings nur eine halbe Stunde lang, dann ist der nächste an der Reihe. Am frühen Nachmittag beginnt der Kurs, der wie jedes Jahr als Publikumsmagnet wirkt. In dem putzig als Chalet verpackten Kongresszentrum Le Hameau drängen sich die Festivalbesucher, doch wehe dem, der auf quietschenden Sohlen auf der Suche nach dem letzten Platz durch den Raum pirscht oder sich gar unterhält.

Das stört, und Thomas Quasthoff macht diesen Umstand energisch und mit deutlichen Worten auch jedem bewusst. Nach der regelmäßig jedes Jahr, vermutlich sogar jeden Tag während dieses Meister-

kurses abgefeuerten Philippika herrscht denn auch Ruhe, damit die Meister sich den angehenden Sängern ungestört zuwenden können.

So wie Susanna haben auch die anderen bereits ihr Studium abgeschlossen, erste Konzert- und Bühnenerfahrungen gesammelt. Es sollte also um den Feinschliff gehen. Und doch ist in diesem Kurs längst nicht jeder Teilnehmer technisch perfekt. Was tun?

Grundlegende technische oder persönliche Probleme spreche er im Meisterkurs nicht an, sagt Quasthoff.

Der bekannte Bassbariton unterrichtet leidenschaftlich gern, er hat eine Professur an der Hanns Eisler-Musikhochschule Berlin, gibt dort Meisterkurse, und seit fünf Jahren arbeitet er in Verbier mit jungen Sängern. Was ihm viel Spaß mache, wie er sagt. Allerdings ist es von Vorteil, den Ansprüchen Quasthoffs zu genügen: „Ich gebe doch keinen Meisterkurs, um nett zu sein“.

Klingt etwas schroff, aber was er damit meint, ist durchaus richtig. In der kurzen Zeit müssen sich die jungen Sänger auf den Lehrer einstellen, und dessen Unterricht soll etwas bringen. Billig sind die Meisterkurse in Verbier nämlich nicht.

Hauptsache Ausdruck Susanna Andersson sieht das ganz genauso. Sie will keinen freundlichen, aber nichtssagenden Meisterkurs, sie will sich auf ihre Tournee vorbereiten und wartet nur darauf, dass jemand sich auch mit ihrer Gesangstechnik beschäftigt. Die kam aus ihrer Sicht während des Studiums an der Guildhall School in London zu kurz. Susanna hat eine Naturstimme, was Lehrer oft dazu verführt, nur an den künstlerischen Aspekten zu arbeiten, die Spaß machen.

Was aber, wenn man müde ist und die Stimme nicht so anspricht wie sonst? Dafür braucht sie Technik, meint Susanna und vergleicht das mit einem Werkzeugkasten. Für jeden gewünschten Ausdruck

4.5.07 MANNHEIM Rosengarten | 5.5.07 FRANKFURT Alte Oper 6.5.07 DÜSSELDORF Tonhalle | 7.5.07 LEIPZIG Gewandhaus

crescendo 06 2006 | 11 reportage

Erste Gesangsstunde: Thomas Quasthoff mit seinem Vater.

Thomas Quasthoff hat gerade mit seinem Bruder das Buch „Thomas Quasthoff“ herausgegeben, in dem es um Eindrücke aus dem Privatleben und um die Kunst geht (Henschel).

Außerdem erscheint am 13. Oktober die neueste CD des Baritons. Unter dem Titel „Betrachte meine Seel“ singt Thomas Quasthoff geistliche Arien von Bach, Haydn und Mendelssohn-Bartholdy (DG).

Mehr Quasthoff auf der crescendo-premium-CD

crescendo: Herr Quasthoff, gerade haben Sie eine Ihrer Schülerinnen verabschiedet. Worum geht es Ihnen beim Unterrichten?

Quasthoff: Es geht um eine Rückbesinnung auf das Wesentliche. Mit anderen Worten: Es geht darum, ein Verständnis zu schaffen, warum wir hier überhaupt stehen und singen. Es geht um das Bewusstsein, dass der Sänger dazu da ist, die Menschen zu crescendo ab Mai 2006 31.08.2006 unterhalten.

crescendo: Das sagt ein ernsthafter Sänger?

Quasthoff: Ich verstehe nicht, warum die Leute beim Wort „Unterhaltung“ gleich aufschreien. Wieso sie sofort den Verrat am Schönen und Hehren wittern und den Untergang des Abendlandes. Wir leben in einer Zeit der allgemeinen Verflachung. Unterhaltung ist zu Unrecht ein Unwort geworden. Unterhaltung bedeutet für mich, die Menschen zu berühren – und 15:41 Uhr Seite 1 darum muss es auch im Gesang gehen.

KO N Z E RT E D E R B U N D E S STA DT B O N N

Vorbereitung ist alles Der mexikanische Tenor, der ohne Deutschkenntnisse mit Quasthoff ein deutsches Lied erarbeiten wollte, fand sich beim Meisterkurs im letzten Jahr schnell auf seinem Sitzplatz wieder. Auch in diesem Jahr wird der Bassbariton in Verbier wieder bittere Pillen verteilen. Susanna sei eine gute Sängern, sagt er und meint damit ihre Lebendigkeit, ihren Gestaltungswillen. Eine andere Kursteilnehmerin jedoch ist seiner Ansicht nach gar keine Sängerin, und ein Meisterkurs bekanntlich nicht dazu da, nett zu sein.

Zwei Fragen an den Bariton und Lehrer Thomas Quasthoff

R O M A N KO F M A N

Hauptsache Ausdruck Und mit der für ihn charakteristischen, unverblümten Offenheit erklärt er, schlechte Sänger bräuchten keine andere Technik, sondern einen anderen Beruf.

Einen ganz anderen Beruf, wohlgemerkt, denn aus schlechten Sängern würden logischerweise schlechte Gesangslehrer, die wiederum eine neue Generation schlechter Sänger hervorbrächten. Nicht nett, aber oft genug zutreffend.

Quasthoff arbeitet sehr intensiv, nimmt jeden Satz, jede Phrase auseinander. Welches ist das Schlüsselwort? Welche Empfindungen stecken dahinter? Wie bringe ich sie mit meiner Stimme zum Ausdruck? Dass ein Sänger weiß, was er singt, ist die Grundvoraussetzung.

Foto: privat

und Effekt gibt es das passende technische Hilfsmittel, man muss es nur kennen und anwenden. Da ist sie bei Quasthoff in den richtigen Händen, er ist durchaus bereit, auch technische Hilfestellung zu geben. Hauptsache, die Sängerin will etwas ausdrücken. Reiner Schöngesang interessiere ihn nicht, gibt er zu Protokoll, schließlich gehe es bei Musik darum, etwas zu sagen, Gefühle zu vermitteln.

B ORCHESTER B EETHOVEN

ONN

Dirigentenwerkstatt mit Prof. Roman Kofman 27. bis 30. Januar 2007 Informationen: Julia von Schubert (0228) 45 49 315 Bewerbungen (incl. Lebenslauf, Empfehlungsschreiben, Zeugnisse) bitte senden an: BOB Wachsbleiche 1 53111 Bonn www.beethoven-orchester.de

27. bis 29. Januar 2007 1. Arbeitsphase mit zwei Pianistinnen 30. Januar 2007 2. Arbeitsphase mit dem Beethoven Orchester Bonn Beethovenhalle, Bonn

Bewerbungsschluss: 15. November 2006 !

DJ-klassik 12 | crescendo 06 2006

Die Unterscheidung zwischen „U“- und „E“ markierte über lange Jahre eine kaum überwindbare Grenze in der Kultur. Man hörte entweder „ernste“ oder „unterhaltende“ Musik. Dem entsprachen Qualitätszuschreibungen: Man war entweder Anhänger einer „hohen“ oder einer „populären“ Kultur. Oft war auch noch eine soziale Unterscheidung impliziert: E stand auch für „Elite“ – und war von U wie „Unten“ abgegrenzt.

Grenzgänge waren kaum vorgesehen. Und wo sie unternommen wurden, hatten sie oft etwas Gezwungenes: Rockbands, die sich einen sinfonischen Klangteppich zulegten, Opernsänger, die sich in Fernsehunterhaltung versuchten, Musiklehrer, die als Zugeständnis an die Schülerschaft auch einmal ein Popstück analysierten – all das waren meist Begegnungen zweier kultureller Welten, die nicht wirklich zusammen kamen.

Dabei sind die Unterscheidungen durchaus keine naturgegebenen. Shakespeares Stücke erfüllen allerhöchste Standards und waren für alle Stände gemacht, Kirchenmusik ist ernst und erbaute die ganze Christenheit, die Arien der italienischen Oper wurden auf der Straße gesungen und auch Bertolt Brecht ging in der Zusammenarbeit mit Weill, Dessau und Eisler einen ästhetisch gültigen Weg jenseits dieser Dichotomien.

Am Anfang war die Platte Ich bin froh, dass in den letzten Jahren und Jahrzehnten die Entgegensetzungen rund um U und E um Vieles durchlässiger geworden sind. „Crossover“ ist auch hier ein Gebot der Stunde. Wenn das KronosQuartett Jimi Hendrix spielt oder Frank Zappa das Ensemble Modern als seine „letzte Band“ bezeichnete, dann sind das keine gekünstelten Gesprächsversuche, sondern hochspannende Unternehmungen mit überraschend unverkrampften Ergebnissen. Es hat sich etwas verändert bei den Produzenten – und bei den Rezipienten von Musik.

Wer heute in einem Sinfonieorchester spielt, hat in aller Regel Erfahrungen mit sehr unterschiedlichen Musikstilen gemacht. Viele Bläser und Schlagwerker sind mit Jazz- und Rockbands groß geworden – und zum Teil dort immer noch aktiv. Und für Pop- und Jazzmusiker gibt es heute eigene Studienangebote, oder sie haben direkt eine klassische Ausbildung durchlaufen. Und es gibt einen untergründigen Brückenbau. Die dynamische Musikauffassung der historischen Aufführungspraxis hat doch überraschend viel mit dem „drive“ zu tun, den wir aus guter Jazz- und Rockmusik kennen. Und wenn mit Simon Rattle ein gelernter Perkussionist zu den ersten Dirigenten in der Welt gehört, dann ist auch das ein Zeichen für die Bedeutung, die Dynamik, Puls und „Schlagkraft“ in der Musik heute insgesamt haben.

In meinem eigenen „musikalischen Werdegang“ bin ich schon früh in diese neue Konstellation hineingewachsen. Mein Großvater war Kirchenmusiker und Chorleiter. Auf seinem Schoß sitzend, habe ich die Welt der weißen und schwarzen Klaviertasten kennen gelernt. Mit Großer Oper kam ich über die Schallplattensammlung meiner Eltern in Kontakt.

Und Chanson war für mich ein Weg, Französisch zu lernen. Rock und Pop standen spätestens dann auf der Tagesordnung, als ich in meinem Zimmer die Poster von Winnetou und seiner Schwester gegen Poster von Jim Morrison, dem Sänger der „Doors“, austauschte.

Das „Crossover“ kündigte sich in den 70er Jahren machtvoll an – auch im Theater, wo ich als Drama-

Die Grünen-Politikerin Clau

Chancen und Grenzübersch Sie ist gelernte Dramaturgin, war Managerin der gast bei den Bayreuther Festspielen. Claudia Roth Rock. Exklusiv für crescendo schreibt sie über ihre turgieassistentin – mit der Ästhetik von Brecht und Dario Fo im Rücken – mitmachte, bei den ziemlich lustvollen Grenzüberschreitungen zwischen „hoch“ und „tief“. Bei der Theaterarbeit lernte ich Rio Reiser kennen, den Sänger und Songwriter von „Ton Steine Scherben“, der auch viel Musik für das Theater schrieb. Die frühen 80er Jahre waren dann meine intensivste Zeit mit Musik, als Managerin der „Scherben“, die mit ihrer herben Poesie ja Entwicklungen irgendwo zwischen Punk, Agitprop und arte povera vorwegnahmen bzw. nachvollzogen.

Der Umstand, dass die Grenzen zwischen E und U durchlässiger geworden sind, hat zu neuen künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten geführt – und einen neuen Raum der Ansprache gerade auch für Oper und Theater geschaffen, was für die Zukunft dieser

crescendo 06 2006 | 13 DJ-klassik

Claudia Roth (2. von links) im Kreise der Band „Ton Steine Scherben“.

Fotos: privat

Zur Person: Claudia Roth

dia Roth über das U und E

Risiken einer reitung

Band „Ton Steine Scherben“ und ist Stammist eine Grenzgängerin zwischen Klassik und musikalischen Visionen.

Institutionen von größter Bedeutung ist. Wenn wir die einzigartig dichte Theater- und Orchesterlandschaft in Deutschland erhalten wollen, dann müssen wir gerade diese neuen Möglichkeiten nutzen. Es gilt, Menschen mit einzubeziehen, die nicht zu den regelmäßigen Theatergängern zählen, die nicht schon von klein auf Zugang gefunden haben zu den Institutionen der „hohen“ und „ernsten“ Kultur. Es gilt, junge Menschen für Oper, Konzert, Sprechbühne und Ballett zu begeistern – und zwar ohne Anbiederung und künstlerischen Niveauverlust, aber doch so, dass sie sich mit ihren Erfahrungen wiederfinden.

Kunst, die viele Menschen anspricht, muss nicht „platt“ sein, sie kann spannend und unterhaltsam sein, kann neue Wege erkunden, Vertrautes verfremden, Klassisches auf zeitgemäße Weise präsentieren.

Gelungene Beispiele hierfür gibt es viele. Ich denke an das Education-Programm der Berliner Philharmoniker, an das Ensemble Modern, das Zappa spielt, an Kooperationen zwischen öffentlichen Theatern und der freien Szene, an zahlreiche Tanzkompagnien, die in den letzten Jahren zu regelrechten Laboratorien für neue, interkulturelle Ausdrucksmöglichkeiten geworden sind. Solche Initiativen brauchen wir – gerade in einer Zeit, in der der Rotstift auch in der Kulturpolitik regiert. Es geht um Qualität und Innovation – aber auch um Legitimation im harten Kampf um den Erhalt unserer Kulturlandschaft.

Die Grenzziehung zwischen E und U war in vielem, aber nicht in allem antiquiert. Es ist ganz klar, dass qualitativ gute Kultureinrichtungen Geld kosten. Es ist klar, dass es für Komponisten von zeitgenössischer klassischer Musik schwerer ist, von ihrer Arbeit zu leben, als für Musiker, die für einen seichten Schlagermarkt produzieren. Dem müssen wir Rechnung tragen. Gute Kunst kostet Geld und sie hat einen Anspruch darauf, dass sie vom Gemeinwesen gefördert und nicht einem ruinösen Wettbewerb anheimgegeben wird.

Kultur der Öffnung Interessant finde ich auch Entwicklungen, in denen „klassische“ Standards in neuer Weise wieder aufgenommen werden, zum Beispiel bei Musikern wie Sting, die über die klassische Musik einen Ausweg aus der Verflachung popkultureller Codes suchen. Ich bin gespannt, was sich daraus ergibt. Weniger interessant

• Rio Reiser und der „Ring“ Claudia Roth ist ausgebildete Dramaturgin, hat am Landestheater Schwaben gearbeitet und anschließend an den Städtischen Bühnen in Dortmund und am Hoffmanns Comic Theater in Unna. 1982 wurde sie Managerin der Rock-Band „Ton Steine Scherben“ um Rio Reiser. Heute ist sie Stammgast bei den Bayreuther Festspielen (siehe Foto).

• Politisches und Privates Am 26.9. erscheint Claudia Roths neues Buch „Das Politische ist Privat. Erinnerungen für die Zukunft“ im Aufbau-Verlag, 19.90 Euro.

finde ich es dagegen, wenn die Unterscheidung von U und E im Sinne der alten „Distinktionskultur“ wieder hervorgehoben wird. Wir brauchen kein neues Naserümpfen auf seiten der „Hochkultur“, so wie es in den manchmal etwas gezwungenen Diskussionen um eine „neue Bürgerlichkeit“ zu beobachten ist. „U“ sollte nicht wieder zu einer Chiffre der Abgrenzung gegen „Unten“ werden. Wer in die Rezeption von Kunst und Kultur wieder die Geste sozialer Überlegenheit hineinkonstruiert, der fällt in ein altes und überholtes Muster zurück. Ähnlich wie in der leidigen Debatte um „Deutsche Leitkultur“, würde Kultur dabei zum Mittel der Abwertung einer „Zweitkultur“.

Eine „neue Bürgerlichkeit“, die sich in dieser Weise distinguiert, wäre eine schlechte und illusorische Wiederholung, die an dem vorbeigeht, was in der globalen und pluralen Welt von heute nötig ist – eine Kultur der Öffnung, der wechselseitigen Anerkennung und des Dialogs.

Moritz von Uslar

Klassik oder Der To d d e s Pop am 22. August

20 0 6

I nte r v iew

Wenn Popliteraten Klassik entdecken – ein Gespräch mit Axel Brüggemann

crescendo 06 2006 | 15 DJ-klassik

In Moritz von Uslars Roman „Waldstein oder Der Tod des Walter Gieseking am 6. Juni 2005“ geht es um Klassik. Woher rührt die Sehnsucht der Popliteraten nach Beethoven und Verdi? Was ist schön und was ist klug? Und wie gegenwärtig ist die vergangene Kunst? Am 22. August 2006 debattierten Uslar und Axel Brüggemann diese Fragen bei einem Toast Hawaii in Hamburg.

Moritz, in Deinem Roman „Waldstein oder Der Tod des Walter Gieseking am 6. Juni 2005“ spielt die klassische Musik eine der Hauptrollen. Für mich hat sie dabei zwei Komponenten: zum einen verkörpert sie die Welt des Wissens, der Klugheit und der strengen Form... von Uslar: ... Du meinst die Welt des Joachim Kaisertums! Dieser Eminenz des Musikfeuilletons, die eine unglaublich gemütliche und gleichzeitig kritische Kulturbeflissenheit zur Schau stellt. Da wird die Musik zum Schatz des Wissens erhoben, der Bildung, für den man nur das passende Handwerkszeug braucht, um ihn zu bergen.

Ja, und auf der anderen Seite steht sie bei Dir aber auch für die Naturverbundenheit. Dann scheint die Klassik einer der letzten Orte zu sein, um so etwas wie Wahrhaftigkeit empfinden zu können. Plötzlich wird das Gekünstelte durch die romantische Archaik ersetzt. von Uslar: Darin liegt doch der wirkliche Reiz der Musik: im Unvermittelten, im Geraden und Direkten. Mir fällt spontan eine Melodie aus der „Waldsteinsonate“ ein: Anfang Dritter Satz. Eigentlich ein lächerlich simples Motiv, das uns aber zutiefst ergreift. In wenigen Noten zeigt uns Beethoven die ganze Zweischneidigkeit der Musik und entlarvt den tiefen Schrecken über die Einfachheit des Schönen.

Wir haben dauernd diese Ahnung, dass dieses Motiv stumpf und platt ist – und trotzdem geben wir uns hemmungslos hin.

Sind das nicht genau die Stellen, in denen sich Klassik und Pop ähneln? Das ist Pathos in Reinform! Gibt es da nicht eine Verwandtschaft zur

pathetischen Oberfläche des Pops, der ebenfalls auf einfache Strukturen setzt, um tief zu berühren. von Uslar: Ich befürchte, dass du da einem massiven Missverständnis aufsitzt. Du unterschätzt die aktuelle Musik mit dem typischen Snobismus der Klassik-Szene. Wenn man wirklich genau hinhört, in die tiefen und komplexen Strukturen zum Beispiel der avantgardistischen Techno-Musik, dann kommt einem dieses Waldstein-Thema auf einmal unglaublich lapidar vor.

Und trotzdem ist die klassische Musik besonders bei euch Popliteraten inzwischen absolut hoffähig geworden. Du stellst deinem Roman Verdis Requiem voran, Ulf Poschardt hat früher über die „DJ Culture“ geschrieben und lobt heute das RBB Kulturradio. Er mietet sich einen Pianisten von der „Yellow Lounge“ und lädt Freunde zur Hausmusik mit Wein aus Plastikbechern

Wenn man die komplexen Strukturen der Techno-Musik hört, kommt einem das Waldstein-Thema lapidar vor. in seinen Keller. Ich frage mich, woher dieses neue Interesse an der Musik kommt. Oder ist es ganz normal, dass die Generation Pop über den Umweg Bildende Kunst nun in der Klassik ankommt? von Uslar: Bei mir ist das erst einmal ganz allein auf meine Erziehung zurückzuführen. Aber natürlich ist die Klassik für einige auch spannend, weil mit ihr gratis ein neubürgerliches Image zu haben ist.

Das scheint vielen Popliteraten derzeit besonders wichtig zu sein: Florian Illies schreibt über die Entschleunigung in der Provinz, und Poschardt feiert seine Bürgerlichkeit, wo er nur kann. von Uslar: Dabei kann die Klassik natürlich zum Instrument der zur Schau gestellten Bürgerlichkeit werden – so wie es eine Zeit lang toll war, Kunst zu sammeln. Sie erfüllt dann einen ganz anderen

Moritz von Uslar Die Zeitschrift „Tempo“ hat in den 80er Jahren einen neuen Journalismus geprägt – den Pop-Journalismus. Zu dieser Zeit war Moritz von Uslar, 36, Volontär. Das „Tempo“ war sein Sprungbrett in den Journalismus.

Seit Februar 2006 arbeitet Uslar als Redakteur für den „Spiegel“.

Von 1992 bis 2004 war er als Redakteur beim Magazin der „Süddeutschen Zeitung“ beschäftigt. Dort hat er sich besonders durch seine Interviews einen Namen gemacht. Er stellte Prominenten 100 Fragen, in denen es darum ging, möglichst spontan zu antworten. von Uslar fragte Dinge, die keinem anderen vorher eingefallen sind und zeigte so unerwartete Facetten seiner Gesprächspartner.

Gemeinsam mit Rebecca Casati veröffentlichte er 1999 die gesammelten Kolumnen „Wie sehen Sie denn aus? Eine Stilkritik“.

Außerdem schreibt von Uslar Kurzgeschichten, etwa „Davos“, die 1999 in dem von Chris-tian Kracht herausgegebenen Sammelband „Mesopotamia“ erschien.

Einige Zeit lang war er auch als Theaterautor tätig. Er hat die Stücke „Freunde“ (2000), „Freunde 2“ (2001) und „Absofuckin-lutely. The Best of Lulu“ (2004) geschrieben. Nun erschien gerade sein erster Roman: „Waldstein oder Der Tod des Walter Gieseking am 6. Juni 2005“, in dem es um Klassik und Pop geht.

In crescendo debattiert Moritz von Uslar die klassische Musik mit Chefredakteur Axel Brüggemann, 34. Die beiden haben sich zum ersten Mal vor drei Jahren getroffen, als sie gemeinsam Luciano Pavarotti in seiner Villa in Pesaro besuchten. Schon damals ging es darum, in welcher Weise ihre Generation Klassik debattiert – lesen Sie hier die Fortsetzung.

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Zweck. Sich zur Klassik zu bekennen ist in diesem Fall, als würde man sagen: „Schaut, bei mir ist die Kunst zu Hause.“ Aber gleichzeitig auch: „Schaut, ich bin bereit, mich in Musik ganz aufzulösen!“ Aber irgendwie nimmt man den Leuten gerade das nicht ab. von Uslar: Deshalb ödet mich diese Okkupation der Klassik auch an. Denn eines ist doch klar: Sobald man eine Sache feiert, ist man gar nicht mehr in der Lage, sie wirklich mit Haut und Haaren zu durchdringen. Wenn die Klassik Teil der Inszenierung wird, bleibt man auch bei ihr an der Oberfläche stecken.

Aber Moritz, was ist bei dir denn anders? Du inszenierst doch auch Beethoven in Deinem Buch. von Uslar: Eigentlich geht es aber nicht um Beethoven, sondern um Beethoven als Anlass zur Beschäftigung mit sich selbst, einer Sehnsucht, die in

Ich glaube, dass viele ein schlechtes Gewissen beim Hören haben: Man genießt etwas, ohne es zu verstehen.

der Musik liegt und die Selbstreflexionen, die man hat, wenn man sie hört. Da ist einer, der kommt aus dem Pop, ist frustriert und erhofft sich von irgend etwas Anderem eine Art Erlösung.

So geht es deinem Romanhelden Walter Gieseking. Welche Rolle hat die Klassik denn bei dir zu Hause gespielt? von Uslar: Ich bin mit dieser Musik aufgewachsen.

Eigentlich bin ich in einer Struktur groß geworden, in der die Klassik schon mit ganz vielen Daten besetzt war. Es gab bei uns einen strengen Kanon: Bruckner fand man blöde, Wagner quälte uns, aber es war wichtig, sich mit ihm auseinanderzusetzen. Die Musik war ein System dessen, was geht – und was nicht. Für mich war das erst einmal faszinierend. Aber schon als ich im Internat war, habe ich gemerkt, dass es

jenseits dieser bürgerlichen Ordnung der Musik einen privaten Zwang gibt, diese Stücke weiter zu hören.

Es hat also eine individuelle Befreiung vom bürgerlichen Musikkanon stattgefunden? von Uslar: Ich habe irgendwann erkannt, dass ich, wie das in den meisten bürgerlichen Familien der Fall ist, zwar in einem musikbegeisterten Umfeld aufgewachsen bin, aber gleichzeitig war das Musikhören unanalytisch, weil es kein Umfeld des Musikkennertums gab. Wie war das denn bei dir?

Genauso. Mein Vater hatte eine unglaubliche Plattensammlung, konnte aber keine Noten lesen. Irgendwann habe ich daraus die Konsequenz gezogen und Musikwissenschaft studiert – weil ich mehr wissen wollte ... von Uslar: Du hast Dir eben ziemlich schnell das nötige Besteck geholt. Und genau an dieser Stelle fängt ja auch meine Kaiser-Bewunderung an. Ich erinnere mich an die Geschichten meiner Verwandten, die in Bayreuth standen, und dann kam dieser Ostpreuße an und wollte sich dazustellen. Er ist ja letztlich auch ein Poschardt, ein Urposchardt sozusagen: Sohn eines kleinen preußischen Arztes, der durch seine Beflissenheit und sein angelerntes Kennertum hofft, die höheren Weihen der Bürgerlichkeit zu bekommen. Auf der einen Seite ist das zutiefst trostlos – auf der anderen Seite ist es aber auch unglaublich rührend. Kaiser ist in seinem Ehrgeiz so piefig und so wunderbar zugleich.

Wenn man das so sieht, ist Kaiser eine typische Thomas Mann Figur. Was ihn dabei von den Mode-Klassik-Fans unterscheidet, ist, dass er einen großen Vorbehalt dagegen hat, die Musik einfach zu genießen. von Uslar: Ich finde, er baut gerade damit Grenzen auf, die das Elitäre der Klassik unterstreichen und diese Welt so begehrenswert machen. Aber eigentlich gibt es dieses Elitäre in der Musik auch gar nicht. Leute wie Joachim Kaiser suggerieren, dass man Klassik nur genießen kann, wenn man die Partitur kennt und die harmonischen Vorgänge. Aber das wirklich Geile an der Musik ist doch, dass sie uns von sich aus anschreit: „Lern mich besser kennen! Durchschau mich! Hör mich, bis du mich verstehst!“

Es ist doch wahnsinnig und fast schon unverschämt, eine Form wie den Sonatenhauptsatz in unsere Zeit zu stellen – sie ist eine unglaublich sexy Form.

Die klassische Musik lockt also mit der Einfachheit und verweigert sich gleichzeitig der Eingängigkeit? von Uslar: Ich glaube, dass viele sogar ein schlechtes Gewissen beim Hören haben: Man genießt etwas, ohne es zu verstehen. Man findet etwas schön, aber dauernd sagt einem jemand, dass man es, wenn man es nicht durchschaut, gar nicht schön finden darf.

Es ist doch auch nicht von der Hand zu weisen, dass Musik noch mehr Spaß macht, wenn man Noten lesen und das System verstehen kann. von Uslar: Aber man kann auch ganz einfach hören, hören und hören! Das ist vielleicht ein zeitaufwändiger Weg, aber er führt ebenfalls zu Erkenntnissen.

Natürlich könnte ich mich auch in die Harmonielehre vertiefen, sie ist am Ende auch nur niedere Mathematik. Aber in letzter Zeit habe ich mir zu Hause die „Hammerklaviersonate“ angehört, wieder und immer wieder – und ich höre immer mehr. Eigentlich ist das genau wie mit der Bildenden Kunst. Rainald Goetz hat mich eine Zeit lang gezwungen, mit ihm in Ausstellungen zu gehen, und er hat immer wieder gesagt: „Schau, schau, schau – lass die Arme baumeln und schau einfach weiter.“ Und plötzlich haben sich die Sachen in meinem Kopf vernetzt.

Ich glaube ja, dass gerade die Form der klassischen Musik in der Ära nach der Postmoderne wieder besonders spannend ist. Plötzlich entdecken wir in der Klassik, dass es doch noch Zusammenhänge gibt, die größer sind als das eklektizistische Weltbild, an das sich unsere Generation gewöhnt hat. von Uslar: Es ist doch wahnsinnig und fast schon unverschämt, eine Form wie den Sonatenhauptsatz in das Chaos unserer Zeit zu stellen – sie ist eine unglaublich sexy Form! Und wenn man sich dann einmal anschaut, wie Beethoven die Welt durchdekliniert

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hat, ist das in jedem Kapitel der eigenen Biographie immer wieder eine neue Beschäftigung wert. Aber ich muss sagen, dass ich von deiner These über die Popularisierung der Klassik noch immer nicht ganz überzeugt bin. Ich habe seit meiner Internatszeit die Erfahrung gemacht, dass ich mit meiner Begeisterung für die Musik weitgehend allein bin. Ich wurde immer nur als Sonderling abgetan.

Aber das ändert sich doch gerade! Die Zeit der Bilder wird durch die Zeit des Klanges abgelöst.

Schröder war der letzte Bilderkanzler, Angela Merkel ist die neue Tonkanzlerin. Klassik wird selbst in Life-Style-Magazinen wieder Titelseitenfähig, und sogar die Sponsoren kommen zu den Festspielen und Konzerthäusern. von Uslar: Gut, nehmen wir mal an, du hast Recht.

Woran liegt das?

Weil die Musik einlösen kann, was wir uns dauernd erhoffen: Wir haben bei ihr kein Gegenüber wie in der Malerei, um die Welt zu begreifen, sondern sind wieder ganz auf uns zurückgeworfen. Mit allen existenziellen Ekeln, die auch dein Romanheld durchlebt. von Uslar: Du meinst, die Musik ist so etwas wie ein neues Heimatgefühl?

Wir brauchen den öffentlichen Ort für die Musik, um unsere Auseinandersetzung mit ihr erträglich zu machen. Die Direktheit der Musik ist manchmal zutiefst unappetitlich.

Natürlich. Eine Heimat, nach der wir uns sehnen: Eine Heimat jenseits der Dinglichkeit.

Wenn ich deinen Roman lese, lese ich doch auch, wie du die Welt längst in all ihren Mechanismen erkannt hast – alles funktioniert nach Plan. Und manchmal habe ich das Gefühl, ihr Popliteraten sitzt abends zu Hause und lacht euch tot. Ihr habt aus jeder Subkultur, in der ihr rumgeturnt seid, eine Massenkultur gemacht.

Aber trotzdem kommt ihr nirgendwo an. Und

was passiert dann? Plötzlich lässt du deinen Romanhelden in der Musik ankommen, wenn er sich seinen Lebenstraum erfüllt und die „Waldsteinsonate“ spielt. von Uslar: Er bewegt sich in einem Haus, in dem er eigentlich gar nicht beheimatet ist. Er möchte an diesem Ort der Klassik sein, schaut auf seine PopSozialisation und sucht seine eigentliche Identität.

Er vermutet sie in der Klassik, aber die scheint unerreichbar.

Dabei sind wir heute überall von Klassik umgeben, in der Werbung, und selbst im Taxi, wenn Klassik-Radio läuft. von Uslar: Aber das ist doch eine falsche Heimat.

Klassik-Radio tut nichts anderes als uns eine Heimat vorzulügen. Du kannst keine Mozart-Sinfonie zu deinen Mohnsemmeln hören. Die spielen da Filmmusik, aber suggerieren uns unsere eigenen Erinnerungen an eine Zeit, in der wir noch nicht für uns selber sorgen mussten, als unsere Eltern für uns gesorgt haben – und die haben ähnliche Musik gehört.

Bei Klassik-Radio ist Musik eigentlich nur ein akustischer Einrichtungsgegenstand. von Uslar: Ja, so wie Mutterns Küchenschrank! Aber um diese Heimat geht es ja auch nicht, sondern, so wie du sagst, um die Heimat in uns selbst. In dieser Heimat gibt es keine Äußerlichkeit, und alle Klischees der Klassik gelten da nicht: das Klischee der Ruhe, der Entspannung, der Schönheit. Wer das von der Klassik erwartet, wird sie nie als Heimat entdecken.

Klassik fordert keine Entspannung oder Ruhe, sondern höchste Konzentration, um eine beglückende Art herzustellen, sich mit sich selbst zu beschäftigen.

Wenn ich das jetzt alles so sage, merke ich, wie platt es ist, wenn mein Held am Ende des Buches dieses Stück spielt. Fast schon peinlich platt.

Na ja, das ist eben literarischer Pop, der mit der Klassik spielt! von Uslar: Die Grundidee ist ja, dass die Musik verlangt, dass du dich ihr zur Verfügung stellst.

Sie fordert unverschämt viel Zeit, in der wir die Welt verlassen: Kein Handy, kein nichts. Klassik

fordert vielleicht die größte Ressource, die wir heute noch haben. Und das macht die Musik zum wirklichen Luxus, zum Luxus der Entschleunigung – vier Stunden in der Oper sind mehr wert als eine neue Rolex.

Es gab bei uns einen strengen Kanon: Bruckner fand man blöde, Wagner quälte uns – aber es war wichtig, sich mit ihm auseinanderzusetzen.

von Uslar: Ich erlebe das besonders in Bayreuth. Die Arbeit an der Musik wird hier so besonders deutlich.

Die Überwindung, dass du zu dir kommst, ist so plakativ. Durch die langen Zeiten, die du da sitzt, durch die Unbequemlichkeit. Und am Ende ist es doch eine unfassbare Anmaßung gegen die vermeintlichen Anforderungen der Welt, beim „Ring“ sechs Tage lang ganz in Bayreuth, ganz in Oper, zu sein. Das ist ein gigantischer Fuck-Finger gegen die Welt. Für mich gibt es in keiner anderen Kunst eine vergleichbare Konzentration.

Geht es Dir eigentlich auch so, dass es Dir vor dem CD-Player viel schwerer fällt, diese Erfahrung zu machen? von Uslar: Ey, Axel, ich sag dir was: Vergiss doch die scheiß CDs. Weg mit der Scheiße! Wir brauchen den öffentlichen Ort für die Musik, um unsere Auseinandersetzung mit ihr erträglich zu machen. Die Direktheit der Musik ist manchmal zutiefst unerträglich und unappetitlich. Es ist doch eine lachhafte Situation, vor dem CD-Player zu sitzen und sich gehen zu lassen.

Das ist ein bisschen wie Onanie. Oder so wie die Geschichte mit dem weißen Elefanten. Der Maharadscha sagt: „Du kriegst all meine Schätze, wenn du nicht an weiße Elefanten denkst.“ Von diesem Punkt an ist es gar nicht mehr möglich, nicht an weiße Elefanten zu denken.

So ist das auch allein vor dem CD-Player. Man denkt dauernd: „Komm, Klassik, schenk mir

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Du kannst nicht vor dem CD-Player sitzen und dich selbst anschauen.

Dann bist du einfach ein Jammerlappen.

ein Stück Besinnung.“ Und dann klappt’s schon gar nicht. von Uslar: Und wenn sie dann trotzdem kommt, wird sie scheußlich, weil das Zusichkommen ein unansehnlicher Vorgang ist. Weil man dabei auf jede Form verzichtet. Man ist als Mensch nicht so gedacht: Die Erkenntnis ist eine zivilisatorische Leistung – und die sollte man mit anderen teilen. An einem öffentlichen Ort benimmt man sich anders.

Der Nachbar im Konzert zwingt einen zur Form, zur Haltung. Weil das Gehenlassen obszön ist, weil man eigentlich nicht so in sich zurücksinken darf, wie die Musik das verlangt. Und erst in dieser Spannung, in der der Körper sich beherrscht, findet ja auch das eigentliche Kopfkino statt.

Als ich mich einmal von einer Frau getrennt habe, bin ich zum CD-Player gegangen, habe Massenets „Werther“ aufgelegt und ein Messer neben den Lehnsessel gelegt. Das war eine wunderbare Selbstinszenierung an der Grenze zum Tode. von Uslar: Aber so kommst du natürlich nie zu dir.

Man kommt nur zu sich über dritte Dinge. Du kannst nicht vor dem CD-Player sitzen und dich selbst anschauen. Dann bist du einfach ein Jammerlappen.

dann abzuheben. Du kannst erst in die Luft, wenn du Kontakt aufnimmst. Erst dann hebt es dich weg.

So, oder so: das Ziel bleibt, wegzufliegen. Übrigens, CDs haben schon einen Vorteil: Sie geben dir die Möglichkeit zu hören, was nicht in deiner Nähe gespielt wird. von Uslar: Klar, die ganze Mahler-Rezeption hat mit der Schallplatte begonnen – plötzlich haben das Zeug alle gehört. Aber inzwischen entzieht die zeitgenössische Klassik sich mit ihren Klanginstallationen auch wieder dem Wohnzimmer und der CD. Ich finde das super: Man muss sich wieder zur Musik hinbewegen.

Ist das bei der Popmusik eigentlich auch so? von Uslar: Auf jeden Fall bei der Club-Musik, die funktioniert nicht zu Hause. Aber sie hat ein geheimes Fenster: beim Autofahren geht sie. Es ist aber auch so, dass niemand, der sich die neuen „Rolling Stones“ in den CD-Player legt und durchs Wohnzimmer hüpft, wissen wird, was die „Stones“ wirklich sind!

Aber irgendwie ist das auch romantisch. von Uslar: Zum romantischen Ideal gehört für mich aber auch, in den Wald zu gehen: Man geht irgendwo hin und kommt zu sich. Mir geht es beim Musikhören um den Moment des sich lebendig Fühlens, der Verbundenheit mit Materie, Welt und Gegenwart.

Hast du den Eindruck, dass die neue klassische Musik sich an der Popmusik orientiert? von Uslar: Vor kurzem habe ich Pierre Boulez getroffen. Und ich habe nicht verstanden, wie es sein kann, dass man höchst avancierte Kompositionen schreibt, ein Forschertum der elektronischen Musik für sich in Anspruch nimmt und gleichzeitig die ganze Popmusik ausblendet. Boulez’ Pop-Sozialisation hört schon bei Zappa auf. Ist das nicht rührend? Was ist nicht alles nach Zappa in der elektronischen Musik passiert! Aber genau das ist auch symptomatisch.

Die klassischen Neutöner entwickeln sich komplett parallel zu der durchaus auch avantgardistischen Popmusik.

Das ist bei mir ganz anders. Bei mir geht es um die Welt des Transzendenten. Um die Erfahrung auf dem Weg zum Tod, um eine Welt, die Heidegger mit dem Sein beschrieben hat, einen Ausbruch aus dem Seienden. von Uslar: Aber das ist doch dasselbe. Ich meine das Überirdisch-irdische. Die Helikopter-Perspektive. Das Urtranszendentale ist ja das Versinken in die Welt, um

Für Leute wie Stockhausen gilt das aber nicht. von Uslar: Drehen wir es einmal anders herum.

Frag doch einmal einen avancierten Popmusiker, in welcher Ecke der Klassik er sich inspirieren lässt. Es ist zuverlässig die drunterste Musik, die du dir vorstellen kannst. Da kommt immer: „Rachmaninow hat ein paar abgefahrene Sachen geschrieben“. Aber es kommt halt nicht Schostakowitsch, die Wiener Klas-

sik, oder das Ende der Sinfonik. Sondern es kommt die schlechte Scheißmusik, bei der man sagt: „Das? Ehrlich? Warum findest du das denn gut?“ Aber das liegt doch in der Natur der Sache.

Wir haben es in der Klassik und der Popmusik mit komplett anderen Ideen zu tun und mit unterschiedlichen harmonischen Ansprüchen.

Der Klassik liegt noch immer eine in Jahrhunderten entwickelte Dur-Moll-Harmonik zu Grunde, im Pop gibt es meist nur wenige Akkorde. Aber das spielt auch keine Rolle, weil es ja darum geht, von der Oberfläche her zu begeistern – weil es um das Schema der Waldstein-Melodie geht. von Uslar: Das ist sicherlich richtig, aber es ist doch verblüffend, dass gerade die neue klassische Musik sich ausgerechnet von dieser Tradition entfernt hat.

Und darin liegt auch mein großer Frust: Es ist doch so, dass die zeitgenössische Musik unentwegt ausschließt. Das finde ich absolut Scheiße.

Aber die alte klassische Musik wird umso mehr in den aktuellen Kontext gestellt. Klassik hat ja den Vorteil, dass es sie eigentlich als Kunstwerk nicht gibt. Es gibt eine alte Partitur – aber die kannst du dir nicht ans Ohr halten. Sie muss immer wieder im Jetzt zum Leben erweckt werden. von Uslar: Das ist wahrscheinlich auch der wirkliche Kick der Klassik. Goetz hat einmal über das Hören einer Jimmy Hendrix-Platte geschrieben, dass er zwar mitkriegt, wie es da abgeht, aber für ihn klang es am Ende eben doch nur alt. Das ist wie 20 Jahre alte Butter essen. Musik muss frisch sein. Und Klassik ist geilerweise immer wieder frisch. Weil sich da ein Musiker hinsetzt und Gas gibt. Wenn ein Brendel sich noch einmal etwas erarbeitet hat, dann ist das Gegenwart pur. Dann ist das lebende Klassik.

Moritz von Uslar hat gerade seinen Debüt-Roman „Waldstein oder Der Tod des Walter Gieseking am 6. Juni 2005“ vorgestellt.

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PRÄSENTIERT

Deborah Voigts gefeiertes Debüt!

rezension 20 | crescendo 06 2006 Mechanisches Klavier von Nancarrow.

Amilcare Ponchielli Gran Teatre del Liceu Barcelona, 2005

Deborah Voigt

Elisabetta Fiorillo Ewa Podle´s Carlo Colombara Richard Margison Carlo Guelfi Orquestra Simfònica i Cor del Gran Teatre del Liceu DANIELE CALLEGARI Inszenierung: Pier Luigi Pizzi DVWW-OPGIOC (2 DVDs)

Wolfgang Amadeus Mozart

LA FINTA GIARDINIERA Opernhaus Zürich, 2006

Eva Mei Isabel Rey · Liliana Nikiteanu Rudolf Schasching Christoph Strehl Orchestra “La Scintilla” der Oper Zürich

NIKOLAUS HARNONCOURT Inszenierung: Tobias Moretti DVWW-OPFINT

Wolfgang Amadeus Mozart

REQUIEM

Musikverein Wien, 1981

Rachel Yakar · Ortrun Wenkel Kurt Equiluz · Robert Holl Concentus Musicus Wien Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor

NIKOLAUS HARNONCOURT DVWW-COMREQ

GÜNTER WAND dirigiert Schubert und Brahms Schleswig-Holstein Musik Festival, 1997

Schubert: Symphonie Nr. 5 Beethoven: Symphonie Nr. 1 NDR SINFONIEORCHESTER

GÜNTER WAND DVWW-COWAND7

Vertrieb in Deutschland:

Mechanische Musik

Kein Mann am Klavier Bei Conlon Nancarrow ging es irgenwie immer um Millimeter. Bei seinem akurat zurechtgestutzten Bart oder wenn er in seine Werkstatt ging, einen gigantischen Raum mit noch gigantischeren Maschinen, und seine Löcher in die Notenrollen schlug – dann war das wieder Millimeterarbeit.

Ein Stückchen zu viel nach links, ein Stück zu weit nach rechts, und die ganze Mühe wäre vergebens. Der Pedant aus den USA hatte einen Spleen, und der galt einer eigenwilligen Form der Komposition: mit einer Handstanz-Maschine Löcher in eine Notenrolle zu stanzen. Nancarrow hat ein opulentes musikalisches Werk hinterlassen. Nicht auf Notenpapier, sondern auf metallenen Rollen. Nicht für Menschen, sondern für mechanische Klaviere.

Heute kennt man diese Instrumente höchstens noch aus Jazzbars oder Hotellobbys – dort spielen sie allein vor sich hin, die Tasten bewegen sich wie von Geisterhand. Zur puren Unterhaltung. Für Nancarrow war es eine der höchsten Künste.

Der Mensch hat zwei Hände. Und an jeder Hand zehn Finger. Das ist die naturgegebene Grenze für jeden Pianisten – mehr als zehn Töne gleichzeitig kann er nicht anschlagen.

Bei einem Player Piano dagegen werden die Tasten durch eine komplexe Mechanik im Klavier bedient: Über ein System von Rädern, Walzen und Drähten werden die Hämmer im Instrument angehoben. Jedes Loch auf der Notenrolle bedeutet einen anderen Ton. Eine lose Ansammlung von Löchern Staccato, eine dichte Reihe einen längeren Legato-Ton. Mit diesem Mechanismus sind dem Komponisten keinerlei Grenzen mehr gesetzt – er ist auf keinen Pianisten mehr angewiesen. Wenn dem Tonsetzer danach ist, können alle Tasten gleichzeitig gespielt werden oder Töne in Intervallen, die unmöglich für die Physiologie der Hand wären, erklingen.

Conlon Nancarrow beschäftigte sich sein ganzes Leben lang mit Kompositionen für dieses außergewöhnliche Instrument. Der Amerikaner bewies schon in früher Kindheit musikalisches Talent. Als 19jähriger begann er das Studium der Trompete und spielte in verschiedenen Jazz- und Tanzkapellen. Nur ein

Instrument konnte er einfach nicht in den Griff bekommen: das Klavier. Vielleicht war er aus diesem Grund der Meinung, dass Maschinen die besseren Pianisten wären.

Zu Beginn seiner kompositorischen Tätigkeit schrieb Nancarrow noch für menschliche Interpreten. Diese Werke konnte er allerdings nach langer Arbeit mit den Player Pianos selbst nicht mehr ernst nehmen: „Welchen Wert meine (frühen) Stücke auch haben mögen – die Player Piano-Kompositionen sind sicherlich zehnmal bedeutender als die Vor-Player Piano-Stücke“, sagte der Komponist – und behielt Recht.

Aber Nancarrow war nicht nur ein begeisterter Musiker. Er war auch politisch engagiert. Wie Ernest Hemmingway und andere amerikanische Künstler zog er voller Überzeugung in den spanischen Bürgerkrieg. Doch als er in die USA zurückgekehrt war, wurde er aufgrund seiner politischen Aktivitäten zur „persona non grata“ erklärt und wanderte nach Mexiko aus. Dort lebte er über 30 Jahre als Einsiedler und stanzte in mühevoller Kleinarbeit von Hand Löcher in seine Notenrollen.

Obwohl seine Werke weitgehend ungehört blieben, oft belächelt wurden und es kaum Aufführungen gab, änderte das nichts an der Beharrlichkeit und Ausdauer des Komponisten.

Inzwischen wird Nancarrow als einer der bedeutendsten Wegbereiter der zeitgenössischen Musik ge-

Fotos: Dabringhaus

LA GIOCONDA

Der Komponist Conlon Nancarrow www.tdk-music.com

crescendo 06 2006 | 21 rezension

Die neue CD-Edition

feiert.

Der kürzlich verstorbene Neutöner György Ligeti hielt ihn sogar für „den bedeutendsten Komponisten der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts“.

Die Kompositionen klingen teilweise so, als wäre es das Ziel von Musik, möglichst viele Töne in komplizierten Rhythmen auf engen Raum zu verpacken und das Gehör der Zuhörer zu fordern – und manchmal zu überfordern.

Denn Nancarrows Werke machen den Eindruck, einen Wettbewerb gewinnen zu müssen: Wie schnell und virtuos kann ein Stück sein, wieviele Töne in absurden Abständen hintereinander angeordnet werden. Durch die oft eintönige Dynamik wird man von manchen Kompositionen wie von einer Flutwelle überrollt. Diese Musik ist kein „easy listening“, obwohl Anleihen an den Jazz unverkennbar sind. Sie fasziniert durch ihre Maßlosigkeit, bleibt allerdings nur in Maßen hörbar.

Bislang gab es vereinzelte Aufnahmen der Kompositionen, aber im vergangen Jahr haben Dabringhaus & Grimm (MDG) diese außergewöhnliche Musik für Player Piano neu aufgenommen. Das Unternehmen war gigantisch: In fünf Folgen wurden alle Nancarrow-Kompositionen für mechanisches Klavier auf den beiden originalen Ampico-Flügeln eingespielt.

Die Neuaufnahmen sind auch deshalb spannend, weil die technischen Möglichkeiten besser geworden sind. Obwohl die Zeiten des Player Pianos eigentlich lange vorbei sind, ist es ein verblüffend fortschrittliches Instrument. Heute können Stücke für Player Piano direkt am Computer komponiert werden. Bei Nancorrows Werk für zwei Player Pianos ist es sogar erst seit einiger Zeit möglich, es so exakt abzuspielen, Mehr Nancarrow auf der crescendo-premium-CD

Rafael Frühbeck de Burgos Dresdner Philharmonie Richard Strauss

Eine Alpensinfonie Rosenkavalier-Suite

wie er es einst komponierte – ebenfalls mit Hilfe des Computers. „Nancarrows Musik war eigentlich vom Aussterben bedroht, da von jeder Komposition nur eine Rolle existierte“, sagt Werner Dabringhaus. Der Label-Chef wurde durch einen Sammler von Selbstspiel-Instrumenten auf Nancarrow aufmerksam. Der Chemiker Jürgen Hocker reiste für seinen Spleen um die ganze Welt – und er verehrte Nancarrow.

Hocker besuchte den Einsiedler in Mexiko und machte sich daran, dessen Kompositionen zu Hause nachzustanzen. Er kopierte die Notenrollen und konnte so das Werk des Komponisten nachbilden – natürlich auf den Millimeter genau.

Auch für einen CD-Produzenten wie Dabringhaus ist die Aufnahme von Stücken für Player Piano ein nicht alltäglicher Vorgang: „Für mich als Tonmeister war es ungewohnt, mich um nichts kümmern zu müssen, außer um die Tatsache, dass die Rolle gut läuft.“ Nancarrow hat eben so komponiert, dass die Menschen weitgehend überflüssig werden – nur als Hörer bleiben sie gefordert.

Weitere Aufnahmen sind in Vorbereitung.

Der legendäre sächsische Klang – wir pflegen ihn!

Seit 1870.

Michaela Danner Nancarrow: „Player Piano“ (MDG)

www.dresdnerphilharmonie.de Erschienen bei: Deutschlandvertrieb:

Bestellnummer GEN 86074

Klassik-Charts: Die Bestseller

Die Besten

Netrebko, Quasthoff, Terfel Das Mozart-Album (Deutsche Grammophon)

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Netrebko, Villazón Violetta – Arien und Duette aus „La Traviata“ (Deutsche Grammophon)

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Netrebko, Abbado: Sempre libera (Deutsche Grammophon)

4

Netrebko, Noseda, Wiener Philharm.

Opera Arias (Deutsche Grammophon)

3

Annas Debüt, nicht so gut gelungen wie ihre zweite Platte mit Abbaddo.

Sting Songs from the Labyrinth (Deutsche Grammophon)

4

Schäfer, Schneider Schubert: „Die Winterreise“ (Onyx)

1

René Jacobs Mozart: „La Clemenza di Tito“ (Harmonia Mundi) Fritz Wunderlich Leben und Legende (Deutsche Grammophon)

Diese DVD zeigt den Familienmenschen hinter der Stimme. Zum Weinen schön.

5

Villazón, Plasson Opern-Recital (Virgin Classics)

5

Fritz Wunderlich Wunderlich Privat (Deutsche Grammophon)

6

Mutter, Bashmet Mozart: Die Violinkonzerte/ Sinfonia Concertante (Deutsche Grammophon)

6

Von Guttenberg Mozart: „Requiem“ (Farao)

7

Plácido Domingo Moments of Passion (Sony Classical)

8

Bartoli, Minkowski: Opera Proibita (Decca)

9

Ein Todestanz mit unvergleichlicher Bitternis und großem Gotteszweifel.

7

Harnoncourt, Concentus Musicus Mozart: „Zaide“ (Deutsche-Harmonia Mundi)

8

Harding, Cheréau Mozart: „Le Nozze di Figaro“ (Virgin)

9

Gulda, Zawinul Music for Two Pianos (Capriccio)

Domingo, Kohn Italia Ti Amo (Deutsche Grammophon)

10 Lang Lang Memory (Deutsche Grammophon) Verträumte Musik, sicherlich, aber zuweilen leider auch erbärmlich belanglos.

11 Fritz Wunderlich Wunderlich privat (Deutsche Grammophon) 12 12 Cellisten Angel Dances (Edition Musikat) 13 Schäfer, Schneider Schubert: „Die Winterreise“ (Onyx) 14 Mutter, Previn Mozart: Klavier Trios (Deutsche Grammophon) Einer der spannendsten Teile von Mutters Mozart-Projekt im Jubeljahr.

15 Rattle, Berliner Philharm. „The Planets“ (EMI Classics)

Die Klassik-Charts wurden ermittelt durch Mediacontrol im Auftrag des Bundesverbandes der phonographischen Wirtschaft e.V.

rezension 22 | crescendo 06 2006

10 Eckart Runge Cello Tango (Edition Musikat) 11 Kofman Dmitri Schostakowitsch: „Sinfonie Nr. 13“ (MDG) Ein akustisches Weltbildpanoptikum.

12 Skrowaczewski Beethoven: 1. und 4. Sinfonie (Oehms Classics) 13 Netrebko, Villazón Verdi: „La Traviata“ (Deutsche Grammophon) 14 Lera Auerbach Preludes and Dreams (BIS) 15 Runnicles Wagner: „Tristan und Isolde“ (Warner) Die crescendo Klassik-Charts werden in der Redaktion ermittelt. Zu Grunde liegen Einspielungen der letzten fünf Monate.

„Des Knaben Wunderhorn“

Kleibers „Freischütz“

Realismus ohne Botschaft. Warum hat sich Philippe Herreweghe gemeinsam mit dem Orchestre des Champs-Élysées ausgerechnet Mahlers „Des Knaben Wunderhorn“ als CD-Projekt ausgesucht?

Vielleicht, weil Mahlers Beschäftigung mit den Texten Achim von Arnims und Clemens Brentanos heute besonders aktuell scheint: Miniaturen über das menschliche Sein in einer aufgewühlten Gegenwart. Aber Herreweghes Grundton ist der eines musikalischen Rationalisten, der um das Tschingderassabum der Welt weiß, ihm gleichzeitig durch melodische und epische Ruhepole entkommen will und dabei doch in biedermeierische Sujetbeschreibungen verfällt. Vortrefflich singt der Bariton Dietrich Henschel, dessen lyrischer Schmelz und Legatokultur es schaffen, die Zeit für einige Augenblicke lang stehen zu lassen. Der Mezzo von Sarah Connolly besticht durch Weiche, doch leider bleibt sie oft wortunverständlich.

Vergangenes Highlight. Archive sind wunderbare Orte – weil man in ihnen ausgraben kann, was früher einmal Gang und Gäbe war. Zum Beispiel im gigantischen Archiv des WDR, der 1955 in Köln die Aufführung des „Freischütz“ mitgeschnitten hat.

Erich Kleiber dirigierte damals das Rundfunk Sinfonieorchester mit einer unglaublich nahen Auffassung von dem, was Romantik ist. Perspektivisch dringt er in Webers Mythenwald vor und erzählt dabei ein Märchen, das eiskalt und schauerlich ist.

Ohne Pathos, sondern mit tiefenpsychologischer Direktheit. Und all das mit einer erstklassigen Sängerbesetzung: Elisabeth Grümmer (Agathe), Rita Streich (Ännchen), Hans Hopf (Max) und Kurt Böhme (Samiel) singen in einem Weltklasse-Ensemble. Früher war so etwas Radio-Alltag. Heute ist man froh, dass dieses Stück Vergangenheit im Archiv des WDR lag und entdeckt werden konnte.

Fatalistische Seelen

Gustav Mahler: „Des Knaben Wunderhorn“. Herreweghe, Connolly, Henschel (Harmonia Mundi).

Eiskaltes Märchen

Carl Maria von Weber: „Der Freischütz“. Kleiber (Capriccio).

Karajan dirigiert Schumann

Chéreaus „Cosi“

Der perfekte Klang. So wie der Mann am Pult der Wiener Symphoniker sitzt, ist sofort eines klar: Herbert von Karajan war eine Ikone seiner Zeit. Um ihn herum die Hornbrillen und Nassfrisuren der 60er Jahre – und er ein Beau, der auch in unsere Gegenwart passen würde. In diesem Film-Dokument, den Proben zu Schumanns vierter Sinfonie, offenbart sich aber auch ein anderes Geheimnis: die Perfektion des Dirigenten. Karajan kommt, verliert keine Worte, beginnt und unterbricht schon nach zwei Noten. Seine Anweisungen für das Orchester: Sie sind wie Bedienungsanleitungen für eine Maschine, präzise, technisch und allwissend. Er duldet keine Wahrheiten außer seinen eigenen. Die Wiener Symphoniker erdulden die Tyrannei des Wissens mit Hingabe. Außerdem auf der DVD: Beethovens „Fünfte“ mit den Berliner Philharmonikern.

Mozart ernst genommen. Bei „Cosi fan Tutte“ muss man Positionen beziehen – ist das Wirrwarr der Paare Spiel oder Ernst, und wer betrügt hier überhaupt wen? Die letzte gültige, und von Feuilletons bejubelte Inszenierung hat Patrice Chéreau bei den Festspielen in Aix en Provence hingelegt.

Sein Geheimnis ist einfach: Er nimmt Mozart ernst.

Vor einer Mauer und in Kostümen lässt er ein inneres Seelendrama ablaufen, schafft Tableaus mit Menschen, die gleichzeitig Positionsbestimmungen der Herzen sind. Einziger Nachteil ist das Dirigat von Daniel Harding. Er setzt auf Klang-Effekte, hinter denen sich allerdings nur selten ein tieferer Sinn verbirgt. Und trotzdem, mit den Sängern Erin Wal, Elína Garancˇ a, Stéphane Degout, Shawn Mathey, Barbara Bonney und Ruggero Raimondi ist dieses die bislang beste audiovisuelle Aufnahme der „Cosi“.

von Karajan: „In Rehersal and Performance“ (Unitel).

Mozart: „Cosi fan Tutte“. Harding, Chéreau (Virgin).

Tyrannei des Wissens

Tableaus der Herzen

crescendo 06 2006 | 23 rezension

Vokale Mozart-Vielfalt

Foto: Sony BMG

Das Jahr 1999 brachte den Durchbruch für die Sopranistin Anja Harteros: Da gewann sie den Cardiff Singer of the World-Wettbewerb der BBC und der Welsh National Opera.

Inzwischen gehört sie zu den wichtigsten Sopranen der Opernszene. Was sie auszeichnet ist ihre Vielfältigkeit. Harteros ist eine Allzweckstimme, verkörpert Verdis „Traviata“ an der Grenze zum Tode und singt, wie nun, auf ihrem neuen Album, luftig und leicht durch die Arienwelten Mozarts und Haydns. „Bella Voce“ ist der Titel der CD. Und ihre schöne Stimme lässt Harteros durch die Arien von „Idomeneo“, „Figaro“ und „Cosi“ flattern, zuweilen ernsthaft schwer, dann wieder spielerisch beschwingt.

Quasi als Zugabe gibt es Haydns „Scena di Berenice“ – eine lustvollte und abgründige Vorstellung der vielseitigen Vokalkunst.

Pinchas Steinberg führt die Wiener Symphoniker mit großer Mozart-Weisheit durch die Partituren, und das unbekümmert aufspielende Orchester steht oft in passender Spannung zu Harteros ernsthaftem Gesangsstil.

Anja Harteros: „Bella Voce“ (Sony BMG).

Mehr Harteros auf der crescendo-premium-CD

„Traviata“ mit Mehta

Liszt komplett

Lera Auerbach

Hörenswerte Alternative. Entweder sind die Leute von „Farao“ wahnsinnig oder schlau. Aber auf die Idee, nach der Deutschen Grammophon und nach Anna Netrebko noch eine „Traviata“ auf den Markt zu bringen, ist erst einmal: beachtlich!

Und das Ergebnis ist es auch. Zubin Mehta dirigiert Verdi mit Schmackes, mit Lust und Leiden.

Das Klangbild ist transparent und durchhörbar bis in die letzte Stimme. Anja Harteros singt die Lebedame Violetta nicht kindlich naiv wie Netrebko, sondern ernsthaft leidend – sie ist im Geiste locker 20 Jahre älter als Ihre Konkurrentin. Die Leute von Farao beweisen, dass Wahnsinn klug sein kann. .

Vollständig und spannend. Franz Liszt ist heute besonders als Meister des Klavieres bekannt – seine Orgelwerke sind zum Teil in Vergessenheit geraten. Dabei zieht er in ihnen alle orchestralen Register, behandelt das Instrument als Grenze zwischen Klavier und Ensemble. Der Organist Martin Haselböck hat sich nun drangemacht, alle Werke auf CD einzuspielen. Herausgekommen ist eine opulente Sammlung mit fünf CDs und einer DVD. Auf den Ladegast-Orgeln in Merseburg, Köhten, Schwerin und Hohenmölsen spielt sich Haselböck durch das vielfältige geistige und weltliche Werk.

Eine Aufnahme, die alte Zöpfe abschneidet.

Für die russische Pianistin und Komponistin Lera Auerbach ist der Klang ein wichtiges Mittel der Kommunikation. Er entsteht aus einer Welt, die in ihr entstanden ist und trifft auf Zuhörer, von denen sie nicht mehr fordert, als neugierig zu sein.

Nun ist eine CD mit ihren eigenen Kompositionen herausgekommen. Die Pianistin eröffnet in „24 Perludes for Piano“ Klangwelten, die unterschiedlicher nicht sein können, wie Bach hangelt sie sich dabei durch alle Tonarten. Noch transzendentaler geht es bei ihrem Stück „10 Dreams“ zu: eine musikalische Welt, die in Erinnerung bleibt.

Anja ist Annas ältere Schwester

Verdi: „La Traviata“. Mehta, Harteros (Farao).

Mehr Traviata auf der crescendo-premium-CD

Opulente Orgelwerke

Franz Liszt: Die Orgelwerke, Haselböck (NCA).

Traumhafte Klangwelten

Lera Auerbach: „Preludes and Dreams“ (BIS).

Mehr Auerbach auf der crescendo-premium-CD

rezension 24 | crescendo 06 2006

Lang Langs Klänge aus China

Der Kulturrevolutionär In der chinesischen Kulturrevolution war alles Westliche suspekt – auch die klassische Musik.

Nur das Klavier überlebte die künstlerischen Säuberungsaktionen. Und das hat bis heute Konsequenzen. In keinem anderen Land der Welt steht das Piano so sehr für sozialen Aufstieg, für eine positiv besetzte Bürgerlichkeit und für eine Kulturtradition wie in China. Dort wurde sogar die heimliche Hymne des Landes, das Lied „Yellow River“ zu einem offiziellen Klavierkonzert umgeschrieben. Chinesische Kultur und westliche Klassik fanden einander.

Lang Lang wandelt leichtfüßig auf den Grenzen der Kulturen. Im Dezember 2005 kehrte er zurück in seine Heimat und gab einige Konzerte in China.

Unter dem Titel „Dragon Songs“ entdeckte er traditionelle chinesische Musik auf dem Klavier neu, spielte gemeinsam mit Freunden seiner Studienzeit und hat dabei das Repertoire für sein neues Album erarbeitet. Ein spannender „Clash of cultures“ zwischen Fernost und Europa.

Lang Lang: „Dragon Songs“ (Deutsche Grammophon) .

Mehr Lang Lang auf der crescendo-premium-CD

Andsnes´ „Horizons“

Rattle und Kožená: Arien

Gulda und Zawinul

Kleine Grenzerweiterungen. Manchmal ist Klavierspielen einfach auch nur eine Frage der Lust. Und die steht im Vordergrund von Leif Ove Andsnes neuem Album.

Unter dem Titel „Horizons“ kümmert er sich um die kleinen Werke der Pianoliteratur – die meisten sind bekannte Zugabenstücke. Andsnes spielt sie mit Leichtigkeit und luftiger Phantasie. Viele kleine Erinnerungen seiner bisherigen Laufbahn. Das Programm besteht aus persönlichen Piano-Miniaturen, zum Beispiel Iberts „Le petit âne blanc“, Sibelius’ „Etude“, dem ersten Chopin „Impromptu“ und Liszts „Liebestraum“ – viele dieser Stücke haben den Beginn der Karriere des Klavierspielers begleitet. Außerdem gibt es noch kleine Trouvaillen, auf die Andsnes im Laufe seiner Karriere gestoßen ist, Werke von Antheil, Schostakowitsch und, natürlich von seinem Landsmann Grieg.

Traumpaar ohne Träumereien. Nun haben sie es endlich gemacht, mit allerhand öffentlichem Tam-Tam. Video-Clips bei den Aufnahmen, und dann wurde das Paar noch getrennt voneinander befragt. Die Eheleute Rattle und Kožená, der Dirigent und die Sopranistin, antworteten einmütig: Es ginge um die Musik, das sei doch klar. Und die Zusammenarbeit zutiefst professionell. Was aber herausgekommen ist, ist – nun ja – befriedigend.

Die Mozart-Arien singt Kožená mit zuweilen übertriebener Inbrunst, vieles, wie das „Voi che sapete“ aus „Figaro“ klingt aufgesetzt. Höhepunkt sicherlich die vokal flackernde „Idomeneo“-Arie „Quando avran fine omai“. Rattle dirigiert das Orchestra of the Age of Enlightenment solide – aber auch nicht mehr. Seinem Mozart ist die Leichtigkeit, die Selbstverständlichkeit nicht wirklich anzuhören.

Tempo als Mittel des ungestümen Ausdruckes. Schon der Anfang ist Legende: „Ich begrüße mit besonderer Freude Joe Zawinul, meinen alten Spezi. Und wir sind in Wien aus dem gleichen musikalischen Mutterboden entsprungen und von daraus werden wir in unsere musikalische Verwandschaft hinabsteigen.“ So empfing Friedrich Gulda seinen Klavier-Kollegen am 20. Mai 1988 in Köln. Und dann spielten die beiden sich durch ihre eigenen Kompositionen für zwei Klaviere: träumerische, in endlose Weiten führende Melodien und Assoziationen. Neben den Stücken „Variationen für zwei Klaviere und Band“ von Gulda und Zawinuls „Volcano for Hire“ interpretieren sie auch Johannes Brahms‘ „Variationen über ein Thema von Joseph Haydn“. Eine ernsthaftige Wiener Gaudi, wie alles in Wien irgendwo zwischen Leben und Tod musiziert.

Miniaturen in die Unendlichkeit

Leif Ove Andsnes: „Horizons“ (EMI).

Mozarts solide Seite

Mozart: „Arias“, Rattle, Kožená (Archiv).

Wiener Seelensuche

Gulda, Zawinul: „Music for Two Pianos“ (Capriccio).

crescendo 06 2006 | 25 rezension Zwei Mal Holsts „Planeten“

Rattles Raumfahrt Musik nach wissenschaftlicher Erkenntnis. Im Jahre 1926 waren die Sterne noch nicht zum Greifen nahe, und jede Mission ins All glich Science-Fiction. Doch das Unbekannte regt die Phantasie bekanntlich mehr an, als jede felsenfeste Erkenntnis. Wie das Wetter am 2. und 22. Juli des Jahres 1926 in London gewesen ist, wissen wir nicht mehr – aber von dem, was zu hören ist, könnte ein leichter Wolkenschleier in der Luft gehangen haben. Vielleicht war das Strahlen der Sterne nur als Lichtschatten zu erahnen. Auf jeden Fall ging es ziemlich düster, dunkel und neblig zu, als der Komponist und Dirigent Vaughan Williams das London Symphony Orchestra an diesen Tagen durch die Komposition seines Kollegen dirigierte, durch Holsts „Die Planeten“.

In dieser Aufnahme klingt das Weltall als große unbekannte Welt voller Gefahren. Williams stochert mit dem Dirigierstab in die Finsternis und erkundet die Planeten mit romantisch verträumter Aufregung. Die Größe des Unternehmens, sich im Sonnensystem voranzubeamen, ist schon im fast walkürenhaften, nervösen Streicher-Beginn zu hören. Williams „Mars“ kennt noch keine MarsMission, sondern scheint irgendwo hinter dickem Klang-Gestrüpp zu liegen.

Heute, 80 Jahre später, ist das Weltall erforscht.

Und das ist auch in der musikalischen Wandlung von Holsts „Planeten“ zu hören. Bei Simon Rattle und den Berliner Philharmonikern steht kein Wölkchen mehr am Himmel, sie musizieren aus einer sternenklaren Nacht und haben das beste optische Gerät zur Verfügung, um die Planeten auf Tuchfühlung heranzuzoomen, sie scheinen den Weltraum mit Ultraschall, GPS und Lasertechnik zu erkunden. Dabei führen sie das Gestirn glasklar vor Ohren, und während in Williams Interpretation noch die vage Vorstellung und die Projektion der romantischen Raumphantasien zu hören waren, scheint bei Rattle inzwischen jeder Winkel des Universums ausgeleuchtet.

Williams Weltall-Musik von 1926 steckt noch voller Geheimnisse, im Rattle-Kosmos von 2006 gibt es hauptsächlich Antworten. Die Aufnahme wird durch Auf tragskompositionen ergänzt: Kaija Saariaho, Matthias Pintscher, MarkAnthony Turnage und Brett Dean haben die Asteroide komponiert.

Holst: „Die Planeten“.

Vaughan Williams (Naxos Historical) und Simon Rattle (EMI).

Mehr Holst auf der crescendo-premium-CD

PERLEN FINDET MAN IN SCHLEIMIGEN MUSCHELN. GOLD IM FLUSSSCHLAMM. TEURE PILZE WACHSEN AM BESTEN AUF KUHMIST. DOCH DAS SIND ALLES KEINE GRÜNDE DAFÜR, WARUM DIE GRÖSSTEN STARS DER KLASSISCHEN MUSIK DORTMUND SO SEHR LIEBEN. DENN DORTMUND SELBST IST DIE PERLE, DAS GOLD, DIE EDLE ZUTAT. NICHT UMSONST HEISST ES: SO KLINGT NUR DORTMUND. NIRGENDWO AUF DER WELT LÄSST SICH MUSIK SO GENIESSEN WIE BEI UNS, IM KONZERTHAUS DORTMUND, DER PHILHARMONIE FÜR WESTFALEN. UND DAS GILT FÜR DIE MUSIKER WIE FÜR SIE, DEN ZUHÖRER. ALSO ÜBERLASSEN SIE DIE PERLEN LIEBER DEN TAUCHERN IN DER SÜDSEE, TAUSCHEN SIE DAS GOLDSUCHERSIEB GEGEN EINEN ANZUG UND DAS PILZKÖRBCHEN GEGEN KONZERTKARTEN. UND NOCH EIN TIPP: NEHMEN SIE IHRE PERLE, IHR GOLDSTÜCK, IHREN SCHATZ ODER ALLE DREI GLEICH MIT. ZU EINEM UNVERGESSLICHEN ABEND IN DAS KONZERTHAUS DORTMUND. ALLE INFOS ZUR SAISON 06/07 UNTER WWW.POPABO.DE I WWW.KONZERTHAUS-DORTMUND.DE

rezension 26 | crescendo 06 2006

Runnicles´ „Tristan“

Dokumentation des Pianisten

Rostro spielt Haydn

Klar und deutlich. Der letzte große „Tristan“ war ein gigantischer Erfolg – mehr kann Oper auf CD nicht erreichen als die Einspielung mit Plácido Domingo unter dem Dirigat von Pappano bei EMI. Nun hat Warner gekontert und ebenfalls einen neuen „Tristan“ herausgebracht. Donald Runnicles dirigiert das BBC Symphony Orchestra. Er gehört zu den Dirigenten, die sich im Maestro-Jet-Set eher in der zweiten Reihe bewegen. Dabei ist er besonders bei Wagner ein alter Haudegen. Und daraus schlägt er nun Kapital. Runnicles dirigiert mit erfrischender Klarheit, verkrümelt sich nie in romantischen Nebelwelten, sondern bringt Licht, selbst in die Schattenseiten der Liebe. Grundidee seines „Tristan“ scheint die endlose Melodie deren Bogen er tatsächlich über alle vier CDs spannt.

Christine Brewers Isolde legt die Partie mit großem lyrischem Atem und abgründigen Tiefen in ihrem Sopran an, John Trewleavens Tristan-Tenor ist besonders in den sanften Passagen samtig weich, kämpft allerdings in den finalen Höhen.

Der außerirdische Pianist. Da steht ein Mond am Himmel und da sitzt ein Mann am Klavier. Und schon diese erste Einstellung zeigt: In diesem Film geht es um unsere Erde und um das Außerirdische der Musik. Regisseur Bruno Monsaingeon hat sich auf die Spuren von Glenn Gould gemacht, seine Wirkungsstätten aufgesucht, mit Menschen gesprochen, die ihn gekannt haben, die in seinen Konzerten waren, die mit ihm gearbeitet haben – so ist eine Dokumentation entstanden, die selbst wie eine große Fuge ist. Ausgangs- und Endpunkt ist die Heimat des Klavierspielers: Toronto. Und im Hintergrund spricht immer der Meister selbst und erinnert sich an sein Leben.

Originalbilder aus Konzerten werden geschnitten mit einem modernen Publikum vor einem CD-Player in dem die Klavier-Legende spielt. Highlights des Filmes sind natürlich die Konzertmitschnitte, in denen Gould von Chopin über Beethoven bis Wagner fast alles spielt und die Interviews mit dem Pianisten.

Hayden im Rausch der Schönheit. Er hat die Renaissance des Cellos begründet: Mstislaw Rostropowitsch ist der Peter Ustinov der Musik – ein alter, weiser Herr des Klanges. Inzwischen hat er sich zurückgezogen, widmet sich der Nachwuchsförderung und dirigiert. Dass er das kann ist nun auf einer DVD zu sehen, auf der Rostropowitsch Haydns Cello-Konzerte spielt. Natürlich dirigiert er – en passant – die Academy of St Martin in the Fields. Die Aufnahme ist eine Dokumentation des perfekten alten Klanges. Es ging in dieser Zeit, die Aufnahmen stammen aus dem Jahre 1975, noch nicht wirklich um die Erkenntnisse der historischen Aufführungspraxis, sondern viel eher um die Suche nach dem Schönen. Hinter einer technisch polierten Oberfläche ohne Makel lässt er musikalische Innigkeit hören. Eine Ästhetik, in der es nichts Störendes gibt. Aus der historischen Distanz klingt das fast ein bisschen zu schön – aber damals war die Welt ja auch noch in Ordnung.

Richard Wagner: „Tristan und Isolde“. Runnicles (Warner).

Monsaingeon: „Glenn Gould Hereafter“ (Ideale Audience).

Joseph Haydn: „Cello Konzerte“, Rostropowitsch (Unitel).

Der endlose Bogen

Der Gouldene Mond

Der alte Mann und das Cello

Álvarez-Quartett mit Strauss

Die Serie „Great Composers“

Henzes Kammermusik

Kammermusikalische Erinnerung. Auf dem Doppel-CD-Album „In memoriam Bodo Hersen“ spielt das Quartett zwei Stücke in c- Moll von Wilhelm Petersen, op. 42, und Richard Strauss, op. 13. Die Aufnahme entstand 2002 und wurde Bodo Hersen gewidmet, der 2004 verstarb. Hersen war der Bratscher des Álvarez-Quartetts, zu dem noch Carmen Piazzini (Piano), Werner Grobholz (Geige) und Peter Wolf (Cello) gehörten. Die melancholische Musik fügt sich in ihrer innigen Empfindsamkeit in die herbstliche Stimmung. Außerdem: Vier kleine Kompositionen für Klavierquartett aus der Feder Richard Strauss‘, der sich der Gattung in jungen Jahren widmete. Wilhelm Petersens „Klavierquartett c-Moll“, op. 42, liegt auf diesem Album erstmals auf CD vor. Es ist eine Umarbeitung einer Sonate für Violine und Klavier, op.

6, die 1921/22 komponiert und uraufgeführt wurde.

Ende der Mythen. Zu Mozarts Geburtstag ist in der Reihe der BBC und NVC Arts „Great Composers“ eine sehenswerte Dokumentation erschienen. In zwölf Kapiteln wird mit Hilfe von Wissenschaftlern, Opernsängern und Historikern auf musikwissenschaftlichem Niveau mit großer Leidenschaft ein Panoptikum eröffnet. Es wird mit alten Mythen aufgeräumt, der Saga vom „Wunderkind“, über das Zerwürfnis mit seinem Vater, der Heirat mit seiner Frau Constanze bis hin zu seiner plötzlichen schweren Krankheit mit Todesfolge erzählt. Das London Symphony Orchestra steuert die Musik bei, in Auszügen von Streichkonzerten und namhaften Opern. Die Dokumentation eignet sich für Laien ebenso wie für Fachleute. Und Mozart ist nur eine Folge von vielen „Composer“-Porträts.

Klang der Bilder. Sprache ohne Worte zeichnet die Kammermusik Hans Werner Henzes aus.

Henze hat mit Dichtern wie Bachmann und Bond zusammengearbeitet. Und das blieb nicht ohne Einfluss auf sein kompositorisches Denken. Eine außergewöhnliche Beziehung von Sprache und Musik findet sich in den „Neuen Volksliedern und Hirtengesängen“, in denen Henze ein textiertes Vokalwerk in eine Instrumentalkomposition umwandelt.

Entstanden ist eine leise und eindringliche Musik, die ein melancholisches Landschaftsbild erzeugen möchte, das einem Traum oder einer schmerzlichen Erinnerung gleichkommt. Die Musik zu „Der junge Törless“ wurde von Henze für den Film von Volker Schlöndorff komponiert. Die hohen spieltechnischen Anforderungen der Kompositionen bewältigt das Ensemble Villa Musica virtuos.

Die Innigkeit tiefer Trauer

Álvarez-Quartett : „In memoriam Bodo Hersen“ (editionhera).

Mozart für alle

„Great Composers: Mozart“, BBC series (NVC Arts).

Worte ohne Worte

Hans Werner Henze: „Chamber Music, Vol. 2“, Ensemble Villa Musica (MDG Gold)

crescendo 06 2006 | 27 rezension

Schostakowitschs Nr. 13

Debüt des Monats

Um das eigene Leben singen

Die Pianistin Evgenia Rubinova Nach dem sensationellen Gewinn der Silbermedaille beim Internationalen Klavierwettbewerb in Leeds 2003 begann die Karriere der Pianistin Evgenia Rubinova. Nun stellt sie bei EMI ihre erste CD mit Werken von Schumann, Chopin und Brahms vor.

1. Der Anfang:

Ich spiele mein Instrument, weil ...

...Musik eine Sprache ist, die keine Übersetzung braucht. So kann ich mich grenzenlos ausdrücken.

2. Der Aufbau:

Der wichigste Satz in meiner Ausbildung war ...

...der, dass die Sätze, die man für wahr hält, beständig hinterfragt werden müssen. So gibt es für jede Phase des Lebens verschiedene Sätze, die einen weiterbringen.

3. Die Parallelen: Mehr Rubinova auf der crescendo-premium-CD

Vorbilder sind wichtig, weil sie ...

...wie Wegweiser eine Richtung zeigen, die man selbst aber meist nicht einschlägt.

4. Das Heute:

Mein größter Erfolg war ...

Tiefgreifende Häppchen aus sechs Jahrhunderten. Es war noch einmal eine große Kraftanstrengung, die Dmitri Schostakowitsch mit seiner 13. Sinfonie angenommen hat: Ein Werk über das Böse im Menschen, die Vernichtung der Juden – aber auch musikalische Plakat-Propaganda für die Sowjetunion. Das ganze, zerrissene Spannungsfeld des Komponisten tut sich in dieser Sinfonie auf, die Roman Kofman nun mit dem Beethovenorchester Bonn eingespielt hat. Damit setzt er einen der eigenwilligsten Schostakowitsch-Zyklen fort. Auch in der 13. Sinfonie kracht es wieder, wird es archaisch, um dann in die lyrischen und epischen Extreme zu verfallen. Eine Gewaltmusik, über die Joseph Brodsky einmal sagte: „In dieser Tragödie ist es nicht der Held, der stirbt, sondern der Chor.“ Und das ist in diesem Fall der um Leib und Seele singende Czech Philharmonic Choir Brno.

... das Finale im Leeds-Klavierwettbewerb mit Mark Elder, das über das Konzert mit dem London Philarmonic Orchestra in der Royal Festival Hall zu meinem Vertrag mit EMI geführt hat.

Dmitri Schostakowitsch: „Sinfonie Nr. 13“. Kofman (MDG).

5. Das Morgen:

In meinem Leben will ich noch unbedingt...

...etwas Bleibendes zur Musik beitragen.

6. Das Letzte:

Wenn Sie mich in zehn Jahren fragen, werde ich ...

... hm, darüber werde ich in zehn Jahren gerne mit Ihnen sprechen.

Evgenia Rubinova: „Fantasien“ von Chopin, Schumann und Brahms (EMI)

Orchester Mobius: Villa-Lobos

„The Berlin Philharmonic“

Lauscht man den Kompositionen Villa-Lobos´, assoziiert man karibische und lateinamerikanische Bilder. Dies mag mit Villa-Lobos´ brasilianischer Herkunft zusammenhängen und mit seinen Reisen durch die Karibik. In seinem Leben entstanden zwölf Sinfonien und siebzehn Streichquartette und die „Bachianas brasilieras“. Seine nicht immer charakteristischen Kammermusikwerke erreichten große Raffinesse. Das 1950 entstandene „Assobio a Játo“ ist ein Beispiel für die späte Kammermusik Villa-Lobos´. Eines seiner letzten Werke ist das „Quintette instrumental“. Anspruchsvoll eingespielt wurde die Musik für Geige, Bratsche, Harfe, Cello und Flöte vom Orchester Mobius.

Musik in der Metropole. Nur der Anfang dieses Filmes über die Berliner Philharmoniker ist etwas verwirrend. Dort wird dauernd von der Hoffnung auf den Aufbruch geredet, und davon, dass es das Wichtigste sei, den alten, guten und schönen Klang nicht zu verlieren. „The Berlin Philharmonic Story“ wurde kurz nach dem Amtsantritt Simon Rattles aufgenommen. Und der Film ist eine Lehrstunde in Sachen Tradition. Und darin, wie Musik und die politische und gesellschaftliche Wirklichkeit Berlins ineinander verzahnt sind. Eine Dokumentation über Furtwängler, Karajan, Abbado und ihre Vorgänger. Ein Film, der in die Vergangenheit schaut, um in die Zukunft zu führen.

Karibik für Kammerorchester

Villa-Lobos: „Chamber Music“, Orchester Mobius (Naxos).

Tradition eines Orchesters

„The Berlin Philharmonic Story“, Günter Atteln (Euroarts)

Unbenannt-1 1

30.08.2006 13:48:48

rezension 28 | crescendo 06 2006

Von Früher hat Ton Koopman in Konzertpausen Briefe von Amnesty International vorlesen lassen. Früher war Ton Koopman ein Musik-Revoluzzer, ein eingefleischter Verfechter der historischen Aufführungspraxis. Früher war Ton Koopman ein enfant terrible des Klassik-Establishments. Heute ist er einer der wichtigsten Dirigenten für Alte Musik und das Barock. Und heute sagt Ton Koopman, ohne mit der Wimper zu zucken, dass er früher „ein Linker“ gewesen sei – das klingt sogar ein bisschen stolz. Und es schwingt da dieser Unterton mit, der sagt: „Das war schon richtig und wichtig damals. Aber heute müssen wir das alles nicht mehr ganz so ernst sehen.“

wichtigsten Erkenntnisse in meinem Leben.“ Er hat eine Hypothek auf sein Haus aufgenommen und das Vorhaben unter eigenem Namen zu Ende geführt.

Inzwischen gelten die Einspielungen der Bachkantaten als Referenzaufnahmen, Koopman hat die besten Sänger zusammengetrommelt, und immer, wenn er selbst das Continuo spielt, wird es wirklich spannend: dann flackert es, dann sorgen seine Improvisationen für Reibungen, dann gibt er einen oft eigenwilligen Takt an. Und das Amsterdamer Barockorchester folgt ihm bei jeder Verrücktheit.

Die Hypothek ist zwar immer noch nicht abgestottert, aber die Investition hat eine neue Erkenntnis gebracht: „Wenn man wirklich von einer Sache überzeugt ist, dann kann man sie auch machen. Die Grenzen liegen immer nur im Kopf.“

Ton Koopmann sitzt in einem Berliner Café und trinkt Tee. Irgendwann zwischen früher und heute war er schon einmal angekommen, im ganz großen Klassikgeschäft. Damals, 1995, hat das Plattenlabel „Erato“ ihm ein gigantisches Projekt zugesagt: die Gesamtaufnahme der Bach-Kantaten. Aber nach der zwölften CD ist die Plattenfirma aus dem Projekt ausgestiegen. „Das war für mich ein großer Schock“, sagt Koopman, „plötzlich stand ich vor dem Nichts. Erst einmal ging es gar nicht um das Geld, sondern um das Ende eines Traumes. Aber dann habe ich gemerkt, dass Lamentieren nichts hilft – und das war eine der

Musik als Vorbild Dieses Ereignis war der Grund dafür, dass aus dem Koopman von früher der Koopman von heute geworden ist. Er ist kein „alter Linker“, kein Ideologe mehr, für den das Musikalische die politische Welt bewegen soll. Seine Formel ist eine andere: Wenn es in der Musik um die Sache geht, dann kann man in ihr politische, soziale und wirtschaftliche Strukturen neu erfinden.

Die Finanzierung opulenter Plattenprojekte ist nur ein neuer Weg, den der Dirigent gegangen ist.

Wie ein Unternehmen funktioniert, zeigt er auch an

seinem Orchester, das er 1979 gegründet hat. „Wir wissen alle, dass es bei jedem Auftritt um alles geht, und dass wir versuchen müssen, die Tradition, mit der wir angetreten sind auf der einen Seite zu bewahren, und sie auf der anderen Seite an die neue Zeit anzupassen.“ Früher war das Amsterdamer Barockorchester ein Haufen wilder Musiker, die auf historischen Instrumenten experimentiert haben. Heute sind sie ein musikalisch erstklassiger Verein und ein wirtschaftliches Erfolgsmodell.

Von Bach zu Buxtehude „Jeder im Orchester weiß um den Weg, den wir gemeinsam gegangen sind. Und jeder von uns ist ständig auf der Suche nach Mitgliedern, die zu unserem Klang passen“, sagt Koopman. Viele Gäste kommen nicht wegen des Geldes, sondern weil sie mit dem Amsterdamer Barockorchester auf eine Gruppe spielfreudiger Menschen treffen. „Dieses Prinzip funktioniert natürlich auch andersherum“, erklärt Koopman. „Wir hatten einmal einen Geiger bei uns, der wurde gepriesen, war einer der Besten seines Faches, aber schon nach einigen Konzerten merkten wir, dass die Chemie nicht stimmt. Man hört das menschliche Miteinander in der Musik – es kommt nicht immer auf die Perfektion des Spieles an.“ Das Bach-Projekt dauerte zehn Jahre. Aber eine Pause gönnt sich Koopman nicht. Nach dem Superstar des Barock hat er nun dessen Vorgänger entdeckt

RE.FORM

crescendo 06 2006 | 29 rezension

Pa r t n e r f ü r

ungewöhnliche Chorprojekte Der Musik-Revoluzzer Ton Koopman

– und einen in der Musikgeschichte weitgehend vergessenen Komponisten: Dietrich Buxtehude. Der Protagonist der Norddeutschen Orgelschule war eine Ikone seiner Zeit. Johann Sebastian Bach legte 300 Kilometer zu Fuß zurück, um sein musikalisches Vorbild in Lübeck zu hören. Vermutlich nahm Bach 1705 auch Unterricht bei Buxtehude. Der Aufenthalt in Lübeck bedeutete für Bach so viel, dass er seinen Aufenthalt ohne Absprache zu Hause verlängerte und seine Stellung als Organist aufs Spiel setzte.

Wenn Koopman eigenhändig Buxtehude spielt, wie zum Beispiel auf der ersten CD mit Cembalokonzerten, dann wird aus dem oft langweilig gescholtenen Komponisten plötzlich ein Abenteurer, ein früher Grenzgänger am Rande der strengen Form. 25 weitere Platten sollen folgen.

Es gab schon einmal einen Dirigenten und Experten für Alte Musik, der einen vergessenen Komponisten bekannt gemacht und in das gängige Repertoire gehoben hat: Nikolaus Harnoncourt ist das mit Monteverdi gelungen.

Und das ist der große Traum Koopmans: „Wäre es nicht wunderbar, wenn Lübeck irgendwann nicht mehr nur mit Thomas Mann in Verbindung gebracht wird, sondern auch mit Dietrich Buxtehude?“, fragt er und rührt wieder in seinem Tee. Er lächelt dabei, so wie der Ton Koopman von früher. Aber inzwischen scheint er auch noch an seine eigenen Ideale und Revolutionen zu glauben.

Moritz Meinken Mehr Koopman auf der crescendo-premium-CD

Zur Person: Ton Koopman Der Dirigent ist ein Tausendsassa: Tagsüber arbeitet er als Cembaloprofessor am Konservatorium von Den Haag und als Professor für Musikwissenschaft an der Universität von Leiden. Zu Hause ein passionierter Sammler von Drucken, Büchern und Grafiken aus dem 18. Jahrhundert.

1944 wurde Koopman im niederländischen Zwolle geboren, studierte Musik in Amsterdam und gründete 1979 das Amsterdam Baroque Orchestra und 1992 den Amsterdam Baroque Choir. Das Orchester spielt auf alten Instrumenten. Aber während Koopman früher ein Hardliner der historischen Aufführungspraxis war, ist er inzwischen auch offen für Orchester auf neuen Instrumenten. Er tritt als Gastdirigent beim Bayerischen Rundfunk, dem Tonhalle-Orchester Zürich und dem Chicago Symphony Orchestra auf.

Von Ton Koopman sind gerade erschienen: Buxtehudes Cembalowerke (Challenge) und von Bach die Kaffeekantate (Sunny Moon). Diese CD gibt es für neue crescendo premium-Kunden als Begrüßungsgeschenk.

Fotos: Sunny Moon, Challenge, Collage: crescendo

Bach zu Buxtehude

Simple Gifts

COV 40611 ab Oktober 2006

In Kompositionen aus der Zeit um 1940 von Aaron Copland, Samuel Barber, Randall Thompson, Michael Tippett und Benjamin Britten reichen die Inspirationsquellen von mittelalterlichen Balladen über die englische Renaissance-Polyphonie bis zu Seemannsliedern und Spirituals. Der Rundfunkchor zeigt die faszinierende Vielfalt dieser innerhalb weniger Jahre entstandenen Werke.

Christian Jost – Angst LIVE RECORDING Mit der Uraufführung der Choroper von Christian Jost unternimmt der Rundfunkchor „Eine Reise ins Innere der Angst“. Wo kommt sie her? Was sind ihre Beweggründe? 5 Pforten der Angst ist keine klassische Handlungsoper – vielmehr wird hier statt einzelner Figuren der Chor zur treibenden Kraft.

COV 60609

Rodion Shchedrin Der versiegelte Engel

COV 60504

Erst in der Zeit der Öffnung sowjetischer Kulturpolitik unter Michail Gorbatschow erfüllte sich Rodion Shchedrin den lange gehegten Traum, eine orthodoxe Liturgie in der Tradition der Vespern Tschaikowskis und Rachmaninows zu schreiben. Der versiegelte Engel feiert in leuchtenden Farben die Widerstandskraft des Menschen.

True Light LIVE RECORDING Weihnachtsmusik aus verschiedensten Epochen und Kulturen klingt oft ganz anders, als wir uns „weihnachtlich“ vorstellen.

Die Entdeckungsreise beginnt mit einem mittelalterlichen Hymnus und führt über die italienische Renaissance bis ins 20. Jahrhundert. Die überwältigende Akustik des Berliner Domes ermöglicht auf dieser SurroundSACD ein einzigartiges Hörerlebnis.

COV 50508

COVIELLO CLASSICS Mielke Bergfeld Musikproduktion KG www.CovielloClassics.de www.Rundfunkchor-Berlin.de Im Vertrieb von

www.Note-1.de

spielplan 30 | crescendo 06 2006

Das müssen Sie gese

Die 10

München: Kent Nagano.

Die neue Spielzeit beginnt. Und crescendo stellt ihnen die zehn Orte vor, an denen Sie in dieser Saison unbedingt gewesen sein sollten.

1

Paris: La Bastille Er hat so ungefähr das gesamte Opern-Europa umgekrempelt. Nun hockt Gérard Mortier im vielleicht schwerfälligsten Operndampfer, dort wo die letzte Revolution im 18. Jahrhundert stattgefunden hat – an der Bastille in Paris. Der Intendant vertraut alten Rezepten und Freunden.

Aber das macht seinen Spielplan nicht uninteressanter. Der Grandseigneur der Theaterregie, Luc Bondy, wird bei ihm Mozarts „Idomeneo“ inszenieren – dirigiert von Thomas Hengelbrock (30.11.) und besonders gespannt darf man auf Christoph Marthalers Lesart der „La Traviata“ sein (16.6.07).

2

New York: MET Wer sagt eigentlich, dass die New Yorker Oper ein Museum der Tonkunst ist?

Klar, es mufft ein bisschen im Repertoire. Aber die Überraschungen sind umso prickelnder. Zum Beispiel die Uraufführung einer Tan Dun Oper. Der Chinese stellt sein Werk „The First Emperor“ vor – und dirigiert selbst (21.12.).

3

Berlin: Komische Oper Lange hat Intendant Andreas Homoki nach einem eigenen Profil gesucht – und die enttäuschendsten Opernabende an der Komischen Oper gab es, wenn er selbst inszeniert hat. Homoki versucht in der Krise der Berliner Opernhäuser neues Publikum zu gewinnen – meist mit anbiedernden Projekten. Aber diese Spielzeit hat er die interessantesten Gäste an sein Haus geladen: Höhepunkt der Saison wird sicherlich die „Zauberflöte“ von Hans Neuenfels (25.11.). Mit seinen Inszenierungen an der Komischen Oper ist er im letzten Jahr zum „Regisseur des Jahres“ gewählt worden. Außerdem interessant: Willy Dekkers „Hoffmanns Erzählungen“ (4.2.07) und Peter Konwitschnys „Land des Lächelns“ (1.7.07).

4

London: Covent Garden Es wird die Rückkehr des verlorenen Sohnes sein, wenn Simon Rattle am Royal Opera House Covent Garden Debussys „Pelleas“ dirigiert (29.4.07) – seine Interpretation mit den Berliner Philharmonikern bei den Salzburger Osterfestspielen war umstritten. Nun wird er aus dem Graben versuchen, der Regie von Stanislas Nordey Leben einzuhauchen.

London: Simon Rattle.

Berlin: Andreas Homoki.

crescendo 06 2006 | 31 spielplan

hen haben

Besten 5

Fotos: Theresia Linke, Komische Oper, Semperoper, Bastille, Universal, Bayerische Staatsoper, Wilfried Hösl, EMI

Dresden: Semperoper Die Dresdner Semperoper praktiziert seit einigen Jahren erfolgreich den Spagat zwischen Repräsentationsoper und der Erneuerung des Genres – das ging mal glimpflich ab, als Philipp Himmelmann Verdis „Macbeth“ inszenierte und endete im Skandal als Sebastian Baumgarten Bergs „Wozzeck“ in den Baumarkt verlegte. Die junge Regisseurin Vera Nemirova ist eine Konwitschny-Schülerin. Sie hat an kleineren Häusern für Aufsehen gesorgt, an der Deutschen Oper Puccinis „Mädchen aus dem goldenen Westen“ inszeniert.

In Dresden wird sie sich Verdis Helden „Otello“ vorknöpfen (14.10.). Wer das verpasst, kann sich die Regisseurin auch noch einmal in Frankfurt anschauen. Dort inszeniert sie Dresden: Vera Nemirova. „Tannhäuser“.

6

Amsterdam: De Nederlandse Opera Gibt es irgend etwas, was man im Mozart-Jahr noch nicht gesehen hat? Ha! Wem die Salzburger Mozartkugeln noch nicht schwer im Bauch liegen, der sollte sich drei Tage frei nehmen und nach Amsterdam fliegen. Dort inszeniert Jossi Wieler Mozart und Ingo Metzmacher dirigiert: „Cosi“, „Giovanni“ und „Figaro“ (17., 18., 19.11.).

7

München: Bayerische Staatsoper Es ist nicht wirklich abzusehen, was wird, wenn die neue Ära beginnt. Zubin Mehta ist gegangen und wird durch Kent Nagano ersetzt. Nach Christian Thielemann der zweite Bayern-Import aus Berlin. Nagano eröffnet die Spielzeit mit der Uraufführung von Wolfgang Rihms neuem Werk „Das Gehege“ (27.10.)

8

Wien: Staatsoper Intendant Ion Holender ist ein schlauer Fuchs. Er setzt auf Stimmen, auf Netrebko und Villazón. Aber er lockt auch mit Spannendem. Zum Beispiel mit Christine Mielitz´ „Otello“ (25.10.) und besonders mit der „Arabella“ unter Welser-Möst und in der Regie von Sven-Eric Bechtolf (9.12.).

Mailand: Gustavo Dudamel.

Paris: Gérard Mortier.

9

Stuttgart: Staatsoper In Stuttgart beginnt eine neue Ära. In Hannover musste Intendant Albrecht Puhlmann viel Prügel einstecken. Nun übernimmt er ein großes Erbe. Klaus Zehelein hat sich zurückgezogen. Er war der Vater des Regietheaters. Puhlmann tritt in seine Fußstapfen. Er setzt auf Altbekannte wie Jossi Wielers „Pelleas“ (29.4.07) und auf David Aldens „Jenufa“ (14.1.07).

10

Mailand: La Scala Das Hick-Hack der letzten Jahre war riesengroß. So groß, dass Dirigentenstar Riccardo Muti das Handtuch geworfen hat. Einige Mailänder glaubten, dass es ohne ihn nicht weitergehen würde. Nun können sie sich auf die künstlerische Konsolidierung des legendären Opernhauses freuen. Der Tausendsassa Stéphane Lissner hat als neuer Intendant schon alle internationalen Strippen gezogen. Die engsten Bande verbinden ihn mit der Staatsoper in Berlin. Der dortige Dirigent, Daniel Barenboim wird Principal Guest Conductor in Mailand – und Staatsopern-Intendant Peter Mussbach wird die Saisoneröffnung inszenieren (10.10.): Mozarts „Don Giovanni“ unter der musikalischen Leitung des neuen Klassik-Shooting-Stars aus Venezuela: Gustavo Dudamel. Außerdem sollte man sich nicht den „Lohengrin“ in der Inszenierung von Nikolaus Lehnhoff und Daniele Gattis Dirigat entgehen lassen (17.1.07).

dramolet 32 | crescendo 06 2006

Ein Dramolet über die Musik und die Menschen

Mozart und Gott im Himmel Bei den Salzburger Festspielen wurde behauptet, dass Mozarts Musik göttlich sei. Die Wahrheit ist: Seit Jahren beobachtet der Komponist die Welt für seinen Herren und liefert ihm jeden Abend eine Oper. Ein Disput über den Wolken.

Gott: Das war aber wieder ein fürchterlicher Tag, lieber Mozart. Lernen die Menschen denn gar nichts dazu?

Mozart: Doch, mein Herr, sie lernen jeden Tag – immer wieder das Selbe. Glauben, lieben, hoffen...

Ni-na-nüchtern und besoffen...

Gott: Mozart, reißt Euch zusammen. Hört auf mit diesem Schabernack.

Mozart: Aber mein Herr, ist es nicht so, dass Kinder, Verrückte und Trinker die Wahrheit sagen? Außer-

dem habt Ihr die Welt doch selbst so erfunden. Ich habe damit nichts zu tun – ich gieße sie in Noten, so wie sie ist. Ihr, Gott, habt die Sünde ins Paradies gepflanzt. Es war eben ein Konstruktionsfehler, den Baum der Versuchung aufzustellen. Schaut doch mal nach Bayreuth: Ihr habt nichts von Wotan gelernt. Der hat einen Goldklumpen in den idyllischen Rhein gelegt und damit meinem Kollegen Richard den Grund für den „Ring“ gegeben.

Gott: Der Baum war eine Prüfung für die Menschen.

Mozart: Die Menschen, die Sie selbst geschaffen haben, Lieber Gott? Seid doch nicht immer so moralisch, Herr. Was habt Ihr denn von Eva erwartet? Dass sie einfach so vorbeigeht? Ich habe es doch komponiert: „Frauen wissen wenig, aber plappern viel.“ Gott: ... die „Zauberflöte“, ich weiß.

Mozart: Und wenn die Menschen wüßten, dass Sie sich jeden Sonntag zum Poker mit Luzifer treffen und um die arme Seele Wagners zocken...

Gott: Ihr habt es doch keinem verraten, oder?

Mozart: Grämt Euch nicht, Gott. Erst mit diesen kleinen Fehlern ist Eure Welt ein echtes Kunstwerk geworden. Das Gute braucht das Böse. Oder wollt Ihr

wirklich, dass in der Oper dauernd auf der goldenen Harfe gezupft wird?

Gott: Mein Gott, das wäre schön!

Mozart: Und warum habt Ihr dann den alten Bach als „Ohr Gottes“ auf die Hartz IV-Wolke verbannt?

Gott: Bei Bach war die Welt wenigstens noch in Ordnung, da war Dur noch Dur und Moll noch Moll. Ach, Mozart, wie ich sein „Wohltemperiertes Klavier“ vermisse. Schließlich habe ich den Menschen die Musik gegeben, damit sie meine Existenz erkennen können. Beethoven statt Babel. Musik ist das Paradies auf Erden!

Der ganze Mozart auf DVD Bei den Salzburger Festspielen wurden sämtliche Mozartopern aufgeführt. Schon im Oktober erscheint „Mozart 22“ als DVD-Box bei Unitel/DG. Eines der größten audiovisuellen Projekte im Mozartjahr. Mit dabei: Anna Netrebko (Bild), Nikolaus Harnoncourt u.v.a.

Foto: Salzburger Festspiele

Vor 250 Jahren hat Gott eines seiner Kinder auf die Welt geschickt, um zu sehen, wie es dort so geht und steht: den Komponisten Wolfgang Amadeus Mozart. Er fand auf der Erde die Hölle und dachte, im Paradies zu sein. Gottes Sohn frönte dem Glücksspiel, der Lust und brach so ziemlich alle Gebote.

Grund genug, für den alten Herren, sein Kind schon nach 35 Jahren in die Wolken zurückzuholen. Dort tut Mozart seither als „Ohr Gottes“ seinen Dienst, beobachtet die Welt und liefert Abend für Abend eine Oper über das Tagesgeschehen ab.

crescendo 06 2006 | 33 dramolet

Jutta Speidel Bruno Maccallini

Hohelied der Liebe

Das

Mozart: Papperlapapp. Nun werdet mal nicht größenwahnsinnig. Musik schwitzt. Musik stinkt. Musik ist Fleisch. Musik lässt die Zeit stehen. Musik hat Puls und Blutdruck, sie ist das EKG Eurer Welt. Musik kommt nicht aus dem Himmel. Sie wird mit beiden Füßen auf der Welt gemessen. Noten sind nackte Menschen. Wusstet Ihr überhaupt, dass man Euch auf der Erde längst für tot erklärt hat?

Gott: Das war dieser verdammte Nietzsche!

– Jetzt brodelt er mit Wagner in der Hölle und tauscht Seidenunterwäsche. Ich habe gehört, dass sie auf der Erde schon schreiben, dass Ihr der neue Gott seid, Mozart. Sie haben Euch Tempel gebaut, fressen goldene Schokokugeln als Mozart-Hostien, und zu Eurem Geburtstag spielen sie jetzt vollkommen verrückt, ganz Salzburg steht Kopf!

Mozart: Meine Herren...

Gott: Mozart, Ihr sollt keine anderen Götter neben mir haben.

Mozart: Verzeiht, Herr, aber das mit dem Himmel und dem Paradies kommt da unten eben nicht mehr so gut an. Das müssen Sie doch einsehen.

Gott: Aber woran glauben die Menschen denn?

Auf was hoffen sie?

Mozart: Sie haben sich den Himmel längst auf Erden geholt. Glaubt Ihr, dass Wagner in seinem Liebestod noch an Euch gedacht hat? Meint Ihr im Ernst, dass Tristan und Isolde sterben, um sich auf einer Wolke unter Euren sittsamen Augen wiederzutreffen? Die Liebe ist der neue Gott der Menschen, die Lust – und das war sie eigentlich schon immer.

Gott: Ihr meint, die Menschen sehnen sich nicht mehr nach Erlösung? Aber warum hören dann all Eure Opern im Guten auf?

Mozart: Ist Euch wirklich nie aufgefallen, Herr, dass meine besten Opern nicht von Euch reden, nie von der Welt im Himmel, sondern von der auf Erden? Seid Ihr denn wirklich so weltfremd wie die sogenannten Politiker?

Gott: Mozart, Ihr macht mir Angst.

Mozart: Weil Ihr ein verdammter Perfektionist seid, Gott. Aber die Menschen lieben Euch nicht wegen Eurer Unfehlbarkeit. Sie wissen, dass die besten Götter Menschen sind und Fehler machen. Die Sünden, die Liebe, der Tod, das Unvollkommene, das sind die besten Gottesbeweise. Das ist der Stoff der Musik.

Gott: Vielleicht habt Ihr Recht, Mozart. Vielleicht ist es Zeit für mich, endlich abzutreten. Ich habe da eine Idee. Wollt Ihr nicht...

Mozart: Oh nein, mein Lieber Gott. Nein, nein, nein.

Vielen Dank. Ich habe schon auf der Erde keinem Herren gehören wollen – und nie, nie wollte ich selber ein Herr sein.

Gott: Aber dann könntet Ihr die Welt in das verwandeln, was sie sein sollte: in Musik.

Mozart: Lieber Gott, Deine Welt ist längst eine Sinfonie. Ich bleibe lieber hier auf meiner rosa Wolke sitzen und schreibe die Töne auf. Ich will nicht richten, nicht bewerten, nicht verbessern. Ich bin doch nur ein Komponist, Herr, und kein Gott.

Gott: Wir sehen uns morgen, Mozart. A dieu.

Das Gespräch belauschte Axel Brüggemann

Eine poetische Klangreise in die 2500 Jahre alte Liebeslyrik des Alten Testaments.

Eine Araberin liebt einen Juden – damals wie heute eine übermenschliche Herausforderung an das stärkste aller Gefühle.

Acht Liebesgedichte verwandeln sich in Oasen magischer Malereien aus Sprache.

CD 82876 87733 2

Ab 6.10.2006 im Handel Text

Das Hohelied Salomos aus dem Alten Testament Musik von

Enjott Schneider & Marco Hertenstein Live-Lesung am 21. Oktober 2006, 20 Uhr München, Allerheiligenkirche Karten über www. muenchenticket.de

www.ariola.de www.sonybmg.de

DJ-klassik 34 | crescendo 06 2006

crescendo 06 2006 | 35 DJ-klassik

Jimi Tenor ist durch verwirrende „Remixes“ von Klassik des 20.

Jahrhunderts bekannt geworden.

Rundgang durch die aktuelle Musikszene

Kluger Pop ist die Klassik von morgen

Die Masse liebt Pop, die Gebildeten wollen Klassik – und ein kleiner akademischer Zirkel hört Neue Musik. In dieser Konstellation verlieren die Klassik-Neutöner allmählich Hoheit über die Avantgarde. Das behauptet zumindest unser Autor Thomas Lindemann.

Foto: Guido Möbius

Vor 25 Jahren fuhr der berühmte Musikkritiker Heinz-Klaus Metzger einmal Fahrstuhl. Später schrieb er darüber. Spontan hatte er sich geärgert über die typische Weichspüler-Musik, so genannte Muzac, die wohl auf der ganzen Welt in Aufzügen läuft. Im nächsten Moment packte ihn Entsetzen: Als ihm auffiel, dass dort in Wirklichkeit gerade „Jeux“ lief, das revolutionäre Ballett von Debussy, ein Urknall der Moderne von 1913. „Dass ich diese Komposition auch nur einen Augenblick lang mit Muzac verwechseln konnte,“ schrieb Metzger, „belehrte mich über die Chancen nicht-ideologischer Musik heute. Sie sind gleich null.“ So weit hatte sich die musikalische Moderne vom Alltag entfernt, dass sie nicht einmal ein Experte erkannte. Beinahe bis jetzt blieb es dabei. Die zeitgenössischen Komponisten ziehen sich in akademische Zirkel zurück. Und draußen in der wirklichen Welt gibt es nur eins: Pop, Pop, Pop. Heute lohnt es sich, noch einmal neu über die Lage nachzudenken. Es gibt, nachdem der Graben zwischen Kunst- und Gebrauchsmusik lange als unüberwindbar galt, wieder Berührungspunkte zwischen der Sphäre des Populären und der Neuen Musik. Doch sie kommen nicht aus der akademischen Welt, sondern von unten – von DJs und aus der Clubszene.

Jedenfalls macht sich im Pop-Feuilleton in letzter Zeit auffallend häufig Ratlosigkeit breit. Was tun mit Musik, die irgendwie zum Tanzen geeignet ist, in der aber noch mehr steckt? Der Brite Matthew Herbert macht „Musik aus Nahrung“. Die Band „Between“ wird nach 30 Jahren wieder entdeckt, ihr Gründer

ist Musikprofessor in Hamburg und sagt, er mache „Ü-Musik“, zwischen U und E. Und der finnische Jazz-Absolvent Jimi Tenor hat einige verwirrende „Remixes“ von Klassik des 20. Jahrhunderts aufgenommen.

In der Neuen Musik schien sich lange nichts zu tun. Ihr Marktanteil liegt weit unter einem Prozent.

Das allgemeine Publikum war fern. Dabei hatte sie doch einen bedeutenden Auftrag. Sie sollte die Kunstform voranbringen, egal was die Sparten der Kulturindustrie verlangen. Gute Stücke sollten ständig mit Hörerwartungen genau wie mit dem musikalischen Material innovativ spielen. „Der Mittelweg“, lautet ein berühmter Ausspruch von Arnold Schönberg, „ist der einzige, der nicht nach Rom führt.“ Die Generation der klugen DJs Sicherlich gab es schon seit einigen Jahren Versuche, elektronische Clubmusik zu mehr zu erheben. Es gab Terre Thaemlitz, die kleine Plattenfirma „Mille Plateaux“ und eine Handvoll Musiker um die Combo „Notwist“. Doch das alles war bemüht. Mitunter schaltete einfach nur einer ein kaputtes Effektgerät ein und ließ es laufen.

Nun ist die nächste Generation der klugen DJs und Clubmusiker da. Da stampft es und klickt, etwa bei Michael Gordon: Seine Musik klingt nach Techno, in das verhallte Schagzeug mischen sich ploppende, perkussive Klänge vom Synthesizer. Und dann plötzlich: Celli. Eine weiche, kurze Figur, die durch mehrere Tonarten gleitet. Noch die simpelste Techno-Nummer ist bei Gordon streng mit Mittelteil und Reprise organisiert. Der Amerikaner studierte in den 80ern in Yale und spielte parallel in New Yorker Underground-Bands. Danach wollte er die Energie

des Rock mit der Klassik verbinden. „Ich wollte immer Musik machen, die die Leute zum Tanzen anregt“, sagt der Mann aus Miami. Seine Plattenfirma untergliedert sein Schaffen in die Rubriken „Oper“, „Orchester“, „Kammermusik“, „Dance“. Ähnlich locker gehen die 20 Instrumentalisten von „Alarm will sound“ mit der Tradition um. Das Ensemble, eines der aufregendsten neuen Projekte zwischen Klassik und Pop, spielt Stücke von Edgar Varèse, György Ligeti oder dem britischen Drumand-Bass-DJ Aphex Twin in der gleichen Komplexität. „Dies ist die Zukunft der klassischen Musik“, schrieb die „New York Times“.

Auch wenn das Prinzip Zitat – oder neu ausgedrückt: „Remix“ – beliebt ist, in dieser Szene, ist es nicht ihr einziger Weg. Matthew Herbert wurde bekannt als DJ und Produzent von House-Projekten wie der Band „Moloko“. Seine eigene Musik aber steckt seltsam zwischen Clubszene, Neuer Musik und Aktionskunst: Zuletzt arbeitete er nur mit Klängen, die er in einer Legebatterie gesammelt hatte oder mit einem Fast-Food-Menü erzeugt hatte. Jeder Klang ist, per Computer in irgendeine Tonhöhe gezogen, für Musik brauchbar. Herberts Werk gilt als politischvegetarische Protestmusik, es wurde allenthalben als „experimentell“ abgestempelt.

Dass er aber ein direkter Erbe von Karlheinz Stockhausen ist, wurde kaum bemerkt. Stockhausen hatte Anfang der 50er in seinem Kölner Studio stundenlang auf Felle oder Leder geklopft, seine Tonbänder um ein Vielfaches beschleunigt und in der neuen Frequenzlage fremdartiges Surren und Pfeifen entdeckt. Herbert geht gleich den einfacheren Weg mit Hilfe des Computers, ist aber nach dem Selben auf der Suche: Den Grenzen im Dreiländereck von Musik, Sound und Krach.

DJ-klassik 36 | crescendo 06 2006

Das audiovisuelle Duo „Eats Tapes“ aus Kalifornien (groß) auf der Transmediale. Die Lounge, DJ Kodi und Publikum (rechts von oben).

Wenn Herbert die Finte der politischen Aussage anwendet, um in der Diskussion zu bleiben, stiehlt er der Bildenden Kunst ein erfolgreiches Modell. Der Trick, den die abstrakte moderne Kunst fand, um sich vor der Bedeutungslosigkeit zu retten, war kapitalistisch: Sie ist über ihren hohen Marktwert Teil der Gesellschaft. Weil und indem sie an der Warenwirtschaft teilnimmt, existiert sie weiter, auch da, wo sie sich ästhetisch genauso entzieht wie die atonale Musik. In einer Gesellschaft, die das Zweckfremde kaum duldet, ist das immerhin einiges wert.

Neue Musik hat nur einen einzigen ähnlichen Trick gefunden: Die Filmmusik. Kein Kinozuschauer ist zufrieden mit der Ansammlung Popsongs, die später als Soundtrack verkauft wird. Für das emotionale Auf und Ab eines Films braucht er den sogenannten Score, die durchkomponierte Filmmusik. Sie ist fast immer der Moderne verpflichtet, sie wird kaum bewusst wahrgenommen. Fehlte sie aber, funktionierte kein Film.

Matthew Herbert versucht nun quasi, über die Clubs seine intelligente Musik in die Gesellschaft einzuschmuggeln. Und er tut das sehr bewusst: Er verfasste sogar ein 16-Punkte-Manifest darüber, was aufrichtige elektronische Musik dürfe und was nicht. „Benutze niemals vorgefertigte Klänge“, steht darin etwa.

Celibidaches Schüler pendelt zwischen E und U Seine Thesen sind ein einziger großer Versuch, die Technik gegen den Strich zu benutzen. Sie erinnern beinahe an den vor genau zehn Jahren verstorbenen Dirigenten Sergiu Celibidache, der bekanntlich Technik so sehr verachtete, dass es von ihm praktisch keine Tonaufnahmen gibt. „Celi“ wiederum hatte in den 70ern einen Schüler, der heute als Kompositionsprofessor in Hamburg arbeitet: Peter Michael Hamel.

Der Münchner ging damals von der Minimal Music Steve Reichs aus und verband sie mit Einflüssen indischer Klassik. Die Platten seiner Band „Between“,

die genau zwischen E- und U-Musik spielte, waren lange vergriffen und werden gerade jetzt bei Intuition neu aufgelegt.

Das Interesse an Musik, die Grenzen überschreitet und Erwartungen gekonnt missachtet, ist also vorhanden. Es wurde nur jahrelang von den akademischen Komponisten ignoriert. Bei den Donaueschinger Musiktagen und den Darmstädter Ferienkursen hört man Extrem-Musik, die sich möglichst weit von Pop fernhält. Wer heute in ein Konzert mit akademischer Neuer Musik gerät, versteht nichts, eines aber sofort: Er soll hier nicht folgen können.

Das Hermetische gehört zum Konzept. Daher wenden auch intelligente Hörer sich anderem zu, Jazz oder gehobenem Pop. Und sie tappen damit in alle Fallen, die die Unterhaltungsindustrie bereithält. Als im Juli der „Pink Floyd“-Gründer Syd Barret starb, war sie in deutschen Feuilletons wieder zu hören, die alte Rede von der Avantgarde innerhalb des Pop. Eine Berliner Tageszeitung schrieb: „In diesem psychedelischen Kosmos

beanspruchten Free-Jazz-Exzesse genauso ihren Platz wie Beat-Hymnen.“ Solche Lyrik des Popjournalismus verdeckt eine Lüge: Pop ist notwendigerweise schematisch und kann solche Versprechen gar nicht einhalten. Offenbar wird das, liest man die angeblich progressiven Werke einmal auf Notenpapier. Strukturell tut sich wenig außer dem Diktat des Viervierteltakts, der Kargheit der drei Harmonien und der sturen Arbeitsteilung der Band. Bleibt das Popidiom in seinem Dunstkreis, ist Avantgarde praktisch unmöglich.

Vielleicht ist sie ja auch nicht nötig. „Ich liebe billige Musik“, soll schon Anton Bruckner gesagt haben, als man ihn auf Salon- und Walzerkünste ansprach.

Hundert Jahre später wollen Teile der Gebrauchsmusik selbst ausbrechen. Dass ausgerechnet aus der Clubmusik gerade Bewegung kommt, ist nicht einmal abwegig. Eine gewisse Radikalität hatte ja selbst der Techno von Anfang an: Wo jeder einzelne Beat mit voller Wucht betont wird, dekonstruiert das Prinzip Groove sich von selbst. Jeder Schlag ist die Eins, der Rhythmus verliert in einer dialektischen Volte seinen

crescendo 06 2006 | 37 DJ-klassik

Soundcheck

Stellenwert. Die Neue Musik des frühen 20. Jahrhunderts ist nicht anders an das musikalische Material herangetreten.

Gutgelaunte DJs beleben die Musik Europas große Bands haben das leidige Spartenwesen längst überholt. Den als Erneuerer des Jazz gefeierten schwedischen Pianisten Esbjörn Svensson mag man in der Tradition von Keith Jarrett sehen, genauso nahe aber steht seine Musik dem Lied ohne Worte Mendelssohns. Hier ist Jazz eine willkürliche Marke. Und der Komponist Heiner Goebbels bewegt sich mit seiner Kunst schon lange irgendwo zwischen Neuer Musik, Happening und Hörspiel. In seiner Oper „Shadow“ hat er auch Hip-Hop eingesetzt. Natürlich entzieht sich solche Musik oft doch dem Prinzip Dancefloor.

Das ist kein Fehler der Musik, sondern eher einer der rigorosen Verhaltensmuster in Clubs. Doch auch die kann man aufbrechen. Wenn der finnische Jazzer und DJ Jimi Tenor im Oktober seine CD „Recom-

posed“ vorstellt, seine umkomponierten Versionen einiger Klassiker der Moderne, wird es Anlass zum Staunen geben.

Tenor lässt in einem Stück von Varese immer wieder das gefällige Schlagzeug gegen die atmosphärische Musik anrennen, einen rasanten Boulez verbreitert er im Stil opulenter Filmmusik und ruft einfach mal „Ha!“ hinein. So hält er die Moderne lebendig und regt zum Nachdenken an: Was kann Musik, wie löst sie Gefühle aus, wie nahe steht uns die Moderne noch? Dass man dazu mit einem Drink an der Theke lehnen kann und darf, tut der Kunst nicht weh.

Für die Komponisten der akademischen Neuen Musik, die es sich bequem als verkannte Genies eingerichtet haben, droht eine zweite herbe Beleidigung.

Zuerst ignorierte die Welt ihre Werke. Nun nehmen gutgelaunte, entspannte DJs und Bandmusiker ihnen weg, was ihr eigentlicher Auftrag war: Die Musik hier und heute zum Leben zu erwecken. Intelligent, kritsch, und mitten in der Gesellschaft.

2000 erwartungsvolle Augenpaare beobachten die Bühne, schreien und klatschen. Bei Konzerten, auf denen Mozart oder Beethoven gespielt werden, habe ich solche Reaktionen nie erlebt. Liegt‘s am Altersdurchschnitt der Zuhörer? Oder ist es der charmante Sänger, der die Herzen der weiblichen Zuhörer höher schlagen lässt?

Seit einem halben Jahr spiele ich nicht nur als Geigerin in klassischen Orchestern, sondern auch in der Band des Sängers Nevio Passaro.

Eine Geigerin für eine Pop-Band zu engagieren scheint im ersten Moment nicht besonders naheliegend, aber Nevio träumte davon, mit einem großen Orchester auf der Bühne zu stehen – jetzt hat er mich.

Neben den unterschiedlichen Publikumsreaktionen ist man mit einem akustischen Instrument völlig anders gefordert als in einem klassischen Ensemble. Die Gefahr ist groß, dass die Geige im Geräuschpegel aus E-Gitarren, Keyboard, Bass und Schlagzeug untergeht. Also muss ein Tonabnehmer her.

Der sorgt dafür, dass auch die Geige aufgedreht werden kann. Während in der Klassik Noten vorhanden sind, müssen Geigenstimmen für Pop-Songs aus Aufnahmen herausgehört oder in der Probe entwickelt werden.

Und auch vor dem Konzert ist alles anders: Statt der Anspielprobe – Soundcheck. Statt Noten zu sortieren und den Notenständer festzuschrauben, werden Tonabnehmer und Inears überprüft.

Beides hat seinen Reiz: In einer großen Orchester-Besetzung klassische Musik einzustudieren oder mit einer Band voller begabter Musiker an Pop-Songs zu feilen und vor einem Publikum zu stehen, das feiert und jubelt.

Foto: privat

Foto: Marco Microbi, Özgür Albayrak

Geigerin Michaela Danner über ihre Auftritte mit Popstar Nevio

Klassik meets Pop: Nevio Passaro an der Gitarre und Michaela Danner an der Geige.

musikerlebnis von links: Hansjörg Albrecht, Andreas Scholl, Giuliano Carmignola, Hannelore Elsner, András Adorján

Mo, 25.09.06

Prinzregententheater 20 Uhr

Sa, 25.11.06

Prinzregententheater 20 Uhr

Maria Farantouri Eine kleine Lachmusik Henning Schmiedt Klavier „Mit dem Musen singen – Ein Jahrhundert griechischer Songs“

IN MEMORIAM KARL RICHTER ZUM 80. GEBURTSTAG

Fr, 13.10.06

St. Markus 20 Uhr

Festliches Konzert Sa, 21.10.06

Prinzregententheater 20 Uhr

The Hilliard Ensemble

Prinzregententheater 20 Uhr

The New York Voices

Ein kabarettistisches Ständchen mit Mitgliedern der Berliner Philharmoniker

A Swinging Christmas

Mi, 06.12.06

András Adorján

Di, 13.02.07

Philharmonie 20 Uhr

Andreas Scholl Accademia Bizantina · Ottavio Dantone Leitung Werke von Händel und Bach

Münchener Bach-Chor · Bach Collegium München Hansjörg Albrecht Leitung Werke von J.S. Bach

Do, 21.12.06

In Kooperation mit dem Istituto Italiano di Cultura München

Do, 07.12.06

Herkulessaal 20 Uhr

Orchestre des Champs-Elysées

Werke von Cipriano de Rore, Clément Janequin u.a.

Philippe Herreweghe Leitung Schumann „Frühlingssymphonie“, „Rheinische“ u.a.

Mo, 23.10.06

Fr, 08.12.06

Philharmonie 20 Uhr

Flöte

Radio-Sinfonieorchester Prag · Vladimir Valek Ltg. Mozart Flötenkonzert G-Dur Beethoven Symphonie Nr. 5

Fr, 23.02.07

Prinzregententheater 20 Uhr

In the Mood: Glenn Miller Eine Hommage an Glenn Miller mit der Original Swingtime BigBand

So, 04.03.07

Prinzregententheater 20 Uhr

Anthony & Mozart:Requiem Hannelore Elsner Joseph Paratore Philharmonie 20 Uhr

Christina Landshamer · Sigrid Horvath · Colin Balzer · Thomas E. Bauer Solisten Münchener Bach-Chor Bach Collegium München · Hansjörg Albrecht Leitung Mozart Freimaurer-Kantate, KV 623 Symphonie C-Dur, KV 425 „Linzer“ · Requiem, KV 626

Fr, 10.11.06

Prinzregententheater 20 Uhr

Collegium Vocale Gent Philippe Herreweghe Leitung Kantaten von J.S. Bach und J. Schelle

Di, 14.11.06 Philharmonie 20 Uhr

Giuliano Carmignola

Prinzregententheater 20 Uhr

Sebastian Knauer Klavier „Mozart und die Frauen“

Do, 14.12.06

Philharmonie 20 Uhr

Werke für Klavier zu vier Händen von Schubert, Brahms, Bolling und Gershwin

Do, 22.03.07

Francisco Araiza Tom Gäbel Ensemble Sayari-Pankara · Cäcilienchor Frankfurt Ariel Ramirez: Misa Criolla

Fr, 15.12.06

Prinzregententheater 20 Uhr

Emma Kirkby

Sopran

London Baroque Werke von J.S. Bach, A. Scarlatti, Händel, Corelli, Carissimi, Boddecker u.a.

So, 17.12.06

Philharmonie 18 + 20.30 Uhr

Muffathalle 20 Uhr

& Bigband live in concert

So, 25.03.07

Herkulessaal 20 Uhr

The King’s Singers

& Ensemble Sarband

Christliche, jüdische und muslimische Psalmvertonungen des 16. und 17. Jahrhunderts

Fr, 06.04.07 Bach: Weihnachtsoratorium Bach:MatthäusPassion Philharmonie 14 Uhr

Violine

Orchestra di Padova e del Veneto Mozart Divertimento F-Dur, KV 138 Violinkonzert A-Dur, KV 219 & G-Dur, KV 216 Symphonie A-Dur, KV 201 In Zusammenarbeit mit dem Istituto Italiano di Cultura München

Simone Nold · Anna Zander · Martin Petzold · Thomas E. Bauer Solisten Münchener Bach-Chor · Bach Collegium München · Hansjörg Albrecht Ltg. In der Pause: Einführung mit Hansjörg Albrecht und weiteren Mitwirkenden

Münchener Bach-Chor · Bach Collegium München Hansjörg Albrecht Orgel und Leitung 13 Uhr: Einführung mit Hansjörg Albrecht und weiteren Mitwirkenden

Tickets: Tel.0800-5454455 www.musikerlebnis.de

Copyrights: G.Carmignola (@ Kasskara), A. Adorján (@ Ankerfoto), Hannelore Elsner (@ Esther Haase), Andreas Scholl (@ Decca/Sarah Dunn)

crescendo 06 2006 | 39 essay

Dieter Oehms betreibt ein kleines Label:

Mainstream und Musik?

In Deutschland gibt es rund 80 Opernhäuser, aber nur rund 50 Einzelhändler mit nennenswertem Klassik-Angebot. Ein Markt, auf dem es ambitionierte Labels schwer haben, sich gegen die Werbekampagnen der „Majors“ durchzusetzen.

In seinem Essay formuliert Dieter Oehms Wege aus der Misere.

V

or ungefähr anderthalb Jahren besuchte ich den Klavierabend eines jungen, Klassik-Angebot führen! Und die großen Elektro-Märkte, die neben Staubsaugern, mir bis dahin unbekannten Pianisten. Ich war begeistert von der Musikalität, Digitalkameras und Flachbildschirmen auch Musik verkaufen: Sie bieten meist von den technischen Fähigkeiten und von der Ausstrahlung dieses jungen nur ein Minimal-Programm an – die Mega-Stars der Klassik, die Mediengesichter, Künstlers. Gerade hatte er zwei große internationale Klavierwettbewerbe gewonnen, die Event-Künstler. doch Konzertveranstalter hatten ihn noch nicht für sich entdeckt. Ich war sicher, Und daran sind sie noch nicht einmal schuld: Die global operierenden Plattenkonzerne vermarkten eine Handvoll Superstars mit einem Werbe- und Vertriebsbuddies würde sich bald ändern.

Der Name des Pianisten: Herbert Schuch. Mein Entschluss stand fest, diesem get, das kein Einkäufer ablehnen kann, wenn er sich noch vor seinem Controller Künstler beim Aufbau einer Karriere zu helfen und ihm zu einer Präsenz auf dem sehen lassen möchte. Auch der Großteil der Medien spielt mit und widmet sich fast ausschließlich der strassfunkelnden Spitze der KlasPlattenmarkt zu verhelfen. sikszene.

Spontan und konsequent handeln, Projekte im Markt Und die ganze übrige faszinierende Welt der klassischen durchsetzen, Künstler fördern, das Konzertleben mitgestalMusik bleibt außen vor – im Musterkoffer des Vertriebsten, das ist es, was mich nach über 40 Jahren Tätigkeit repräsentanten, der sich bei seinen Besuchen den Mund im Musikbusiness bei großen Plattenfirmen noch immer fusselig redet, um dann zu hören: Leider kein Platz! – Wie reizt und weshalb ich mich vor drei Jahren entschloss, ein schade. eigenes kleines CD-Label zu Gründen.

Das Interesse einer Hörerschaft, die täglich millionenAls Labelverantwortlicher eines global operierenden fach ein breites Musikprogramm mit einer unendlichen Plattenkonzerns, eines „Majors“, hätte ich mein spontanes Gefühl, meine Begeisterung für den jungen Pianisten Vielfalt in Oper, Konzert oder Rundfunk verfolgt, bleibt gegen eine Vielzahl wirtschaftlicher, politischer und perunberücksichtigt. sönlicher Argumente verteidigen müssen, möglicherweise Aber: Ein Stück weit haben wir es in der Hand. Liebe Musikhörer, liebe Musikfreunde, schauen Sie ins Branohne Erfolg.

In einer Gruppe einigt man sich meist zwangsläufig chenbuch, gehen Sie zu einem Fachhändler, der sich um auf den kleinsten gemeinsamen Nenner, man könnte ihn ein vielseitiges Sortiment bemüht, unterstützen Sie eine Wie schade. Das Interesse einer auch „Mainstream“ nennen. Mainstream und Kunst?

Struktur, die zu einem lebendigen Musikmarkt beiträgt.

Hörerschaft, die täglich millionenMainstream als Kriterium in der Musik? Nein, danke.

Mir macht es auch nach hunderten von Musikprofach ein breites Musikprogramm duktionen immer wieder Spaß, mich mit neuen InterpreIch bin glücklich, mit OehmsClassics ein lebendiges, verfolgt, bleibt im Einzelhandel tationen, selten zu hörender Musik und neuen Talenten junges Label zu führen, das im Interesse der Sache, nämunberücksichtigt. auseinanderzusetzen. lich der Musik, handelt – unabhängig von den Launen Übrigens: Nach dem Konzert des Pianisten Herbert Schuch kamen wir ins Geeines Multis und der ständig wechselnden Besetzung der Entscheiderpositionen.

Die klassische Musik lebt: In der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ spräch, wurden uns einig, und bald erschien seine erste CD in der Serie Oehmslas ich neulich, dass Jahr für Jahr mehr Menschen Opern und Konzerte besuchen Classics Debut. Seine zweite CD ist gerade in Vorbereitung, weitere Projekte sind als Spiele der Fußball-Bundesliga! Wer sich allerdings in seiner Heimatstadt auf den in Planung. Inzwischen konnte Herbert Schuch einen weiteren Wettbewerbs-Sieg verbuchen: beim Internationalen Beethoven-Klavierwettbewerb in Wien.

Weg macht, um eine Klassik-CD zu kaufen, erlebt nicht selten ein Fiasko.

Seine Debut-CD erhielt in der Presse begeisterte Kritiken. Die Zeitschrift GramoEntweder: Er findet überhaupt kein CD-Geschäft. Oder: Die einzige verfügbare Quelle für Klassik-CDs ist die Tonträgerabteilung eines Kaufhauses, eines Elektro- phone zeichnete sie mit dem begehrten „Editor’s Choice“ aus. Gerade hat Herbert geräte- oder Drogeriemarktes.

Schuch sein Konzertdebüt in New York gegeben.

Fast paradiesische Verhältnisse genießt dagegen derjenige, der in seiner Stadt noch einen Händler findet, bei dem er fachkundig beraten wird, wo er eine reichDieter Oehms, geboren 1941 in der Eifel, stieg 1965 bei der Deutschen haltige Auswahl auch abseitiger Repertoirebereiche findet, wo der Verkäufer selbst Grammophon ins Musikgeschäft ein. Von 1985 bis 1989 war er Geschäftsführer Begeisterung für diesen oder jenen Künstler spüren lässt und in seinem Musikgeder Polygram Deutschland (Deutsche Grammophon, Decca, Philips). 1990 dächtnis kramt, wenn ich ihm den Melodiefetzen eines Musikstücks vorsumme, übernahm er als Geschäftsführer der Philips GmbH Deutschland die Leitung des das mich einfach nicht mehr loslässt. Stellen Sie sich vor: In Deutschland gibt Bereichs Consumer Electronics. 1995 gründete er das Label ARTE NOVA als Joint es rund 80 Opernhäuser, aber nur ca. 50 Einzelhändler, die ein nennenswertes Venture mit BMG. 2003 gründete er das Label OehmsClassics mit Sitz in München.

umfrage 40 | crescendo 06 2006

Liebe crescendo-Leser!

Wir möchten Sie gerne kennenlernen, um in crescendo noch besser auf Ihre Interessen und Wünsche eingehen zu können. Bitte nehmen Sie sich ein paar Minuten für unsere Fragen Zeit. Wir garantieren natürlich, dass Ihre persönlichen Angaben nicht an Dritte weitergegeben werden und der Schutz Ihrer Daten gewährleistet ist! Unter allen Einsendungen verlosen wir attraktive Preise unter anderem Lautsprecher von InAkustik, den neuesten SACD Kopfhörer von SONY sowie 50 Klassik-CDs – alles für Ihren ungestörten Hörgenuß!

Vielen Dank! Ihr crescendo-Team Wo haben Sie das crescendo KlassikMagazin erhalten?

Wie oft lesen Sie crescendo?

 regelmäßig  häufig  gelegentlich/selten

Wie viele Personen in Ihrem Haushalt lesen unser Magazin?

nur ich

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3

4 Personen

Was halten Sie von Warentests, Untersuchungen über Preis und Qualität von Waren?

Interessiert mich  ganz besonders  auch, aber nicht so sehr  gar nicht Wie viele Bücher haben Sie in den letzten 12 Monaten gekauft?

Wie viele CDs...?

Wie viele Hörbücher...?

Wie viele DVDs...?

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Wie oft finden Sie Zeit… zum Lesen von Büchern von Zeitungen von Zeitschriften zum CDs anhören zum Hörbücher anhören zum DVDs ansehen zum Besuch von Kulturveranstaltungen

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Welche Aussage über die unten genannten Bereiche trifft zu: Kunst-und Kulturszene Bücher, CDs, DVDs Urlaub und Reisen Wellness-Angebote Kapitalanlagen Altersvorsorge Wohnen und Einrichten HiFi Geräte Unterhaltungsmedien (TV, MP3, Video etc.)

Telekommunikation Internet, Online-Angebote Autos Mode, Modetrends Kosmetik, Parfum

20 und mehr

s sonder anz be icht so sehr Für welche Dinge sind Sie bereit in den g h c i siert m uch, aber n ar nicht nächsten 12 Monaten Geld auszugeben? viel a Interes g Kunst-und Kulturszene Bücher, CDs, DVDs Urlaub und Reisen Wellness-Angebote Kapitalanlagen Altersvorsorge Wohnen und Einrichten HiFi Geräte Unterhaltungsmedien (TV, MP3, Video etc.)

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 lohnt sich meistens  lohnt sich meistens nicht  bin ich unentschieden Werbung als Information in Zeitschriften  Interessiert mich  ganz besonders  nicht so sehr  gar nicht Alter:  bis 29 Jahre  30 bis 39 Geschlecht:  männlich  weiblich  40 bis 49  50 bis 59  60 Jahre und älter In meinem Haushalt leben:  1 Person  2 Personen  3 Personen  4 und mehr Personen Ich habe folgende Schulbildung:  keinen Abschluss  Haupt-/Volksschule  Realschulabschluss  Hochschulreife  abgeschlossenes Studium Der Kauf von Markenartikeln

Sind Sie zur Zeit berufstätig?  Vollzeit berufstätig  Teilzeit berufstätig  Geringfügig beschäftigt  Rentner  Schüler/Student  Nichts davon trifft auf mich zu Welchem Berufskreis können Sie sich zuordnen: Facharbeiter Sonstiger Arbeiter Leitender Angestellter Beamter des mittleren oder einfachen Dienst Freier Beruf

 Erziehungszeit/sonstige Freistellung

Nichtleitender Angestellter Inhaber / Geschäftsführer

 Hausfrau/Hausmann

Beamter des höheren, oder gehobenen Dienst Selbständiger Handwerker

Wie groß etwa ist das Netto-Einkommen aller Personen in Ihrem Haushalt zusammen im Monat:  2000 bis 2499 Euro  2500 bis 2999 Euro  mehr als 3000 Euro

 Unter 1500 Euro  1500 bis 1999 Euro

Bitte faxen Sie den Fragebogen an: 089/74 15 09-11, oder schicken Sie ihn per Post an den Verlag.

crescendo 06 2006 | 41 premium

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Es lohnt sich, unseren Fragebogen

crescendo für die Ohren

auszufüllen! Unter allen Einsendern verlosen wir exklusive und hochwertige Preise. Hier sind sie:

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crescendo gibt es nun auch auf CD. 20 Tracks zu den Themen dieses Heftes. Darunter die Neuerscheinungen vom Plattenmarkt. Als Bonus: Vor Veröffentlichung können sie den ersten Track der Sting-CD hören! Wenn Sie premium-Abonnent werden, schicken wir Ihnen jedes crescendo nach Hause. Jeweils mit der neuesten CD. Weiterer Vorteil für Sie: Angebote bei Konzertbesuchen und ein Willkommensgeschenk. Diesen Monat Bachs „Kaffeekantaten“ von Ton Koopman, erschienen bei Challenge Records.

Diese letzte Kopfhörer-Generation der Firma Sony ist besonders gut geeignet für die Widergabe von SACDs und zukünftigen Tonträgerformaten mit großem Frequenzumfang. Genießen Sie Klassik in Zukunft der Technik.

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Hören Sie, worüber wir schreiben: Zunächst entführen wir Sie zu Grenzüberschreitungen. Noch vor der offiziellen CD-Veröffentlichung singt Sting auf der crescendo-CD John Dowlands „Come again“ (Deutsche ��� ���������� � Grammophon), zum Vergleich hören Sie � � �� ��� ��������������������������������������� � �� � �� � eine Lauteninterpretation von Nigel � ����� � � �� ��� � � � ��� ��� �� �� �������� � ���� ��� ��� �� ��������� ������� �������������������������������� ������ ��� ����� North (Naxos). Überhaupt will die � � ��� � � � � ��� �� ���� ����� ���������� ����������� � ������� ��� ������ ���� ��� ��� ����� ������������� crescendo premium-CD Sie verlo�� � ��������������������� ������ �� �� cken, Ihr Ohr zu schulen. Vergleichen �� ���������������� �� ��� ���� �� Sie den „Merkur“ aus Holsts „Plane������������� �������������� ten“ von Simon Rattle (EMI) mit der his����������� torischen Aufnahme unter Vaughan Williams ������������ (Naxos). Außerdem hören Sie die neuesten �������������� ���������������� Veröffentlichungen vom Plattenmarkt: Zubin ������������� Mehtas „Traviata“ (Farao), Anja Harteros (RCA), sowie Ton Koopmans Buxtehude (Challenge). Mit dabei: Lera Auerbach, (BIS), Lang Lang (DG), Evgenia Rubinovas Debüt (EMI) und Thomas Quasthoffs Album mit geistlichen Liedern (DG) .

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Focal Boxen: Chorus 800V Die Chorus 800 V sind mit das Beste, was man sich ins Regal stellen kann. Das Paar ist nicht nur Lautsprecher, sondern Luxusgut. Die dritte Generation dieser Boxen setzt auf technische Innovationen gepaart mit modernem Design. Die einzelnen Komponenten werden von den jeweiligen Experten hergestellt und harmonisch miteinander verbunden. So entsteht vollendete HighEnd-Ästhetik in Klang und Look.

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Konzerte für premium-Abonnenten Wo immer Sie in diesem Heft das crescendo premium-Logo sehen, lohnt es sich. Im plus regional-Teil bedeutet es: Wir halten Freikarten für Sie bereit. premium-Abonnenten bekommen einen Bestell-Coupon, auf dem sie ihre Wünsche ankreuzen können. crescendo lädt premium-Abonnenten zu ausgewählten Veranstaltungen ein. Sie können an Künstlerpräsentationen und VIP-Veranstaltungen teilnehmen oder haben die Chance auf signierte CDs oder Bücher. Lassen Sie sich überraschen.

Und so geht‘s Für 34,- Euro im Jahr erhalten Sie sechs Mal crescendo, den festspielguide und alle premium-Leistungen. Wenn Sie sich bis zum 15. November entscheiden, erhalten Sie zusätzlich die CD mit Bachs „Kaffeekantaten“ von Ton Koopman.

Ja, ich möchte für 34,- EUR pro Jahr die Vorteile von crescendo premium nutzen und erhalte die Begrüßungs-CD:

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100 CDs Außerdem verlosen wir 100 aktuelle Klassik-CDs aus dem derzeitigen Repertoire aller Labels.

Sie können sich diesen Fragebogen auch auf unserer Homepage www.crescendo-magazin.de herunterladen. Bitte senden Sie den ausgefüllten Fragebogen an: Portmedia, Leserbefragung 2006, Senefelderstr. 14, 80336 München oder faxen sie ihn an: 089/74 15 09-11.

Bitte fügen sie Ihren Namen und Anschrift bei, wenn Sie an der Preisverlosung teilnehmen möchten.

Ich kann jederzeit zum Ende des Kalenderjahres kündigen. (Im europ. Ausland zzgl. 10,– EUR Auslandsspesen) Vorname/ Name

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Konto-Nr. Bank/BLZ Sollten Sie Bezahlung per Rechnung wünschen, fallen zusätzlich 5,– EUR Bearbeitungsgebühr an.

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email Geburtsdatum

hifi 42 | crescendo 06 2006

Marius Dittert beantwortet Ihre HiFi-Fragen

Brauchen KlassikFans einen iPod? Er hat sich im Pop längst durchgesetzt. Der iPod ist ein moderner Walkman: klein, mobil und mit gigantischem Speicher.

Aber was nützt dem Klassik-Fan dieses Gerät? Soll er es sich überhaupt anschaffen? Und wenn ja, welches? Wird der iPod die CD ablösen? Und was passiert dann mit der Plattensammlung?

Ganz so einfach ist das alles dann aber doch nicht. Seriöse Marktforscher gehen davon aus, dass die Compact Disc noch auf viele Jahre hinaus eine wichtige Rolle spielen wird, gerade als hochwertiger Musikdatenträger. Eine CD bietet eine höhere KlangAuflösung als ein MP3-File – und das ist auch hörbar, selbst wenn Sound-Ingenieure die Datenkompression bei MP3-Nachfolgeformaten, wie etwa AAC und AAC+ verfeinern. Für ambitionierte Musikhörer, die Musik nicht als bloße Hintergrundbeschallung verstehen – und dazu gehören Liebhaber klassischer Musik –, führt nach wie vor kein Weg an den Silberscheiben vorbei. Die Dämme sind allerdings gebrochen – und selbst die Musikbranche, die sich mit dem Vertriebskanal Internet lange schwer tat, bietet ihre Ware inzwischen „always online“ an.

Wofür steht MP3?

MP3 steht für Datenkompression. Entwickelt wurde das Format unter anderem vom Fraunhofer-Institut.

Damit die Kompression möglichst wenig hörbar ist, nutzt MP3 psychoakustische Elemente: So können

Menschen erst ab einem gewissen Mindestunterschied der Tonhöhe zwei Töne eindeutig voneinander unterscheiden.

Ein weiterer Effekt ist, dass vor oder nach sehr lauten Geräuschen für kurze Zeit leisere nur schlecht oder gar nicht wahrgenommen werden können. MP3 braucht das Ursprungssignal somit nicht exakt abzuspeichern, es reichen die Signalanteile, die das menschliche Gehör wahrnehmen kann.

Letztlich geht es bei MP3 oder dessen Weiterentwicklungen, wie etwa dem von Apple verwendeten AAC-Format stets darum, das Musiksignal so aufzuarbeiten, dass es möglichst wenig Speicherplatz benötigt, für menschliche Ohren aber genauso gut wie das Original tönt.

Ist MP3 für Klassikhörer attraktiv?

Haben Sie schon immer davon geträumt, ihre Lieblingswerke mit in den Urlaub nehmen zu können?

Ein MP3-Player macht’s möglich: Auf die kleinen Abspielgeräte, die oft nicht viel größer als ein Lippenstift oder Feuerzeug sind, passen locker mehrere hundert oder gar tausend Musikstücke, die sich obendrein zu beliebigen Wiedergabelisten sortieren lassen – egal, ob diese via Internet heruntergeladen, oder von der eigenen CD-Sammlung überspielt wurden. Obendrein kann man MP3-Player heutzutage ganz leicht ans Autoradio anschließen und so auf der Urlaubsfahrt

stundenlang, ohne Unterbrechung, Bandsalat und lästiges CD-Wechseln seine Lieblingskomponisten genießen.

Was ist ein iPod? Er ist der legitime Nachfolger des Walkman. Allerdings stammt der iPod nicht von Sony, sondern von Computer-Hersteller Apple. Dem US-Unternehmen gelang mit dem kleinen, zumeist weißfarbenen Musicplayer der absolute Mega-Coup. Den Einstieg in die illustere iPod-Range markiert der iPod shuffle, der in der günstigsten Variante mit 512 Megabyte (MB) Speicherplatz (reicht für 120 Songs) zumeist schon für knapp 70 Euro zu haben ist. Der iPod shuffle ist etwa so groß wie ein Päckchen Kaugummi und wiegt lediglich 22 Gramm. Dafür kann der kleinste iPod mit einem Display leider nicht aufwarten, was dazu führt, dass seine Besitzer eigentlich nie wissen,

Foto: Apple, Universal

MP3-Files sind platzsparender als CDs, wesentlich flexibler und zumeist auch noch günstiger. Außerdem fehlt der Compact Disc, deren prominentester Vorreiter einst Stardirigent Herbert von Karajan war, der lässige Retro-Charme einer VinylSchallplatte. Es scheint: CD war gestern, MP3 ist heute.

crescendo 06 2006 | 43 hifi

crescendo-Händlerliste An welche Anlage schließe ich meinen iPod am besten an? Wie stelle ich meine Boxen optimal auf? Wie kann ich den Klang meiner Anlage verbessern? crescendo hat die besten HiFiHändler in Ihrer Nähe gefunden. Hier bekommen Sie guten Rat und Tipps der Experten: Blang, Herr Krewer, Petrusstr. 8, 54292 Trier, Tel. 0651-147700, info@blangredzac.de Goethe Studio, Herr Ziert, Reuterstr. 7, 30159 Hannover, Tel. 0511-323435, info@goethe-studio.de Hifi Atelier, Herr Titzer, Bonner Str. 262-264, 50968 Köln, Tel. 0221-8004440, hifi-atelier@t-online.de Hifi Fraune GLF, Herr Fraune, Wolbecker Str. 61, 48155 Münster, Tel. 0251-666835, fraunemail@gmx.de HiFi im Hinterhof, Herr Ziemer, Großbeerenstr. 65, 10963 Berlin, Tel. 030-25375310, voice@hifi-im-hinterhof.de

welcher Song sie als nächstes erwartet. Diese Art der Wiedergabe nennt sich shuffle und ist für Klassikfans mit Sicherheit sehr ungeeignet, denn wer will schon die Höllenfahrt des Don Giovanni vor der Registerarie des Leporello hören?

Welcher iPod eignet sich für Klassikliebhaber?

Wer sich für klassische Musik interessiert, wer folglich Übersicht braucht, der benötigt einen iPod mit Display. Über selbiges verfügen der iPod nano und der große iPod (video). Der iPod nano – der mit Abstand flachste iPod, den Apple jemals im Programm hatte – ist durch eine neuartige Speichertechnologie auch während der Musikwiedergabe gegen Erschütterungen resistent. Apple offeriert den iPod nano in Schwarz und Weiß, mit einer Speicherkapazität von 1, 2, oder 4 Gigabyte (GB), was im Schnitt 240, 500, oder 1000 Songs Platz bietet. Die Preise liegen bei 149, 199 und 249 Euro. Wenn Sie Ihre über Jahrzehnte angehäufte, umfangreiche Klassiksammlung speichern möchten, wählen Sie am besten den großen iPod. Diesen gibt es bereits in der fünften Generation.

Neben Musik kann man damit auch Fotos und Videos speichern und wiedergeben.

Dieser iPod verfügt wie der iPod nano über einen kleinen Farbbildschirm – wer Lust hat, kann damit auch Netrebko-Videos in der Hängematte genießen.

Den großen iPod gibt es ebenfalls in Schwarz und Weiß und mit einer Speicherkapazität von 30 oder 60 GB. Die Preise liegen aktuell bei 319, respektive 429 Euro.

Hifi Keller, Herr Keller, Gottlieb-Daimler-Str. 37, 71711 Murr, Tel. 07144-209019, webmaster@hifikeller.de Hifi Studio Belzer, Herr Belzer, Handwerkstr. 2, 66740 Saarlouis, Tel. 06831-122280, info@hifibelzer.de Hifi Treffpunkt München, Herr Heisig, Albert-Roßhaupter-Str. 40, 81369 München, Tel. 089-7693323, gheisig@hifitreffpunkt.de Knopf Hifi Technik, Herr Knopf, Aachener Str. 5, 40223 Düsseldorf, Tel. 0211-331776, info@knopfhifi.de LINE High-Fidelity, H.Wolf, Friedrich-Ebert-Str. 157, 34119 Kassel, Tel. 0561-104727, www.linehifi.de Loftsound, Herr Kampschulte, Kantstr. 20, 59755 Arnsberg, Tel. 02932-81846 MT Hifi Tonstudio, Herr Cnyrim, Q 4, 12-16, 68161 Mannheim, Tel. 0621-101353, info@mt-hifi.de Musikinsel-Hifi, Herr Haslinger, Milchstr. 14, 85049 Ingolstadt, Tel. 0841-35526 Phonosophie I., Hansen Vertriebs GmbH, Herr Hansen, Luruper Hauptstr. 204, 22547 Hamburg, Tel. 040-837077, support@phonosophie.de Die Steiner Box, Herr Götz, Luitpoldstr. 30, 91052 Erlangen, Tel. 09131-27792, info@steinerbox.de Studio 45, Herr Arlinghaus, Breitenweg 57-59, 28195 Bremen, Tel. 0421-14757, info@hifi-studio45.de

reise 44 | crescendo 06 2006

HotelMusik von Uli Schirmer

Erstes US-Gastspiel der Berliner

Der Tod von Elisabeth Schwarzkopf vor wenigen Wochen war ein weiterer Schritt zum Ende einer Ära. Einer Ära, in der man den Stimmen noch verfallen konnte, weil sie charakteristisch waren, wahrhaftig und überzeugend. Inzwischen fällt mir das immer schwerer. In den letzten Jahren begeistern mich eher die jungen Instrumentalisten als die jungen Stimmen. Bei ihnen fehlt mir die Überzeugungskraft, die Echtheit – so wie sie Elisabeth Schwarzkopf verkörperte.

Zum ersten Mal habe ich die Grande Dame des Gesangs bei der „Singschule“ getroffen, die August Ewerding ins Leben gerufen hatte – er war damals schon verstorben. Es war nur eine kurze Begegnung, aber Elisabeth Schwarzkopf gegenüberzustehen, hat mich vollends erfüllt.

Zu ihrem 90. Geburtstag, hat sie zur „Schubertiade“ geladen. Damals rief sie bei Matthias Goerne an. Er ist ein guter Bekannter von mir, und ich halte ihn für einen der besten Baritone, die derzeit singen. „Kennen Sie Hugo Wolf?“ wollte die Schwarzkopf von ihm wissen, „Ja, natürlich“, antwortete Goerne. „Und mit wem haben sie ihn einstudiert?“ – „Mit Ihnen, Frau Schwarzkopf.“ - „Ach so.“ Da nun sicher gestellt war, dass Goerne eine gute Lehrerin hatte, durfte er auf der „Schubertiade“ singen. Natürlich wollte ich mir dieses Ereignis nicht entgehen lassen und kam ebenfalls.

Eher zufällig traf ich Elisabeth Schwarzkopf wieder. Sie saß in der Lounge hinter der Bühne, mitten in einem Ambiente aus „Ikea“-Möbeln, in das sie so gar nicht passen wollte. „Frau Kammersängerin“, sagte ich, „was für eine Ehre.“ – „Kennen wir uns?“, fragte sie mit der ihr eigenen Strenge. Und dann musste sie auch schon wieder weg. Die Vorstellung begann.

Goerne sang wunderschön. Als er fertig war bedankte sich die Schwarzkopf bei ihm und zeigte noch einmal ihre bissige Seite: „Das war sehr schön, auch in der Farbe – selbst wenn es nur eine war. Da müssen wir noch einmal ran.“ Aus dem Mund der Schwarzkopf gibt es kein liebevolleres Lob. Wir werden ihre Direktheit vermissen.

Uli Schirmer ist Musik-Fan und Direktor des Fünf-Sterne Hotels „München-Palace“.

Feldzug statt Konzertreise

Neue crescendo-Serie: Orchester erzählen von ihren Konzertreisen. Am Anfang ein historischer Rückblick. Wie die Berliner Philharmoniker gemeinsam mit Herbert von Karajan die USA eroberten. Von Friedrich Witt.

Für das Frühjahr 1955 war von den Berliner Philharmonikern die erste Amerikareise geplant. Wilhelm Furtwängler sollte die Konzerte dirigieren. Aber er starb überraschend im Herbst 1954. Karajan soll damals zu seinem Sekretär gesagt haben: „Jetzt kommt unsere Stunde oder nie.“ Es war für das Orchester sofort klar, dass nur Karajan den Platz Furtwänglers ausfüllen konnte.

Und auch für diese Amerikareise gab es nur einen Dirigenten, der in Frage kam. Und das war Karajan.

Wir kannten ihn sehr gut. Er hat das Orchester oft dirigiert und dabei seine herausragende Persönlichkeit bewiesen.

Als Karajan nun vom Orchester für diese Reise berufen wurde, tat er etwas Wunderbares: Er ließ alles, wie es geplant war. Stellte das Programm nicht um und unternahm kaum Proben. Wenn er im Kopf hatte, wie er das Orchester verändern wollte, so wusste er genau, dass auf der Amerikareise die falsche Zeit dafür gewesen wäre. Also, Karajan setzte sich in die Kommandokapsel dieser feurigen Rakete „Berliner Philharmoniker“ und der Startschuss war der Aufbruch nach New York.

Draußen vor der Carnegy-Hall wurde gegen Karajan demonstriert – wegen seiner NS-Vergangenheit.

Polizisten hoch zu Pferde sorgten für Ordnung. Es lag eine gewisse Spannung in der Luft. Drinnen im Saal wurden Tauben losgelassen, um das Konzert zu stören. Aber das irritierte weder Karajan noch uns. Wir eröffneten den Abend mit Wagners „Tristanvorspiel“.

Die Musik begann unter Karajans Händen so zart, so wehmütig und so betörend – endlos dehnten sich die Töne. Die Musik Wagners erfüllte in atemloser Endlosigkeit den Raum. Karajan und das Orchester vereinten sich in absoluter Bereitschaft, und sie gaben gemeinsam alles für die Musik.

Wir spielten wie in einem Rausch, und der übertrug sich auch auf das Publikum. Selbst die Tauben hörten auf zu fliegen. Ob auch sie verzaubert waren?

In den amerikanischen Zeitungen war später zu le-

sen: „Die Berliner Philharmoniker sind der Rolls Royce unter den Orchestern.“ Was dann folgte, war nicht mehr als Konzertreise, sondern eher als Feldzug zu bezeichen: In 28 Tagen spielten wir 24 Konzerte. Und diese so gut wie immer in einer anderen Stadt. Unser Transportmittel waren ausschließlich Busse, aber nicht die modernen „Grey Hound“-Busse, sondern alte, die an der Decke kleine Schlitze hatten, aus denen man herausgucken konnte. Die Sitze in diesen alten Bussen waren durchgesessen. Es waren sicherlich die billigsten Fahrzeuge, die man auftreiben konnte. In ihnen rollten wir fast 10.000 Kilometer durch die USA. Jeden Morgen begann gegen zehn Uhr die Busfahrt, die meist gegen fünf Uhr Nachmittags endete.

Mittags hielten die Busse in einer der unbeschreiblichen amerikanischen Kleinstädte an, wenn man so einen Ort überhaupt als Stadt beschreiben kann. Wir machten eine Stunde Pause. Anfangs versuchten wir

Fotos: Friedrich Witt

Elisabeth Schwarzkopf

crescendo 06 2006 | 45 reise

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den Berliner Philharmonikern

auszuschwärmen, um in einer der Snackbars etwas Essbares aufzutreiben. Aber wer einmal eines dieser unglaublich verkohlten Holzfällersteaks genossen hatte, zog es vor, sich eine Tüte mit eigener Verpflegung mitzunehmen. Die Fahrer waren auch nicht dazu zu bewegen, ihre DieselMotoren auszuschalten. Also saßen wir immer in einer Abgaswolke.

Unsere Hotels waren immer von einfachster Art. Die jungen Kollegen waren in Doppelzimmern untergebracht. Ich war damals ja noch im Probejahr. Der Bassist Herr Täubner hatte eine Berliner Schnauze – und mit ihm teilte ich ein Zimmer. Dieses Gemeischaftserlebnis möchte ich nun schildern.

Nach einer langen Autobusfahrt kamen wir in einem Motel an. Irgendwann hatten wir den Schlüssel für unser Zimmer. Dieses lag, wie es in einem „Drive Inn“ üblich ist, auf ebener Erde.

Angekommen, sagte Herr Täubner zu mir: „Kleener, lass mal die Rolläden herunter – die blöden Musikanten brauchen ja nicht zugucken, wie ich

meinen Koffer auspacke.“ Als ich diesem Befehl gefolgt war und er seinen Koffer auspackte, kamen merkwürdige Dinge zum Vorschein: Ein Paar Hanteln und ein Expander.

– Herr Täubner war sehr kräftig und legte großen wert darauf, dass es so blieb. – Dann kamen aus dem Koffer noch allerhand Bürsten hervor, für die Schuhe, für die Kleider, für den Körper.

Zu meiner größten Überraschung holte Herr Täubner einen Hammer aus dem Gepäck und schlug einen Nagel, den er ebenfalls mitgebracht hatte, in die Wand und hängte an diesen Nagel ein ziemlich großes Barometer auf: „Kleener, ich muss wissen, in welcher Höhenlage über dem Meeresspiegel ich mich befinde, und wie hoch der Luftdruck ist.“ In dieser Zeit, in der er sich häuslich einrichtete, durfte ich nur zugucken – alles andere hätte ihn gestört. Dann verteilte er eine Sammlung von Waschzeug und Seifen im Zimmer und verschwand mit Socken und Hemden im Bad. Ich hörte ihn nur noch singen, schnauben und schnaufen. Irgendwann kamen Dampfwolken aus den Türritzen, und auch Wasser lief unter der Tür hervor. Als er prustend und triefend aus dem Bad herauskam, war mir klar, dass es für mich zu spät war, dieses heute noch zu betreten. Als Herr Täubner meinen etwas hilflosen Blick sah, sagte er: „Wa, Kleener, dir gefällt das doch auch hier mit mir, oder?“ In der Provinz fanden die Konzerte oft in großen Sporthallen statt. Da hatten die Leute dann ein Abonnement für ein Rugby-Spiel, Radrennen und eben auch ein Konzert. Und das gaben wir.

Da kam es schon mal vor, dass eine Mutter in der ersten Reihe ihr Kind stillte. Karajan öffnete in solchen Fällen nicht einmal die Augen, rang sich aber

auch nicht das Äußerste seiner Gestaltungsmöglichkeiten ab. Am Ende eines solchen Konzertes wurde von einem Geiger der legendärer Satz geprägt: „Zum Weltruhm reicht’s.“ Manchmal fuhren wir noch nach dem Konzert mit dem Bus weiter in eine noch hässlichere Stadt, weil das Hotel dort noch billiger war. Wir bekamen damals pro Tag 12,50 Dollar Spesen, wobei uns aber bis zu acht Dollar für das Hotel abgezogen wurden.

Wir haben auch nicht, wie die Wiener Philharmoniker, Extragagen für diese Konzerte bekommen.

Und wenn auf dem Plan einmal stand „Free day“, so bedeutete das lediglich, dass wir besonders lange im Bus sitzen mussten.

Am Ende der Reise machte sich eine Heiterkeit und Lustigkeit breit, die man von übermüdeten Kindern oder überstrapazierten Menschen kennt. Das habe ich auch im Krieg erlebt. Als wir Nacht für Nacht im Bunker saßen, um das Inferno der Bombennächte zu überleben – da habe ich schon einmal diese aufgedrehte, lustige und ausgelassene Stimmung erlebt. Es waren zermürbende Nächten voller Angst und Ermüdung.

Der Rückflug aus den USA, in den engen Propellermaschinen des Types DC4, gestaltete sich letztlich als exzessives Rausch- und Trinkgelage.

Wir flogen damals mit der SAS, und diese Fluggesellschaft bot noch einen erstklassigen Service an.

Natürlich mit unbegrenztem Alkoholangebot der Extraklasse. Es waren ausgelassene 24 Stunden.

Spätnachmittag kamen wir in Berlin an. Am nächsten Tag begann schon am Mittag um elf Uhr das nächste Konzert mit Karajan. Im „Titaniapalast“ spielten wir unser Paradestück „Till Eulenspiegel“.

Aber es ging so ziemlich alles schief, was schief gehen konnte. Das Orchester war total erschöpft. Aber wir hatten in Amerika die Grundlage einer neuen Ära gelegt – der Ära Karajan.

Friedrich Witt war Solobassist der Berliner Philharmoniker und spielte unter Furtwängler, Karajan und Abbado. Seine Geschichten sind auch per Podcast zu hören: www.friedrich-witt.de

plus regional nord-mitte 46 | crescendo 06 2006

Wie Guy Montavon Erfurt belebt

Oper als Teil der neuen Wirklichkeit

crescendo 06 2006 | 47 plus regional nord-mitte

Guy Montavon: Intendant in Erfurt

Fotos: Theater Erfurt

Es ist schon ein bisschen lustig, wenn man die Internetseite des Theaters in Erfurt anklickt, sich zum Ensemble vorarbeitet und das Profil des Intendanten anschaut. Dort steht nämlich nicht nur, dass Guy Montavon in Genf geboren wurde, dass er Diplomfagottist ist, das Musiktheater der Gegenwart pflegt und seine Spielzeiten mit Uraufführungen eröffnet. Sondern dort ist auch zu lesen: „Er beherrscht die Sprachen Französisch, Deutsch, Englisch und Italienisch in Wort und Schrift.“ So etwas steht normalerweise in Bewerbungsschreiben von Sparkassen-Azubis. Aber Guy Montavon hat Bewerbungen nicht nötig. Ihm geht es nicht um das zur Schau stellen des Polyglotten, sondern um einen Teil seines kosmopoliten Weltbildes. Als der Schweizer 2002 seinen neuen Job antrat, kam er in einer unbekannten Welt an.

Aber er hat die thüringische Metropole mit ihrem funkelnagelneuen 800-PlätzeHaus schnell in das heimliche Zentrum des Musiktheaters verwandelt.

Montavon glaubte lange an die westliche Kulturachse, suchte die Tradition des Musiktheaters in München, Österreich, in Italien und zuweilen in Spanien.

Aber plötzlich fand er sich in einem neuen Koordinatensystem wieder. In der Geburtsstadt Max Webers fand er einen Kulturraum, dessen Spuren von Weimar über Erfurt, Dresden, Leipzig, quer durch Polen oder Tschechien bis nach St. Petersburg führen. Hier war das Land der Dichter und Denker zu Hause, das Land Wagners, Bachs, Luthers, Goethes und Schillers. Und die meisten schauten nicht nur nach Süden, nach München oder Italien, sondern immer auch nach Osten. „Das Problem ist, dass diese Achse lange in Vergessenheit geraten war“, sagt Montavon, „selbst in der ehemaligen DDR, von der gesagt wird, dass sie ihre Tradition pflegte, wurde das eigene Erbe nicht mit wirklichem Stolz gepflegt.“ Um seine neue Heimat kennenzulernen setzt sich Guy Montavon gern ins Auto und fährt durch die Landschaft, natürlich auch über die Grenzen hinaus. „Was ich da jeden Tag sehe, das ist die Zukunft Europas“, sagt er. „Wir entdecken unsere alte Kultur wieder, und wir sehen an allen Ecken und Kanten die Zeichen der wirtschaftlichen Veränderung. Die Lufthansa will zum Beispiel in Arnstadt bei Erfurt ein Werk für die Wartung von Turbinen bauen.“ Montavon ist ein Optimist. Wenn er redet, sieht er bereits die Knospen jener einst versprochenen blühenden Landschaften, an die schon keiner mehr glaubte. „Ich schwöre“, sagt er, „dass diese Region schon in wenigen Jahren wichtiger sein wird als das gesamte Ruhrgebiet.“ Er glaubt, dass die wirtschaftlichen Unternehmungen vor allen Dingen nach einem verlangen: nach einer kulturellen Identität. Und deshalb ist er da. „Besonders im Osten haben wir es doch derzeit mit einer Abwanderung vieler Menschen zu tun. Die Kultur kann sie dazu verführen, zu bleiben. Und es sind die Opern-, Konzert- und Schauspielhäuser, die Museen und Festivals, die ihnen dabei helfen.“ Für Montavon ist jede Investition, auch eine Investition in die Kultur, eine Investition in den Standort Neue Länder. „Es ist doch klar, dass die Lufthansa die besten Leute haben will. Aber die locken sie nicht

allein mit Gehältern. Ein Familienvater fragt sich schon: ‚Was kann ich denn machen, wenn ich nach der Arbeit nach Hause komme. Und wie ist das kulturelle Angebot?‘“ Überhaupt gibt es für einen Intendanten wie Guy Montavon keine Grenzen zwischen Politik, Wirtschaft und Kultur. Vor Kurzem war der Globetrotter in Kuba. Dort hat er sich mit dem deutschen Botschafter unterhalten – und beide waren sich einig, das die Marke „Made in Germany“ auf vielen Ebenen an Reiz verloren hat – nicht aber in der Kultur. „Wir haben ein sehr effizientes System, kluge Konzepte und denken oft in die Tiefen der Dinge“, sagt Montavon. „Und das macht uns international so erfolgreich.“ Das Erfurter Theater ist längst ein Exportschlager geworden. Die Produktionen des eher kleinen Hauses sind weltweit gefragt. Die Erfurter Uraufführung von Phillip Glass‘ „Waiting for the Babarians“ läuft in Amsterdam, andere Aufführungen wandern nach Austin Texas, oder an die New York City Opera.

Das Erfolgsgeheimnis des Intendanten ist seine Offenheit. Und die ist nicht nur geographisch und sprachlich ausgeprägt. Montavon versteht das Musiktheater nicht als hermetischen Raum, sondern als Ort, an dem Themen vorgestellt werden, um diskutiert zu werden. Musik ist für ihn wie eine Möglichkeit über alles reden zu können, wonach wir uns sehnen, was im Alltag aber oft viel zu profan ist, um zum Thema zu werden.

Eine der größten Erfolgsgeschichten des Erfurter Theaters war die „Hänsel und Gretel“-Inszenierung des Regisseurs Mario del Monaco. Es gab einen Abend für Erwachsene, an dem die Märchenoper in soziale Schräglage geraten ist und eine jugendfreie Version. Ein Coup, der nicht nur in deutschen Feuilletons für Aufsehen sorgte. In der übernächsten Spielzeit will Montavon sich um Literaturopern kümmern, hat bereits Auftragswerke vergeben: Flavio Testis komponiert Lorcas „Mariana Pineda“, Franz Hummel Dürrenmatts „Der Richter und sein Henker“. Und diese Saison wurde gerade erfolgreich mit der Uraufführung „Wut“ von Lorenzo Scartazzini eröffnet. Im kommenden Jahr kann sich Montavon dann wieder neu orientieren – dann steht die Spielzeit Axel Brüggemann unter dem Motto Italien.

Premieren in Erfurt Wolfgang Amadeus Mozart: Die Zauberflöte (Wiederaufnahme, 7.10.); Engelbert Humperdinck: Hänsel und Gretel – Nur für Erwachsene (13.10.); Richard Heuberger: Der Opernball (4.11.); Alexander Zemlinsky: Der Zwerg, Der Geburtstag der Infantin (2.12.); Richard Strauss: Der Rosenkavalier (15.12.); Antonín Dvorˇ ák: Rusalka (3.2.07), Tel. 0361-22330, www.theater-erfurt.de

plus regional nord-mitte | 48 crescendo 06 2006 Hamburg: Junges Musiktheater

Diese Termine sollten Sie nicht versäumen: Hamburg: Stipendiaten-Konzert

Weitere Termine Düsseldorfer Altstadtherbst 13. September - 1. Oktober, Düsseldorf www.altstadtherbst.de

Drei Stipendiaten, die Geigerin Veronika Eberle, der Cellist Claudius Popp und der Trompeter Giuliano Sommerhalder, der „Deutschen Stiftung Musikleben“ spielen am 17.

September erstmals als Solisten mit dem NDR Sinfonieorchester der Hamburger Laeiszhalle.

17.9., Tel. 0180-1787980, www.deutsche-stiftung-musikleben.de

Minguet Quartett 17. September, Philharmonie Berlin www.berliner-philharmoniker.de Der Zigeunerbaron (Premiere) 17. September, Stadthalle Zwickau www.kultourz.de Koblenzer Mendelssohn-Tage 22. September, Rheinische Philharmonie www.rheinische-philharmonie.de Das Pferd in der Nacht (Premiere) 22. September, Staatstheater Braunschweig www.staatstheater-braunschweig.de Julian Rachlin – Itamar Golan 23. September, Konzerthaus Dortmund www.konzerthaus-dortmund.de

Kronberg Academy Cello Meisterkurs 24. September, Stadthalle Kronberg www.kronbergacademy.de Chamber Orchestra of Europe 25. September, Philharmonie Luxembourg www.philharmonie.lu

Die 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker präsentieren am 30. September zusammen m i t M ar ku s S t ock hau s en (Trompete, Flügelhorn) den Konzertabend „Dance of the Angel – Dance of the World“ in der Philharmonie Essen.

30.9., Tel. 01805-959598 (12 Ct/Min) , www.philharmonie-essen.de

Saarbrücker Kompositionstage 6. Oktober, Sendesaal auf dem Halberg www.sr-online.de/rso Das Rheingold (Premiere) 7. Oktober, Opernhaus Halle www.opernhaus-halle.de

Köln

Renée Fleming 28. November, Philharmonie Berlin www.berliner-philharmoniker.de Otello (Premiere) 14. Oktober, Semperoper Dresden www.semperoper.de

Auf eine musikalische Reise durch das Kirchenjahr laden die „Feste Alter Musik“ ihreBesucher ein. Unter dem Motto „Soli Deo Gloria“ steht Sir John Eliot Gardiner mit vielennamhaften Künstlern auf dem Programm.

15. bis 22.12.,Tel. 0180-5544888 (12 Ct/Min.) , www.soli-deo-gloria.info

Braunschweig

Kassel: Musiktage Die Besucher der Kasseler Musiktage erwartet in diesem Jahr unter der künstlerischen Leitung von Dieter Rexroth ein besonders großes Programm. Das Festival beschäftigt sich mit der Suche vom „Göttlichen im Alltäglichen“ und will sich in Form von Konzerten, Lesungen und Gesprächsrunden (mit Elke Heidenreich) diesem Thema nähern. Besonderes Highlight: Zehn junge Komponisten präsentieren die Uraufführung ihrer Auftragskompositionen. Als musikalische Gäste sind das hr-Sinfonieorchester und das Ensemble Modern aus Frankfurt geladen.

Köln: Digitale Oper

Yuri-Bashmet-Festival 19. Oktober, Konzerthaus Dortmund www.konzerthaus-dortmund.de

Jerome-Robbins-Ballettabend 4. November, Staatsoper Berlin www. staatsoper-berlin.de

Braunschweiger Land: Feste Alter Musik

Kassel

Romance de Barrio (Premiere) 14. Oktober, Staatstheater Cottbus www.staatstheater-cottbus.de

Last Night of the Proms 31. Oktober, Festhalle Frankfurt/Main www.messefrankfurt.com/festhalle

Hamburg

27.10. bis 5.11., Tel. 0561-9883930, www.kasseler-musiktage.de

Essen

Mozart-Konzert 11. Oktober, Petrus-Kirche Kiel www.theater-kiel.de

Ballett: Ein Sommernachtstraum 21. Oktober, Theater Hagen www.theater.hagen.de

10.9., Tel. 01805-4470 (12 Ct/Min) , www.junges-musiktheater.com

Essen: 12 Cellisten

Hoffmanns Erzählungen (Premiere) 23. September, Theater am Goetheplatz www.bremertheater.com

Deutsche Börse Jazznights 14. Oktober, Theater am Aegi Hannover www.karsten-jahnke.de

Das Junge Musiktheater Hamburg inszeniert Oper unkonventionell für „Kinder, Erwachsene, Opernfans und solche, die es werden wollen“. Am 10. September eröffnet das Theater seine erste Spielzeit mit eigener Bühne. Auf dem Programm steht „Die Zauberflöte für Kinder“ und „Opera4friends“, bei dem die Höhepunkte der kommenden Saison vorgestellt werden.

Wiesbaden

THÜRINGEN

Im Museum für Angewandte Kunst Köln ist von 15. bis 17. September eine absolute Neuheit zu sehen: Auf Basis des Librettos von Glucks „Orpheus und Eurydike“ haben die Studenten der Kunsthochschule für Medien (Ilic, Choutov und Tyminko) eine digitale Oper geschaffen: „Beguiling Orpheus“. Zeitgenössische elektronische Musik von Gleb Choutov und die klassische Opernstimme der Sängerin Alexandra Thomas (Raika Simone Maier) bilden die musikalische Grundlage. Für ihre Projektidee erhielten sie den Förderpreis NRW 2004 im Rahmen des „Nam June Paik Award“.

15. bis 17.9., Tel. 0221-22123860, www.museenkoeln.de/museum-fuer-angewandte-kunst

Wiesbaden: Mozartnacht „Von der kleinen Nachtmusik bis zur Zauberflöte“ ist die Divise der Mozartnacht der Wiesbadener Kurhaus-Konzerte. Das Ensemble von Gerinczy präsentiert mit dem Tenor Tobias Haaks, dem Bariton Jens Hamann und der Sopranistin Susann Hagel am 24.

November einen Querschnitt aus Mozarts Werk.

24.11., Tel. 089-55968613, www.kulturgipfel.de

crescendo 06 2006 49 | plus regional nord-mitte Sonderveröffentlichung/Anzeigen

Berlin: Tenso Days Die Tenso Days verfolgen das Ziel, den professionellen Chorgesang in all seinen Facetten einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren und näher zu bringen. Ein besonderes Augenmerk legen die Veranstalter der Tenso Days, unter anderem der ROC RIAS-Kammerchor, auf Ur- oder deutsche Erstaufführungen, die speziell für die auf-

Berlin

tretenden Ensembles geschrieben wurden.

Stattfinden werden die Tenso Days von 3.-5.

November im neu eröffneten Radialsystem.

3. bis 5.11., Tel. 030-20298725, www.tenso-days.com

Dresden: Philharmonie

Leipzig

Dresden

Leipzig: Classical Spectacular Klassische Werke eingebettet in eine fulminante Laser-Show erwarten die Zuschauer von „Classical Spectacular“ am 9. Dezember in Leipzig. Das Royal Philharmonic Orchestra präsentiert bekannte Werke der großen Meister zusammen mit einem 120-Mann starken Chor.

9.12., Tel. 0341-2341100, www.arena-leipzig.de

Thüringen: Jazzmeile Von 30. September - 29. November kommen Jazzfans auf ihre Kosten: Die Jazzmeile Thüringen öffnet ihre Pforten.

In diesem Jahr ist Frankreich der Länderschwerpunkt des überregionalen Jazzfestivals.

30.9. bis 29.11, Tel. 03641-602678, www.jazzmeile.org

Fotos: Silke Heyer, Sheila Rock, Matthias Heyde, Wiesbadener Kushauskonzerte, Maxim Tyminko, DEAG, Kasseler Musiktage, Thüringer Jazzmeile

Am 21. September gastiert die „Junge Deutsche Philharmonie“ in der Dresdner Philharmonie. Es stehen Schumann, Strauss und Reimann unter dem Motto „freakquency – Musik hautnah“ auf dem Programm.

21.9., Tel. 0351-4866866, www.dresdnerphilharmonie.de

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lieto fine 50 | crescendo 06 2006 Die Frisur Schwarze Locken – bei Villazón Zeichen des Latin Lovers, bei Wunderlich oft dem Zeitgeist entsprechend gestriegelt.

Augen und Ohren Rolando Villazón ist als „Mr. Bean“ der Oper bekannt: große Ohren, lustige Augenbrauen – und dauernd am Zappeln. Wunderlich war eleganter, aber nicht ruhiger. Für beide ist Singen zwanghaft.

Der Mund Schon Mal „Granada“ von Fritz Wunderlich gehört?

Aus diesem Mund kommen nicht nur Töne, sondern Landschaften! Bei Villazón strömt Musik als pure Lebensfreude.

Das Outfit Tenöre müssen nicht immer Dandys sein. Wunderlich liebte Wanderschuhe und Holzfällerhemd mehr als Anzug und Smoking – und auch Villazón liebt es eher lässig: Hawaiihemden und Schlabberjeans.

Sänger, die aus dem Alltag kommen, um Kunst zu machen.

Das Herz Die DVD „Fritz Wunderlich – Leben und Legende“ ist taschentuchtauglicher als „vom Winde verweht“. Eine Lehrstunde, dass großer Erfolg erst wirklich schön mit einer großartigen Familie ist. Bei Wunderlich und Villazón schlägt das Herz so rührend für Kind und Kegel.

Ist Villazón wirklich der neue

Wunderlich?

Fotos: privat, EMI

Für Rolando Villazón ist Fritz Wunderlich der Größte – auf seiner letzten CD singt er dessen Repertoire. Und das gar nicht mal so schlecht.

Impressum Verlag:

Port Media GmbH Senefelderstraße 14, 80336 München Telefon: +49-89-741509-0, Fax: -11 email: info@portmedia.de www.portmedia.de Herausgeber: Winfried Hanuschik email: hanuschik@portmedia.de Chefredakteur: Axel Brüggemann (verantwortlich) email: brueggemann@portmedia.de Artdirector: Stefan Steitz (verantwortlich) email: crescendo-layout@portmedia.de Redaktion: Marius Dittert (Hifi) email: hifi@portmedia.de Michaela Wurstbauer

plus regional:

Projektleitung: Liselotte Richter-Lux email: richter-lux@portmedia.de Schlussredaktion: Michaela Wurstbauer Autoren dieser Ausgabe: Axel Brüggemann, Michaela Danner (Volontärin), Marius Dittert, FrankPeter Felderlin, Klaus-Peter Gernwald, Winfried Hanuschik, Thomas Lindemann, Nike Luber, Klaus-Peter Maas, Moritz Meinken, Max Nyffeler, Dieter Oehms, Claudia Roth, Frederike Sandner, Uli Schirmer, Sting, Friedrich Witt.

Grafik und Zeichnungen: Titelseite: Universal, EMI, Collage: Stefan Steitz, Nord: Theater Erfurt.

Produktionsmanagement: Michaela Wurstbauer

Auftragsmanagement: Petra Lettenmeier (verantwortlich) email: lettenmeier@portmedia.de Michaela Wurstbauer email: wurstbauer@portmedia.de Verlagsrepräsentanten: Petra Lettenmeier email: lettenmeier@portmedia.de Kulturbetriebe & Markenartikel: L. Richter-Lux email: richter-lux@portmedia.de Nicola Kremer email: kremer@portmedia.de Gültige Anzeigenpreisliste: Nr. 8 v. 1.1.06 Druck: Westermann Druck GmbH Georg-Westermann-Allee 66, 38104 Braunschweig

Das nächste crescendo erscheint am 17. November 2006

Erscheinungsweise: crescendo erscheint mit sechs Ausgaben pro Jahr und zusätzlichen crescendo-themenspecials. crescendo ist bei Opern- und Konzerthäusern, im Kartenvorkauf und im Hifiund Tonträgerhandel erhältlich.

Copyright für alle Beiträge bei Port Media GmbH. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers, nicht unbedingt die der Redaktion wieder.

Nachdruck und Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos wird keine Gewähr übernommen.

Angabe d. Beteiligungsverhältnisse: Gesellschafter der Port Media GmbH: 100 % Winfried Hanuschik (Werbekaufmann), München

Beilage Diese Ausgabe enthält eine Beilage der Firma Bechstein.

Abonnement-Preis: crescendo premium inklusive sechs premium-CDs: Inland: EUR 34,- pro Jahr inkl. 7% MwSt. Bei Zahlung per Rechnung fallen zusätzlich EUR 5,- Bearbeitungsgebühr an.

Europäisches Ausland: zzgl. EUR 10,- Bank-/ Portospesen Kündigung: vier Wochen zum Ende des Kalenderjahres Verbreitete Auflage: 103.841 (laut IVW-Meldung II/06) ISSN: 1436-5529 geprüfte Auflage

Aktuelle Neuerscheinungen auf Deutsche Grammophon W. A. Mozart: Violinsonaten (Gesamtaufnahme) Anne-Sophie Mutter, Violine Lambert Orkis, Klavier DG 477 6318 (4CDs)

Zum Abschluss des großen Mozart Projekts von Anne Sophie Mutter – Mozarts Violinsonaten komplett. „Furiose Deutlichkeit und Pointierung… berührende Ruhe des Gesangs.“ Süddeutsche Zeitung

W. A. Mozart: Klavierkonzerte

W. A. Mozart: Arias

Hilary Hahn spielt Paganini und Spohr

Lang erwartet, püntklich zum Mozart-Jahr: das erste gemeinsame Album von Magdalena Kozˇená und Sir Simon Rattle.

Golijov: Ainadamar – Brunnen der Tränen

Klavierkonzert Nr. 17 G-dur KV 453 und Nr. 21 C-dur KV 467 Wiener Philharmoniker Maurizio Pollini, Klavier und Leitung DG 477 5795

Paganini: Violinkonzert Nr. 1 Spohr: Violinkonzert Nr. 8 Hilary Hahn, Violine Schwedisches Radio Symphonie Orchester Dirigent: Eiji Oue DG 477 6232

Magdalena Kozˇená, Mezzosopran Orchestra of the Age of Enlightenment Dirigent: Sir Simon Rattle Archiv Produktion 477 6272

Hilary Hahn, „diese Königin apollinischer Klarheit und bezwingender Konzentration“ *, zeigt erneut ihr Talent für ungewöhnliche und überzeugende Programme, indem sie Violinkonzerte von Paganini und Spohr gegenüberstellt. * Süddeutsche Zeitung

Schostakowitsch: Lieder und Walzer für Orchester

Dawn Upshaw / Kelley O’Connor / Jessica Rivera / Jesus Montoya · Atlanta Symphony Orchester Dirigent: Robert Spano DG 477 6165

Sergei Leiferkus, Bariton Russisches Philharmonisches Orchester Dirigent: Thomas Sanderling DG 477 6111

Ab 22.09.06!

Dies ist das erste Mal, dass Maestro Pollini selbst dirigiert!

Respekt, beidseitiges Verständnis und Zuneigung prägen die Zusammenarbeit mit den Wiener Philharmonikern. Das Ergebnis: ein außergewöhnlicher Mozart!

Golijovs faszinierendes Opern-Debüt mit Dawn Upshaw in der Titelrolle. Für die Briten ist er »Amerikas sensationellster Komponist« (Daily Telegraph). Die New York Times feiert ihn als »Befreier der populären Musik«

Zum Schostakowitsch Jubiläum: exklusive Orchestrierungen und Weltersteinspielungen von Thomas Sanderling und dem berühmten russischen Bariton Sergei Leiferkus.

Albrecht Mayer – New Seasons Händel für Oboe und Orchester · Albrecht Mayer, Oboe · Sinfonia Varsovia · DG 476 5681

Albrecht Mayer spielt Händel: vier neue Konzerte, zusammengestellt aus Arien von Händels Opern und Oratorien, erstmals arrangiert für Oboe und Orchester. Nikolaus Harnoncourt über dieses Album: „Man staunt, was in den Opern für konzertantes Material schlummert. Diese ‚Konzerte’ werden von den Oboisten und der Hörerwelt begierig verschlungen und sie verdienen es.“

Aktuelle Konzerttermine: 26.09. Nürnberg; 27.09. Berlin, Passionskirche; 28.09. München Tickets erhältlich unter: www.albrechtmayer.com

Hören Sie rein auf www.klassikakzente.de!

Wöchentlich top-aktuell: Klassik-News, CD-Neuerscheinungen, Konzert- und TV-Daten und vieles mehr

Great Recordings of the Century Ein spektakulärer Schatz an bedeutenden Aufnahmen: Great Recordings of the Century mit Referenz-Einspielungen aus dem 20. Jahrhundert.

Albéniz: Iberia / Granados: Goyescas · de Larrocha · 2 CDs 3 61514 2 Beethoven: Klavierkonzerte / Chorfantasie · Barenboim · Klemperer · 3 CDs 3 61525 2 Chopin: Préludes / Impromptus / Barcarolle u.a. · Cortot · CD 3 61541 2 Kern: Showboat · von Stade · Stratas · Hadley · McGlinn u.a. · 3 CDs 3 61543 2 Khatchaturian: Violinkonzert u.a. · Oistrach · CD 3 61570 2 Mahler: Sinfonien Nr.4 & 8 · Popp · Connell · Tennstedt u.a. · 2 CDs 3 61572 2 Schubert: Streichquartette Nr.14 & 15 · Busch Quartett · CD 3 61588 2 Sibelius / Tschaikowsky / Glasunow: Violinkonzerte · Heifetz · CD 3 61590 2 Szymanowski: Stabat Mater / Sinfonie Nr.3 u.a. · Smytka · Rattle u.a. · CD 3 61592 2 Wagner / Brahms: Wesendonck-Lieder / Altrhapsodie u.a. · Ludwig · Klemperer · CD 361594 2 Lady Macbeth · 2 CDs & Bonus-DVD 3 71234 2 Schostakowitschs Oper Lady Macbeth von Mzensk ist eines der berühmtesten Werke des 20. Jahrhunderts.

Diese Einspielung entstand im Jahre 1978 unter der Leitung von Mstislaw Rostropowitsch. Jetzt kommt diese Interpretation, mit Rostropowitschs Ehefrau Galina Wischnewskaja in der Titelrolle, neu heraus - als besonderes Juwel zum Schostakowitsch-Jahr 2006.

Die Doppel-CD enthält außerdem ein exklusives Video-Interview mit Rostropowitsch.

CDs im Handel erhältlich oder unter www.emiclassics.de