B47837 Jahrgang 13 – 01/2010
Februar / März 2010 www.crescendo.de
Schwerpunkt
DOPPELBEGABUNG mit Measha Brueggergosman dem Dirigenten Friedrich Haider dem Phänomen Adoro und der letzten Diva Montserrat Caballé
Heidelberger Frühling 2010 u.a. mit Measha Brueggergosman, Hélène Grimaud, Thomas Hampson, Sol Gabetta, Ragna Schirmer
Alfred Brendel Hausbesuch bei einem Pianisten, der sich nun ganz der Literatur widmet
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Die Entdeckung des Jahres
Die Uberraschung des Jahres
THE ART OF CHOPIN
ARGERICH SPIELT CHOPIN
FRIEDRICH GULDA: CHOPIN
ARGERICH. LANG LANG. POLLINI U.V. A. DG 2 CD 480 3405
DIE RUNDFUNKAUFNAHMEN DG CD 477 7557
ERHÄLTLICH AB 19.2. 2010 DG 2 CD 477 8724
:
Die Hommage zum 200. Geburtstag
INFORMATIONEN ZUM 200-JÄHRIGEN CHOPIN-JUBILÄUM UNTER WWW.CHOPIN-200.DE
www.crescendo.de 01 2010 | 3 inhalt
EDITORIAL
04
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Warum die Kultur Verlierer einer Bankenkrise ist.
AUTOREN
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06
Hinter den Kulissen von crescendo.
NEWS
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08
Der Brief eines verärgerten Intendanten, Schlingensief macht ernst und Berlin lädt wieder zur Langen Nacht der Opern und Theater.
MEASHA BRUEGGERGOSMAN | 10 FRIEDRICH HAIDER
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14
Ein Portrait des österreichischen Dirigenten.
TITEL: ALFRED BRENDEL ADORO
20
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KOLUMNE MEASHA BRUEGGERGOSMAN
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10
Die Sängerin plaudert über ihre Solokarriere und schwärmt von der Moderatorentätigkeit.
16
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22
Pascal Morché über die Kunst, seine Begabungen richtig einzuschätzen.
REZENSIONEN
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24
Die neuen CDs und DVDs des Frühjahrs 2010.
CHOPIN
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36
Autorin Eva Gesine Baur über das sensible Wesen des Komponisten.
SEMPEROPER | 31 Die Dresdner überraschen mit einer neuen Edition und zeigen unveröffentlichte Bilder.
MONTSERRAT CABALLÉ
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32
Interview mit der spanischen Gesangslegende.
CHOPIN
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36
CRESCENDO-KIDS BRENDEL
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16
Der österreichische Pianist empfing crescendo exklusiv in seinem Privat-Anwesen in London.
ESSAY
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39
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40
Roland Berger über die Wichtigkeit des Kultursponsorings, vor allem in der Krise.
PLUS REGIONAL ADORO
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Frage des Monats: Wie verreist ein Orchester?
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42
Das Kurt Weill Fest wagt einen mutigen Schritt.
20
Fünf Beaus sorgen mit Schmusedeckenmusik für volle Konzerthallen.
PLUS REGIONAL
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44
Der Heidelberger Frühling macht sich auf die Suche nach der musikalischen Identität Europas.
TERMINE UND VERANSTALTUNGEN Exklusiv für Abonnenten: Hören Sie die Musik zu unseren Texten auf der crescendo premium-CD. Infos auf Seite 38.
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LIETO FINE / IMPRESSUM
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Fotos Titel: Benjamin Ealovega; Heidelberger Frühling: Richard Lehun; Kurt Weill Fest Dessau Cylla von Tiedemann; Benjamin Ealovega, Ben Wolf
editorial 4 | www.crescendo.de 01 2010
Betreff: Wir sind Kultur ! Frage: Wenn es eine Zentralbank, also eine Rettungsstelle für (schlecht und unverantwortlich wirtschaftende) Winfried Hanuschik, Herausgeber Banken gibt, gibt es dann auch eine für unsere Theater, Opernhäuser und Sinfonieorchester? Die Banken, so viel wissen wir heute, erholten sich erstaunlich schnell. Die aktuellen Bilanzen, vor allem die Bilanzen der sogenannten „Investmentbanken“, haben für mich eine komplett aberwitzige Dimension angenommen. Die US-Bank Goldman-Sachs gab dieser Tage für das Jahr 2009 einen Gewinn von 13,39 Milliarden Dollar (in Worten: dreizehn Milliarden) bekannt. Die Deutsche Bank rechnet mit einem Gewinn von über zehn Milliarden Euro! Die britische Bank Barclays verkündete im November 2009, ihr Gewinn im dritten Quartal 2009 habe sich im Vergleich zum Vorjahr auf 4,4 Millionen Pfund verdoppelt! Frage: Was produziert eine Bank? Ich würde mir an dieser Stelle wünschen, Christoph Schlingensief hätte die Kraft, nach dem Bau seines Opernhauses in Afrika (siehe ebenfalls Seite 8), eine Inszenierung dieses kapitalistischen Wahnsinns zu kreieren. Es wäre ein Fest und wir brauchen dringend Leute, die – wie Schlingensief – etwas bewegen, die sich nicht der „Gier“ (Dank an Dieter Wedel) des Geldes und Wohlstands ausliefern, sondern mit erfolgreichen Projekten die Kultur aus der Nische der „Verschwendung von öffentlichen Mitteln“ herausholen. Es war eine Wohltat, zu lesen, dass die Aufführung von George Bizets „Carmen“ in der New Yorker Metropolitan Opera weltweit von über 240.000 Menschen, so vielen wie noch nie zuvor, verfolgt wurde (diese Aufführung wurde weltweilt live in große Kinos übertragen, in Deutschland waren es fünf). Es ist ein Zeichen, dass – wenn die Rahmenbedingungen und Fördergelder stimmen – das Interesse der Gesellschaft vorhanden ist. Ein Lob an dieser Stelle an die Veranstalter, die ein solches Kulturgut in die Gesellschaft tragen und für Aufmerksamkeit sorgen, die wir in diesen Tagen dringend benötigen! Denn Kultur ist für das Funktionieren unseres Zusammenlebens essentiell. Die Primatenforscherin Barbara Fruth ließ sich einmal mit dem Satz zitieren: „Die kulturelle Evolution hat für uns heutzutage eine so große Bedeutung, dass sie die biologische Evolution ziemlich in den Schatten stellt.“ Anders ausgedrückt: Der Mensch ist die einzige Spezies auf diesem Planeten, die Dank ihrer „Kultur“ in der Lage ist, gemeinsam friedlich in einem Flugzeug zu �iegen. In einem Flugzeug voller Affen gäbe es schon vor dem Start Mord und Totschlag - sogar ganz ohne Investmentbanken.
Foto: Paul Schmitt
Liebe Leser, zum Beginn des Jahres hätte ich mir von einer großen Zeitung eine schöne Titelzeile gewünscht. In Großbuchstaben hätte ich gerne gelesen: „WIR SIND KULTUR!“ Zumindest im Ruhrgebiet, das seit dem 1. Januar das anspruchsvolle Siegel „Europäische Kulturhauptstadt 2010“ tragen darf. Stattdessen stand da: Die Londoner Tate Gallery, eine der angesehensten kulturellen Institutionen Großbritanniens habe sich im vergangenen Jahr kräftig verspekuliert. Peng. Ich hatte immer gedacht, die Tate sei ein Museum, eine gemeinnützige Stiftung, deren Aufgabe darin besteht, die Kunst des 21. Jahrhunderts zu unterstützen (und zu zeigen)! Aber das Museum hatte 23 Prozent seines Kapitals in hoch spekulative Fonds investiert und dabei über eine Million Pfund in den Sand gesetzt. Und der Tate-Treuhänder Lord Myners, immerhin der für London zuständige Minister für Finanzen, ließ das auch noch zu! Frage: Was bitte hat die Tate Gallery am Finanzmarkt verloren? Oder: Was haben Fehlspekulationen in London mit Kultur zu tun? Der Zusammenhang ist so grotesk wie traurig: Viele Kommunen hierzulande waren bereits vor der Krise knapp bei Kasse, sollen aber jetzt das von der Bundesregierung verordnete „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“ real bezahlen – und müssen daher DRASTISCH sparen. Die ersten Opfer kommen aus der Kultur: Die Ausstellung „Stradivari – Mythos und Musik“ im Köllner Wallraf-Museum entfällt wegen Finanz- und Wirtschaftskrise. Schade, denn wir hatten sogar vor, über diese Veranstaltung in der aktuellen Ausgabe zu berichten. Dann erreichte uns Post aus Essen, immerhin Hauptkommune der besagten Europäischen Kulturregion Ruhr: Stefan Soltesz, Intendant und Generalmusikdirektor des Aalto-Theaters, wandte sich in einem offenen Brief an seine Dienstherren aus der Politik: Er bemängelt, dass ausgerechnet die Kultur zu einem Hauptverantwortlichen für die �nanzielle Malaise der Kommunen gestempelt wird – obwohl sie gerade mal 0,8% aller öffentlichen Haushalte ausmacht. Der gebürtige Ungar betont: Strukturen, die jetzt kaputt gespart werden, sind für mindestens drei Generationen tot. Ich muss ihm da in allen Punkten Recht geben. Seinen offenen Brief drucken wir auch deshalb in Auszügen auf unserer News-Seite (Seite 8). Olaf Zimmermann vom Deutschen Kulturrat prognostizierte in der ZDF-Sendung „Aspekte“ kürzlich zahlreichen Institutionen das Aus im zweiten Halbjahr 2010. Das Theater Wuppertal sei baufällig und kann nicht mehr benutzt werden. Mittel für die Sanierung würden fehlen. Die Schauspieler treten jetzt im Foyer auf und fordern das Publikum offen zum „Kulturkampf“. Ich kann nur hoffen, dass dieser Kampf, der in Kulturkreisen meist sehr anständig – also kultiviert – geführt wird, weit oben ankommt. Dort oben zum Beispiel, wo an einem Tag (es war im Juni des Jahres 2008) 442 Milliarden Euro zur Rettung der Banken „ausgeschüttet“ wurden. Das Geld kam damals von der Europäischen Zentralbank. Den Banken ging es schlecht, Geld sollte die Krise retten – also die Wirtschaft ankurbeln, Arbeitsplätze erhalten, den Konsum anregen, schlicht: die Dinge wieder auf Kurs bringen.
Herzlichst, Ihr
tournee 2010
Orchester: Klassik Radio Pops Orchestra | Dirigent: Nic Raine Moderation: Holger Wemhoff
autoren 6 | www.crescendo.de 01 2010
Hinter der Bühne Unsere Autoren tauchten für diese Ausgabe wieder in die Tiefen der Klassik-Welt. Was sie erlebten (und wer sie überhaupt sind), voilà:
CHRISTA HASSELHORST Normalerweise wollen Interviewpartner aus dem Bereich der klassischen Musik eher in Opernhäusern oder dezenten Cafés befragt werden. Unsere Autorin Christa Hasselhorst, die auch für die deutsche VOGUE und die Welt am Sonntag schreibt, traf für diese Ausgabe die Sängerin Measha Brueggergosman und wurde erstmals ins Berliner Szene-Kaffee Sarotti bestellt. Brueggergosman, so stellte sich schnell heraus, fühlte sich dort sichtlich wohler (als in oft steril wirkenden Opernkantinen) und Hasselhorst lieferte uns ein fröhliches Interview – zu lesen ab Seite Seite 10.
THOMAS VOIGT Als wir von Montserrat Caballé relativ kurzfristig die Zusage für ein ausführliches Interview bekamen, riefen wir sofort „Stimmenexperte“ Thomas Voigt (49) an, um ihn das Gespräch führen zu lassen. Der Germanist gilt als absoluter Kenner der großen Gesangsstars und verfasste bereits Bücher über Inge Borkh und Martha Mödl. Voigt lebt in Köln. Sein Caballé-Interview steht auf Seite 32.
KAI SCHÄCHTELE Autor Kai Schächtele, 35, hat in seinem Leben schon über viele Kuriositäten berichtet. Wir überraschten ihn dennoch mit der Aufgabe, für eine Reportage ein Konzert über die fünf Tenöre mit Namen „Adoro“ zu besuchen. Der WahlBerliner spazierte hin und erlebte eines der größten Musikphänomene der letzten Jahre. Seine persönlichen Eindrücke lesen Sie auf Seite 20.
Der Dresdner Musikwissenschaftler mit Lehraufträgen an den Universitäten Bremen und Halle gehört zu unseren festen Korrespondenten im Osten. Als uns die Meldung erreichte, die Dresdner Semperoper habe erstmals Bilder ausbelichtet, die seit sechs Jahrzehnten nur als Kontaktabzüge archiviert waren, baten wir Morgenstern, dem Ganzen auf den Grund zu gehen. Sein Text: Seite 31.
Fotos: Drobeck; Karsten Eckold;
MARTIN MORGENSTERN
Konzerte
Lesungen, Schauspiel und Gespräche
Kibbutz Contemporary Dance Company, Quasar Companhia de Dança, Diavolo Dance Theatre, Ailey II, Sadler´s Wells, Hofesh Shechter Company, Nederlands Dans Theater I und II
Dianne Reeves, China Moses, Yaron Herman Trio, Sting, Caroline Henderson, Biréli Lagrène, Ensemble Sarband, Vocal Sampling, Viviane Chassot, Amar Quartett, Helena Winkelman, Daniel Beilschmidt, Ramón Ortega Quero, Quartetto di Cremona, Tobias Koch, Anastasia Khitruk, Julien Quentin, Stimmwerck
Manfred Zapatka, Jan Josef Liefers, Hannelore Hoger, Friedrich Schorlemmer, Nikolaus Rexroth, Sophie Rois, Gerd Wameling, Udo Samel, Nicole Heesters, Willem Menne, Hanns Zischler, Rupert Neudeck, Iris Berben, Thomas Thieme, Thomas de Maizière, Stephan Hilsberg, Klaus Maria Brandauer, Daniel Hope, Burghart Klaußner u. a.
Karten und aktuelle Informationen unter 0800 288 678 238 oder www.movimentos.de, www.ticket-online.de und an allen bekannten Vorverkaufsstellen
Menschen, Autos und was sie bewegt
Foto: Thomas Ammerpohl, Companhia de Dança Deborah Colker (Ana Paula Marques) Stand: 14. Januar 2010 Änderungen vorbehalten
Tanz
news 8 | www.crescendo.de 01 2010
Fatale Gleichstimmung
Foto: Terry Linke
Stefan Soltesz, Indendant des Essener AaltoTheaters, verfasste einen offenen Brief an seine kommunalen Politiker und beschwert sich über deren Haltung zur Kulturfinanzierung. Wir drucken den Brief aus aktuellem Anlass in Auszügen. Sehr geehrte Herren, die dramatische Schie�age der kommunalen Haushalte stellt Sie in Ihren Ämtern vor fast unlösbare Aufgaben. Es ist Ihr gutes Recht (...), die Öffentlichkeit über die Medien auf unabdingbare Einschnitte in öffentlichen Leistungen hinzuweisen. In fataler Gleichstimmung nennen Sie beim Thema Haushaltskonsolidierung stets an vorderster Stelle und in besonderer Ausführlichkeit die Aufwendungen für Kultur. Sie, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister (Reinhard Paß), bringen eine spezielle Kulturtaxe ins Spiel; Sie, sehr geehrter Herr Regierungspräsident (Jürgen Büssow), empfehlen Schließungen und Fusionen von Theatern; Sie, sehr geehrter Herr Beigeordneter (Lars Martin) Klieve, vergleichen künstlerische Betriebe mit kommerziellen Unterhaltungsstätten. (...) Die Kultur wird zum Sündenbock gemacht. Der Öffentlichkeit suggerieren Sie beständig einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Kulturförderung und Haushaltskrise und erwecken den Eindruck, das eine sei die Ursache des anderen. Ich kann nur hoffen, dass dies nicht aus Absicht geschieht. Tatsache ist: Die Kultur wird so zu einem Hauptverantwortlichen für die �nanzielle Malaise der Kommunen gestempelt. (...) Die Staatsausgaben für Kultur in Deutschland betragen über alle öffentlichen Haushalte hinweg 0,8 Prozent der Etats. Ich appelliere daher dringend an Sie, das Thema Kultur weit hintanzustellen, wenn Sie über Haushaltssanierung diskutieren. (...) Gerade im Jahr der Kulturhauptstadt RUHR.2010 kann es mir und meinen Mitarbeitern nicht gleichgültig sein, unterschwellig als Verschwender der raren öffentlichen Gelder gebrandmarkt zu werden. (...) Wir erwarten Fairness in der Diskussion über die Sanierung kommunaler Haushalte. Die ständige Thematisierung der Kultur im Zusammenhang mit der Finanznot der Städte empfinde ich als unrichtig, beinahe demagogisch. // Stefan Soltesz, Indendant und Generalmusikdirektor der Essener Philharmoniker
Oper in Afrika Christoph Schlingensief beginnt mit dem Bau des Operndorfes in Burkina Faso – und offeriert kuriose Anteils-Scheine. Es ist viel geschrieben worden, über das Anfangs absurd klingende Projekt des Künstlers Christoph Schlingensief, in Afrika ein Operhaus zu bauen. Fakt ist: Es geht los. Schlingensief und sein Architekt starten im Februar 2010 mit der Grundsteinlegung. Das „Operndorf“ in der Stadt Ouagadougou Einer von vielen Entwürfen für das Operndorf in wird eine Schule, eine meBurkina Faso von Architekt Francis Kéré. dizinische Station, Herberge und Gästehaus für Künstler und Besucher, kleine Kinos und auch einen Sportplatz beinhalten. Derzeit publiziert Schlingensief eine von der Hamburger Agentur Jung von Matt gestaltete Anzeige, auf der er seine (nicht ganz ernst gemeinte) Offenheit gegenüber Spendern kommuniziert: Er sei dankbar für jede Spende, „wirklich dankbar ab 10.000 Euro.“ //
Oper in Berlin! Die Hauptstadt lädt zum zweiten Mal zur Langen Nacht der Oper. Termin zum Vormerken: 10. April Szene aus „Nightmare before Klaus Wowereit wird ganz Valentine“ in der Brotfabrik. persönlich die zweite Lange Nacht der Opern und Theater in Berlin einleuten. Das Programm lohnt eine Reise in die Hauptstadt: Fünfzig Bühnen machen bei der Aktion mit, die im vergangenen Jahr Premiere hatte und zu einer festen Institution in Berlin werden soll. Zwischen 19.00 Uhr und 1:00 Uhr nachts zeigen die Theaterund Opernhäuser im Ein-Stunden-Takt verschiedene Aufführungen in entspannter Atmosphäre. Die Komische Oper wird zuerst „La Traviata“ live aus dem Saal auf Großbildleinwand nach draußen übertragen, später Cole Porters „Kiss me, Kate“. Unser Tipp: Gehen Sie ins Russische Theater. Dort wollen sechs „Star“-Solisten aus dem Moskauer Bolschoj-Theater und dem Mariinski-Theater St. Petersburg ihr Können zeigen. //
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SERIE: DIE W I C H T I G ST E N F R AG E N ZUR K L AS S I K ( T E I L V )
Foto: Brotfabrik nightmare before valentine
Foto: Büro Kéré
Was unterscheidet E- von U-Musik?? Kaum eine Frage in der Musik wird so emotional diskutiert wie die, was Ernste Musik und Unterhaltungsmusik voneinander unterscheide. Der Grund: Es fällt den Anhängern der verschiedenen Lager leicht, die Musik der anderen mit abwertenden Begriffen zu versehen. Doch wird oft vergessen, dass die Bezeichnungen E und U erst den Kategorien eines bürgerlichen Musikverständnisses erwachsen sind. So ist zum Beispiel das Adjektiv „ernst“ zur Bezeichnung von Musik als Kunstmusik erst im späten 19. Jahrhundert etabliert worden. Ein Blick auf die Programme der „Großen Konzerte“ des frühen 19. Jahrhunderts zeigt, dass es im Gegensatz zu heute damals durchaus üblich war, dem bunten Wechsel von Symphoniesatz, Klavierimprovisation und Opernarie entweder gefesselt zuzuhören oder aber währenddessen in angeregte Konversation abzuschweifen. Das Publikum war so gemischt wie das Programm selbst, und erst mit dem Aufkommen des Bildungsbürgertums wurde das „ernsthafte Zuhören“ zur Verhaltens- und Aufführungsnorm, denn die Musik sollte nunmehr um ihrer selbst willen erklingen. Die Kategorisierung der Musik nach E und U wurde dann zu Beginn des 20. Jahrhunderts, maßgeblich durch das Entstehen einer am Massengeschmack orientierten Musikindustrie und einer Professionalisierung der Rechte von Komponistinnen und Komponisten durch die GEMA (Gesellschaft für musikalische Aufführungsrechte), in der die Kategorien „E“ und „U“ formaljuristisch etabliert sind, weiter verstärkt. Obwohl also historisch die Spaltung zwischen „ernster“ und „unterhaltender“ Musik relativ jung ist, wurde auch schon im 17. oder 18. Jahrhundert zwischen „hoher“ und „niedriger“ Musik unterschieden. Die Trennung fiel als Ausdruck der gesellschaftlichen Hierarchien eher noch extremer aus, wenn zum Beispiel die Ballettmusik eines Jean-Baptiste Lully ausschließlich dem Adel am Hofe König Ludwigs XIV. vorbehalten war und Angehörige eines niedrigeren Standes von dieser Musik schlichtweg ausgeschlossen wurden. Dagegen scheint unser heutiges modernes Musikverständnis offen und demokratisch. Mit der Technologisierung von Musik steht allen der freie Zugang zu jeder Art von Musik offen. Mit den Weiterentwicklungen im Bereich von Datenspeicherung und Tonaufzeichnung ist Musik heute in großer Bandbreite und Zahl verfügbar. Zugleich ist die Formel „ernste Musik“ ein Werbeslogan der modernen kommerziellen Musikwirtschaft, wie sie sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts vollends durchsetzte. Mit ihr sollte die klassische Musik an eine bestimmte Zielgruppe gebunden und effizient vermarktet werden: Wer „ernste Musik“ kauft und hört, gehört symbolisch „dazu“, wie der Soziologe Pierre Bourdieu feststellte. Und obwohl die Musikwissenschaft heute versucht, diese Betrachtungsweise von Musik aufzuheben, zeigen Untersuchungen der Musiksoziologie, dass die alten Worthülsen „ernst“ und „unterhaltend“ sich hartnäckiger in der Gesellschaft halten, als wir annehmen wollen. // Abdruck aus: Annette Kreutziger-Herr, Winfried Bönig „Die 101 wichtigsten Fragen: Klassische Musik“ Verlag
MOZART RT UND ITALIEN Augsburger Mozartfest 7. – 16. Mai 2010 Fr. 07. Mai 2010 / 20 Uhr / Goldener Saal im Rathaus
Do. 13. Mai 2010 / 21 Uhr / Kreuzgang des Diözesanmuseums St. Afra
Münchner Rundfunkorchester Simone Kermes Sopran Fernando Portari Tenor Marco Armiliato Dirigent
Konzert bei Kerzenschein Jane Berger Barockvioline Monika Schwamberger Barockcello Roland Götz Cembalo
Sa. 08. Mai 2010 / 18 Uhr / Dom Mariä Heimsuchung
Fr. 14. Mai 2010 / 20 Uhr / Festsaal im Schaezlerpalais
Cantate Domino Augsburger Domsingknaben Reinhard Kammler Dirigent
Quartetto di Cremona
Sa. 08. Mai 2010 / 20 Uhr / Kleiner Goldener Saal
Bayerische Kammerphilharmonie Mirijam Contzen Violine Reinhard Goebel Dirigent
Accademia per Musica Christoph Timpe Dirigent und Violine So. 09. Mai 2010 / 19 Uhr / Ev. Hl.-Kreuz
Accademia dell’ Orchestra Mozart Augsburger Domsingknaben Christiane Karg Sopran u.a. Boris Schäfer Dirigent Mo. 10. Mai 2010 / Di. 11. Mai 2010 / 20 Uhr / Konzert- und Kongresshalle
Philharmonisches Orchester Augsburg Trompete: N.N. Kevin John Edusei Dirigent
Sa. 15. Mai 2010 / 20 Uhr / Kleiner Goldener Saal
So. 16. Mai 2010 / 19 Uhr / Theater Augsburg / Großes Haus
„I hate Mozart“ Musiktheater in zwei Aufzügen von Bernhard Lang Deutsche Erstaufführung Kevin John Edusei Dirigent Mittagskonzerte, Führungen, Vorträge
www.mozartstadt.de Tickets ab 22. Februar 2010: Theater Augsburg Tel: 0821/324-4900, theater@augsburg.de
C. H. Beck, 160 Seiten, 9,95 Euro.
MIT UNTERSTÜTZUNG DES KULTURPROGRAMMS DER EUROPÄISCHEN UNION 2007 – 2013
doppelbegabung 10 | www.crescendo.de 01 2010
Zarte Versuchung
Die Kanadierin Measha Brueggergosman überrascht nicht nur mit einer neuen sanften CD, sondern auch als Moderatorin der ARTE Lounge. V O N C H R I S TA H A S S E L H O R S T
crescendo: Sie bevorzugen immer noch das Lied und den Auftritt als
Solistin. Dulden Sie keine anderen Menschen neben sich? Brueggergosman: Das Piano und ich – da weiß ich, dass ich den Abend bestimme! Man hat eine große Verantwortung als Solistin, aber wenn es funktioniert – also, es gibt nichts Besseres! crescendo: Und die Oper? Bislang hatten Sie nur in Ihrer Heimat Kanada, in Toronto, einen Auftritt als Elettra in Mozarts „Idomeneo“. Warum machen Sie einen Bogen um die Oper? Weil Sie da nicht, wie bei Ihren Recitals, barfuss auftreten können? Brueggergosman: Sie werden es nicht glauben, aber ausgerechnet in diesem „Idomeneo“ gehörte es zum Regie-Konzept, dass ALLE barfuß auftreten mussten! Aber das war nicht der Grund, warum ich zugesagt habe. Ich habe sogar schon einmal in Deutschland in einer Oper gesungen. Dazu sage ich aber mal nichts (sie rollt vielsagend mit ihren großen braunen Augen und grinst) ... crescendo: … das berüchtigte ‘german regie theater’? Brueggergosman: Keine Details! Wissen Sie, wenn man Pech hat, ist man drei, vier Wochen gefangen in einer schrecklichen Produktion! Aber jetzt habe ich doch etliche Zusagen gemacht. Das ist vor allem Gérard Mortier zu verdanken. Ich l i e b e ihn! Er hat mich dazu gebracht, dass ich in diesem Jahr in Madrid die Jenny in Kurt Weills „Mahagonny“ singen werde. Ich mag Weill sehr, seine Musik ist so unglaublich beschwörend und gleichzeitig sehr cool! Und in 11/1 werde ich in Texas am Opernhaus Houston in Verdis „Don Carlos“ und in „Dead Man Walking“ von Jake Heggie singen. Und die Vitellia in Mozarts „La Clemenza di Tito“ in meiner Heimat Kanada. crescendo: Sie sagen Heimat. Ist Kanada Ihr Zuhause? Brueggergosman: Meine Heimat ist Toronto! Aber meine Familie lebt 1 Autostunden entfernt, in der Provinz New Brunswick. In einem kleinen Städtchen, alles dort ist sehr konservativ, sehr religiös, auch meine Familie. Ich telefoniere zweimal täglich mit
Solistin Measha Brueggergosman während der Aufnahme ihres neuen Albums am Flügel: „Die Poesie der Texte hat mich diesmal fast mehr interessiert als die Musik.“
Foto: Richard Lehun
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Foto: Antje Dittmann
crescendo: Vielleicht sprechen wir doch lieber wieder über Musik.
Brueggergosman live Measha Brueggergosman wurde im kanadischen New Brunswick geboren. Ihre Gesangsausbildung hat sie in Toronto und Wien absolviert. Sie gewann den Robert-Schumann-Wettbewerb in Zwickau sowie den ARD-Wettbewerb in München. Seit Herbst 2009 macht sich die frankokanadische Künstlerin auch als Moderatorin der ARTE Lounge (einmal im Monat, gegen 23.30 Uhr) einen Namen. Auf dem Bild sieht man Measha zusammen mit Violinistin Sarah Chang.
meiner Mutter (auch während des Interviews geht kurz Meashas Mobiltelefon und ihre Mutter ruft an). Sie will immer wissen, um was sie jetzt für mich beten muss! crescendo: Vielleicht, dass Sie so berühmt werden wie Ihre Kollegin Jessye Norman, zu deren Nachfolgerin Sie schon mancher Kritiker gekürt hat? Nervt Sie dieser Vergleich? Brueggergosman: Ehrlich gesagt: Ich nehme ihn an! Aber es ist nicht der gleiche Markt, auf dem ich mich bewege und ich möchte nicht wie sie sein, sie kopieren oder ähnliches. Ihre Technik ist so stark und sie ist so wandelbar, beweglich und vielseitig. crescendo: Sie scheinen aber auch noch weitere Talente zu besitzen. Wie kam es zum Engagement als Moderatorin der ARTE Lounge? Brueggergosman: Nach dem Erfolg der „Yellow Lounge“ in Deutschland, haben mich meine Freunde von Universal in Berlin mit ARTE zusammengebracht, da sie der Meinung waren, diese Show sei irgendwie auf mich zugeschnitten. Die Tatsache, dass ich englisch, deutsch und französisch spreche, war für die Produzenten – glaube ich – ein gutes Argument. crescendo: Und? Macht es nun Spaß? Brueggergosman: Oh, es macht verdammt viel Spaß! Ich treffe so viele interessante Menschen durch diese Sendung und ich hoffe, dass ich in Zukunft diese Kontake weiter nutzen kann. Es ist harte Arbeit, aber es macht Spaß. crescendo: Bleibt Ihnen noch Zeit für andere Dinge? Was machen Sie, wenn Sie nicht singen oder proben? Brueggergosman: Ich gehe wahnsinnig gerne tanzen! Übrigens nicht barfuss wie auf der Bühne, sondern mit High-Heels! Gar nicht so einfach, ich habe nämlich, obwohl ich nur 1, Meter groß bin, riesige Füße! Schauen Sie mal: Größe ! (Sie steht auf und zeigt lachend auf ihre Füße in spitzen hohen Stiefeln).
Ich finde, die 1 Stücke auf Ihrer neuen CD „Night and Dreams“ sind wie Petit Fours, kleine süße Törtchen mit Tiefgang, eine opulente Verführung … Brueggergosman: Welch schöner Vergleich! Ja, jedes ist individuell, völlig unterschiedlich und jedes inspiriert und stimuliert anders. crescendo: Allen gemeinsam ist das Thema ‚Nacht’. Was fasziniert Sie so daran? Brueggergosman: Die Nacht, das ist doch Symbol für sehr viel Wunderbares: Rätsel, Geheimnis, Sinnlichkeit, Verführung, Schlaf, die Nacht steht für das Mysteriöse schlechthin! crescendo: Das Repertoire zu diesem Thema ist groß. Sie machen eine Tour d’horizon mit unterschiedlichsten Komponisten, durch drei Jahrhunderte in vier Sprachen. Was waren die Kriterien Ihrer Auswahl? Brueggergosman: Diesmal hat mich die Poesie der Texte fast mehr interessiert und berührt als die Musik. Deswegen waren Schuberts „An den Mond“ und von Strauss „Die Nacht“ und „Wiegenlied“ ein unbedingtes Muss! Und Mozarts „Abendempfindung“ schätze ich schon, seit ich 1 Jahre alt bin … crescendo: … ein eigentlich sehr melancholisches Stück … Brueggergosman: Ach, ich denke, es ist ein Liebeslied und zur Liebe gehört doch auch die Melancholie. crescendo: Also Musik für Liebespaare vorm Kamin? Brueggergosman: (lacht) Rotwein, Kaminfeuer, Lammfell – ja, doch, ein Liebespaar könnte da gut sitzen! Aber es ist nicht strikt für Paare, ebenso gut für Singles! Vielleicht solche mit ein wenig Liebeskummer? Ich glaube, jeder wird vom sublimen Feuer dieser Melodien instinktiv gefangen genommen. Sie verbreiten eine spezielle Aura, es ist wie eine hübsche gemütliche Decke, in die man sich einhüllt. Letztlich spiegeln diese Nachtstücke den ganzen verrückten Zirkel des Lebens, es geht um Sehnsucht, Liebe, Abschied, auch Tod. crescendo: … das passt aber nicht mehr vor den Kamin und wieso denkt man mit Jahren an den Tod? Brueggergosman: Aber der Tod ist ein Teil des Lebens! Wissen Sie, ich bin Zwilling, also sehr ambivalent. Ich hatte voriges Jahr eine schwere Operation und das hat mich sehr zum Nachdenken gebracht. Der Tod ist seitdem für mich ein willkommener Gast, ich bin religiös und habe keine Angst vor dem Tod – wie zum Beispiel Mozart! crescendo: Apropos Mozart: Sie singen seine „Abendandacht“ in deutscher Sprache mit perfekter Betonung und Artikulation! Hat Ihnen da Ihre Ausbildung in Deutschland bei der Liederspezialistin Edith Wiens geholfen? Brueggergosman: Ja, bestimmt! Die deutsche Sprache ist sehr genau und das gibt einem Sicherheit. Deutsch bedeutet Disziplin, die Freiheit hat man in der Struktur. Das Französische dagegen ist wie Parfüm, oder (sie überlegt kurz und lacht dann) eher wie eine Weinprobe. Es gibt keine Grenzen und man kann sich dabei auch verlieren. Also, ich brauche den ‚french spirit’, um deutsch singen zu können! // Measha Brueggergosmans neue CD „Night and Dreams“ erscheint im Februar 2010 bei Deutsche Grammophon.
Hรถhepunkte der Spielzeit 2008 / 2009 und 2009 / 2010 :
Sir Ben Kingsley
Cecilia Bartoli
Christoph Eschenbach
Daniel Harding
Lang Lang
Lorin Maazel
Mischa Maisky
Bobby McFerrin
Zubin Mehta
Anne-Sophie Mutter
Seiji Ozawa
Jukka-Pekka Saraste
Fazil Say
Christian Thielemann
Arcadi Volodos
F. P. Zimmermann
Mahler Chamber Orchestra
New York Philharmonic
Orchester der Bayreuther Festspiele
Philharmonia Orchestra London
Staatskapelle Dresden
Wiener Philharmoniker
doppelbegabung 14 | www.crescendo.de 01 2010
„Gefummle, große Gesten und Show sind abzulehnen“ Der österreichische Dirigent Friedrich Haider feilt nicht an seiner Publicity, sondern an seiner Arbeit inklusive eines Romans. Vielleicht wird er gerade deshalb berühmt.
VON TOBI AS H ABERL
Foto: Hasegawa
Knapp Jahre ist es her, da er, was er meint: „Ein junger saß Friedrich Haider mit WolfDirigent hat Respekt vor dem gang Sawallisch in der Lobby des Kollektiv, das vor einem sitzt, vielleicht hat er sogar Angst, Münchner Hotels Vier Jahreszeiaber das einzige, das ihn inteten. Sawallisch war seit 1 Geressieren darf, ist die Partitur.“ neralmusikdirektor der Bayerischen Inzwischen sei er so weit, jetzt Staatsoper, ein großer Dirigent, könne er das, nur in der Musik Haider war jung, unbekannt, hatte sein, und rückblickend könne an kleineren und mittleren Häuer die Anekdote so gelassen sern erfolgreich Opern und Konerzählen, weil er zehn Jahre zerte geleitet, aber die Münchner später sowohl die „Entführung“ Staatsoper schien weit weg, obwohl als auch die „Fledermaus“ in sie nur hundert Meter entfernt war. München geleitet habe. Beide Die beiden tranken, plauderten über Werke seien ganz natürlich ein Mendelssohn, sie verstanden und zweites Mal auf ihn zugekommochten sich. Und anscheinend men, quasi als Belohnung für hatte Haider einigen Eindruck auf früheren Verzicht, für Entsaden Maestro gemacht. Am nächsten gung in einer Zeit, in der von Tag erhielt er einen Anruf: Wenn den meisten selbst Chancen er wolle, könne er in der nächsten ergriffen werden, die eigentlich Spielzeit die „Entführung“ und die gar nicht da sind. „Fledermaus“ übernehmen. Ja, an Dirigent Haider: „Ich fühlte mich nicht reif dafür.“ Von Anfang an spricht Haider Staatsoper in München. Und ja, der schnell und viel. Man hört ihm gern zu, der weiche Klang des am besten gleich beides. Haider war geschockt, dann fühlte er sich Österreichischen umhüllt einen wie eine �auschige Decke. Immer geschmeichelt, dann dachte er nach. Am nächsten Tag rief er seinen wieder entschuldigt er sich, er sei angeschlagen, seine Sätze seien unAgenten an und sagte ab. „Es war die klügste Absage meines Lebens“ sauber und klapprig, dabei sind sie perfekt und klug formuliert. Ob sagt er heute. er was trinken möchte? „Nein danke“, sagt Haider – er will keinen Friedrich Haider, mittlerweile 48 Jahre alt, sitzt wieder im Vier Jahober�ächlichen Milchkaffee, er will Ideen loswerden, Meinungen einreszeiten. Er verbringt ein paar Tage in München, im Januar machte er holen, debattieren. Ein ernsthafter, aber amüsanter Mann, ein Unimit dem Rundfunkorchester den „Macbeth“. Heute ist er ein erfolgreiversalgelehrter, der schon als pubertierender Junge engen Kontakt cher Dirigent, an den besten Häusern tätig und vor allem äußerst gezu dem Maler Ernst Fuchs unterhielt. „Von ihm wurde ich zur Kunst schätzt von Kritikern und viel wichtiger: den Orchestermusikern. Ein hingeführt, aber auch zur Religion und Philosophie und Literatur.“ Kapellmeister der alten Schule, technisch und handwerklich perfekt, Die Hochachtung vor Ernst Fuchs mündete präzise, genau, bescheiden, kein Mann der schließlich in ein Buch: Friedrich Haider verShow, der über�üssigen Geste, die Laien „Zwischen einer genialen öffentlichte Fuchs Frühwerk (1945 bis 1960) für Leidenschaft halten. „Ich hätte damals sicher beide Werke problemlos über die Partitur und einer gelungenen Lesart als Co-Autor und Herausgeber. Vielleicht könnte man Haider heute als Bühne gebracht“ sagt er, „aber ich fühlte besteht eine riesige Kluft.“ musikbesessenen hochemotionalen Intellekmich nicht reif dafür.“ Und dann erklärt
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tuellen bezeichnen – gerade auf dem Weg zum Hotel habe er noch den Hexenchor aus dem „Macbeth“ gesungen – und vielleicht ist das auch der Grund, warum ihn viel zu wenige Menschen kennen: Wenn Friedrich Haider im Orchestergraben steht, tut er das im Dienst der Komponisten, nicht für ein Image oder einen Kritiker. „Der Nachschöpfer, also der Dirigent, kann es nie mit dem Genie aufnehmen“, sagt er, „zwischen einer genialen Partitur und einer gelungenen Lesart besteht eine riesige Kluft.“ Vielleicht ist er zu unprätentiös für die erste Seite der Feuilletons. Friedrich Haider ist Oberösterreicher, seine Familie war „einfach, bürgerlich, aber mit großer Freude am Musikmachen.“ Im Alter von zehn Jahren kommt er zu den Wiener Sängerknaben, „eine interessante und lehrreiche Zeit“, sagt er, „obwohl das damals ein Kinderschänder- und -schindervein war.“ Er lernt erst Geige, dann Klavier, steht dutzendemale auf der Bühne der Wiener Staatsoper und verpasst einmal sein dreisekündiges Solo in Puccinis „La Bohème“, „so fasziniert, so überwältigt war ich von diesem Orchesterklang.“ So einen Klang will er auch erzeugen und kontrollieren, er wird Dirigent, mit ist er Generalmusikdirektor der Opéra national du Rhin in Straßburg. Heute umfasst sein Repertoire mehr als Opern, dazu Sinfonien von Beethoven, Brahms, Dvořák, Schubert, Schostakowitsch, aber auch Werke von Lutoslawski und praktisch alles von Wolf-Ferrari, einem fast vergessenen Komponisten der vorletzten Jahrhundertwende, „damals ein Star, ein absoluter Meister, der zu Unrecht kaum gespielt wird, aber von Toscanini und Knappertsbusch sehr geschätzt wurde“. Seit steht Haider der nordspanischen Oviedo Filarmonía vor.
„The orchestra likes you because you are inspiring“, sagte Maestro James Levine nach seinem Debüt an der Met zu ihm. Schön, aber ein anderes Kompliment bedeutet ihm viel mehr: „Wissen Sie,“ sagte ein Cellist der Wiener Philharmoniker nach einem Konzert in Tokio, „Sie machen einfach keine falsche Bewegung und Sie glauben gar nicht, wie angenehm das für uns Musiker ist.“ Darum gehe es, sagt Haider, um Handwerk und Inhalt. „Gefummle, große Gesten und Show sind abzulehnen – Energie und Spannung erreicht man anders.“ Da ist er schon wieder, der bescheidene Musiker, der Bogenstriche in Orchestermaterial zeichnen und aus der Partitur auf dem Klavier spielen kann. „Manchmal komme ich mir vor wie ein Dauer-Sisyphos“, sagt er, „mal hatte ich gigantischen Erfolg, dann wieder warf es mich zwei Stufen zurück.“ Im Grunde sei er heilfroh, dass es so lange gedauert hat bis er in Wien, München, New York und London engagiert worden sei. Man glaubt es ihm. Friedrich Haider sieht aus wie ein zufriedener Mensch. Bald wird er die Lieder von Wolf-Ferrari auf dem Klavier einspielen. Bald wird er 50. Und er wird auch bald den Roman schreiben, der ihm seit Jahren im Kopf rumschwirrt. Dort soll es um eine Melodie gehen, die so schön ist, dass sie die Kraft hat, alles Böse in der Welt auszulöschen. // 2003 erschien „Fuchs. Zeichnungen und Graphik aus der frühen Schaffensperiode“, Hrsg.: Friedrich Haider, im Löcker Verlag und gerade jetzt Haiders neue CD mit Ermanno Wolf-Ferraris „Suite Veneziana“ bei PhilArtis.
Mehr Haider auf der crescendo premium-CD, Track 3.
„Das einzige, was den Dirigenten interessieren darf, ist die Partitur.“
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Foto: Bob Coat
Vom groĂ&#x;en Pianisten zum Schriftsteller: Alfred Brendel im Arbeitszimmer seines Londoner Hauses.
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Der literarische
Pianist
Zu Besuch bei Alfred Brendel in seinem Londoner Haus, dessen riesige Bibliothek dieser Tage um ein weiteres Buch bereichert wird – sein eigenes.
London im Januar. Das Tief Daisy war über Nacht in der englischen Hauptstadt zu Besuch. Es ist eisig kalt. Alfred Brendel wohnt im Norden, Stadtteil Hampstead. Ein idyllisches, leicht hügeliges Nest in dessen schmale Gassen und historische Läden sich schon Sigmund Freud und Peter Ustinov verliebt hatten. Kurz vor dem zweitgrößten Park Londons, Hampstead Heath, liegt Brendels Anwesen. Alfred Hitchcock hätte daran seine Freude gehabt. Der Pianist gibt selten Interviews. Er ist jetzt 79, vor gut einem Jahr hat er sich vom aktiven Konzertleben zurückgezogen. Er führt freundlich in den Salon, unter seinen ledernen Hausschuhen knarzt der Boden wie auf einer alten Berghütte. Als DIE ZEIT ihn kurz vor seinem Abschiedskonzert zuhause in London besucht hatte, hatte Brendel über „das Leben ohne Publikum und Applaus“ nur Vermutungen anstellen können und behauptet, er sehe das Ende klar und tränenlos. Heute, ein Jahr danach, bestätigt er noch einmal das Gesagte. Er habe einen guten Zeitpunkt gewählt, keine Träne vergossen, aber sich natürlich über die zahlreichen Briefe und E-Mails gefreut, die ihm noch einmal dankten. Es gibt Musikkritiker, unter ihnen Joachim Kaiser, die behaupten, Brendel sei einer der bedeutendsten Schubert-Interpreten der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts. In der Tat: eine Aufnahme von Schuberts B-Dur-Sonate zeigt Brendel als musikalischen Verführer, der das Piano mit geschlossenen Augen streichelt als wäre es ein schnurrender Kater. Man würde am liebsten direkt mit ihm ins Nachbarzimmer gehen, dort, wo zwei schwarze Konzert�ügel stehen, seinen Klängen lauschen, und zusehen, wie der dunkle Abend draußen den melancholischen Londoner Nachmittag vertreibt. Wir bleiben im Salon. Brendels Haus ist ein Konzerthaus des Lebens. Ein sehr stilvolles, natürlich. An allen Wänden hängen Kunstwerke, auf den Sekretären und Schränkchen liegen fein übereinander gestapelt Bücher. Dicke Bücher. Über 1000 Kilogramm Kunst und Information, die Brendel auch in seinem Gehirn lagert wie ein menschliches Wikipedia-Archiv.
Er möchte direkt mit dem Interview beginnen, er ist – anders als Prinz Charles etwa – kein Freund des Smalltalks. Als wir die erste Frage erörtern wollen, klingelt es noch einmal an der Haustür. Ein Klavierstimmer. „Nunja, das wird uns wohl etwas stören, hier unten, dann gehen wir am besten hinauf“, sagt Brendel und nimmt das Tablett in seine vom Klavierspiel leicht gezeichneten Hände. Sein Deutsch ist ein gesungenes Österreichisch. Nicht das aus Wien, aber eines mit lang gezogenen Vokalen, die einem Menschen sofort etwas Philosophisches verleihen. Apropos Wien: verfolgt er noch die Nachrichten aus seiner Heimat Österreich? Brendel spaziert langsam nach oben und sagt, er lese natürlich das Übliche, und klar, er sei interessiert, an Österreich und der Welt, aber er möchte jetzt nicht über so etwas Herkömmliches wie Städte oder Länder plaudern. Er fühle sich einfach als Mitteleuropäer, grinst und setzt sich in der Mitte seines Arbeitszimmers auf einen Stuhl. Und wenn man ihn dort so sitzen sieht, dann bekommt man eine Ahnung, wie sich die Liebe des Alfred Brendel hin zur Schriftstellerei ausgebreitet hat. Der Raum enthält nicht ein Regal mit Büchern, sondern umgekehrt: die Bücher und Regale haben zufällig noch ein wenig Platz für den Raum gelassen. Überall, an jeder Wand, stehen und liegen Bücher, eine Literatursammlung mit Brendels gern zitierter Chaos-Theorie von Novalis: „Das Chaos muss durch den regelmäßigen Flor der Ordnung schimmern“. Nun gut. crescendo: Herr Brendel, wie und wann haben Sie bemerkt, dass
auch ein Poet in Ihnen schlummert ? Alfred Brendel: Glauben Sie es oder nicht: das Schreiben von Gedich-
ten kam von selber. Ohne, dass ich es geplant oder geahnt hatte. crescendo: Aber Dichten tut man doch nicht von selbst ? Brendel: Sie irren sich! (Alfred Brendel rollt das „r“ wie Marcel ReichRanicki). Es kam mir auf einem Flug nach Japan. Es war dunkel, die Passagiere im Flieger schliefen friedlich, ich nahm mir einen
Foto oben: Deutsche Grammophon
VO N R O B ER T K I T T EL
Fotos: Bob Coat
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Zettel und machte ein paar Notizen. Als ich es noch einmal ansah, war ich überrascht. Ich kann sogar sagen, dass ich mich noch heute von meinen Gedichten überraschen lasse! crescendo: Sie schreiben noch immer mit der Hand? Brendel: Jaja. Gedichte schreibe ich mit der Hand, ich habe aber auch noch eine sehr alte Schreibmaschine, auf der ich etwas zu Papier bringe. crescendo: Es ist nicht leicht, mit der Hand zu schreiben, man muss beim Korrigieren viel durchstreichen und drübermalen ... Brendel: Ja, aber das macht es doch erst interessant! crescendo: Darf man Ihnen während des Schreibens über die Schulter schauen? Schriftsteller sind da ja sehr eigen ... Brendel: Naja, während etwas entsteht, natürlich nicht. crescendo: Und danach? Brendel: Wann? crescendo: Wenn es fertig ist, das Manuskript, zeigen Sie es jemandem zum Gegenlesen? Brendel: Es gibt nicht sehr viele Menschen, die meine Manuskripte zu Gesicht bekommen. crescendo: Und? Wie viel davon landet im Papierkorb? Brendel: (lacht) Eine ganze Menge. crescendo: Sie wohnen seit 1 bereits in England. In welcher Sprache schreiben Sie bevorzugt? Welche Sprache liegt Ihnen mehr beim Schreiben? Brendel: Meine Muttersprache ist natürlich deutsch. Deshalb schreibe ich eher auf deutsch und übersetze dann ins Englische. Aber die englische Sprache hat sicher ihre Vorteile, vor allem, wenn es humoristisch wird. crescendo: Sie haben ja bereits ein paar Bücher mit Essays und Gesprächen herausgegeben. Was erwartet den Leser in Ihrem neuen literarischen Werk? Brendel: Zum Beispiel sind im Buch ein paar Interviews, die ich gegeben habe und die ich inzwischen zu meiner eigenen Literatursammlung zähle. Dazu gibt es noch ein Interview mit mir selbst, ein Gespräch mit Martin Meyer (dem Feuilleton-Chef der NZZ), es geht um meine Bibliothek und auch über Isaiah Berlin. Brendel wendet seinen Körper zur Rechten, zeigt hinein in das organisierte Chaos des überfüllten Bücherschranks. Wenn man sich Mühe
Das Haus im Londoner Stadtteil Hampstead und sein Besitzer Alfred Brendel im Salon. Überall im Haus liegen Bücher, es ist eine Kathedrale der Literatur.
gibt, sieht man ein Foto von Isaiah Berlin, dem angesehenen britischrussischen Philosophen. Brendel und Berlin waren gute Freunde, luden sich gegenseitig in ihre Häuser und bereisten die Welt. Als Berlin im Jahr 1997 verstarb, veröffentlichte Brendel in der Neuen Züricher Zeitung einen sehr intimen und elegant geschriebenen Rückblick auf das Leben Berlins und ihre gemeinsamen Erlebnisse. Auch dieser Text ist in Brendels Buch „Nach dem Schlussakkord“ enthalten. Brendel: Am Ende gibt es noch einen Aufsatz von Peter Hamm. Im
ganzen gewinnt man durch das Buch einen Eindruck über mich und meine Person. Das ist insofern nützlich, da ich ja nie eine Autobiographie schreiben werde. crescendo: Biographien sind manchmal gefährlich, weil die Menschen immer Zusammenhänge und Gründe für das Schaffen des Künstlers herzustellen versuchen. Ihnen lag aber doch immer am Herzen, zwischen Person und künstlerischem Schaffen zu unterscheiden? Brendel: Davon bin ich noch immer überzeugt. In den meisten Fällen geht man in die Irre, wenn man aus biographischen Details schließen will, was im Werk des Künstlers passiert. Schauen Sie sich Beethoven an, mit seiner unglaublichen Unordnung, in der er lebte und dann schauen Sie sich die Ordnung und die architektonische Festigkeit seiner Kompositionen an – das genaue Gegenteil. Für mich ist Shakespeare der Idealfall, abgesehen davon, dass Shakespeare für mich auch der größte literarische Idealfall ist. Über Shakespeare weiß man – Gott sei Dank – sehr wenig, man mischt also nicht immer das Biographische in die Stücke hinein, man versucht sogar – umgekehrt – aus den Stücken etwas Biographisches herauszulesen. crescendo: Wieviel Tiefe ist Ihnen wichtig in Ihrem Buch? Welches Ziel wollen Sie mit Ihrem Buch erreichen? Brendel: Ich hoffe auf Leser, die einen Sinn für das Komische und das Absurde haben. Ich hoffe auf Verständnis von Leuten, die ich schätze. crescendo: Sie haben Großartiges geleistet, im vergangenen Jahr erhielten Sie den Praemium Imperiale, eine Art Nobelpreis der Künste. Worin liegt die Motivation, noch ein Buch zu schreiben ... Brendel: Es ist einfach das große Vergnügen, mit der Sprache umzugehen. Die Liebe zum Buch und zur Schriftstellerei ist schon
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Der Pianist Alfred Brendel wurde 1931 in Wiesenberg, Nordmähren, geboren. Er wuchs auf der Insel Krk und in Graz auf. Die beiden Hörbücher aus der Reihe „Alfred Brendel liest“ („Spiegelbild und schwarzer Spuk“, Vol. 1 & 2) sind bei MDG erschienen. Auf unserer Website www.crescendo.de können Sie eine Kostprobe („Selbstheirat“) hören.
irgendwo in mir gewesen. Wissen Sie, in meiner Jugend hatte man kein Fernsehen, kein Radio, aber es gab eine Leihbücherei und dort hat man sich Bücher ausgeliehen. Ich habe sehr viel gelesen, in meiner Jugend. Alfred Brendel ist die große Ausnahme unter den lebenden Pianisten. Er genoss keine herkömmliche, an Konservatorien geschmiedete Ausbildung am Klavier. Er bekam ein paar Stunden Privatunterricht, aber während des Krieges war seine Familie ständig an anderen Orten zu Hause. Im Alter von 1 Jahren gibt er schließlich sein erstes Recital in Graz. Er sagt von sich, er habe große Geduld in seiner Karriere gehabt. Als er war, wollte er nicht schon im Alter von Jahren, sondern mit ein guter Pianist sein. Apropos Pianisten: Neben seinen literarischen Aus�ügen kümmert sich Brendel um ein paar junge Pianisten, denen er in Zukunft sehr viel zutraut. Einer seiner Lieblingsschüler ist Kit Armstrong, der bereits als „Wunderkind“ Interviews geben musste. Auch Brendel hatte den heute 17-Jährigen beim Sein Chaos muss durch Musikfestival in Bozen 2008 als „die vielleicht den regelmäßigen Flor größte musikalische Begabung, der ich in meinem ganzen Leben begegnet bin“ bezeichnet. Er steht der Ordnung schimmern noch heute dazu, ist fasziniert von den mathematischen Fähigkeiten des Amerikaners. Brendel hatte die Fragen zum Interview vorab per E-Mail erbeten. Als die Liste fertig und abgearbeitet ist, sieht er einen mit dem unvergleichlich verschmitzten Brendel-Lächeln an und möchte nun an seinem Buch weiterarbeiten. Halt, eines ist ihm noch wichtig: er ist ein Mensch des Gehörs, als Pianist verzauberte er sein Publikum in erster Linie über das Ohr. Das sei nun auch bei seinen Gedichten wünschenswert, er liest sie schließlich auch selbst vor, sei es bei Lesungen oder Vorträgen oder – ganz modern – in Form eines Hörbuchs. Es gebe inzwischen sämtliche Gedichte auf CD. Dass diese Aufnahmen wahrgenommen würden, sei ihm wichtig. Wir spazieren wieder hinunter, machen noch ein paar Fotos im Salon, verlieren ein paar Worte über das ein oder andere Kunstwerk an der Wand und dann ist es auch schon wieder vorbei. Zurück bleibt ein Besuch bei einem Mann, dessen Wissen größer ist als der vor dem Haus im Nebel verschwindende Park. Man denkt: Hampstead bei Nacht, was für eine Pracht. (Nicht in jedem steckt ein großer Dichter). //
Brendels Buch „Nach dem Schlussakkord“ erscheint im März 2010 im Carl Hanser Verlag, München. Die Dresdner Musikfestspiele sind eine Einrichtung der Landeshauptstadt Dresden und werden gefördert vom Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst.
reportage 20 | www.crescendo.de 01 2010
Und jetzt: Adoro?
Fünf Beaus füllen seit Monaten Konzerthallen mit Schmusedecken-Musik. Ist das die Zukunft der klassischen Musik? Wir haben vorsichtshalber einen Autoren zu einem Konzert in Berlin geschickt. VON K A I SCH ÄCHT ELE
E
s ist 20 Uhr und sieben Minuten, als die erste Wohlfühlwelle durch die Berliner Max-Schmeling-Halle schwappt. Der goldockerfarbene Samtvorhang, dessen geschwungene Ziehharmonika-Falten die Atmosphäre eines Opernhauses verbreiten sollen, ist kurz vorher nach oben gezogen worden. Dahinter sind erschienen: ein Orchester zur Linken, das ausnahmslos aus Frauen mit schulterfreien Kleidern und einer Pianistin am weißen Flügel zusammengesetzt ist, und einer Band mit Schlagzeug und Gitarre zur Rechten. Dazwischen liegt eine geschwungene Showtreppe mit blinkenden Stufenkanten. Der Reihe nach erscheinen darauf fünf Männer und singen „Wenn ein Lied meine Lippen verlässt / dann nur, damit du Liebe empfängst.“ Die Ballade, die ursprünglich von der Hip-HopBand „Söhne Mannheims“ stammt, erzählt von großen Gefühlen. In umso kleineren, genau aufeinander abgestimmten Schritten bewegen sich die Sänger von Adoro dazu über die Bühne. Setzen sich auf die Treppe: „Dieses Lied ist nur für dich / schön, wenn es dir gefällt.“ Stehen wieder auf: „Denn es kam über mich / wie die Nacht über die Welt.“ Und stellen sich pünktlich zum Refrain breitbeinig nebeneinander: „Wenn ein Lied meine Lippen verlässt / dann nur, damit du Liebe empfängst. / Durch die Nacht und das dichteste Geäst / damit du keine Ängste mehr kennst.“
Die Männer, die die Liebe mit einer Verve in die Halle tragen, als lasse sich deren Intensität in Dezibel messen, tragen schwarze Anzüge mit weißen Einstecktüchern, drei haben sich eine Krawatte umgebunden, einer eine Fliege, das Hemd des Fünften steht zwei Knöpfe weit offen. Jeder im Publikum soll die Amore offenbar von demjenigen empfangen, der am besten zu ihm passt. Wenige Minuten später ist das Lied zu Ende, Applaus brandet auf. Laszlo Maleczky, der Frauenschwarm mit dem offenen Hemdkragen, sagt in dezentem Wienerisch: „Wie schön, dass Sie alle gekommen sind. Singen Sie mit, darüber freuen wir uns sehr.“ Das Publikum lässt keinen Zweifel daran, dass es den Fünfen diese Freude nicht versagen wird. Die Welle des guten Gefühls vermengt sich mit dem Duft von Bratwurst und Pommes Frites, der unter dem Hallendach hängt. Willkommen bei Adoro, der Popcorn-Oper am Freitag Abend. Das Konzert ist für das Quintett ein Heimspiel. Es war ein Tonstudio in Berlin, in dem sich die Baritone Peter Dasch, Jandy Ganguly und Nico Müller sowie die Tenöre Laszlo Maleczky und Assaf Kacholi zweieinhalb Jahre zuvor zum ersten Mal trafen. Sie waren aus über hundert Bewerbern ausgewählt worden mit dem Auftrag, mit den Mitteln der klassischen Musik moderne Popsongs so zu interpretieren, dass die Songs von Rio Reiser, Marius Müller-Westernhagen oder
Foto: Ben Wolf / Montage: crescendo
Die fünf Sänger von Adoro: Klassischer Spaziergang in die Welt der Popmusik.
www.crescendo.de 01 2010 | 21 reportage
Das ist Adoro Die jungen Opernsänger Peter Dasch, Laszlo Maleczky, Nico Müller, Jandy Ganguly und Assaf Kacholi wurden Ende 2007 von SODA MUSIC in Berlin als Klassik-/Pop-Crossover-Projekt gecastet, und werden von Universal Music unter dem Label We Love Music vermarktet. Im Jahr 2008 erschien das Album „Adoro“, 2009 dann „Für immer und Dich“. Die Alben landeten in den Charts auf Platz eins und zwei. Termine unter www.adoromusic.de.
Udo Jürgens klingen wie die große Oper. Alle fünf hatten an renommierten Musikhochschulen studiert, in Berlin, Dresden, Leipzig, Weimar, Wien und Tel Aviv, und bereits Auftritte auf Opernbühnen, bei Festspielen und im Rundfunk hinter sich. Jetzt wurden sie zu Popstars umgeschult. Am 21. November erschien ein Album, das so hieß wie die Band. „Adoro“ ist Italienisch und heißt „Ich bete an.“ Einen Tag später waren sie zu Gast beim Hohepriester des telegenen Glücks, Kai P�aume. Ihr Auftritt mit dem Hit für das jüngere Publikum „Liebe ist alles“ traf das Fernsehpublikums offenbar genau ins Herz: Noch vor Weihnachten stand das Album in den Top Ten. Der Plan ihres Produzenten war aufgegangen: Die fünf Sänger hatten sich Zugang zu einer Klientel verschafft, die sich bis dahin nur für Oper interessiert hatte, wenn sie in Verbindung stand mit Seife. Mit ehrlichem Bemühen versuchen Adoro deshalb in Berlin, ihre Zuhörer für ihre Herkunft zu interessieren. Sie singen „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“ von Nena oder „Dieser Weg wird kein leichter sein“ von Xavier Naidoo, als wäre es die Pamino-Arie aus der Zauber�öte. Etwa zur Mitte der ersten Hälfte fragt Dasch: „Wer von Ihnen war in den letzten Monaten in der Oper? “ Der Spot richtet sich in die Halle. Zaghaft strecken sich ein paar Arme nach oben. Maleczky sagt: „So viele wenige Hände haben wir noch nie gesehen. Sie können doch bestimmt die 50 bekanntesten Opern und ihre Ouvertüren aufzählen.“ Ein Raunen geht durch die Halle. Nach wenigen Sekunden beendet er das Leiden. „Vielen Dank, dass Sie heute Abend gekommen sind, um uns zu sehen.“ Es folgt erleichterter Applaus, so, als sei eine Schulklasse nur knapp einer unangenehmen Prüfung entkommen. Jetzt gilt es, sich wieder zu entspannen zu einem Lied, das im Original von Udo Jürgens stammt: „Ich glaube, dieses Leben ist schön genug, bunt genug, Grund genug, sich daran zu erfreuen.“ In der Pause stehen die Adoro-Fans an runden Tischen, essen Nüsschen und trinken ein Glas Sekt und erzählen sich davon, wie sie auf die Gruppe aufmerksam wurden. „Ich habe sie im Sat.1-Frühstücksfernsehen gesehen“, sagt eine Frau mit blondiertem Haar. „Ich war aber noch nicht ganz wach.“ Eine andere erzählt von einem Auftritt bei Carmen Nebel. Nein, in der Oper sei von ihnen noch niemand gewesen, sagen alle zusammen. Adoro ist das Mensch gewordene Klassik-Radio: leicht konsumierbare Musik, die einem keine Auseinandersetzung mit ihr abverlangt, aber trotzdem das gute Gefühl gibt, ein Stück Hochkultur erlebt zu haben. Damit füllen die Musiker nicht nur die Hallen von Kiel bis Freiburg. Sie verkaufen auch so viele Alben, dass ihr Debüt zu den zehn meistverkauften Alben im Jahr 2009 gehörte. Und für das zweite, „Für immer und dich“, erschienen im November 2009 und
benannt nach einem Song von Rio Reiser, erhielt die Gruppe bereits eine Platin-Auszeichnung. Der Erfolg aber war genau vorbereitet. Das gilt nicht nur für die Zusammensetzung, sondern auch für jeden Auftritt. So gut wie nichts passiert bei Adoro, was sich nicht vorher jemand überlegt hat. Jede Bewegung auf der Bühne, jede Pointe der fünf, die in den Liedpausen erklären, wie man einen Bariton von einem Tenor unterscheidet und wer in der Gruppe Marzipan mag und wer nicht, folgen einem Plan. Nur in ganz wenigen Momenten versagt die Choreographie, etwa, als ein Kellner Champagner auf die Bühne bringt und jedem Sänger genauso ein Glas überreicht wie dem Dirigenten, der im Frack vor seinem Damenorchester steht. Es geht gerade um Enrico Caruso, der nicht nur ein großer Sänger gewesen sei, sondern auch ein ordentlicher Trinker. Dasselbe gilt wohl für den Dirigenten, der sein Glas in einem Rutsch leer trinkt. Ein Adorer lacht und sagt: „Das war jetzt nicht einstudiert.“ Was nichts anderes heißt als: alles andere dagegen schon. Und so folgt an dem Freitagabend in Berlin eine gefällige Nummer auf die nächste. Gelegentlich machen die Sänger die Bühne frei für eine Geigerin oder die Pianistin, deren Finger bei einem Stück Filmmusik aus „Der Pianist“ über die Tasten �iegen, als würde sie sie bloß streicheln, verfolgt von einer Kamera, die den schwebenden Fingertanz auf die Leinwand wirft. Gelegentlich lodern kleine Flammen aus den Feuertöpfen, die auf der Bühne verteilt sind, auf die ersten Zuschauerreihen regnen künstliche Rosenblätter. Und zum Finale darf das Publikum noch einmal laut mitsingen, zu „Freiheit“ von Marius Müller-Westernhagen. Es folgen die Dankesworte „an alle, die dafür gesorgt haben, dass wir heute Abend hier stehen“ und das obligatorische Feuerwerk. Das Hallenlicht geht an, und auf die Frage, ob sie jetzt auch einen der fünf auch einmal auf einer Opernbühne erleben wolle, antwortet eine Dame: „Ja, kann ich mir schon – wenn ich dafür Zeit hätte.“ Sollte also Adoro mit dem Ziel angetreten sein, die Zuhörer allmählich für das zu öffnen, was sie einst gelernt haben: Sie werden damit leben müssen, dass sie daran scheitern werden. Sie erreichen ein Publikum, das sich ohne einen solchen Rahmen nie für ihre Kunst interessieren würde. Und dieses Publikum geht zufrieden nach Hause, weil es ein Konzert erlebt hat, das alle Sinne anspricht, ohne den Kopf zu sehr zu bemühen. Doch wenn alle glücklich sind nach einem solchen Abend – was sollte man dagegen sagen? Eigentlich nur dies: Adoro ist keine Kunst, sondern ein Kunstprodukt. Es geht zum einen Ohr leicht hinein, zum anderen aber auch hinaus. //
„Wer von Ihnen war in den letzten Monaten in der Oper?“ Zaghaft strecken sich ein paar Arme nach oben.
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V O N PA S C A L M O R C H É
NADJA MICHAEL LIEBER ÜBER 200 METER LAGEN? Die Grenzen der Doppelbegabung von Musikern Früher war alles besser! Erstens musste man nicht immer von früher sprechen. Zweitens gab es kein „Regietheater“ (also keinen Scarpia als Nazi und die Königin der Nacht trug keine Sonnenbrille) und drittens gab es noch Künstler mit einer richtig schönen Doppelbegabung. Zum Beispiel Leonardo da Vinci, jenes Genie, das malte und sich ebenso mit der Technik möglicher Fluggeräte wie Hubschraubern beschäftigte. Oder Michelangelo, der große Maler und Bildhauer, dessen dichterische Doppelbegabung „auch“ zu ausgesprochen guten Sonetten führte. Oder Goethe, der Dichter, Zeichner „und“ Naturwissenschaftler, dessen Arbeiten über Farbenlehre, Pflanzen oder den Zwischenkieferknochen noch heute von Wissenschaftlern als gleichbedeutend zum „Faust“ oder zur „Iphigenie“ eingestuft werden. Und schon fällt etwas auf bei diesen „multiple talents“ wie die Psychologie das Phänomen der Doppel- und Vielfachbegabungen nennt: Es sind kaum Musiker unter den Doppelbegabten! Die wenigen Ausnahmen bestätigen diese Regel: Friedrich Nietzsche, der Philosoph, der auch ein wenig komponierte. Felix Mendelssohn-Bartholdy, der auch zeichnete. Arnold Schönberg, der Komponist, der sich ebenfalls als Maler hervortat, der aber nicht wegen seiner 361 (!) expressiven Bilder, sondern wegen seiner Musik unsterblich wurde. Im übrigen sah Schönberg keinen Zusammenhang zwischen diesen beiden, von ihm ausgeübten künstlerischen Medien. „Malerei und meine Musik haben nichts gemein“, schreibt der Komponist der „Gurrelieder“ und des „Pierrot Lunaire“, die-
ser geniale Er�nder der Zwölftonmusik 1913. Viele Jahre später, 1949, relativiert Schönberg die resolute Aussage zu seiner Malerei: „Es war dasselbe für mich wie komponieren. Es gab mir die Möglichkeit, mich auszudrücken, meine Emotionen, Ideen und Gefühle mitzuteilen; das ist vielleicht der Schlüssel, diese Bilder zu verstehen – oder auch nicht.“ Nun, als Maler war Schönberg ein Dilettant, als Musiker nicht. Vielleicht ist genau das
Als Maler war Schönberg ein Dilettant, als Musiker nicht!
der Grund dafür, dass die Bedeutung seiner zweifellos großartigen Gemälde letztlich doch in keinem Verhältnis zu seinem musikalischen Œuvre steht. Das „Universal“genie (im wahrsten Sinne seines Wortes!) ist selten. Mehr noch: höchst einzigartig ist es, dass jemand in mehreren Künsten gleich Gutes und gleich Bedeutendes schafft – und obendrein auch in mehreren Künsten gleichermaßen beim Publikum reüssiert. Auch diese Singularität lässt sich am Ende nur bei Richard Wagner � nden. Die dichterischen Qualitäten Wagners stehen seinen kompositorischen Qualitäten in nichts nach. Allerdings ist die Textdichtung nur verschränkt mit der Musikkomposition (et vice versa) gedacht – oder hat jemand schon Tristan oder Parsifal von Schauspielern auf einer Sprechtheaterbühne erlebt? Sicher nicht und sicher ist das gut so. In „Die Meistersinger von Nürnberg“ thematisiert Richard Wagner
übrigens sehr präzise die Crux, das Hadern, ja, die innere Zerrissenheit eines Menschen mit seiner Doppelbegabung umzugehen. Es ist die Figur des Schusters und Meistersingers Hans Sachs, die darüber sinniert: „Tät besser das Leder zu strecken, und ließ’ alle Poeterei!“ – Ja, Wagner lässt Hans Sachs verdammt leiden an seinen zwei Talenten. Und doch: Nur wenn der „Engel“ der Poesie ihn „im Himmel hält, dann liegt zu Füssen mir die Welt, und bin in Ruh Hans Sachs ein Schuhmacher und Poet dazu.“ Da ist es wieder, dass süße Wörtlein „und“! Diese Textstelle im 2. MeistersingerAufzug zeigt sehr jene Sehnsucht Doppelbegabter Ruhe zu �nden mit (und trotz) einer Doppelbegabung; endlich nicht mehr aufgerieben zu werden zwischen zwei Talenten, zwei Disziplinen, zwei Medien. Und vor allem: sich nicht mehr entscheiden zu müssen zwischen diesem oder jenem. Besonders schwer dürfte dieser Entscheidungszwang jenen Musikern fallen, die Dirigenten und Komponisten waren oder sind: Richard Strauss, Gustav Mahler, Wilhelm Furtwängler, Pierre Boulez oder Esa Pekka Salonen – um nur wenige prominente Beispiele zu nennen. Strauss und Mahler entschieden sich de�nitiv für die Komponistenkarriere; Wilhelm Furtwängler ebenso de�nitiv für seinen Weg als Dirigent; Boulez oder Salonen wiederum üben ihre Doppelbegabung gleichermaßen aus. Die in einem selbst schlummernden Talente zu wecken und die eigene wirkliche Begabung zu �nden, ist für keinen Menschen leicht. Wie sollte es dann gerade bei einer vielschichtigen Künstler- hier Musikerseele einfach sein? Ist es da überhaupt ein Wun-
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Taktstock in die Hand stach. Der damalige Assistent und Korrepetitor Doctor Tate wurde gerufen, desin�zierte eine kleine Nadel über dem Feuerzeug und machte sich daran, die Stabsplitter aus des Maestros Hand zu puhlen. Nun gibt es Wissenschaftler, zumal Ärzte, die in ihrer freien Zeit hochambitionierte Musiker sind, wesentlich häu�ger als die paar Einsteins, Tates & Co und es könnte beweisen, dass Musiker eher selten über eine Doppelbegabung verfügen: „Der geistige Horizont der meisten Musiker endet am Rande der Partiturseite“, beschied einmal der Intendant Gérard Mortier. Recht hat der Mann, leider: Als Kind bereits ausschließlich auf das eine, das musikalische Talent �xiert oder gedrillt, gibt es in der Klassikszene wenig wirklich Doppelbegabte, oder wenigstens Doppeltinteressierte. Der Spezialisierungswahn der Zeit tut dazu sein übriges: Als doppeltbegabt gilt heute schon wer Alte Musik und Neue dirigiert oder spielt. Mitunter aber entpuppt sich eine gep�egte, oft schick schillernde und PR-dienliche sogenannte Doppelbegabung, dieses Streicheln des anderen Talents, doch nur als eine recht profane Doppelbetätigung. Erstens: als Ausübung eines höchst ehrenwerten, besseren
Hobbys – man denke an den malenden Dietrich Fischer-Diskau! Zweitens: als Eitelkeit befriedigende Zugabe zum abendlichen Konzert – man denke an die vielen Musikbücher, die Musiker schreiben – oder unter ihrem Namen schreiben lassen. Drittens: als clever mit dem Etikett Doppelbegabung versehene Doppelbetätigung zur schnöden Möglichkeit zusätzlichen Geldverdienens – man denke nur an jene Bühnenbildner, die fest an ihre Doppelbegabung als Regisseur glauben und diese – (leider) auch ausleben. Also, bleiben wir doch bei den Tatsachen, die selbst von einem malenden Udo Lindenberg oder einem Romane schreibenden Leonard Cohen nicht verrückt werden: Schön, wenn jemand mehrere Talente hat und sie p�egt und sie lebt! Nur, da es verdammt wenige Goethes und da Vincis gibt, macht doch jeder am Ende immer nur das Eine wirklich richtig gut! Wie hätten Sie’s nun lieber: Nadja Michael über 200 Meter Lagen im Wasser oder als Salome auf der Bühne? Und vor allem, was bedeutet Ihnen mehr: Ein Buch des zweifellos humoristisch veranlagten und äußerst klugen Schriftstellers Alfred Brendel – oder ein Schubert/Beethoven-Abend mit dem nämlichen Künstler? //
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der, dass jemand bei der Suche nach (s)einem Talent, manchmal zwei (oder mehr) Talente �ndet? Doch oft sind es auch nur äußere Zwänge, familiärer oder persönlicher Druck, die Sicherheit des „Brotberufs“, die einen Tenor wie Michael Schade zunächst mit der Zoologie liebäugeln oder den wunderbaren Bariton Thomas Quasthoff sechs Semester Jura-Vorlesungen und sechs Jahre einen Marketing-Job bei der Kreissparkasse in Hildesheim ausüben liessen. Die, hochdramatische, im vergangenen Jahr verstorbene Hildegard Behrens schloss ihr Jura-Studium sogar mit Staatsexamen ab. Und wieder andere Musiker, zumeist Sänger, hatten mit ihrem anderen Talent schon durchaus respektable Karrieren als Pro�-Sportler hinter sich, bevor sie auf die Bühne strebten: Nadja Michael als Leistungsschwimmerin in der DDR oder der große Don Giovanni-Darsteller Ezio Pinza als italienischer Radrennfahrer. Und dass Dirigenten oftmals zunächst ein Mathematikstudium einschlagen (Sergiu Celibidache, Pierre Boulez, Lorin Maazel) verwundert bei der, von Hirnforschern hinlänglich untersuchten Verbindung zwischen Mathematik und Musik auch nicht sonderlich. Wahrscheinlich ist es nicht das Schwerste, die eigene Doppelbegabung zu erkennen, sondern sich selbst objektiv entscheiden zu müssen, welches Talent denn nun wirklich das eigentlich relevante, die eigentliche Notwendigkeit für das weitere Leben ist. Je intellektueller jemand ist, desto komplizierter dürfte dieser Prozess der Entscheidungs�ndung sein. Der italienische Dirigent Giuseppe Sinopoli zum Beispiel hat sich Zeit seines Lebens um diese Entscheidung herumgedrückt: Nicht nur, dass Sinopoli neben seiner musikalischen Ausbildung am Konservatorium von Venedig ein Medizinstudium (Fachrichtung Psychiatrie) mit Promotion abschloss – bis kurz vor seinem Tod während eines Dirigats der „Aida“ in Berlin 2001 bereitete er seine Dissertation im Fach Vorderasiatische Achäologie mit dem Thema „Die assyrische Kultur in Mesopotamien“ vor. Ein anderer Mediziner am Pult ist Jeffrey Tate. Soeben hat der Facharzt für Augenheilkunde sein Amt als Chefdirigent der Hamburger Symphoniker angetreten ... Medizinisch liess Tate weniger von sich hören. Außer einmal, als sich Georg Solti bei der Einspielung des „Parsifal“ im Wiener Aufnahmestudio den
Die Besten DVDs
Ausgewählt von der crescendo Redaktion 1
Simon Keenlyside „Lieder von Schubert, Wolf, Fauré, Ravel“ (Wigmore Hall)
1
Eine der besten Lieder-CDs seit langem.
2
2
Joyce DiDonato „Colbran, the Muse“ (Virgin Classics)
3
Thomas Michael Allen Mendelssohn: „Lieder mit und ohne Worte“ (Ars)
4
Vladimir Horowitz „Berlin 1986 (Sony Classical)
5
Paul Hindemith Monteverdi: „L´Orfeo“, (ORF Edition Alte Musik)
6
Rudens Turku Romantische Werke für Violine und Klavier (Avie)
7
Jean-Louis Duport „Cellokonzerte Nr. 4 – 6“ (MDG) Erstmals auf CD: Eine Entdeckung für Liebhaber
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9
3
Zubin Mehta Wagner: „Der Ring des Nibelungen“, Oper Valencia (Unitel)
Ein Stück Ballett-Geschichte 4
Grigory Sokolov „Live in Paris“ (medici arts)
5
Nikolaus Harnoncourt Mozart: „Idomeneo“, Concentus Musicus Wien (Styriarte Festival Edition)
Regie: Nikolaus und Philipp Harnoncourt! Ein Muss!
Amir Katz Mendelssohn: „48 Lieder ohne Worte“ (Live Classics)
7
Nils Mönkemeyer „Weichet nur, betrübte Schatten“ (Sony Classical)
Leonard Bernstein „Ode to Freedom“. Beethoven: 9. Sinfonie (medici arts)
8
Deutsches Nationaltheater Weimar Wagner: „Der Ring des Nibelungen“, 7 DVDs (Arthaus)
9
Tan Dun „Paper Concerto“/ „Water Concerto“ (Opus Arte)
10 Chen Reiss „Romanze“ (telos music)
10 Marijn Rademaker „Peer Gynt“ (BelAir)
12 Christian Gerhaher Mahler: Lieder (Sony Classical)
11 Bregenzer Festspiele Krenek: „Karl V.“, 2 DVDs (Capriccio)
13 Trio Parnassus Louis Ferdinand von Preußen: Klaviertrios Vol. 3 (MDG)
12 Puccinis Femmes Fatales Puccini: „Manon Lescaut“, „Tosca“, „Turandot“, 3 DVDs (TDK)
14 Joel Frederiksen „O felice morire“ (harmonia mundi) 15 Dejan Lazi´c Rachmaninow: Klavierwerke (Channel Classics) 16 Mihaela Ursuleasa „Piano & Forte“ (Berlin Classics)
Fasst Geschichte in Musik: Jordi Savall
Pina Bausch Gluck: „Orpheus und Eurydike“, L´Opéra national de Paris (Bel Air)
Metropolitan Opera „Centennial Gala“, 2 DVDs (Deutsche Grammophon)
Ein neues Kapitel vom Meister
Auswahl der besten CDs, DVDs
Royal Ballet Tschaikowsky: „Schwanensee“ (Opus Arte)
6
11 Jordi Savall „Le Royaume Oublié“ (Alia Vox)
REZENSIONEN
Foto: Gomez
CDs
rezension 24 | www.crescendo.de 01 2010
13 Akademie für Alte Musik Berlin Vivaldi, Rebel: „4 Elemente – 4 Jahreszeiten“ (harmonia mundi) 14 Riccardo Muti Mozart: „Don Giovanni“ (Arthaus) 15 Villazón/Machaidze Gounod: „Roméo et Juliette“, 2 DVDs (Deutsche Grammophon)
Savalls erschütternde Geschichte der Katharer
ORIENT UND OKZIDENT Es ist großartig, mit welcher wissenschaftlichen Akribie und unerschöpflich scheinendem Erfindungsreichtum Jordi Savall seine ambitionierten Großprojekte umsetzt, man denke nur an „Ruta de Oriente“ und die geschichtsträchtigen Jerusalem- und Istanbul-Porträts. Wieder ist es vor allem ein mehr als 560 Seiten starkes Buch im DVD-Format, das als „Begleitung“ für drei CDs fungiert. Diesmal widmet sich Savalls Truppe (das „Alte Musik“-Kammerorchester Hespèrion XXI und der Solistenchor La Capella Reial de Catalunya) mit Gastmusikern aus der Türkei, Marokko, Armenien und Bulgarien der tragischen Geschichte der Katharer, jener friedvollen christlichen Bewegung in Okzitanien im heutigen Südfrankreich, die dem von Papst Innozenz III. initiierten ersten innereuropäischen Kreuzzug (1209-13) zum Opfer fiel. Es waren die Okzitanier, die beim ersten Kreuzzug in Jerusalem die Unterlegenen verschonten und abziehen ließen. Die Texte informieren umfassend über die Geschichte und religiöse Haltung der Katharer, das Zusammenspiel mit der islamischen und jüdischen Kultur, die Herkunft des Minnesangs, die Inquisition und gnadenlose, völlige Auslöschung
auch des letzten Andersgläubigen durch die römische Kirche. Musikalisch hat Savall teilweise eine herrliche Verschmelzung orientalischer und westlicher Musizierpraxis erreicht, mit äußerst farbigem Instrumentarium, immer wieder gekrönt von der frei improvisierend scheinenden Stimme von Montserrat Figueras. Das Ausdrucksspektrum reicht vom türkischen und bulgarischen Taksim über mittelalterliche Tänze und Gesänge höfischen und ländlichen Charakters zu wundervollen Instrumentaleinlagen der armenischen Duduk, geistlicher Kanonik, rezitierten Fundstücken, Guillaume Dufays kunstvoll verschlungener Kontrapunktik und Schlachtmusiken. Verteilt auf 7 Abschnitte von den Ursprüngen der Katharer im Abend- und Morgenland (um 950 n.Chr.) bis zum Ende der Katharer im Osten mit der osmanischen Eroberung Bosniens (1463). Dieses opulente SACD-Buch erschüttert die Fundamente des katholischen Klerus. Christoph Schlüren „Le Royaume Oublié“, Jordi Savall, Hespèrion XXI etc. (Alia Vox)
Hören Sie ausgewählte Titel der CDs, die hier besprochen werden, auf der crescendo premium-CD.
www.crescendo.de 01 2010 | 25 rezension
Wagner fürs neue Jahrhundert
SPEKTAKULÄRER RING AUF DVD Zubin Mehta hat jahrelang vergeblich versucht, Produzenten für eine Verfilmung von Wagners „Ring“ zu gewinnen. Der spektakuläre Zyklus, den Mehta anregte und 2007 in Valencia dirigierte, erschien nun auf 4 Doppel-DVDs und macht diese Idee überflüssig: Diese Produktion birst geradezu vor Spannung und wäre es mehr als wert, im Kino gezeigt zu werden! Hinzu kommen vier spannende „Making of“-Features. Die Theatertruppe La Fura dels Baus und Video-Designer Franc Aleu lassen Darstellungsebenen auf atemberaubende Weise überlagern. Die Facetten des „Rings“ und seine Warnung vor den Auswirkungen des RaubtierKapitalismus kommen noch bestürzender zum Ausdruck als in der legendären Inszenierung von Patrice Chéreau. Das Ensemble agiert und musiziert schlicht grandios. Sämtliche Rollen sind vorzüglich besetzt, allen voran Juha Uusitalo (Wotan), Lance Ryan (Siegfried) und Jennifer Wilson (Brünnhilde). Benjamin-Gunnar Cohrs
26. märz – 18. april
Wagner: „Der Ring des Nibelungen“, Chor und Orchester der Oper Valencia, Zubin Mehta (Unitel)
van Otter singt Barockarien
GETRAGEN VON LIEBE Wenn man diese CD hört, fragt man sich, warum Anne Sofie van Otter sich immer wieder ihrem Publikum anbiederte mit seicht arrangiertem Folklore oder geschmacklich fragwürdigen Projekten wie ihrer CD mit den ABBA-Songs. „Ich singe Sachen, die mich berühren, mir etwas persönlich bedeuten, sei es Mozart, Bach … oder Benny Andersson“, beteuert sie und zählt sie alle auf ohne Wertung – politisch korrekt eben, um ja niemanden zu verprellen. Schön, dass ihr auch die Barockarien von Charpentier, Lambert und Rameau „etwas bedeuten“. Mehr noch, ihre innige Interpretation hier lässt keinen Zweifel dran. Die Liebe in allen ihren Facetten gilt es hier zu besingen, in ihrer Wehmut, ihrem Schmerz, ihrer Freude. Selten wirkte die Künstlerin so erfüllt. Es ist eben ein Unterschied, ob man ein rein kommerzielles „Produkt“ macht oder getragen, inspiriert wird von großen Musikern wie Les Arts Florissants. Teresa Pieschacón Raphael „Ombre de mon amant“, Französische Barockarien, Les Arts Florissants, William Christie (Deutsche Grammophon)
Zilberstein am Bechstein
BRAHMS CON PASSIONE Abgesehen von einem winzigen „Schönheitsfehler“ hat diese CD mit den 8 Klavierstücken op. 76 und den Variationen op. 21 Nr. 1 & 2 von Johannes Brahms das Zeug zur Referenzaufnahme – ach was, sie ist es! Wo beginnen mit den Lobeshymnen? Bei dem warmen, leuchtenden und dabei gleichsam singenden Ton von Lilya Zilberstein? Bei der von ungeheurer Ruhe und Konzentration beseelten Interpretation? Oder beim audiophilen Klang der CD? Ein Geheimnis dieser Aufnahme ist sicherlich das stolze Instrument – ein Konzertflügel von C. Bechstein, Modell 280 – auf dem Zilberstein die Brahms-Partituren verzaubert. – Und der Schönheitsfehler? Der betrifft, um eine berühmte Kapitelüberschrift aus Thomas Manns Zauberberg zu variieren, nur die „Hülle des Wohllauts“: Weder im Booklet noch auf der CD findet sich eine Track-Liste mit Zeitangaben. Burkhard Schäfer
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Lilya Zilberstein: „Grand Piano Masters – Passione“ (K&K Verlagsanstalt)
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rezension 26 | www.crescendo.de 01 2010
WANDERER ZWISCHEN DEN RÄUMEN Ohne Zweifel ist Nicolas Bacri einer der handwerklich kultiviertesten Komponisten unserer Zeit. Der 1961 in Paris Geborene begann typisch französisch in der komplexen Tradition der Webern-Nachfolge mit besonderer Bewunderung Elliott Carters. Als er 1983 in Rom Giacinto Scelsi kennenlernte, erweiterte sich sein Spektrum nachhaltig. Die Erkundung intuitiv gefundener Klangräume führte zum offenen Bekenntnis zur Tonalität, und seither ist Bacri eine weltweite Leitfigur traditionsverbundenen Komponierens geworden. Als ich ihn vor ca. 8 Jahren kennenlernte, war ich fasziniert von seiner qualitätsbewussten Kenntnis nicht nur des kompletten gängigen Repertoires, sondern auch der ganzen Bandbreite unbekannter Musik im 20. Jahrhundert. Kaum etwas Interessantes, das Bacri nicht kennt. Das beeinflusst natürlich auch sein eigenes Schaffen, das voller Querbezüge und verborgener sowie offener Widmungen ist, und es ist für ihn selbstverständlich, sich zwischen der eigenen schöpferischen Arbeit mit der ganzen Vielfalt des Schaffens anderer zu befassen. Bacri ist zwar kein Stilpluralist, jedoch ein unermüdlicher Erkunder, Amalgamierer und Wanderer in unterschiedlichsten Räumen – historisch, ästhetisch, stilistisch. Seine besondere Vorliebe gilt dem Neoklassizismus, weswegen er das konzertante Schaffen ganz besonders pflegt (ca. 30 Werke in 30 Jahren). Hier kommen seine verspielte Leichtigkeit, unverkennbare französische Eleganz und nostalgische Gestimmtheit unmittelbar zum Ausdruck.
In seinen Streichquartetten hingegen ist er viel expressionistischer und dissonanter, und die Symphonien sind in der Faktur dichter und strenger. Herausragendes Werk der von der Tapiola Sinfonietta unter Jean-Jacques Kantorow solide eingespielten, klangtechnisch exzellenten Portrait-CD ist die 1995 entstandene 4. Symphonie ‚Sturm und Drang’. Jeder ihrer vier Sätze ist eine Hommage an einen der Großen der klassischen Moderne: Richard Strauss, Igor Strawinsky, Arnold Schönberg und Kurt Weill. Die konzertanten Stücke – darunter je ein neoromantisches Doppelkonzert für Oboe und Geige bzw. Oboe und Cello mit Streichorchester – profitieren sehr vom hohen Level der Solisten Lisa Batiashvili (Violine), François Leleux (Oboe), Sharon Bezaly (Flöte) und Riita Pesola (Cello). In den langsamen Sätzen liebt Bacri nächtliche Stimmungen, in den schnellen spielerische Ausgelassenheit bis hin zu wild herausfahrender Attacke. Mit einer Behendigkeit wie wenige Zeitgenossen entwirft er flüchtige Scherzo-Charaktere und geschmeidige fugierte Sätze. // Foto: www.nicolasbacri.net
Der französische Komponist Nicolas Bacri
Christoph Schlüren Bacri: 4. Symphonie „Sturm und Drang“, konzertante Werke, Tapiola Sinfonietta, Jean-Jacques Kantorow (BIS)
Cellokonzerte von Duport erstmals auf CD
Beethoven Klavier-Highlight
ENTDECKUNG FÜR LIEBHABER
BEKANNTES NEU INTERPRETIERT
Die Etüden von Jean-Louis Duport (1749–1819) sind Cellisten wohlbekannt, nicht jedoch seine sechs bis 1815 in zeitgenössischen Drucken erschienenen Cellokonzerte – wohl deshalb, weil es bis heute keine neue Spielausgabe davon gibt. Das wird wohl zunächst auch so bleiben, denn die hier vorgelegte Erstaufnahme der Konzerte vier bis sechs erfolgte leider nur aus einem handschriftlichen Stimmensatz. Umso dankbarer darf man den Initiatoren um den Cellisten Peter Hörr sein, diese ungemein virtuosen, die damaligen Grenzen der Spieltechnik neu setzenden Konzerte zumindest kennenlernen zu dürfen. Hörr und seine Hofkapelle Weimar spielen mit höchstem Einsatz und viel Druck, gewisse Unebenheiten in Kauf nehmend. Der Klang der Produktion ist vorzüglich. Eine willkommene Repertoire-Bereicherung, die hoffen lässt, dass die Konzerte 1 bis 3 bald folgen und auch ein Musikverlag sich endlich einmal für diese Werke interessiert.
Ronald Brautigams Beethoven-Projekt hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Frisch und unaufdringlich präsentiert er das 4. Klavierkonzert sowie die von Beethoven selbst besorgte Einrichtung des Violinkonzertes für Klavier. Man glaubt Bekanntes neu zu hören, so losgelöst von den romantisierenden Interpretationen hat er sich den Werken genähert. Auf dem modernen Steinway bringt er die Tugenden historisch informierten Spiels ein, artikuliert pointiert, teils überraschend hart, entwickelt ein überaus differenziertes Spiel der Dynamiken und weiß seinem Anschlag eine klingende Schärfe und Knappheit zu verleihen. Diese Stilistik greift auch das Norrköpping Symphony Orchestra unter Andrew Parrott auf, das vibratoarm und mit geschliffenen Bläserpassagen sensibel reagiert, ja geradezu kammermusikalisch mit dem Solopart dialogisiert. Transparenz, Balance, Phrasierung, alles fügt sich zu einem großen Ganzen, dass durch seine Intimität und Direktheit fasziniert.
Benjamin-Gunnar Cohrs
Uwe Schneider
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Beethoven: „Klavierkonzerte Nr. 4 & op. 61“, Brautigam (BIS)
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Volodos im Musikverein
Rossini für Bläser
IN TRANCE GESPIELT
NETTES NEBENBEI
Der Musikverein Wien: Welch größere Ehre für einen Musiker als ein Auftritt hier, in dem akustisch wohl besten Musiksaal der Welt, zwischen goldenen Säulen, im Spalier stehenden Karyatiden und der imposanten Orgel, auf der bereits Anton Bruckner spielte. Vom Plafond aus blicken Apoll und die Musen herab. Diesmal auf Arcadi Volodos. Ganz in Schwarz gekleidet betritt „The unsmiling virtuoso“ die Bühne, weltentrückt, von seinem Publikum kaum Notiz nehmend. Melodisch, von großer Liebe zum Detail erfüllt ist sein Spiel, ob bei der Sonata Nr. 7 von Skrjabin, Ravels „Valses nobles“, Schumanns intim bildhafte „Waldszenen“ oder Liszts satanischem Drama „Dante Sonate“. Oft scheint es, als spiele sich Volodos in Trance, impulsiv, ganz für sich, doch nicht immer mit einem Konzept. Bachs „Sicilienne“ zeigt es: Der musikalische Gedanke kommt nicht zum Ziel. Keiner weiß, wohin die Reise geht.
Ulf-Guido Schäfer, Soloklarinettist bei der Radiophilharmonie Hannover, hat diesen Nebenerwerb schon ein paar Jahre: Er bearbeitete Mendelssohns „Sommernachtstraum“ für Bläserquintett oder „Die lustigen Weiber“ für eine Oktett-Besetzung, schrieb zwei Kinderopern. Für sein Ma‘alot Quintet stutzte er nun zwei Rossini-Opern zurecht. Diese typischen Klänge sind ja bereits ins Ohr gebrannt: die festlich langsame Sinfonia am Anfang, die den Horizont absteckt. Dann folgen Arien, Chöre, schließlich das große Finale, gern mit secco-Schluss. Die Fagotte und Celli sägen dabei Quartachtel und Terzachtel, Klarinette und Flöte liefern sich verschmitzte Duette, die Geigen kichern ein paar Sechzehntel. Was läge näher, als die Melodien, die vor zweihundert Jahren in jedem dritten Haushalt gepfiffen wurden, für kleines Ensemble zu bearbeiten? Fazit: Nichts fürchterlich weltbewegendes. Aber: nett. Martin Morgenstern
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Jean-Louis Duport: „Cellokonzerte Nr. 4 – 6“; Peter Hörr, Hofkapelle Weimar (MDG)
Mehr Ma‘alot Quintet auf der crescendo premium-CD, Track 1.
Mehr Duport auf der crescendo premium-CD, Track 4.
www.crescendo.de 01 2010 | 27 rezension
Gioacchino Rossini: „Harmoniemusik für Bläserquintett“, Ma‘alot Quintet (MDG)
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23. april bis 13. juni 2010 KartenvorverKauf & InformatIon
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rezension 28 | www.crescendo.de 01 2010
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Absolute Spitzenklasse Stereoplay 10/08
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Paul Hindemith und Nikolaus Harnoncourt: Als sie Anfang der Fünfziger einander begegneten war Hindemith ein etablierter Komponist und Dirigent über sechzig und Harnoncourt ein junger ungestümer Cellist der Wiener Symphoniker, der alles dran setzte, die Musikwelt aus den Angeln zu heben. Beide verband die Liebe zur Alten Musik und den historischen Instrumenten, die Harnoncourt leidenschaftlich sammelte, weshalb man gleich zu ihm ging, als es hieß, Hindemith wolle in Wien „L’ Orfeo“ produzieren. „Außer den Harfen, den Tasteninstrumenten und den Zinken konnte ich alles beisteuern.“ Mit Kollegen, dem späteren Concentus Musicus, „haben wir in der Josefstädter Straße das ganze Instrumentarium durchprobiert. Es hat entsetzlich geklungen mit den Zinken!“ „Wie die Irren“ übten sie bis zu jenem Tag 1954, als die Oper konzertant unter der Leitung von Hindemith aufgeführt wurde. Der Rest ist Geschichte.
Die CD schlägt im Ohr ein wie eine Bombe. Drei Konzerte Francis Poulencs werden geboten: das für zwei Klaviere und Orchester in einer krachenden Version für zwei Klaviere, Orgel (Hansjörg Albrecht) und Schlagzeug (Babette Haag). Das besinnliche „Concert champêtre“ (Cembalokonzert), geschrieben für Wanda Landowska, die sich bei der Uraufführung durch die Musik „völlig unbeschwert und fröhlich“ fühlte (bis heute können wir‘s nachvollziehen). Und schließlich das von Marcel Duruflé registrierte und auch uraufgeführte große Orgelkonzert von 1938. Einsätzig ist es, wuchtig, kantig; die grandiosen Klangsäulen werden noch durch Paukenwirbel dramatisiert. Aber auch leise, unirdische Passagen gibt es. Das Bach Collegium München begleitet Albrecht kongenial. Zuhörende Kleinkinder verstecken sich weinend hinter den Eltern. Das ist Musik! Kraftvoller, frischer als so mancher heutige Neutöner. Martin Morgenstern
Teresa Pieschacón Raphael Claudio Monteverdi: „L’Orfeo“, Paul Hindemith (ORF Edition Alte Musik)
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Poulenc: „Concerto“, Tal & Groethuysen, Bach Collegium München, Hansjörg Albrecht (Oehms Classics)
Keenlyside: Liedgesang vom Feinsten
Ewa Kupiec spielt Chopin und Schubert
TRAUMHAFTES RECITAL
BRILLANTE KONFUSION
Der britische Bariton Simon Keenlyside hat sich kontinuierlich an die Weltspitze gesungen, ohne Hochglanz-PR und Eventglamour. Sein Trumpf ist ein Bariton von bemerkenswerter Musikalität, überaus flexibel gestaltend, farbenreich und zu zartesten Nuancen fähig. Dieses Liedrecital unterstreicht das ohrenfällig. Sein samtiges Timbre und expressive Phrasierung, seine in allen Registern ausgeglichene Stimmführung, erschließen die Liedminiaturen Schuberts, Wolfs, Faurés und Ravels in solcher Plastizität, dass man den ebenso schlichten wie theatralischen Gestus der Stimme nur bewundern kann. Wie er mit vorbildlicher Artikulation aus Text und Harmonik Klangfarben zaubert, sensibel die Phrasen aufblühen und ersterben lässt, kann man sich überzeugender kaum denken. Malcolm Martineau ist ihm ein ebenbürtiger Begleiter, gemeinsam gestalten sie hier eine der besten Lieder-CDs seit langem. Uwe Schneider
Die polnische Pianistin Ewa Kupiec verfügt über feine Klangkultur, was auch tontechnisch sehr gut dokumentiert ist. Woran es fehlt, ist das organische Erfassen der Musik. Bei Schuberts später G-Dur-Sonate steht immer wienerndes FreistilRubato der zusammenhängenden Gestaltung des Rhythmischen und Melodischen (ganz zu schweigen von der harmonischen Progression) im Wege, und besonders das Finale bleibt ganz fremd. Viel extremer sind die Willkürlichkeiten bei Chopin. Gerade die Mazurken op. 59 und die Barcarolle irrlichtern in den hineingedeuteten Temporückungen. Mit den dynamischen Maßgaben der Komponisten verfährt Ewa Kupiec nach Belieben und verkehrt vieles ins glatte Gegenteil, wodurch es kurzatmig wird und verschwimmt, auch in der Polonaise-Fantasie und den Nocturnes op. 62. Bei Schubert fehlt es auch an physischer Kraft. Insgesamt pianistisch brillant und musikalisch konfus. Christoph Schlüren
Simon Keenlyside, „Lieder von Schubert, Wolf, Fauré, Ravel“ (Wigmore Hall)
Ewa Kupiec: „Zal“, Chopin & Schubert (Solaris Records)
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Hindemiths L´Orfeo
www.crescendo.de 01 2010 | 29 rezension
Capuçon spielt Tschaikowsky und Prokofjew
Bruckners Achte wie immer
KEIN ROSTROPOWITSCH
ÜBERZÜCHTETER SCHÖNKLANG
Wie Johnny Depp gibt er sich auf dem Cover, der Blick grimmig, hinter schwarzen kinnlangen Haarsträhnen versteckt; an der Hemdmanschette die Initialen GC. Wir hätten Gautier Capuçon auch so erkannt. Der französische Cellist ist nach St. Petersburg gekommen um unter Ägide von Valery Gergiev Prokofjews selten gespielte Sinfonia Concertante op. 125 aufzunehmen, seinerzeit Mstislaw Rostropowitsch gewidmet, der das Werk 1952 zur Uraufführung brachte. Ich weiß, der Vergleich ist unfair, aber die Power des Alten und schwelgerische Expressivität für Prokofjews prägnante Melodik und Rhythmen – man staune auf you tube – hat der junge Gautier Capuçon nicht. Zart, fast sentimental und Melodien-verliebt gibt sich der Jüngling, von Valery Gergiev unterstützt; das wird dem leidenschaftlichen Prokofjew nicht gerecht. Solide musiziert: Tschaikowskys Variationen über ein Rokoko-Thema. Teresa Pieschacón Raphael
In den ausgetretenen Spuren monumentalisierender Bruckner-Hohepriester wandelnd, begeht Yannick Nézet-Séguin die immer gleichen alten Fehler: Umkehrung von Bruckners Bogenstrichen zu Beginn des Finale, Nicht-Berücksichtigung der Tempo-Relationen und eine Sicht, die Bruckners eigene Erklärungen (Todesverkündigung im ersten Satz, nationalistische Militärmusik im letzten) achselzuckend abtut. Die Tempi walzen einschläfernd dahin; Kontraste werden nivelliert. Das Orchester musiziert in überzüchtetem Schönklang, doch monochrom; dazu passend der breite Panorama-Klang der CD. Die Wahl der Bruckners Absichten verfälschenden Haas-Ausgabe der Zweitfassung und ein hoffnungslos hinter Resultaten jüngerer BrucknerForschung zurückfallender Booklet-Text machen das Ärgernis komplett. Eine Produktion, die die großen Defizite der Bruckner-Aufführungspraxis im Vergleich etwa zu Beethoven oder Schubert erhärtet. Benjamin-Gunnar Cohrs
Tschaikowsky: „Variationen über ein Rokoko-Thema“, Prokofjew: „Sinfonia Concertante“, Gautier Capuçon, Orchestra of the Mariinsky Theatre, Valery Gergiev (Virgin Classics)
Jonkes Hörbuch über Händel
Stilistische Klarheit
BIS DASS DER KOPF PLATZT
AUTHENTISCHES KLANGGEWAND
Sopranist Jörg Waschinski wirkte an der Platte mit, das Ensemble Concert Royal Köln und Martin Schmeding an der großen Orgel in der Kathedrale Dresden. Und dann ist man doch ein bisschen enttäuscht: der Hauptheld von „Der Kopf des Georg Friedrich Händel“ ist nämlich nicht etwa Händel oder seine Musik – sondern post mortem der österreichische Schriftsteller Gert Jonke, der 1977 durch den Ingeborg-Bachmann-Preis in die Öffentlichkeit katapultiert wurde. Sprachlich in Szene gesetzt von Ulrich Tukur, sind Jonkes verschraubte Sätze – einige davon weit länger als diese Rezension – intellektualistische Ungetüme. Kafkaeske Situationen, verbrämt durch indirekte Rede und altertümliche Wendungen, dominieren. Zwar entsteht ein durchaus in sich stimmiges Zeitgemälde; wenn man die CD einmal „durchgearbeitet“ hat, verschenkt man sie lieber an seinen Psychiater, als sie noch einmal hören zu müssen.
Kaum ist das Mendelssohn-Jahr 2009 verklungen, folgt noch eine Maßstäbe setzende CD mit Liedern des Komponisten. Tenor Thomas Michael Allen hat sich dem oft vernachlässigten Liedschaffen Mendelssohns angenommen und mit schlankem, klar fokussiertem, frei aufblühendem Tenor exemplarische Interpretationen aufgenommen. Es ist ein Mendelssohn voller Intimität, mit wechselndem Farbenspiel der Stimme und dabei mit vorbildlicher Diktion. Episodenreich gestaltet er mit der präzise reagierenden Reinild Mees, die auf einem historischen Pianoforte in großer Klarheit und Vitalität begleitet, Gefühlsregungen zwischen Überschwang und Melancholie. Im kongenialen Zusammenwirken der beiden Künstler eröffnet sich ein Farb- und Klangspektrum, dass virtuos die Stilistik der Salons des 19. Jahrhunderts heraufbeschwört, Authentizität atmet und einmal mehr verdeutlicht, dass Lieder dieser Epoche keine Kunstgebilde sind, sondern intime, persönliche Gedankengebilde. Uwe Schneider
Martin Morgenstern „Der Kopf des Georg Friedrich Händel“, eine Erzählung von Gert Jonke, gelesen von Ulrich Tukur (CybeleRecords)
Mendelssohn: „Lieder mit und ohne Worte“, Thomas Michael Allen (Ars)
2010 für Klaviertrio/ Klavierquartett
Jury Julia Fischer, Angelika Merkle, Nils Mönkemeyer, Johannes Moser, Michael Sanderling, Christian Zacharias
Preise 1. Preis 15.000 Euro 2. Preis 6.000 Euro 3. Preis 4.500 Euro
14.–17. + 19. September 2010 www.commerzbank-kammermusikpreis.de
Mehr Allen auf der crescendo premium-CD, Track 5.
Anton Bruckner: „Achte Sinfonie c-Moll“, Orchestre Métropolitain, Yannick Nézet-Séguin (ATMA Classique)
rezension 30 | www.crescendo.de 01 2010
HERAUSRAGENDE HÖREMPFEHLUNGEN
VON SONY MUSIC
ARCADI VOLODOS LIVE IN WIEN Erhältlich als Doppel-CD, SACD, DVD & BluRay Disc
88697568872
Konzerte 22.03.10 Frankfurt/Main, Alte Oper 24.03.10 München, Prinzregententheater 30.03.10 Tübingen
„90 Minuten gibt es da gewaltig was auf die Ohren. Geballte Konzentration und hohe Virtuosität wechselt mit extrem ruhigen, lyrischen Passagen, am beeindruckendsten in der ersten Zugabe nach Liszts titanischer Dante-Sonate; das kleine, unscheinbare Siciliano von Bach/Vivaldi, da stockt einem der Atem. Volodos gehört zu den neuen Pianisten, die wissen, dass zum Musikmachen neben Technik vor allem auch Geist gehört. Exzellent.“ Audio: Klassik-CD des Monats www.volodos.de
Mozarts Idomeneo mustergültig
SCHLÜSSIG INSZENIERT Nikolaus Harnoncourt scheint der bislang einzige, der dies Werk verstanden hat – eine Oper zwar in italienischer Sprache, aber im französischen Stil mitsamt bedeutender Ballett-Teile, welche aber leider oft weggelassen werden. So wichtig ist ihm diese Oper, dass er sie 2008 beim Festival Styriarte in Graz gemeinsam mit seinem Sohn Phillip selbst inszeniert hat. Der Mitschnitt ist nun in der neuen Styriarte Festival Edition auf DVD erschienen: Erst auf diesem Medium kommen alle Facetten der Oper zur Geltung. Dem Ballett vom Zürcher Schauspielhaus, einem vorzüglichen Gesangs-Ensemble und dem Concentus Musicus Wien ist hier eine Sternstunde zu verdanken. Harnoncourt hielt sich mit wenigen Ausnahmen an Mozarts eigene, für München gestraffte Version und orientierte sich am Manuskript der Partitur. Heraus kam die bislang einzige wirklich überzeugende Inszenierung: Ein Muss für Opern-Liebhaber! Benjamin-Gunnar Cohrs Wolfgang Amadeus Mozart: „Idomeneo“, Concentus Musicus, Nikolaus Harnoncourt (Styriarte Festival Edition)
Tamerlano: schön und markant
SUBTILE DARSTELLUNGSKUNST OLGA SCHEPS CHOPIN 88697577612
Die junge Pianistin widmet ihr Debüt bei RCA ganz dem Klavierwerk Frédéric Chopins. Konzerte 07.02.10 Hamburg, Laeiszhalle 09.02.10 Berlin, Kammermusiksaal
Mit den „Trois Nouvelles Études“, der Ballade op. 23 sowie dem Nocturne op. posth. u.v.m. Mit der Live-Einspielung der Fantasie op. 49 vom Klavier-Festival Ruhr 2009. „Wir befinden uns im Chopin-Jahr, und aus Anlass des 200. Geburtstags des polnischen Komponisten wird es eine wahre Flut von neuen CDs geben. Das Debütalbum der erst 24 Jahre alten, aus Russland stammenden Pianistin Olga Scheps dürfte zu den besten gehören: Diese Etüden, Walzer und Mazurken leuchten in allen nur denkbaren Schattierungen. Glänzend.“ Stern
Ohne abstruse Regietheater-Ambitionen, jedoch erfrischend, schön und markant hat Jonathan Miller Händels 1724 komponierte Oper „Tamerlano“ 2001 inszeniert. Die Kunst liegt in der souveränen, ruhigen Personenführung, im schauspielerisch verfeinerten Ausdruck, in den Subtilitäten der Darstellung. Die Farbenpracht orientalischer Kostüme kontrastiert mit der aufs Minimum reduzierten Bühne. Sehr ansprechend sind die sängerischen Leistungen (Monica Bacelli, Thomas Randle, Graham Pushee, Anna Bonitatibus, Elisabeth Norberg-Schulz und Antonio Abete). Trevor Pinnock leitet das English Concert in wohltuend abgeklärter Weise, die innige Emphase und das breite Auskosten von Klage und Verliebtheit nicht scheut. Im Orchester fallen die Betonungen fast immer eindimensional mit dem Beat zusammen, was leider die heutige Normalität ist. Davon abgesehen sehr empfehlenswert. Christoph Schlüren Händel: „Tamerlano“, Händel-Festspiele Halle 2001 (3sat edition)
www.olgascheps.de
Glucks Tanzoper aus Paris
88697574122
PINA BAUSCHS VERMÄCHTNIS
ARTHUR RUBINSTEIN BEST OF CHOPIN Der polnische Pianist Arthur Rubinstein zählt bis heute zu den größten Chopin Interpreten aller Zeiten. Auf der Doppel-CD finden sich die bekanntesten Werke Chopins in Rubinsteins unvergleichlichen Interpretationen, darunter die beiden Klavierkonzerte Chopins und die berühmtesten Walzer, Marzurken, Polonaisen, Fantasien, Balladen und Etüden von Chopin.
„Mich interessiert nicht, wie sich Menschen bewegen, sondern was sie bewegt“ war ihr Credo. Vor über einem halben Jahr starb Pina Bausch, die Revoluzzerin des Tanzes, deren Inszenierungen auf der ganzen Welt erkannt wurden. Grundstimmungen interessierten sie, die Kernfragen der menschlichen Existenz. Bauschs Vermächtnis zu erhalten wird nicht einfach sein, verbat sie sich jeden Mitschnitt. Mit Ausnahme von Glucks Tanzoper „Orpheus und Eurydike“ von 1975, die hier in einer Wiederaufnahme von 2008 präsentiert wird. Sie ist zwar noch in traditioneller Modern-Dance Manier inszeniert; doch die kraftvollen, kreisenden Bewegungen der Tänzer und leeren Räume, mit denen Bausch Jahre später das Bildungsbürgertum so verschrecken sollte, sind schon da. Wie verloren irrt Orpheus herum, starrt gen Himmel, krümmt sich, fällt. Faszinierend! Teresa Pieschacón Raphael Gluck: „Orpheus und Eurydike“, Pina Bausch (Bel Air Classiques)
www.sonymusicclassical.de
www.crescendo.de 01 2010 | 31 portrait
SEMPEROPER NEU BELICHTET
Foto: v.l. Matthias Creutziger, MDR
Zuerst Thielemann, dann unveröffentlichte Aufnahmen und jetzt eine grandiose Edition. In Dresden tut sich was!
Ein kulturpolitisches Beben war das schon, als Christian Thielemann im Herbst , drei Tage vor den lange angesetzten Nachverhandlungen in München, plötzlich verkündete, mit der Verpflichtung zum Chefdirigenten der Sächsischen Staatskapelle erfülle sich für ihn ein Traum. Eine gute Woche war diese Nachricht alt, als die Fernsehaufnahmen für den ECHO Klassik anstanden. Das gastgebende Orchester, eben jene „Kapelle“, wie sie in und um Dresden liebevoll abgekürzt wird, wurde als „Orchester des Jahres“ prämiert. Als die Kameras schon ausgeschaltet waren, wurden dem Ensemble dann sogar noch zwei weitere ECHO-Preise zuteil; einer davon für die „Fritz-Busch-Box“, eine üppig ausgestattete CD-DVD-Schachtel mit sämtlichen Aufnahmen aus den er und er Jahren. Was Wunder, dass der Mitteldeutsche Rundfunk, der gemeinsam mit dem Label Profil-Edition Günter Hänssler diese „Edition Staatskapelle Dresden“ auf den Weg gebracht hatte, jetzt nachlegt. Pünktlich zum -jährigen Jubiläum der Wiedereröffnung der Dresdner Semperoper startet am 1. Februar 1 eine neue Edition: es geht um nicht weniger als die vollständige audiovisuelle Rekonstruktion der wechselhaften Geschichte des bekannten Opernhauses. Steffen Lieberwirth, Chef-Produzent beim MDR Hörfunk und Initiator des Projektes, kündigte an: „Mitarbeiter der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden haben Bildmaterial ausfindig gemacht, das noch niemand zuvor gesehen hat. Zum Teil wurden erstmals Bilder ausbelichtet, die seit sechs Jahrzehnten nur als Kontaktabzüge archiviert waren.“ Das Deutsche Rundfunkarchiv wiederum konnte Live-Mitschnitte und Studioproduktionen ausfin-
dig machen, die wegen ihres fragilen technischen Zustandes als ‚nicht sendefähig‘ deklariert waren und nach einer aufwendigen Restaurierung nun erstmals wieder hörbar werden. So wolle man, sagt Lieberwirth, „auf spannende Weise die Dresdner Aufführungsgeschichte erlebbar werden lassen.“ Nummer 1 der Semperoper Edition beginnt mit den frühesten Dresdner Aufnahmen nach 1 und deckt chronologisch die Zeit bis zur Eröffnung des Großen Hauses im Sommer 1 ab. Die Mitschnitte entstanden unter teils abenteuerlichen Umständen im Kurhaus Bühlau, das der Staatskapelle nach Kriegsende als Aushilfsquartier diente, aber auch im Hygienemuseum oder sogar gänzlich auswärts, beispielsweise in Leipzig. Opernliebhaber können sich auf Trouvalien mit Christel Goltz, Elfride Trötschel, Bernd Aldenhoff, Gottlob Frick und nahezu allen Mitgliedern des damaligen Dresdner Opernensembles freuen. Joseph Keilberth oder die Sopranistin Lisa Otto schildern dazu in historischen Rundfunkinterviews die Stimmung jener Jahre. Und die Berliner DEFA-Stiftung, die ebenfalls als Partner gewonnen werden konnte, steuert Original-Filmausschnitte bei, die auf DVD beiliegen werden. Ob spätere Ausgaben der Reihe dann ergänzend zum Mitschnitt vom 1. Februar 1 (Thielemann wird die „Missa Solemnis“ dirigieren) exklusiv enthüllen können, wie der neue Chef auf einer Alpentour vom Dresdner Orchestervorstand umgarnt wurde? Durchhalten lautet die Parole, das könnte spannend werden. Martin Morgenstern Semperoper Edition Vol. 1 erscheint im Februar bei Profil-Edition Günter Hänssler.
Mehr Lisa Otto auf der crescendo premium-CD, Track 2.
Bühne von „hohem Rang“: Die Semperoper und (oben rechts) eines von vielen wieder entdeckten Fotos von vor 60 Jahren.
interview 32 | www.crescendo.de 01 2010
Die letzte Diva
Montserrat Caballé feiert ihr 50-jähriges Bühnenjubiläum in Deutschland. Wir trafen sie am Rande eines Konzerts und erlebten eine Frau, die einfach weiter singen möchte. VON T HOMAS VOIGT
Seit Dezember tourt sie wieder: Konzerte in Bremen, Bonn, Düsseldorf, Berlin, München, Köln. Montserrat Caballé feiert Jahre Deutschland. Nach drei Anfängerjahren in Basel kam sie 1 nach Bremen – und erhielt dort ihre Grundausbildung für die spätere WeltKarriere. In Bonn stellte sie sich nun den Fragen unseres Autors. crescendo: Frau Caballé, ich bewundere ihr Durchhaltevermögen. Montserrat Caballé: Wieso? crescendo: Tourneen sind anstrengend, und was Sie mit noch
alles schaffen, ist enorm. Was treibt sie zu solchen Leistungen an? Sie könnten doch auch ganz gemütlich zu Hause sitzen, im Kreis ihrer Familie, und das Leben genießen. Caballé: Ja, und wenn ich nur zu Hause sitze – was soll ich dann machen? Warten, dass der liebe Gott mich holt? Nein, Singen ist für mich jedes Mal ein Fest. Auch wenn ich mich heute oft frage: Was erwarten die Zuhörer von mir, was kann ich denen geben, dass sie nicht enttäusche? Und ich bin immer wieder neu überwältigt, mit welcher Herzlichkeit und Wärme ich empfangen werde. crescendo: Haben Sie manchmal Angst vorm Auftritt? Caballé: Selten, und dann ist es eher eine Nervosität. Zum Glück hatte ich niemals unter diesen Panik-Attacken zu leiden, mit denen einige berühmte Sänger ihr Leben lang zu kämpfen hatten. Zum Beispiel Franco Corelli. Manchmal war das so schlimm bei ihm, dass man ihn buchstäblich auf die Bühne schieben musste. Aber dann hat er gesungen wie ein Gott. crescendo: Ihr „Markenzeichen“ ist eine phänomenale Atemkontrolle. Muss man für diese Technik besonders begabt sein oder kann die jeder lernen? Caballé: Das kann jeder lernen, der sich die Mühe macht, konstant daran zu arbeiten. Voraussetzung ist, dass man seinen Körper genau kennt und weiß, wie er funktioniert. Man muss zum Beispiel wissen, dass Atmen beim Singen ganz anders funktioniert als beim Sport oder beim Sex. Als Baby und als Kleinkind atmet man automatisch richtig, deshalb können Kinder stundenlang sehr laut sein, ohne heiser zu werden. Sie atmen instinktiv richtig. Leider verlernen die meisten Menschen diese angeborene Fähigkeit, und der Gesangsunterricht ist nicht zuletzt dafür da, zurückzugewinnen, was man als Kind instinktiv beherrscht hat. Was man einmal automatisch konnte, muss man jetzt bewusst erlernen – und trainieren, trainieren, trainieren. crescendo: Was sollte, neben dem Talent, Ihrer Meinung nach die Haupt-Motivation sein, um Sänger zu werden?
Caballé: Die Liebe zur Musik. Der Respekt vor dem Komponisten.
Der Wunsch, etwas zum Ausdruck zu bringen, das den Zuhörer erreicht und bewegt. Und eine gesunde Selbsteinschätzung, die einem sagt: Das eine kann ich heute singen, das andere erst in zehn Jahren. Aber nicht: „Ich will berühmt werden und viel Geld verdienen“. Das kommt von selbst, wenn man Glück hat, als Resultat einer guten Leistung. Aber es darf nicht die erste Motivation sein. crescendo: Sie singen seit Jahren in Deutschland. Nach drei Anfängerjahren in Basel waren sie von 1 bis 1 an der Oper in Bremen. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Zeit? Caballé: Nur gute. Ich war in Bremen sehr glücklich, nicht nur als Sängerin, sondern auch als Mensch. Meine Familie war bei mir, und ich hatte gute Freunde. Als mein Vater während dieser Zeit sehr krank wurde, hat man ihn hervorragend versorgt. An der Oper habe ich sehr viel gelernt, von den Dirigenten George Alexander Albrecht und Heinz Wallberg, von sehr guten Korrepetitoren und Kollegen. Das war quasi die Basis für meine OpernKarriere. In den drei Jahren davor, während meines ersten Engagements in Basel, lebte ich eher in einer Traumwelt: Eine Anfängerin im Zauberland der Oper. Zwar wurde ich sehr bald vom „Cover“ in die erste Reihe katapultiert: Ich musste viele Partien von Irene Salemka übernehmen, die nach London gewechselt war, aber es erschien mir alles wie ein schöner Traum. In Bremen lernte ich, was Bühnen-Realität und Professionalität bedeuten. crescendo: Daher auch Ihre Liebe zu Mozart und Strauss? Caballé: Nein, die hatte ich schon während meines Studiums. Ich denke, beide Komponisten sind auch von zentraler Bedeutung für meinen Weg als Sängerin. Meine erste Strausspartie war Salome, da war ich Anfängerin in Basel und Cover für Inge Borkh. Ich habe sie sehr bewundert, war natürlich voller Komplexe. Als ich dann einspringen musste, ging zum Glück alles gut. Und damals war ich natürlich schlanker als heute. Mein Debüt in meiner Heimatstadt Barcelona war wieder eine Strauss-Oper, „Arabella“. 1 bin ich in Wien als Elvira eingesprungen (Eberhard Wächter sang die Titelrolle). Zur Elektra ist es leider nicht mehr gekommen. Aber mein anderer großer Traum ist in Erfüllung gegangen: Isolde. Die habe ich in Barcelona neben René Kollo und Brigitte Fassbaender gesungen. crescendo: Bei „Salome“ fällt mir eine Aufführung in Barcelona ein, bei der es zum Schluss einen kleinen Unfall gab. Caballé: Oh Gott, die Silberschüssel! Die war nicht echt, nicht stabil, sondern aus Plastik. Und dann kommt doch die Szene, wo sich Salome über die Schüssel beugt, um den Kopf des Jochanaan zu
Wenn ich zuhause sitze, was soll ich dann machen? Warten, bis der liebe Gott mich holt?
www.crescendo.de 01 2010 | 33 interview
Montserrat Caballé, 76, ein paar Minuten vor ihrem Auftritt in der Bonner Oper. „Machen Sie hin, ich muss gleich singen.“
küssen. Das ist eine ganz leise Stelle, co“ abgeraten. „Tue es nicht, wenn du piano im Orchester. Ich stütze mich weiterhin Norma singen willst!“ Naalso am Rand der Schüssel ab – und türlich habe ich auf ihren Rat gehört, es gibt einen lauten Knacks. Die und vielleicht ist das mit ein Grund, Schüssel bricht entzwei, die Kopfwarum ich heute noch singe. Attrappe wackelt, und ich muss mich crescendo: Hören Sie ab und zu Ihre natürlich furchtbar beherrschen, um Platten? nicht laut zu lachen. Caballé: Selten. Und wenn, dann lieber crescendo: Ist es schon mal vorgedie Live-Aufnahmen. Die sind echt, kommen, dass Sie vor Lachen nicht ungeschönt, mit allen Stärken und weitersingen konnten? Schwächen. Und man spürt diese Caballé: Ja, bei einer „Ariadne“ an der besondere Energie, die eben nur auf Metropolitan Opera, im Vorspiel, der Bühne entsteht. Die Studio-Aufwenn die Primadonna sich für den nahmen klingen besser – aber etwas Auftritt fertig macht. Ich hatte etwas fehlt, manchmal sogar das Wesentauf dem Kopf, das war keine richtige liche. Wie zum Beispiel bei unserer Perücke, sondern so etwas ImproviAufnahme von „La Bohème“. Als siertes. Und ich stehe auf, ohne zu wir zur ersten Aufnahmesitzung merken, dass meine Kollegin noch erschienen waren, sammelte Georg damit beschäftigt ist, meine „Haare“ Solti unsere Klavierauszüge ein und zu kämmen. Da stand sie nun mit packte sie in einen großen Karton. dem Ding in der Hand – und wir „Keine Sorge“, sagte er, „die kriegt konnten alle vor Lachen nicht weiMontserrat Caballé genießt zusammen mit Manuel ihr hinterher zurück. Hier habe ich ter singen. Burgueras den Applaus des Bonner Publikums. neue, jungfräuliche Auszüge für crescendo: Ihr Lachen bei Talkshows euch. Ich möchte, dass ihr nur singt, ist legendär. Man hat immer den Eindruck, dass Sie diese Auftritte was in den Noten steht – keine traditionellen Zutaten, kein falsches sehr genießen. Sentiment.“ Dann hat er ein Metronom aufgestellt. Und begonnen Caballé: Das tue ich. Es gefällt mir sehr, wenn ich als Opern- und wurde mit dem letzten Akt, damit bloß keine „falschen Emotionen“ Liedersängerin ein ganz anderes Publikum erreiche – mit ein aufkommen. Das Resultat: Musikalische Exaktheit, Notentreue Grund, warum mir die Arbeit mit Freddy Mercury, Mario Adorf ohne Herz. Als er uns die neuen Auszüge schenken wollte, haben oder Vangelis so viel Freude gemacht hat. Ich finde es toll, wenn wir dankend abgelehnt. „Seid Ihr denn nicht zufrieden? “, fragte man die künstlichen Grenzen zwischen den Sparten überschreitet. er Plácido und mich. Worauf wir unisono sagten „Nein“. „Es sind crescendo: Wie kam es überhaupt zu dem Duo Caballé-Mercury? sehr schöne Tempi“, fügte ich hinzu, „es klingt alles sehr gut, aber Caballé: Freddy war ein großer Opernfan, und er wäre am liebsten es hat kein Herz“. „Ach was‚ Herz“, erwiderte Solti, „das sind doch auch Opernsänger geworden. Eines Abends sang ich in London, bloß Manierismen“. und er kam nach der Vorstellung in meine Garderobe. Wir spracrescendo: Singen ist Ausdruck von Lebensfreude. Wie ist das bei chen unter anderem über Pläne zur Olympiade in Barcelona: Man Profi-Sängern? Bleibt noch etwas von diesem Glücksgefühl erhalhatte mich gebeten, einen Song zur Eröffnung zu singen, etwas ten, wenn man so lange auf der Bühne steht? Populäres und Modernes. Und da meinte mein Bruder Carlos, der Caballé: Oh ja. Wenn Du mit Partnern wie Plácido Domingo auf der ja mein Manager ist: Wie wär’s, wenn ihr beide das Lied singt? Bühne stehst oder einen tollen Dirigenten hast, dann ist es wie im Freddy hat sofort zugesagt, und so ist „Barcelona“ entstanden, ein siebten Himmel! Manchmal ist es eine Art Trance: Du bist total in Song, der als Werbung für meine Heimatstadt um die Welt ging. der Musik und vergisst alles um dich herum. Das ist mir bis heute crescendo: Stimmt es, dass Sie gesagt haben: „Die Callas war eine geblieben, wo ich so alt geworden bin und wo mir das Singen nicht Künstlerin. Ich bin nur eine Sängerin mit schöner Stimme“? mehr so leicht fällt. Wenn alles gut läuft, ist es immer noch wie ein Caballé: Ja, das habe ich gesagt, und es stimmt ja auch. Die Callas schöner Traum. Auch danach. Überall wo ich hinkomme, finde war die Essenz des Theaters, eine Kategorie für sich. Leider habe ich Menschen, die mich lieben. Darunter viele junge Menschen, ich sie nicht mehr live in der Oper erlebt, aber ich habe sie später, die mich nur von Platten gekannt und zum ersten Mal live gehört als sie nicht mehr sang, öfters in Paris besucht. Sie war immer sehr haben. Das ist wirklich ein wunderbares Gefühl, das ich nur jedem nett zu mir, auch sehr ehrlich. Als ich sie zum Beispiel fragte, ob Sänger wünschen kann. // ich das Angebot annehmen soll, die Lady Macbeth an der Mailänder Scala zu singen, meinte sie: „Du hast die großen Szenen Montserrat Caballé live: der Lady auf Platten aufgenommen, warum willst Du das auf der Düsseldorf, Tonhalle: 30. 01. / Zürich, Tonhalle: 05. 02. Berlin, Philharmonie: 14. 02. / München, Gasteig: 22. 04. Bühne singen? Deine Stimme ist schön und sanft, aber für die Lady verlangte Verdi die ‚Stimme eines Teufels’. Es wäre doch traurig, Zu einer Reise zu den wichtigsten Stationen in Montserrat wenn Du den schönen Elfenbeinklang deiner Stimme verlierst“. Caballés Leben, lädt die DVD „Caballé. Beyond Music“ ein, die vor Kurzem bei medici arts erschienen ist. Aus dem gleichen Grund hat sie mir von der Abigaille in „Nabuc-
Fotos: Bob Coat
interview 34 | www.crescendo.de 01 2010
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Datum
Unterschrift
geburtstag 36 | www.crescendo.de 01 2010
Über den Antrieb eines Unentschlossenen
Illustration: Olaf Hajek
Eva Gesine Baur hat zum 200. Geburtstag ein Buch über Frédéric Chopin geschrieben und sehr aufschlussreiche Thesen über dessen sensibles Wesen recherchiert. V O N C H R I S T O P H S C H L Ü R E N
A
ls Autorin ist sie ein Allrounder der Kultur des Sinnlichen: Eva Gesine Baur – auch bekannt unter dem Pseudonym Lea Singer (etwa mit dem brillanten Paul Wittgenstein-Roman „Konzert für die linke Hand“) – ist Kochkünstlerin, Chronistin, Schriftstellerin und populäre Geisteswissenschaftlerin in Personalunion. Nun hat sie pünktlich zum 200. Geburtstag eine Biographie von Frédéric Chopin vorgelegt – jenes Komponisten, der wie kein anderer für die Klaviermusik der Romantik steht. „Chopin oder die Sehnsucht“ ist nicht irgendeine weitere Biographie geworden, sondern ein so umfang-
reiches wie kurzweilig zu lesendes Seismogramm eines Künstlerlebens, das mit einer Fülle neuer Erkenntnisse und umfassender Horizonterweiterung hinsichtlich der Lebensumstände, des persönlichen Umfelds überrascht. Neben der faktischen Genauigkeit überzeugt das im historischen Präsens geschriebene Buch durch einen durchgehenden dramatischen Sog. Eva Gesine Baur ging es vor allem darum, Chopin verstehen zu lernen, „aus seinen Räumen heraus, aus seiner politischen, sozialen Umgebung. Das zu erforschen war die Hauptarbeit; ein Dreiviertel-
Foto: Meinen
www.crescendo.de 01 2010 | 37 geburtstag
Pünktlich zu Chopins 200. Geburtstag überschlagen sich die Plattenfirmen mit Neuerscheinungen, Erst- und Wiederveröffentlichungen von Frédéric Chopins Werken: Anna Gourari: Frédéric Chopin. The Mazurka Diary. BERLIN Classics. Chopin. 200th Anniversary Edition: The Complete Works. Claudio Arrau, Daniel Barenboim, Garrick Ohlsson, Leif Ove Ansdnes, Alexis Weissenberg, Vilde Frang, Tzimon Barto, Andrei Gavrilov, Cécile Ousset u.a., 16 CDs, EMI Classics. Martha Argerich: Argerich plays Chopin. Die Rundfunkaufnahmen, Deutsche Grammophon. Friedrich Gulda: Chopin. Deutsche Grammophon. Rafał Blechacz: Chopin. The Piano Concertos. Royal Concertgebouw Orchestra, Jerzy Semkow, Deutsche Grammophon. The Art of Chopin: Maurizio Pollini, Vladimir
Baur: 11 bezeichnete Chopin sich selbst als „das unentschlossenste
Geschöpf der Welt“. Jahre später gestand er, sich nur allzugerne „am Gängelband“ führen zu lassen. crescendo: Seine äußerste Form des Protestes war Rückzug. Sie sehen den Grund dafür in seinem introvertierten Naturell. Baur: Die Tatsache, dass er bis auf wenige Ausnahmen nur fürs Klavier komponierte, scheint mir Ausdruck dieser Haltung zu sein: „ich will nicht expandieren!“ Vielleicht hat diese bewusste Einschränkung auch mit einer depressiven Anlage Chopins zu tun, die sich in seinen Briefen immer wieder zeigt. crescendo: Chopins Neigung, sich zurückzuziehen, abzukapseln, große öffentliche Auftritte so weit nur irgend möglich zu meiden, hatte für Sie auch die Funktion eines Selbstschutzes. Baur: Ich habe mich bemüht, zu erzählen, in welchen dramatischen Zeiten des Umbruchs Chopin lebte, wie viele Revolutionen, Demonstrationen, Aufstände, Neuerungen, Einbrüche um ihn her stattfanden. Vielleicht war der Rückzug seine einzige Möglichkeit, daran nicht zu zerbrechen. crescendo: Das erste und letzte Kapitel Ihres Buches bilden einen dramaturgischen Rahmen. Baur: Es geht in beiden Fällen um einen konkreten Gegenstand, der pars pro toto ist, der stellvertretend für eine Gefühlswelt Chopins steht. Das erste Kapitel dreht sich um einen weißen Kragen, den seine Mutter ihm für den ersten Auftritt bestickt hat. Heimgekehrt erklärt der Kleine, alle hätten nur den weißen Kragen bewundert. Er steht für seine Mutterliebe, sein Bedürfnis nach Geborgenheit und das Versorgtwerden, die ihn lebenslang prägten. Und im letzten Kapitel geht es um sein Herz, das die Schwester nach Polen zurückbringt, weil er verfügt hatte, sein Körper solle in Paris, sein Herz aber in der Heimat beerdigt werden. Das ist für mich Sinnbild seiner Sehnsucht. Diese Sehnsucht zu stillen, hat Chopin sich selbst erst mit dem Tode gewährt. //
Ashkenazy, Hélène Grimaud, Vladimir Horowitz, Emil Gilels, Alice Sara Ott, Zoltán Kocsis, Nelson Freire, Daniel Barenboim, Arturo Benedetti Michelangeli, Ivo Pogorelich, Maria João Pirez, Sviatoslav Richter, Mikhail Pletnev, u.a., 2 CDs, Deutsche Grammophon. Roger Woodward, Alexander String Quartet: Frédéric Chopin. Klavierkonzert Nr. 2 für Klavierquintett. Celestial Harmonies. Olga Scheps: Chopin. RCA. Alexandre Tharaud: Chopin. Journal Intime. Virgin Classics.
Mehr Chopin auf der crescendo premium-CD, Track 7 bis 12.
jahr intensives Lesen und Exzerpieren, um herauszu�nden, welche Begegnungen, Erfahrungen und Ereignisse für ihn prägend waren.“ Und sie habe versucht, das masowische Land, das Warschau seiner Kindheit und Jugend, sein Dresden, sein Berlin, vor allem das Paris seiner Zeit so präzise in allen sinnlichen Details zu schildern, dass der Leser darin spazieren gehen könne. crescendo: Man spricht gerne vom „Spiegel der Seele“ in Chopins Musik. Zurecht? Eva Gesine Baur: Ich glaube, das lässt sich nicht verhindern. Er hat immer gesagt: „j’indique“ - „ich deute an“. Seine Werke suggerieren formale Offenheit, obwohl sie äußerst determiniert sind. Dem Hörer kann es wie aus dem Moment entstanden erscheinen, wie eine Improvisation. Das Schicksal von Chopins Musik ist daher, dass jeder seine Projektionen darin aufgehen sieht. Zugleich ist das der Grund dafür, dass sie so zahlreiche Menschen erreicht und berührt. crescendo: Viele Absätze enden in dieser Biographie mit einer Frage. Warum? Baur: Weil ich damit eine Analogie zu diesem Andeuten Chopins finden wollte, das den Hörer mit einbezieht, weil es Spielraum lässt. Mir ging es auch darum, „ohne Demontage die Versiegelung des Idols aufzubrechen. Wenn Sie heute eine musikbegeisterte Frau fragen: ‚Hättest du dich in Beethoven verliebt?’, sagten die meisten Ja. Bei Chopin ist es genauso. Deshalb fragen sich viele, wie George Sand nur so grausam sein konnte, den armen Kerl zu verlassen. crescendo: Das ist Folge der Verklärung. Wie kam es denn zu dem Untertitel „Die Sehnsucht“? Baur: Die Nicht-Erfüllung seiner Wünsche, das ewige Heimweh, ist für Chopin die größte schöpferische Antriebskraft gewesen. Vielleicht ist er deshalb nie nach Polen zurückgekehrt, auch als es politisch und wirtschaftlich möglich gewesen wäre. crescendo: Der Trieb, der Erfüllung findet, wird nicht mehr sublimiert, das kreative Interesse erlischt.
Eva Gesine Baur: Chopin – oder Die Sehnsucht. Eine Biografie. C.H.Beck, 24,90 Euro
premium 38 | www.crescendo.de 01 2010
So kommt die Klassik zu Ihnen nach Hause ! �������������������������������������
... und das hören Sie auf der aktuellen crescendo CD:
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1 Gioacchino Rossini „La Cenerentola“ Sinfonia, Harmoniemusik für Bläserquintett von Ulf-Guido Schäfer, Ma‘alot Quintet
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2 Giacomo Puccini „La Bohème“ Lied der Musette, Lisa Otto, Sächsische Staatskapelle Dresden, Rudolf Kempe
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3 Ermanno Wolf-Ferrari „Suite Veneziana“ op. 18, Barcarola, Oviedo Filarmonía, Friedrich Haider
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4 Jean-Louis Duport „Cellokonzert Nr. 6 d-Moll“ Allegro, Hofkapelle Weimar, Peter Hörr
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5 Felix Mendelssohn Bartholdy „Andres Maienlied“ op. 8 Nr. 8, Thomas Michael Allen, Reinild Mees
Profitieren Sie von den Vorteilen eines crescendo premium-Abos:
6 Frédéric Chopin „Barcarolle“ op.60, Ewa Kupiec
1. Sie erhalten zu jeder Ausgabe eine Gratis-CD
mit Werken unserer im Heft vorgestellten Künstler.
7 Frédéric Chopin „Mazurka cis-Moll“ op. 63 Nr. 3, Alexandre Tharaud
2. Sie bekommen die ersten beiden Ausgaben
8 Frédéric Chopin „Étude Ges-Dur“ op. 25 Nr. 9 „Schmetterling“, Vladimir Ashkenazy
inkl. CD gratis nach Hause geschickt.
9 Frédéric Chopin „Mazurka As-Dur“ op. 59 Nr. 2, Martha Argerich
3. Sie erhalten bei Abschluss
10 Frédéric Chopin „Prélude A-Dur“ op. 28 Nr. 7, Friedrich Gulda
eines Abos zusätzlich die CD Ermanno Wolf-Ferrari: Suite Veneziana. Oviedo Filarmonía, Friedrich Haider (world premiere recording). PhilArtis PAV 0902.
12 Frédéric Chopin „Klavierkonzert Nr. 2 f-Moll“ op.21, Larghetto, Roger Woodward, Alexander String Quartet
Solange der Vorrat reicht.
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11 Frédéric Chopin „Mazurka a-Moll“ op. 17 Nr. 4, Anna Gourari
Abo-Service crescendo Postfach 1363, 82034 Deisenhofen, Tel: 089/8585-34 52 Fax: 089/8585-36 24 52 GRATIS PROBELESEN! Bitte senden Sie mir kostenlos die nächsten beiden crescendo-Ausgaben inkl. 2 premium-CDs. Gebe ich Ihnen 10 Tage nach Erhalt des zweiten Heftes keine gegenteilige Nachricht, bin ich mit der regelmäßigen Weiterbelieferung einverstanden. Ich zahle dann nur 34,- EUR* jährlich für 7 Ausgaben inkl. festspiel-guide und 6 premium-CDs. Zusätzlich erhalte ich gratis als Dankeschön die CD Ermanno Wolf-Ferrari: Suite Veneziana (PhilArtis PAV 0902).
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www.crescendo.de 01 2010 | 39 crescendo-kids
die Klassik-Seite für den Nachwuchs
„DER WEG ZUR KLASSIK“ ( T E I L V I I )
Frage des Monats: Das ist eine Hammer Frage: Denn nicht alle Musiker haben eine kleine Geige in ihrem Gepäck, sondern – siehe unsere Zeichnung nebenan – manche auch einen Kontrabass. Die Maße eines solchen Instruments entsprechen nicht mehr ganz den Handgepäcksvorschriften der Fluglinien. Orchester können aber nicht auf das Schiff umsatteln, weil sie heute in New York spielen und morgen wieder in Berlin (das schafft kein Schiff dieser Welt!). Deshalb verfügt jedes Orchester über so eine Art „Generalreisedirektor“. Der ist zwar nicht so mächtig wie der Intendant, sorgt aber dafür, dass die sensiblen Instrumente beim Transport nicht kaputt gehen. Am schwersten haben es natürlich die Pianisten: Deren Konzert�ügel sind zum Teil so sperrig, dass sie in einem eigenen Container zum Zielort gelangen. Ein Klarinettist mag nicht das spektakulärste Instrument spielen, beim Reisen aber ist er ein p�egeleichtes Orchestermitglied. //
Die besten Klassik-CDs für Kinder Wir haben die wirklichen Spezialisten aus einem Münchner Kindergarten, befragt. Amelie, Manon, Nuni, Sarah, Francesca, Johanna, Eliza, Laura, Amelie, Eleonora, Jonas und Konstantin sind zwischen drei und sechs Jahre alt und haben die neuen CDs getestet. Hier ihre Wertungen, die Erzieherin Uli Pehl zusammengefasst hat:
„Klangreise für kleine Forscher“ Klassisches Hörspiel des Radiosenders SWR2, vor allem das Alphorn hat es den Kindern angetan! Bayer-Records
Viel gelernt
Tom Pfeiffer resümiert und sagt Ciao
Vor genau einem Jahr habe ich mit meiner Familie unseren „Weg zur Klassik“ begonnen. Meine Kinder sollten einen natürlichen und selbstverständlichen Umgang mit der Klassik erfahren. Klassische Musik sollte ein Teil ihres Lebens werden. Wir hörten spannende Krimis in Dur und Moll, erforschten interessante Seiten im Internet, lernten „ Lit t le-A madeus“ kennen, besuchten mit der Familie eine Aufführung der „ Zauberflöte“ Z IE L S TA R T und blickten hinter die Kulissen einer Orchesteraufführung. Einen Teil des Weges haben wir damit geschafft. Im nächsten Jahr hätte ich vermutlich mehr über meinen eigenen Klassik-Weg zu berichten, als über den meiner Kinder, die neben ihren anderen Aktivitäten mehr Zeit brauchen. Deshalb verabschiede ich mich an dieser Stelle und wünsche allen Lesern ein wundervolles und klingendes 1. Möge die Klassik mit Euch sein! // crescendo@tom-pfeiffer.de
Der W eg zur K lassik
„Prof. Jecks Zungenbrecher“ Professor Jeck probiert mit seinem Freund Oskar kniffelige Zungenbrecher aus. Das gefällt. terzio
„Königsfloh und Tastenzauber“ CD aus der Beethoven-Reihe von Marko Simsa. Vor allem „der Königsfloh“ ist für die Kinder ein Glücksfall. Jumbo 1 Händchen = gefällt mir gar nicht; 2 Händchen = gefällt mir nicht; 3 Händchen = nur für Ausgewählte; 4 Händchen = gefällt mir / bitte kaufen; 5 Händchen = spitze!
Tom Pfeiffer und seine Jungs
Foto: Tom Pfeiffer
Zeichnung: Stefan Steitz
Wie verreist ein Orchester?
essay 40 | www.crescendo.de 01 2010
DER CHAIRMAN DER ROL A N D B E R G E R ST R AT EG Y C O N S U LTA NT S Ü B E R :
Kultursponsoring – auch in der Krise! VON ROLAND BERGER
Seit Jahrzehnten sammle ich Kunst – privat und für unser Unoder Bühnen zurückgezogen – aber die Lage ist nicht „lebensbedrohternehmen und aus Leidenschaft. Privat nenne ich etwa 250 Bilder, lich“. Und das Kultursponsoring durch die Privatwirtschaft muss und Skulpturen, Zeichnungen, Lithogra�en und Gra� ken mein Eigen. wird überleben! Auch die Kunstsammlung unseres Unternehmens – inzwischen knapp Denn Sponsoring schafft eine klassische Win-Win-Situation für 1000 Arbeiten – hat sich aus meiner persönlichen Neigung für bildenbeide Seiten: Die Kulturschaffenden pro�tieren, weil viele Projekte de Kunst entwickelt: Es begann damit, dass wir die Büros mit Werken sonst nicht realisiert werden könnten. Und die Unternehmen steigern aus meinem persönlichen Bestand bestückten. Unsere Mitarbeiter durch Kultursponsoring ihre Reputation und damit ihren Marktwert. haben darauf sehr positiv reagiert. So entstand die Idee, systematisch Laut einer Umfrage des World Economic Forums sehen Unterneheine Firmensammlung aufzubauen, die menslenker Reputation als einen der wichtigsten unternehmerischen Erfolgsdie Zeit seit der Gründung von Roland faktoren. Mehr als die Hälfte der MaBerger Strategy Consultants im Jahr 1967 abbildet. nager geht davon aus, dass der Ruf eines Kunst sehe ich nicht als �nanzielles Unternehmens den Börsenwert maßgeblich beein�usst. Nicht umsonst gibt es Investment. Sie besitzt für mich vielmehr ideellen und ästhetischen Wert, Börsenindizes wie den Dow Jones Susbereichert mein Leben und meine Artainability Index (DJSI), in denen nur beit. Wer lebt und arbeitet nicht lieber Firmen gelistet werden, die de� nierte in einer inspirierenden Umgebung? Kriterien in Bezug auf ökologische und Kunst schafft ein solches Klima, försoziale Nachhaltigkeit erfüllen. Viele dert Kreativität. Sie kann provozieren, Anleger schätzen solche Engagements. Sponsoring hilft zudem, neue Kundenbringt uns auf neue Gedanken, begünstigt Innovation – all das ist für Unterkreise zu erschließen, Mitarbeiter zu motivieren und kreative Köpfe zu rekrunehmensberater unentbehrlich! Roland Berger Strategy Consultants tieren, um nur einige weitere Vorteile fördert Künstler nicht nur durch den zu nennen. Dabei ist klar: Der Aufbau einer positiven Reputation braucht Zeit. Erwerb ihrer Werke, sondern wir unterstützen auch kulturelle Initiativen: Der Einsatz dafür sollte daher immer als „Kultursponsoring durch die zum Beispiel Kultur- und Bildungsprolangfristige Investition verstanden werPrivatwirtschaft wird überleben.“ jekte in Mittel- und Osteuropa mit dem den, auch und erst recht in der Krise. Goethe-Institut mit dem gemeinsamen Programm „Counterparts“, Last, but not least, sind Kunst und Kultur heute „Schlüsselthemen das Gustav-Mahler-Jugendorchester und die Bayerische Staatsoper, in Politik und Gesellschaft“, wie es Kulturstaatsminister Bernd Neuden Pinakotheksverein, die Young European Classics und viele anmann vor einiger Zeit formulierte. Denn unsere Kultur begründet die Identität unserer Gesellschaft. Investitionen in Kultur bedeuten daher dere Organisationen und Kultureinrichtungen. Mit meiner Roland Investitionen in unsere Zukunft. Und Unternehmen, als wichtige MitBerger Stiftung breche ich eine Lanze für Menschenwürde und Menschenrechte weltweit und fördere begabte, sozial benachteiligte junge glieder der Gemeinschaft, tragen zur gesellschaftlichen Entwicklung bei, eben auch auf kultureller und sozialer Ebene. // Menschen in Deutschland. Das alles tun wir aus Überzeugung und stehen damit nicht allein: Zu den rund 8,6 Milliarden Euro, die hierzulande pro Jahr für Prof. Dr. h.c. Roland Berger ist Gründer und Chairman von Roland Berger Strategy Consultants, München. Er studierte Betriebswirtschaft slehre in München und Hamburg. Roland Berger Strategy Kulturförderung ausgegeben werden, tragen Stiftungen und private Consultants ist heute mit 36 Büros in 25 Ländern die Nummer Fünf der weltweit größten StrategieSponsoren immerhin rund 500 Millionen bei. Den Großteil � nanberatungen und berät international führende Industrie- und Dienstleistungsunternehmen sowie ziert nach wie vor die öffentliche Hand, was sich in der Krise positiv öffentliche Institutionen. Seit 1996 hat er einen Lehrauftrag als Gastprofessor und seit 2000 eine Honorarprofessur für Betriebswirtschaft und Unternehmensberatung an der Brandenburgischen bemerkbar macht. Denn in den USA, wo private Quellen neunzig Technischen Universität Cottbus. Er gehört dem Hochschulrat der Ludwig-MaximiliansProzent der Kulturausgaben bestreiten, sind viele Einrichtungen von Universität München an sowie der Hochschule für Musik und Theater in München, dem Kurader Schließung bedroht. Zwar haben sich in den letzten Monaten auch torium des ifo Instituts für Wirtschaft sforschung an der Universität München und dem Board der in Deutschland einige privatwirtschaftliche Sponsoren von Museen renommierten europäischen Business School INSEAD in Fontainebleau, Frankreich.
Illustration: S. Steitz
Statement eines Unternehmers, der auch weiterhin Kunst und Kultur unterstützen will.
FÜR ALLE DIE WISSEN, DASS „CHOPIN“ SICH AUF DEM PIANO UND NICHT AUF MALLE AUSGELEBT HAT!
E. KISSIN Plays Chopin Bei Kissin stimmt alles: Die technische Raffinesse und die beseelte Musikalität! 5 CD Box für 19,99 Euro
KLASSIK JAZZ LOUNGE.
F. CHOPIN Klavier-Solo & Konzerte & Lieder & Kammermusik Lückenlose Jubiläumsedition mit Argerich, Michelangeli, Pollini, u.v.m. 10 CD Box für 21,99 Euro
VÖ 19.02.
F. GULDA Spielt Chopin Aus dem Privatarchiv der Guldas: Klavierkonzert Nr. 1, Nocturne (München 1986) und andere LiveMitschnitte (1955-60) 2 CDs für 16,99 Euro
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M. ARGERICH Spielt Chopin Unveröffentlichte Rundfunkaufnahmen (1967) der damals bereits gefeierten Virtuosin. CD für 16,99 Euro
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K U RT WEILL FEST DESSAU: 26. FEBRUAR - 0 7. M Ä R Z
Neues und Wahres Mit zwei Uraufführungen und vielem mehr wagt das Kurt Weill Fest einen mutigen Schritt in die Gegenwart. VON MARTIN MORGENSTERN
Kurt Weill (1919), Nylon mit Sängerin Lisa Bassenge, Angelika Kirchschlager und Helen Schneider.
„New Art is True Art“ – mit diesem Song aus Kurt Weills erfolgreichstem Broadway-Musical „One Touch of Venus“ ist das Ende Februar anstehende Kurt Weill Fest in Dessau überschrieben. In einem weit gefächerten und abwechslungsreichen Gesamtprogramm wagt die Mannschaft um den neuen Intendanten Prof. Michael Kaufmann auch zwei Uraufführungen, die die KurtWeill-Gesellschaft in Auftrag gab. Beide Werke sollten dabei ihre Inspiration aus dem „Mahagonny Songspiel“ beziehen, das damit zur eigentlichen Kraftquelle des Festival 2010 wird.
Prädestinierter Partner für die Eröffnung der Festtage ist das herausragende Ensemble Modern, das die erste Uraufführung – „Die WUNDE Heine“ des Artist-in-Residence Helmut Oehring – zusammen mit dem „Mahagonny Songspiel“ am . Februar auf die Bühne des Anhaltischen Theaters bringen wird. Das zweite Auftragswerk hat der Komponist Moritz Eggert zusammen mit dem Bachmann-Preisträger
Franzobel erarbeitet. Das abendfüllende Stück mit dem Titel „Bordellballade. Ein Dreigoscherlnstück“ feiert am . März in einer Produktion des Theaters Koblenz auf der Bauhausbühne seine Uraufführung. Es ist von der jüngsten Finanz- und Wertekrise inspiriert, will laut Veranstaltungsprogramm „durch Einfachheit, Eingängigkeit und Verständlichkeit überzeugen“ und „lebendige und humorvolle Zeitkritik präsentieren“; das hört sich doch schon ganz kurz-Weillig an ... Insgesamt wird der Bogen des 1. Kurt Weill Fest wieder weit über die musikalischen Genres gespannt und so können auch gleich am Eröffnungswochenende zwei „Diven“ in Dessau erlebt werden, die unterschiedlicher nicht sein könnten, wenn etwa die gefeierte Mezzosopranistin Angelika Kirchschlager gemeinsam mit Helmut Deutsch ihren Liederabend gibt (. Februar) oder die Sängerin Annamateur zu Gast ist. Stehen im ersten Konzert mit Schubert, Korngold und Weill große „Altmeister“ auf dem Programm, so wird Annamateur ganz andere Akzente setzen: Atemberaubende Stimmakrobatik mit einer
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musica viva – die Zeitgenössische Konzertreihe des Bayerischen Rundfunks – präsentiert:
Artist-in-Residence Helmut Oehring, Winnie Böwe und das Kammerensemble Neue Musik Berlin.
22.02.
5. musica viva Veranstaltung Montag, 22. Februar 2010, 19 Uhr Museum Villa Stuck München
»Punkt 7« Atac Sezer
»Colorcatch«
für Flöte, Violine, Bratsche und Violoncello [2009] Kompositionsauftrag der musica viva, Uraufführung
Valerio Sannicandro
»…all shadows of red and yellow II«
für Flöte, Klarinette, Harfe, Bratsche und Violoncello [2008]
Michael Pelzel
Böwe einen Tag später unbekanntere Texte Bertolt Brechts lesen und Lieder von Hanns Eisler und Kurt Weill singen. Begleitet wird sie dabei vom Ensemble Piaccordia. Das Abschlusskonzert bestreitet Schauspielerin und Sängerin Helen Schneider, die Melodien des „Great American Songbooks“ mit ihrem Trio interpretieren wird. Konzipiert ist das Fest dieses Jahr übrigens noch von Alt-Intendant Clemens Birnbaum, der acht Jahre lang die Geschicke des Festivals leitete, im August aber zu den Händel Festspielen nach Halle wechselte. Für Michael Kaufmann ist dieser Jahrgang jedoch mehr als schlichtes Verwalten: „Natürlich freue ich mich sehr darauf, dass ich künftig dem Kurt Weill Fest neue künstlerische Impulse geben kann, aber für mich war es schon immer auch bedeutend, dass Künstler und Publikum durch eine gute Organisation spannende Begegnungen erleben können – da darf es keine Rolle spielen, wer das Programm gestaltet. Das müssen die Menschen spüren können, dann haben wir auch schon einen guten Anfang für die Zukunft gemacht.“ Wohl deshalb hat „der Neue“ die Festivaldaten der nächsten vier Jahre bereits online veröffentlicht – das Publikum wird begeistert wiederkommen ... //
Kurt Weill Fest Dessau 26.02.-07.03.2010 Informationen und Kartenservice: Tel.: 01805-564 564 (14 Cent/Min., Mobilfunk ggfs. abweichend) oder +49-(0)341-14 99 09 00 www.kurt-weill-fest.de / www.kurt-weill-gesellschaft.de / karten@kurt-weill-fest.de
»Chant fractal«
für Violine und Oboe [2009] Uraufführung der revidierten Fassung
Johannes Maria Staud
»Sydenham Music«
für Flöte, Viola und Harfe [2007]
Daniel Smutny
»Auf den Flügeln des Gesangs« für Klarinette [2009], Uraufführung
Sidney Corbett
»The Longings«
für Flöte, Harfe und Streichtrio [2004]
Solisten des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks
Fotos: Hoenisch, Billi und Hells, Lukas Beck, Michael Schoebel, Astrid Ackermann, Agentur, David Baltzer
Wandlungsfähigkeit, die es ihr erlaubt, zwischen Zarah Leander und One-Note-Samba auf den Text des DDR-Liedes „Unsere Heimat“ zu „switchen“. Noch eine weitere grandiose „Stimme“ ist am . März mit Ingrid Schmithüsen im Spiegelsaal des Köthener Schlosses zu erleben. Als szenische Produktion bietet sich „One Touch of Venus“ geradezu an. Die in Deutschland lange nicht gespielte musikalische Komödie des amerikanischen Weill, in der gesellschaftskritisch das Göttinnendasein mit der Wirklichkeit der kleinbürgerlichen Hausfrauenrolle kontrastiert wird, erlebte nach ihrer New Yorker Premiere im Jahr 1 mehr als Aufführungen in Folge. Die Dessauer Produktion feiert ihre Premiere am . März mit Sopranistin Ute Gfrerer in der Hauptrolle, die bereits beim Kurt Weill Fest in der Eröffnungsproduk tion „Die Sieben Todsünden“ in der Rolle der Anna vom Publikum bejubelt wurde. Einen Tag später präsentiert das Kammerensemble Neue Musik Berlin Werke des Festivalkomponisten Helmut Oehring. Auch in Zukunft hält das Kurt Weill Fest an der erfolgreichen Themenreihe „New Sounds“ fest. 1 konzertieren hier die Jazzband Triosence um den Pianisten Bernhard Schüler (. März) und die Berliner Erfolgsgruppe Nylon (. März). Und bei einer musikalischen Lesung in Bitterfeld wird die Sängerin und Schauspielerin Winnie
Flöte: Natalie Schwaabe, Baritonoboe: Tobias Vogelmann Klarinette: Christopher Corbett, Harfe: Maria Stange Violine: Karin Löffler, Bratsche: Ben Hames Violoncello: Sebastian Klinger
17.03.
6. musica viva Veranstaltung Mittwoch, 17. März 2010, 20 Uhr Muffathalle München Helmut Oehring
»QUIXOTE oder Die Porzellanlanze«
RequiemImproPunkFilmTanzElektroTheaterPolitMusik Ein Gastspiel von Hellerau – Europäisches Zentrum der Künste, Dresden
Karten erhältlich bei www.muenchenticket.de oder bei BRticket: +49 (0)89 5900 4545 Nähere Informationen unter www.br-online.de/musicaviva
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H E I DELBERGER FRÜHLING: 20. MÄRZ - 24. A P R I L
Ein Kontinent der Künste Der Heidelberger Frühling macht sich 2010 auf die Suche nach der musikalischen Identität Europas. VON MARTIN MORGENSTERN
Ob freudig, hoffnungsvoll, seufzend oder überrascht, auf vielfältige Weise lässt sich das diesjährige Motto des Heidelberger Frühlings „Ach Europa“ intonieren und ebenso vielfältig nähert sich das Festival vom 20. März bis 24. April seinem Themenauftrag mit rund 80 Veranstaltungen. Festivalleiter Thorsten Schmidt macht sich im 14. Jahrgang des Heidelberger Frühling mit Vorträgen, Lesungen, Konzerten und vielem anderen auf die Suche nach einer kulturellen, europäischen Identität: „Wo sind die Gemeinsamkeiten, die Identität stiften, wo die Differenzen, die immer auch einen besonderen Reiz im vermeintlich Gleichen eröffnen?“
Der Heidelberger Frühling bietet nicht nur musikalisch prächtige Aussichten.
Musik aus Estland, England, Finnland, Deutschland, Polen, Ungarn oder Österreich gibt Denkanstöße, lädt aber auch einfach zum Genießen ein. So sind zum Beispiel Publikumslieblinge wie die Cellistin Sol Gabetta oder auch weniger bekannte Kollegen wie Antti Siirala, der als begnadeter Pianist jüngst etwa das „Moritzburg Festival“ ordentlich durcheinanderwirbelte, zu erleben. Klavieraficionados fiebern Hélène Grimaud, dem genialen Sonderling Ivo Pogorelich oder Ewa Kupiec entgegen. Und auch der erste „Artist in Residence“ ist eine Pianistin. Die ECHO-Klassik-Preisträgerin Ragna Schirmer ist in vier Konzerten und einer Meisterklasse, bei der passives Hineinschnuppern übrigens kostenlos möglich ist, zu erleben. Schirmer begeisterte das Heidelberger Publikum vor zwei Jahren mit den Goldberg-Variationen, auf die sich dieses Jahr Andreas Staier stürzt. Nicht nur Künstler aus Kerneuropa stellen sich dem diesjährigen Themenauftrag: So reist etwa auch die georgische Geigerin Lisa Batiashvili, die kanadische Sopranistin Measha Brueggergosman oder ein Chor aus Südafrika an. – Seit fünf Jahren Mitglied der Europäischen Union dagegen ist Lettland. „Die Letten sind ein schüchternes Volk, doch wehe, wenn sie aus sich herausgehen!“, droht Jungstar Andris Nelsons im Programmheft. Wie Baiba Skride stammt er aus Riga, die Geigerin ist drei Jahre jünger als der Dirigent. Gemeinsam sind sie am . März mit dem City of Birmingham Symphony Orchestra beim Eröffnungskonzert zu hören. Innovation und Offenheit prägen das Konzept des Heidelberger Frühling: Wo sonst existiert heute ein Festival, das eingebettet in ein
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Heidelberger Frühling
Hélène Grimaud
Internationales Musikfestival Heidelberger Frühling vom 20. März bis 24. April Heidelberger Atelier vom 26. bis 28. März Streichquartettfest vom 9. bis 11. April Programmbuch anfordern unter: Tel.: +49-(0)6221-142 24 11 www.heidelberger-fruehling.de
Foto: Heidelberger Frühling
Fotos (von links oben): Johannes Ifkovits; Mat Hennek; Vico Chamla; Frank Eidel; PaulElledge
Festival“ gibt es, nämlich das Streichquartettfest und das Heidelberger Atelier. Beim Streichquartettfest (.-11. April) ist unter anderem das Keller Quartett aus Ungarn zu Gast; Kurtág, Bartók, Ligeti stehen programmatisch im Zentrum. Ergänzt werden sie durch Werke der WieThomas Hampson ner Klassik und Auszüge aus Johann Sebastian Bachs „Kunst der Fuge“. Das Heidelberger Atelier (.-. März) steht 1 erneut unter der künstlerischen Leitung von Komponist und Dirigent Matthias Pintscher, im Fokus des Programms steht der Komponist Magnus Lindberg. Erstmals wird ein Publikumspreis verliehen, an einen von sechs eingeladenen Komponisten. Bei beiden „Festivals im Festival“ steht der Dialog mit dem Publikum und Musikvermittlung Grigori Ragna mit offenen Proben, Lecture Recitals und KonzerSokolov Schirmer Measha Brueggergosman teinführungen im Mittelpunkt. Zum Schluss seien ein paar Geheimtipps gegeben. stringentes Motto selbstbewusst wichtige Schwerpunkte bei der NachSo spricht etwa – kaum mag man es glauben – der Dirigent Christian wuchsförderung setzen kann, neuen Hörern neue Musik nahebringt Thielemann über Robert Schumann; die Eintrittskarte kostet 1 Euro, und wie nebenbei noch ein großes Jugendprojekt stemmt? Das richtet das ist am unteren Ende der Heidelberger Skala, die bis Euro reicht. sich an junge Kenner genauso wie an blutige Neulinge: „classic scouts“ Aber auch die beiden Abende mit Franz Schuberts mehrstimmigen Ge– interessierte Jugendliche ab 1 Jahren – stellen ihren Freunden Prosängen mit Klavierbegleitung sollte keiner, der in die Neckarstadt reist, gramm und Künstler vor, schreiben einen Festivalblog und organisieverpassen. Ulrich Eisenlohr und ein hochkarätiges Sängerensemble ren gar ein eigenes Konzert im Opernzelt. Und sogar „Festivals im bringen diese erstmals in Gänze auf die Bühne. //
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Februar / März: Diese Termine so llten PREMIEREN 30.1. Darmstadt/Staatstheater Gisei-Das Opfer/Carl Orff 31.1. Berlin/Komische Oper Don Pasquale/ Gaetano Donizetti 31.1. Luzern/Theater (CH) Le nozze di Figaro/ Wolfgang Amadeus Mozart 31.1. Münster/Städtische Bühnen Lulu/Alban Berg
11.2. Graz/Opernhaus (A) Nomaden (UA), Tanzstück von Darrel Toulon 12.2. Basel/Theater (CH) Richard III./William Shakespeare (Theater) 12.2. Bregenz/Festspielhaus (A) Lucia di Lammermoor/ Salvatore Cammarano 12.2. Duisburg/Theater Die lustige Witwe/Franz Lehár (Operette)
21.2. Altenburg/Landestheater Der Feuervogel & Le Sacre du Printemps/Igor Strawinsky (Ballett/Tanz) 21.2. Annaberg-Buchholz/ Eduard-von-Winterstein Theater Maria Stuart/Friedrich Schiller (Theater) 21.2. Augsburg/Theater Der ferne Klang/Franz Schreker 26.2. Berlin/Komische Oper Orlando/G.F. Händel
14.3. Wien/Theater a.d. Wien (A) Iphigénie en Tauride/ Gluck, Guillard
6.3. Frankfurt/Alte Oper Die Schwalbe/G. Puccini 6.3. Bielefeld/Stadttheater The Scarlet Pimpernel nach dem Roman von Baroness Emmuska Orczy (Musical)
18.3. Klagenfurt/Stadttheater (A) Casanova/Albert Lortzing (Spieloper)
6.3. Linz/Landestheater (A) Cinderella/Sergej Prokofjew (Ballett/Tanz)
KONZERTE 31.1. Berlin/Philharmonie Mozart-Gala und Geburtstagskonzert mit den BerlinClassicPlayers, Sir James Gallway (zum 70. Geburtstag) u. a.
6.3. Neustrelitz/Landestheater Wie es euch gefällt/William Shakespeare (Theater)
2.2. Bonn/Opernhaus Cobalto/Gnawa/White Darkness Nacho Duato, Compania Nacional de Danza (Tanz)
30.1. München/Prinzregententh. Kammermusikabend mit Sol Gabetta & Mihaela Ursuleasa
3.2. Solothurn/Theater (CH) Geschlossene Gesellschaft/ Jean-Paul Sartre (Theater)
1.2. Bremen/Die Glocke Giuliano Carmignola & die Bremer Philhamoniker geben ein barockes Konzert
4.2. Erfurt/Theater Macbeth/Giuseppe Verdi
1.2. Frankfurt/Alte Oper Dorothee Oberlinger & Michael Martin Kofler
4.2. Berlin/Staatsoper unter den Linden Agrippina/ Georg Friedrich Händel 6.2. Insbruck/Tiroler Landesth. (A) Arabella/Richard Strauss
Chemnitz Vergessene Opern sind ein Erfolgsfaktor des Teams Bernhard Helmich und Frank Beermann am Theater Chemnitz. Auf Pfitzners „Rose vom Liebesgarten“ und Nicolais „Templario“ folgt nun am 30.1. Franz Schrekers Zauberoper „Der Schmied von Gent“. Auch am 14/27.2. Auch live im Radio am 30.1. auf mdr-figaro und Deutschlandradio Kultur. www.theater-chemnitz.de Und danach eine kleine Fahrt ins benachbarte Lichtenwalde, wo in „La Vinothéque“ ein großer und gemütlicher Weinkeller seine Tropfen offeriert. www.la-vinotheque.de 6.2. Regensburg/Theater Il ritorno d´Ulisse/Simon Mayr 6.2. Augsburg/Theater Strawinsky Trilogie/Gaetano Posterino (Ballett/Tanz) 6.2. Bern/Stadttheater (CH) Meisterklasse/Terrence McNally, Biografisches Porträt der Maria Callas (Theater) 7.2. Aachen/Theater Tosca/Giacomo Puccini 7.2. Braunschweig/Staatsth. Die Dreigroschenoper/Bertolt Brecht & Kurt Weill (Theater) 7.2. Wien/Volksoper (A) Die Blume von Hawaii/ Paul Abraham (Operette)
Foto: Felix Broede
6.2. Linz/Landestheater (A) Platée/Jean-Philippe Rameau (Ballett/Tanz)
Olga Scheps live in Hamburg und Berlin
12.2. Leipzig/Opernhaus Die Liebe zu den drei Orangen/ Sergej Prokofjew
26.2. Bern/Stadttheater (CH) Eugen Onegin/ Pjotr Iljitsch Tschaikowsky
6.3. Regensburg/Theater Carmina Burana (UA)/Olaf Schmidt (Ballett/Tanz)
13.2. Baden/Stadttheater (A) West Side Story nach der Idee von Jerome Robbins, Dt. Fassung: Marcel Prawy (Musical)
27.2. Berlin/Staatsoper unter den Linden La Péri/Vladimir Malakhov nach Jean Coralli (Ballett/Tanz)
6.3. Salzburg/Landestheater (A) Tosca/Giacomo Puccini
13.2. Wien/Kammeroper (A) Die Gespenstersonate/Aribert Reimann (Musiktheater)
27.2. Flensburg/Theater Rusalka/Antonín Dvorˇ ák
14.2. Frankfurt/Operhaus Orlando Furioso/ Antonio Vivaldi 18.2. Linz/Landestheater (A) Der Kaiser von Atlantis oder Die Tod-Verweigerung/ Viktor Ullmann (Theater) 19.2. Wien/Theater a.d. Wien (A) Die Besessenen (UA) nach dem gleichnamigen Roman von Witold Gombrowicz 20.2. München/Gasteig Il Barbiere di Siviglia/ Gioacchino Rossini 20.2. Zürich/Opernhaus (CH) Idomeneo/Wolfgang A. Mozart
28.2. Altenburg/Landestheater Ninotschka/Melchior Lengyel (Theater) 28.2. Wien/Staatsoper (A) Medea/Aribert Reimann 1.3. Bern/Stadttheater (CH) The Picture of Dorian Gray/Oscar Wilde, Gastspiel der The American Drama Group Europe (Theater) 2.3. Berlin/Deutsche Oper Tschaikowskij-Gala im Rahmen der Reihe „Kinder tanzen für Kinder“ (Ballett/Tanz)
7.3. Bonn/Opernhaus Der Liebestrank/ Gaetano Donizetti 7.3. Erfurt/Theater Die lustigen Weiber von Windsor/Otto Nicolai 11.3. Basel/Theater (CH) Das Geisterschiff/Magareth Obexer (Theater) 13.3. Innsbruck/Tiroler Landestheater (A) Ein Sommernachtstraum/William Shakespeare (Theater) 13.3. Zürich/Opernhaus (CH) Les contes d‘Hoffmann/ Jacques Offenbach
3.3. Solothurn/Theater (CH) Il Trovatore/Giuseppe Verdi
14.3. Annaberg-Buchholz/ Eduard-von-Winterstein Theater Die lustige Witwe/Victor Léon & Leo Stein (Operette)
5.3. Düsseldorf/Opernhaus Rigoletto/Giuseppe Verdi
14.3. Basel/Theater (CH) Wüstenbuch (UA)/Beat Furrer
Hamburg Nehmen Sie ihre Kinder mit! Evelyn Glennie kommt mit ihrem großen Schlagwerk-Instrumentarium am 9.3. in die Laeiszhalle. Ihre Tänze auf und mit dem Schlagzeug, Snare Drum oder Marimba sind ein tolles Live-Erlebnis. Der Zuhörer merkt nicht, das sie seit ihrer Jugend fast taub ist. www.elbphilharmonie.de Und danach in die Küchenwerkstatt nach Uhlenhorst. Essen, Weine & Atmosphäre stimmen einfach – ein Restaurant zum Gernhaben. www.kuechenwerkstatthamburg.de 1.2. München/Prinzregententh. Ein Deutsches Requiem/ Johannes Brahms mit Yaara Tal & Andreas Groethuysen am Klavier 2.2. Köln/Philharmonie Borodin Quartet spielt Schostakowitsch, Schnittke & Beethoven 2.2. Essen/Philharmonie Claudio Bohórquez & das Orchestre National du Capitole de Toulouse 2.2. Frankfurt/Alte Oper London Symphony Orchestra & Maria João Pires unter Sir John Eliot Gardiner 3.2. Baden-Baden/Festspielhaus Maurizio Pollini 3.2. Berlin/Philharmonie Evergreens in Swing, Glen Miller Orchestra unter Will Salden
www.crescendo.de 01 2010 47 | plus regional
Sie nicht versäumen Wie zu Haydns Zeiten Mitten in der Sinfonie stehen die Musiker auf und verlassen das Podium. Nach und nach, bis nur noch zwei Geigen übrig sind. Haydns „Abschiedssinfonie“ ist der anekdotenträchtige Klassiker, in dem sich dies ereignet – zu erleben im zweiten Konzert der Reihe „Klassik um 11“. Bevor die absolut hochkarätigen Musiker sich – wie es zu Haydns Zeit hieß – „absentieren“, spielen sie noch ein vielseitiges Programm mit Musik des Haydn-Verehrers Mozart: Die Sopranistin Dominique Labelle trumpft mit VirtuosVokalem auf, Ronald Brautigam spielt das überaus populäre Klavierkonzert Nr. 21. Bonn, Beethovenhalle, 28.02., www.beethoven-orchester.de
Brecht lebendig Bertolt Brecht war als Künstler Universalist, der alle neuen Möglichkeiten erprobte. Das Brechtfestival Augsburg beschäftigt sich in diesem Jahr mit dem Themenschwerpunkt „Die Kunst braucht den Film. Der Film braucht die Kunst.“ Ab 1920 entwirft Brecht Filmstoffe, arbeitet Drehbücher aus und beschäftigt sich mit Filmregie. Viele seiner Filmideen wurden aufgegriffen, in Hollywood war er als Skriptwriter erfolgreicher, als bisher angenommen. Und aus seinen Theaterstücken entstanden immer wieder Meilensteine des Films. Damit ist Brecht der meistverfilmte Autor überhaupt. Wie fruchtbar sein Werk für heutige Künstler ist, zeigen Gespräche mit Theater- und Filmregisseuren, Schauspielern und Medienexperten. In Konzerten und Lesungen wird spürbar, dass Brechts Werk von jungen Künstlern immer weiter fortgeschrieben wird. In Workshops wie „Junge Poeten Live!“ und Wettbewerben wie „Kino mit Distanz“ kann das Publikum aktiv mitwirken. In die Brechtnacht am 9. und 10. Februar fügt sich die Kultinszenierung von „Männergespräche“ aus dem Theater im Palais Berlin, sowie ein Mini-Gastspiel des Berliner Ensembles. In den dreizehn Festivaltagen soll Brecht in all seinem Facettenreichtum, seiner Aktualität, aber auch in seiner Unbequemlichkeit und Widersprüchlichkeit wieder in seiner Heimatstadt lebendig werden Augsburg, verschiedene Orte, bis 10.02., www.brechtfestival.de
Ausnahmekünstlerin Diesen Februar ist die erst 23-jährige Ausnahmepianistin Olga Scheps gleich zweimal in Deutschland zu erleben: in der Berliner Philharmonie sowie in der Hamburger Laeiszhalle. „Der neue Stern am Chopin-Him-
mel“, so urteilte die FAZ über die junge russische Künstlerin, die bei ihren Konzerten Werken von Chopin, Mozart und Schumann mit ihrem Einfühlungsvermögen und ihrer künstlerischen Darstellungskraft neuen Ausdruck verleiht. Die talentierte Solistin studiert bei Professor Pavel Gililov an der Musikhochschule Köln und beeindruckte in den vergangenen Monaten unter anderem beim Klavierfestival Ruhr und mit den Münchner Symphonikern in der Philharmonie am Gasteig Kritiker und Publikum. Hamburg, Laeiszhalle, 07.02. Berlin, Kammermusiksaal der Philharmonie, 09.02., www.deag.de
Helden-Drama Eigentlich ist Orlando ein richtiger Held, er kämpft für die Ehre und rettet fremde Prinzessinnen. Doch nun hat er sich unsterblich in die Königin Angelica verliebt und darüber seine Heldenkarriere vergessen. Angelica allerdings liebt Medoro, an dem wiederum Dorinda verzweifelt. Als Orlando seine aussichtslose Liebes-lage begreift, rast er vor Eifersucht, bis er vollends den Verstand verliert. Nun kann wohl nur noch der Magier Zarathustra helfen. Mit ungeheuer farbenreichen, packenden Musik entfaltet Händel in seiner tragikomischen Oper (1733), basierend auf Ariosts „Orlando furioso“, das ganze Gefühls-Kaleidoskop der Liebe. Der norwegische Schauspielregisseur Alexander MørkEidem inszeniert mit „Orlando“ zum ersten Mal in der Oper und zum ersten Mal in Deutschland. Es dirigiert Alessandro De Marchi. Berlin, Komische Oper, 6.02. (Premiere), www.komische-oper-berlin.de
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Samstag, 27. Februar 2010 ·19:30 Uhr
Markus Poschner Dirigent David Grimal Violine Konzerteinführung inführung 18:45 Uhr
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www.cd-rek.nl 16. BAYREUTHER OSTERFESTIVAL 2. - 11. April 2010
FESTIVALBRASS - KAMMEROCHESTER - KAMMERMUSIK PASSION - SALONMUSIK - JAZZ Schirmherrschaft: Horst Seehofer (Ministerpräsident des Freistaates Bayern)
Oper anders Seit einem Jahr gibt das „Andere Opern Ensemble“ jungen Sängern und Sängerinnen die Möglichkeit echte Oper auf die Bühne zu bringen. Mit Gioacchino Rossinis Oper „Il Barbiere di Siviglia“ in der Regie von Hector Guedes wird die erste Inszenierung des Vereins im Münchner Gasteig präsentiert. Durch gezielte Bearbeitungen und Verkürzungen sowie intensive Personenregie möchte Guedes die Kunstform Oper einem breiteren, insbesondere jungen, musikunerfahrenen Publikum näher bringen. Dem klaren Regiekonzept von Guedes folgend, zeigt sich die Bühne als andalusische Collage – eine Spielfläche voller Leichtigkeit und Poesie für den verliebten Almaviva, die kluge Rosina und den wissenden Figaro. München, Carl-Orff-Saal, 20.02., www.dasandereopernensemble.de
www.osterfestival.de Aufgrund der Restaurierung finden keine Veranstaltungen im Markgräflichen Opernhaus statt.
plus regional | 48 www.crescendo.de 01 2010 Februar / März: Diese Termine sollten Sie nicht versäumen 4.2. Berlin/Philharmonie Erik Schumann & Henri Sigfridsson 4.2. Leipzig/Gewandhaus Nelson Freire & das Gewandhausorchester Leipzig unter Riccardo Chailly 4.2. Neubrandenburg/Konzertkirche Jan Vogler & Mira Wang 6.2. Baden-Baden/Festspielhaus „Die Fazil Say Nacht“ mit Fazil Say und dem Mahler Chamber Orchestra unter Kristjan Järvi
14.2. Hamburg/Laieszhalle Christoph Prégardien
25.2. Dresden/Semperoper Daniel Barenboim, Klavier
2.3. Bonn/Schumannhaus Hauskonzert mit Franz Vorraber
14.3. Regensburg/Audimax Baiba Skride, Andris Nelsons
14.2. Berlin/Philharmonie Montserrat Caballé
25.2. Nürnberg/Meistersingerhalle The Ten Tenors
14.2. Frankfurt/Oper Weißt du, wie das war? Fotografien von Monika Rittershaus (Ausstellung)
26.2. Bruchsal/Schloss Mandelring Quartett
5.3. Baden-Baden/Festspielhaus Julia Fischer, Solo-Sonaten von Bach
15.3. Essen/Philharmonie Budapest Festival Orchestra & Iván Fischer: Beethoven pur
5.3. Berlin/C. Bechstein Centrum Kolja Lessing spielt Werke von Schuncke, Clara und Robert Schumann
15.3. Zürich/Opernhaus (CH) Liederabend Deborah Voigt
26.2. St.Gallen/Theater (CH) Daniel Hope & Sebastian Knauer
Musik zum Mitmachen und Lauschen: mini.musik Krystian Zimerman Auch ein großer Pianist, der sich eher rar macht. Mehr als 50 Konzerte im Jahr spielt der Pole nicht. Aber wenn, dann immer nur auf seinem Steinway. Und er spielt im ChopinJahr seine Sonaten Nr. 2 und 3. 6.3. Hannover, NDR-Sendesaal. 19.3. Baden-Baden, Festspielhaus.
6.2. Karlsruhe/Schwarzwaldhalle Riverdance, die weltberühmte Tanzformation auf Abschiedstournee 6.2. München/Gasteig Winners & Masters Konzert: Lilian Akapova 7.2. Frankfurt/Alte Oper Lev Natochenny, Martin Stadtfeld, Dirk Mommertz und andere
5.3. Berlin/Staatsoper unter den Linden Barenboim, Levine, Röschmann, Meier, Polenzani & Pape
7.2. München/Prinzregententh. Ian Bostridge singt Lieder von Franz Schubert
Fragen Sie nicht, ob er eine Website hat, sondern besuchen Sie sein Konzert: 24.2. Frankfurt, Alte Oper. 26.2. Düsseldorf, Tonhalle. 25.3. Berlin, Philharmonie. 21.4. Heidelberg, Stadthalle. 10.5. Hamburg, Laeiszhalle. 10.6. Essen, Philharmonie. 8.2. München/Philharmonie Kammerorchester Basel & Katia & Marielle Labèque, Ltg.: Giovanni Antonini mit Werken von Rossini, Mozart & Beethoven, 9.2. Münster/Städtische Bühnen Orchestersuite „mucity. Sieben Gesichter einer Stadt“ (UA) von Helmut Oehring & Mahlers Sinfonie Nr. 5 cis-Moll
Fotos: BR / InesFeistner
Grigori Sokolov auf Tournee Er ist vielleicht der scheueste Pianist unter den grossen Könnern dieses Instruments. Lieber keine Konzertreisen, keine CDs, keine Interviews. Seine Person zählt nicht für ihn, kaum die Hände die spielen, nur die Töne selbst und der Klang mit all dem Wissen und Empfinden.
6.3. Bremen/Die Glocke Cecilia Bartoli
14.2. München/Schloss Nymphenburg Klassik für Liebende, Das Konzert zum Valentinstag 14.2. Genf/Victoria Halle (CH) Lang Lang 15.2. Annaberg-Buchholz/ Eduard-Von-Winterstein Theater Sinfoniekonzert „Der Rosenkavalier in einem Konzert“ 15.2. Dresden/Semperoper Jazz mit Thomas Quasthoff 15.2. Ulm/Theater The Big Chris Barber Band 19.2. Essen/Philharmonie Bruckner-Zyklus mit Marek Janowski 20.2. Aschaffenburg/Stadthalle Daniel Müller-Schott & Stuttgarter Philharmoniker 20.2. Erfurt/Alte Oper Flames of Classic, Der Zauber von Laser, Feuer und Musik
10.2. Stuttgart/Opernhaus Mnozil Brass „Magic Moments“
20.2. Frankfurt/Alte Oper Wiener Philharmoniker unter Lorin Maazel
12.2. Berlin/Komische Oper Egmont-Rezitation von Dominique Horwitz zur Musik von Beethoven
22.2. Bremen/Die Glocke Frank Peter Zimmermann & die Bremer Philhamoniker
12.2. Dresden/Frauenkirche Konzert im Gedenken an die Zerstörung Dresdens am 13. Februar 1945 13.2. Bremen/Die Glocke Chinesisches Neujahrskonzert
22.2. Regensburg/Velodrom Arabella Steinbacher 24.2. Düsseldorf/Tonhalle Pink Floyd Classic, Fabulous Rock Philharmonic Orchestra 25.2. Köln/Philharmonie Mahler Chamber Orchestra
27.2. Essen/Philharmonie Festkonzert – 25 Jahre „Das Junge Orchester NRW“ 27.2. Frankfurt/Alte Oper Deutscher Opernball unter der Schirmherrschaft von Monsieur Alain Delon 27.2. Garmisch-Partenkirchen/ Kongresshaus Sinfoniekonzert der Bremer Philharmoniker mit Werken von Smetana, Dvorˇák & Brahms 27.2. Leer/Ems-Aula Baiba & Lauma Skride 27.2. Neubrandenburg/Konzertkirche 28. Neubrandenburger Konzertnacht: BRAVISSIMO Musik von Chaplin, Dvorˇák, Barber, Gershwin u. a. 28.2. Baden-Baden/Festspielh. Caroline Widmann & das SWR-Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg unter E. G. Jensen
6.3. Garmisch-Partenkirchen/ Richard-Strauss-Institut Violinabend mit Ingolf Turban (Violine) & Lukas Kuen am Klavier 7.3. Essen/Philharmonie Scharoun Ensemble Berlin: “In lieblicher Bläue“ 8.3. Dresden/Frauenkirche Cecilia Bartoli & das Kammerorchester Basel 11.3. Erfurt/Theater Benjamin Moser & das Philharmonisches Orchester Erfurt unter Alvaro Cassuto 11.3. Kaiserslautern/Fruchthalle Marc-André Hamelin spielt Berg, Liszt, Debussy & Hamelin 11.3. Mönchengladbach/KaiserFriedrich-Halle Sabine Meyer mit dem Arcos Chamber Orchestra 11.3. Nürnberg/Meistersingerhalle Cecilia Bartoli & das Kammerorchester Basel 11.3. Dessau/Anhaltisches Theater Nils Mönkemeyer spielt Beethoven, Hindemith & Strauss 12.3. Nürnberg/Meistersingerhalle Albrecht Mayer
28.2. München/Prinzregententh. Annette Dasch singt Lieder von Wolf und Schumann
12.3. München/Prinzregententh. Daniel Hope & das Zürcher Kammerorchester
28.2. Zwickau/Robert-SchumannHaus „Schumann Plus II“ Kammerkonzert mit Christiane Edinger & Klaus Hellwig
13.3. München/Gasteig Winners & Masters Konzert: Jan Lisiecki
2.3. Bremen/Die Glocke Piotr Anderszewski & NDR Sinfonieorchester Hamburg, Ltg.: Thomas Hengelbrock
14.3. Augsburg/Theater Mozart für Kinder, Ein theatralischer Streifzug durch Mozarts Leben
16.3. Frankfurt/Alte Oper 30 Jahre Ensemble Modern 16.3. Wolfsburg/Theater Arcos Chamber Orchestra & Cédric Pescia am Klavier 22.3. Frankfurt/Alte Oper Arcadi Volodos
FESTSPIELE/ FESTIVALS 31.1.-14.2. Münster/div. Orte KlangZeit 2010 9.-14.2. Halle a.d. Saale/div. Orte „Women in Jazz“ 12.-14.2. Stuttgart/Theaterhaus ECLAT Festival Neue Musik Stuttgart 19.2.-1.3. Karlsruhe/ Badisches Staatstheater Händel-Festspiele 25.-27.2. Emsdetten/Stroetmanns Fabrik Emsdettener Jazztage
Düsseldorf Andrey Boreyko hat die Düsseldorfer Symphoniker übernommen und „frisch Verliebten“ schaut & hört man gerne beim Turteln zu. Am 12.-15.3. gibt es mit der Symphonie fantastique und dem 2. Chopin-Konzert mit Boris Berezovsky das passende Programm. www.tonhalle.de Auch die Oper am Rhein bietet mit Charpentiers „Louise“ in der Regie von Christof Loy eine sehr sehenswerte Produktion an, ab 17.2. www.operamrhein.de Danach mit dem Auto in den Hafen ins französiche Bistro „Patricks Seafood Nr.1“. Der Name ist Programm! www.seafood1.de 26.2.-7.3. Dessau-Roßlau Kurt Weill Fest Dessau 5.-14.3. Fürth/div. Orte Internationales Klezmer Festival Fürth 9.-14.3. Burghausen Internationale Jazzwoche Burghausen 11.-21.3. Aalen, Oberkochen, u.a. 20. Internationales JazzFestival Oberkochen 13.3. Kornwestheim/Haus der Musik Kornwestheimer Jazzaktion
www.crescendo.de 01 2010 49 | plus regional
(Verlorene) Utopie Unter dem dialektischen Motto „Utopie (verloren)“ untersucht das internationale Festival für aktuelle Musik „MaerzMusik“ der Berliner Festspiele Musik als Ort utopischen Denkens. Insgesamt 19 Uraufführungen und zahlreiche deutsche Erstaufführungen sind an verschiedenen Orten in ganz Berlin zu erleben, unter anderem mit Musik von Beat Furrer, Mela Meierhans, Salvatore Sciarrino, Barbara Monk Feldman, Isabel Mundry, Klaus Huber und Dieter Schnebel. Berlin, verschiedene Orte, 19.-28.03., www.maerzmusik.de
Weill im Heute Das Kurt Weill Fest 2010 eröffnet mit der Uraufführung „Die WUNDE Heine“; eine Neukomposition von Helmut Oehring. Ein weiteres Auftragswerk erarbeitete Moritz Eggert mit dem Bachmann-Preisträger Franzobel. Als große szenische Produktion wird gemeinsam mit dem Anhaltischen Theater Dessau Kurt Weills Musical „One Touch of Venus“ realisiert. Weitere spannende Begegnungen mit Weills Musik sind geplant; unter anderem mit Angelika Kirchschlager, den Berlin Comedian Harmonists, Annamateur, Nylon, Helen Schneider und dem MDR Sinfonieorchester unter Leitung der britischen Dirigentin Sian Edwards. Dem Motto „New Art Is True Art“ folgend, wagt das Kurt Weill Fest den Blick in die Gegenwart. Dessau, verschiedene Orte, 26.2.-7.3., www.kurt-weill-fest.de
Mit viel Gefühl Wer Liedgesang mit Klavier eher für unspektakulär hält, höre sich einmal so zeitlose Gefühlsäußerungen wie „Auf dem Flusse“, „Im Dorfe“ oder „Der Wegweiser“ aus der „Winterreise“ an – am besten gleich mit einem Sänger, der es versteht, aus einem Liederabend „ein existenzielles Hörerlebnis“ zu machen, wie der Tagesspiegel 2009 über Matthias Goerne schrieb. Vor dem Konzert lädt die Reihe „Backstage“ zu einer Lesung des luxemburgischen Schriftstellers Guy Wagner, der am 24. Februar zu Ausschnitten aus seinem Roman „Winterreise“ Bilder von Schauplätzen des Lebens von Franz Schubert zeigt. Luxembourg, Philharmonie, 24.02., www.philharmonie.lu
Musikalischer Weltbürger Der legendäre Mstislaw Rostropowitsch pries Mischa Maisky einst als „eines der herausragendsten Talente“ in der jüngeren Cellisten-Generation. Maisky ist ein Solist von Weltrang und eine Künstlerpersönlichkeit abseits der Konvention. Der in Lettland geborene Künstler versteht sich als Weltbürger: „Ich spiele ein italienisches Cello, mit einem französischen Bogen, ös-
terreichischen und deutschen Saiten, meine Tochter wurde in Paris geboren, ich fahre ein japanisches Auto, trage eine schweizerische Uhr, eine indische Halskette – kurz gesagt, ich sehe mich als Kosmopolit.“ Hamburg, Laeiszhalle, 10.02., www.proarte.de
Ein wahrer Könner Kurz bevor das Gewandhausorchester zu seiner 14. USA-Tournee startet, spielt das Orchester unter der Leitung von Gewandhauskapellmeister Riccardo Chailly alle Gastspielprogramme auch in Leipzig. Solist am 12. Februar ist der Violinvirtuose Nikolaj Znaider, der nicht umsonst zu den besten Violinisten der Welt gerechnet wird. Er interpretiert in Leipzig und auf Tournee das Konzert für Violine und Orchester e-Moll MMV 014 von Felix Mendelssohn Bartholdy. Leipzig, Gewandhaus, 12.02., www.gewandhaus.de
Musik für die Kleinsten mini.musik vermittelt Kindern im Alter von 3-6 Jahren klassische Musik spielerisch. Durch Mitmach-Aktionen und szenische Einlagen sind die Kinder aktiv beteiligt. Zum Auftakt der Kinderkonzertreihe am 07. Februar lädt mini. musik e.V. in die traumhafte Welt des „Zirkus“. Jongleure und Artisten zaubern an ihren Instrumenten. Zu Werken von Rachmaninow, Saint-Saëns oder Berio wird geklatscht, gesungen und fröhlich getanzt. Im März steht ein besonderes Kinderkonzert auf dem Programm: „Zazou – die Zauberuhr“ gehört dem kleinen Fridolin, sie kann nicht nur ticken, sondern auch sprechen und ist sofort zur Stelle, wenn im tiefen Wald, dort, wo Fridolin besonders gern herumstreunt, Hilfe benötigt wird. Diese wundervolle Geschichte haben sich Kindergartenkinder zusammen mit Uta Sailer, der Moderatorin des Konzerts, ausgedacht und illustriert. Unterlegt ist die Geschichte mit Musik u.a. von Beethoven, Prokofjew und Gubaidulina. München, Black Box im Gasteig, 7.2. / 21.3., www.mini-musik.de
Zum Träumen Bei der diesjährigen Mozartwoche wird wieder ein weiter Bogen gespannt von großer Oper über Solokonzerte und Sinfonien bis zur Kammer- und Kirchenmusik. Sieben Tage lang bietet die Bad Reichenhaller Philharmonie unter der Leitung des Chefdirigenten Thomas J. Mandl im prunkvollen Alten Königlichen Kurhaus ein Mozartrepertoire zum Träumen. Mit einem der größten Werke der Musikliteratur, mit „Don Giovanni“ eröffnet dieses erste Veranstaltungsprogramm aus der Jahresreihe „Musiktage 2010“. Bad Reichenhall, Altes Königliches Kurhaus, 7. – 14.3., www.musiktagereichenhall.de
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lieto fine 50 | www.crescendo.de 01 2010
schreibt exklusiv in crescendo
Hält doppelt wirklich besser ...? Musiker dürfen sich ein Leben lang der Musik widmen. Aber wie ist es, wenn ein Musiker auch etwas anderes machen will, in- oder gar außerhalb der Musik? Der phänomenale Geiger Maxim Vengerov sorgte neulich für Aufruhr, als er im Alter von 35 Jahren, der Welt ankündigte, dass er sich ausschließlich auf das Dirigieren konzentrieren wolle, zumindest für absehbare Zeit. Instrumentalisten, die zum Baton greifen, sind ein altbekanntes Thema. Aber was passiert, wenn ein Künstler sich dabei ertappt, eine Begeisterung für etwas völlig Neues gefunden zu haben? Unsere heutige Gesellschaft ist voll von Beispielen: Modedesigner Tom Ford dreht einen hochgelobten Kinofilm, Armin Mueller Stahl’s Kunstwerke sind weltbekannt und Jeffrey Tate ist gelernter Arzt. Aber auch ein Blick zurück in die Geschichte zeigt, wie vielseitig manche unserer alten Meister waren: Mozart soll besser Billard gespielt haben als die meisten Europaprofis, die er ständig zu sich nach Hause einlud um nächtliche Wettbewerbe zu veranstalten. Fritz Kreisler zauberte nicht nur himmlische Geigenklänge hervor, sondern hinterließ der Nachwelt unzählige Kompositionsjuwelen. Und Verdi, der sich „ein Bauer aus Roncole“ nannte, hat seine Honorare konsequent in sein Landgut „Sant‘Agata“ investiert und schaffte daraus ein wahres Imperium. Aber wir reden hier natürlich von den ganz Großen, nicht von uns „Normalsterblichen“. Seit ich mein zweites Buch veröffentlicht habe, entdecke ich immer mehr Freude am Schreiben. Dafür bekomme ich ab und zu zu spüren, dass die Idee überhaupt etwas anderes zu wagen, als Geigespielen, ein sicheres Zeichen dafür sein muss, dass die Musik zu kurz kommt. Das Lustige dabei: Ich empfinde es genau anders rum. Weil es gerade die Musik ist, die mich immer wieder infiziert, inspiriert und anfeuert, fühle ich mich weiterhin verpflichtet, ihren Ausdruck in jeglicher Form zu suchen, ob auf der Geige, in Wort, Ton oder Bild. Es ist meine Art, die Musik zu zelebrieren! Daniel Hope ist ein britischer Weltklasse-Geiger mit irisch-deutsch-jüdischen Wurzeln. www.danielhope.com
und zum Schluss:
Der neue i-Klang
Fotos: MoPhO
DANIEL HOPE
Die neue Stradivari: das iPhone wird zum Musikinstrument.
Die Studenten an der University of Michigan haben vor kurzem ihr erstes Konzert gegeben. Das wäre nicht weiter erwähnenswert, wenn die jungen Musiker bei der Wahl ihrer Instrumente nicht ausschließlich Telefone (klar: das iPhone von Apple) verwendet hätten. Man sei nicht auf die Physik traditioneller Instrumente beschränkt und könne interessante, seltsame und ungewöhnliche Dinge tun, sagt dazu Georg Essl, Assistenzprofessor für Elektrotechnik und Informatik sowie Musik besagter Universität (Essl sagte dies „by the way“ in deutscher Sprache, er stammt aus Österreich). Das iPhone verfüge über eine Sensorbestückung, die als vielseitige Input-Möglichkeit für das digitale Musikinstrument neue künstlerische Möglichkeiten eröffnet. Das wiederum klingt trotz fehlender Fremdsprache unverständlich, heißt aber: Jedes Telefon kann – bei sorgfältiger Programmierung und ausgestattet mit der richtigen Software – zu einem Musikinstrument mutieren. Ob die Zuhörer ihre eigenen Telefone während des Konzerts ausschalten müssen, darüber gab es bei Redaktionsschluss noch keine Information.
Impressum Verlag:
Port Media GmbH Senefelderstraße 14, 80336 München Telefon: +49-89-741509-0, Fax: -11 info@crescendo.de, www.crescendo.de Port Media ist Mitglied im Verband Deutscher Zeitschriftenverleger und im AKS Arbeitskreis Kultursponsoring Herausgeber: Winfried Hanuschik (verantwortlich) hanuschik@crescendo.de Artdirector: Stefan Steitz (verantwortlich) Textchef:
Robert Kittel Autoren: Pascal Morché, Teresa Pieschacón Raphael, Christoph Schlüren
Chef vom Dienst: Michaela Wurstbauer plus regional:
Projektleitung: Liselotte Richter-Lux richter-lux@crescendo.de Mitarbeiter dieser Ausgabe: Roland Berger, Bob Coat, BenjaminGunnar Cohrs, Tobias Haberl, Christa Hasselhorst, Daniel Hope, Martin Morgenstern, Tom Pfeiffer, Kai Schächtele, Burkhard Schäfer, Stefan Schmerbeck (crescendo-Tipps), Paul Schmitt, Uwe Schneider, Thomas Voigt. Verlagsrepräsentanten: Tonträger: Petra Lettenmeier lettenmeier@crescendo.de
Das nächste crescendo erscheint am 16. März 2010.
Kulturbetriebe: L. Richter-Lux, richter-lux@crescendo.de Hifi & Marke: Heinz Mannsdorff, mannsdorff@crescendo.de Raimund Arntzen, arntzen@crescendo.de Auftragsmanagement: Petra Lettenmeier (verantwortlich) lettenmeier@crescendo.de Gültige Anzeigenpreisliste: Nr. 13 vom 01.09.2009 Druck: Westermann Druck Georg-Westermann-Allee 66 38104 Braunschweig Erscheinungsweise: crescendo erscheint mit sieben Ausgaben pro Jahr und zusätzlichen crescendo-themenspecials.
crescendo ist bei Opern- und Konzerthäusern, im Kartenvorkauf und im Hifiund Tonträgerhandel erhältlich. Copyright für alle Beiträge bei Port Media GmbH. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers, nicht unbedingt die der Redaktion wieder. Nachdruck und Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos wird keine Gewähr übernommen. Angabe der Beteiligungsverhältnisse: Gesellschafter der Port Media GmbH: 100 % Winfried Hanuschik, München Abonnement: Abo-Service crescendo Postfach 13 63, 82034 Deisenhofen Telefon: +49-89-8585-3452, Fax: -362452 abo@crescendo.de
Das crescendo premium-Abo umfasst sieben Ausgaben, davon ein Sonderheft „crescendo festspiel-guide“ und zusätzlich sechs exklusive heftbegleitende premium-CDs und kostet 34,- EUR pro Jahr inkl. MwSt. und Versand. Versand ins Europäische Ausland: zzgl. EUR 10,- Bank-/Portospesen Zahlung per Rechnung: zzgl. EUR 5,- Bearbeitungsgebühr. Kündigung: nach Ablauf des ersten Bezugsjahres, jederzeit fristlos. Verbreitete Auflage: 64.550 (laut IVW-Meldung IV/09) ISSN: 1436-5529 geprüfte Auflage Beilagenhinweis: Diese Ausgabe enthält das crescendo Themenspecial crescendo KulturRegionen 2010.
Mehr über unser Repertoire erfahren Sie auf www.dhl.de Als Tochterunternehmen des Bonner Weltkonzerns Deutsche Post DHL teilen wir nicht nur unsere Wurzeln mit Ludwig van Beethoven. Auch unser einzigartiges Logistiknetzwerk funktioniert so harmonisch, wie die Kompositionen des Bonners klingen. Das perfekte Zusammenspiel von über 300.000 Mitarbeitern garantiert, dass jede Sendung schnell und zuverlässig ans Ziel kommt – ganz gleich, ob es sich um eine neue CD, aktuelle Konzertkarten oder einen logistischen Großauftrag handelt. Dafür engagieren wir uns in über 220 Ländern und Territorien der Welt.
Foto: Felix Broede / DG
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Internationaler Chopin-Wettbewerb Warschau 2005: Rafal– Blechacz kam, spielte und siegte in allen Kategorien!
„Alice Sara Ott hält, was die Werbung verspricht. Das gibt es selten genug.“ (Piano News, 2009)
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