crescendo 4/2012, Premium Ausgabe Juni–August 2012

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Juni – august 2012 www.crescendo.de 7,90 Euro

PREMIUM AUSGABE inkl.

2 CD s KÜnSTLER Thomas Hengelbrock über seine neue Rolle als NDR-Dirigent FestivalS Attraktive Rahmenprogramme locken neue Zielgruppen

Reise

Kiez & Kultur Hamburg aus der Sicht des Pianisten Sebastian Knauer

Schwerpunkt Über zwei Millionen Deutsche singen im Chor – Henning Scherf erklärt, warum

Vilde Frang Die norwegische Violinistin und ihre frühe Liebe zu Tschaikowsky B47837 Jahrgang 15 / 04_2012

Mit Beihefter Class Ak tuell

61. Internationaler Musikwettbewerb der ARD

6. bis 21. September 2012 Dieses Jahr in den Kategorien ­Klarinette, Gesang & Streichquartett. Mit drei Preisträgerkonzerten in München – und live im Internet.


ACAD EM Y OF ST M ART IN IN THE FI ELD S A NG ELIK A KI RCH SCH LA GER S IR MA RK E LDE R

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03 JULI – 30 JULI 2012 CHA MBE R CH OIR OF SOU TH A FR ICA INFOS UND KARTEN UNTER

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Audi ArtExperience

DIE SIN GPHO NI KER


p r o l o g

Klassik leicht erklärt

winfried hanuschik Herausgeber

Liebe Leser, darauf sind wir ein bisschen stolz: Unsere erste App ist fertig. Den seit 14 Jahren etablierten crescendo Festspiel-Guide gibt‘s jetzt auch im Apple-App-Store mit vielen charmanten und bequemen Zusatzfunktionen, die Ihnen die Planung Ihres Kultursommers erleichtern. Und das sogar gratis! Die erste Aktualisierung unterstützt übrigens auch ältere iPhones sowie das iPad. Ebenfalls ganz frisch und wertig präsentiert sich der nagelneue Internetauftritt www.crescendo.de. Dort haben Sie jetzt die Möglichkeit, direkt von der CD-Besprechung in die Aufnahme hineinzuhören, um sich ihr eigenes Urteil zu bilden. crescendo.de will nämlich inspirieren. Mit einem Klick kommen Sie zu anderen Einspielungen und Beiträgen, die Sie ebenfalls interessieren könnten. Wir rücken Artikel in den Fokus, die Ihnen bisher vielleicht entgangen wären. Als crescendo Premium-Leser* verfügen Sie natürlich auch Online über besondere Privilegien: So steht Ihnen die crescendo Premium-Edition, die Sie bereits als CDs kennen, via Streaming zur Verfügung. Unter den „Premium-Services“ finden Sie auch die elektronische ­Variante Ihrer crescendo Premium-Ausgabe und eine ganze Reihe

weiterer Vorteilen. Vieles ist noch in der Entstehung und manchen Fehler werden Sie als Nutzer zuerst entdecken. Klicken Sie doch mal mit Ihrem Premium Kennwort* rein – wir sind sehr gespannt auf Ihre Meinung und Anregungen (Mailen Sie uns einfach: redaktion@crescendo.de) Oder Sie nehmen gleich an unserer Online-Umfrage teil. Als Dankeschön können Sie attraktive Preise gewinnen. Ihre Stimme zählt! Die Stimme, das kostbarste und zugleich günstigste Instrument, faszinierend, vielfältig, variantenreich und immer wieder überraschend: Mehr als zwei Millionen Deutsche singen in Ihrer Freizeit gemeinsam, organisiert in über 21.000 Laien-Chören. Viele können bestätigen, was Dr. Gunter Kreutz he­rausfand: Singen macht glücklich, hält gesund und fit. Ein guter Grund, dem Chorgesang den Schwerpunkt dieser Ausgabe zu widmen (Seiten 14/15 und 50 bis 53). Vom Titel strahlt Ihnen übrigens die norwegische Violinistin Vilde Frang entgegen. Im Gespräch sagte sie: „Wenn ich die ersten Töne eines Konzerts spiele, stoße ich mich von einem Ufer ab und versuche eins zu werden mit dem Ozean vor mir“. Genau dieses Musikverständnis wünsche ich Ihnen in diesem FestspielSommer! Viel Spaß beim Lesen, Herzlichst, Ihr

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Fotos Titel: Marco Borggreve; Sigi Müller

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Winfried Hanuschik (wh@crescendo.de)

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88hope

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Die populäre Musikbuchreihe – mit tollen PaketAngeboten

P r o g r a mm

Große Komponisten und ihre Zeit Eine spannende Reise durch die Musikgeschichte auf den Spuren der wichtigsten Komponisten

Herausgegeben von Irene Brandenburg 400 Seiten. Geb. € 34,80 ISBN 978–3–89007–249–4

Robert Schumann und seine Zeit Von Arnfried Edler 416 Seiten. Geb. € 37,80 ISBN 978–3–89007–653–9

Arcangelo Corelli und seine Zeit Von Peter Allsop Aus dem Englischen. Herausgegeben von Birgit Schmidt 346 Seiten. Geb. € 34,80 ISBN 978–3–89007–240–8

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Laaber

10 Das Piano, Der Jazz und Bernstein 84 Jahre und schon wieder auf Tournee: Die vielen Leidenschaften der „swingenden Legende“ Paul Kuhn.

28 Vilde Frang – Die Nicht Perfekte Die Furcht der norwegischen Nachwuchs-Violinistin vor einem Konzertabend womöglich ganz ohne Fehler.

40 „Kath“ – ein Leben wie ein Melodram Kathleen Ferrier wäre im April 100 geworden – Nachruf auf eine Stimm-Künstlerin, die nicht nur Benjamin Britten betörte.

STandards

Künstler

hören & Sehen

03.... Prolog Der Herausgeber stellt die Ausgabe vor. 06.... Ensemble Hinter den Kulissen – unsere Autoren. 08.... Blickfang Das Kauffman Center in Kansas City. 10..... Ouvertüre Ein Anruf bei Paul Kuhn & die Playlist von Erwin Schrott. 12..... Diven-Alarm Wer wie den Klassik-Betrieb zur Weißglut bringt. 13..... Muttertag Lang Lang liebt Muttis Knödel. 33.... Impressum 46.... KolumnE Pascal Morché über die Dirigenten von heute. 48.... R ätsel des Alltags 90.... Die Letzte Seite Daniel Hope traf Fabiola von Belgien – und war höchst angetan.

14..... ein Espresso Mit... ... Henning Scherf, ExBürgermeister, aktueller Chorverbandschef. 16..... Der GralshüteR Cembalist Andreas Staier mag keine modernen Flügel. 18..... Im Affenzahn Der 17-jährige Pianist Jan Lisiecki über seine Karriere – und Reinkarnation. 22.... STing zu viert Das Vokal-Ensemble Singer Pur auf den Spuren des Pop-Großmeisters. 24..... DER NEUE Thomas Hengelbrock über sein Selbstverständnis und seine Aufgabe als Dirigent des NDR-­ Orchesters. 26.... Gitarrenzauber Wie Milo aus Montenegro die Klassikwelt erobern will. 28.... Vilde Frang Die ECHO-Preisträgerin spielt Tschaikowsky. 30.... Personalien

31..... DIE WICHTIGSTEN EMPFEHLUNGEN DER REDAKTION 32.... ATTILAS AUSWAHL 36.... Melody Gardot Ihre Stimme als roter Faden durch ihr neues Album „L‘Absence“. 38... Label-porträt Naxos: Das Label der Liebe. 40.... Kathleen Ferrier Eine Ausnahme-Altistin mit bewegender Lebensgeschichte. 43... KomponistenPorträt Englands vergessenes Genie: John Foulds. 44.... Akustik Sound and Mobility: Musik im Auto.

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Juni – Augus t 2012

Fotos: Rafael Toussaint/IN+OUT Records; Marco Borggreve; EMI Classics

Christoph W. Gluck und seine Zeit


20.00 Uhr

Fotos: Jan Rathke; Torsten Kollmer; Monika Lawrenz

07 JULI 2012

50 Das Wohlige Gefühl der Harmonie Singen macht gesund und glücklich – Singen im Chor besonders. Ein Schwerpunkt zum Deutschen Chorfest.

60 Kiez & Kultur: die Elb-Metropole Hanseatisches Understatement? Mit der Elbphilharmonie zementiert Hamburg seinen Ruf als Klassik-Hochburg.

70 Das Drumherum ist auch ganz schön Die Festspiele des Sommers gewinnen mit attraktiven Rahmenprogrammen neue Zielgruppen.

Gesellschaft

Lebensart

erleben

49.... K lassik in Zahlen 50.... 600 Konzerte mit 500 Chören? Neue Formate, neue Formen der Begegnung – Chorgesang boomt, wie das Chorfest zeigt. 54.... WEttbewerbe Die wichtigsten GesangsWettbewerbe. 55.... Musik zu Tisch! Im Drehrestaurant im Olympiaturm gibt‘s Kulinarisches – und Klassik! 56.... Grosse Klassik Warum große KlassikHymnen und Klassikstars bei Großereignissen besonders gefragt sind.

60.... REISE Knauerstraße, Klavier Knauer – mit dem Pianisten Sebastian Knauer durch seine Heimatstadt Hamburg. 64.... Weinkolumne Dirigent John Axelrod über den prickelnden Wein des Sommers. 66.... Schöne Dinge Klassische Schreibgeräte. 68.... Musiker reisen Früher gings mit der Kutsche zum Konzert – wie Künstler heute reisen.

70.... Guter Rahmen Wie die Manager der Sommer-Festspiele den Zugang zum Musiktheater fördern. 74..... NEues Aus Fernost Mit der Bayerischen Staatsoper beim Gastspiel in Tokio und Hongkong. 76..... KUNST-Stoff Sonderveröffentlichung der BAYER Kultur. 80.... Wiege der Stars Die Karrieren der Großen begannen oft beim ARDMusikwettbewerb. 82.... Jetzt Festival Die Weimarer Meisterkurse stocken auf: Mit Film, Musik, Gesprächen. 84.... VORSCHAU Wichtige Termine für Juni bis August.

Exklusiv für Abonnenten Hören Sie die Musik zu u­ nseren Texten auf der ­crescendo Abo-CD – exklusiv für Abonnenten. Infos auf den Seiten 3 & 65.

open-air-konzert Der staatskapelle weimar im weimarhallenpark

eine

norDiScHe nacHt

Dirigent: Stefan Solyom moDeration: Dominique Horwitz

Online-Verkauf: www.weimar.de www.nationaltheater-weimar.de

Tourist-Information Weimar + 49 (0) 3643 745-745 Deutsches Nationaltheater + 49 (0) 3643 755-334

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weimar Ku l t u r s t a d t E u r o p a s


E n s e m b l e

Hinter der Bühne Die Welt von crescendo lebt von den Mitarbeitern, die sie mit Leben füllen und von den Künstlern, über die wir berichten. Deshalb der gewohnte Blick hinter die Kulissen, der diesmal auffällig stark im Norden liegt.

Clemens Matuschek Unser neuer Autor, Dramaturg und Journalist (er schreibt u.a. für Die Zeit und das Hamburger Abendblatt), lebt seit 12 Jahren in der Hansestadt, was ihn sofort für unsere Reisegeschichte über die musikalischen Höhepunkte an der Elbe qualifizierte. In den hanseatischen Straßen traf sich Matuschek mit dem Pianisten Sebastian Knauer, der wiederum auf einen imposanten hanseatischen Stammbaum verweisen kann und für unseren Fotografen vor der – nach seiner Familie benannten – Knauerstraße posierte. Natürlich fiebern alle Hamburger der Fertigstellung der Elbphilharmonie entgegen: Knauer, um hier endlich in die Tasten zu greifen; Matuschek, um sein neues Büro als Programmredakteur der Elbphilharmonie Konzerte zu beziehen. Aber vorerst ­begnügten sich die musikalischen Herren mit dem alten Charme der prachtvollen Laeiszhalle – auf und hinter der Bühne. Seite 60.

Henry C. Brinker Unser Hamburg-Korrespondent reiste für die Rubrik „Auf einen Espresso­mit...“ ins benachbarte Bremen. Genauer gesagt, ins Bremer Weserrenais­sance-Rathaus, in dessen Bibliothekszimmer er Henning Scherf traf. Der Alt-Bürgermeister ist Präsident des Deutschen Chorverbandes und absoluter Musikfan. Brinker interessierte sich jedoch erst einmal für die ausgefallenen Möbelstücke des Raumes: rötliches MahagoniFurnier, ­Löwentatzen und Karyatiden-Köpfe in Gold. Er lernte: Die repräsentativen­ Möbel des Bibliothekszimmers im berühmten Bremer Rathaus waren ursprünglich für den wohlhabenden Kaufmann Leopold Biermann (1875-1922) entworfen worden. Der universell begabte Künstler Rudolf Alexander Schröder erhielt 1909 den Auftrag, Biermanns Villa in der Blumenthalstraße auszustatten. Später gingen die Möbel in Privatbesitz über, von wo sie schließlich den Weg ins Rathaus fanden. „Überholt und eingebaut wurde das Mobiliar von Restauratoren als eine vom Bund finanzierte Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, die die Stadt nichts kostete“, erzählte ein gut gelaunter Henning Scherf. Das interessante Gespräch lesen Sie auf Seite 14.

Dagmar Penzlin

Fotos:Torsten Kollmer (2); Brigitte Dorrinck; privat

Das Interview mit dem neuen Dirigenten des NDR Rundfunkorchesters Thomas Hengelbrock fand natürlich ebenfalls in Hamburg statt. Autorin und Musikwissenschaftlerin Dagmar Penzlin traf Hengelbrock in den heiligen Hallen des Norddeutschen Rundfunks, was insofern passte, da unsere Autorin primär Beiträge für das Radioprogramm des NDR produziert. Das Interview von Penzlin mit Hengelbrock lesen Sie auf Seite 16.

ANNA & Alina Nicht an der Nordsee, sondern am riesigen Pazifik amüsierten sich die beiden ­crescendo-Cover-Heldinnen Anna Prohaska (Premium-Ausgabe 4/2011) und Alina Pogostkina (Standard-Ausgabe 02/2012). Die Damen sandten uns herzliche Grüße und dieses „Urlaubs“-Foto vom Strand in Los Angeles. So richtig Urlaub hatten beide nur kurz: Pogostkina spielte unter der Leitung von Gustavo Dudamel zusammen mit dem Los Angeles Philharmonic Werke von Peteris Vasks, Prohaska sang unter den ­Hügeln Hollywoods in einer Inszenierung von Mozarts „Don Giovanni“.

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www.br-klassik.de

Foto: Vivienne Westwood Shoes, Damiani Verlag, Bologna

* Vivienne Westwood: „Green Satin Winter Boot“


b l i c k f a n g

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WAS: Das neue Kauffman Center for the Performing Arts WO: Kansas City, Bundesstaat Missouri (USA) WER: Philanthropin Muriel Kauffman tr辰umte ihr Leben lang von einem Zentrum f端r Oper, Konzert, Theater und Ballett. Nach ihrem Tod verwirklichte ihre Tochter Irene Kauffman den Plan. Als Architekt firmierte der Israeli Moshe Safdi, der den Entwurf f端r das Projekt schon beim ersten Treffen mit Julia Kauffman auf eine Serviette malte. WIE: Teuer! 413 Millionen US-Dollar, komplett finanziert durch die Muriel Kauffman Stiftung. WARUM: Weil es illustriert, welchen Stellenwert die (klassische) Musik mittlerweile selbst in US-Bundesstaaten wie 足Missouri hat. Foto: Tim Hursley


ouv e rt ü r e

„Der Jazz ist eine fertige Sache.“ Hallo Herr Kuhn. Wobei stören wir Sie gerade? Planen Sie noch Ausflüge in andere Musikrichtungen? Eigentlich gar nicht. Ich fühle mich nur nicht so gut, weil Nein. Ich bin ein Mann, der geradlinig beim Jazz bleiben ich gestern eine Augenbehandlung hatte, das tut noch will. Ich glaube, der Jazz ist im Grunde, so wie er ist, eine ein bisschen weh. Geht aber nach zwei Tagen wieder fertige Sache. Da können wir nicht viel Neues erwarten. weg. Ansonsten geht‘s mir gut. Ist doch wie mit der Klassik: Die besteht auch so, wie sie ist. Sie wirken auch immer noch fit! Was hält sie jung? Na, die Musik, ist doch klar! (lacht) Beschäftigen Sie sich mit klassischer Musik? Gerade waren Sie wieder mit Ihren Kollegen Hugo Ich bin ein großer Fan von Leonard Bernstein. Einer der größten Dirigenten und Komponisten überStrasser und Max Greger unterwegs und haben Konhaupt. Ein ganz toller Mann! Der hat es verzerte gegeben. Macht‘s noch Spaß? standen, junge Menschen für Musik zu Oh ja! Wir touren als die „Swing Legenden“. begeistern. Ich habe ihn einmal live Erstaunlich ist, dass viele Fans jüngeren Datums erlebt. Wir sind mit der Big Band des zu den Konzerten kommen, die diese Musik Senders Freies Berlin damals beim Philirgendwie für sich entdeckt haben. Viel mehr harmoniker-Ball nach ihm aufgetreten. junge Leute als früher! Es kommt erfreulich oft vor, dass mich Besucher ansprechen: „Ich Konnten Sie ihn auch persönlich treffen? wollte mich einfach mal bedanken, für die Ich bin vor dem Auftritt zu ihm gegangen wundervolle Musik, die Sie uns geschenkt und habe genau das gesagt, was die Leute haben“. Vielleicht sind sie enttäuscht von mir nun sagen: „Vielen Dank, für die tolle der heutigen Pop-Musik. Musik, die Sie uns geschenkt haben“. Sie halten nicht viel von heutiger Musik? Engagieren Sie sich für den Nachwuchs? In der Pop-Musik sehe ich überhaupt nichts. Eigentlich engagieren sich die für mich. Die ist jämmerlich geworden. Vielleicht gibt (lacht) Es kommen immer wieder Eltern zu mir es Ausnahmen, aber das was ich ab und fragen: Herr Kuhn, unser Kind und zu höre ist grauenvoll. Wenn sie will Musiker werden, was raten Sie Als Jazz-Pianist und Entertainer wurde Paul Kuhn bekannt. bei diesen Casting-Shows die Sieger uns? Da kann ich nur sagen: Lassen Das Hamburger Abendblatt schrieb kürzlich über ihn, er suchen. Was da gewinnt, ist doch Sie die Finger davon, wenn sie nicht wirke „wie der coole Bohemien, der seine Enkel an seiner furchtbar. Neulich habe ich mir mal hundert Prozent sicher sind, dass Zigarette ziehen und am Cognacschwenker nippen lässt“. gedacht: Paul, vielleicht verstehst das Kind sehr begabt ist. Es gibt so Du das einfach alles nicht. viele tolle junge, talentierte, gut ausSie haben aber ja auch nicht immer nur Jazz gemacht. Wofür schlägt gebildete Musiker da draußen, aber es gibt ja keine Stellen mehr. Wo sollen die alle unterkommen? denn ihr Herz am meisten? Ich glaube für das Klavierspiel. Weil es mir am meisten abverlangt. Haben Sie es jemals bereut, sich für die Musik entschieden zu haben? Klavierspiel erfordert eine saubere Technik und einen schönen Ton. Um Gottes Willen nein! Niemals! Ich wüsste gar nicht, was ich tun Und ich versuche das, ich will nicht einfach nur klimpern. sollte ohne Musik. Interview: Anna Novák

Playlist* Was hört der Tenor Erwin Schrott auf seinem iPod? PS: Schrott wies daraufhin, dass all diese Lieder abhängig seien von der Stimmung, dem Ort, den anwesenden Personen und was man gerade macht. Die Musik könne ein Auslöser für tolle Kreationen in der Küche sein; Kochen und Musik - was für eine tolle (und vielleicht gefährliche?) Kombination.

1. Macaco y Fito, „Puerto Presente“ „Das ist ein absoluter Gute-Laune-Song! Die Mitglieder der Band Macaco kommen aus Spanien, Venezuela, Brasilien und Kamerun – und entsprechend vielfältig sind die musikalischen Einflüsse!“ 2. Las Migas, „Tangos de la Repompa“ „Vier junge Musikerinnen aus Andalusien, Katalonien, Berlin und der Bretagne; zwei Gitarren, eine Geige, eine Cajón + die außergewöhnlichen Stimmen – eine tolle Mischung!“ 3. Radiohead, „High & Dry“ „Ein absoluter Klassiker!“ 4. David Byrne, „This must be the Place“ „Der Song stammt vom Soundtrack des gleichnamigen Films mit Sean Penn. der schönste langsame Satz des 19. Jahrhunderts.“ 5. Jorge Aragao, „Conselho & Dry“ „Jorge Aragao ist in seiner Heimat Brasilien sehr bekannt und hat gerade sein 30jähriges Bühnenjubiläum gefeiert.“

+++ Dass klassische Musik beim Autofahren beruhigt und selbst rasante Autofahrer weniger fluchen lässt, ist eine Vermutung, die sich schon lange hartnäckig hält. Die Navigations-App der Firma „Navigon“ bietet nun klassische Titel zum Download – und zur Beruhigung! – an. Der gestresste Autofahrer muss lediglich den Button „Fahren Sie entspannt“ drücken und wird direkt zur Klassik-Abteilung von iTunes weitergeleitet. +++ Am Theater an der Wien hängt der Haussegen schief. Intendant Roland Geyer übernimmt die Inszenierung der Wiederaufnahme von „Les contes d‘Hoffmann“. Die Oper war zuvor vom US-amerikanischen Filmregisseur William Friedkin in Szene gesetzt und von der Presse ungnädig aufgenommen worden. Friedkin echauffiert sich: Geyer weiter auf S. 12

10 *auf www.crescendo.de zu hören

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Foto: IN+OUT Records

Ein Anruf bei ... Jazz-Legende Paul Kuhn, der mit 84 (!) Jahren gerade wieder quer durch Deutschland tourte - und die Hallen nicht nur mit den Fans von früher füllt.


FÜR ALLE DIE WISSEN, DASS „BEETHOVEN“ KEINE GROSSEN HAUFEN, DAFÜR ABER GROSSARTIGE SINFONIEN GEMACHT HAT.

VÖ: 15.06.

J. MASSENET "MASSENET EDITION" Die Decca-Box beinhaltet seine Opern + seltene Werke; 140-Seiten Booklet 23 CD-Box EUR 65,99

M. ARGERICH & FRIENDS "LIVE FROM LUGANO 2011" R. & G. Capucon, A. Margulis, u.a. Ein Festival außergewöhnlicher Kammermusik! 3 CD-Box EUR 16,99

KLASSIK JAZZ LOUNGE. Musik für den gehobenen Anspruch. In Ihrem SATURN Theresienhöhe. Saturn Electro-Handelsgesellschaft mbH München / Theresienhöhe / Schwanthalerstraße 115 / 80339 München

D. BARENBOIM "BEETHOVEN FÜR ALLE SINF. NR. 1-9" West-Eastern Divan Orchestra / Philharmonie Köln 2011. 5 CD-Box EUR 26,99


ouv e rt ü r e

Immer dieses Diven-Theater Edita Gruberova liegt mit der Bayerischen Staatsoper im Clinch und zog sich gleich ganz aus dem Klassikzirkus zurück. In Sachen moderne Diva ist die Slowakin aber nicht allein, wie unser Vergleich beweist.

Edita Gruberova Sopranistin *1946

Gustav Mahler Komponist 1860 – 1911

Maria Callas

Sopranistin 1923 – 1977

Roberto Alagna Tenor (*1963)

& Angela Gheorghiu Sopranistin *1965

Werdegang

Besondere Kennzeichen

Der Slowakin gelang bereits in den 70er Jahren unter Karl Böhm und Herbert von Karajan der Durchbruch, seither gilt sie als Ausnahmetalent. Selbst zurückhaltende Kritiker gerieten bei der Sopranistin aus der Fassung.

Wurde als „Nachtigall“ und „Divissima“ bezeichnet. Gilt als Zierde der Bayerischen Staatsoper. Das Münchner Publikum war von der „Königin der Koloratur“ hingerissen.

Diven-Status Hoch. Gab im Februar 2012 ihren Abschied bekannt. Die 66-Jährige fühlte sich von der Staatsoper vernachlässigt. Seit sie der Intendant öffentlich auf vermeintliche Verpflichtungen hinwies, ist das Verhältnis zerrüttet: „Nichts als Lügen“ überschrieb der Opernstar eines seiner Statements.

Arbeitete sich als Sohn eines Schnapsherstellers von der mährischen Provinz bis nach Wien und New York hoch, wurde zum international gefeierten Komponisten und Dirigenten, Operndirektor und Reformer des Musiktheaters.

Mahlers ironische Selbstbezeichnung: „Gott der südlichen Zonen“. Privat suchte Mahler immer wieder Rat bei Siegmund Freud, der ihm anlässlich seiner Eheprobleme mit Alma Schindler einen Mutterkomplex bescheinigte.

Sehr hoch. Wo immer Mahler den Taktstock erhob, stöhnten Orchester unter seinem Leistungsdruck. Er selbst war hochsensibel: Sein erstes großes Engagement am Deutschen Theater Prag warf er nach einem Jahr wütend hin. Mahler war im Streit mit der Ballettmeisterin wegen des Spieltempos von Gounods „Faust“ unterlegen.

Tochter zweier Griechen, wurde aber in New York geboren. Callas siedelte im Alter von 14 Jahren nach Athen um und galt ab dem Jahr 1952 als wichtigste Opernsängerin der Welt. Starb bereits im Alter von nur 52 Jahren an einer Lungenembolie in Paris.

Wiedergeburtshelferin der Belcanto-Oper, „Primadonna Assoluta“ und über Jahre offizielle Geliebte des Reeders Aristoteles Onassis. Sorgte auch mit ungewöhnlichen Aktionen für Aufsehen: Callas beschloss zum Beispiel 1951 in Mexiko City das Ende von Aidas Siegerszene im 2. Akt abweichend von der Partitur mit einem „es“.

Sehr hoch. War die erste und einzige, die ihren Hund Toy mit zu den Proben an die Met nehmen durfte. Der Covent Garden Oper in London wäre der Zwergpudel beinahe zum Verhängnis geworden: Weil Quarantäne-Richtlinien Callas untersagten, mit dem Hund nach England einzureisen, hatte sie ihre Gastspiele dort immer wieder trotzig verschoben.

Alagna sang als Jugendlicher in Pariser Cabarets für Trinkgeld, schaffte 1994 den Durchbruch mit „Roméo et Juliette“ in ­London. Im gleichen Jahr lernte er ­Angela Gheorghiu kennen. Beide heirateten während einer Met-Oper auf der ­Bühne. Die Rumänin stammt aus ärmlichen Verhältnissen,­wurde 1990 zum Star.

Die Ehe verhalf beiden zu einem Karriereschub („Das Traumpaar der Oper“), unter Musikern und Veranstaltern bekamen sie – aufgrund ihrer zahlreichen Sonderwünsche – schnell den Spitznamen „Bonnie und Clyde.“

Hoch. Alagna verließ vor sechs Jahren während einer „Aida“-Vorstellung in Mailand nach Buhrufen aus dem Publikum beleidigt die Bühne und kehrte nicht mehr zurück. Gheorghiu soll Auftritte an der Met abgesagt haben, weil ihr die Perücke nicht gefiel. Sie verlangte sogar Visagisten für Radio-Interviews. Von der Oper in Chicago wurde sie gefeuert, weil sie Proben verpasste, um ihren Mann sehen zu können.

„Klassische Musik braucht so was nicht, sie spricht für sich selbst – aber irgendwie achtet das Publikum sehr auf die Oberfläche.“ Pianistin Yuja Wang im Interview auf die Frage, ob ihr das ständige Gerede über ihre Klamotten und ihr Äußeres nicht auf die Nerven gehe.

G E L E S E N N O T I E R T Die Zitate des Monats, Diesmal aus der „ZEIT“.

„Das Singen klappte einfach besser als das Flirten.“ Christian Gerhaher auf die Frage, ob der Gesang früher interessanter war als die Mädels.

„Wir müssen doch hören lernen! Wir jubeln Stars zu, nur weil sie Stars sind, das ist absurd.“ Daniel Barenboim, selbst einer der gefeiertsten Pianisten und Dirigenten unserer Zeit.

habe seine Arbeit an dem Stück sabotiert. „Wie ein Hund, der an einen Baum pinkelt“, beschwert sich der US-Regisseur. +++ Ups! Im spanischen Königshaus ist ein Stradivari-Cello im Wert von geschätzt 20 Millionen Dollar zu Bruch gegangen. Ein Verbindungsstück zwischen Hals und Körper des Cellos sei zerbrochen, hieß es aus Spanien. Warum? Das will das Königshaus nicht verraten. Die Zeitung „El Mundo“ behauptet: Das Cello ist während eines Fotoshootings vom Tisch geplumpst. +++ Der Queen-Elisabeth-Wettbewerb öffnet sein Archiv und macht zum 75-jährigen Bestehen des Wettbewerbs alte Aufnahmen für die Öffentlichkeit online verfügbar. So können Musikinteressierte nun unter www.cmireb.be beispielsweise die Vorspiele der Geigenvirtuosen Gidon

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Juni – Augus t 2012

Fotos: Wilfried Hoesl; University of Pennsylvania, Mahler-Werfel Papers; EMI Music/ErioPiccagliani; 2010 Ken Howard/Metropolitan Opera photos; EMI Classics/Ioana Hameeda

Künstler


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KulturTag

MutterTag I

MutterTag II

Das Kulturbarometer zeigt: Es fehlt an Nachhaltigkeit.

Anna Netrebko möchte mehr für ihren Sohn da sein.

Lang Lang twittert und postet: Mamas Knödel sind die besten.

„Leuchtturmprojekte reichen nicht aus, es Die Sopranistin Anna Netrebko (40) hat ihr fehlt an nachhaltigen kulturellen BildungsEngagement in Mozarts „Don Giovanni“ an programmen, die in der Fläche verankert der Berliner Staatsoper abgesagt. Sie zieht sind.“ Zu diesem Schluss kommt die Stues vor, für ihren Sohn Tiago mehr Zeit zu die „2. Jugend-Kulturbarometer“, die vom haben. Tiago stammt aus ihrer BezieBundesministerium für Bildung und Forhung mit dem uruguaischen Starschung (BMBF) gefördert und vom Zentenor Erwin Schrott (siehe S. 10). trum für Kulturforschung durchgeführt Die beiden leben in Wien. wurde. Die Analyse ist die erste dieser Netrebkos Rolle wird Art seit dem Jahr 2004. aller Voraussicht nach die Eine ebenfalls wichtige ErkenntSchwedin Maria Bengtsson nis ist: In den vergangenen Jahren hat übernehmen, eine Rücksich das Interesse der jungen Menschen erstattung des KartenDie Maultaschen von Mama Lang Lang. für Kunst und Kultur kaum verändert. preises für NetrebkoDie Maultaschen oder Knödel seiner MutLaut Studie interessieren sich zehn ProFans ist aber nicht ter seien die besten in der Welt, schrieb zent der 14- bis 24-Jährigen für klassische geplant. Netrebko ist Klavierkünstler (und crescendo-Titelheld) Musik, sieben Prozent für das klassische auch nicht die einLang Lang kürzlich über das Netzwerk faceTheater und nur drei Prozent für die Oper. zige „Star“-Absage book. Lang Lang ist unter den Musikern, Mit aktuell 45 Prozent hat der Anteil der in Berlin 2012. Maudie ihr Leben im Netz mit ihren Fans teilen, jungen Leute, die aktuell eine künstleririzio Pollini sagte einer der eifrigsten. Pro Woche versendet er sche Hobbyaktivität ausüben, um drei bereits seine zwei Festmindestens zwei „posts“. Wer ihm ebenfalls Prozent leicht abgenommen. tage-Konzerte ab, Klaus folgen will: Allerdings ist der Anteil der junFlorian Vogt stieg aus www.facebook.com/LangLangPiano. gen Leute, die schon mindestens eindem „Lohengrin“ der Twitter: http://www.twitter.com/lang_lang. mal mit der Grund- oder weiterfühDeutschen Oper aus. renden Schule ein Theater, Museum Foto: Wilfried Hoesl oder Konzert besucht haben, von 60 auf 69 Prozent gestiegen. Auch das Interesse an Metiers wie dem Fotografieren hat zugenommen, es liegt innerhalb der künstlerisch-kreativen Freizeitaktivitäten © Wade Zimmerman hinter der Ausübung eines Instruments an zweiter Stelle. Erstmals wurde im 2. Jugend-Kultur­ barometer auch die Nutzung von Bildungsangeboten in Kultureinrichtungen erfasst. 50 Prozent der jungen Leute hätten demnach schon einmal oder mehrmals eine Führung im Museum, einen Workshop im Theater oder eine Einführung in ein Konzert besucht. Dabei ist die VernetEntdecken Sie eine Welt der Musik zung zwischen Schule und KultureinrichRoyal Concertgebouw Orchestra – London Symphony Orchestra – Chor & Symphonieorchester des Bayerischen tungen wichtig. Der private Zugang zu solRundfunks – Wiener Philharmoniker – Tonhalle Orchester Zürich – Orchestre Philharmonique de Radio France – Pittsburgh Symphony Orchestra – Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia – Czech Philharmonic Orchestra – chen Bildungsangeboten erfolgt seltener London Philharmonic Orchestra – Orchestre Révolutionnaire et Romantique – Mahler Chamber Orchestra – Chamber über Eltern oder Freunde. Orchestra of Europe – Emmanuel Krivine – Valery Gergiev – Andris Nelsons – Mariss Jansons – Manfred Honeck – MyungMehr Infos zur Studie unter www.kulturforschung.de

Whun Chung – Zubin Mehta – Yannick Nézet-Séguin – Sir Antonio Pappano – Sir John Eliot Gardiner – Robin Ticciati – Herbert Blomstedt – Thomas Hengelbrock – David Zinman – Nikolaj Znaider – Ivo Pogorelich – Janine Jansen – Martha Argerich – Sol Gabetta – Leonidas Kavakos – Renaud & Gautier Capuçon – Rafał Blechacz – Maria João Pires – Emanuel Ax – Håkan Hardenberger – Cecilia Bartoli – Trevor Pinnock – Jordi Savall Hilary Hahn – Arcanto Quartett – Florian Boesch – Hélène Grimaud – Hagen Quartett – Salva Sanchis – Murray Perahia – Igor Levit – Kuss Quartett – Grigory Sokolov – Cameron Carpenter – Annette Dasch – Julia Fischer Quartett – Yuja Wang – German Brass – Bernard Foccroulle – Christianne Stotijn – Jerusalem Quartet – Christian Zacharias

Kremer oder Zakhar Bron anschauen. +++ Der Pianist Fazil Say will nach Japan auswandern – zum Selbstschutz. „Die zunehmende kulturelle Intoleranz in seiner Heimat“ enttäusche ihn, sagte er der türkischen Tageszeitung „Hürriyet“ +++

Diana Krall – Sonny Rollins – Al Jarreau – Monty Alexander Trio – Ibrahim Maalouf – Madredeus – Red Baraat – Tomatito – Fatoumata Diawara – Pascal Contet – Carl Davis – Nigel Kennedy – Mnozil Brass – Max Raabe – Belgian Brass Jean-Guihen Queyras – «Toy Piano World Summit» – Emilio Pomàrico – Thomas Zehetmair – Ictus Ensemble – musikFabrik – Kraus Frink Percussion – Yui Kawaguchi – Ensemble Intercontemporain 133 Konzerte für Kinder und Jugendliche…

Saison 2012/13 Ticketing (+352) 26 32 26 32 – www.philharmonie.lu

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Auf einen Espresso mit ...

Schwerpunkt

Henning Scherf

Chor-Verbands-Präsident Scherf: „Ich kann selbst die Revolutions-Lieder etwa der Brüder Godoy auf Spanisch singen.“

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Fotos: Torsten Kollmer

Chor


und Ausprägungen. Von meinem Vater habe ich noch die Wandervogel-Lieder gelernt. Dann missbrauchten die Nazis den KulturSchatz der Lieder und die Kultur des gemeinschaftlichen Singens für ihre Zwecke. Unter ihren Stiefeln wurde Gesang zu Gebrüll. Nach dem Krieg geriet das traditionelle Singen immer mehr in die Krise. Seit vielen Jahren spüre ich jetzt wieder, dass sich etwas bewegt, dass dieses musikalische Erbe keineswegs dahin ist. Wo etwa? Nehmen Sie als Beispiel den letzten Kirchentag in Bremen. Können Sie sich vorstellen, dass 25.000 Menschen gemeinsam Händels „Halleluja“ aus dem Messias schmettern? Da kamen doch die unterschiedlichsten Typen zusammen. Friedensbewegte und Evangelikale, Charismatiker und verliebte Kuschel-Pärchen. Und alle haben gemeinsam gesungen, vor allem auch neue, geistliche Lieder. Das war bewegend. So direkt zu erleben, wie Musik verbindet und vereint. Das Singen als politische Botschaft? Sollten die StimmbänHerr Dr. Scherf, heute schon der neue Kreditlinien ersetzen? gesungen? Es ist doch erschreckend, wie Klar, Sie haben es ja eben mitgeEuropa nur noch als Finanzprohört. Diese Mozart-Arie bewegt blem wahrgenommen wird. Von mich im Innersten, ganz große der Kulturgemeinschaft zum FisMusik. Als Bass mag ich natürkalpakt. Wer Europa will, kann lich auch Verdi. Wenn der Hohedie wirklichen Gefühle für diese priester aus tiefer Lage im „Aida“große Idee am besten durch die Bühnengetümmel auch die hohen Kultur mobilisieren, vor allem Töne erreicht, klopft mein Herz. durch die Musik. Ein Beispiel: Aber stilprägend sind bei Verdi Im Baltikum haben die Menja auch und vor allem die Chöre? Henning Scherf (73) war zehn Jahre Bürgermeister und Präsident des schen über die Zeit der SowjetSicher. Und als 2008 hier unter Senats der Freien Hansestadt Bremen, seit seinem Ausscheiden 2005 ­ diktatur in Liedern ihre Sehndem Motto „Bremen ist ganz ist er Präsident des Deutschen Chorverbandes. sucht nach Freiheit, ihr SelbstChor“ erstmals das Chorfest des Deutschen Chorverbandes stattfand, da war auch Verdi zu hören. wertgefühl und ihre Identität bewahrt und kultiviert. In Riga habe 200 Chöre und mehr als 7000 Sänger aus aller Welt, unvergesslich. ich einmal erlebt, wie Menschen im Chor ein Lied nur summMehrstimmige Kanons sogar in der Straßenbahn. Das Chorfest ten, um sich nicht dem offiziellen Vorwurf politischer Agitation 2012 findet übrigens vom 7. bis zum 10. Juni in Frankfurt statt. Mit gegen die Staatsmacht auszusetzen. Aber gerade dieses wortlose, mehr als 500 Chören und über 20.000 Sängerinnen und Sängern. vielstimmige Summen war vielleicht noch eindrucksvoller als der Zur Eröffnungsfeier kommen die A-capella-Akrobaten Wise Guys. eigentliche Gesangstext. Alle Frankfurter Schulen machen mit, und die Chöre schlagen im Sind Sie denn heute vor allem Gesangsfunktionär oder singen Sie auch selbst in einem Chor? Klassenzimmer ihre improvisierten Nachtquartiere auf. Aber sicher singe ich auch selbst. Meine musikalische Heimat ist Passt das denn jetzt mit dem linken Sozialdemokraten als Botder RathsChor, eine ambitionierte Truppe, die bei ihren Konzerten schafter des konservativen Chorgesangs ... sogar die Glocke (Anm. d. Red.: ein Bremer Konzerthaus) füllt und Vorsicht! Ich habe den Chorgesang als gemeinschaftsstiftende das zu Eintrittspreisen von über 40 Euro. Dirigent ist der großartige Kraft vor allem während meiner Zeit als Polit-Revoluzzer kennenWolfgang Helbich, ein begnadeter Dirigent und Kirchenmusiker. gelernt. Vor kurzem hielt mir eine Gefährtin aus Jugendtagen ein Als nächstes steht Mendelssohns „Elias“ auf dem Programm. Liederbuch der „work and sing“-Bewegung unter die Nase, mit Ihr Eintreten für den Generationenverbund und ein Altern in meiner Widmung. Wir haben damals auch revolutionäre BefreiWürde macht Sie zu einem beliebten Gast in den Talk-Shows. ungslieder gesungen. Seit 25 Jahren unterstütze ich auch die EntHat das auch etwas mit Musik zu tun? wicklung in Nicaragua, kann selbst die Revolutions-Lieder etwa Auf jeden Fall. Musik ist eine nie versiegende Quelle des Glücks. der Brüder Godoy auf Spanisch singen. Unsere Lieder sind Teil des kulturellen Erbguts. Diesen musikaliWie konnte es denn passieren, dass das schlichte Singen in schen Schatz können wir bis an unser Lebensende bewahren, auch Deutschland über Jahre diskreditiert war? unter schwierigen Bedingungen. Ich kenne Fälle, da erinnern sich Dafür gibt es viele Gründe. Schon die Industrialisierung war ein Demenz-Patienten an alle Strophen bekannter Volkslieder. Und entscheidender Bruch. Die romantische Liedtradition geriet unter „Geh aus mein Herz und suche Freud“ von Paul Gerhard hat mal die Räder der Fabriken, Vermittlungstraditionen wurden untereben 15 Strophen. Ich behaupte: Musik heilt sogar. Und bin da brochen, die funktionierende Mehrgenerationen-Kontinuität einer Meinung mit Fachleuten aus Geriatrie und Musiktherapie. der Familien von den Großeltern bis zu den Enkeln war vielfach Interview: Henry C. Brinker n dahin. Aber das Singen überlebte trotzdem, in neuen Bewegungen Der Ex-Politiker betritt das Bremer Renaissance-Rathaus durch den Haupteingang. Leichtes, taubenblaues Tweed-Sakko, rote Krawatte mit dem Motiv der Bremer Stadtmusikanten. Ganz so, als erschiene noch der amtierende Bürgermeister zu seinen Dienst­geschäften. Die Pförtnerin tritt fröhlich zum Plausch aus ihrer verglasten Loge, die Leiterin des Bürgermeister-Büros, eine studierte Germanistin, tauscht sich kurz mit dem stattlichen 2-Meter-Mann über die Lage im Allgemeinen aus. Und dann, ja dann fängt Hennig­Scherf auch schon an zu singen. „In diesen Heil‘gen Hallen ...“ schallt der Sarastro-Bass des 73-Jährigen durch das weite Foyer, fest und sonor, eine Zierde für jeden Männerchor. Seit 2005 ist Sympathie­ träger Scherf Präsident des Deutschen Chorverbandes. In einer prachtvoll restaurierten Mahagoni-Bibliothek im Stil des II. Empire wirbt der Hanseat erst für den in Bremen gerösteten EspressoKaffee, und dann mit ungebändigter Leidenschaft für das Singen – vor allem im Chor.

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Beethoven im Original Cembalist Andreas Staier gilt als Gralshüter des genuinen Klangs. Im Moment tourt er mit einem Flügel aus dem Jahr 1827 durch Europa – und verzückt sowohl das Publikum als auch crescendo-Kritiker.

Foto: Josep Molina

von Martin Morgenstern

Cembalist Staier: Keine modernen Flügel, bitte.

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Andreas Staier Andreas Staier wurde 1955 in Göttingen geboren und studierte in Hannover und Amsterdam Klavier und Cembalo. Seine Karriere startete er als Cembalist des Ensembles Musica Antiqua Köln. 1986 begann er seine Solistenlaufbahn als Cembalist und Pia­nofortespieler. Als Kammermusiker arbeitet Staier zusammen mit Künstlern wie Anne ­Sofie von ­Otter, Pedro Memelsdorff, Alexei Lubimov, Christine­Schornsheim; mit Daniel Sepec und Jean-Guihen Queyras etablierte er ein festes Klaviertrio. Mit dem Tenor Christoph Prégardien verbindet den Pianisten eine langjährige musikalische Partnerschaft, in der CDs mit Liedern von u.a. Schubert, Schumann, Mendelssohn, Beethoven und Brahms entstanden. In Brahms‘ Liederzyklus „Die schöne Magelone“ arbeitete Staier mit den Schauspielerinnen Senta Berger und Vanessa Redgrave als Sprecherinnen zusammen. Insgesamt hat er über 50 CDs eingespielt.

Um Andreas Staiers neue Einspielung zu hören, suche man einen als Student ein bisschen seinen eigenen Kopf, pflegt mit Genuss abgedunkelten, halbwegs schalldichten Raum auf. Man entferne Besonderheiten des Repertoires, aber eben auch der Interpretation. sodann Dinge, die zu Bruch gehen könnten, wenn man in pani- In Göttingen geboren, studierte er Klavier und Cembalo in Hanschem Schrecken um sich schlägt oder euphorisch mit der flachen nover und Amsterdam, spielte bei Musica Antiqua Köln. Ende der Hand auf erreichbare horizontale Flächen donnert und sich rufen achtziger Jahre begann er sich als Cembalist und Pianoforte-Spieler hört: „DAS IST GUT!“ Vor allem aber: Man erhalte sich die Inti- solistisch zu etablieren, begleitet aber auch oft und gern Künstler mität der ungewöhnlichen Ménage à trois mit dem zu diesem Zeit- wie Christoph Prégardien oder Anne Sofie von Otter. Bis heute liepunkt genial-cholerischen 53-jährigen Beethoven und einem zum gen rund fünfzig, oft mit renommierten Preisen bedachte CD-EinZeitpunkt der Aufnahme wohl kaum minder geistreich sich ver- spielungen von ihm vor. Sicher, gibt Staier im crescendo-Gespräch zu, „die Zeiten, in sprühenden 55-jährigen Staier. Andreas Staier, der Liebhaber originalgetreuer Instrumente, denen man mit Tonträgern Geld verdiente, sind vorbei.“ Trotzdem spielt an diesem Tag die Diabelli-Variationen op. 120 von Ludwig mache er weiter, als Selbstvergewisserung, und: „Man will ja im van Beethoven, ein fast zweihundert Jahre lang unterschätztes Kla- Gespräch bleiben.“ In Japan beispielsweise sei er gern, dort gebe es vierwerk. Wie langweilig, gähnt womöglich der verwöhnte Klassik-­ immer noch viele treue CD-Käufer. Nur nach Amerika fährt Staier nicht mehr: „Weil ich mich nicht mehr auf Connaisseur – „33 Veränderungen über amerikanischen Konsulaten erniedrigen ein Walzerthema eines mittelbegabten lassen möchte ...“. Da blitzt er wieder herWiener Hofmusikalienhändlers?“ Schon vor, der leicht trotzige Sinn für die richgehört und wahrscheinlich als recht dröge tigen und die falschen Dinge. M ­ anchmal und akademisch abgetan. Warum? Weil muss man eben alles anders machen als die meisten bisherigen Einspielungen der andere. Und zu sich selbst stehen. Diabelli-Variationen einen Kardinalfehler So entstehen letztlich auch die komhaben: Sie wurden auf einem modernen promisslosen, bis ins Ex­treme ausgereizFlügel interpretiert. Dadurch geht ihnen Cembalist Andrea s Staier auf ten Aufnahmen, die seine Fans so schätjeglicher Sarkasmus, jede Ironie verloren. s e iner unterha ltsamen W ebp rä senz www.andrea s-stai er.de zen. Staiers „Diabelli-Variationen“ könDavon gibt es jedoch bei Staier mehr als nen wie ein mechanisches Player Piano genug. Er spielt die Variationen auf einem Hammerflügel, den der Klavierbauer Christopher Clarke 1996 für losrattern, an anderen Orten klingen sie wie eine winzige Spieluhr ihn anfertigte – übrigens nach dem Vorbild eines Instruments von oder ein fernes Gewitter. Oft hat man das Gefühl, hier arbeite sich Conrad Graf aus dem Jahr 1827. Graf, ein wichtiger Instrumenten- ein jähzorniger Hitzkopf an einer Struktur ab, renne wieder und bauer im Wien der 20er bis 40er Jahre des neunzehnten Jahrhun- wieder dagegen an, ohne das darin verborgene Rätsel knacken zu derts, lebte zeitweilig mit Schubert im selben Haus und überließ können. Und sogar den elf auf der CD ebenfalls enthaltenen, stilistisch sehr unterschiedlichen „Veränderungen über einen Walzer Beethoven besagten Flügel leihweise. Wir heutigen Hörer können glücklicherweise genießen, was von Anton Diabelli“, kann Staier betörende Momente abgewinnen. Beethoven entging, da er zu dieser Zeit bereits völlig taub war: die Fünfzig sind es insgesamt – der Verleger sammelte sie ohne Anseerstaunliche Klangvielfalt des einem Steinway vermeintlich unter- hen des kompositorischen Könnens seiner Adressaten ein. „Dialegenen Instruments. Es ist diesem Flügel nicht nur möglich, sich belli hat ja damals alle gefragt, die nicht bei drei auf den Bäumen klanglich exaltiert auszuleben, von dem laut wütenden Ausbruch, waren,“ lacht Staier; „bedeutende Komponisten sind darunter, aber bei dem die Saiten schmerzlich schnarren, bis zur mystischen, mit sozusagen auch sein Zahnarzt oder sein Fitnessberater, wenn man einem Moderator bis ins allernächtlichste pianissimo zurückge- das auf heute übertragen würde. Einige der Variationen sind richtig nommenen Variation. Darüber hinaus hat der Grafsche Flügel, mit schlecht.“ Natürlich habe er das Werk durchgespielt, aber es nur der dem Staier in diesen Tagen eine Konzertreise durch Frankreich und Vollständigkeit halber komplett aufführen sei nicht sein Ding. Naja, aber stattdessen? Was kommt als nächstes? „Es wird Deutschland bestreitet, weitere Pedale: den Fagottzug – „da senkt sich eine Pergamentrolle auf die Seiten und es gibt so einen schnar- nächstes Jahr zwei Cembalo-Programme geben, die mir am Herzen renden Ton,“ wie Staier erklärt. „Daneben die Verschiebung, die wir liegen, mit deutscher und französischer Musik des 17. und 18. Jahrauch von heutigen Instrumenten kennen. Dann der so genannte hunderts. Eins kontrastiert Johann Sebastian Bach mit den fran‚Moderator’, dieses Pedal bringt eine dünne Lage Stoff unter die Sai- zösischen Komponisten, die er gekannt hat: d‘Anglebert, François ten, die der Hammer dann anschlägt. Ich benutze den Moderator in Couperin ... Und ein anderes Programm, in dem es um Melancholie zwei Variationen, unter anderem für die mysteriöse 21. Variation. geht, mit Werken von Johann Jakob Froberger, Georg Muffat, LouisDann das bekannte ‚rechte Pedal‘ und schließlich eins für den ‚Janit- Nicolas Clérambault und Louis Couperin.“ Wir sind auf jeden Fall gespannt. scharenzug‘, so ein Tschingderassabumm mit Schellen, Cymn bel und so weiter ...“ Der schonungslose Einsatz dieses „Janitscharenzugs“, Ludwig van Beethoven: „Diabelli Variationen“ Andreas Staier (harmonia mundi). dessen urplötzliches Hereinplatzen unschuldige Hörer aus Track 8 auf der crescendo Abo-CD: „Var. XXXVIII“ aus dem Sessel fegt, ist für Staier typisch. Der Pianist hatte schon „50 Veränderungen über einen Walzer von Anton Diabelli‘ “

„Keinen hat es noch gereut, der das Roß bestiegen, um in frischer Jugendzeit durch die Welt zu fliegen!“

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Foto: Mathias Bothor / DG

Ist das ein Wunderkind? Jan Lisiecki, der neue Piano-Star im Klassik-Zirkus.


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„Ich entwickle meine eigenen Ideen“ Der 17-jährige Pianist Jan Lisiecki erobert die Konzertpodien der Welt im Sturm. Im Interview verrät der Kanadier, weshalb er sich nicht als Wunderkind sieht, und warum er glaubt, schon einmal gelebt zu haben. von Anna Novák

Newcomer Radio, entweder zuhause oder im Taxi. Ich höre viel unterWir treffen Jan Lisiecki am frühen Samstagmorgen in Hamschiedliche Musik – vor allem in den Taxis (lacht). burg, noch kurz im Hotel, bevor er nach Brüssel weiterfliegt. Was gab’s denn in deutschen Taxis? Am Vorabend konzertierte der junge Pianist erstmals in der Ähm, was war das gestern? … Schlager! Laeiszhalle. Er hat muntere Augen, trägt Rollkragenpullover, Waren Sie da nicht geschockt? lächelt verschmitzt. Ende März ist er 17 Jahre alt geworden, seinen Kein Kommentar (lacht). Ich bin ein klassischer Musiker, ich Geburtstag feierte er zuhause im kanadischen Calgary mit ein paar kommentiere die andere Musik nicht … (lacht) Freunden, ganz normal, wie ein Teenager. Doch die Medien überAber Interpretationen von anderen Pianisten hören Sie schon ... schlagen sich mit Lob für sein mit zahlreichen Preisen ausgezeichneIch mag es, ein Stück von Grund auf zu beginnen, wie ein weißes tes Klavierspiel. Die Kollegen preisen seine Frische, seine NatürlichStück Papier. Deswegen höre ich mir vorher keine bestehenden keit, seine Tiefe, die seinem Alter weit vorausginge. Einen solchen Interpretationen an – wenn das geht. Denn wenn es ein besonPianisten wie Jan Lisiecki gäbe es nur zweimal in hundert Jahren, ders bekanntes Stück ist, hat man natürlich schon einige Aufnahschwärmte gar Pinchas Zukerman. Und der „Spiegel“ bescheinigte men und Konzerte davon gehört. Nichtdestotrotz entwickle ­ ihm jüngst: „Hier spielt einer auf, der ein neuer Horowitz werich zuerst meine eigenen Ideen. Dann höre ich Referenzaufnahden könnte.“ In dieser Saison debütiert Lisiecki unter anderem mit men, um zu überprüfen, ob das, was ich mache, total verrückt ist dem Orchestre de Paris unter Paavo Järvi und dem BBC Symphony oder ob es dem ähnelt, was gemeinhin akzeptiert wird. SchließOrchestra. Gerade ist sein erstes Album bei der Deutschen Grammolich kann ich entscheiden: Will ich total verrückt sein? Oder phon erschienen. Da kann man nicht umhin, den Begriff des „Wunwill ich meine Interpretation dem Bekannten und Akzeptierten derkinds“ zu schreiben. Doch er selbst mag dieses Wort überhaupt annähern? nicht, sagt er gleich. Es sei doch alles ganz natürlich passiert, einfach Bespricht man dann die Ideen mit den Lehrern? so, ohne Druck und er sei wahnsinnig glücklich mit seinem momenIch entwickle meine Interpretation alleine, erst später suche tanen Leben. ich den Dialog mit Dirigenten, Musikern, Lehrern. Ich akzeptiere deren Meinungen und bespreche mich mit ihnen. Ich muss Man munkelt, dass eine Ihrer Bedingungen für den Vertrag mit mich selbst fragen: Warum sagen sie mir dies oder jenes? Vielder Deutschen Grammophon war, dass Sie auf Ihrer ersten CD leicht haben sie teilweise recht, vielleicht muss ich auch gar nichts Mozart-Klavierkonzerte einspielen durften. Warum? ändern, aber es gibt einen Grund, warum sie einen bestimmten Das hat einen einfachen Grund: Ich wollte nicht mit einem groAspekt angesprochen haben – weil sie dann offenbar nicht von ßen Knall, einem technisch brillianten protzigen Stück beginnen. dem überzeugt waren, was ich da gerade machte. Ich wollte ein Werk, das von Anfang an zeigt, wer ich als Musiker, Ist es wichtig, Hintergrundinformationen zum Stück zu haben? nicht wer ich als wahnsinnig schnell spielender Pianist bin. DesDas kann nützlich sein, muss aber nicht. Für mich ist es nicht wegen Mozart. Und diese zwei Klavierkonzerte Nr. 20 und 21 im notwendig, zu wissen, was genau der Komponist in jenem Jahr speziellen sind sehr interessant. Sie sind beide total unterschiedmachte. Musizieren hat sich so sehr verändert. Wir spielen Mozart lich, funktionieren aber zusammen auf einer CD. jetzt in 2012 ganz anders als vor ein paar Jahren. Unsere SichtIst Mozart einer Ihrer Lieblingskomponisten? weise und Interpretation seiner Musik hat sich verändert. Absolut. Aber ich habe nicht nur einen Lieblingskomponisten. Ich Dann haben Sie auch gar keine musikalischen Vorbilder, von mag viele Komponisten, weil jeder etwas anderes anzubieten hat. denen Sie sich inspirieren lassen? Natürlich ist Bach das Fundament. Ein Startpunkt, der viele KomNaja, Vorbilder sind sehr gefährlich. Wenn man sein Vorbild nicht ponisten nach ihm inspirierte. Ich liebe Bach, ich liebe Beethoven, extrem gut kennt, was man ja meist nicht tut, idealisiert man die Mozart, Chopin. Da könnte ich ewig weitermachen. Ehrlich gesagt Person schnell. Aber jeder hat seine Stärken und Schwächen. gibt es gar keinen Komponisten, den ich gar nicht mag. Wenn ich also jemanden zu meinem Vorbild machen würde, wäre Welche Musik hören Sie in Ihrer Freizeit? das ihm und seinen Schwächen gegenüber nicht fair. Aber ich lasse Ich habe gar nicht so viel Zeit, Musik zu hören. Wenn ich die mich natürlich schon inspirieren, von Menschen, die ich treffe und Straße entlang gehe, höre ich auf die Welt um mich herum. Viele die mich beeindrucken – auch außerhalb der Musik. mögen es ja, mit Ohrstöpseln durch die Gegend zu laufen – ich Komponieren Sie auch selbst? kriege lieber mit, was um mich herum passiert. Wenn ich mal Ein bisschen. Ich habe zum Beispiel die Kadenz im ersten Satz des Musik höre, dann meist im Flugzeug. Dann höre ich natürlich C-Dur Mozart-Klavierkonzerts geschrieben. Aber im Moment klassische Musik, aber auch Jazz, Pink Floyd … und ich höre oft 19


Fotos: Mathias Bothor/DG

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Jan Lisiecki bei den CD-Aufnahmen mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Christian Zacharias.

Familie dabei zu haben, bedeute für ihn auch ein großes Maß an gibt es für mich noch so viel zu entdecken, so viel mir noch unbeStabilität, sagt Jan. Seine Familie, eine polnisch-katholische Familie – kannte Klaviermusik von vielen für mich neuen Komponisten. keine Musikerfamilie! – sei von Anfang an eine große Hilfe gewesen War es eigentlich immer Ihr Traum, Musiker zu werden? und hätte sich der Musiker-Situation gut angepasst. Aber natürlich Ich bin kein Träumer. Ich hatte niemals „den einen“ Traum. Aber vermisse er seinen Vater, der meist zuhause in Calgary bleibt. Es sei ich liebe, was ich hier tue und bin sehr glücklich damit. ja für einen Mann auch nicht so einfach, jeden Abend in ein leeres Sie interessieren sich angeblich auch für Flugzeuge. Wäre denn Haus zu kommen und für sich selbst zu kochen. Jeder in der Familie der Beruf des Piloten eine Alternative gewesen? hätte für seine Karriere Opfer gebracht. Aber so schlimm sei es nicht, Naja, ich hätte schon gerne eine Fluglizenz – aber Pilot würde ich winkt Jan schließlich ab. Sie kämen doch nach jeder Konzertsession nicht werden wollen. Ich liebe Reisen gerade deswegen, weil ich nach Hause zurück und unter Druck gesetzt hätte er sich nie gefühlt. ein Ziel habe. Weil ich in dem Land, in das ich fliege, ein Konzert spiele oder Urlaub mache. Und nicht des Reisewegs wegen. Zurück zur Musik: Die Kritiker loben die besondere Frische Reisen Sie auch, wenn Sie mal Urlaub haben? und Tiefe in Ihrem Klavierspiel. Das ist erstaunlich für einen Ja, ich reise ständig, das ganze Jahr über (lacht). Jeder Moment 17-Jährigen ... des Reisens ist für mich ein großes Abenteuer. Wenn ich frei habe, Ich glaube an Reinkarnation, und wer weiß, wer ich im früheren schnappe ich mir meinen Vater und nutze meine gesammelten Leben einmal war? Ich könnte ein Affe gewesen sein. Vielleicht Flugmeilen, um weiter zu reisen. Vor zweieinhalb Wochen hatten war ich auch ein Bösewicht? Vielleicht kommt die Tiefe in meiwir unseren letzten Urlaub und der ging erst nach Chicago, dann ner Interpretation also aus einem früheren Leben. Vielleicht ist es nach Zürich, dann Tokio, Bangkok, Hongkong, zurück nach Bangauch, weil ich versuche, Musik in ihrer reinsten Form zu begreikok, schließlich Paris … und dann zurück nach Hause! fen, nichts zu konstruieren. Musik zeigt, wer du als Person bist – Wo ist denn dann „zuhause“, wenn man ständig reist? da kann man sich nicht verstellen. Zuhause ist in Calgary. Ich habe nie Ich kann keine nette Person in der woanders gelebt. Zuhause ist ein Ort, Jan Lisiecki Musik sein und im wahren Leben von dem du immer weißt, wo du ihn 1995 im kanadischen Calgary als Sohn polnischer ein Bösewicht. Man sollte Reperfindest. Zu dem du immer wieder Eltern geboren, begann Jan Lisiecki seine Klaviertoire und Art zu musizieren einfach zurückkehrst. Und wo du dir nicht ausbildung mit fünf Jahren am örtlichen Konservadem Charakter anpassen. In meinem ständig Sorgen machen musst: Oh, torium. Mit 15 spielte er in Warschau die ChopinFall ist das so: Ich bin wirklich selten wo ist mein Handy-Ladegerät? In Klavierkonzerte ein. Lisiecki wurde mit zahlreichen richtig wütend, ich bin meist sehr welchen Schrank hat das irgendwer Preisen ausgezeichnet, unter anderem dem Debut fröhlich – und das wird in meiner geräumt? (lacht) Apropos aufladen: Atlantic Award 2010 und als Révélations Radio-­ Interpretation sicherlich reflektiert. Zuhause ist der Ort, um Energie zu Canada Musique 2010 und Jeune Artiste des ­Radios Klingt interessant. Welche Pertanken – und um gut zu arbeiten. Francophones 2011. Er gastierte in son wären Sie denn dann gerne in Am besten übe ich schon zuhause. New York, Tokio, Paris und München. einem früheren Leben gewesen? Keine Ahnung. Interessant wäre ­ Während wir in der Hotellobby sitWie ist seine es sicherlich einmal ein Affe zu zen und das Interview führen, packt Mozart-CD? sein … Meine Freunde sagen, ich Jan Lisieckis Mutter oben im HotelAuf der CD finden sich zwei Klavierwürde mich manchmal wie einer zimmer die Koffer. Als Minderjähkonzerte, die jeder kennt und die schon in unzähligen benehmen. riger darf Jan in vielen Ländern nicht Aufnahmen vorhanden sind. Trotzdem: Jan Lisiecki Hoffentlich mögen Sie Bananen ... alleine reisen, deswegen begleitet ihn spielt Mozarts dunkles d-Moll-Werk KV 466 ebenso Ich liebe Bananen (lacht)! seine Mutter an alle Konzertorte. Er ist wie das vielschichtige C-Dur KV 467 voller unbedarfWie steht es mit der Religion? Die froh darüber. Sie hätten ein sehr gutes ter Natürlichkeit und durchdachter Ernsthaftigkeit, steht in Ihrer Generation oft nicht Verhältnis, erzählt er, und zu zweit wenig übertrieben phrasiert und dennoch selbstbemehr so hoch im Kurs ... könnten sie gemeinsame Erlebnisse wusst klar strukturiert. Ein gelungener Auftakt! Ich glaube, es gibt für alles einen sammeln, Städte entdecken und sich Grund, besonders für die Musik. darüber austauschen. Einen Teil seiner Jan Lisiecki: „Mozart Klavierkonzerte“ (Deutsche Grammophon). 20

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Virtuose Vielfalt „Vielleicht kommt die Tiefe in meiner Interpretation aus einem früheren Leben.“ Musik ist wundervoll. Die Menschheit weiß so viel: Wir kennen den Aufbau des menschlichen Körpers, wir können Krankheiten heilen, wir wissen viel über Wissenschaft und Natur. Trotzdem wissen wir nicht hundertprozentig, warum der Musik in unserem Alltag eine so große Bedeutung zukommt und warum sie uns so tief berührt. Und noch viel mehr: Warum sie unsere Stimmungen verändern kann. Das ist magisch und ich hoffe, dass wir niemals herausfinden, warum Musik so wirkt. Ich bete oft, bevor ich auf die Bühne gehe. So habe ich jemanden, der mir auf jeden Fall zuhört – selbst wenn das Publikum mal nicht so sehr mit mir verbunden ist. Im vergangenen Jahr haben Sie Ihren Abschluss gemacht – wie ließen sich denn Schule und Pianisten-Karriere miteinander vereinbaren? Glücklicherweise konnte ich in der Schule ein paar Klassen überspringen. Das hat mir rückblickend viel geholfen, so habe ich die Schule schon abgeschlossen und kann mich auf das Konzertieren konzentrieren. Bisher war Schule oberste Priorität für unsere Familie. Wenn meine schulischen Leistungen schlecht geworden wären, wären zuerst die Konzerte gestrichen worden – nicht die Schulstunden. Ähnlich ist es mit der Uni. Ich habe angefangen zu studieren, mache nun nebenbei meinen „Bachelor of Music“. Und? Gefällt Ihnen das Studium? Ja, sehr gut. Es ist wichtig, im Leben auch etwas anderes als Musik zu haben. Ein Musiker muss ein vollkommener Mensch sein. Er muss nicht nur gut spielen, er sollte auch eine Vorstellung von der Welt haben – das sollte doch jeder! Wenn man nur auf sein Berufsfeld limitiert ist, ist man keine interessante Person. Dann fühlt man sich doch in seinem Leben nicht wohl. Verraten Sie uns noch Ihre Pläne für die kommenden Jahre? Ich bin ein Mensch der Gegenwart. Bisher ist alles ganz natürlich passiert, ich habe niemals etwas forciert. Ich habe niemals an einen Konzertveranstalter geschrieben: „Hallo, könnte ich bitte dieses Konzert spielen?“ Das Interesse kam immer von der anderen Seite. Und das bleibt hoffentlich so. An einem Ort will ich aber unbedingt spielen: Dubai! Das ist schon ein Witz zwischen meiner Managerin und mir. Ich sage immer: Ich will nach Dubai, Dubai, Dubai! (lacht) n 21

Klassische Musik an historischen Spielstätten oder mitreißende Jam-Sessions inmitten von Weinbergen. Mit fast 150 Konzerten ist das Rheingau Musik Festival eine der facettenreichsten Konzertreihen in Europa. Renommierte nationale und internationale Künstler finden hier ebenso ihr Publikum, wie Nachwuchstalente. Große musikalische Leistung zieht Besucher aus nah und fern in eine einzigartige Landschaft. Diese kulturelle Vielfalt unserer Region gilt es zu erhalten – dafür setzen wir uns ein

Aktiv für die Region. Fraport. Die Airport Manager. www.aktivfuerdieregion.fraport.de


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Sting ganz Pur Zu ihrem 20-jährigen Bühnenjubiläum widmet sich das ausgezeichnete Vokalensemble „Singer Pur“ plötzlich dem Großmeister der Pop-Musik.

Singen genauso gerne vor sechs Zuschauern in Cambridge wie in vollen Konzertsälen: „Singer Pur“.

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Foto: Markus Amon

von Anna Novák

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nen Stempel aufdrücken. Sting als Sänger zu imitieren ist schlicht­ ünf Männer und eine Frau stehen an diesem grauen weg nicht möglich. Die Aufnahme soll eher eine Hommage an den Frühjahrstag im Innenraum der Münchner Himmel­ großen Künstler sein.“ Und Schneider-Waterberg sagt, ihm sei diese fahrtskirche, es riecht ein wenig nach Weihrauch, fri­ Frage noch gar nicht in den Sinn gekommen. Wenn sie Werke von schen Blumen und altem Gestein. Die Musiker haben Orlando di Lasso aufnähmen – so wie sie es gerade in der Himmel­ sich vorne am Altar locker positioniert, sehr unschein­ fahrtskirche tun – widmeten sie sich ja ebenfalls einem „Superstar“, bar und man würde im Leben nicht darauf kommen, dass schließlich sei di Lasso in seiner Zeit ein ebensolcher gewesen. es sich hier um ein dreifach mit dem ECHO Klassik aus­ Wie Superstars konnten sich die Sänger von „Singer Pur“ gezeichnetes Vokalensemble handelt, das soeben in den in den vergangenen 20 Jahren selbst aber nicht immer fühlen. Hauptaufnahmen ihrer neuen CD steckt. Schmunzelnd erinnern sich die Künstler an ein prägendes Erleb­ Singer Pur, was für ein sonderbarer Name. Da stellt sich nis in der Trinity Church im englischen Cambridge. Schneiderdie erste Frage ja fast von selbst. Der Name stammt noch aus Waterberg, der dort studierte, hatte in der alt ehrwürdigen briti­ den Gründungstagen der Gruppe, verrät Tenor Markus Zapp. schen Kirche ein Konzert für „Singer Pur“ organisiert. Ungünsti­ Es stimme natürlich, der Name führe nicht selten zu Verwirrung. gerweise fiel der Konzerttermin jedoch auf den ersten Tag nach „In den Anfangstagen, als das Ensemble noch hauptsächlich Jazz den Uni-Prüfungen im Mai. „Man nennt diesen Tag in England machen wollte, sollte der Name exotisch klingen, aber auch den liebevoll den ‚Suicide Sunday‘ “, sagt der Bariton, „alle hatten frei Anklang an das Singen ohne Instrumente haben.“ Marcus­Schmidl, und zu allem Übel gab es an diesem Sonntag strahlenden Son­ dem Bass des Ensembles und Gründungsmitglied, sei dann das nenschein“. Das Ende vom Lied: sechs Konzertbesucher. Den­ Wortspiel „Singer Pur“ eingefallen. Man möge es eben „pur“. noch: „Es war eines der schönsten Konzerte, das wir als Ensemble Und es passt natürlich, allerdings mit ein paar nicht vorherseh­ je gegeben haben“, erinnert sich Markus Zapp. „Und wir erinnern baren Nebenwirkungen: Reiner Schneider-Waterberg, der Bariton uns alle gerne an diese überwältigende Kirche und ihren tollen der Formation, erzählt lachend, dass das deutsche „Pur“ genauso Klang.“ Sie hätten für diese sechs höchst interessierten Zuschauer ausgesprochen wird wie das englische „poor“, was „arm“ oder gesungen wie die Götter, sagt er und grinst. „schlecht“ bedeutet. In der viel unscheinbareren Kirche in München geht die Auf­ Allen Namens-Missverständnissen zum Trotz ist „schlecht“ nahmesession weiter. Der Techniker sitzt im Nebenraum und gibt auf so ziemlich das letzte Adjektiv, das man mit dem sympathischen Englisch mit französischem Akzent über Lautsprecher Anweisungen. Vokal-Ensemble assoziieren würde. In den vergangenen 20 Jahren „Bitte ab Takt 24 nochmal.“ Dann singen sie das „Vater unser“ von haben sich die fünf ehemaligen Regensburger Domspatzen und Orlando di Lasso. Der volle, intensive, ausgesprochen homogene Sopranistin Claudia Reinhard zu einer der führenden deutschspra­ Klang aus dem keine Stimme ausbricht, erfüllt die Kirche. Aber die chigen a-cappella-Formationen entwickelt. Wenngleich die Sänger­ Musiker sind noch nicht zufrieden. „Können wir das bitte langsa­ besetzung mehrfach wechselte, ist der Anspruch, den die Musiker mer machen?“ unterbricht der Bass. „Was, noch langsamer?“ fragt die von Anfang an an sich hatten, derselbe geblieben: Sie wollen Vokal­ Sopranistin überrascht. „Ne, bitte nicht“, klagen die Tenöre. „Können musik auf höchstem Niveau machen. wir hier nicht eine Zäsur machen?“ Da protestiert jemand: „Das ist Dabei singen sie sich quer durch die musikalischen Epo­ bei mir aber mitten in der Phrase!“ Glücklicherweise ist „Singer Pur“ chen. Sakralmusik der Renaissance, Liebeslieder der Romantik, ein demokratisch organisiertes Ensemble – das hätte bei fünf Män­ neu arrangierte deutsche Volkslieder, zahlreiche zeitgenössische nern und einer Frau durchaus anders sein können. Uraufführungen. Nun – zum 20-jährigen Bühnenjubiläum – ein Ob die Dame immer das Sagen hat? „Nein, nein“, grinst kleines Special: die erste reine Pop-Platte – mit den großen Hits von „Sting“. Sich gleich einem solchen Großmeister der Popmusik­ Markus Zapp. „Natürlich haben wir eine gewisse Gruppendyna­ mik durch unsere besondere Besetzung, Claudia steht durch ihre zu verschreiben, ist für die sechs Sänger eine Herzensangelegen­ Erscheinung – optisch wie musikalisch – oft im Rampenlicht, doch heit: „Sting ist eine der ganz großen Musikerpersönlichkeiten der haben wir keinen expliziten ‚Boss‘ “. Die Aufgaben seien gut verteilt, Gegenwart, zu dem wir alle unseren ganz persönlichen Bezug ergänzt Reiner Schneider-Waterberg. Falls man sich tatsächlich mal haben. Seine Musik ist aktuell und trifft uns.“ Sting sei ein grad­ gar nicht einigen kann, wird abgestimmt. „Wir entscheiden selbst liniger Künstler, der Stellung beziehe, das imponiere ihm, sagt demokratisch über die Farbe unse­ Markus Zapp. Fast hätten sie ihn neu­ rer Krawatten.“ Aber grundsätz­ lich persönlich getroffen, erzählen die Die neue CD lich verstehe man sich als Ensem­ Sänger. In einem Hamburger Fern­ ble ziemlich gut. Sie seien eben ein sehstudio produzierten sie eine Fern­ Die Arrangements der Sting-Songs sind eng am OriVokal-Ensemble mit der Besonder­ sehshow, bei der „Singer Pur“ ebenso ginal gehalten. Die klassisch anmutenden glockenheit, dass fünf der sechs Mitglieder wie Sting auftraten. Und doch nahm klaren Stimmen der „Singer Pur“-Sänger mögen, bemännlich sind. sich der ehemalige „Police“-Sänger sonders mit rhythmischem Klatschen als Schlagzeug„Wenn Sie uns fünf mal näher keine Zeit „Hallo“ zu sagen. Nachdem Ersatz, den geübten Sting-Hörer zunächst verwirren. kennenlernen würden“, so Zapp, sein Auftritt abgehandelt war, ver­ Je mehr Chancen man dieser Aufnahme jedoch gibt, je öfter man sie hört, desto „dann würden Sie sehen, dass wir schwand er, wie man es für einen farbenreicher wird die Klanglandschaft, sechs grundverschiedene Charak­ großen Pop-Star schon fast erwar­ die „Singer Pur“ da eröffnet. tere sind. Wir singen auch alle völlig tet, samt Bodyguards und Manage­ unterschiedlich.“ ment sofort. „Singer Pur sings Sting“ (Oehms Classics) Zum Schluss noch ein klei­ Der Sting-Euphorie des Ensem­ ner Blick rüber in den Aufnahmebles tut das Erlebnis keinen Abbruch. Raum: Der Bass dirigiert sanft mit, während er singt, ein Tenor hat Die Sting-Arrangements, die alle eigens für „Singer Pur“ geschrie­ die Hand auf dem Herzen, der nächste hat die Hände gefaltet, ein ben worden sind, kommen gut an, sagen die Musiker. Die Veranstal­ anderer wippt auf und ab, die Sopranistin steht ziemlich still. Rei­ ter reißen sich um das Programm und sie ernteten bereits viel posi­ ner Schneider-Waterberg lacht: „Manchmal ist es, als hätte es ein tive Resonanz. Aber macht man sich nicht vergleichbar, wenn man Casting gegeben, bei dem es darum ging, die sechs möglichst unter­ Songs singt, die wirklich jeder kennt? Zapp: „Wir hatten nicht die schiedlichen Leute zu finden“. Absicht die Stücke zu covern, wir wollten ihnen schon unseren eige­ n 23


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„Ein Dirigent allein klingt nicht“ Seit Thomas Hengelbrock das NDR Sinfonieorchester übernommen hat, gibt es aus Hamburgs Klassikszene auch wieder positive Nachrichten. Von Dagmar Penzlin

„In 100 Jahren wird hoffentlich ganz anders musiziert werden.“

Ein frischer Wind weht durch das klassische Musikleben von Hamburg. Seit Saisonbeginn mischt Thomas Hengelbrock als Chefdirigent des NDR Sinfonieorchesters mit neuen Ideen den Routine-Betrieb auf. Und plötzlich geht vieles: in Abo-Konzerten, fernab von Dienstplänen. Zu unserem Treffen kommt der Mittfünfziger – etwas untypisch für einen Chefdirigenten – mit der U-Bahn. Hengelbrock herzt seine Mitarbeiterinnen nach Ankunft in seinem Büro, bevor der Fast-zweiMeter-Mann es sich in einem Ledersessel bequem macht. crescendo: Herr Hengelbrock, seit Ihrem Amtsantritt werden sie von den lokalen Medien, dem Publikum und vom Sinfonieorchester selbst gelobt. Wie erklären Sie sich diese Euphorie? Thomas Hengelbrock: Erklären kann ich Ihnen das nicht, denn ich mache eigentlich nichts anders als zuvor. Es mag der Tatsache geschuldet sein, dass die Dinge, die ich in der freien Szene gemacht habe, hier bisher nicht selbstverständlich waren. Also wenn man 24

in einer Abo-Reihe mit frischem Mut und Begeisterung zu Werke geht, ist das vielleicht doch noch außergewöhnlich. Wichtig ist mir, dass wir – die Musiker und ich – gemeinsam arbeiten. Nur so kann ein Stück optimal aufgeführt werden. Das heißt aber auch, wenn ich die Musiker nicht erreiche, ist alles hinfällig. Ein Dirigent allein klingt nicht. Ihr Antrittskonzert war ganz programmatisch mit einem ­Cole-Porter-Zitat überschrieben: „Anything goes“ – „Alles ist möglich“. Dem entsprechend kombinieren Sie in vielen Konzerten dieser Saison Kompositionen aus verschiedenen Epochen und Stilen: Barockes trifft auf Spätromantik oder Allerneuestes. Warum verlangen Sie dieses stilistische Spektrum? Ich bin fest davon überzeugt, dass die gegenwärtig spielenden Orchester erst zu heutigen Orchestern werden müssen. Das geht nicht an, dass wir nur das Repertoire des 19. und aus dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts spielen. Irgendwann ist das abgespielt. Landauf, landab gibt es sehr viele Doubletten, manche Dirigenten www.crescendo.de

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Thomas hengelbrock Thomas Hengelbrock (*9. Juni 1958 in Wilhelmshaven) hat sich zunächst als Alte-­MusikExperte einen Namen gemacht: In den 80er-Jahren hat der ausgebildete Geiger Spezial­ ensembles gegründet – bis heute leitet er den Balthasar-Neumann-Chor und das Balthasar-­Neumann-Ensemble. Parallel dazu entwickelte der Fußball-Fan sein Profil als Dirigent weiter und überrascht immer wieder mit eigenem Zugriff auf Kompositionen.

Über seine neue CD „Die Idee war ein Programm zu machen, das in die Herzkammern der deutschen Romantik hineinlauscht. Diese Epoche ist nur zu verstehen aus der Nacht-Metapher heraus: die Nacht eben als Reaktion auf die Helligkeit der Aufklärung – alle Lebensbereiche wurden da ausgeleuchtet. Die typisch deutsche Romantik wollte das aufklärerische Gedankengut wieder verdunkeln. Wir haben so unendlich schöne Musik und Poesie aus dieser Zeit. Auf der CD beginnen wir in der Nacht, versuchen über den Morgen in den Tag hineinzuleuchten, um dann wieder in der Nacht zu verschwinden.“

wiederholen sich ständig. Ich habe nichts dagegen, dass wir auch in Hamburg unseren Beethoven, Brahms und Bruckner pflegen. Und unseren Mahler natürlich. Aber ich finde es absolut notwendig, dass wir unsere stilistischen Fertigkeiten so verfeinern, dass wir Musik aus vier Jahrhunderten spielen können. Das ist fürs Publikum auch ganz spannend. Und es verortet unsere gegenwärtige Musik viel, viel besser. Es schult, erweitert den Horizont und erhöht schlichtweg das Vergnügen. Die Orchestermitglieder greifen jetzt sogar zu Barockbögen. Wie wecken Sie die Experimentierlust? Mein Ansatzpunkt ist der einzelne Musiker, die einzelne Musiker­in und nicht das Instrumentarium. Ich erkläre natürlich, welche Möglichkeiten es gibt, worauf man achten muss, stelle es dann aber den Musikern frei, damit zu experimentieren und einen eigenen Weg zu finden. Ich habe gehört, dass die Musiker sich sogar außerhalb des Dienstplans treffen, um zu experimentieren. Nicht gerade üblich. Nein, das ist gar nicht üblich, aber warum eigentlich nicht? Es ist doch Quatsch, das nicht zu tun. Treffen wir uns einfach mal an einem Sonnabend sechs Stunden und probieren Sachen aus. Das ist doch herrlich! Hengelbrocks Enthusiasmus ist ansteckend. Am Ende unseres Gesprächs wird er sich noch über seinen Schreibtisch beugen, auf dem eine neue Partitur von Jörg Widmann liegt: „Teufel Amor“ – ein Stück, das der NDR-Chefdirigent mit seinem Orchester bald spielt. Begeistert wird er auf die Noten tippen. „Schauen Sie mal hier: die allerhöchste Lage der Violinen noch oktaviert. Oder hier: fünffaches Piano. Oder da soll es ‚schwer dröhnend’ klingen. So viele Zeichen – da lernt man pro Tag gerade eine Seite.“ Und Hengelbrock wird lachen. Ein Lachen, das alle Mühen in etwas Freudiges verwandeln kann. Als einer der Hauptakteure in der Freien-Ensemble-Szene ha­­ ben Sie früher Institutionen wie das NDR Sinfonieorchester kritisiert und „Musikbeamtentum“ diagnostiziert. Warum stimmt jetzt offenbar die Chemie zwischen Ihnen und den NDR-Musikern? Ich glaube, es hat sich viel verändert. Es sind auch Musiker hier aus dem NDR zu mir gekommen und haben gesagt: „Vor zehn oder fünfzehn Jahren wäre das mit uns nicht möglich gewesen – wir waren noch nicht soweit.“ Das gilt für mich persönlich genauso. Vor zehn Jahren war ich noch nicht so locker im Umsetzen meiner

Ideen, so unverkrampft. Ich habe natürlich ganz konkrete Vorstellungen, aber wenn ich die zu radikal einfordere, dann ist immer die Gefahr da, dass man den Bogen überspannt. Man muss immer akzeptieren, dass es die Musiker sind, die spielen. Sie bezeichnen sich selbst als „protestantischen Arbeiter“, der sich sehr genau vorbereitet. Was gehört für Sie dazu? Der Prozess der musikalischen Meinungsbildung für mich selbst ist ja völlig losgelöst von der kurzen Zeit, die ich mit einem Orchester probe. Dieser Prozess läuft ununterbrochen. Ich nehme alles auf, was mich umgibt in meinem Leben. Nicht nur musikwissenschaftliche Erkenntnisse, sondern auch ganz vitale Lebenserfahrungen, die dann mein Musizieren beeinflussen. Etwa, wenn man bei sich selbst eine psychische Blockade gelöst hat und freier musizieren kann. Diesen Prozess zu beschreiben ist ungeheuer schwer, weil es ein Arbeiten in mehreren Schichten ist. Da gehört das Lesen dazu, das Studieren, das Hören, das Diskutieren mit Freunden und Kollegen, aber auch mal zwei Wochen keinen Laut Musik an mein Ohr dringen zu lassen. Wenn man sich vorstellt, dass plötzlich alle Angaben zu existierenden Musikaufnahmen verschwunden wären – woran würden Hörer in 100 Jahren Ihre Aufnahmen erkennen? Es wird in 100 Jahren hoffentlich ganz anders musiziert werden. Was wir gemacht haben, gilt dann sicherlich als „old fashioned“. Wie auch immer: Ich suche immer nach dieser Balance von Herz und Hirn. Ich versuche, Musik strukturell zu erkennen und darzubieten, aber das Ganze dann auch zu beseelen, zu beatmen. Sie sind ein politisch denkender Mensch, haben in den 80er-­ Jahren zum Beispiel auch an Anti-Atom-Demonstrationen mitgewirkt, sie sogar mitorganisiert. Mit welchen Gedanken verfolgen Sie die aktuellen kulturpolitischen Debatten – Stichwort „Kultur­infarkt“? Grundsätzlich finde ich Debatten wichtig – sie sollten nur solide und profund in der Argumentation verlaufen. Was wir Musiker und Künstler selbst konkret machen können, sind zwei Dinge: Die Nachwuchsarbeit und das Gewinnen von jungem Publikum sehr ernst zu nehmen – da ist in den vergangenen zehn Jahren aber auch enorm viel passiert. Zugleich darf Kunst nicht unter dem Diktat der Nachwuchsförderung leiden. Kunst, auch Musik, ist radikal. Ich rufe das auch meinen Musikern zu: „Wir sind Künstler, spielt! Zeigt, dass Ihr Künstler seid!“ Dann liefert man eben auch Interpretationen ab, die nicht immer gleich verstanden werden. Der öffentliche Finanzdruck führt oft dazu, dass Künstler in eine defensive Position gedrängt werden. Das kommt für mich gar nicht in Frage. Da bin ich zu sehr Mittelstürmer. n 25

Foto: Philipp von Hessen/NDR

„Nachtwache“: A cappella-Chorwerke der Romantik, Johanna Wokalek (Rezitation), ­ Balthasar-Neumann-Chor, Thomas Hengelbrock (deutsche harmonia mundi)


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Die andere Saite Für den Montenegriner Miloš Karadaglić besitzt seine Gitarre „vokale Qualitäten“ wie eine Stimme. Deshalb möchte er mit diesem Instrument die Welt der klassischen Musik erobern.

Foto: Olaf Heine / DG

v o n A n t o i n e t t e S c h m e l t e r d e Es c o b a r

Musiker Miloš aus Montenegro: „Gitarrenkünstler in puristischer Atmosphäre.“

„L

atino“ heißt sein zweites Soloalbum, das am 15. Juni bei Deutsche Grammophon erscheint: eine musikalische Reise, die „Volks- mit Konzertmusik von Argentinien bis Mexiko“ kombiniert. Ein Gespräch mit Miloš Karadaglić findet aber nicht etwa in Mittel- oder Südamerika statt. Und auch nicht in seiner Heimat Montenegro. Oder London, wo der 1983 Geborene mit 16 Jahren ein Stipendium an der Royal Academy of Music erhielt und bis heute lebt. Stattdessen bekommt man ihn in Tokio an die Strippe, wo der Gitarrist gerade seine Debüt-CD „Mediterráneo“ vorstellt. „Ich bin ständig unterwegs“, gibt Miloš, so sein abgekürzter Künstlername, denn auch in fließendem Englisch mit leichtem serbokroatischem Akzent zu Protokoll. „Damit bin ich am Ziel all meiner Wünsche angekommen. Schon als kleiner Junge habe ich davon geträumt, mit meiner Gitarre im Flugzeug zu sitzen, um möglichst viele Menschen zu erreichen“ – zugegebenermaßen erst als „Rockstar“, durch Albéniz’ „Asturias“ als Türöffner, aber dann umgepolt auf die Welt der klassischen Gitarre.

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In Asien falle seine Arbeit auf besonders fruchtbaren Boden, sagt der Saiten-Virtuose. „Klassik hat nicht nur bei Japanern einen hohen Stellenwert und wird auch von jungen Leuten sehr geschätzt – im Gegensatz zu Europa, wo diese Art von Musik oft als ‚uncool’ empfunden wird,“ sagt Miloš. Von solchen Vorbehalten möchte er sich nicht ausbremsen lassen. Im Gegenteil. Mit fast missionarischem Eifer möchte Miloš die Gitarre, die „in Klassik-Kreisen nach einer Phase der Popularität in den 70er und 80er Jahren eher schlecht angesehen wird“, aus der Nische holen. Die Vorarbeit dazu leistete der gebürtige Montenegriner in jener an Albanien grenzenden Balkanrepublik, die bis 2006 unter dem Namen Serbien & Montenegro firmierte und mit ihren etwa 625.000 Einwohnern „eher klein und speziell, aber voll von schönen Dingen“ sei, so Miloš. Hier entdeckte er als Achtjähriger eine „verstaubte, hässliche Gitarre mit fehlenden Saiten“ auf dem Schlafzimmerschrank seiner Eltern. Und nahm mit diesem hergerichteten Fundstück Unterricht an der örtlichen Musikschule, wo er sich vielleicht nicht mit der optimalen Förderung, aber „ohne Druck“ und dank erfreulich vieler­ www.crescendo.de

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Auftrittsmöglichkeiten ausprobieren sowie sein Talent ausbauen konnte, was ihm ein gutes Gefühl der „Einzigartigkeit“ gab. Entsprechend groß war sein Selbstvertrauen für seinen zweiten Ausbildungsabschnitt an der renommierten London Royal Academy of Music, wo er nach Jahren des eher „instinktiven Spiels“ in seinem Herkunftsland fortan von neuen Lehrern das „Handwerkszeug“ vermittelt bekam. Und sich auf höchstem Niveau jener Musik widmen konnte, an der sein „Herz hing“. Was nach Prädikatsexamen und weiterführendem Masterstudium folgte, war eine beschwerliche Phase des Klinkenputzens. „Klassische Gitarre gehört nicht gerade zum Mainstream“, fasst Miloš vorsichtig formuliert zusammen. „Insofern war es nicht einfach, jemanden aus dem Musikmanagement oder von Plattenlabels zu überzeugen.“ Nachdem er jedoch zahlreiche Auszeichnungen erhalten und bei Recitals von der Londoner Wigmore Hall bis zum Menuhin Festival in Gstaad geglänzt hatte, konnte er 2011 schließlich einen Exklusivvertrag mit Deutsche Grammophon unterzeichnen. Auftakt dieser Kooperation war „Mediterráneo“: eine SoloEinspielung von 17 Titeln aus Ländern rund um das Mittelmeer als seiner „größten Inspiration“, die von Tárregas „Lagrima“ über „Koyunbaba“ von Domeniconi und Theodorakis’ „Mera magiou“ bis zu Granados’ „Andaluza“ Miloš’ Persönlichkeit spiegeln und dem Zuhörer erzählen soll, wie er als Mensch und Musiker wuchs und wer er heute ist. Denn die Gitarre besitzt für ihn wie eine Stimme „vokale Qualitäten“. Zusatzmaterial für ein Charakterstudium lieferte die Bonus-DVD mit einer 30-minütigen Dokumentation, die den dunkelhaarigen Dreitagebartträger als einen ebenso sensiblen wie ernsthaften Meister seines Fachs zeigt, der einerseits in puristischer Atmosphäre seine schmalen Finger mit den berufs-

typisch langen Nägeln an der rechten Hand hochkonzentriert über die Gitarre tanzen lässt. Andererseits blickt er in eigenen Erzählungen und Fotos sowie Videos sinnierend auf seinen bisherigen Weg zurück, den er als ebenso faszinierende wie nicht immer bequeme „Forschungs“-Arbeit beschreibt. Weil er dabei gerne nach neuen Herausforderungen sucht, hat er auch bei einigen Stücken seines neuen Albums „Latino“ absichtlich sein „gewohntes Terrain verlassen“. Emotionaler als auf seinem Erstling intoniert er zum Beispiel mit Orchesterbegleitung Tangos als „schönsten, sinnlichsten, leidenschaftlichsten Tanz der Welt“. Oder lässt sich zu einer energiegeladenen „Danza Brasiliera“ hinreißen. „Die Gitarrenmusik Lateinamerikas ist ungehemmter als die Spaniens“, erklärt er – egal ob in tiefsinnigen Stücken, die er besonders gerne möge, oder temperamentvollen als Kontrastprogramm. „ ‚Latino‘ wird neue Zuhörer begeistern“, ist sich Miloš sicher. Und somit seiner ohnehin großen Fangemeinde noch mehr Zuwachs bescheren. Denn nicht nur in seiner Heimat ist er so etwas wie ein Nationalheld, der im Fernsehen stolz gefeiert wird. Auch in Deutschland positionierte sich „Mediterráneo“ als Überraschungserfolg an der Spitze der Klassikcharts. Ob in Miloš letztlich jener „Gitarrengott“ steckt, als den ihn sein Label vollmundig bezeichnet, sei dahin gestellt. An Lobeshymnen von Hörerseite mangelt es auf jeden Fall nicht: „Bravissimo“ liest man auf dem Videoportal YouTube unter den ersten Kommentaren. Oder „Herausragend!“ Und: „Geh und erfülle Deine Mission, Miloš. Die Welt wird die Gitarre durch Dich kennenlernen!!“ n Miloš: „Latino“ (Deutsche Grammophon)

DIE Kultoper ist zurück! Jetzt auf CD: G.F. HÄNDEL GIULIO CESARE in Egitto

Ann Murray · Susan Gritton · Christopher Robson Ivor Bolton

Aufnahme aus der Bayerischen Staatsoper 2002

FARAO Musikproduktions- und Vertriebs GmbH · Widenmayerstraße 18 · 80538 München Tel. 089 - 14 33 00 80 · www.farao-classics.de · info@farao-classics.de


Künstlerin Frang: „Wenn ich die ersten Töne eines Konzerts spiele, stoße ich mich von einem Ufer ab und versuche eins zu werden mit dem Ozean vor mir.“


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„Es geht um Ausdruck“ Die Norwegische Violinistin Vilde Frang schlüpft mit ihrem neuen Album von der Nachwuchskünstlerin in die Rolle der eigenständigen Solistin.

Es war toll. Wir sind oft miteinander aufgetreten, mittlerweile kencrescendo: Sie sprechen so herrlich deutsch. Probieren wir es? nen wir uns ganz gut. Sie ist eine wunderbare Frau und Künstlerin. Vilde Frang: Danke für das Kompliment, aber ich finde, es klingt Ich war damals zum ersten Mal in New York. Sie hat sich liebevoll wie Kindergartendeutsch. Ich lebe in München und komme zurecht, um mich gekümmert und mir die ganze Stadt gezeigt. Wir sind aber auf Englisch kann ich besser ausdrücken, was ich meine. durch den Central Park gelaufen, waren im Guggenheim Museum, Auf Ihrer neuen CD spielen Sie das Violinkonzert von Tschaiam Abend sind wir zusammen in der Carnegie Hall mit dem kowsky und das des dänischen Komponisten Carl Nielsen. Bach-Doppelkonzert aufgetreten. Wenn sie jemanden unterstützt, Tschaikowsky kennt man, aber wie würden Sie das Nielsenunterstützt sie ihn richtig, zu einhundert Prozent. Konzert beschreiben? Was haben Sie von ihr gelernt? Nielsen ist eine große Entdeckung für mich. Er hat selbst Geige Dass ich meinem Instinkt und meiner inneren Stimme folgen gespielt, nicht erstklassig, aber dafür wusste er als Komponist, wie muss. Es gibt immer Menschen, die sagen, das kannst du nicht man dieses Instrument so einsetzen kann, dass der Geiger viel oder das machst du falsch, man muss es anders machen. Sie hat Freude damit hat. Sein Violinkonzert ist sehr pastoral und idyllisch. mir Mut gemacht, auf mich selbst zu hören. Wie eine skandinavische Landschaft, flaches Land, weiter Blick, auf Das könnte Ihnen beim Tschaikowsky-Violinkonzert geholfen jeden Fall melancholisch. Die Musik ist sehr warmherzig. haben, schließlich gibt es Hunderte von Aufnahmen davon. Wie Haben Sie solche Landschaften vor Augen, wenn Sie das Stück findet man seine eigene Interpretation? dann auf der Bühne spielen? Ich habe gar nicht so viele andere Interpretationen gehört. Wissen Nein. In einem Konzert habe ich gar nichts vor Augen. Wenn ich Sie, Tschaikowsky begleitet mich schon mein ganzes Leben lang. auf der Bühne stehe, geht es nur um Ausdruck. Im besten Fall Als Kind war mir seine Musik so nah wie die Märchen der Gebrüwerde ich selbst zu Musik, zu Klang, zu Tönen. der Grimm. Und deshalb habe ich meine ganz eigene Geschichte Man denkt also nicht, wenn man Geige spielt? mit diesem Komponisten. Ich will So könnte man sagen. Ich werde von diesen Zugang nicht vernachlässigen, der Musik komplett absorbiert. Die indem ich Dutzende von CDs höre Musik und ich, das lässt sich nicht und miteinander vergleiche. mehr trennen. Spielen Sie selbst Beschäftigen Sie sich auch mit der ein Instrument? Biografie eines Komponisten? Acht Jahre Klavier, zwei Wenn man nur die Musik und keiJahre Gitarre. nen Kontext kennt, kann es sein, dass Dann wissen Sie doch, was ich meine. man auf eine falsche Fährte kommt. Naja, ich habe beim Klavierspielen Man muss recherchieren, ganz klar, an alles Mögliche gedacht: Fußball, aber man sollte es nicht übertreiben. Spaghetti mit Tomatensauce ... Hand aufs Herz: Wie viele Fehler Ich bin sicher, Sie kennen dieses unterlaufen Ihnen an einem norGefühl. Vielleicht tritt es nicht stunmalen Konzertabend, die das Pubdenlang auf, sondern nur für Sekunlikum gar nicht bemerkt? den, aber jeder, der Musik macht, Unterschiedlich. Das hängt davon ab, kennt es. Ein schöner Akkord, eine Vilde Frang wie gut ich in die Musik reinkomme, traurige Passage, auf einmal hört man aber perfekt ist es nie. Ich habe es auf zu denken. Ich glaube, wer beim Die Norwegerin wurde 1986 in Oslo geboren und zumindest noch nie erlebt, dass ich Musizieren über sich nachdenkt, hat genoss ihre musikalische Ausbildung an der Hochvon der Bühne gehe und denke: auf einer Bühne nichts verloren. Wenn schule für Musik und Theater in Hamburg. Im Alter von zehn Jahren debütierte sie beim Norwegischen Wow, besser geht es nicht. ich die ersten Töne eines Konzerts Rundfunkorchester. Zwei Jahre später wurde sie Wie schade, oder? spiele, stoße ich mich von einem Ufer von Mariss Jansons als Solistin zu einem Konzert mit Überhaupt nicht. Ich glaube, dass ab und versuche eins zu werden mit der Philharmonie Oslo eingeladen. Im vergangenen ich nach einem perfekten Konzert dem Ozean vor mir. Man geht da Jahr wurde Vilde Frang mit dem nicht mehr spielen könnte. Ich wäre schon ein Risiko ein, aber lieber ECHO Klassik als beste Nachwohl für alle Zeiten verdorben, die riskant mit zwei kleinen Fehlern als wuchskünstlerin ausgezeichnet. Spannung würde zu sehr nachlassen. auf Nummer sicher. vielleicht würde ich sogar arrogant Vor vier Jahren waren Sie mit Vilde Frang: werden. Nein, ich will es nach jedem Anne Sophie Mutter auf einer „Nielsen, Tschaikowsky: ­Violin Concertos“, Konzert besser machen, das ist mein Tournee durch Europa und AmeDanish Radio Symphony Orches­tra, Eivind Gullberg Jensen (EMI Classics). Antrieb. rika. Wie war‘s? n 29

Fotos: Marco Borggreve

von Tobias Haberl


p e r s o n a l i e n

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Themenspecial Reise, geplant sind unter ­anderem diese Themen: nK lassische Reiseziele: Destinationen & Reisearten nK lassische Reisearten: Von der Wanderung bis zur Kreuzfahrt nR eisethema Klassik: Kultur & Erholung nK lassische Reisezeiten: Zum Jahreswechsel – Bewährtes und Außergewöhnliches Erscheinungstermin: 06.09.2012 Anzeigenschluss: 07.08.2012 Kontakt: Verlag Port Media GmbH Ansprechpartner: Aida Heinemann Telefon: (0)89-741509-82 E-Mail: heinemann@crescendo.de www.crescendo.de

Der Komponist, dem Publikum in erster Linie mit der Musik zu Jane Campions Film „The Piano“ ein Begriff, nutzte jüngst das ­Medium facebook, um das Royal Opera House in London zu kritisieren. Er schreibt, man wolle ihn partout nicht ins Programm nehmen. Er sei vom Londoner Opernhaus darüber informiert worden, dass es ihm nie einen Kompositionsauftrag erteilen und auch keine seiner Werke spielen werde. Jetzt spekulierte Nyman, die Ablehung gehe eventuell auf seine Tätigkeit als Musikkritiker in den frühen 1970er-Jahren zurück. Dort hatte er das Haus mehrfach kritisiert. Das Royal Opera House erklärte in einer Stellungnahme, Nyman habe es mit einem Vorschlag zu einer Oper kontaktiert. Man habe diesen eingehend geprüft, sei aber zum Schluss gekommen, dass seine musikalische Sprache nicht der Ästhetik des Hauses entspreche. Das sei kein Qualitätsurteil über Nyman als Komponist. Es gehe bloss um eine Frage des Geschmacks.

Y O - Y O Ma Der amerikanische Cellist wird in diesem Jahr mit dem Polar-Musikpreis geehrt. Der Preis ist mit insgesamt 225.000 Euro dotiert. „Yo-Yo Ma vereint Menschen auf der ganzen

Welt und zeigt uns, dass Musik Kommunikation, Passion und Austausch von Erfahrungen ist“, so die Begründung der Jury, die von der Königlich Schwedischen Musikakademie ausgewählt wurde. Der 56-Jährige Yo-Yo Ma erhält die Auszeichnung zusammen mit dem Künstler Paul Simon (Simon & Garfunkel). Der Polarpreis wird

Foto: Michael O`Neill

M i c hael Ny m an

Th em en s pecial Rei s e

seit 1992 an je einen Preisträger aus der rhythmisch orientierten und aus der klassisch orientierten Musik vergeben. Er geht auf eine Stiftung des früheren Managers der schwedischen Popgruppe ABBA, Stig Anderson, zurück. Der schwedische König Carl Gustaf wird die Auszeichnung höchstpersönlich am 28. August im Stockholmer Konzerthaus verleihen.

G e s t o r b e n

Th em en s pecial l i t e r at u r

Themenspecial Literatur zur Frankfurter Buchmesse 2012, geplant sind unter a­ nderem diese Themen: n Noten: Die Feinarbeit der Verlage n Lexika: Die Standards der Standard-Werke n Kinderbücher: Musikpädagogisch wertvoll n Komponisten & Künstler in der Belletristik n Biographien: Die Lebensweisen der Klugen n Nachhaltig lesen: Belletristik vom Besten Erscheinungstermin: 06.09.2012 Anzeigenschluss: 07.08.2012 Kontakt: Verlag Port Media GmbH Ansprechpartner: Hans-Jürgen Kuntze Telefon: (0)89-741509-40 E-Mail: kuntze@crescendo.de www.crescendo.de

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an der Städtischen Oper Berlin begann seine erfolgreiche internationale Karriere. Gastspielverträge führten ihn an renommierte Opernhäuser, unter anderem an die Staatsopern von Wien, München und Hamburg sowie an die Londoner Covent Garden Opera, in die New Yorker Carnegie Hall und zu den Festspielen von Bayreuth und Edinburgh. Vor allem aber durch seine Interpretationen im Liedfach setzte er bis heute bleibende Maßstäbe, die New York Times kürte ihn sogar zum „besten Liedsänger der Welt“. Er prägte den Liedgesang wie kein anderer Mit seinem kongenialen KlavierbegleiSänger seiner Zeit und gilt als der wahr- ter Gerald Moore nahm Dietrich Fischerscheinlich bedeutendste Vertreter des Dieskau in den siebziger Jahren Schuberts romantischen Liedgesangs. Seine Inter- Gesamtwerk für Männerstimme auf. Als pretation von Schuberts „Winterreise“, Schubert-Gestalter hatte er nach Meinung die er in seinem Leben insgesamt neun des Musik-Kritikers Joachim Kaiser nur mal einspielte, setzte Maßstäbe. Dietrich einen wirklich gefährlichen Konkurrenten: Fischer-Dieskau verstarb am 18. Mai im sich selbst. Alter von 86 Jahren im bayerischen Berg Seine aktive Karriere als Sänger beendete am Starnberger See. Fischer-Dieskau 1992 in München. Zu Der Bariton wurde 1925 in Berlin geboren. seinen vielen Auszeichnungen gehören Seine Gesangsausbildung erhielt er bei das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse Georg A. Walter und später bei Hermann und sechs Grammys. Bis zuletzt hatte er Weißenborn an der Berliner Musikhoch- Meisterklassen gegeben. Zu seinen Schüschule. Mit einem ersten Liederabend lern gehörten unter anderem Thomas im Jahr 1947 und einem Engagement Quasthoff und Christian Gerhaher. Foto: Universal Music

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Dietrich Fischer-Dieskau

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hören & sehen •

Die besten CDs & DVDs des Monats von Oper über Jazz bis Tanz Plus: Attila Csampai über seine Sommer-Favoriten (Seite 32) Akustik: Der Klang im fahrbaren Untersatz (Seite 44).

David Aaron Carpenter

Tonschöner Überflieger

Solo

Joseph Martin Kraus, der deutsche Komponist, der Kapellmeis­ ter am Hof des Schwedenkönigs Gustav III. wurde, gilt es noch zu entdecken. Im selben Jahr geboren wie Mozart, ist er ein typischer Ver­ treter der Klassik. Drei nun in Schweden wieder entdeckte Konzerte für Viola sind modellhafte Virtuosenstücke Kraus’, mit lebendigem Bläsersatz und rhythmisch feinem Streichersatz. David Aaron Carpenter, der auf CD bis­ lang mit Werken der Romantik und Moderne auf sich aufmerksam machte und als Protegé seines Lehrers Pinchas Zukerman auf bestem Wege ist, eine inter­ nationale Solistenkarriere zu machen, wurden diese Stücke zur Ersteinspielung anvertraut. Er macht dies mit großem, tonschön singendem Timbre. Virtuo­ sität ist für ihn kein Selbstzweck und im Doppelkonzert mit Cello drängt er sich nicht in den Vordergrund. Doch er lässt sich auch anstecken vom gerundeten, defensiven Klang der Tapiola Sinfonietta, die Kraus’ Musik harmloser macht, als sie ist. Prädikat: zwiespältig. US

Foto: Charles Quiles

Joseph Martin Kraus: „Viola Concertos“ David ­Aaron ­Carpenter, Tapiola Sinfonietta (Ondine) Track 7 auf der crescendo Abo-CD: „Rondo: ­Allegro“ aus dem Konzert C-Dur für Viola und Orchester.

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h ö re n & sehe n

Die wichtigsten CDs des Monats, ausgewählt von Attila Csampai

Liebe, Wahnsinn, Leidenschaft und anderes Welche CDs der Meister der Rezension für den Sommer empfiehlt.

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iebe kann dich in den Wahnsinn treiben: Das ist keine neue Erkenntnis, doch seit Jahrhunderten ein Kernthema der Musik. Im England des späten 17. Jahr­ hunderts wurde der „Mad Song“ als Gegenströmung zu den kulturellen Restriktionen des Cromwellschen Puritanismus sogar zu einem der wichtigsten Genres der wieder­ erstarkten Theater- und Musikkultur und Henry Purcell zu seinem genialsten Gestalter. Henry Purcell: „Love‘s Madness“ Dorothee Mields, Lautten Compagney Berlin, Wolfgang Katschner (Carus) Track 5 auf der crescendo Abo-CD: „Bedlam Boys (Traditional 17. Jhdt.)“

Nach dem großen Erfolg ihrer ersten PurcellCD mit „Love Songs“ beleuchtet Deutschlands führende Barocksängerin Dorothee Mields in ihrem neuen PurcellAlbum „Love’s Madness“ die dunklen Seiten der Liebe: Die hoch­ artifiziellen, psychologisch präzisen „Mad Songs“ von Purcell sind dabei eingebettet in eine bunte, kontrastreiche Barockrevue mit zeitgenössischen Volksliedern, ausgefallenen Instrumentalstücken und Songs anderer Komponisten. Sie spannen – energisch unter­ malt von der wieder munter aufspielenden Berliner Lautten Kom­ pagney – ein 31-teiliges Diorama der englischen Musikkultur zwi­ schen Shakespeare und Pepusch auf und verlassen dabei niemals den Boden der rauen Lebenswirklichkeit. Das klingt über weite Strecken fast wie ein historisches Popkonzert und scheut auch nicht den Blick in die Abgründe der menschlichen Seele. Und Dorothee Mields schwebt und trällert wie ein virtuoser Singvogel über dem Grauen, unbekümmert und wissend zugleich, kristallklar und auch im Wahnsinn noch mädchenhaft und anmutig. Enrique Granados: „Goyescas“ Garrick Ohlsson (Hyperion) Track 1 auf der crescendo Abo-CD: „El pelele – Escena goyesca“

Von Liebe und Leidenschaft handelt auch die bedeutendste Klavierkomposition des spani­ schen Neuerers Enrique Granados, der seine 32

1911 entstandenen „Goyescas“ dem spanischen Malerfürsten Goya widmete. Er beschwor darin die zwischen Bitterkeit und Anmut schwankende, leidenschaftlich-melancholische Gefühlswelt des alten Madrid, die sich in den schon von Goya geliebten Volkscha­ rakteren des Majo und der Maja, und deren wechselvoller Liebe widerspiegelt. Chopin-Koryphäe Garrick Ohlsson erweist sich auch in Granados’ reich verzierter und oft genug spielerisch aus­ ufernder Materie als souveräner, mit großem Atem gestaltender Erzähler, dessen phänomenale Virtuosität immer zurücktritt hinter dem Glanz, der körperreichen Haptik, der atmosphärischen Dichte seiner wunderbar fliessenden Klangrede. So ist man vom ersten Augenblick an verzaubert von der Schönheit, der feinen, melancho­ lischen Agogik seiner dunklen, warm timbrierten Klangbilder. Wir erleben also eine Traumreise ins alte Spanien der Leidenschaften und starken Gefühle – und einen bedeutsamen Komponisten, der nur wenige Jahre später unter tragischen Umständen im Ärmel­ kanal ertrank. Joseph Haydn: „Sinfonien Nr. 90 & 92“ Heidelberger Sinfoniker, Thomas Fey (Hänssler) Track 6 auf der crescendo Abo-CD: „Adagio – Allegro spiritoso“ aus der „Sinfonie Nr. 92 ‚Oxford‘ “

In der ländlichen Abgeschiedenheit des Fürs­ tenhofes von Esterháza schuf Joseph Haydn die Grundlagen für den Siegeszug der klassischen Symphonie. Doch wer wagt sich an seinen Riesenkatalog von 104 Werken? In Hei­ delberg feilt Thomas Fey schon seit 13 Jahren an seinem großen Haydn-Projekt, und er hat erst knapp die Hälfte eingespielt. Mit sei­ nen Heidelberger Sinfonikern verfolgt er einen „historisch orien­ tierten“ Interpretationsansatz, der „Papa Haydn den Zopf abschnei­ den“ will, also mit zügigen Tempi und kontrastreicher Dynamik seine Modernität hervorkehren will: So auch in den beiden jetzt vorgelegten Symphonien Nr. 90 und 92, die Haydn 1788 für Paris komponierte. Auch hier verknüpft Fey kammermusikalische Präg­ nanz mit elektrisierendem Drive und forscher Spiellaune zu einer ungemein lebendigen und impulsreichen Klangrede, die in ihrer attackierenden Frische fast radikaler klingt als bei manchem echten Originalklang-Ensemble. www.crescendo.de

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Impressum Anton Eberl: Klavierkonzerte op. 32 & 40 Paolo Giacometti, Riko Fukuda, Kölner Akademie, Michael Alexander Willens (cpo)

Während Haydn bis heute Weltruhm genießt, ist der 1765 in Wien geborene Anton Eberl vergessen. Dabei machte er zu Lebzeiten selbst Beet­hoven den Rang streitig und bekam für seine dritte Sym­ phonie mehr Zuspruch als Beethoven für die „Eroica“. Seine beiden 1804 und 1806 uraufgeführten, stilistisch sehr eigenständigen Klavier­ konzerte in Es-Dur op. 40 und C-Dur op. 32 sind jetzt von der 30-köp­ figen Kölner Akademie unter ihrem Leiter Michael Alexander Willens im historischen Klangbild wiederbelebt worden. Dabei vertraute man die Soloparts zwei unterschiedlichen Fortepiano-Spielen an: RossiniSpezialist Paolo Giacometti spielt das frühere, martialisch-schneidige Es-Dur-Konzert auf dem perfekt restaurierten Wiener Müller-Forte­ piano von 1810 mit beherzter, geradliniger Prägnanz und schöner fließender Linie, während die Japanerin Riko Fukuda auf dem selben Instrument in dem späteren, eher verspielt-eleganten C-Dur-Konzert weniger Profil riskiert. Den besten Eindruck hinterlässt die wunder­ bar atmende und pulsierende Kölner Akademie, die hier für das ent­ scheidende Quantum Spannung sorgt. Ralph Vaughan Williams: „A London Symphony, Serenade to Music“ Rochester Philharmonic, Christopher Seaman (Harmonia Mundi)

120 Jahre nach Haydns „Londoner Symphonien“ widmete auch der englische Komponist Ralph Vaughan Williams seine zweite Symphonie der britischen Metropole, wobei er ohne eigentliches Programm ein unge­ mein bildmächtiges Stimmungsbild Londons vor dem Ersten Welt­ krieg zeichnete: In allen Sätzen dieser träumerischen Liebeserklärung spürt man aber schon die bedrückende Vorahnung der anstehenden Zeitenwende. Schon in seinen Jugendjahren hatte der heute 70-jährige Christopher Seaman die „London Symphony“ mustergültig aufge­ führt: Und auch in der aktuellen, akustisch opulenten Neuproduktion mit dem exzellenten Rochester Philharmonic spürt man in jedem Takt seine tiefe Herzensaffinität zu Vaughan Williams geheimnisvoller, raf­ finiert aufgefächerter Klangarchitektur, in der die impressionistischen Elemente überwiegen und sich wie ein Schleier des Innerlichen über das rein Objektive legen. Da auch das Orchester in höchster Klangkul­ tur schwelgt, sind hier alle Kriterien einer Referenzaufnahme erfüllt. Alexander Gilman: „Barber, Korngold, Waxman, Williams“ The Cape Town Philharmonic Orchestra, Perry So (Oehms Classics) Track 10 auf der crescendo Abo-CD: John Williams: Theme from „Schindler‘s List“

Zum Schluss ein neuer Stern am Geigerhimmel: Alexander Gilman, 1982 in Bamberg geboren, Spross einer russischjüdischen Musikerfamilie, hat sich auf seinem ersten Konzertalbum für ein amerikanisches Programm entschieden, das seine unge­ wöhnliche geigerische Aura, seine fesselnde Virtuosität, seine ver­ führerische Eleganz eindrucksvoll unterstreicht: Die beiden großar­ tigen, aber selten gespielten Violinkonzerte von Samuel Barber und Erich Wolfgang Korngold, beide späte Nachzügler spätromantischer Expressivität, hat er mit Zugaben von Franz Waxman und John Wil­ liams angereichert und so ganz offensichtlich die Nähe zur musika­ lischen Gefühlswelt Hollywoods gesucht. „Musik muss einen berüh­ ren“ lautet Gilmans Credo und mit Unterstützung des hochmotivier­ ten Cape Town Philharmonic aus Südafrika knüpft er mit glühendem Ton und großem Atem an die Ikonen der Vergangenheit an, die das Publikum noch mit Schönheit und echtem Gefühl erreichten.

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Chefredakteur Robert Kittel (RK, verantwortlich)

Art director Stefan Steitz

Chef vom Dienst Michaela Wurstbauer

Autoren Tobias Haberl, Teresa Pieschacón ­Raphael, Christoph Schlüren (CS)

Kolumnisten Pascal Morché, Attila Csampai, Daniel Hope, John Axelrod

Mitarbeiter dieser Ausgabe Martin Morgenstern (MM), Antoinette Schmelter de Escobar (SDE), Angelika Rahm (AR), Uwe Schneider (US), Malve Gradinger (GRA), Rainer Aschemeier, Michael Sellger, Carolin Pierich, Stefanie Paul, Anna Novák (AN), Götz Bühler (GB), Klaus Härtel (HÄ), Henry C. Brinker, Clemens Matuschek, Dagmar Penzlin, Torsten Kollmer, Anna Hermann (AH).

Projektleitung plus regional Liselotte Richter-Lux | richter-lux@crescendo.de

Verlagsrepräsentanten Tonträger: Petra Lettenmeier | lettenmeier@crescendo.de Kulturbetriebe: L. Richter-Lux | richter-lux@crescendo.de Hifi & Marke: Heinz Mannsdorff | mannsdorff@crescendo.de Marke: Aida Heinemann | heinemann@crescendo.de Marke: Assen Saraiwanow | saraiwanow@crescendo.de Verlage: Hans-Peter Reiter | reiter@crescendo.de

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Beilagenhinweis: Diese Ausgabe enthält (Teil-)Beilagen von CLASS, PartiTouren TourismusMarketing Niedersachsen GmbH sowie der Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG.

Das nächste crescendo erscheint Am 07.09.2012

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Foto: Tara Sly

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Ensemble eX: ­„Shipwrecked“ ­(Heresey)

Ensemble eX

Der Soundtrack von 1588 Alte Musik Barna-Sabadus

Schön verziert Kaffee kann man nicht nur trinken. Sondern auch hören – zumindest auf der neuesten CD des Pera Ensembles. Unter dem Motto „Orient meets Occident“ kombinieren die Spezialisten für historische Aufführungspraxis osmanische Hof­ musik mit Barock-Klängen aus Europa. Denn ab dem 16. Jahrhundert trat nicht nur der Mokka als Modegetränk seinen Siegeszug von Klein­asien gen Westen an. En vogue war in Pariser Salons genauso wie am Sächsischen Hof aber auch alles andere Orientalische von der Kleidung bis zur Musik. In ausgewählten Werken von Lully, Por­ pora, Vivaldi oder Händel, die auf „Café“ ver­ sammelt sind und virtuos mit Stimmschnörkeln von Countertenor Valer Barna-Sabadus verziert werden, hat das unüberhörbar seine Spuren hin­ terlassen. Für eine „kreative Synthese“ sorgt der direkte Vergleich mit Kompositionen osma­ nischer Zeitgenossen, die allesamt auf authen­ tischen Instrumenten gespielt werden. SDE

Valer Barna-Sabadus, Pera En­ semble: „Café“ – Orient meets ­Occident (Berlin Classics) 34

Konzeptalbum? Weltmusik der Renaissance? Soundtrack? Etwas ratlos macht die Idee von „Shipwrecked“ beim Hören. Es ist die Musik eines offenbar szenisch konzipierten Kon­ zertprojektes des irischen Ensemble eX, das sich der Frühen Musik verschrieben hat und dem auf dieser Aufnahme so namhafte Inter­ preten wie Hille Perl oder Lee Santana ange­ hören. Ein cultural clash des 16. Jahrhunderts ist darauf zu hören: irische, gälische, englische Musik trifft auf die Spaniens. Es ist die Illustra­ tion für das Schicksal eines 1588, nach See­

schlacht-Niederlage in Irland gestrandeten Kapitäns der spanischen Armada. Das mag szenisch reizvolle Aspekte haben, der MusikCD hilft es nicht. Die Aneinanderreihung der tontechnisch edelglänzend herausgeputzten canciones, traditionals und lute melodies bleibt Stückwerk, freilich mit mancher Pre­ ziose darunter. Musiziert wird energetisch aufgeladen und klanglich ausgeklügelt. Etwas weniger Glanz und etwas mehr Improvisation würden nicht schaden. Ein Album für Alle und Keinen. US

Track 4 auf der crescendo Abo-CD: „La Vida Bona“. Yakov Kasman

Janina Fialkowska

Atemberaubend

Chopin anmutig

Nirgends ist Sergej Prokofjews Musik so unumstrittenes Kernrepertoire wie unter den Pianisten. In der „fantastischen“ Aus­ drucksweise unter optimaler Nutzung der instrumentalen Ressourcen greift er, in voll­ endeter Originalität, einen Geist auf, der seit Robert Schumann eines Echos harrte. Diese so unglaublich vielfältige, substanziell virtu­ ose und in Harmonie und Melos prachtvoll blühende Musik in der Eigenart all ihrer, auch drastisch überzeichneten, Charaktere zu erfassen, gelingt Yakov Kasman fern jeglicher Nivellierung wie vielleicht keinem anderen in einer Gesamteinspielung. So gespielt kann man in diesen neun Sonaten die Stadien der Entwicklung eines der großen Jahrhundert­ komponisten wie einen spannenden Fortset­ zungsroman mit atemberaubend abenteuer­ lichen Episoden mitverfolgen. Kasman trifft, pianistisch auf erle­ senem Niveau, den Eigenton eines jeden Stücks. CS

Yakov Kasman spielt Prokofjew (Phaia Music)

Solo

Nach krankheitsbedingter Unterbrechung ihrer internationalen Karriere begegnet Janina Fialkowska, einstiger Schützling Artur Rubinsteins, seit gut zehn Jahren immer enthusiastischerer Kritik, und in der Tat ist ihr Chopin-Spiel (hierin durchaus auch an Rubinstein erinnernd) von großer Natür­ lichkeit, Charme und Klarheit. Stets ist zu spüren, dass sie Charakter und Atmo­ sphäre des Stücks als Ganzes erfühlt – hier sind das: Fantaisie f-Moll, Ballade F-Dur, Scherzo b-Moll, Polonaise es-Moll, Noc­ turne op. 55/2, und einige Walzer, Mazur­ ken und Préludes. Ihr Chopin ist kraftvoll und zugleich anmutig, das Zarte nie klang­ licher Selbstzweck, das Rubato reichlich, doch selten übertrieben. Die Programm­ zusammenstellung überzeugt in der Mischung aus Verwandtem und Gegensätz­ lichem, das Klangbild (Steinway) ist natürlich ausgewogen und diffe­ renziert. CS

Janina Fialkowska: „Chopin: Recital 2“ (Atma Classique) www.crescendo.de

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Solo

Antti Siirala

Alfredo Perl

Welch ein feinsinniger Mann

Ravel, mit sensiblem Anschlag

Der 1979 geborene Finne Antti Siirala ist einer der erfolgreichsten Pia­ nisten seiner Generation. Er hat einige der großen Wettbewerbe gewon­ nen und tritt mit führenden Orchestern und Dirigenten auf. Und in der Tat hört man hier eine eminente Begabung, pianistischen Feinschliff hohen Karats, der von großer Disziplin zeugt. Und einen zumal in den leisen Passagen sehr feinsinnigen Musiker, der nicht auf den großen äuße­ ren Effekt abzielt, sondern die Strukturen der Musik sinnfällig offenlegen möchte. Wenn er das Emphatische auch in den subtilen Dimensionen zu entfalten versteht und die Strecken äußerer Kraftentfaltung noch feiner ausziseliert, wird sein Spiel noch unwiderstehlicher sein. Dazu bedarf es der Vertiefung des Gespürs für die gegensätzlichen Sogkräfte des Kaden­ zierens, woraus sich insgesamt ein weiter gespannter Horizont in den großen Formen ergibt. Sehr vielversprechend. CS

Man kann das Klavierwerk Ravels als Zentrum seines Schaffens sehen. ­Es bildet mit seiner Entwicklung von den impressionistischen Tonmale­ reien der Jahrhundertwende bis hin zu den Grenzen der Tonalität und der Motorik des 20. Jahrhunderts eine Herausforderung für jeden Pia­ nisten. Alfredo Perl, der chilenische Pianist, der wie wenige andere die pianistische Tradition in die Gegenwart führen kann, ist ein idealer Inter­ pret für dieses Œuvre. Sein sensibler, akzentreicher Anschlag, seine sich weithin spannenden Phrasierungen, die natürlich empfundenen Tempi und nicht zuletzt seine außerordentlichen technischen Fähigkeiten prä­ destinieren ihn geradezu für das französische Klangideal der clarté, das Ravels Musik erst die wahre Dimension verleiht. Ravels enorme Anfor­ derungen in Stücken wie „Miroirs“ werden bei Perl zur Attraktion pia­ nistischer Selbstverständlichkeit und finden einen der zahlreichen Höhe­ punkte in der tänzerischen Kraft von „Alborada del gracioso“. US

Ludwig van Beethoven: „Klaviersonaten opp. 109, 110 & 111“ Antti Siirala (Avi) Track 3 auf der crescendo Abo-CD: „Adagio ma non troppo – Fuga” aus der „Sonate für Klavier Nr. 31“

Maurice Ravel: „The Complete Works for Piano“ Alfredo Perl (Celestial Harmonies) Track 9 auf der crescendo Abo-CD: „Une barque sur l’océan“ aus: „Miroirs“

Ottavia Maria Maceratini

Ortega Quero, Manz, Trémel, Alonso

Über-sinnlich

Gute Kombination

In einem Interview verriet die 26-jährige Italienerin Ottavia Maria Mace­ ratini, dass die Arbeit, die sie zur Zeit mit ihrem mentor und crescendoAutor Christoph Schlüren mache, darauf hin ziele, „sich einen Zugang zu jenen Strukturen der Musik zu verschaffen, die normalerweise den Sinnen entgehen, die aber die einmalige Ausdruckskraft und kernhafte Identität eines Werkes ausmachen.“ Was genau das bedeutet, erschließt sich beim Hören ihrer Debüt-CD „One Cut“. Denn vermag die Zusam­ menstellung dieses Tonträgers – das Programm erstreckt sich vom Barock bis zum 20. Jahrhundert – zunächst willkürlich erscheinen, ist sie doch offensichtlich wohl durchdacht und hinreißend. Sämtliche Kompo­ nisten – von Scarlatti, über Mozart, Chopin bis hin zu Tiessen, Foulds und Debussy – spielt die Italienerin mit solch überbordenden Gefühls­ wallungen, einer spannungsgeladenen Dynamik und einer rhythmischen Verve, dass es schlichtweg begeistert. Wenn man dann noch weiß, dass diese CD mit nur einem einzigen Schnitt auskam, kann man fast sprachlos werden. Diese Ottavia Maria Maceratini ist übersinnlich. HÄ

Schon bei den ersten Takten lässt die doppelt bemerkenswerte Beset­ zung aufhorchen. Diese Kombination von Klavier und Blasinstrumenten verwendete erstmals W. A. Mozart für sein Quintett KV 542, zwölf Jahre später griff Beethoven die Idee und dieselbe Tonart Es-Dur für sein Quintett op. 16 auf. Beide kammermusikalische Juwelen bringen Pianist Herbert Schuch und die vier exzellenten jungen Bläsersolisten Ramón Ortega Quero (Oboe), Sebastian Manz (Klarinette), Marc Trénel (Fagott) und David Fernández Alonso (Horn) – jeder von ihnen Preisträ­ ger des ARD-Musikwettbewerbs – zum Funkeln, mit beherzt musikan­ tischem Zugriff und hörbar lustvoll, dabei aber wunderbar feinsinnig und delikat. Wie in einem guten Gespräch geben sie einander Raum, lassen ausbalanciert und pulsierend Lyrik, Farbenreichtum und Klangschönheit aufblühen. Ein Muss für jeden Kammermusikfan oder ein guter Grund, einer zu werden. AR

Beethoven, Mozart: „Quintets for piano and winds“ Herbert Schuch, Sebastian Manz, Marc Trenel, David Fernández Alonso, Ramón Ortega Quero (Indesens) Track 2 auf der crescendo Abo-CD: das „Largo-Allegro moderato“ aus „Quintett Es-Dur“ von Mozart

Ottavia Maria Maceratini: „One Cut“ (Aldila)

Flórez, Damrau, DiDonato

Rossinis Funken fliegen

Kammermusik

José van Dam

Oper

Ein pures Vergnügen bietet die wunderbare MET-Produktion vom April 2011, Rossinis letzte komische Oper „Le Comte Ory“. Regisseur Bartlett Sher verlegt die im Mittelalter spielende Handlung vom chronisch balzenden jungen Adeligen, der keine Verkleidung scheu­ end den Frauen nachstellt, während deren Männer am Kreuzzug teilneh­ men, ins 19. Jahrhundert und inszeniert sie mit scheinbar leichter Hand als Theater auf dem Theater. Dabei wird er dem genialen Musikdramati­ ker Rossini ebenso gerecht wie die drei hinreißenden Belcanto-Experten­ in den Hauptrollen. Juan Diego Flórez, Diana Damrau und Joyce DiDonato­ singen und agieren, dass die Funken fliegen. Das ist allerfeinstes Musiktheater: präzise und prall, frech und frivol, komisch und bei aller skurrilen Über­ zeichnung berührend, weil zutiefst menschlich. Wie singt der Titelheld? „Ein herrlicher Unsinn!“ AR

Gioachino Rossini: „Le Comte Ory“ Juan Diego Flórez, Diana Damrau, Joyce DiDonato. (DVD, Virgin)

Abschied mit Don Quichotte

José van Dam gehört zu den großen Interpreten des 20. Jahrhunderts. Im Alter von 70 Jahren hat er 2010 Abschied von der Bühne genommen. Er tat dies mit einer der großen, einst für Schaljapin geschriebenen Partie seines Fachs: Massenets „Don Quichotte“. Van Dam zeigt, welch außer­ gewöhnlicher Sängerdarsteller er ist und nutzt in Laurent Pellys kluger und bildstarker Inszenierung an seinem Stammhaus in Brüssel das rechte Vehikel,­um noch ein letztes Mal Würde und Größe des Sängers in einer Tradition zu verkörpern, zu deren letzten Protagonisten er gehört. Mit Silvia Tro Santafé (Dulcinée) und Werner van Mechelen (Sancho Pansa) hat er hervorragende Partner, die sich ganz dem Kon­ zept dieses Porträts einfügen. Nur Mark Minkowski verfehlt am Pult Charme und Kolorit der Musik des Öfteren. Große Oper mit einem großen Künstler. US

Jules Massenet: „Don Quichotte” José van Dam, Silvia Tro Santafé,­ Werner van Mechelen, Orchestre & Choeur de la Monnaie, Mark ­Minkowski (Naïve) 35


h ö re n & sehe n

Jazz Melody Gardot

Glück im Unglück

Absence“ fügt. Der rote Faden bleibt jedoch ihre Stimme, die „zwar glüht aber dennoch cool bleibt“, wie es die New York Times erkannte, mit der sie etwa den herrlichen Samba „Mira“, einen sinnlichen Tango namens „Goodbye“ und ähnliche Liebeslieder mit Titeln wie „Impossible Love“ oder „My Heart Won’t Have It Any Other Way“ singt. Man lässt sich gern von diesem klaren Alt einlullen, der dabei genug Zerbrochenes und Ver­ letztes in sich trägt, um überzeugend und authentisch zu klingen. Nur selten, etwa in „Amalia“, wohl einem Tribut an die Fado-Königin Amalia Rodrigues, wirkt die Musik konstruiert, fehlt der leisen Einfachheit von Text und Melodie die Tiefe, die selbst aus kleinen Melodien große Lieder machen kann. Der Erfolg für „The Absence“ ist trotzdem nahezu vorpro­ grammiert. Weil sich einstige Konkurrentinnen neuen Spaß in der PopWelt suchen (Norah Jones) oder sich eher dem Familienleben als musi­ kalischen Produktionen widmen (Diana Krall), überlassen sie Melody ­Gardot das weite Feld zwischen sanftem Jazz, Bossa Nova und akusti­ schem Pop, das heute unter „Vocal Jazz“ fungiert. Noch eines macht „The Absence“ letztlich so erfolgversprechend: „Saudade“ ist ebenso unübersetzbar wie allgegenwärtig. Und selten klang sie so gut wie bei Melody Gardot. Götz Bühler

Michel van der Aa

Robert Neumüller

Die alte Frau und die Cellistin

Melody Gardot: „The Absence“ (Decca)

Film

Es ist nicht nur das leidenschaftliche, körperliche Spiel der Cellistin Sol Gabetta, das den Beobachter dieser DVD an den Fernsehsessel fesselt. Es ist vor allem dieser komplexe Dialog zwischen Film, Elektronik und Livemusik. „Up-close“, vom Holländer Michel van der Aa für Solo Cello, Streichensemble und Film komponiert, ist ein spannungsgeladenes Meis­ terwerk. Die enervierende Musik ist von Gabetta und der Amsterdam Sinfonietta auf Weltniveau vorgetragen. Die zerklüftete Tonsprache des Soloparts unterstreicht die surrealen Bedrängnisse einer alten Frau, die parallel im Video gezeigt wird. Das Alter Ego der Solistin läuft als ver­ störende Videoprojektion Gefahr, dem Wahnsinn zu verfallen. Alles pas­ siert in Interaktion mit dem realen Bühnengesche­ hen. Die alte Frau und die Cellistin kommen sich immer näher, um sich am Ende nachzuahmen – ohne allerdings zu kommunizieren. Man verweilt nach 30 Minuten atemlos, selbst als die Musik längst ver­ klungen ist. Hä

Michel van der Aa: „Up-close“ for solo cello, string ensemble and film. Sol Gabetta, Amsterdam Sinfonietta (DVD, Disquiet/Challenge) 36

Foto: Universal Music

Das portugiesische Wort „Saudade“ ist nahezu unüber­ setzbar. Der Wehmut ebenso nah wie der Melancholie,­ drückt es ein ureigenes Sentiment aus, eine traurige Sehnsucht nach etwas Unwiederbringlichem, die wahr­ scheinlich in der brasilianischen Bossa Nova ihren schönsten Ausdruck fand. Wenn sich eine junge Ameri­ kanerin im Jahre 2011 ziemlich gezielt auf die Suche nach dieser „Saudade“ macht, ihren Ursprüngen in Lissabon ebenso nachspürt wie an der Küste Brasiliens, in der Wüste von Marrakesch oder in den Tango-Cafés von Buenos Aires, kommt Skepsis auf. Besonders, da sie sich außerdem als monroeesker Vamp entpuppt, der erfolg­ reich mit Image und Klischee spielt – als blondierte Meerjungfrau im dünnen Netz auf dem Cover ihres neuen Albums oder wenigstens in Spitzenunterwäsche in den Videos dazu. Melody Gardot, wie sich die ehemalige Modedesignstudentin aus Phi­ ladelphia nennt, räumt derlei Zweifel am liebsten musikalisch aus. Aktuell gelingt ihr die Gratwanderung zwischen Marketingoffensive und Ausnah­ metalent mit ihrem dritten Album „The Absence“. Darauf erschließt sich die Frau, die erst nach einem tragischen Auto­unfall vor neun Jahren anfing zu singen und Songs zu schreiben, eine traumhafte neue Song-Welt. Ihre musikalischen Einflüsse bleiben immer hörbar, von ihrer Jazz-Phrasierung über das Bossa Nova-Hauchen bis zu rhythmischen Samba-, Fado-, Tangound sogar Reggae-Anklängen. Ihre Umsetzung ist jedoch immer originell. „Es gibt so viele Sprachen und so viele Kulturen“, meint Melody ­Gardot dazu, „aber es ist doch immer wieder erstaunlich, wie ähnlich sich die Musiken der ganzen Welt im ­Geiste sind.” Im Anschluss an ihre ausgiebige Saudade-Suche, diese Weltreise in Sachen Songwriting, sichtete und sortierte die Sängerin das gefundene und das neu verfasste Musikmaterial gemeinsam mit Heitor Teixeira Pereira in einem Studio in den USA. Diesem Produzenten, der als Heitor­TP schon mit Popstars wie Simply Red oder Sting spielte und als Filmmusik­komponist mit „Madagascar“ oder „Die Schlümpfe“ Erfolge feiern konnte, ist es auch zu verdanken, dass sich das unterschiedliche Songmaterial so dramaturgisch stimmig in die knappe Stunde von „The

Einblicke in Mariss Jansons

„Er ist ein besonderer Musiker, weil er ein besonderer Mensch ist“, so beschreibt Thomas Hampson einen der weltweit wichtigsten Dirigenten – Mariss Jansons. Dieses Zitat passt als Motto und Quintessenz der Doppel-DVD, die einen herausragenden Konzertmitschnitt von Mahlers Zweiter Sinfonie aus dem Concertgebouw Amsterdam und ein einfühl­ sames Porträt vereint, in dem der sonst eher medienscheue Mariss Jan­ sons auf uneitle Weise Einblicke in sein Leben und Denken sowie hinter die Kulissen seiner Arbeit erlaubt: Er führt in seine Heimatstadt Riga, die elterliche Wohnung und an den nahen Strand, ins St. Petersburger Kon­ servatorium, er spannt einen Bogen über die Stationen seiner Karriere bis in die Gegenwart, zu Proben und Aufführungen mit „seinen“ beiden Klangkörpern, dem Concertge­ bouw Orchester und dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. In jeder Hinsicht: unbedingt empfehlenswert! AR

„Music is the language of the heart and soul. A Portrait of Mariss Jansons“ A film by Robert Neumüller (DVD, C Major)

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Jazz

Chick Corea & Friedrich Gulda

Meeting zum Genießen Das macht mit Bild tatsächlich mehr Sinn als nur vom Tonträger: Ein Münzwurf bestimmt, welcher der beiden Pianisten dieses Konzert im Rahmen des Münchner Klaviersommers 1982 beginnt. Ein Schicksals­ akt, der allerdings nicht nur einen humorigen, sondern auch einen stim­ mungsvollen Einstieg bietet; es wird offensichtlich, dass sich die „Kolle­ gen“ schätzen, dennoch respektvolle Distanz wahren. Die Zahl entschei­ det, Gulda beginnt. Gut vierzig Minuten beweist sich der Virtuose aus Wien mit unterschiedlichen Eigenkompositionen, einem kurzen Mozart und der „Reblaus“ als enorm fantasie- und gefühlvoller Pianist. Ganz anders, aber ebenso voll improvisatorischer Spielfreude zerlegt Chick Corea anschließend Monks „Round Midnight“ in allerhand bisher kaum hörbare Einzelteile – bis hin zu Boogie-Woogie-Elementen – bevor er eine gute halbe Stunde lang wunderbar lyrisch und melodieverliebt drauflos improvisiert. Der Höhe­ punkt ist allerdings, ganz wie erhofft, „The Mee­ ting“, das herausfordernde, experimentierfreudige und immer wieder faszinierende Doppelklavierkon­ zert dieser beiden so unterschiedlichen wie seelen­ verwandten Pianisten. GB

Chick Corea & Friedrich Gulda: „The Meeting“ (Arthaus Musik)

BESONDERE HÖREMPFEHLUNGEN VON SONY CLASSICAL

FRANÇOIS LELEUX DER CHARME DER OBOE François Leleux hat zusammen mit dem Münchener Kammerorchester wunderschöne Werke für Oboe und Streicher eingespielt. Bei den Konzerten von u.a. Vivaldi, Marcello und Bellini oder bei Glucks berühmtem „Reigen seliger Geister“ erklingt die Oboe mit ihrem warmen und samtigen Klang. www.francoisleleux.com

Gregory Porter

Neues Spiel Geboren und aufgewachsen in Californien bekam Gregory Porter erst ein Stipendium als Footballspieler in der Mannschaft der San Diego State University. Doch nach einer Verletzung musste er den Sport an den Nagel hängen und entdeckte die Musik für sich. Aber wer jetzt an Franz Beckenbauer und „Gute Freunde kann niemand trennen“ denkt, der irrt: Verhaftet in der Gospel-Tradition und den 60er Jahren klingt Porter auf seinem neuen Album auf erfrischende Art altmodisch mit der swin­ genden Eleganz eines Nat King Cole und der kämpferischen Direktheit eines Curtis Mayfield. Seine Stimme ist mal rau, mal schmeichlerisch, mal umarmend und umfas­ send, mal ehrfurchtgebietend und mahnend. Er ist ein Prediger, deshalb: Be good! AH

Gregory Porter, „Be good“, (Motéma)

Sonja Huber Quartet

ERWIN SCHROTT ARIAS Bariton Erwin Schrott hat für seine zweite CD herausragende Arien aus Opern von Puccini, Bizet, Gounod und Verdi aufgenommen. „Fülle des Organs, Schwärze des Timbres und Flexibilität der Stimmführung zeichnen diesen Sänger aus...“ Das Opernglas www.erwin-schrott.com

Sonjas sanfte Wucht Sonja Huber singt nicht. Sie spielt auch kein Klavier. Und es war auch kein bewusster Gender- oder Generations-Umsturz-Gedanke, der die junge Schweizerin ausgerechnet zum Vibraphon führte. Sie mochte ein­ fach den Klang des Instruments. Auf dem wunderschönen Debütal­ bum ihres Quartetts, schon dem 43. Newcomer-Projekt der tadellosen „Jazz thing Next Generation“-Serie, zeigt die David-Friedman-Schülerin sich nun nicht nur als souveräne und originelle Instrumentalistin, son­ dern auch als gewichtige Komponistin: Alle zehn Stücke dieses Albums, vom träumerisch-dynamischen „Laonda“ über das melancholische, dem Großvater gewidmete Titelstück bis zu einem leichtfüßigen Latin-Lust­ stück wie „Endless“, stammen von Sonja Huber. Sie strahlen, auch im gefühlvollen Zusammenklang ihres Vibraphon­ spiels mit der Gitarre von Matthias Siegrist, vor Klangkraft und Dynamik – sie grooven subtil, mal sanft, mal wuchtig, oder, wie es ein Schweizer Journalist ausdrückt, mit „relaxter Euphorie“. GB

Sonja Huber Quartet: „William’s Garden“ (Double Moon Records)

THOMAS HENGELBROCK NACHTWACHE Ein außergewöhnliches Projekt: Auf „Nachtwache“ vereint der Balthasar-Neumann-Chor Musik und Poesie der deutschen Romantik zu einem Erlebnis in Lied und Wort. Im Wechsel mit den schönsten a-cappella-Kunstliedern von Brahms, Schumann und Mendelssohn liest Schauspielerin Johanna Wokalek lyrische Werke von Eichendorff, Novalis und Heine. 37 www.sonyclassical.de


h ö re n & sehe n

Das Label der Liebe Naxos feiert 25-Jähriges! Ein Blick in die Firmengeschichte zeigt: Der Weltmarktführer bei der Vermarktung klassischer Musik auf CD begann mit einer Romanze.

Foto: Naxos

Vivaldi verkaufte sich mehrere hun­ ­ Wofür steht Naxos im Jahr 2012? derttausendmal – auch aufgrund eines Ist es ein Majorlabel, wie die „Gro­ ausgeklügelten Firmenkonzepts. ßen“ Deutsche Grammophon, Sony, „Das sind natürlich Traumzahlen“, EMI usw. oder ist es einfach nur eine sagt Klaus Heymann. „Heute backen schnell sehr groß gewordene Inde­ auch wir kleinere Brötchen“ gibt er pendent-Firma? Naxos-Gründer und zu. Doch noch immer gehen die „Vier Chairman Klaus Heymann hat eine Jahreszeiten“ in der Nishizaki-Ein­ andere Antwort: Für ihn ist Naxos in spielung jährlich rund 6.000-mal über erster Linie sein Hobby! physische und virtuelle Ladentheken Überraschend ist das schon, in aller Welt. denn schließlich ist die vor einem Darauf angesprochen, welches Vierteljahrhundert in Hong Kong die erfolgreichste Produktion aus jün­ ins Leben gerufene Firma berühmt gerer Zeit sei, verweist Heymann auf für ihren ungebändigten Veröffent­ den viel gelobten Zyklus der Schosta­ lichungsfleiß. Mehr als 7.000 Titel kowitsch-Sinfonien unter der Leitung wurden seit 1987 produziert. Allmo­ von Vasily Petrenko mit dem Royal natlich kommen bis zu 25 Novitäten Liverpool Philharmonic Orchestra. hinzu. Inzwischen gibt es neben den Wo wir gerade von Orchestern regulären Veröffentlichungen auch sprechen: Gab es da nicht einmal die Serien mit historischen Aufnahmen eigens für Naxos zusammengestell­ (Naxos Historical), Regionalreihen Klaus Heymann ten Ensembles aus Osteuropa? Die (zum Beispiel „American Classics“, „Nicolaus Esterházy Sinfonietta“ und „British Piano Concertos“ oder „Spa­ die „Capella Istropolitana“? Als reine Studio-Orchester waren sie nish Classics“), klanglich hochauflösende Audio-Blu-ray-Discs einst von Heymann und Naxos aus der Taufe gehoben worden. Sie sowie Video-DVDs und Video-Blu-ray-Discs. rekrutierten sich aus Musikern der besten Orchester Ungarns und Und das ist nur der Anteil des Programms, der auf silbernen der Tschechoslowakei und boten dem Naxos-Labelchef Ende der Tonträgern physisch vermarktet wird. Denn es gibt noch mehr: Ein Downloadportal bietet alle verfügbaren Naxos-CDs an, ein 1980er-/Anfang der 1990er-Jahre die Möglichkeit, klassisches Stan­ Streamingportal eröffnet den Direktzugriff auf die gesamte Naxos- dardrepertoire in ansprechender Qualität aufzunehmen und in Rekordgeschwindigkeit auf CD zu realisieren. Daten­bank. Die gewaltige Vertriebsmaschinerie von Naxos sorgt Wo sind sie geblieben, diese Orchester aus dem Osten, die dafür, dass der Erfolg auch anderen Plattenfirmen in aller Welt via Naxos heute noch in Hunderttausenden Wohnzimmern dieser zugute­ kommt. Erde­aus der Tonkonserve erklingen? Heymanns überraschende Wie kam das alles eigentlich zustande? Klaus Heymann taucht gedanklich in die Vergangenheit und erzählt davon, wie es ihn einst Antwort: „Osteuropäische Orchester sind heute zu teuer.“ West­ europäische Orchester – einem regelmäßigen Musikergehalt sei als Redakteur für eine amerikanische Zeitschrift nach Hong Kong Dank – könnten derzeit günstiger produzieren als die Osteuropäer, verschlug und wie er dann mehr durch Zufall als durch Absicht den die jeweils pro Aufnahme bezahlt werden, ohne ein festes Grund­ Vertrieb eines großen Hifi-Geräteherstellers übernahm. Erneut eher gehalt in der Hinterhand zu haben. Und so kommt es, dass auch zufällig ergab es sich, dass Heymann an den Rechtekatalog eines großen Rock- und Pop-Labels inklusive dessen Sublabels gelangte. Formationen wie das London Symphony Orchestra, die Bamber­ ger Symphoniker, das Philharmonia Orchestra Lon­ Damit startete er seine Karriere als Vermarkter von don, das Royal Philharmonic Orchestra, das Seattle Tonträgern und Musikrechten. Symphony Orchestra und viele weitere große west­ 1982 gründete Klaus Heymann seine erste eigene liche Klangkörper heute­unter anderem auch für Plattenfirma. Es war die als „Entdeckerlabel“ ausge­ ­Naxos produzieren. Und ihre­Dirigenten und Solis­ wiesene Firma „Marco Polo“. Die Gründung war laut ten bringen sie dabei gleich mit: Leonard Slatkin, Aussage Heymanns zunächst purer Selbstzweck: Kurz ­Marin ­Alsop, Chloë Hanslip, Jun Märkl – so heißen zuvor hatte er die heute berühmte Violinvirtuosin­ die Naxos-Stars von heute! ­Takako Nishizaki geheiratet. Um seiner Frau kreati­ Wer würde da noch von „Billiglabel“ reden wol­ ven Freiraum bei ihren Einspielungen einzuräumen, len? Mit etwa 7 Euro pro CD liegt der Preis pro CD war „Marco Polo“ das ideale Betätigungsfeld – und Hinweis: heute zwar etwas höher als zu den Gründungstagen, setzte schon ab Anfang der Achtzigerjahre nur auf Exklusiv für crescendo-­ als eine Naxos-Neuerscheinung nicht mehr als 10 DM CDs statt Langspielplatten! Premium Leser liegt kosten sollte, doch das Label ist auch weiterhin deut­ Mit dem 1987 hinzugekommenen Naxos-Label ­dieser Ausgabe­ zusätz­ lich günstiger unterwegs als der Großteil der Konkur­ konnten Heymann und Nishizaki den größten Erfolg lich eine CD von Naxos renz – und das bei oft beachtlich hoher Qualität. der Unternehmensgeschichte verbuchen: Nishiza­ bei. Sie finden sie auf der kis Einspielung der „Quattro Stagioni“ von Antonio Rainer Aschemeier letzten Seite. 1 2 3 4 5 6 7 8 9

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Aaron Copland (1900-1990) „Fanfare for the Common Man“. Slovak Radio Symphony Orchestra, Stephen Gunzenhauser Hildegard von Bingen (1098-1179) „O pastor animarum“. Oxford Camerata, Jeremy Summerly Johann Sebastian Bach (1685-1750) „Violinkonzert in a­Moll, BWV 1041“ I. Allegro. Takako Nishizaki, Capella Istropolitana, Oliver Dohnányi Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) „Requiem in d­Moll, KV 626“ III. Sequenz 1. Dies irae, Allegro assai. Slovak Philharmonic Chorus, Slovak Philharmonic Orchestra, Zdeněk Košler Ludwig van Beethoven (1770-1827) „Klaviersonate Nr.14 in cis­Moll, op. 27, Nr. 2” I. Adagio sostenuto („Mondscheinsonate“). Jenő Jandó Johannes Brahms (1833-1897) „Ungarischer Tanz Nr. 1“ (Version für Orchester). Budapest Symphony Orchestra, István Bogár Sergei Rachmaninov (1873-1943) „Klavierkonzert Nr. 2 in c­Moll, op. 18“ II. Adagio sostenuto. Jenő Jandó, Budapest Symphony Orchestra, Győrgy Lehel Maurice Ravel (1875-1937) „Valses nobles et sentimentales“ I. Modéré ­ très franc. Slovak Radio Symphony Orchestra, Kenneth Jean Carl Orff (1895-1982) „O Fortuna“ aus: „Carmina Burana“. Slovak Philharmonic Chorus, Slovak Radio Symphony Orchestra, Stephen Gunzenhauser Henryk Górecki (1933-2010) „Three Olden Style Pieces“ I. — Polish National Radio Symphony Orchestra, Antoni Wit Joaquín Rodrigo (1901-1999) „Concierto de Aranjuez“ I. Allegro con spirito. Norbert Kraft, Northern Chamber Orchestra, Nicholas Ward Georg Friedrich Händel (1685-1759) „Suite Nr. 2 in D­Dur, HWV 349“ II. Alla Hornpipe. Aus: „Wassermusik”. Capella Istropolitana, Bohdan Warchal Erik Satie (1866-1925) „Gymnopédie No. 1“ Lent et douloureux. Klara Körmendi Antonio Vivaldi (1678-1741) „Violinkonzert in E­Dur, op. 8, Nr. 1, RV 269“ I. Allegro. Aus: „Die vier Jahreszeiten – Frühling”. Takako Nishizaki, Capella Istropolitana, Stephen Gunzenhauser Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) „Serenade Nr. 13 in G­Dur, KV 525“ IV. Rondo: Allegro („Eine kleine Nachtmusik“). Capella Istropolitana, Wolfgang Sobotka Gabriel Fauré (1845-1924) „Requiem, op. 48” III. Sanctus. Oxford Schola Cantorum, Oxford Camerata, Jeremy Summerly George Gershwin (1898-1937) „Klavierkonzert in F­Dur“ III. Allegro agitato. Kathryn Selby, Slovak Radio Symphony Orchestra, Richard Hayman Antonín Dvořák (1841-1904) „Sinfonie Nr. 9 in e­Moll, op. 95“ IV. Allegro con fuoco. („Aus der Neuen Welt“). Slovak Philharmonic Orchestra, Stephen Gunzenhauser

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For promotional use only. This compilation P 1987­1995 ©2012 naxos Rights International Ltd. www.naxos.com

CRESCENDO SONDEREDITION NAXOS

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Juni – Augus t 2012


Tanz John Neumeier

Sehenswerter Tod (in Venedig)

Simone Kermes & La Folia

Foto: Hamburg Ballett/HolgerBadekow

„Death in Venice“ A Dance of Death by John Neumeier (Arthaus Musik) Hochästhetisch, choreographisch bis in die kleinste Geste durchdacht und dabei großartig erzählt: John Neumei­ ers „Tod in Venedig“ (2003), ein Klassiker seiner späten Schaffensphase. Aschenbach, in Thomas Manns Novelle ein alternder Schriftsteller, ist hier ein in eine künstlerische Schaffenskrise stürzender Choreograph. Erschöpft von den Proben zu seinem Ballett über Fried­ rich den Großen, flieht Aschenbach – hochsensibel von Lloyd Riggins interpretiert – nach Venedig, wo er durch den Jüngling Tadzio, seine Gefühlswelt, sich selbst, ganz neu erfährt. In einer letzten Begegnung mit Tadzio, angelehnt an dessen jugendlichen Körper, sinkt er tot zu Boden. Manche „Aschenbach-Stationen“ sind etwas langatmig. Aber die für das „Friedrich“-Ballett kantig militärisch zugeschliffene Neoklassik zu Musiken von Bach – Zeitgenosse des Preußenkönigs – und Neumeiers so typisch mit freien Bewegungen dramatisch aufgeladene Neoklassik für das Aschenbach-Drama zu Wagner-Musiken machen diese DVD unbe­ dingt sehenswert. GRA Yuri Grigorovich

Historische Kuranlagen &

Foto: Andreas Dommenz

Goethe-Theater Bad Lauchstädt

25. August

Xerxes

Foto: Ida Zenna

GOETHES SÄCHSISCHES ARKADIEN

Berührende Giselle

Theatersommer 2012

Die Geschichte des Bauernmädchens „Giselle“ (Libretto: Théophile Gautier und J.-H. Vernoy de Saint-Georges) ist so einfach wie berührend. In der Liebe enttäuscht – ihr Albrecht ist ein Adliger und bereits standes­ gemäß verlobt –, stirbt sie an gebrochenem Herzen und wird aufgenom­ men ins Reich der Wilis, jener vor der Hochzeit verstorbenen Bräute, die mit ihren nächtlichen Tanzreigen untreue Männer zu Tode tanzen. Durch Giselles verzeihende Liebe wird Albrecht jedoch gerettet. Yuri Grigorovich, der in den 1960/70er Jahren das Bolschoi Ballett verjüngte, entwarf 1990 nach dem Original von Jean Coralli/Jules Perrot (1841) und der Petipa-Version (1887) eine bis ins choreographische Detail traum­ schöne „Giselle“. Und Vincent Bataillon hat die länd­ lichen Szenen und den weißen romantischen WilisAkt exzellent ins Bild geholt. Pavel Klinich dirigiert Adolphe Adam, trotz Zugeständnissen an die Tän­ zer, mit hörbarer Wertschätzung. Und die schwebe­ leichte, lyrisch-dramatische Svetlana Lunkina ist eine ganz große „Giselle“-Interpretin. gra

Yuri Grigorovich: „Giselle“ The Bolshoi Ballet (Bel Air Classiques) 39

7. April - 28. Oktober Goethe-Theater Bad Lauchstädt PREMIEREN 14. Juli | Weber DER FREISCHÜTZ | Oper Halle 3. Oktober | Purcell DIDO & AENEAS | Ad Parnassum London 28. Oktober | Mozart COSÌ FAN TUTTE | Hochschule für Musik FRANZ LISZT Weimar WIEDERAUFNAHMEN Mozart DON GIOVANNI | Theater Magdeburg Mozart DIE HOCHZEIT DES FIGARO | Oper Halle Händel XERXES | Lautten Compagney Berlin Eintrittskarten: Das ganze Programm: www.goethe-theater.com Anfragen: besucher@goethe-theater.com Besucherzentrum: Tel. 034635 905472 Historische Kuranlagen und Goethe-Theater Bad Lauchstädt GmbH Parkstraße 18 | 06246 Goethestadt Bad Lauchstädt


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Zum 100. Geburtstag der viel zu früh verstorbenen Sängerin Kathleen Ferrier

„Das kurze Werk von Kath“

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„Ich konnte nicht glauben, wie schwierig es war, selbst die einfachs­ ten Armbewegungen zu machen ohne dabei wie eine Windmühle auszusehen“, notiert sie einmal. So kam es, dass sie, die vor dem Orches­ ter und neben dem Flügel nur mit ihrer Stimme ganze Welten kreie­ ren konnte, nur zwei Bühnenrollen spielte. Benjamin Brittens eigens für sie komponierte Oper „The Rape of Lucretia“, mit der sie 1946 einen ihrer überwältigenden Erfolge beim Glynde­ bourne Festival feierte und Glucks „Orpheus“, den sie mehrmals sang. Eine Rolle, die sie als ideal für ihre Stimme ansah. Bruno Walter, den sie 1947 ken­ Kathleen Ferrier nen lernte und der zu ihrem Men­ tor wurde, wird nach ihrem Tod ­schreiben, dass das größte musikalische Ereignis in seinem Leben die Bekanntschaft mit Kathleen Ferrier und Gustav Mahler gewesen sei – in dieser Reihenfolge. Mit Bruno Walter entstehen in den letzten Jahren exemplarische Aufnahmen: „Vielleicht ist die Alt-Rhapsodie von Brahms die beste Aufnahme, die ich gemacht habe. Sie entstand in einem großen Saal, und meine Stimme floss ganz natürlich dahin“, sagt sie 1951 in einem Interview für die Zeitschrift Gramophone. Viel gäbe es zu erzählen aus diesem allzu kurzen Künstlerleben. Von der rasanten Weltkarriere, von ihrer Popularität, von ihren Best­ seller-Schallplatten. Aber auch von der Lied-Interpretin gäbe es zu berichten, der Oratorien- und Bach-Sängerin, die mit ihrem Alt den Werken eine tiefe Innigkeit verleihen konnte, die uns selbst heute, wo wir eine historisch informierte Aufführungspraxis dieses Repertoires gewohnt sind, ergreifen und stilistische Fragen in den Hintergrund drängen. Im Mai 1952 entsteht im Wiener Musikverein mit Bruno Walter und dem Tenor Julius Patzak eine Aufnahme die bis heute den Maßstab vorgibt: Gustav Mahlers „Lied von der Erde“ mit seinem bitter­süßen, melancholischen Abschiedsgesang an die Welt. Nach dem letzten ‚take‘ soll Bruno Walter vor Ergriffenheit nicht reden haben können. Und wer die Aufnahme heute auflegt und sich einlässt auf diesen Zauber der Atmosphäre, der Orchesterfarben und der Authen­ tizität der Gefühle, dem wird es ähnlich ergehen. Das ist Kunst und Musik für die Ewigkeit. Vier Tage später nimmt „Kath“ noch drei von Mahlers Rückert-Liedern auf, darunter das überirdisch schön gesun­ gene „Ich bin der Welt abhanden gekommen“. Vielleicht das Ergreifendste, das jemals aufgenommen wurde. Der Text endet: „Ich leb‘ allein in meinem Himmel, In meinem Lieben, in mei­ nem Lied!“. Dem ist nichts hinzuzufügen. Am 22. April 2012 wäre die britische Altistin Kathleen Ferrier 100 Jahre alt geworden. Uwe Schneider Foto: EMI Classics

ie todbringende Diagnose gab ihr der Doktor im März 1951. Der Tumor ließ ihr noch zwei­ einhalb Jahre, bis sie am 8. Oktober 1953 in Londoner University Col­ lege Hospital ihrer Krebserkrankung erlag. Kathleen Ferrier war erst 41 Jahre alt. Kaum mehr als zehn Jahre hatte sie davon die Musikwelt mit ihrem herzinnig beseelten und so intensiv ergreifenden Gesang, der stets von der Weite des Seins und den Abgründen des Lebens überschattet schien, bereichern dürfen. Was wie die Vorlage für eines der in dieser Zeit so beliebten FilmMelodramen klingt, ist die reale Geschichte jenes jungen Mädchens, das in der industriell geprägten eng­ lischen Provinz von Lancashire und Blackburn aufwuchs, mit 14 die Schule verließ, als Telefonistin arbei­ tete und davon träumte, eine Karriere als Pianistin zu machen. Sie singt in Choral Societies, gibt kleine Konzerte und gewinnt – zu ihrer eigenen Überraschung – mit 25 Jahren als Pianistin und Sängerin erste Preise beim Carlisle Festival. Der Krieg hatte begonnen, und das Council for the Encouragement of the Arts schickt sie als Sängerin in Kantinen und an Arbeitsplätze, um die Moral zu heben. Ein erfolgrei­ ches Vorsingen in der Londoner Wigmore Hall bestärkte sie schließ­ lich in ihrem Entschluss, das Singen zur Profession zu machen: Am Weihnachtstag des Jahre 1942 zieht sie ins kriegsbedrohte London um. Da ist sie 30 Jahre alt. Ihre ersten Aufnahmen sind Testaufnahmen für die EMI vom Juni 1944, die der legendäre Produzent Walter Legge mit ihr in den Abbey Road Studios Bruno Walter veranlasste, am Klavier kein geringerer schrieb, dass das größte als Gerald Moore, einer der prägen­ den Liedbegleiter der Nachkriegszeit. ­musikalische Ereignis in Hört man diese Aufnahmen heute, seinem Leben die Bekanntschaft je eine Arie von Gluck und Elgar sowie zwei Lieder von Brahms, so mit Kathleen Ferrier und ist man fasziniert von der großarti­ Gustav Mahler gewesen sei – gen Präsenz und Ausdruckskraft der Stimme, die ihr einen Einjahresvertrag in dieser Reihenfolge. mit der EMI einbrachte. Drei Aufnahme­ perioden resultierten daraus. Gerade sind diese Aufnahmen bestens restauriert zusammen mit anderen in einer Dreierbox bei der EMI wieder erschie­ nen. Und die Decca, das Konkurrenzlabel zu dem sie 1946 wechselte, weil sie mit dem despotischen Walter­ Legge nicht zurecht kam, wie man sagte, hat auf 14 CDs das Wunder der künstlerischen Hinterlassenschaft Kathleen Ferriers herausgebracht. Der Ausdruckstiefe von „Kath“, wie sie von ihren Freunden­ genannt wurde, stand kein ebenbürtiges Bühnentalent zur Seite:

Kathleen Ferrier: „The Complete EMI Recordings“ (EMI Classics) Kathleen Ferrier: „Centenary Edition“ (Decca) Diane Perelszteijn: „Kathleen Ferrier“ (DVD, Decca) www.crescendo.de

Juni – Augus t 2012


Orchester Benjamin Britten

Gustavo Dudamel

Achtungszeichen

Bartholdy knisternd

2011 dirigierte Jaap van Zweden sein letztes Konzert als Chefdirigent der Niederländischen Radiophilharmonie. Während seiner Amtszeit konnten Radiohörer zahlreiche außergewöhnliche Programme erleben; der Live-Mitschnitt von Benjamin Brittens „War Requiem“ wurde vor kurzem als eins von fünf Highlights dieser Jahre gewählt und ist im digi­ talen „Concerthuis“ der Niederländer im Internet komplett nachzuer­ leben. Wer das komplexe anderthalbstündige Werk lieber in Ruhe und auch auf einsamen Inseln ohne Übertragungsfehler hören möchte, greife zu der parallel veröffentlichten Doppel-CD: das ausführliche, in Eng­ lisch gehaltene Beiheft zeichnet die Entstehungsgeschichte des Requiems anschaulich nach. Ein Achtungszeichen der beiden traditionellen Klang­ körper des Niederländischen Rundfunks, die unter Markus Stenz und Gijs Leenaars ab der Spielzeit 2012/13 einer finanziell ungewissen Zukunft entgegengehen. MM

Wenn Sie einen offenen Kamin haben, fällt es Ihnen vielleicht gar nicht auf – das altbekannte Knistern, das wahre Vinyl-Flair, dem nun auch die Deutsche Grammophon wieder huldigt, um High-End-Kunden zu befriedigen. Gustavo Dudamel leitet die Wiener Philharmoniker in Mendelssohns Schottischer Symphonie, und alle haben auf ihre Hono­ rare verzichtet, bis hin zu den Booklet-Erstellern von Texthouse: Der komplette Erlös fließt „El Sistema“ zu, um den venezolanischen Kin­ dern Musikinstrumente zu kaufen. Es ist eine sehr kultivierte, schwung­ volle und innig kantable Aufführung, und zumal ziemlich gelungen in der Quadratur des Kreises im Finale, wo es vor allem darum geht, im Über­ gang zur Coda die Spannung zu halten und den Satz als Ganzes soweit möglich als energetischen Zusammenhang wirken zu lassen. Das Klang­ bild ist klar, rund und durchsichtig, und die Nicht-Nostalgiker werden wohl auf baldige CD-Veröffentlichung hoffen. CS

Benjamin Britten: „War Requiem“, Netherlands Radio Philharmonic Orchestra, Netherlands Radio Choir & Netherlands Children´s Choir, Jaap van Zweden, Reinbert de Leeuw (Challenge Classics)

Felix Mendelssohn Bartholdy: „Sinfonie Nr. 3“ ­ Wiener Philharmoniker, Gustavo Dudamel (LP, Deutsche Grammophon)

Aram Khachaturian

Sir Simon Rattle

Schatzkiste voller Tonjuwelen

Bruckner verzweifelt

Aram Khachaturian, Armeniens berühmtester Komponist und einer der Großen des 20. Jahrhunderts, wird von der intellektuellen Kritik gerne abschätzig behandelt, weil man seine Musik für effekthascherisch, folkloristisch und naiv hält. All das stimmt, und doch ist es viel mehr – er hat einige der schönsten langsamen Sätze der klassischen Moderne geschrieben, darunter das durch BBCs „Onedin Line“ in alle Ohren gedrungene Adagio von „Spartacus und Phrygia“, das gewissermaßen auch den musikalischen Höhepunkt des hier sehr solide und klang­ schön vorgetragenen „Spartacus“-Balletts bildet. Nach „Gayaneh“, der unverblümten Huldigung an die armenische Folklore, ist „Spartacus“ zwar nicht weniger populär im Ton, aber doch die ernstere Musik, die in der glanzvollen Einfachheit große Würde ausstrahlt und für Khacha­ turian so etwas wie eine reife Synthese seines Schaffens bedeutete. Eine Schatzkiste voll bun­ ter Juwelen. CS

„Nach all diesen Jahren ...“, beginnt Rattle glücklich seufzend seine Werk­ einführung in der „Digital Concert Hall“, und meint die 2011 vervollstän­ digte Fassung Bruckners „Neunter“, die die Berliner Anfang dieses Jahres mit fulminanter Resonanz zum ersten Mal in Berlin und New York auf­ geführt haben. „Wenn Bruckner noch zwei Monate länger gelebt hätte, hätten wir den kompletten Finalsatz mit Orchestrierung“ – so fehlten bestimmte Bausteine, Stimmen, Abschnitte, die ein Team von vier Musi­ kern während der letzten fünfundzwanzig Jahre wie ein Puzzle zusam­ mengesetzt und ergänzt hat. „Dissonant und verzweifelt“ – so Rattle – muss diese Sinfonie den Zeitgenossen Bruckners erschienen sein. Seine Lesart beschönigt nichts, sie sucht den „Vintage Bruckner“-Klang – der unvorbereitete Hörer nach anderthalb Stunden in einen bewusstseinser­ weiternden Klangstrudel saugt. Nur für Fortge­ schrittene! MM

Aram Khachaturian: „Spartacus“ ­ Deutsches Symphonie-Orchester, Michail Jurowski (Capriccio)

Anton Bruckner: „9. Sinfonie. Four Movement Version“ Berliner Philharmoniker, Simon Rattle (EMI Classics)

FERNWEH HÖREN BENYAMIN NUSS EXOTICA WAS MACHEN KOMPONISTEN, WENN SIE FERNWEH HABEN? SIE SCHREIBEN STÜCKE, DIE DANN „PAGODES“, „ZEN“ ODER „BOTAFOGO“ HEISSEN. WWW. BENYAM IN-NUS S. DE

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Buch

Mit Lilienduft und Liebe

8.572708 „Petrenkos Einspielung von Schostakowitschs 10. Sinfonie ist fast beängstigend souverän geraten.“ (Neue Westfälische Nachrichten über 8.572461)

8.572783 Der glorreiche Augenblick – auch für Beethoven selbst eine der größten öffentlichen Erfolge zu Lebzeiten. Hier ahnt man schon den Schlusschor der 9. Sinfonie.

8.551292 Weltersteinspielungen. Virtuose Konzerte des Rokoko-Komponisten, von Bruno Meier entdeckt und eingerichtet.

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CD DES MONATS JUNI:

8.573029 „Die Dirigentin, die den Unterschied macht“ (Daily Telegraph). Marin Alsop startet mit Prokofieffs weltbekannter fünften Sinfonie in Richtung Gesamtaufnahme.

Kim Märkl

Die Hörbücher, die im Studio der Produzentin und Komponistin Kim Märkl entstehen, sind nicht geeignet, um quengelnde Bälger auf endlosen Autofahrten durch die südliche Hitze ruhigzustellen. Man muss sich auf ihre Geschichten, in denen kaum etwas „passiert“, in Ruhe einlassen.­Dann entfalten sich stille Märchenlandschaften, duften nach Lilien und Nachtkerzen. Da erzählt ein Großvater seinem Enkel von einem Schlaflied, das er einst für spanische Kampf­ stiere schrieb. Oder eine Königin, die, von der Zofe alarmiert, der kleinen Prinzessin Sophia einen Besuch in ihrer Kemenate abstattet: „Mein Kind, gerade sind wir aus Frankreich zurück­ gekehrt und haben die traurige Kunde von deiner Krankheit vernommen ... Schlaf jetzt, mein Liebes – vielleicht haben wir morgen früh das Vergnügen deiner Gesellschaft!“ Märkl schreibt in einer ausschweifenden Sprache, die zwischen Margaret Mitchell und Adalbert­Stifter changiert und der Musik viel Raum lässt. Dass das kleine Familienunternehmen die Stories generell mit viel Liebe geplant hat, spürt man sofort. Wenn – wie in der Geschichte „Die Tochter des Königs“ – technische Einbußen wie ein unerwünschter Raumhall dazukom­ men, Hintergrundmusik und Applausgeräusche klingen wie vom Spielzeug-Synthesizer, ist das ärgerlich, zumal erstklassige Instrumentalsolisten und Sprecher verpflichtet werden konnten. Unkritischere Testhörer – wie etwa Kim Märkls neunjährige Tochter und ihre Freundinnen –­ lassen sich von solchen Aspekten sicherlich wenig beeindrucken, bleiben hoffentlich dran – und lernen die Märchen lieben. Sie kommen niemals vordergründig belehrend daher, das Hintergrundwissen um F-Loch, Schnecke, Pungi und Tabla wird subtil eingestreut. Wer versuchen will die Komposi­tionen nachzuspielen, findet im Bei­ heft den Download-Code für ­ die Noten. MM

Kim Märkl: „Musikalische Märchen“ (Monarda)

Wagner, Cello-Ärger, Opernführer

Neue Schriftstücke Von Klaus Wallendorf, Mitglied der Berliner Philharmoniker und durch seinen „Rap-Auf­ tritt“ in der U-Bahn von Tokio schon mal Gast der Harald Schmidt-Show, stammt das neue Buch „Immer Ärger mit dem Cello“ – Liebes­ erklärung eines irrenden Waldhornisten an die streichenden Kollegen“. Gleich vorweg: ein unterhaltsames Buch, schön geschrieben und mit witzigen Anekdoten. Beispiel: „In der Nähe von Jena-Paradies fiel uns ein: Pablo Casals soll in seiner Jugend auf einem versiegelten Guar­ neri di Sansalvatore die Wildwasserstrecke von Santiago de las Finestras bis Agua de Tormenta ohne Helm und Weste in nur vier Stunden 10 bewältigt haben.“ Wer mehr davon lesen möchte, muss sich das Buch kaufen.

Klaus Wallendorf: „Immer Ärger mit dem Cello“ (Galiani Berlin) Von Josef Lehmkuhl, eigent­ lich Chemiker, aber seit Jah­ ren Wagnerianer aus Überzeu­ gung, stammt das Werk „Wag­ ner Stolpersteine – Richard Wagner für Unkundige“. Das Buch behandelt nicht nur eine verständliche Kurzbeschrei­ bung seiner Opern, sondern vor allem eine Sammlung von Wagner-Zitaten, die der Autor in unterhaltsamer, einfacher

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Sprache allgemeinverständlich „übersetzt“ und illustriert. So wird die letzte Tagebucheintra­ gung (Cosima-Tagebücher, 2. Teil) „falsch und feig ist, was dort oben sich freut“ zum Beispiel mit einem Bild der Deutschen Bank in Verbin­ dung gebracht.

Josef Lehmkuhl, „Wagner Stolpersteine“ (Königshausen & Neumann) Und last, but not least publiziert Bärenrei­ ter einen neuen, vierteiligen „Opernfüh­ rer Kompakt“ für Verdis „Aida“, Puccinis „La Bohème“, Mozarts „Don Giovanni“ und Bee­ thovens „Fidelio“. Die Vorgabe für die Auto­ ren: Die bekannten Stücke in leicht verständ­ licher Weise zu erklären – also nicht für den ÜberKlassik-Experten geeignet. Sehr schön finden wir die CD-, DVD- und Buchtipps zu den jeweiligen Werken. Highlights der vergangenen Jahre werden so greifbar und man kann sich die besten Auf­ führungen auch schnell ins eigene Wohnzimmer chauf­ fieren lassen.

Maschka, Prokop, Roth, Giese: „Opernführer Kompakt“ (Bärenreiter Henschel)


h ö re n & sehe n

Komponistenporträt

Englands vergessenes Genie: John Foulds

Oft ist es ein Rätsel, warum die einen Geschichte schreiben und die anderen unbekannt bleiben. Im Fall von John Foulds (1880–1939) ist es schlicht unbegreiflich. Wer einmal aufmerksam Foulds’ „Three Mantras from Avatara“ oder das Klavier­ konzert „Dynamic Triptych“ gehört hat, die beide bei Warner in vortrefflichen Aufnah­ men des City of Birmingham Symphony Orchestra erschienen sind, dem kann kaum entgehen, dass die Engländer in ihm das Genie besaßen, das in seinen besten Wer­ ken in einer Reihe mit Bartók, Berg, Stra­ winsky, Enescu oder Szymanowski steht. Wer hätte eine explosiver moderne, polyrhythmisch loderndere und zugleich kernigere, schwerelo­ sere und unprätentiös innigere Musik in jenen stürmischen Zei­ ten des Umbruchs geschrie­ ben als er? Nun, im Falle seines Cellokonzerts hat es jetzt etwas mehr als ein Jahr­ hundert gedauert, bis die Weltöffentlichkeit es in der gediegenen Erstaufnahme mit Raphael Wallfisch hören kann. Es ist ein Frühwerk, und dabei vermittelt es bereits einige

Neue Welten

unverkennbare Züge von Foulds’ Stil: den melodisch noblen, über­ persönlich strahlenden, ins Trans­ zendente weisenden Ausdruck, die gelegentlichen eigentüm­ lich „uneuropäisch“ anmutenden harmonischen Wendungen, die musikantische Natürlichkeit, die immer den Eindruck erweckt, es sei geradezu alles möglich, die jedoch – hierin Schubert ver­ wandt wie vielleicht kein anderer –­ immer in Kontakt bleibt mit der verletzlichen Seele, dem inneren Spektrum des Erlebens. Aber die Tiefe dieser Musik dringt immer mit Gelassenheit in die Welt, in dem Selbstverständnis, mit ihrer Existenz im Reinen zu sein, sie klagt niemals! Zugleich ist dieses Cellokonzert offenbar immer wie­ der befruchtet von dem vielleicht reichsten Meisterwerk der Gat­ tung, dem damals noch recht frischen Cel­ lokonzert von Antonín Dvořák. Foulds, der bald darauf als erster europäischer Komponist die indischen Modi erkundete, eine neue universelle Musiklehre zu begründen suchte und 1935 schließlich nach Indien ging, wo er das Indo-European Orchestra gründete und 1939 in Kalkutta an der Cholera starb: Er hat hier ein Konzert für „sein“ Instrument geschrieben, das eigentlich längst zum Kernrepertoire der Cellisten in aller Welt zählen sollte, das vor allem in seinen stil­ leren Momenten unerhörte Qualitäten offe­ riert. Sein Klavier­solostück „April-England“ scheint im entfesselt jubilieren­ den Mittelteil 1926 Keith Jar­ rett vorwegzunehmen. Und wie eine gelungene Fusion von Ost und West klingen konnte, offen­ bart seine vor der Ankunft in Indien vollendete „Indian Suite“. Christoph Schlüren „Cellokonzerte von John Foulds und Lionel Sainsbury“ (Dutton Lab) John Foulds: „Keltic Suite, Isles of Greece, ua.“ / „Music-Pictures, Henry VIII Suite u.a.“ (Dutton Lab)

Arvo Pärt

Legendärer Hillier Aufgepasst, diese von harmonia mundi USA mustergültig produzierte Super-Audio-CD ist nicht nur DIE zukünftige Referenz-CD schlechthin zum Schwelgen im sündhaften Klangbad endteurer Lautsprecher. Sie prä­ sentiert eine von Paul Hillier dramaturgisch klug kuratierte Sammlung kammermusika­ lischer Werke des estnischen Komponisten Arvo Pärt aus der Mitte der Achtziger bis Ende der Zehner Jahre; ein Chorwerk, „Sol­ feggio“, wurde gar 1963 komponiert, ist hier aber in der Streichquartettfassung von 2008 enthalten. Versammelt haben sich 2010 für die Auf­ nahmesitzungen in der Kopenhagener Gar­ nisonskirche die Gesangsensemble „Thea­ tre of Voices“ und „Ars Nova Copenhagen“, mein Lieblingsorganist Christopher BowersBroadbent, dazu eine Streichquartettbeset­ zung aus dem legendären estnischen, 1993 von Olari Elts gegründeten NYYD Ensem­ ble. Gemeinsam feiern die Musiker eine innige Pärt-Messe. Eine Sternstunde. MM

Arvo Pärt: „Creator Spiritus“ Theatre of Voices, Ars Nova Copenhagen, Paul Hillier (harmonia mundi)

Philip Glass

Glass bleibt Glass Die ersten Noten genügen: vier, fünf gleich­ mütige Achtel im Terzabstand, und jeder weiß sofort: Philip Glass! Der Komponist hat einen einzigartigen Personalstil entwickelt, minimalistisch, tonal, mit viel Aufmerksam­ keit für rhythmische Schlagzeugfiguren und einem Händchen für fahle bis rauschhafte Klangfarben in den hohen Holzbläsern. Ein paar Effekte aus der Filmmusik dazu, silb­ rige Streicherflächen, Bässe und Pauken, Glocken und Triangel – fertig ist die nächste Glass-Sinfonie. Diese hier ist die Neunte – was anderen Komponisten als unüberwind­ liche Hürde erschien, schrieb Glass nüchtern als Auftragswerk für den Dirigenten Dennis Russell Davies und sein Bruckner Orchester Linz. Hält man seine Musik zum epochalen Film „Koyaanisqatsi“ dagegen, der vor drei­ ßig Jahren in die Kinos kam, wüssten auch Glass-Fans kaum einen stilistischen Unter­ schied zu benennen. Glass bleibt Glass. Und Nummer zehn ist schon in Arbeit. MM

Philip Glass: „Symphony No. 9“ Bruckner Orches­ ter Linz, Dennis Russell Davies (Orange Mountain Music)

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A k u s t i k

Der bewegte Klang

Foto: Nick Dimbleby / Bugatti

Auf die inneren Werte kommt es an: Henry C. Brinker über die neuen Soundanlagen, mit denen Autos zu Konzertsälen mutieren.

Das derzeit edelste Klangerlebnis für Ohr und Auge fährt im Prototyp Bugatti Galibier – aus dem Hause VW.

Der blubbernde Sound seines Porsche 911 mit dem klassischen, luftgekühlten Boxermotor im Heck bedeutete bekanntermaßen Musik in den Ohren von Herbert von Karajan. Keine Sehnsucht nach nostalgischem Abarth- oder Alfa-Auspuffröhren dagegen bei Riccardo Chailly. Wenn sich der italienische Maestro in seinem Sachsen-­Porsche Panamera mit einem flüsternden 400-PSAchtzylinder durch Leipzig chauffieren lässt, muss das aufwändige Soundsystem schweigen. Eigentlich schade. Denn ihm entgeht die derzeitige State of the Art-Empfehlung beim Sound-Entertainment in einem Sportwagen. 16 separate Verstärker-Kanäle mit mehr als 1000 Watt Gesamtleistung, eine rekordverdächtige Gesamtmem­ branfläche von 2.400 cm² verteilt auf 16 speziell für den Panamera entwickelte­Lautsprecher inklusive Aktivsubwoofer mit 300 Watt Verstärker sind für den unverwechselbar satten und klaren Burmester-Sound gerade gut genug. Der Preis liegt bei 4800 Euro, ein im Car-Sound vergleichsweise hoher Preis, aber durchaus moderat für Burmester, denn große Heim-Anlagen der Klangschmiede kosten bekanntermaßen leicht über 100.000 Euro. Aber ‚fa silenzio‘ – schweigt, Ihr Burmester-Lautsprecher! Startenor und Dirigent Plácido Domingo bewegt derzeit einen BMW 7er Active Hybrid. Und sitzt wie Chailly auch gern hinten. Über zwei neigungsverstellbare, 9,2 Zoll große Bildschirme und das DVD-Laufwerk lässt er sich und seine Begleitung während der Fahrt kommod unterhalten. Die Bildschirme bieten TVund Radio­empfang. Zwei DAB/DAB+ und ein DVB Empfänger 44

gewährleisten­dabei eine konstante Empfangsqualität. Auf der Festplatte des Soundsystems von Harman Kardon ist Platz für 100 CDs, mehr als die Opern, die der Startenor in seinem Leben eingesungen hat. Audiovisuell markiert die BMW-Harman-Liaison im Fond des 7er die Komfort-Spitze der Oberklasse. Zu den 3850 Euro für das professionelle System mit Bluetooth gesellen sich weitere 3000 Euro für das große Logenkino hinten. Unsere Empfehlung: Mit der optionalen Massagefunktion der Fond-Einzelsitze für 620 Euro wird jeder halsbrecherische Action-Film trotzdem zur Wirbelsäulenkur. Beim New Yorker Kunstfestival Frieze Art Fair werden solche BMWs bald sogar zur Sound-Bühne. Speziell aufgenommene Kurzgeschichten und Wiegenlieder sollen die Passagiere verzaubern. Dass sich lange vor den Künstlern Ingenieure und Wissenschaftler des Themas „Sound und Mobilität“ angenommen haben, ist fast eine­Selbstverständlichkeit. Die Verbrennungsmotoren sind von Natur aus die lauten Kinder von der Krachmacherstraße. Der Versuch, ihnen Manieren beizubringen, zieht sich durch die gesamte Geschichte des Automobils. Zuletzt dominierten neben dem Einsatz­aufwändiger und gewichtsrelevanter Dämmkonzepte die Versuche, variable Soundmuster zu entwickeln, die auf Knopfdruck Emotionen nach innen und außen erzeugen. In einem Allrad-Audi gibt es Sportlichkeit aus dem Soundlabor, aktiviert von Resonanzkörpern am Fahrzeugboden. Wer dagegen als Beifahrer das Auto um sich herum vollends vergessen möchte, ist mit einem soundaktiven Kopfhörer www.crescendo.de

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k o l u m n e

Hier schreibt pascal morché

Die lange Macht des Pult-giganten Unser Kolumnist liebt das Gesamtkunstwerk in der Musik, mit den heutigen Dirigenten aber hat er so seine Probleme.

Eigentlich kann man es bleiben lassen, über den Beruf des Dirigenten zu schreiben oder zu lesen. Eigentlich braucht man nur eines zu machen: nämlich auf YouTube „Kleiber, Rehearsal, Fledermaus oder Freischütz“ einzugeben*. Dort zeigen kurze SchwarzWeiss-Filme von 1970 den Dirigenten Carlos Kleiber bei der Probenarbeit mit dem Südfunk-Sinfonieorchester Stuttgart. Diese Mitschnitte haben Seltenheitswert, denn Kleiber hatte (ähnlich wie Sergiu Celibidache) völliges Desinteresse an Medien und so gehören diese Proben zweifellos zum Schönsten und Erhellendsten, was es zum Thema Dirigent, zu seiner Arbeit und seiner Wirkung zu erfahren gibt. Bei keiner anderen Berufsgruppe innerhalb der klassischen Musik spielt die Aura, das Charisma, ja spielt ein gewisser Mystizismus eine derart tragende Rolle wie bei jenem Mann (inzwischen gibt es auch Frauen wie Simone Young) auf dem Podium. Jener Eine ist es, der einzig kraft

Körpersprache und Blickkontakt Musik zum Klingen bringt. Wobei es das Sonderbare am Dirigieren ist, dass der Dirigent auch der Einzige im Orchester ist, der kein Geräusch macht (!). Der Mann „dort oben“ hält, um es despektierlich zu sagen „den Laden zusammen“, und der besteht nun mal mitunter aus gut 80 Musikern. Natürlich ist das ein Job für AlphaWölfe: Ein Dirigent „bestimmt“ schließlich Tempo, Dynamik, Lautstärke, Klangbalance; er gibt Einsätze, fordert Akzentuierungen und macht also alles, „was“ Noten erst zu Musik werden lässt. Dazu gibt es noch ein Wort, das man eher im Sadomaso-Bereich verorten sollte, das von der „Schlagtechnik“. Und so sind wir denn auch schon im dunklen Reich von Macht und Ohnmacht – das immer zu besonders heiklen Interpretationen und Spekulationen Anlass gibt – Blödsinn inklusive. Der kann mitunter sogar aus der Feder eines Nobelpreisträgers fließen: „Es

Es gibt keinen anschaulicheren Ausdruck für Macht als die Tätigkeit des Dirigenten.

46 *auf www.crescendo.de zu sehen

gibt keinen anschaulicheren Ausdruck für Macht als die Tätigkeit des Dirigenten.“ Das schreibt Elias Canetti in „Masse und Macht“; und wenn man Dirigenten mit diesem Zitat konfrontiert (und sie kennen es alle) so wenden und winden sie sich mit Schaudern: Nein, mit Macht habe der Beruf doch nichts zu tun! Das war vielleicht früher mal so. Zum Beispiel, als der von Richard Wagner protegierte Hans Richter Konzerte in Birmingham übernehmen sollte, und es zu einer lokalpatriotischen Kampagne kam, warum man denn diesen Posten keinem Einheimischen übertrüge. Sarkastisch mischte sich damals der Dichter George Bernhard Shaw ein und plädierte für Richter: „Orchester braucht man nur anzuschnauzen, und ein Deutscher ist folglich dabei im Vorteil, da das Repertoire an Flüchen im Englischen sehr begrenzt ist.“ Über Dirigenten und Orchesterarbeit wurde von Autoren eben doch besonders viel Dummes verzapft. Noch ein letztes Beispiel dafür: In Frankfurt dozierte der Philosoph Adorno über den Typ des vom Publikum vergötterten Stabführers, man könne ihm auch zutrauen, „dass er wie der Diktator nach www.crescendo.de

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Belieben Schaum vor dem Mund produ- eines „Parsifal“-Dirigats gestochen hatte – gentengeneration, die derzeit allmählich ziert. Erstaunlich, dass die Nationalsozialis- später dann hat das höllisch schwer zu diri- abtritt, aber im internationalen Klassikzirten nicht die Dirigenten, wie die Hellseher, gierende Sextett in einer „Figaro“-Vorstel- kus immer noch den Typus des „Stardirigenten“ erfüllt (Levine, Abbado, Barenboim, lung in Washington Solti beinahe sogar ein als Konkurrenten ihres eigenen Charismas Mehta, Muti, Ozawa, Masur) und die doch (Berufungsanspruchs) verfolgten.“ Soviel Auge gekostet: Er stach knapp daneben. Soviel zum Stab – es gibt auch Diri- zweifellos reflektierend unter dem Einfluß zum Blödsinn der G.B. Shaw, Elias Canetti und Theodor W. Adorno zum Thema Diri- genten wie Pierre Boulez, die auf ihn ver- der 1968er-Jahre ihr autoritäres Handwerk zichten – doch zurück zu seinen Trägern, betrieben. Heute sind sie alte Herren – und gent oder „Orchestererzieher“ einfiel. Denn wie wir alle von der Kindererziehung wis- zu den „Maestri“; zu den „Pultgiganten“, oftmals wird gerade dem „alten“ Maestro in der Gebrechlichkeit seines Körpers sen: Wahre Autorität kann auf Anschnau- wie Dirigenten in kitschig theatralischer (Karl Böhm, Otto Klemperer, Karl Schuzen ebenso wie auf Ohrfeigen und Prü- Ein- und Überschätzung auch schon mal genannt werden; gleichwohl der Pult- richt, Kurt Masur) besondere Verehrung gelstrafe verzichten. Aber kann die Musik zuteil: „Es ist zu vermuten, dass auch auch auf den Dirigenten mit seinem die offensichtliche Hinfälligkeit und magischen, schamanischen Intrument, Anzeige die Gefahr des physischen Scheiterns diesem Stäbchen aus Fiberglas, Holz als spezifische Elemente einer dirigenoder Elfenbein verzichten? tischen Ausstrahlung wahrgenommen Nicht wirklich, seit der Orcheswerden“, schreibt Hans-Klaus Junghterapparat im 19. Jahrhundert groß einrich in seinem lesenswerten Buch und größer wurde. In der Barockzeit „Der Musikdarsteller“. Erstmals traten leitete der Dirigent als Instrumentalist übrigens in der Abbado-Levine-Genevom Cembalo aus ohne Taktstock die ration Spezialisten unter den DirigenAufführung und ging dabei mit seinem ten hervor, wie Harnoncourt zum Beieigenen Spiel im Ensemble auf. Spielte spiel (Alte Musik); Michael Gielen oder er nicht selbst ein Instrument, so gab Pierre Boulez (für die Moderne). es den „batteur de mesure“, den „TaktUnd heute? Es gibt zwei Dirischläger“, der mit einem langen Stegenten, denen derzeit das zweifelhafte cken den Rhythmus stampfte. ÜbriEtikett „Star“ ganz und gar sicher ist: gens gibt’s damals den ersten Toten Simon Rattle und Christian Thielemann. bei der Ausübung des Dirigierberufs: Letzterer überstrahlt, vielleicht gerade Jean-Baptiste Lully hieß der Mann, wegen seiner kapellmeisterlichen Aura war Komponist und Kapellmeister am des 19.Jahrhunderts, den anderen zu Hofe Ludwigs XIV. Am 8. Januar 1687 Recht. Vor allem aber gibt es heute eine stampfte er wie üblich zu einer seiner DanieL BarenBoim Menge unglaublich guter Dirigenten wie Motetten den Takt mit seinem langen, Constantin Trinks, Dan Ettinger, Asher reich verzierten, schweren Stab auf West-eastern Fish, Teodor Currentzis, Andris Nelden Boden und rammte sich den Stock Divan orchestra sons, Kirill Petrenko und viele andere, dabei in den Fuß. Die Wunde entzündie als die großen Dirigenten von mordete sich, Lully weigerte sich den Zeh Sinfonien 1 – 9 · 5 CD-Box gen gehandelt werden. Viele von ihnen amputieren zu lassen und starb infolge Best Of · 2 CD-Set haben den klassischen Ausbildungsan Blutvergiftung. Ab 15. Juni erhältlich! weg als Korrepetitor hinter sich, haben Bis heute lebt der Dirigent durchwww.beethoven-fuer-alle.de als Assistenten bedeutender Dirigenten aus gefährlich, benutzt er einen Taktenorme Praxis- und Repertoire-Erfahstock, dieses stille „Instrument“, das rung erworben und beherrschen grankultisch in der Nähe von Äskulapdios ihr Handwerk. Und zum Handwerk stab, imperialem Zepter und Lanze des Live am 29. Juli 2012 – Waldbühne Berlin passt das Wort „Kapellmeister“. Toreros anzusiedeln ist und das 1817 Da die Zeiten bekanntlich schnell bei Carl Maria von Weber in Dresund schnelllebig sind, feilen die Platten­ den erstmals zum Einsatz kam. Die Barenboim_58x126_Cresc_05.indd 14.05.12 Gigant inzwischen1 so passé ist wie die 11:46firmen heute tüchtig am Charisma von so Verletzungsquote der Pultstars ist enorm: Operndiva. Die Zeiten ändern sich, Gesell- manchem Dirigenten. So gibt es gerade Bernard Haitink stach sich mehrmals in schaftsformen auch, Berufsbilder inklusive. in dieser Berufsgruppe auch Beispiele für die Hand; Colin Davis rammte sich den Taktstock in den Daumen; Hartmut Haen- Und mitunter ist das sogar gut so! Dirigen- reine Medienkarrieren. Aber wie sagte ten wie Arturo Toscanini, Wilhelm Furt- schon der große Arturo Toscanini: „Jeder chen spießte sich in der Krönungsszene Esel kann den Takt schlagen, aber Musik wängler oder Hans Knappertsbusch – stark von „Boris Godunow“ die linke Hand auf; aus dem Autoritätsdenken des 19. Jahrhun- machen – das ist schwierig.“ Stimmt! In Eliahu Inbal stach sich ins Auge. Auch einem der eingangs gepriesenen Probenderts geprägte, patriarchalisch orientierte Michael Gielen bekennt: „Ich habe mir ein Persönlichkeiten – das waren noch Pult- mitschnitte von Carlos Kleiber auf Youpaar Mal den Taktstock in die linke Hand giganten. Die folgende Generation (Kara- Tube (es gibt sie auch auf der wundervolhineingebohrt ... so etwas passiert nicht in len DVD „Traces to Nowhere“) bittet Kleijan, Celibidache, Böhm, Solti, Bernstein) der „Zauberflöte“, sondern dann, wenn es ber, dieser wahrscheinlich größte Dirigent schwer ist.“ Als gelernter Arzt operierte ­ hatte das Erlebnis des Zweiten Weltkriegs des 20. Jahrhunderts, das Orchester: „Nicht hinter sich und war bereits wesentlich der Dirigent Jeffrey Tate einmal seinem Noten. Fleisch!“. Und genau darum geht’s demokratischer und milder am Pult und Kollegen Sir Georg Solti ein Stück Holz aus im Leben eingestellt. Ihr folgte jene Diri- beim Dirigieren. der Hand, nachdem dieser sich während n

BEETHOVEN FÜR ALLE

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r e s o n a n z

Rätsel des klassischen alltags Was verbirgt sich hinter diesem Text? Ich weiß, was Sie jetzt denken! Oh ja, ich weiß es. Aber keine Angst, ich nehme Ihnen das nicht übel. Ich habe sogar Verständnis dafür. Wenn ich Sie wäre, würde ich das auch über mich denken. Nämlich: Oh là là! Was für ein „lecker Schnittchen“. Was für Kurven, was für Rundungen! Ja, man könnte sagen, ich bin der Kurven-Star der klassischen Musik. Ich könnte so etwas wie eine echte Diva sein – wenn ich nur wollte. Nun gut, ich bin keine „sie“. Ich bin nur ein „er“ – das mag vielleicht ein Grund sein, aber doch noch lange kein Hindernis. Denn das Zeug zur Diva hätte ich, allemal. Denn es ist nun einmal so: Ich muss immer ganz vorne stehen. Und dabei ruft niemand: Die Kleinen bitte nach vorne. Ich bin das Erste, was ein Musiker sieht. Das ist einfach so. Was fragen Sie mich!? Es ist ein Gesetz. Ich selbst habe mir das doch nicht ausgedacht. Meine Kurven geben einfach die Richtung vor – für alles, was danach kommt. Ich bin, ja man könnte es so sagen, Ton angebend. Wenn ich nicht da wäre, könnte Ihnen doch jeder ein X für ein U­ vormachen. Wo kämen wir denn da hin? Ein A könnte plötzlich ein C sein – oder noch was viel Schlimmeres. Denken sie mal darüber nach. Jeder könnte plötzlich spielen was er wollte und nichts würde mehr

zusammenpassen. Wie würden Sie so etwas nennen? Ich nenne es: Chaos. Denn mal ehrlich, nur mit ein paar so dünnen Strichen in der Landschaft kann man noch lange keine Musik machen. Da brauchen sie schon so was wie mich, mit ordentlich was dran. Aber – trotz meiner Kurven, trotz meiner exponierten Stellung – ich bin bescheiden geblieben. Ehrlich. Ich mache einfach nur meinen Job. Und dafür verzichte ich sogar, wenn es sein muss, auf einen Teil meiner Kurven und Rundungen. Keine Sorge, das hat nichts mit Magerwahn zu tun. Für manche Instrumente ist das einfach nötig. So selbstlos bin ich. Sie interessieren sich aber eigentlich gar nicht für meine Kurven? Sie, Kostverächter. Aber bitte, ich habe auch eine Geschichte. Ich habe sogar Tradition – ein ziemlich lange sogar, so ab um circa 1025. Ja, da staunen Sie. Fragen Sie doch mal diesen Mönch, diesen Lehrer in einer Kathedralschule: Fragen Sie doch diesen Guido von Arezzo. Der wird es Ihnen schon sagen. Im Deutschen klingt mein Name etwas steril. Er schwingt und klingt irgendwie nicht richtig. Er passt gar nicht zu meinem Äußeren. Er klingt etwas zweckmäßig. Im Italienischen ist das schon ganz anders: Chiave – das hat doch mal Klasse, echten Stil.

rätsel lösen – und eine schöne DVD gewinnen Wenn ­Sie die Antwort kennen, dann schreiben Sie Ihre Lösung unter dem Stichwort „Alltags-Rätsel“ an die crescendo-­Redaktion, Senefelderstraße 14, 80336 München oder per E-Mail an redaktion@crescendo.de. Unter allen richtigen ­Einsendungen verlosen­ wir dreimal je eine DVD von Alban Bergs „Lulu“ mit Patricia Petibon, Pavol Breslik, Michael Volle, Franz Grundheber und den Wiener Philharmonikern unter Marc Albrecht, aufgezeichnet bei den Salzburger Festspielen 2011 (EuroArts). Einsendeschluss: ­ 1. August 2012. Viel Glück! Die Gewinner unseres letzten Alltagsrätsels sind Mark Dinglinger, Mellrichstadt; Johann Milde, Freiburg und Reiner Möwald, Germersheim am Rhein. Herzlichen Glückwunsch!

leserbriefe Die Anmerkungen und Anregungen zur vergangenen Ausgabe

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(For promotional use only. This compilation & © 2012 Edel Germany GmbH. www.edelclassics.de / www.classical-discovery.de) P

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PREMIUM AUSGABE

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2 CD s Große Fußstapfen

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haftes Piano-Geigen-Duett von Mikhail und Sonya Ovrutsky zu hören. (...) Fazit: Eine wunderbare, abwechslungsreiche Beilage, die den auf den ersten Blick teuer erscheinenden Heftpreis in andere Dimensionen rückt. www.cds.musikverrueckt.de

crescendo premium – das KlassiKmagazin Jahrgang 15 ausgabe 2_2012 märz / april / mai 2012

Betreff: Abo-CD Die Webseite www.cds.musikverrueckt.de lancierte zur vergangenen Ausgabe eine Rezension zu unserer dem Magazin beigelegten CD des Musiklabels Berlin Classics, was uns sehr freut, denn sie ist sehr postiv. Ein Auszug: (...)Der Klassikfan ist neben dem Jazzfan einer der am kritischsten beurteilenden Käufer überhaupt und da war auch schnell die Spreu vom Weizen getrennt. Vor ein paar Jahren habe ich das Magazin CRESCENDO entdeckt – auch dort gibt es seit geraumer Zeit alle 2 Monate ein gute CD mit interessanten Tracks und Abonnenten dürfen sich sogar bei jeder Ausgabe über eine zweite exklusive CD erfreuen (...) Weich & zärtlich kommt darauf zum Beispiel „Souvenir d’un lieu cher, op. 42“ von Peter Tschaikowsky, hier ist ein zauber-

Wie Ken-David Masur, Michael Barenboim und Sacha Rattle mit dem Ruhm des Vaters umgehen

ZUM 60.!

Betreff: Attila Csampais Empfehlungen Lieber Herr Csampai, die Stadt Biel gehört immer schon zum Kanton BERN!!!!!! Nicht Solothurn. Ich weiss nicht woher Sie die Information haben. Der neue Dirigent, Herr Rösner, weiß hoffentlich auch, dass diese Stadt am Jura liegt und noch zum Kanton Bern gehört. Politisch möchte nämlich der Kanton Jura diese Stadt „einvernehmen“.

B47837 Jahrgang 15 / 02_2012

Vermutlich für deutsche Gemüter nicht nachvollziehbar was ­ da läuft. Dennoch: die Beurteilungen sind sehr informativ. Karl Förster, aus dem Baselbiet bei Basel, CH

Ein Hausbesuch bei Wolfgang Rihm

Betreff: Covergeschichte Liebes crescendoTeam, heute hatte ich das Heft im Briefkasten und bin bald umgefallen, als ich das Cover sah. Wirklich stark der Artikel – überhaupt das Heft find ich sehr lesenswert! Ruth Wischmann, PR-Agentin (von ihrem iPhone gesendet)

& Ken

BallettFestwoche

22. bis 29. April 2012 das Bayerische Staatsballett präsentiert u.a. „Goldberg-Variationen/ Gods and Dogs“, das Birmingham royal Ballet, „illusionen – wie Schwanensee“, „Steps & Times“

Mit Beihefter Class ak tuell

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gesellschaft •

Wir sind Chor: Warum Deutschland ein Singland ist (Seite 50) Wie die klassische Musik Großereignisse garniert (Seite 56) Reise: Hamburg aus der Sicht eines Musikers (Seite 60)

Chöre im Deutschen Chorverband (2009)

21.391

*

*zum Vergleich: Fußballvereine im Deutschen Olympischen Sportbund (2012):

25.641 davon Gemischte Chöre…………………………………………………………………………………………… 9.250 davon Männerchöre…………………………………………………………………………………………………… 6.916 davon Kinder- und Jugendchöre…………………………………………………………………………… 3.055 davon Frauenchöre……………………………………………………………………………………………………… 1.892 davon Sonstige………………………………………………………………………………………………………………… 276

Klassik in Zahlen

Mitglieder im Deutschen Chorverband 2009 …………………………………………… 1.526.003 davon aktive Mitglieder………………………………………………………………………………………… 637.168 davon Erwachsene………………………………………………………………………………………………… 533.079 davon Kinder……………………………………………………………………………………………………………… 84.131 davon passive Mitglieder……………………………………………………………………………………… 888.835 Mitglieder in der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Chorverbände………… 684.800 Mitglieder im Deutschen Olympischen Sportbund 2010 …………………… 25.432.706

Foto: ebraxas/Fotolia.com

Vokale Laienmusizierende aller Verbände 2010 ………………………………………2 327 100 davon weltliche Vokalmusik…………………………………………………………………………… 1 570 900 davon kirchliche Vokalmusik…………………………………………………………………………… 756.200

Quelle: Deutscher Musikrat; MIZ; Statistisches Bundesamt

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Schwerpunkt

Chor

Wir sind Chor!

Sie singen gerne? Die Möglichkeiten sind riesig: Ein Überblick über die Deutsche Chorlandschaft zum Deutschen Chorfest – dem Gipfeltreffen der Sängergemeinde.

Foto: Jesper Balleby

vo n A n n a N oVá K

Frankfurt ist „ganz Chor“: Das Ensemble Vocal Line ist zu Gast beim Chorfest in der Mainmetropole.

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Wer singt, kennt diesen Moment: Da stehen Menschen unterschied- ein bisschen breiter aufgestellt mag, der wird zum gemischten Chor lichen Alters und Geschlechts, mit diversen Berufen und Lebensge- tendieren und greift damit auch auf Altbewährtes zurück, schließschichten, mit gegensätzlichen Meinungen und Ansichten auf einer lich bilden die gemischten Chöre den größten Teil der deutschen Bühne – und schaffen ein gemeinsames Erlebnis. Wer singt, kennt Chöre. Drittens: Welche Farbe? Hier müssen gleich mehrere Grunddieses Gefühl: Wenn jeder mit seiner Stimme etwas zum großen Ganzen beitragen kann – wenn aus den vielen Einzelklängen eine entscheidungen gefällt werden: Kirchliches oder weltliches Repertoire? „Klassische“ Musik oder ein Pop-, Rock-, Jazz-, Gospel- oder große Harmonie wird, dann spürt man es, das Erlebnis „Chor“. Wer in Deutschland singen will, und das nicht nur unter der Weltmusik-Chor? Auch dem, der sich partout nicht entscheiden Dusche, der hat die Qual der Wahl. Denn die hiesige Chorlandschaft kann, kann geholfen werden: Einige Chöre lassen die Repertoireist ein Schlaraffenland. Eine Statistik des Deutschen Chorverbandes Grenzen, besonders jene zwischen U- und E-Musik, links liegen besagt: In Deutschland gibt es 2,4 Millionen aktive Sängerinnen und und singen einfach das, worauf sie Lust haben. Und schlussendlich Sänger und fördernde Mitglieder, dazu über 25.000 Chorleiterinnen viertens die Frage: Welche Qualität? Denn während man die Unterund Chorleiter, die in sechs Chorverbänden organisiert und in der scheidung zwischen Profi-Chor und Laienchor noch relativ klar Arbeitsgemeinschaft Deutscher Chorverbände (ADC) zusammen- treffen kann – die Profi-Chorsänger bekommen Geld fürs Singen – geschlossen sind. Außerdem unzählige Sängerinnen und Sänger, die ist Laienchor nicht gleich Laienchor. Die Ansprüche an die Sänger, in Chören ohne Verbandszugehörigkeit – in der freien Szene oder das Niveau, auf dem musiziert wird und der zu investierende Zeitin Schulen – singen. Hinzu kommen die Berufs-Chöre der Rund- aufwand variieren von Chor zu Chor. Die einen singen „nur zum funkanstalten und Opernhäuser. „Singen kommt aus der Mitte Spaß“, die anderen organisieren Konzert über Konzert, veranstalder Gesellschaft“, sagt Moritz Puschke, Geschäftsführer des Deut- ten ganze Konzerttourneen oder treten bei Chorwettbewerben an. schen Chorverbandes, „es kostet nichts, es ist etwas ganz natürli- Eben weil die Chorlandschaft so weitläufig ist, gibt es auch genug ches, da kann jeder mitmachen“. Und viele tun das auch. Etwa jeder Möglichkeiten, in den musikalischen Vergleich zu treten, sich in der Wettbewerbssituation zu mes50. Deutsche ist Mitglied im Deutsen und von einer Jury beurteilen zu schen Chorverband, dem DachverWarum Singen gesund und lassen. band der deutschen Chorszene. glücklich macht Eins haben die Chöre aber alle Die wirkliche Zahl der Chöre Vor einiger Zeit sorgte ein Frankfurter Musikpsychologe gemeinsam: Der verdiente Applaus in der Bundesrepublik lässt sich in der Sänger-Landschaft für großes Aufsehen. ­Vermutet nach dem Auftritt spornt die Sänschließlich nur schätzen. Im Prinhatte man es schon lange und jetzt konnte ­Dr. Gunter­ ger am meisten an. Katrin Gustzip kann jeder, der möchte, sich Kreutz, Privatdozent am Institut für Musikpädagogik der mann, Chorsängerin eines gemischals Chor zusammenschließen. EinFrankfurter Johann Wolfgang von ­Goethe-Universität ten Kammerchors aus Hamburg, zige Voraussetzung: Man sucht beweisen: Singen ist gesund. Und zwar „mindestens bringt es auf den Punkt: „Das sich Menschen, die ebenfalls Lust ­ähnlich gesund wie Meditation, Laufen oder leichter aber Gefühl, zusammen großartig gewehaben, zu singen. Denn eine Präregelmäßiger Sport“, so Dr. Kreutz. sen zu sein, wenn das Konzert vormisse hat das Chorsingen: Man In einer Untersuchung, in der ihm zwei Laienchöre bei ist und alle klatschen, jubeln und hat Spaß an der Gemeinschaft. Ein als Probanden dienten, ließ der Psychologe die Chöre manchmal sogar aufstehen, ist einSolo-Sänger kann Schönklang kreinnerhalb von einer Woche das Mozart „Requiem“ fach nur toll.“ ieren, begeistern, zu Tränen rühselbst singen und das Werk als CD-Aufnahme anhöDie traditionsreichste Variante ren. Was er nicht kann: Alleine eine ren. In Wattebäuschchen, welche die Sänger vor und des Chors in unserem heutigen VerHarmonie erzeugen. nach den Proben jeweils fünf Minuten in den Mund nahständnis ist der a-cappella-Chor, der Die Bandbreite an Chören men, sammelte und untersuchte der Wissenschaftler im Barock, besonders im Bereich der reicht heutzutage vom Männerschließlich den Speichel der Sänger – mit überraschenevangelischen Kirchenmusik seine gesangsverein bis zum jugendlidem Ergebnis: „Aktives Singen fördert die Produktion Blütezeit erlebte. Komponisten wie chen Gospelchor, vom gediegenen des Stoffes Immuglobin A im Speichel. Das ist der Stoff, Heinrich Schütz, Claudio MonteKirchen- bis hin zum Kammerder die oberen Atemwege vor Infektionen schützt“. Das verdi und Michael Praetorius schriechor, der unbedarft Bach-Motetten heißt: Singen stärkt das Immunsystem. ben für diese Besetzung Werke, einem Frank Sinatra-Song gegenwenngleich die Chöre damals verüberstellt. In vergeichbaren Studien wies man ähnlich positive Ausgleichsweise dünn besetzt waren. wirkungen auf den Körper nach: Selbstgemachte Musik Den richtigen Chor zu finaktiviert Bereiche im Gehirn, die der Ausschüttung von Nicht selten umfassten die Ensembden, ist beinahe wie Kleidung kauGlückshormonen dienen. Und das Wissenschaftsmales lediglich zwölf Sänger. fen. Denn bevor man sich entscheigazin GEO belegte: Selbst Demenzkranke finden durch In der Wiener Klassik musste det, muss man sich fragen: Erstens: das Singen zu einigen Erinnerungssträngen zurück. zumindest das weltliche Chorsingen, Welche Größe? Man wählt zwiaußer in der Oper, etwas hintan steschen solistisch besetztem Vokal­ hen – zu viele bedeutende Orchesensemble, einem Kammerchor mit Die wichtigsten terkompositionen überschwemmten bis zu 30 Sängern oder einem bis Chorfest-Termine den Markt. Zu dieser Zeit entstanzu 100-köpfigen sinfonischen Chor. 7. Juni Eröffnungskonzerte: den jedoch einige der großen Werke Zweitens: Welche Beschaffenheit? Wise Guys (16 Uhr) / der geistlichen Chormusik, die heute Reiner Männerchor – hier hat man RIAS Kammerchor (19 Uhr) zum Standardrepertoire der großen noch einmal die Wahl zwischen 8. Juni Nacht der Chöre (19-24 Uhr) / Mitsingkonzert sinfonischen Konzertchöre gehölieblichem Knabenchor oder tra„Elias“ in der Alten Oper (19 Uhr) ren: Haydns „Schöpfung“, Mozarts ditionellem Männergesangsverein. 9. Juni Größter Beatles-Chor Deutschlands (14 Uhr) / „Requiem“ oder Beethovens „Missa Oder je nach Geschlecht lieber ein „Reine Männersache“ – Männerchöre auf dem RömerSolemnis“. Frauenchor mit glockenhellen Sopberg (15 Uhr) / Vocal Line (19 Uhr) / Concerto Vocale Das 19. Jahrhundert brachte ranen und warm klingenden AltFrankfurt: Bach-Motetten (19 Uhr) 10. Juni Schlussakkord am Mainkai (12-16 Uhr) dann die Hoch-Zeit der romantischen­ Stimmen? Wer‘s harmonisch gern 51


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Chormusik und die Volkslied-Sätze und Kompositionen von Johan- mit einer aktuellen Statistik des Chorverbands an: „In den letzten nes Brahms, Max Reger und Felix Mendelssohn Bartholdy führ- fünf Jahren verzeichnen wir eine ‚Null‘ in der Mitgliederentwicklung. ten zu einer Massen-Gründung von Chören und Gesangsvereinen. Das ist positiv! Wir kompensieren diesen Anteil ‚wegsterbender‘ Die Tendenz ging zu besonders großen Chören, für die unter ande- Chöre tatsächlich durch nachwachsende Kinder und Jugend­liche, leistungsfähige Kammerchöre und Vokalenrem Anton Bruckner, Gustav Mahler und sembles sowie Jazz- und Popchöre.“ Giu­ seppe Verdi monumentale Chorwerke „Die Chöre singen einen Die Trendwende in der Chorlandschaft schrieben. hängt auch mit der Neugründung des DeutEine Ebbezeit erlebte die aktive deutPrince-­Song so selbstverständ- schen Chorverbands im Jahr 2005 zusamsche Chormusik in den Jahren nach dem lich wie einen Silcher-Satz.“ men: Ein Team aus jungen, engagierten zweiten Weltkrieg – zu ideologisch belastet Mitarbeitern rund um Geschäftsführer und empfand man das Singen, insbesondere von Volksliedern, das im Dritten Reich für Propaganda-Maßnahmen Chorverbands-Präsident Henning Scherf holt seither den altehrmissbraucht worden war. Das Chorsingen wurde auch an den Schu- würdigen Chorverband aus seinem Dornröschenschlaf und lässt len vernachlässigt, bekam zu Unrecht eine allzu verstaubte Patina. mit unzähligen Sing-Veranstaltungen die deutsche Chorlandschaft Kein Wunder also, dass die Klassik-Szene in den vergangenen Jahr- wieder erblühen. 2008 freute sich der Chorverband über überwältizehnten über einen starken Rückgang in der Chorlandschaft klagte. gende Resonanz beim Deutschen Chorfest in Bremen. Nun geht das Grund hierfür war, so Moritz Puschke, hauptsächlich das unver- „Gipfeltreffen“ der deutschen Chorsänger in eine neue Runde: Vom meidbare „Wegsterben der Männerchöre“, das letztlich viel mit der 7. bis 10. Juni bringen über 500 Chöre und Ensembles in 600 Konzerten und Mitsing-Veranstaltungen die Mainmetropole Frankfurt Alterspyramide zu tun habe. Und doch besteht Anlass zur Hoffnung: „Wir haben allgemein zum Klingen und Singen. Das Deutsche Chorfest ist nur eins der bemerkt, dass es eine Tendenz zur Gründung neuer Männerchöre Chor-Großprojekte, mit dem ein neues Bewusstsein für Chormuund Knabenchöre gibt, die allerdings ganz anders aufgestellt sind, sik geschaffen werden soll. „Wir stehen noch ganz am Anfang. Wir als die Männergesangsvereine des 19. Jahrhunderts.“ Es seien Chöre müssen aus den Großstädten dahin kommen, wo es auf 35 Kilomemit jungen Menschen, die sich ganz bewusst dafür entscheiden, den ter keine ausgebildeten Chorleiter und keinen Musikunterricht in Gesang als Hobby zu betreiben. Junge Menschen, die sagen: Wir wol- Schulen gibt. Wir haben gigantische Aufgaben auf einem Gebiet, len einen guten Chorleiter, schöne Konzertorte, Stimmbildung, Wett- auf dem 40 Jahre geschludert worden ist. Das Singen muss in die bewerbe, Tourneen. „Das sind oft Chöre, die dann auch im Reper- Kindergärten, in die Lehrpläne, in die Weiterbildung gebracht wertoire das Besondere suchen. Diese Chöre singen einen Prince-Song den. Das wird noch Jahrzehnte dauern. Mit unseren Projekten vergenauso selbstverständlich wie einen Silcher-Satz oder Monteverdi.“ suchen wir jetzt schon Lust zu schaffen: aufs Mitmachen und aufs Den schönen Trend in der Nachwuchsentwicklung reichert Puschke Nachahmen.“ (siehe auch Interview auf der nächsten Seite). n

KENT KENT NAGANO NAGANO

BAYERISCHES BAYERISCHES STAATSORCHESTER STAATSORCHESTER ROBERT SCHUMANN ROBERT SCHUMANN KONZERTSTÜCK KONZERTSTÜCK FÜR 4 HÖRNER FÜR 4 HÖRNER RICHARD WAGNER RICHARD WAGNER SIEGFRIED-IDYLL SIEGFRIED-IDYLL RICHARD STRAUSS RICHARD STRAUSS METAMORPHOSEN METAMORPHOSEN

Ab Ab Juli Juli 2012 2012 auf auf CD CD erhältlich! erhältlich!

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600 Konzerte mit 500 Chören – das Wagnis Chorfest Moritz Puschke, Geschäftsführer des Deutschen Chorverbands über das Deutsche Chorfest im Juni, über den Nachwuchs und über das Erwachen aus dem Dornröschenschlaf.

Foto: Alexander Zuckrow, Deutscher Chorverband

schonmal ein wenig reinhören konnte. Zur „Nacht der Chöre“ crescendo: Nach dem gelungenen Chorfest in Bremen 2008 konnten wir natürlich nicht jeden Chor nehmen. Da haben wir feiern­Sie das „Gipfeltreffen“ der Chorszene in diesem Jahr in ein paar Chöre aktiv geholt – aber auch hier ging es nach dem Hessen. Warum eigentlich Frankfurt? Moritz Puschke: 2003 fand das Chorfest in Berlin statt, 2008 in Prinzip „Offenheit“: Wenn ihr ein Chor mit einem ganz besonBremen,­somit wollten wir uns diesmal Richtung Süden orien- ders ausgefallenen Programm mit einer neuen Konzertform seid, tieren. Frankfurt ist uns wegen eines sagenhaften Projekts aufge- oder ihr von Euch sagt „Hey, wir sind so cool, unsere Bachmofallen: „Prima­canta – Jedem Kind seine Stimme“: Da hat sich die tetten klingen besser als bei allen anderen“, dann überzeugt uns Frankfurter Musikhochschule mit der Crespo Foundation und der und wir kümmern uns. So konnten wir schon einige Chöre kenStadt Frankfurt zusammengeschlossen und sich zum Ziel gesetzt, nenlernen und haben hoffentlich auch spannende Entdeckungen gemacht. Aber ansonsten können sich alle Frankfurter Grundschulen mit dem die Chöre wirklich frei anmelden und die Schwerpunkt Singen, Rhythmik und BeweChorfest-Konzerte bilden einen Gros des gung zu musikalisieren. Das heißt die LehrVeranstaltungstableaus, wo die Chöre auch kräfte musikalisch weiterzubilden, sodass sie mit kunterbunten Programmen das zeigen befähigt sind, mit Kindern der dritten und können, was sie können. Zusätzlich setzen vierten Klassen im Alltag ständig zu singen wir natürlich auf das „Offene Singen“ und und somit Zusammenhalt zu schaffen. Und das „Mitsingen“. Wir führen zum Beispiel sie haben es in allen 78 Grundschulen der Mendelssohn Bartholdys „Elias“ auf, mit Stadt in diesem Projekt geschafft. Wir waren etwa 750 aktiven Sängern, die das Stück in davon so begeistert, dass wir uns Franknur einer Klavierprobe und einem Durchfurt, das immer nur durch seine Banken im lauf in Frankfurt einstudieren und abends Gespräch ist, genauer anschauen wollten. In in der Alten Oper mit tollen Solisten und einer Stadt mit einem solchen Projekt müsOrchester aufführen. sen wir auch als Deutscher Chorverband Und es gibt einen großen Beatles-MitsingFlagge zeigen. Wir haben schnell gemerkt, Chor und sogar einen „Ich kann nicht dass Frankfurt Lust auf das Wagnis Chorfest singen“-Chor ... hat. Und nun stehen wir hier, mit 600 KonJa, da räumen wir mit Vorurteilen auf. Das zerten und fast 500 Chören. ist der Aufruf an alle, die von sich denken, 600 Konzerte mit 500 Chören! Wie lässt sie könnten nicht singen: Kommt vorbei und sich das logistisch regeln? wir probieren aus, was wir zusammen hinDie Ausschreibung erfolgte schon vor zwei „Wir nehmen Chormusik bekommen. Jahren und wir haben uns seither viele den muffigen Charakter.“ Das Chorfest ist also in erster Programme und Klangproben angehört Linie ein Ort der Begegnung? und dann geschaut: In welche Spielstätte Das ist schon richtig, aber dennoch suchen die teilnehmenden Chöre passt welcher Chor mit welcher Programmauswahl? Das war ein auch ihr Publikum und testen aus, wie sie ankommen, wenn sie kein immenser logistischer Aufwand, aber wir haben es geschafft. „Heimspiel“ haben. Unsere Aufgabe als Chorverband ist nicht nur, Spiegelt sich die Ortswahl auch in den Teilnehmenden wider? den Chören dieses Begegnungsforum zu schaffen, sondern eben auch Sind besonders viele Rhein-Main-Chöre dabei? Ja! Wir freuen uns, dass es bei manchen Konzerten einen richtig eine Region wie Frankfurt und die Rhein-Main-Region wachzuküsregionalen Schub gibt. Besonders schön ist, dass viele Männerchöre, sen und für Chormusik zu begeistern. Wir wollen der Chormusik den die sonst keine Festivalchöre sind, aus ihrer Heimat im Taunus oder muffigen Charakter nehmen, den sie zu Unrecht manchmal noch hat. im Westerwald oder in der Röhn, sich trauen, beim Konzert „Reine Chormusik ist lustig und frisch! Männersache“ mit 1500 Männern Männerchor-Literatur zu singen. Wie entwickelt sich der Stellenwert der 2008 in Bremen waren es eher Shantys – das Land Hessen ist eben Chormusik in der Gesellschaft? Unser Ziel als Chorverband war und ist es, das Chorsingen wieder immer noch eine Männerchordomäne. in die Aufmerksamkeit zu bringen. Und das haben wir durch VerKonnte sich jeder der fast 500 Chöre einfach so bewerben? (lacht) Wir nennen das bei uns „absolut flache Intendanz“ – erst- anstaltungen wie das Chorfest oder die chor.com geschafft. Über mal! Der erste Schritt ist tatsächlich eine ganz breite Ausschrei- das Singen wird wieder berichtet. Es gibt neue Chorformate, neue bung, die vor etwa zwei Jahren erfolgt ist. Da hieß es: Meldet Euch Typen, die Lust am Chorsingen wächst wieder. Die Chorszene ist an, mit Euren besten Programmen. Zeigt uns, wo ihr am meis- wieder entideologisiert. Dadurch, dass das Singen mittlerweile ten strahlt! Wer um Preise ringen und sich vergleichen lassen will, schon in den Kindergärten und Schulen so viel mehr gefördert der konnte sich für den Chorwettbewerb des Chorfests anmelden. wird, wird es auch im Jugendalter selbstverständlicher. Chorsingen Diese Chöre mussten alle ein Klangbeispiel schicken, sodass man ist wieder „cool“. Diese Trendwende ist wunderschön. AN n 53


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Stimmen im Wettstreit In der fünften Folge ausgewählter Musikpreise stellen wir Ihnen diesmal die wichtigsten Gesangs-Wettbewerbe vor. von Carolin Pirich

Eine emotionale Opernarie oder ein intimes Lied – Sänger­ können innerhalb weniger Minuten ein ganzes Leben abbilden. Dabei kommt es auf die feinen Dinge an: Wie die Pausen gesetzt werden, welche Färbung Nuancen bekommen oder aber wie überzeugend die Bühnenpräsenz ist. Immer wieder wurden Wettbewerbe ausgerufen, um die Qualität der Gesangskunst zu erhalten – oder aber

Serie

Wettbewerbe

um auf Defizite aufmerksam zu machen. Und manchmal haben sie dabei einen schönen Nebeneffekt: Sie können nicht nur Kunst und Karriere beflügeln, sondern auch die Liebe: Sopranistin Annette Dasch etwa gewann im Jahr 2000 mindestens drei renommierte Gesangswettbewerbe und begann ihre Karriere. Einige Jahre später fand sie auf der Bühne eines Wettbewerbes ihren jetzigen Ehemann.

wichtige Musikpreise

Robert-SchumannWettbewerb für ­Klavier und Gesang

Das Lied – International Song Competition

Internationaler ­Gesangswettbewerb für Wagnerstimmen

Neue Stimmen – Internationaler Gesangswettbewerb

Gründung

Seit 1956, dem 100. Todesjahr von Robert Schumann, traten Musiker zuerst in Berlin, wenige Jahre später dann in Zwickau, der Geburtsstadt des Komponisten, gegeneinander an. Mittlerweile wählt die Jury alle vier Jahre die beste SchumannInterpretation. Nächster Termin ist der 17. Juni 2012.

Zum ersten Mal wurde der Wettbewerb 2009 in Berlin ausgetragen. Bariton Thomas Quasthoff versucht mit dem Wettbewerb – auch nach dem Ende seiner Bühnenkarriere – der Gattung Lied aus der Krise zu helfen, in der er sie sieht. Es gäbe zu wenig ernsthaften Nachwuchs, so der Starbariton.

Nicht in der Wagnerstadt Bayreuth, sondern in Karlsruhe wird der Wettbewerb 2012 wieder ausgetragen. 1994 vom RichardWagner-Verband International gegründet, wird er in diesem Jahr zum siebten Mal veranstaltet. Chancen haben dabei Sängerinnen und Sänger, deren Stimmen versprechen, in das Wagnerfach hineinzuwachsen.

Als Herbert von Karajan 1985 nach einem Konzert zum 150. Geburtstag des Hauses Bertelsmann das Ehepaar Mohn auf den Mangel an großen Opernstimmen aufmerksam machte, kam zusammen mit August Everding die Idee für einen Wettbewerb auf. Liz Mohn rief ihn erstmals 1987 aus. Zunächst jährlich, seit 1991 alle zwei Jahre.

Dotierung

Die Stadt Zwickau und die Robert-Schumann-Gesellschaft veranstalten den Wettbewerb. Wie im Sport vergibt die Jury Medaillen. Damen und Herren werden getrennt voneinander bewertet. Gold bekommt je 10.000 Euro, Silber je 7.500 Euro und Bronze je 5.000 Euro, außerdem werden auch die Pianisten ausgezeichnet und den Erstplatzierten Angebote für Konzertauftritte vermittelt.

Das Preisgeld ist beachtlich, insgesamt 65.000 Euro: 30.000 Euro für den Sieger, 15.000 für den zweiten Preis, 5.000 für den dritten. Zudem vergibt die Jury einen Förderpreis in Höhe von 5.000 Euro, einen Meisterkurs bei Thomas Quasthoff und einen Pianistenpreis in Höhe von 10.000 Euro. Es locken Auftrittsmöglichkeiten z.B. an der Kölner Philharmonie oder dem Wiener Musikverein.

Es werden mittlerweile erste Preise zu 5.000 Euro vergeben, ein Sonderpreis sowie ein Publikumspreis, und jeder Sänger, der das Finale erreicht, erhält zudem 2.000 Euro. Es besteht immer die Möglichkeit, für die wichtigste Wagnerbühne entdeckt zu werden: In der Jury sitzt auch beim nächsten Mal wieder Eva Wagner-Pasquier, die Leiterin der Bayreuther Festspiele.

In je vier Kategorien vergibt die Jury – unter Anwesenheit von Agenten und Vertretern von Opernhäusern – null bis fünf Punkte. 15.000 Euro gehen an die Erstplatzierten, 10.000 an den zweiten Platz und für Platz drei gibt es 8.000 Euro. Auch die Plätze 4-6 gehen nicht leer aus: Sie sind mit je 4.000 Euro dotiert. Zudem dürfen einige Sänger an Meisterkursen teilnehmen.

Bedingungen

Zugelassen sind in diesem Jahr Sängerinnen und Sänger, die nach dem 31. Dezember 1979 geboren sind. Die Sänger, die ins Finale gewählt werden, tragen entweder die „Dichterliebe“ oder die „Zwölf Gedichte von Julius Kerner“ oder mehrere einzelne Kompositionen von Robert Schumann in einer Gesamtlänge von etwa 35 Minuten vor.

Im Februar vergangenen Jahres traten Sängerinnen und Sänger unter dreißig zum zweiten Mal an und präsentierten Werke von Johannes Brahms und Hugo Wolf. Zur Jury gehörten Thomas Quasthoff selbst und Sopranistin Annette Dasch. Die Ausschreibung für den Wettbewerb 2013 beginnt am 1. Mai.

Der Wettbewerb sucht, wie Wolfgang Wagner, der ehemalige Schirmherr, es formulierte, „schlummernde Talente“, keine ausgewachsenen Wagnerstimmen. Deshalb sind nur Teilnehmer zugelassen, die entweder am Ende ihrer Gesangausbildung (Höchst­ alter: 30 Jahre) oder am Beginn ihrer Bühnenkarriere (Höchst­ alter: 35 Jahre) stehen.

Frauen müssen 30 Jahre alt oder jünger sein, Männer dürfen zwei Jahre älter sein. Wer sich in einer Vorauswahl, zu der weltweit aufgerufen wird, qualifiziert, der reist zur Endrunde nach Gütersloh. Anmelden können sich die Sänger im ersten Quartal des jeweiligen Wettbewerbsjahrs.

Einige Gewinner

Bisherige Preisträger waren unter anderen der Bariton Matthias Goerne (1989, 2. Preis), die kanadische Sängerin Edith Wiens­ oder die Japanerin Mitsuko Shirai, die jetzt selbst Jurymitglied ist. Zu den bekanntesten Gewinnerinnen zählt Annette Dasch (2000, Gold).

Der Wettbewerb ist jung, daher besteht noch keine lange Liste. Zudem verzichtete die Jury 2009 gleich beim ersten Mal darauf, einen ersten Platz zu vergeben. Die erste Erstplatzierte war 2011 die deutsche Mezzosopranistin Almira Elmadfa.

Unter den ersten Gewinnern waren Sopranistin Violeta Urmana und der Bariton Detlef Roth, der damals gleich alle drei Preise abräumte. Michaela Kaune gewann 1997, als der Wettbewerb in Straßburg ausgetragen wurde.

Zur Neuen Stimme 2011 wurde die Sopranistin Olga Bezsmertna aus Kiew gewählt. Mittlerweile ist sie festes Mitglied des Ensembles der Wiener Staatsoper. 20 Jahre zuvor sang sich der deutsche Bariton Michael Volle auf den zweiten Platz.

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Gaumengala mit Ausblick Im Sterne-prämierten Drehrestaurant des Münchner Fernsehturms finden künftig auch Klassikkonzerte statt. Gewinnen Sie zwei Karten und seien Sie dabei.

Foto: Bayerische Philharmonie; Christa Eder / Fotolia.com

v o n Ha n s - J ü r g e n K u n t z e

Die letzten Takte aus Astor Piazzollas „Vier Jahreszeiten“ waren gerade verklungen, da wagte jemand eine technische Frage: Ob denn die wertvollen Instrumente hier oben nicht anders klängen als zu ebener Erde? Nein, nein, beruhigte Mark Mast, Dirigent des Kammerorchesters der Bayerischen Philharmonie: „Wie in jedem anderen Saal müssen die Instrumente nach dem Transport auch hier neu gestimmt werden – dann klingen sie auch hier oben wie immer.“ Und da Sternekoch Otto Koch mit seinem folgenden Fünfgang-Menü einmal mehr bewies, dass er sich auch in 181 Meter Höhe auf Aromen-Kompositionen versteht, dürfen sich Klassik-Freunde auf doppelten Genuss freuen: Zweimal jährlich finden künftig im Sterne-Restaurant 181 im Münchener Olympia-Turm „Vierjahreszeiten-Galas“ statt – musikalisch und auf dem Teller. Und zwei crescendo-Leser können zum Auftakt am 11. Juli dabei sein. Wir verlosen zwei Eintrittskarten unter allen Teilnehmern der Online-Umfrage auf www.crescendo.de Mark Mast, Celibidache-Meisterschüler und umtriebiger Intendant der Bayerischen Philharmonie, sowie Otto Koch, prominenter Sterne-Koch und Patron des Restaurants 181, wollen mit diesem klassisch-kulinarischen Höhenflügen „neue, ungewöhnliche Akzente im Münchner Musikleben“ setzen. Neben den für im Juli und November geplanten „Vier-Jahreszeiten-Galas“ soll es auch kürzere, unkomplizierte Mittagskonzerte geben. Der sogenannte „Classic Lunch“ findet an fixen (Mittwochs-)Terminen verteilt übers ganze Jahr statt. Wie das abläuft? Im Kreise – zumindest bei den Classic Lunches. Weil sich das Restaurant seit jeher des guten Ausblickes wegen im Kreise dreht, werden die Speisenden immer wieder zu Zuhörern, wenn sie an einem musikalischen Quartett vorbeikommen. Bei den Gala-Veranstaltungen hingegen werden Speisen und Hören bewusst getrennt. Spitzen-Musik und Spitzen-Küche sollen jeweils für sich wahrgenommen werden können, nicht als Beilage des anderen. Bei diesen Veranstaltungen tritt jeweils das Kammerorchester auf. Wie gut das zusammen schmeckt, war sowohl beim ersten Classic Lunch als auch zur Gala-Menü-Einstimmung zu hören: „Die Akustik ist hier oben erstaunlich gut“, zeigte sich Mark Mast selbst überrascht. Das Publikum habe zudem den Vorteil sehr

nahe am Orchester zu sitzen. Für Mast Anlass, den Konzertsaal in 181 Meter Höhe flugs zu „unserer neuen Homebase“ zu erklären. Denn wo andere Münchener Orchester über die Akustik ihrer Heimatsäle klagen, haben die sechs Klangkörper der Bayerischen Philharmonie erst gar keine permante Bühne. Geübt wird im vereinseigenen Haus in der Bäckerstraße – wobei gerade das Engagement für die „pädagogischen“ Klangkörper – Kinderchor, Kinderphilharmonie und Jugendorchester – bemerkenswert ist. Die jungen Musiker des Kammerorches­ ters schien das luftige Ambiente bei der Generalprobe sichtlich zu beflügeln. Von Mast als „19 der besten von unseren 700 Musikern“ gekonnt serviert, stellten sie sich nach dem Auftritt jeder einzeln vor. 14 Nationen waren unter den 19 Musikern vertreten. Otto Koch, der nicht minder polyglotte Sternekoch, geriet als passionierter Klassik-Fan ins Schwärmen: „So viel Talent in einem Ambiente mit solch einem Weitblick – das eröffnet doch ganz neue Perspektiven“. Welche Gaumen-Perspektiven er bei der ersten Vierjahreszeiten-Gala eröffnen werde – eher von den Klängen inspiriert oder vom Titel der Veranstaltung – wollte er indes noch nicht verraten. Es wird wohl nicht nur genauso gut klingen, es wird auch genauso gut schmecken wie zu ebener Erde – nur eben mit besserem Ausblick.

Zwei Plätze sind für crescendo-Leser reserviert Für die beiden ersten „Vier-Jahreszeiten-Galas“ mit ­ dem Kammer­orchester der Bayerischen Philharmonie unter Mark Mast im Restaurant 181 im Münchner Olympia­turm bei Sterne­koch Otto Koch haben wir jeweils zwei Plätze für Sie reserviert. Einfach an unserer Online-Umfrage auf www.crescendo.de teilnehmen, ein wenig Glück bei der Verlosung haben – und Sie sind dabei. Termine: 11. Juli und 14. November 2012 Termine für die „Classic Lunches“: jeweils Mittwoch mittags im Juni, Juli, Oktober, November und Dezember 2012 Kontakt Restaurant 181, Tel.: +49-(0)89-35 09 48-181 info@restaurant181.com / www. restaurant181.com

Oben: Sternekoch Otto Koch mit Mark Mast Musikern in 181 Metern Höhe im Restaurant des Münchner Fernsehturms.

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Erst Nessun Dorma, dann Gewichtheben Wenn in diesem Sommer in London die Olympischen Spiele eröffnet ­werden, darf die klassische ­Darbietung nicht fehlen. Das Motto: größer, lauter, unsterblicher. vo n S t e fa n i e Pau l

Ein Mann in weißer Sporthose: Er rennt. Und er trägt dabei an seinen Füßen ebenso weiße Turnschuhe. Er rennt – denn er bringt das Feuer. Er lächelt dabei entspannt und winkt in die Menge. Der Mann ist Evander Holyfield, ein afroamerikanischer Boxer, ein Mann so breit und hoch wie ein Schrank. Es sind die Olympischen Sommerspiele 1996 in Atlanta und das olympische Feuer wird ins Stadion getragen. Holyfield ist gerade an der Reihe, er ist einer der Fackelträger. Er wird das Feuer gleich an Voula Patoulidou übergeben, eine griechische Weitspringerin, eher zierlich und fast zwei Köpfe kleiner. Die Lautsprecher dröhnen, ein Chor singt, voluminös und jubilierend. Die Sänger scheinen sich fast zu überschlagen: „… alle 56

Menschen werden Brüder, wo dein sanfter Flügel weilt.“ Es dröhnt, es reißt mit, es euphorisiert. Es ist die „Ode an die Freude“. Friedrich Schiller schrieb die Worte, Ludwig van Beethoven die Musik. Könnte es ein besseres Stück, eines mit mehr Symbolkraft geben, gerade für einen olympischen Fackellauf? Wohl kaum. Klassische Musik gehört bei Großereignissen im wahrsten Sinne zum guten Ton. Olympia ohne Streicher und Pauke – unvorstellbar. Das gleiche gilt für den Fußball – seien es nun Welt- oder Europameisterschaften oder einfach nur die Fußball Champions League. Die hat sich zum Beispiel mit einer eigenen Hymne geschmückt. Sie wurde von dem englischen Komponisten Tony Britten geschrieben, der sich dabei recht frei bei Georg Friedrich Händels Königshymwww.crescendo.de

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Foto: John W. McDonough /Sports Illustrated/ Getty Images

Perfekte Inszenierung: Bei der Eröffnung der Olympischen Spiele in Peking saß Lang Lang am Klavier, die Menschen zeichneten das Stadion nach.


„Die Musik der damals schon längst zur nen bediente. Das Stück Legende geworden war. wurde vom Royal Philkam leider vom Die Eröffnungsfeier sollte harmonic Orchestra einBand, der große sein letzter Live-Auftritt gespielt und von der Academy of St Martin in the Pavarotti bewegte sein. Auf dem Programm: „Nessun Dorma“ aus PucFields gesungen. „Sie sind täuschend echt die cinis „Turandot“. Sein Paradie allerbesten Manndestück, gewaltig, ergreischaften. Die Meister. Die Lippen.“ fend, erhebend. Später stellte Besten“ – so singen es engelssich heraus, Pavarotti hatte gar gleiche Stimme. Und wenn man nicht live gesungen. Die Musik kam das so hört, könnte man meinen, Fußball wäre ein Sport, den uns die Götter vom Band, der große Pavarotti bewegte geschickt haben. So edel, so zart, so rein. täuschend echt die Lippen. Also doch kein Weit entfernt von Blutgrätsche, betrunke- Zauber, kein Gemeinschaftsgefühl? Manche kreiden ihm die Schummelei an. Mannen Fans und Platzverweis. Musik transportiert also immer eine che glauben, sein Ruf habe deshalb SchaBotschaft, ein Gefühl. Und keine andere den genommen. Andere hingegen halten Musik wie die Klassische versteht es dabei es für einen wahren Geniestreich. Pavaso gut, die Menschen zu erheben, zu rotti war damals schon an Krebs erkrankt. berühren und zu vereinen: Sie gibt ihnen Und er war wohl getrieben von der Angst, das Gefühl, Teil von etwas Großem zu sein. seine Stimme könnte während des Auftritts Nicht Kammerensemble, sondern Große versagen. Eine Demontage auf Lebenszeit. Besetzung wird inszeniert, denn hier ist Doch stattdessen, ein letzter unsterblicher klassische Musik Teamarbeit. Man braucht Auftritt. Dabei hatte Pavarotti mit Auftritein Orchester. Man braucht die Streicher genauso wie die Posaunen. Ein einzelner ten bei Großereignissen eigentlich schon Paukenschlag ist oft genauso wichtig wie Erfahrung. Für die Fußball-Weltmeisterder Dirigent selbst. Teamarbeit ist also die schaft 1990 in Italien formiert er zusamBotschaft. Es gibt keinen exaltierten Band- men mit José Carreras und Plácido Leader, keinen Schönling, keinen Star, der Domingo erstmals das legendäre Gesangs­ sich ganz vorne an die Bühne stellt und alle trio „Die drei Tenöre“. Das Konzert in den römischen Caracalla-Thermen hatte 6000 Aufmerksamkeit auf sich ziehen will. Stattdessen dröhnt im Lautspre- Besucher, rund eine Milliarde Menschen cher: „Deine Zauber binden wieder, was verfolgten den Auftritt im Fernsehen. Das die Monde streng geteilt.“ Das klingt nach Orchester aus rund 200 Musikern dirieinem schönen Versprechen. Und wir Men- gierte der nicht weniger legendäre Zubin schen scheinen wenigstens für eine kurze Mehta. Ihre Gagen für den Benefiz-Auftritt Zeit daran zu glauben oder daran glauben stifteten Pavarotti für medizinische Instizu wollen. Daran, dass dieses Versprechen tutionen, Carreras für die Leukämie-Fortatsächlich wahr werden könnte. Dass es schung und Domingo für den Wiederaufkeine Grenzen mehr gibt, keine Kriege, bau der beim Erdbeben 1985 verwüsteten keine sozialen Unterschiede, keine Haut- mexikanischen Dörfer. Die Botschaft: Wir farben. Alle Menschen sind gleich. Und in können über uns hinauswachsen. Wir könjedem von uns, steckt etwas Gutes, etwas nen besser werden. Jemand, der seinen großen Auftritt bei Einmaliges, Herausragendes. Musikpsychologen haben herausgefunden: Musik den Olympischen Spielen 1992 in Barcekann zu einer Art von Rauschzustand füh- lona nicht mehr erlebte, war der großartige ren. So denn: „Wir betreten feuertrunken, Freddy Mercury. Gemeinsam mit Mont­ serrat Caballé hatte er den bombastischen Himmlische, dein Heiligtum.“ Szenenwechsel. Zehn Jahre später: Olympiasong „Barcelona“ aufgenommen. Olympische Winterspiele in Turin. Der Ein ungewöhnliches Duett mit einem ungeBeweis, dass sich selbst die größten und wöhnlichen Paar. Am Ende stand die große abgebrühten Klassik-Stars, der Faszina- Operndiva alleine auf der Bühne. Mercury, tion von Olympia nicht entziehen können: der Paradiesvogel der Rockmusik und HIVMaximale Stimmgewalt bei maximaler positiv, war im November zuvor an den FolWirkung. Nirgendwo erreicht ein Sänger gen einer Lungen­entzündung gestorben. In wenigen Wochen ist es soweit. Die ein so großes Publikum wie hier. Nirgendwo wird er so bedingungslos und so vorbehalt- Olympischen Sommerspiele in London los gefeiert. Wer bei Olympia singt, wird werden dann eröffnet – Paul McCarrtney unsterblich. Er wird eins mit den Men- und der Regisseur Danny Boyle sollen an schen, in der ganzen Welt. Das dachte sich etwas „Großem“ basteln. Das Versprechen vielleicht auch Luciano Pavarotti, obwohl wird erneuert, so viel steht fest. n 57

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l e b e n s a r t

hambuRG ... aus der Sicht eines Musikers

Wer in der Hansestadt klassische Musik sucht, sollte sich nicht vom Spektakel um die Elbphilharmonie stören lassen. Pianist Sebastian Knauer führte uns einen Tag durch seine Heimat und verriet seine Lieblingsplätze. V O N C l e m e n s Ma t u s c h e k Dorothee in der Dorotheenstraße, Maximilian in der Maximilian­ straße – gut gelaunt unter „seinem“ Straßenschild zu posieren, zählt zu den beliebtesten Touristenschnappschüssen. Wenn aber Sebastian­Knauer extra eine Leiter erklimmt, um sich standsicher und standesgemäß in der Hamburger Knauerstraße ablichten zu lassen, steckt weit mehr dahinter als eine lustige zufällige Namens­ gleichheit. Der international erfolgreiche Konzertpianist entstammt einer traditionsreichen Hamburger Dynastie, die ihre Wurzeln bis ins 18. Jahrhundert zurückverfolgen kann. Sein Ahnherr Georg Andreas­Knauer handelte einst mit Waren, Wein und Immobilien und begründete ein Krankenhaus – und diese Straße ist wirklich nach seiner Familie benannt. Na, wenn das keine schlagende Quali­ fikation zum Stadtführer ist! Vier Stunden lassen wir uns von Sebastian Knauer die Stadt zeigen, in der er 1971 geboren wurde. Hier leitete sein Vater beim Radiosender NDR den Kulturkanal und das Sinfonieorchester, hier

freundete sich der Junior mit dem Klavier-Repertoire an, das er seit­ her in Konzertsäle auf der ganzen Welt trägt. Sogar für Bill Clinton­ hat Knauer schon gespielt. Heute aber kommt er gerade von der Edelfüllerschmiede Montblanc, wo er ein Lunchkonzert für die Mit­ arbeiter gegeben hat. „Wir sind ja gewissermaßen beide Hamburger Institutionen“, flachst er in betont breitem Hamburger Akzent, der zwar nicht über den spitzen Stein stolpert, aber stark an Olli Ditt­ richs Kultserie „Dittsche“ erinnert. Mit seinem markanten Gesicht, dem Dreitagebart und den zusammengekniffenen Augen könnte man sich Knauer jedenfalls auch auf der Brücke einer Hafenfähre vorstellen. Als Beförderungsmittel wählen wir heute lieber seinen schwarzen­SUV, mit dem er uns kundig durch seine Heimatstadt chauffiert. Eigentlich passt ein so wuchtiges Auto ja gar nicht zu seinem­Klavierspiel, das sich – etwa bei seinem aktuellen Lieblings­ komponisten (und ebenfalls gebürtigen Hamburger) Mendelssohn –­

Pianist Knauer und seine Straße, Blick über die Alster. „Willkommen in der schönsten Stadt der Welt.“

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Foto: Marco 2811 Fotolia.com; Torsten Kollmer

Klangkörpern, Chören und Kammermusik­ eher durch filigrane Technik und einen feinen formationen, die jährlich fast eine halbe Mil­ Sinn für Klänge und Stimmungen auszeich­ lion Besucher anlocken. net. „Aber um mit meiner Frau und meinen Im Großen Saal proben gerade die beiden Kindern in den Skiurlaub zu fahren, Hamburger Symphoniker. Leise, gaaanz leise ist es perfekt“, sagt Knauer grinsend und ver­ schlüpfen wir hinein, um ein Foto zu schießen frachtet den Kindersitz auf die Rückbank, um – „die Laeiszhalle darf auf unserer Tour ein­ vorn im Auto Platz zu schaffen. Auf dem Weg fach nicht fehlen“, findet Sebastian Knauer. Er zur ersten Station, der Laeiszhalle, passieren selbst stand hier schon mit 13 Jahren zum ers­ wir sogar das Pianohaus „Klavier Knauer“ ten Mal auf der Bühne. „Davor bin ich aller­ – „ein weit entfernter Vetter“. Sebastian­ dings auch schon vor 4.000 Gästen im CCH Knauer hält sich aber lieber direkt an Stein­ (Congress-Centrum Hamburg) aufgetreten“, way & Sons, die ihre Flügel seit 1880 in der erinnert sich Knauer. „Richard Clayderman – Hansestadt bauen. Man erkennt sie übrigens der war damals noch berühmt – gab ein Kon­ am Hochglanzlack, während die in New York zert, und der Veranstalter suchte ein Hambur­ produzierten Instrumente matt gestrichen ger Wunderkind, das mit ihm auftreten sollte. werden. Knauer vor der Laeiszhalle am Johannes Tja, das war ich. Ich war neun oder zehn, hatte Die Laeiszhalle – sprich „Leißhalle“, Brahms Platz in der Hamburger Innenstadt. einen blonden Pagenkopf, eine rote Weste früher auch einfach Musikhalle genannt – entstand nur wenig später, 1908. Benannt ist sie nach dem Ree­ und spielte Brahms-Walzer, während er hinter mir stand. Ein Erleb­ der Carl Heinrich Laeisz und seiner Frau Sophie Christine, die das nis der besonderen Art ...“ Anfang November wird er das nächste Mal auf dem Podium neobarocke Haus stifteten. Heute bildet sie mit ihrem prachtvollen, schnörkelig-goldenen Großen Saal und dem 50er-Jahre-Kammer­ der Laeiszhalle Platz nehmen, um gemeinsam mit den Hamburger musiksaal das unumstrittene Zentrum des norddeutschen Musik­ Symphonikern Schumanns Klavierkonzert a-Moll aufzuführen. Die lebens. Regelmäßig gastieren hier die Top-Stars aus Klassik und Vorfreude ist groß – und wird noch gesteigert, als wir draußen auf Jazz. Außerdem reklamieren gleich vier renommierte Orchester die dem Johannes-Brahms-Platz einem freundlichen Herrn in die Arme Halle als Heimstätte: das NDR Sinfonieorchester mit seinem neuen laufen, der gerade seinen Hund spazieren führt. Es handelt sich um Chefdirigenten Thomas Hengelbrock, die Hamburger Philharmoni­ den Symphoniker-Intendanten Daniel Kühnel, der die Bedürfnisse ker, die unter ihrer australischen Generalmusik­direktorin Simone seines vierbeinigen Freundes (es handelt sich um einen Deutschen Young auch die Staatsoper an der Dammtorstraße bespielen, die Pinscher namens Lotte) gerne zum Anlass nimmt, für kurze Zeit Hamburger Symphoniker und das kleine, aber sehr feine Ensemble seinem Schreibtisch zu entkommen. Darauf dürften sich erhebli­ Resonanz – gar nicht zu reden von unzähligen weiteren Hamburger che Papierstapel türmen, denn Kühnel möchte seinen Klangkörper­

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gemeinsam mit Chefdirigent Jeffrey Tate zum A-Orchester aus­ bauen. Für einen kleinen „Schnack“ mit dem pianistischen Lokal­ matador nimmt er sich dennoch gerne Zeit, bevor er samt Hund wieder dem Künstlereingang rechts der Laeiszhalle zustrebt. Überhaupt bewegt sich gerade viel im Hamburger Kultur­ leben. Um die Tragweite zu begreifen, muss man hinunter an die Elbe. An die Spitze der neuen Hafencity. Ein ganzer Stadtteil ist hier im Entstehen, an seiner westlichen Spitze gekrönt von der Elbphil­ harmonie. Im Jahre 1401 hat man hier angeblich den legendären Freibeuter Klaus Störtebeker hingerichtet, heute wird ein Konzert­ haus der Superlative errichtet. 110 Meter hoch schwingt sich seine schimmernde Fassade auf – eine spektakuläre gläserne Welle über der Elbe. Den Sockel bildet der historische Kaispeicher aus Back­ stein, in dem früher Tee und Kakao lagerten. Im Inneren ähnelt die Konfiguration zwar der Laeiszhalle: ein großer Saal mit etwa 2.000 und ein kleiner mit 500 Plätzen. Doch die Elbphilharmonie wird viel mehr sein: ein Hotel, eine kostenlos zugängliche Aussichtsplatt­ form, ein öffentlicher Raum, ein kühnes Statement. Die Architek­ ten, das Schweizer Büro Herzog & de Meuron, haben mit der Tate Modern und neuen Stadien in Peking und München bereits Bau­ werke von Weltrang entworfen. Die Elbphilharmonie aber gleicht dem Versuch, ein Wahrzeichen zu schaffen. Wenn sie nur endlich fertig würde. Die Stadt Hamburg und die Baufirma Hochtief liegen seit Monaten im Clinch, schon mehrfach musste die Eröffnung verschoben werden. „Einfach ärgerlich“ fin­ det Knauer das. „Hamburg hat ja schon jetzt eine unglaublich breite Musikszene auf einem hohen Niveau. Aber eine fertiggestellte Elb­ philharmonie würde die internationale Strahlkraft natürlich enorm erhöhen.“ Bislang bleibt dem musikbegeisterten Hamburgreisen­ den nur, die Baustelle zu besichtigen – allemal ein beeindruckendes Erlebnis, allein des Panoramablicks über Stadt und Hafen wegen. Nur um die stark begehrten Karten sollte man sich rechtzeitig küm­ mern (www.elbphilharmonie.de). Scheinbar gänzlich unbeeindruckt von der unbefriedigenden Situation auf der Baustelle ist Christoph Lieben-Seutter, seit 2007

Generalintendant von Laeiszhalle und Elbphilharmonie. Seit drei Jahren macht er mit den „Elbphilharmonie Konzerten“ Furore, die eben einstweilen in der Laeiszhalle oder an anderen, ausgefallenen Spielorten stattfinden. Als Eröffnungstermin rechnet man vorsich­ tig optimistisch mit 2015. Egal, meint Knauer: „Die Elbphilharmo­ nie sieht schon jetzt grandios aus und hat einen positiven Effekt auf das Hamburger Musikleben. Und wenn sie erstmal eröffnet ist und die Akustik so toll ist, wie wir alle hoffen, dann wird aller Ärger um den Bau verflogen sein, und alle Welt wird Hamburg um dieses Haus beneiden.“ Schließlich lässt es sich Sebastian Knauer nicht nehmen, auf dem Heimweg ins schicke Eppendorf noch einen kleinen Schlenker über die Reeperbahn zu machen, „Hamburgs kultigste Straße“. Frü­ her wurden hier lange Schiffstaue, Reepe, hergestellt, heute hängt mancher am Ende einer langen Partynacht in den Seilen. Verwegene Bars und Stripclubs stehen in trauter Eintracht neben Tanzlokalen und dem Theaterhaus des Nonnenmusicals „Sister Act“. Am Beginn der „Großen Freiheit“ erinnert die metallene Silhouette einer vier­ köpfigen Band daran, dass die Beatles hier 1960 ihren Durchbruch feierten. „Früher war ich hier natürlich auch Party machen“, seufzt Knauer und blickt wehmütig aus dem Autofenster, „aber inzwischen bin ich wohl zu alt, um noch über den Kiez zu ziehen.“ Immerhin bleibt ihm Udo Lindenbergs Song „Reeperbahn“, ein Klassiker. Überhaupt, der Udo. Er ist für Hamburg, was Franz Beckenbauer für München ist. Sebastian Knauer hat ihn mal an Bord eines Kreuz­ fahrtschiffes getroffen: „Er stellte seine Bilder aus, ich gab ein Kon­ zert. Später haben wir an der Bar ein paar Eierliköre getrunken. Der Typ ist ein echtes Original – und überhaupt nicht abgehoben.“ Nicht abgehoben – das trifft, so die Erkenntnis am Ende des Tages, sowohl auf Hamburg als auch auf Sebastian Knauer zu. „Wenn ich nicht gerade auf Tournee bin, sondern zu Hause aufwa­ che, schalte ich immer den Sender Radio Hamburg ein, der seine Hörer mit dem Satz ‚Willkommen in der schönsten Stadt der Welt’ begrüßt“, sagt Knauer, und seine Augen funkeln vor Vergnügen. „Und dann denke ich: Jawoll, so ist es.“

Hamburg für Klassik-Liebhaber

Die wichtigsten Tipps für einen Besuch in der norddeutschen Kulturmetropole

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Vor oder nach dem Konzert?

Und als Kontrastprogramm:

Das gastronomische Angebot in Hamburg ist schier u­ nüberschaubar. Die besten Chancen, nach einem Konzert in der Laeiszhalle noch die Künstler zu treffen, haben Sie im nur wenige Schritte entfernten Marblau. Knauers Geheimtipp ist das Tarantella (2, www.tarantella.cc) im Casino am Stephansplatz: „Freddy ist der beste Koch Hamburgs“. Für das Frühstück am nächsten Morgen empfehlen wir das Café im neoklassizistischen Literaturhaus am östlichen Ufer der Außenalster.

Hamburg lebt von Gegensätzen. Wer es beschaulich mag, spaziert längs der Außen­alster – hier trifft man Heerscharen von Joggern und – so Knauer – „alle zehn Meter alte Bekannte“. Gleiches gilt für die Geschäfte rund um die Flaniermeile Jungfernstieg an der Binnenalster. Das Herz Hamburgs aber schlägt im Hafen, der seit Jahrhunderten den Ruf als „Tor zur Welt“ begründet (3). Eine gute Alternative zu den kommerziellen Hafenrundfahrten sind die Fähren des Verkehrsverbunds HVV, die bis zur Airbus-Werft nach Finkenwerder reichen. Oder man durchwandert den Alten Elbtunnel und gönnt sich den spektakulären Blick auf die Hamburger Skyline – inklusive Elbphilharmonie. www.crescendo.de

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Fotos: Torsten Kollmer, Relais&Châteaux/Philippe Schaff

Wo übernachten? Hamburgs berühmteste Hotels stehen an Binnen- und Außenalster: Das Vier Jahreszeiten und das Atlantic, in dem auch Udo Lindenberg residiert. Sebastian Knauer dagegen empfiehlt das gediegene Hotel Abtei (1, www.abtei-hotel.de) in Harvestehude und, für den gehobenen Bedarf, das Park Hyatt in der Innenstadt. Gastierende Künstler steigen gerne im modernen Side Hotel zwischen Laeiszhalle und Oper ab.


Unvergessliche Filmmelodien

in leichten Arrangements

für globetrotter Die internationalen Höhepunkte von Juni bis August

Termine

Wien

6.-16.6. Eigentlich ist die Sopranis­ tin Annette Dasch eher als Operndenn als Operettensängerin bekannt. An der Wiener Volksoper gibt sie sich im Ju­ ni in „Madame Pompadour“ in der Titelrolle die Ehre. Mit bekannten Liedern wie „Joseph, ach Joseph, was bist du so keusch“ wurde Leo Falls Oper zum Riesenerfolg. Karten sind unter www.volksoper.at erhältlich.

London

4.-7.7. Bryn Terfel möchte die Musik aus

seiner Heimat Wales einem breiteren Pub­ likum zugänglich machen. Im Juli bringt er deswegen ein eigenes Festival-Format in die britische Hauptstadt: Im Rahmen des South­ bank Centre‘s Festival veranstaltet Terfel das sogenannte „Brynfest“ – vier Abende mit Musik aus seiner Heimat, an denen er nicht nur selbst singt, sondern auch Gaststars ein­ geladen hat. Unter anderem den Komponis­ ten Karl Jenkins und den London Welsh Male Choir. Karten: www.southbankcentre.co.uk

Carsten Gerlitz

Los Angeles

Movie Classics

19.8. Bei einem Besuch in LA lohnt ein Kon­ zert mit den Los Angeles Philharmonic ei­ gentlich immer – schließlich ist nicht zuletzt dessen Chefdirigent Gustavo Dudamel ein echtes Erlebnis. Im August ist Plácido Domingo erstmals mit dem Dirigenten-Wunder in ei­ nem Konzert zu erleben. Zu hören gibt es gro­ ße Opernarien und lateinamerikanische Lie­ der. Karten: www.hollywoodbowl.com

18 bekannte Filmmelodien 72 Seiten, Ausgabe mit CD ISBN 978-3-7957-5452-5 ED 20019 · € 17,99

Amsterdam

21.8. Die georgische Pianistin Khatia Buni-

atishvili ist eine der aufstrebenden KlavierVirtuosen. Gemeinsam mit dem hr-Sinfonieorchester und Chefdirigent Paavo Järvi musiziert sie, bekannt für ihre ebenso drama­ tischen wie eigenwilligen Interpretationen im Amsterdamer Concertgebouw Robert Schu­ manns hochromantisches Klavierkonzert op. 54. Schubert und Brahms runden diesen – rein epochentechnisch ausgesprochen romanti­ schen – Abend ab. Karten sind direkt beim Concertgebouw er­ hältlich: www.concertgebouw.nl

Festival-Hoteltipp

Für Auge und Ohr Das Menuhin-Festival in Gstaad bietet nicht nur große Konzerte, sondern auch frisch renovierte Übernachtungsmöglichkeiten.

18 Klassiker der Filmgeschichte Von Moon River (Breakfast at Tiffanies) bis My Heart Will Go On (Titanic)

MA-1074-01 · 05/12

Foto: Hotel Solana

Alle Lieder sind als professionelle Einspielungen auf der beiliegenden CD enthalten

Gehört mehrheitlich dem schweizerischen Blindenverband: Solsana-Hotel, Gstaad.

Auch in diesem Sommer pilgern Musikstars und Fans aus aller Welt vom 20. Juli bis 8. September 2012 zum Menuhin-Festival nach Gstaad. Der exklusive Ort im Berner Ober­ land putzt sich Jahr für Jahr auch gastronomisch heraus: So wurde das offizielle Part­ nerhotel des Festivals, das 5-Sterne Wellness & Spa Hotel Ermitage, für knapp 40 Mil­ lionen Franken renoviert (www.ermitage.ch). Ebenfalls aufgehübscht hat sich das Hotel Solsana in Saanen, einem Vorort von Gstaad. Das Solsana ist eines der wenigen Häuser, die Behinderten- und Blindengerecht eingerichtet sind. Während des Festivals sind zum Beispiel Übernachtungen inklusive Tickets, 4-Gänge-Menu und Transfer zum Konzert­ saal direkt über das Hotel buchbar. Infos unter www.solsana.ch. n 63

Carsten Gerlitz

Movie Classics 2

16 Most Popular Film Hits ISBN 978-3-7957-4572-1 ED 21124 · € 17,99


l e b e n s a r t

John AXELRODS Weinkolumne

Schönheit & Freude Unser Kolumnist freut sich schon jetzt auf Verdis 200. Geburtstag im nächsten Jahr – und empfiehlt den nach ihm benannten Spumante bereits für diesen Sommer.

Auch wenn Verdis 200. Geburtstag noch bis zum Jahr 2013 warten muss, hat mein Fokus auf das Land Italien schon begonnen. Nicht nur wegen meiner Arbeit als Chefdirigent des Mailänder Sinfonieorchesters „Giuseppe Verdi“ (aka „La Verdi). sondern weil ich einfach so gerne in diesem goldenen Paradies des Weins und der Musik weile. So geht es auch meinen Dirigentenkollegen, von Barenboim bis Muti über Abbado zu Mehta: Sie alle behalten Posten in Italien, während sie ansonsten die Podien der großen Orchester besteigen. Die italienischen Orchester haben die großen Dirigenten der Vergangenheit genährt und inspiriert – und tun das bis heute. Wer könnte uns besser all diese musikalische Inspiration schenken als Verdi selbst? Bevor wir aber das Glas in Dankbarkeit auf den Komponisten erheben, lassen Sie uns schauen, wie der Maestro und seine Kom-

ponistenkollegen selbst durch das Glas Inspiration schöpften. Tatsächlich scheinen Alkohol und Oper untrennbar miteinander verbunden. Sei es in der „Fledermaus“, „Don Giovanni“, oder „Die verkaufte Braut“: Wein, Champagner und Bier sind oft Teil des Librettos, so als wäre Alkohol die Stütze, mit der man die Handlung rechtfertigen könnte. Das Duett „Libiamo ne‘ lieti calici‘ aus „La Traviata“ zollt dem Zeitvertreib des „sozialen Trinkens“ Tribut. Es ist ein Lobgesang an den PartyLifestyle der tragischen Heldin. In „Rigoletto“ wünscht sich Verdi, dass der Herzog von Mantua „La donna è mobile“ mit einem Glas in der Hand singt. Vielleicht hat Verdi in seinem „Falstaff “ auch deswegen „Tutto nel mondo è burla“ („Alles ist Spaß auf Erden“) geschrieben. Wer weiß: Vielleicht war der nüchterne Verdi in Wahrheit gar ein Schluckspecht? In jedem Fall genoss er gern

War der nüchterne Verdi in Wahrheit ein Schluckspecht?

die Weine seiner italienischen Heimat. Wenn der Wein schon so zentral in Verdis Werk ist, ist es kein Wunder, dass ihm auch einer gewidmet ist. Voilà: Verdis Wein ist ein prickelnder Weißwein mit einer leicht grünen Färbung – folglich: VerdiGrün. Mit 12 Prozent Alkoholgehalt macht dieser Wein Ihren Kopf nicht so schwer wie John Falstaffs Bauch. Und bei einem Preis von unter zehn Euro liegen Sie noch deutlich unter den Kosten für ein Opernticket. Es sei denn, Sie picknicken unter freiem Himmel. Jetzt, da der Sommer heraneilt, ist der Verdi-Wein die perfekte Begleitung für ein Konzert in der Waldbühne oder beim Schleswig-Holstein Musik Festival – besonders wenn Verdi auf dem Programm steht. Das Beste am „Verdi Spumante“ ist übrigens das leichte Prickeln, das nur zu einem Zweck da ist: Ein Lächeln in die Gesichter zaubern und die Herzen erwärmen. Ebenso, wie es „La Traviata“ tut und wie es im berühmten Trinklied heißt: „Seid froh! Wein und Gesang bringen der Nacht Schönheit und Freude.“ Darauf trinke ich! n

John Axelrod ist absoluter Weinexperte, Musik-Direktor des Orchestre­National des Pays de la Loire in Frankreich und Dirigent des Orchestra Sinfonica di Milano „Giuseppe Verdi“. Nebenbei schreibt er auch noch Bücher. Sein neuestes – und sehr empfehlenswertes – Werk „Wie großartige Musik entsteht ... oder auch nicht. Ansichten eines Dirigenten“ ist soeben im Verlag „Bärenreiter/Henschel“ erschienen. 64

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Das Instrument des Komponisten Man sagt: Das Schriftbild eines Menschen verrät viel über dessen Charakter. Selbst in Zeiten von ComputerTastatur und Kugelschreiber, gibt es Gelegenheiten, klassische Schreibgeräte, wie den Füller, auszupacken und geschwungene Linien auf hochwertiges Papier zu bringen. Wir haben für Sie schöne Stifte zusammengestellt – und bei dieser Gelegenheit einmal geschaut, was die großen Komponisten so auf Papier gebracht haben – und was das über ihre Persönlichkeit verrät. vo n c a r lo s ko n s ta n z

Komponist Ludwig van Beethoven

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Parker Sonnet

Die unsterbliche Geliebte „Ewig Dein. Ewig mein. Ewig uns.“ Mit diesen poetischen Worten schließt Ludwig van Beethoven den wohl berühmtesten erhaltenen Komponisten-Liebesbrief. Der Komponist schreibt in diesem und zwei weiteren Schreiben, die in seinem Nachlass gefunden wurden, an seine „unsterbliche Geliebte“,­ die der Beethoven-Forschung bis heute Rätsel aufwirft. Beethoven nennt lediglich ihren mit „K.“ bezeichneten Aufenthaltsort. Welchem „theuersten Wesen“ und „eintzigen Schatz“ mag jedoch die „Sehnsucht mit Thränen“­gegolten haben? Spekulieren ließe sich darüber, ob Beethoven seine Worte heutzutage mit einem der Füll­federhalter-Klassiker schreiben würde: Zumindest eignet sich der „Parker Sonnet“ (auch erhältlich als Kugelschreiber) als moderner Klassiker, in verschiedenen eleganten Designs – durch die mehrfache Lackierung der Ober­ fläche mit besonders angenehmer, seidiger Haptik – ausgesprochen gut für liebe Worte.

Parker Sonnet: je nach Ausführung erhältlich ab 40 Euro, www.parkerpen.com

Waldmann Xetra

Wiener Handgravur

Montblanc Meisterstück

Wolferls Worte Wolfgang Amadeus Mozart ist als gewitzter Briefeschreiber mit derber Ausdrucksweise in Erinnerung geblieben. Schimpfwörter und Fäkalsprache sind in seiner Kommunikation keine Seltenheit – dennoch baut der Komponist stets liebevolle Bemerkungen und kleine Reime an seine Liebsten ein, denen er schreibt. So heißt es in einem Brief an seine Cousine, das „Bäsle“: „Leben Sie halt recht wohl und haben Sie mich immer lieb; schreiben Sie mir bald, denn es ist gar kalt, halten Sie Ihr Versprechen, sonst muß ich mich brechen. Addieu, mon Dieu, ich küsse Sie tausendmal und bin knall und fall“ dabei.

Montblanc Meisterstück „Hommage an W.A. Mozart“: Preis: 325 Euro; www.montblanc.de

Das Fin de Siècle in Wien. Der Komponist Hugo Wolf finanziert sich weniger durch seine (zwar hervorragenden, aber schlecht bezahlten) Kompositionen als durch seine Konzertkritiken, die er für das „Wiener Salonblatt“ schreibt. Hier hetzt der glühende Wagnerianer besonders gerne gegen Johannes Brahms. Ein kleiner Ausschnitt: „Die Kunst, ohne Einfälle zu komponieren, hat entschieden in Brahms ihren würdigsten Vertreter gefunden. Ganz wie der liebe Gott versteht auch Herr Brahms sich auf das Kunststück, aus nichts etwas zu machen.“ Neben seinen polemischen Artikeln, unterhielt Wolf einen regen Briefwechsel zu Freunden und Familie. Zeit seines Lebens litt Wolf unter Geldmangel, kein Wunder, dass er einst seine Mutter per Brief dazu aufforderte, ihm „bitte nichts anderes als Würste zu schicken“. Den Füllfederhalter „Xetra Vienna“ von Waldmann hätte sich Hugo Wolf somit nicht leisten können. Dennoch ist der Stift ein absoluter Hingucker: Mit der sogenannten einzigartigen und mühevollen „Wiener Handgravur“ verziert, wird der „Xetra Vienna“ zu einem Schmuckstück der besonderen Art.

Waldmann Xetra Vienna: Preis: ab 289 Euro, www.waldmannpen.com

Waterman Edson

Der schreibfaule Brahms Gessner

Schon Claudio Monteverdi könnte diesen Bleistift benutzt haben, als er zu Beginn des 17. Jahrhunderts seine ersten Opern niederschrieb und damit den Umbruch zwischen Renaissance und Barock und den Aufbruch in ein musikalisch neues Zeitalter markierte. Den „Gessner“ Bleistift fertigte man nämlich bereits vor über 400 Jahren. Erstmals illustrierte der Universalgelehrte Conrad Gessner diesen Holzstift in einem seiner zahlreichen Bücher. Behutsam von der Firma Cleo Skribent weiterentwickelt, ist er heute ein ideales Instrument zum Skizzieren mit Graphit- oder Farbminen.

Der Komponist Johannes Brahms gilt als typischer Vertreter der bürgerlichen Briefkultur im 19. Jahrhundert dem „Zeitalter des Briefes“. Knapp 11.000 Schreiben von und an ihn sind im Brahms-Briefwechsel-Verzeichnis des BrahmsInstituts dokumentiert – dennoch bescheinigte sein Kollege Robert Schumann ihm, er sei ein „Schreibefaulpelz“. Zeitlebens kokettierte Brahms mit dieser Schreib-Unlust – als junger Erwachsener schreibt er an Clara Schumann: „Entschuldigen Sie die schändliche Schrift, doch kann ich meine Hand gar nicht regieren beim Buchstabenschreiben, Noten male ich besser“. Vielleicht hätte Brahms der außergewöhnlich historische Füllfederhalter „Edson 125 Ans“ der Firma Waterman gefallen. Der Erfindung des Füllfederhalters durch Lewis Edson Waterman wurde mit diesem Meisterstück mit edler blau-silberner Musterung gedacht.

Gessner im Jutebeutel: 19 Euro / Gessner in der Holzschatulle: Preis: 135 Euro, www.cleo-skribent.de

Waterman Edson 125 Ans, Limited Edition: Preis: auf Anfrage, www.waterman.com

Alter Bleier


Foto: Emil Perauer / DG

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Der rasende Dirigent: Herbert von Karajan liebte die Geschwindigkeit und reiste stets in seinen eigenen Verkehrsmitteln: Flieger, schnelle Autos, große Schiffe.

Von A nach B-Dur Mozart reiste mit dem Herrn Papa in der Kutsche zum Konzert, Karajan steuerte das Flugzeug an die Met und Klaus-Florian Vogt bevorzugt sein Wohnmobil. Ein Ausflug in die Geschichte der Künstlerfortbewegung. von Carla Neumann

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m Interview mit unserem Magazin verriet der Heldentenor Klaus Florian Vogt vor kurzem: Er reise am liebsten mit seinem Wohnmobil. Denn damit sei er nicht nur mobil, nein, er hätte auch einen Teil von Zuhause immer dabei. Heute die Mailänder Scala, morgen Covent Garden, übermorgen ein Besuch an der Met in New York: Reisen gehört für Musiker zum Beruf wie abends auf der Bühne zu stehen. In Zeiten von Flugzeugen, ICEs und schnellen Autos ist die Welt nah zusammengerückt. Vier Städte in vier Tagen? Drei Kontinente in einer Woche? Mit Flieger, Bahn und Co. kein Problem. Da braucht es heutzutage – wie vor gut zwei Jahren – schon den Ausbruch eines Eyjafjallajökull, um den Künstler-Reisestrom zum Erliegen zu bringen. Das war nicht immer so: Vor 250 Jahren reichte schließlich eine angebrochene Kutschenachse. Der Künstler hing fest, das Konzert fiel ins Wasser. Denkt man an Musiker auf Reisen, dann denkt man automatisch an Wolfgang Amadeus Mozart, seine Schwester, das Nannerl und Papa Leopold. Man hat das Bild vor Augen, wie die Familie in der unbequemen, holperigen Kutsche von Ort zu Ort reiste, und der Vater seine „Wunderkinder“ an den Höfen der Fürste vorstellte. Wolfgang Amadeus verbrachte immerhin, so schätzt man heute, ein Drittel seines Lebens auf Reisen. Aber man tut all den anderen Musikern des 18. Jahrhunderts unrecht, wenn man sie bei dieser Betrachtung außer Acht lässt. www.crescendo.de

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Buchtipps: „Musiker auf Reisen – Beiträge zum Kulturtransfer im 18. und 19. Jahrhundert“ von Christoph-Hellmut Mahling (Hrsg.), ­erschienen im Wißner Verlag.

Fotos: Uwe Arens / Sony Classical; Library of Congress, Prints & Photographs Division, 34817

„Musiker reisen. Vierzehn Kapitel aus der europäischen ­Kulturgeschichte“ von Franzpeter Messmer, erschienen im ­Artemis & Winkler Verlag.

Sieht man sich in der Musikgeschichte einmal genauer um, spielte das Reisen schon viel früher eine Rolle im Leben von Komponisten und Musikern. Innerhalb der Grenzen Europas reisten Heinrich Schütz, Claudio Monteverdi und ihre Kollegen schon in der Renaissance: Die Musikzentren Neapel, Rom, Venedig – sie waren erreichbar, die Reisen jedoch dauerten mindestens mehrere Wochen, oft mehrere Monate. Die Komponisten reisten per Pferd, per Kutsche, ab und an zu Fuß. Ein Ausflug in ein anderes Land musste Wochen vorher – freilich per Brief – geklärt, geregelt und organisiert werden. Und selbst wenn der Künstler unterwegs war: Das Risiko blieb. Wenn man Pech hatte, war der Fürst, an dessen Hof man sich um die Stelle des Kapellmeisters bewerben wollte, in der Zwischenzeit anderweitig fündig geworden. Für viele Komponisten beispielsweise war das Reisen aber auch ein kulturelles Erlebnis. Es war gleichgesetzt mit neuer Inspiration, neuen Impulsen durch Land und Leute, die auf die Kompositionen wirkten. Reisen markierten besondere Stationen und Wendepunkte im Leben der Komponisten und sind uns bis heute in vielen Briefen und Zeitzeugnissen überliefert. Prominentes Beispiel: Felix Mendelssohn Bartholdy. Detailgetreu bereitete er in seinen Korrespondenzen seine vielen Reisen vor, berichtete hinterher seinen Freunden und Bekannten in weiteren Schreiben davon. Der Komponist reiste oft nach England, besuchte außerdem Schottland, Italien, die Schweiz. Oder nehmen wir Frédéric Chopin. Seine MallorcaAufenthalte mit seiner Geliebten George Sand sind Legende. Oder Georg Friedrich Händels Trips nach Italien; an Louis Spohr, der seiner Frau für Reisen extra einen eigenen Transportkoffer für ihre Harfe angefertigt haben soll. Man stellt sich hier die Frage, wie das vorrevolutionäre Paris aussah, als Gluck es durchwanderte? Oder wie Antonin Dvořák das große Amerika im Jahr 1893 empfand? Es hatte ihn schließlich zu seiner Sinfonie „Aus der Neuen Welt“ inspiriert. Damals war Reisen noch kein Alltag oder – wie es heute manche Künstler empfinden – lästige Berufsnebenwirkung. Es war vielmehr ein großes Abenteuer. Ob die Mozarts geglaubt hätten, sie würden eines Tages mit dem Flieger von Salzburg in einer Stunde dreißig die Kulturmetropole Paris erreichen? Oder mit dem Zug von Paris nach London über einen Tunnel in nur zweieinhalb Stunden? 60 Jahre später, Nachkriegszeit und Wirtschaftswunder, entwickelte der große Dirigent Herbert von Karajan eine ausgesprochene Vorliebe für alle Verkehrsmittel mit hoher Geschwindigkeit und flog seine zwei Flugzeuge, eine Cessna und eine Pilatus, gleich höchstselbst. Je schneller, desto besser war sein Motto. Wenn die Harley Davidson nicht schnell genug war, wechselte Herbie in den Flügeltürer von

Mercedes. Auf die Frage, welche Sinfonie denn am schönsten sei, antwortete Karajan einmal: „die eines Ferrari V12.“ Und heute? Zurück zu Klaus Florian Vogt und seinem Wohnmobil. Neben seinem fahrbaren Zuhause besitzt der Tenor nämlich ebenfalls eine Pilotenlizenz und sein eigenes Flugzeug. Und manchmal fliegt er selbst zum Konzertort. Die crescendo-Kolumnisten Daniel Hope (Seite 82) und John Axelrod (Seite 64) kommen pro Jahr auf jeweils über 200.000 zurückgelegte Meilen. Hope erzählte kürzlich, er habe sich in einer Kabine des neuen Superairbus erstmals auf ein Konzert vorbereiten können. Er übte – allerdings mit einem Dämpfer auf seiner Geige. Gibt es solche Sondergenehmigungen auch bei der Deutschen Bahn? Ein Anruf bei den Verantwortlichen aber endet enttäuschend. Es würden ständig Musiker mit der Bahn fahren, erklärt die Dame am Telefon, Sonderkonditionen gäbe es aber nicht. Und Instrumente, nein, die wären kein Problem, so lange man sie tragen könne und sie die Mitreisenden nicht behinderten. Waffen seien verboten, aber „da Instrumente nicht explosiv sind, dürfen sie auch in den Zug.“ Bei manchen Fluggesellschaften wird das, aus Sicherheitsgründen, ein wenig anders gehandhabt: Da darf der Kontrabass nicht mit in die Kabine – die Geige schon, weil sie als Handgepäckstück unter acht Kilo wiegt und klein genug ist, in den oberen Ablagefächern oder unter dem Vordersitz zu verschwinden. Das Cello ist da eher ein Streitfall. Dennoch ist das Flugzeug das Reisemittel der Wahl, für einzelne Musiker, aber auch für ganze Orchester. Zwar gäbe es keine deklarierten Sonderkonditionen für Orchester an sich, natürlich würden aber die Tarife für Gruppenreisen gelten, heißt es bei der Lufthansa. Gastspiele großer Orchester in anderen Städten oder im Ausland sind Tagesgeschäft. Da karrt man auch schon mal ein ganzes Opernhaus samt Technikern, Kulisse, Instrumenten, Musikern und Kostümen für sechs Wochen ans andere Ende der Welt. Das von Claudio Abbado gegründete Mahler Chamber Orchestra beispielsweise ist ein Orchester ohne festen Wohnsitz. Die Musiker sind quasi immer „on tour“, die Orchestermusiker kommen aus verschiedenen Ländern und treffen sich dort, wo sie eingeladen sind, zu spielen. In kleinerem Rahmen gab es das übrigens bereits im 18. Jahrhundert: Herumziehende Operntruppen versorgten dort das höfische wie außerhöfische Publikum mit den jeweils aktuellen Erzeugnissen des Musiktheaters. Musiker sind fahrende Gesellen und werden es, in einer kulturell globalen Welt immer bleiben – eigenes Wohnmobil hin oder her. n

Reisende soll man nicht aufhalten: Klaus Florian Vogt mit seinem Wohnmobil, Jascha Heifetz auf dem Schiff.

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Foto: Monika lawrenz

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Die Wichtigkeit Des DrUMherUMs Egal, ob München, Salzburg, Bayreuth oder MeckPomm. Alle großen Klassik-Festspiele setzen immer mehr auf Attraktionen neben den Aufführungen. Autor Michael Sellger hat einige unter die Lupe genommen und stellt fest: kein Festival ohne Rahmenprogramm.

bei ei den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern sorgen auch ausgefallene Verkleidungen für die Unterhaltung des Publikums.

In Bayreuth hat die Zukunft schon begonnen. Dabei ist augenscheinlich alles wie gehabt: Wenn im Juli die 101. Festspiele starten, ist Bayreuth wieder für einen Monat Weltstadt, auch der letzte Holzstuhl im Publikum wird besetzt, die letzte Karte verkauft sein – und das über Jahre hinaus. Allein, der Kartenhunger des Publikums hat merklich nachgelassen. Vor fünf Jahren begehrten im Schnitt zehn Wagnerianer eine der 58.000 Karten. In diesem Jahr waren es mit insgesamt 300.000 deutlich weniger Nachfragen. Mag über dem Grünen Hügel damit noch keine Götterdämmerung dräuen, in Bewegung geraten ist dennoch etwas. Das ist nicht zuletzt daran zu erkennen, dass der schwerfällige Koloss Bayreuth auf sein Publikum zugeht. Als vor vier Jahren erstmals 20.000 Menschen zum Public Viewing auf den Bayreuther Festplatz kamen, sorgte das noch für manches Raunen. In diesem Jahr wird der „Parsifal“ von Rostock bis Füssen bundesweit im Kino übertragen, das Pausenprogramm moderiert Katharina Wagner. Jahrzehnte waren die Einführungen in das Werk Wagners die einzigen Zugeständnisse an ein Publikum, das sich ansonsten mit den Aufführungen zu begnügen hatte. Inzwischen gibt es tatsächlich so etwas wie ein Rahmenpro Rahmenprogramm. Die erst vor zwei Jahren ins Leben Festspiele gerufene Gesprächsreihe „Zäsuren“ fragte orpommern -V rg u b n le vor zwei Jahren „Was ist deutsch?“ und dis disk c e M sten lockt im do or kutiert in diesem Sommer den „Kulturin„Kulturin N im nd Das La n Die Festspiele: 83 verschiedene farkt“. Außerdem gibt es zusätzliche EinfühEinfüh 5 Konzer ten an Indus ter od en Sommer mit 12 un he hlössern, Sc rungen, die sich unmittelbar mit der jeweili jeweiliOrten – ob in Sc Aufführungen bieten dabei nur e gen Inszenierung befassen. riehallen. Manch Platz, andere für knapp 40 00. ste für Hunder t Gä In Bayreuth ist die Zukunft quasi ein einführungsveranmm: Neben Ein ra og pr en hm NachwuchsRa n vo gezogen. Nur ist es nicht schon zu spät? n ge un hr ffü staltungen und Au stände mancher Konzer te Schon länger zeichnet sich ab, dass dem Um abseits tradierMusikern sind die hmenprogramm Musiktheater demographisches Ungemach das eigentliche Ra r Verans taltungen trägt den e de ter Etikette: Ein „Picknick-P ferde-Sinfoniekondroht. Vor zwei Jahren schreckte eine Studie tel Ti en nd ge lsa vie Hanse-Sail die rd wi des Kulturwissenschaftlers Martin Tröndle n re ande zert“, mit einer von der Zeppelin University Friedrichshafen . eröffnet : Bei acht und Jugendliche n Tageser nd die Klassik-Welt auf. Tröndle zufolge sei das Ki r fü te Angebo unsch vo en Kinder auf W i findet in Durchschnittsalter des Opernpublikums Jul Konzer ten könn . 26 werden. Am müt tern betreut nzer t nur für Kinder statt. in den vergangenen zwanzig Jahren um Ko Hasenwinkel ein elf Jahre angestiegen, dreimal mehr als das r i bis 9. Septembe Termine: 9. Jun der Gesamtbevölkerung. Die Studie kommt 5 bis 65 Euro Kartenpreise: Klassik-Pub deshalb zu dem Schluss, das Klassik-Pube v.d m ww w.fes tspieleInformationen: nächs likum sterbe geradezu aus, für die nächsten 30 Jahre rechnet Tröndle gar mit einem 71


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Pubgen Künstlern auch jüngeres Pub Rückgang der Besucherzahlen um Die Festspiele: Jedes Jahr im Spätherbst wird likum locken. Die Innovation im ein Drittel. der Sohn der Stadt für anderthalb Monate groß gefeiert. Bei den mehr als sechzig Konzerten liegt diesjährigen Festspielprogramm Seit wenigen Jahren müht der Fokus aber nicht allein auf Beethoven, so ist mutet reichlich anachronistisch an sich Bayreuth deshalb, Publikumsfür September ein aufwändiges John Cage-Projekt und fokussiert eine Zielgruppe, die nachwuchs heranzubilden. Bereits geplant. unabhängig ihres Alters vor allem am ersten Tag der Festspiele werRahmenprogramm: Lesungen, Public Viewing, Repräerlebnishungrig und von Reprä den die „Meistersinger von NürnSymposien und Installationen machen die mehr als achtzig Veranstaltungen am Rande der Konzerte sentationslust erfüllt ist – 2012 berg“ am frühen Nachmittag aus, das Rahmenprogramm für September wird alstattwird der erste Festspiel-Ball statt eigens in einer Fassung für 6 lerdings erst im August veröffentlicht. Galadinfinden, Vorkonzert und Galadin bis 19-Jährige aufgeführt, neun Angebote für Kinder und Jugendliche: Der ner inklusive. weitere Vorstellungen folgen. Schwerpunkt der Nachwuchsarbeit liegt in Bonn vor Auch in München ist das „Audience Development“ nenallem in der Begegnung mit Musikern hinter den Kulissen der Festspiele und in Schulen. Zudem gibt es Programmheft angeschwollen, aus nen Kulturmanager die VersuWorkshops und Begegnungen mit internationalen Büchschmalen Broschüren sind Büch che, mit neuen Ideen und Events Jugendorchestern und eine Reihe von Familienkonlein geworden, das aktuelle mit neues Publikum zu rekrutieren zerten. Schwerpunkt auf Wagners Ring und an sich zu binden. „Wenn wir Termine: 7. September bis 7. Oktober 2012 Vordes Nibelungen ist auf der Vor das nötig hätten, wäre es zu spät“, Kartenpreise: 9 bis 120 Euro fluoreszierenderseite sogar mit fluoreszieren sagt Peter Emmerich von den BayInformationen: www.beethovenfest.de leuchder Schrift bedruckt und leuch reuther Festspielen. Man habe ein tet im Dunkeln. Ob moderiertes konservatives Publikum mit klaFamilienkonzert, Open-Air, Ringren Erwartungshaltungen, jede Seminar, Festspiel-Gottesdienst Art von Event sei in den Augen oder Live-Stream im Internet – vieler Gäste Profanierung und in München sind die Mauern zu „Sakrileg wider den Meisterwillen“, jenem potentiellen Publikum, das wie es Emmerich nennt. Nicht nur Festspielen heute noch fernbleibt, in Bayreuth mag man nicht ein-schon am bröckeln. Andrea Baugestehen, dass der eigene Nimbus mann von der Bayerischen Staatsallein keine Garantie für immeroper sagt, man wolle mit dem Rahwährendes Ausverkauftsein ist. So menprogramm zum „Ring“ vor heißt es in Salzburg, ein Zuschauer allem Menschen abseits des klaskomme immer wieder, wenn sischen Opernpublikums erreier erst einmal bei den Festspiechen, eines, das zwar kulturaflen war. So selbstgenügsam das fin sei, aber noch keinen Zugang Statement auch ist – man ist hier zum Musiktheater gefunden habe. ungleich reger als in Bayreuth. Die Tatsächlich wird die Oper zunehProgrammfülle ist auch abseits Public Viewing in bonn. mend unpopulärer. des proppenvollen KonzertkalenEine Studie des Bonner Zenders beinahe unüberschaubar: Auf das nur ein Jahr währende Wirken des kürzlich verstorbenen Ivan trums für Kulturforschung und der Deutschen OrchestervereiniNagel geht die Reihe „Dichter zu Gast“ zurück, Einführungsveran- gung kam 2005 zu ähnlichen Ergebnissen wie die pessimistische Studie Tröndles. Demnach fanden im Verglich zu 1965 nur noch staltungen und Feuerwerk sind obligatorisch. Vor vier Jahren wurde eine Reihe von Veranstaltungen ins Pro- halb so viele Deutsche unter 40 mindestens einmal im Jahr den gramm gehievt, die sich nun in erster Linie an den Nachwuchs rich- Weg in die Oper. In Zeiten abnehmender Gegenliebe macht man ten. So gibt es einen Kinderchor und ein Operncamp für Jugendliche, sich deshalb zur Not auch nackig. Am vorletzten Juni-Wochendie sich für einen der thematischen Schwerpunkte Bizet, Puccini oder ende kommt der New Yorker Fotograf Spencer Tunick an die Isar, Strauss entscheiden können. Beide Projekte münden in Aufführun- um möglichst viele nackte Münchner Motive des Rings nachstellen zu lassen. Er hat ähnliche Aktionen schon in Melgen während der Festspielzeit. Abseits der Abendkonzerte bourne, Wien, London und Barcelona fotografiert, wird so das Publikum der Zukunft herangezogen – in Deutschland ist er nun zum ersten Mal interessiert, gebildet, standorttreu. Zudem wird – wahrhaftig ein Coup für die Festspiele, seit 2010 ein Wettbewerb für junge Dirigendenen Aufmerksamkeit damit gewiss ist. ten veranstaltet, in diesem Jahr hat ihn die „Wir zielen mit unserem Programm nicht Litauerin Mirga Gražinytė-Tyla für sich entauf Audience Development ab“, sagt auch schieden und wird während der Festspiele ein Baumann, „wir legen unser Augenmerk auf Konzert dirigieren. Ob junge Wissenschaftler den künstlerischen Wert, auf schlüssige Konund Künstler zum öffentlichen Dialog eingelazepte mit guter Dramaturgie.“ Dafür finden den oder junge Sänger in Workshops gefördert Veranstaltungen in diesem Jahr auch abseits werden – Salzburg will nicht nur Stätte bereits des säulenbewehrten Nationaltheaters am Maxetablierter Künstler sein, sondern mit junJoseph-Platz statt. So wird sich die israelische Choreographin Saar Magal im Haus der Kunst Festspielprogramm 2012 mit der Person Richard Wagners auseinanderder bayerischen staatsoper 72

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Fotos: barbara Frommann; bachfest leipzig/gert Mothes

Beethovenfest Bonn


Weitere infos in unserem Festspielguide der Festspiel-guide-App oder unter www.festspielguide.de

setzen; das wuchtige Haus der Kunst wurde von den Nationalsozialisten errichtet und ist heute für seine zeitgenössischen Kunstausstellungen bekannt. Dort befasst sich auch ein als „MusiktheaterHappening“ beworbenes Projekt mit den Frauenfiguren bei Wagner und in seiner Familie. Hinzu kommen Audio-Guides als App für das Smartphone und eine Theater-Tournee durch München. Und natürlich die Nachwuchsarbeit: Für den FestspielSchwerpunkt „Ring des Nibelungen“ wurde eigens ein Jugendclub gegründet. Jugendliche zwischen 14 und 16 vertiefen sich dafür in Musik, Text und Thematik von Wagners 16-Stunden-Opus. Sie arbeiten mit Künstlern zusammen und erstellen Beiträge für den „Ring-Ordner“, das Begleitheft der Aufführung. Wenn der Sommer anbricht, Bayreuth seinen „Parsifal“ in Kinos überträgt, Salzburg auf seinem ersten Festspiel-Ball tanzt und in Münchens Innenstadt Nackte posieren, hat sich die Musik im besten Falle an jene angenähert, denen klassische Musik, Oper und Festspiele heute noch als Vorliebe von Menschen fortgeschrittenen Alters gilt. Im schlimmsten Fall fühlen sich treue Besucher abgeschreckt, wo sie Aktionismus und Event-Heischen zu erkennen glauben. Das Werben um das Publikum der Zukunft ist ein Balanceakt irgendwo zwischen Marketing und Theaterpädagogik. Die gegenwärtige Situation ist dabei paradox, denn Bayreuth ist ausverkauft, München verweist auf eine Auslastung von 99 Prozent, ebenso Salzburg. Unbehaglich ist der Blick in die Zukunft, so ungern auch über die bachfest im leipziger hauptbahnhof drohende Marginalisierung einer ganzen Gattung gesprochen wird. Mit Blick auf die Altersstruktur der Zuschauer sagt einer der Festspiel-Planer, man habe erst spät die Zeichen der Zeit verstanden: „Wir fragen uns inzwischen oft, was sein wird, wenn der Silbersee im Publikum eines Tages nicht mehr ist.“ n

Bachfest Leipzig Die Festspiele: Dort, wo Bac wirkte, wird jedes Jahr zeh h 27 Jahre als Kantor n Tage lang gefeiert – mit Messen, Motetten und Kirc henkonzer ten. Im Fokus der 120 Verans taltungen steht in diesem Jahr der 800. Gebur tstag des Tho manerchores und der Thomaskirche. Rahmenprogramm: Or gelin die Bach-Stätten des Um und Konzer tfahrten land dem Marktplatz und im Zoo es, Open-Airs auf , Fes tvorträge und musikhistorische Führun gen durch die Stadt. Angebote für Kinder und Jugendliche: Neben dem Bach-Contest genann ten Talentwettbewerb für Kinder im Hauptbahn hof Bach-Festes historische Sch gibt es während des reibwerks tätten und Rätselkonzerte. Während vieler Konzer te steht eine musikalische Kinder betreuung zur Ver fügung . Termine: 7. bis 17. Juni Kar tenpreise: 1 bis 92 Eur o Informationen: ww w.b ach-leipzig.de

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bericht Aus Fernost Die Bayerische Staatsoper gastierte in Hongkong und Tokio. Wir durften mit und entdeckten vor allem Unterschiede auf Seiten des Publikums. Vo n Pa sc al M o rché

„Alle Kineser san Japaner“, sagt Karl Kraus; „Chinesen sind keine Japaner“, sagt Nikolaus Bachler, ihr Interesse an klassischer Musik und ihre Reaktionen darauf seien vollkommen verschieden. Dass es dem Intendanten der Bayerischen Staatsoper so leicht gemacht wird, den großen österreichischen Schriftsteller Kraus zu widerlegen, davon konnte sich die Münchner Oper in zwei verhältnismäßig kurz aufeinanderfolgenden Gastspielreisen in Fernost überzeugen. War man im September vergangenen Jahres in Japan mit Werken von Wagner, Donizetti und Richard Strauss, so präsentierten die Münchner jetzt im Frühjahr beim „Hongkong Arts Festival“ viermal Mozarts „Così fan tutte“. Ein prestigeträchtiges Unternehmen in der vormaligen britischen Kronkolonie, denn ein Gastspiel in Japan, wo westliche Klangkörper regelmäßig herumtouren, ist auch für die Bayerische Staatsoper nichts wirklich Besonderes. Hongkong aber ist anders. Ist China. Ist Opern-Neuland. Während das Publikum in Japan seit Jahrzehnten nach den ewig selben großen Gruberova-Meier-Kaufmann-Netrebko-Namen des Klassik-Zirkus verlangt – „eigentlich wollen sie nur Carlos Kleiber“ (Bachler) – ist man in China bescheiden und freut sich an jungen Sängern, die (noch) keine großen Namen haben, aber wundervoll frische Stimmen wie Tara Erraught, Angela Brower oder Levente Molnár aus dem Münchner Ensemble. Angenehm unglamourös, naiv offen für 74

diese seltsame, vierhundert Jahre alte europäische Kunstform namens „Oper“ und so elegant gekleidet wie ein Kinopublikum in Detmold sitzt man denn im ausverkauften, schmucklosen Saal des „Cultural Center“ auf Hongkongs Halbinsel Kowloon und schaut staunend mit offenen Mündern in die fremde Welt des Rokoko und dessen galante, erotische Scherze. Welch ein Unterschied zu Japan: Wer schon einmal erlebte, wie das Publikum in Tokio hochdiszipliniert, mit stoischer Konzentration und Ruhe selbst einer „Wozzeck“-Vorstellung folgt als handele sich um religiöse Exerzitien, der wundert sich in Hongkong über das laut lustvoll entsetzte Publikum, wenn Mozarts und da Pontes Anzüglichkeiten über die Bühne gehen. Die blutjunge Laura Tatulescu singt als Kammerzofe Despina, dass „eine Frau von fünfzehn Jahren“ eben wissen müsse, „wo der Teufel seinen Schwanz hat“. Kichern! Mann und Frau wälzen sich leidenschaftlich küssend am Boden. Lachen! Die in Englisch und Chinesisch gehaltenen Übertitel gehen auch nicht zimperlich mit Partnertausch und Partnertäuschung auf der Bühne um: „bitch-foxes“ heißt es einmal über Fiordiligi und Dorabella, die beiden weiblichen Hauptrollen. Sehr lautes Lachen! Und während man in Japan weiss, dass man nach den einzelnen Sätzen einer Symphonie nicht klatscht – jubelt das Publikum in China nach jedem Satz und holt www.crescendo.de

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Joel

Frederiksen

Fotos: Claudio Zacc/Fotolia.com; Kit Chan; Wilfried Hoesl (2)

Eine Hommage an Nick Drake im Geist des elisabethanischen Zeitalters

auch mal während eines Konzerts das Sandwich aus der Plastiktüte. Japan und China, in der Rezeption klassischer Musik und in der Stimmung des Publikums ist das in etwa so ein Unterschied wie Bayreuth zu Verona: Dort Andacht, hier Südkurve. Auch wenn China als Metropole der Zukunft Shanghai aufbaut, so markiert Hongkong noch immer das Prinzip „Ein Land, zwei Systeme“ und ist eine kapitalistische Metropole. Doch die globale Lackschicht von Armani bis Zegna und von H&M bis Zara ist dünn und schnell steht man auch hier mitten in: China. In einem Land, dass im Gegensatz zu Japan keine Tradition auf dem Gebiet klassischer Musik hat. So hört ein Großteil des Publikums zum ersten Mal eine Oper! Missverständnisse sind da nicht ausgeschlossen: Manche, wie die Chinesin Lo Sin Ying glauben sogar, dass „blonde Frauen grundsätzlich schöner singen als dunkelhaarige“. Für ein europäisches Opern­ensemble sei es sehr wichtig, „hier in China Flagge zu zeigen“, sagt Viktor Schoner, der künstlerische Betriebsdirektor der Bayerischen Staatsoper, nach einer der umjubelten „Così“-Vorstellungen. Schoner­spricht von der „Markt­erschließung Chinas“, sagt: „Wir leisten hier Entwicklungshilfe“ und fragt sich schließlich, wer in 100 Jahren wohl überlebt haben wird: „BMW oder die Bayerische Staatsoper?“ Er glaubt: die Oper. „Denn Autos können Chinesen kopieren, eine ‚Così‘ nicht.“ n 75

CD HMC 902111

© Éric Larrayadieu

Skyline von Hongkong, Mitglieder der Bayerischen Staatsoper mit japanischen Darstellern (links). Während das Publikum in Japan vor Begeisterung ­stehende Ovationen gewährt (oben), klatschen die ­Chinesen meist noch an der falschen Stelle (unten).

REQUIEM FOR A PINK MOON Joel Frederiksen, Bass, Laute Ensemble Phoenix Munich Für dieses Projekt haben sich Joel Frederiksen und seine Musiker wieder früheren Zeiten zugewandt … zur Abwechslung einmal den wilden Siebzigern. 1974 nämlich verstarb mit gerade einmal 26 der englische Singer-Songwriter Nick Drake, der erst lange nach seinem Tod berühmt wurde. 1972 veröffentlichte er mit „Pink Moon“ sein bestes Album, eine Legende der späten Siebzigerjahre. Hier erlebt es, als ein Streifzug durchs elisabethanische Zeitalter, sein Revival. Ein ausgesprochen ungewöhnliches Projekt, das sicher die Fans von Nick und Joel gleichermaßen neugierig machen wird …

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Advertorial

Wir machen Dinge, die es anderswo nicht gibt •

Volker Mattern, Leiter Bayer Kultur

Lässt das Klavier „singen“: Alexander Krichel aus Hamburg

Foto: Steven Haberland

Herr Mattern, Bayer Kultur wurde kürzlich mit zwei der wichtigsten nationalen bzw. internationalen Sponsoring-Awards im Bereich Kultur ausgezeichnet. Stolz? Dass wir in beiden Fällen nicht nur für unsere 100 Jahre lange Tradition als Leverkusener Kulturinstitution, sondern auch für die nachhaltige Förderung des künstlerischen Nachwuchses ausgezeichnet wurden, freut uns ganz besonders, denn darin sehen wir einen zentralen Aspekt unserer Arbeit. Und das, obwohl Bayer gar kein festes Ensemble hat. Genau aus diesem Grund war es mir von Beginn an ein Anliegen, etwa l’arte del mondo und die jeweiligen stART-Künstler fest an unser Haus zu binden und mit weiteren ständigen Kooperationspartnern, wie etwa der „Busch-Hochschule“ in Berlin, neben unseren Gastspielen auch hochkarätige Eigenproduktionen auf die Bühne zu bringen. Die Gattung Oper ist auch neu, oder? Als Musiktheatermann hat es mich natürlich geschmerzt, dass die Oper bei Bayer Kultur keine Rolle spielte. Mit der „Jungen Oper Leverkusen“ kehrt diese Gattung nun aber endlich in unseren Spielplan zurück. Das Abonnement ist zwar klein, aber konzeptionell ambitioniert. Ergänzt wird es regelmäßig durch Musiktheaterproduktionen für Kinder. Was erwartet die Besucher noch? Unsere Spielzeitthemen sind immer bewusst weit gefasst. Das Thema 12/13 heißt „Innenwelten-Außenwelten“ und beschäftigt sich in allen Musikreihen intensiv mit Franz Schubert. Aber auch die Veranstaltungen der anderen Sparten kreisen um dieses komplexe Thema. Für wen macht Bayer Kultur sein Programm? Das machen wir traditionell für die Bürger der Stadt Leverkusen. Seit einiger Zeit bemühen wir uns aber auch verstärkt darum, Publikum aus den Metro­polen Köln und Düsseldorf zu locken. Und natürlich können auch die zahlreichen Geschäftspartner aus der ganzen Welt in Leverkusen erfahren, dass bei uns häufig Dinge zu erleben sind, die es anderswo nicht gibt.

stART-schuss Das Nachwuchsprogramm von Bayer Kultur fördert hochtalentierte Nachwuchskünstler

A

ls die Bayer AG Leverkusen im Herbst 2011 auf der fünften Kulturmarken-Gala im Tipi am Berliner Kanzleramt als Kulturinvestor des Jahres ausgezeichnet wurde, war auch und vor allem das stART-Programm der Grund dafür. Stephan-Andreas Casdorff, Chefredakteur des Berliner Tagesspiegels, hob in seiner Laudatio hervor: „So muss es sein, wenn wir Kultur haben wollen. So muss arbeiten, wer Kultur schaffen will. Da lohnt sich die Investition.“ Dass das Förderprojekt stART tatsächlich den Beginn einer wunderbaren Karriere bedeuten kann, belegt aktuell der Fall des Signum Quartetts. Zwar nimmt Bayer­Kultur nach drei Förderjahren nun Abschied, doch muss einem um die weitere künstlerische Laufbahn der vier Streicher nicht bange sein. Bayer Kultur liegt sehr viel daran, den hochtalentierten künstlerischen Nachwuchs aus den Sparten Musik, Tanz, Schauspiel und Kunst nachhaltig und damit für die jeweilige Karriere wirklich tragfähig zu fördern. Die Namen, die man sich – spätestens – nach der kommenden Spielzeit merken sollte, sind Valentin Radutiu (Violoncello) und Alexander Krichel (Piano). Denn die beiden sind die neuen stART-Künstler von Bayer Kultur. Es beginnt nun eine dreijährige, intensive Zusammenarbeit. Krichel, 1989 in Hamburg geboren, gehört mittlerweile zu den vielversprechendsten deutschen Nachwuchspianisten. Publikum und Presse loben seine herausragende Technik und seine zugleich jugendlich-gefühlvollen und analytisch-durchdachten Interpretationen sowie die Fähigkeit, das Klavier singen zu lassen. Dem Cellisten Valentin Radutiu, 1986 in München geboren, wird ein aufregend eigener, energiereicher, in der Höhe berückend singender, in den tiefen Registern stets klar konturierter, grummel- und brummelfreier männlicher Ton attestiert. Foto: Pedro Malinowski

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Advertorial

highlights

Bayer Kultur

Edita Gruberova

Edita Gruberova wird sich nach Jahren der Mozart-­ Abstinenz zusammen mit l’arte del mondo wieder dem Opernrepertoire dieses Komponisten zuwenden. Im Bayer Kulturhaus entsteht auch eine CD und im Rahmen von stART gibt Edita Gruberova zwei Masterclasses. 7. April 2013 im Bayer Kulturhaus

Uraufführung

Foto: Rüdiger Breitbach

Das 150. Jubiläum der Bayer AG 2013 ist Anlass eines Kompositionsauftrages an Walter Steffens zu einer „Musikalischen Bildreflexion“ über Gerhard Richters „Abstract Picture (555)“. Das Violinkonzert wird von Alina Pogostkina und dem Deutschen Sinfonieorchester Berlin uraufgeführt.

Valentin Radutiu verfügt über technische Souveränität und musikalische Intelligenz

Die Auftaktveranstaltung der ersten gemeinsamen Spielzeit beginnt gleich mit einem Paukenschlag. Alexander Krichel wird im August 2012 im Bayer Kultur­ haus seine erste SONY-CD einspielen. Bezug nehmend auf das Spielzeit-Thema „Innenwelten-Außenwelten“ stehen Werke von Robert Schumann und Franz Schubert auf dem Programm. Mit diesem Repertoire stellt er sich auch bei seinem Recital am 26. Februar 2013 dem Publikum vor. Am 13. September 2012 präsentiert sich Valentin Radutiu mit seinem Klavierpartner Per Rundberg in der Kammermusik-Reihe. Dabei steht unter anderem die Sonate seines rumänischen Landsmanns George Enescu als veritable Entdeckung auf dem Programm. In der Sinfoniekonzert-Reihe ist Radutiu am 12. März 2013 der Solist in Peter Ruzickas Konzert für Violoncello und Kammerorchester „Über die Grenze“. Weitere stARTTermine sind die Uraufführung von „Barfuß auf dem Eise“, einem Stück über Franz Schubert von Julia Riegel und Caroline Neven Du Mont sowie das Konzert des Benjamin Schaefer Trios am 3. November 2012 bei „Jazz at midnight“. stART beinhaltet eine gezielte Förderung der Nachwuchskünstler. Konzerte, CD-Produktionen, Probenmöglichkeiten und die Realisierung individueller künstlerischer Projekte schaffen wichtige Voraussetzungen zur erfolgreichen Weiterentwicklung der persönlichen Karriere. Und die „Fälle“ der ersten stART-Künstler belegen, dass es sich bei dem Engagement tatsächlich um einen „stART“Schuss handelt: Der Pianist Hardy Rittner etwa hat für seine CDs schon zwei ECHO-Klassik-Preise erhalten, während das Signum Quartett von der BBC in ihr Förderprogramm aufgenommen wurde. Übrigens: Bayer Kultur verabschiedet seine stART-Künstler ganz bewusst nicht mit dem rheinischen „Tschö“, sondern mit einem „auf Wiedersehen“. In der aktuellen Spielzeit waren die öffentlichen GeneSie wollen dabei sein? ralproben mit dem Signum Quartett derart beliebt, Kartenservice: dass es diese auf Bitten der Künstler weiterhin Tel. +49-(0)214-30412-83/84, geben wird. Jörg Widmann war von der Zusamkartenbuerokultur@bayer.com menarbeit so begeistert, dass es im Bayer Kulturoder bei koelnticket.de haus zur ersten zyklischen Aufführung seiner fünf Tel. +49-(0)221-2801 Streichquartette an einem Abend kommen wird. Informationen:

12. April 2013 im Bayer Kulturhaus, 13. April 2013 im Radialsystem Berlin

WID M ANN ZYKLIS CH

Die fünf Streichquartette Jörg W ­ idmanns bilden einen überdimensionalen Sonatensatz-Zyklus. Das Signum Quartett und die Sopranistin Barbara Emilia Schedel führen die fünf Quartette zum ersten Mal an einem Abend in zyklischer Form auf. Auch dies verbunden mit einem Workshop von Jörg Widmann. 7. Mai 2013 im Bayer Kulturhaus

Kinderoperette

Die Uraufführung von „Das Gift im Lift“ – einer Kinderoperette von Kay Link nach Offenbachs „Orpheus in der Unterwelt“ – wurde im März 2012 stürmisch umjubelt. Die erste Musiktheaterproduktion für Kinder von ­Bayer Kultur ist im Dezember erneut zu erleben. ab 15. Dezember 2012 im Bayer Kulturhaus

kalender Mo. 11.06. 20.00 Igor Levit So. 09.09. 18.00 Gluck: Le Cinesi / l’arte del mondo Do. 13.09. 19.30 Valentin Radutiu / Per Rundberg Mo. 01.10. 19.30 Alexej Gorlatch So. 21.10. 18.00 Riegel/Neven Du Mont: Barfuß auf dem Eise (UA) Mo. 05.11. 19.30 Thomas Zehetmair / Ruth Killius Mi. 05.12. 19.30 Irma Issakadze Di. 26.02. 19.30 Alexander Krichel

www.kultur.bayer.de

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Advertorial

junge oper leverkusen Mit Beginn der Spielzeit 2012/13 hält auch die Oper – „die unmöglichste aller Kunstgattungen“ – wieder Einzug in den Spielplan von Bayer Kultur.

Foto: peuserdesign.de

„Le Cinesi“ feierte in Potsdam-Sanssouci ­Erfolge. Nun kommt die Oper nach Leverkusen.

E

r sei nun einmal ein Musiktheater-Mann, schildert Bayer und Leverkusen­zu sehen sein. „Eine spannende Entdeckung“, Kultur-Chef Volker Mattern sein Streben, auch die Gattung verspricht Volker Mattern. Edita Gruberova wird sich nach vielen Jahren der MozartOper im breitgefächerten Angebotskatalog zu etablieren. „Und es hat mich am Anfang ein wenig geschmerzt, dass Abstinenz zusammen mit l’arte del mondo wieder dem Opernrepereine der wichtigsten Kunstgattungen in unserem Angebot gar nicht toire des Salzburger Komponisten zuwenden – mit der Premiere in präsent war.“ In der Spielzeit 2010/11 wurde dem heiteren Musik- Leverkusen. Darauf freut sich eine weltweite Fangemeinde. Dieses theater in der Reihe Boulevard & Broadway wieder ein fester Platz Konzert-Projekt wird zudem auf CD festgehalten und tritt schließlich eingeräumt und in der kommenden Spielzeit hält auch die Oper wie- seine Reise durch die bedeutendsten Konzerthäuser der Welt an. Auch hier werden junge Sängerinnen und Sänger gefördert, denn der Einzug in den Spielplan von Bayer Kultur. „Schier unglaubliche Suggestionskraft entwickeln die Musi- Edita Gruberova gibt in Leverkusen zwei Masterclasses. Neben Barock und Vorklassik bildet die zeitgenössische Oper ker auf der Bühne“, überschlug sich die Presse geradezu vor Lob. Lob über das permanente Orchestra in Residence l’arte del mondo die zweite Säule des kleinen aber ambitionierten Abos. 2012/13 unter der Leitung von Werner Ehrhardt. Bayer Kultur hat wahr- steht Edward Rushtons „Leinen aus Smyrna“ auf dem Spielplan. lich ein exzellentes Orchester für das barocke und klassische Neben l’arte del mondo gibt es einen zweiten wichtigen Partner: Repertoire im Haus. Dieses wird in der neuen Spielzeit an drei Die „Junge Oper Leverkusen“, Mitglied der Rheinischen OpernProjekten des neuen Opernabonnements beteiligt sein. Christoph akademie der Hochschule für Musik und Tanz Köln. Die Absolventen des Musiktheater-Studiengangs der Köl­Willibald Glucks „Le Cinesi“ feierte schon 2011 bei ner Hochschule erhalten hier die Möglichkeit, den Internationalen Musikfestspielen Potsdamneugierig geworden? Erfahrungen außerhalb des Hochschulbetriebs Sanssouci einen sensationellen Erfolg, an dem Kunststoff lesen zu sammeln. Werner Ehrhardt und sein Orchester maßgeblich KUNSTstoff ist das Bayer Kultur-Magazin mit Ein junges, international renommierbeteiligt waren. Ebenfalls in Kooperation mit den Hintergrundinformationen tes Orchester mit historischen Instrumenten, Potsdamer Musikfestspielen wird die Oper „Peters zu ausgewählten junge, hochtalentierte Sängerinnen und SänBryllup“­(„Peters Hochzeit“) des deutschen KomThemen. ger, junge Regisseure, Dirigenten, Bühnen- und ponisten Johann Peter Abraham Schulz als Erstwww.kultur.bayer.de/de/ KUNSTstoff.aspx Kostümbildner: Die „Junge Oper Leverkusen“. aufführung des 20./21. Jahrhunderts in Potsdam

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Advertorial

Jung und Gut Franz Schubert bildet den „roten Faden“ des Klavier-Zyklus der Spielzeit 2012/13

Die Russin Anna Vinnitskaya bildet den Schlusspunkt der Reihe

Anschlag, polyphonem Spiel und atemberaubender Virtuosität wird die Hörer verblüffen. Eine Künstlerin mit „Gespür für Seelenzustände“, deren Spiel „ein klang-ästhetisches Erlebnis höchster Güte“ ist, nannte die Presse die Pianistin Hideyo Harada. Die japanische Pianistin stellt dem Publikum von Bayer Kultur mit Alexander Skrjabin einen noch immer rätselhaften Komponisten vor. Den Schlusspunkt des Klavier-Zyklus bildet nach dem stART-Künstler Alexander Krichel die Russin Anna Vinnitskaya. Mit traumhafter Anschlagskon­ trolle interpretiert die 29-Jährige Brahms, Debussy, Prokofjew und Schubert. Den „roten Faden“ im Zyklus bildet das Werk Franz Schuberts, des großen „klassischen Romantikers“. Dessen zwischen Außenwelt (seiner tragischen Existenz) und Innenwelt (seinem berückenden, intimen, unglaublich dichten musikalischen Œuvre) zerrissene Persönlichkeit ist dabei Paradigma für die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Spielzeitthema „Innenwelten-Außenwelten“. Foto: Gela Megrelidze / Naïve

S

ie sind jung. Und sie sind gut. Verdammt gut. Die Rede ist von den Protagonisten des Klavier-Zyklus von Bayer Kultur. „Wo mag das dann noch hinführen?“, fragt man sich vor dem Hintergrund der Behauptung, Musiker würden mit zunehmendem Alter immer besser. Seit Beginn der Spielzeit 2011/12 und im Verlauf der drei folgenden Spielzeiten präsentiert Bayer Kultur die 20 interessantesten jüngeren Pianistinnen und Pianisten der Welt. Den Auftakt macht 2012/13 Dejan Lazi´c . Der aus Kroatien stammende Pianist spiele „frisch, spontan und leidenschaftlich”, meinte einst die New York Times – was ihn für das Programm zwischen Tanz, Volksmusik und künstlerischer Vollendung prädestiniert. Auf dem Plan stehen Werke Scarlattis, Bartóks und Schuberts. „Bei Wettbewerbsgewinnern“, meinte der 22-jährige russische Pianist Alexej Gorlatch nach dem Gewinn des ARD-Musikwettbewerbs 2011, „stellt man sich oft die Frage: Wer ist das? Diese Frage möchte ich mit meiner Musik beantworten.“ Das Leverkusener Publikum wird es verstehen. Franz Schuberts letztes Instrumentalwerk, die B-Dur-Klaviersonate steht auf dem Programm der gebürtigen Georgierin Irma Issakadze. Deren Ausdrucksstärke, verbunden mit glasklarem

Termine: 10./11.09. (Lazi´c ), 01./ 02.10. (Gorlatch), 04./ 05.12. (Issakadze), 14./15.01. (Harada), 26./27.02. (Krichel), 22./ 23.04. (Vinnitskaya)

Aufforderung zum „Mitmachen!“ Bayer Kultur will Kinder und Jugendliche aktiv an Kultur heranführen

W

Foto: Pedro Malinowski

ie entsteht eine Theaterproduktion? Woher kommt das Bühnenbild? Welche Aufgabe hat ein Regisseur? Wie laufen die Proben ab? Das sind Fragen, die sich die Mitwirkenden im Dezember von Schülerinnen und Schülern gefallen lassen müssen. Denn dann finden die Wiederaufnahmeproben zur Kinderoperette „Das Gift im Lift – warum Orpheus ganz nach unten fuhr“ statt. Aus dem berühmten Dauerbrenner „Orpheus in der Unterwelt“ von Jacques Offenbach hat der Regisseur und Autor Kay Link im Auftrag von Bayer Kultur eine höchst vergnügliche Kinderoperette geschaffen, die im März 2012 ihre umjubelte Uraufführung hatte. „Mitmachen!“ ist die Aufforderung und der imperative Titel der „Education“-Reihe von Bayer Kultur. In zwei Kategorien – Kinder und Jugend –

haben die Veranstalter ein vielseitiges und spannendes Angebot konzipiert. Neuer Berlin-Partner ist übrigens das Junge DT – die Jugendsparte des Deutschen Theaters Berlin. Ziel ist es auch, das „Publikum von morgen“ zu generieren, doch Bayer Kultur verwendet eben nicht den obligatorischen Zauberflöte-für-Kinder-Holzhammer. In Formaten wie Theaterworkshops, Kunstateliers oder Gesprächskonzerten möchte Bayer Kultur Kinder und Jugendliche aktiv mit Kunst, Musik, Tanz und Theater bekannt machen – nicht nur als Zuschauer, sondern auch als Akteure. l’arte del mondo wird mit den „Vier Jahreszeiten“ im Gepäck Schulen besuchen, Julia Riegel und Caroline Neven Du Mont, Autorinnen des Stücks „Barfuß auf dem Eise“, geben Workshops. Dies sind nur zwei von vielen interessanten Angeboten. Die stART-Künstler Alexander Krichel und Valentin Radutiu werden ebenfalls „Mitmachen!“ Krichel wird darstellen, dass Lieder auch ohne Text und nur mir Piano verständlich sind und Radutiu wird der Frage nachgehen: Kann ein Cello wirklich atmen und singen? Ab 15. Dezember 2012: „Das Gift im Lift – warum Orpheus ganz nach unten fuhr“

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e r l e b e n

Jessye Norman (1968)

Heinz Holliger (1961)

Sol Gabetta (1998)

Artemis Quartett (1996)

Wiege der Stars Seit 60 Jahren versammeln sich beim ARD-Musikwettbewerb in München die Talente. Hier zu siegen, ist schon fast eine Garantie für den Durchbruch. V o n T e r e s a P i e s c h a c ó n Rap h a e l

Einst ließ sich der Satyr Marsyas auf ein Wettsingen mit Apoll ein. der ARD. Heute steht er unter der Obhut des Bayerischen Rundfunks. Sein Vorläufer war der „Wettbewerb für junge Solisten“, der Doch Apoll siegte und ließ Marsyas aufhängen und häuten. Heute wird dem Verlierer nicht mehr das Fell über die Ohren gezogen, Ende der Vierziger Jahre von Radio Frankfurt durchgeführt gleich zwei Sängerinnen entdeckte, die Weltkarriere machten: Christa doch jeder Sieg wird ein bisschen wie ein Gottesurteil behandelt Ludwig und Erika Köth. und der Sieger als der „Beste“ gefeiert; etwa dann, wenn er aus dem Über 500 Bewerbungen gingen für den diesjährigen Wettberenommierten internationalen Musikwettbewerb der ARD hervorwerb ein, der in den Kategorien Gesang, Klarinette und Streichquargeht. Als unlängst der berühmteste Trompeter der Welt Maurice André im Alter von fast achtzig Jahren starb, hallte er in jedem Nach- tett stattfindet. Zu 88 Prozent stammen sie aus dem Ausland. Nebst Biographie und zwei Empfehlungen bekannter Persönlichkeiten, galt ruf nach, sein Sieg im ARD-Musikwettbewerb von 1963, der dem ehemaligen Bergmann eine fulminante Musikerkarriere ermöglichte. es eine (ungeschnittene) Ton-Konzert-Aufnahme einzuschicken, die nummeriert und von einer Vorjury anonym begutachtet wurde – das Und Jessye Norman erinnert sich heute noch an ihr Glück „dabei zu sein“, als sie 1968 in München den 1. Preis im Fach Gesang ergatterte. „Nadelöhr“, durch das der Kandidat „durch muss“, meint Axel LinFür Thomas Quasthoff (1. Preis Gesang 1988) war der ARD-Wettbe- städt, seit 2006 der Künstlerische Leiter des Wettbewerbs. „Die Vorwerb „das Sprungbrett für einen wunderbaren musikalischen Weg.“ jury kennt weder die Namen noch die Nationalität. Nur Nummern. Erst später erfahren sie biographische Details“. Mehr noch, der Juror, Christoph Eschenbach (2. Preis Klavier, 1962) findet ihn „einen der ‚musikalischsten‘ und facettenreichsten Wettbewerbe überhaupt.“ Sol „der einen Studenten im Rennen hat, darf nicht an der Entscheidung mitwirken, er muss das Zimmer verlassen, wenn über seinen SchüGabetta (3. Preis Violoncello, 1998) hingegen war beeindruckt von ler verhandelt wird“. Etwa 200 Kandidaten der „Programmvielfalt“ und der „guten Stim61. Internationaler haben diesen Prozess nun überstanden und mung trotz der angespannten WettbewerbssituaMusikwettbewerb der ARD werden sich Anfang September im öffenttion“. So dürften auch die Karrieren von Mitsuko 6. bis 21. September 2012, München lichen Vorspielen eines Pflicht- und KürUchida, Yuri Bashmet, Christian Tetzlaff, Sharon Informationen und Kartenservice: Repertoires in der Musikhochschule, dem Kam, Heinz Holliger oder Peter Sadlo profitiert Tel.: +49-(0)89-5900-2471 Herkulessaal, dem Carl-Orff-Saal und der haben von ihrem Sieg beim ARD-Wettbewerb. Fax: +49-(0)89-5900-3573 Philharmonie einer hochkarätig und interSeit 1952, also seit sechzig Jahren, gibt es ard.musikwettbewerb@brnet.de national besetzten Jury stellen. Die Sparte ihn nun, den Internationalen Musikwettbewerb www.ard-musikwettbewerb.de 80

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Juni – Augus t 2012


Bernd Glemser (1987)

Thomas Quasthoff (1988)

Fotos: BR/ARD-Musikwettbewerb (3); BR/Foto Sessner (2); Dorothee Falke; BR/Hans Grimm

Tecchler Trio (2007)

STAATLICHE HOCHSCHULE FÜR MUS IK UND DAR STELLENDE K UNST STUTTGART 3 0 . S E P T E M B E R – 7 . O K TO B E R 2 0 1 2

JURY P E T E R SC H R E I E R · G U N D UL A JA NOWITZ B I R G I D ST E I N B E R G E R · G R A HA M JOHNS ON W O L F RA M R I E G E R · KUR T WID MER

REPERTOIRE S C H U B E R T, W O L F u. a.

ANMELDESCHLUSS 15. J U L I 2012

SEMIFINALE + FINALE ÖFFENTLICH / EINTRIT T FREI

PREISTRÄGERKONZERT 7 . O K TO B E R 2012

WEITERE INFORMATIONEN W W W. L I E D - W E T T B E W E R B. D E

Gesang etwa steht unter dem Vorsitz von Brigitte Fassbaender und zählt Jurymitglieder wie Juliane Banse und Christoph Prégardien, Tom Krause aus Finnland oder Edith Wiens aus Kanada. Milan Turkovic aus Österreich führt die Jury der Sparte Klarinette, unterstützt von Sabine Meyer, Franklin Cohen (USA) und Eric Hoeprich aus den Niederlanden. Die Kategorie Streichquartett wiederum verantwortet Markus Hinterhäuser aus Österreich und mit ihm Raphael Merlin (Frankreich), Jacqueline Thomas (Großbritannien) und Oyvor Volle aus Norwegen – um nur einige zu nennen. Im ersten und zweiten Durchgang kann jeder Juror bis zu 9 Punkte vergeben. Mit mindestens 6 Punkten rückt der Kandidat in die nächste Runde. Ab dem Semifinale ist das Niveau erfahrungsgemäß so hoch, dass Unterschiede nur graduell auszumachen sind, schließlich bestehe, so Musikkritiker Joachim Kaiser, „an der Kunst der sechs Besten kaum Zweifel“. Nun werden keine Punkte mehr verteilt, sondern Platzierungen, in denen allerdings die Punktzahl der Vorrunden berücksichtigt wird. Erstmals wird man in diesem Jahr alle Kategorien ab dem Semifinale live im Internet auf der Website des Wettbewerbs verfolgen können, so auch die Preisträgerkonzerte mit dem Symphonie­ orchester des Bayerischen Rundfunks, dem Münchner Rundfunkorchester und dem Münchener Kammerorchester. Ordentliche Preisgelder gibt es zu gewinnen: Der erste Preis ist mit je 10.000 Euro dotiert, die Sparte Streichquartett mit 24.000 Euro. Hinzu kommen Sonderpreise diverser Institutionen etwa des Münchener Kammerorches­ters oder des BR-Klassik, sowie ein Publikumspreis und ein Preis für die Interpretation für das eigens für den Wettbewerb komponierte Pflichtstück. Und nicht zuletzt öffnen sich den Preisträgern die Türen der großen Konzerthäuser und Orchester. Wer sich in diesem Jahr in den Reigen der illustren Gewinner einreihen und damit eine große Chance auf eine internationale Karriere erhalten wird, entscheidet sich vom 6. bis 21. September. n

WWW.

RHEINFALLFESTIVAL .COM

DIETER MEIER  BARBARA SCHÖNEBERGER  OROPAX CHAOS THEATER  SIMONE KERMES  EVA MATTES  STEFF LA CHEFFE  JASMIN TABATABAI  PETER BICHSEL  MARTIN WALKER  JOO KRAUS & TALES IN TONES TRIO  BEAT FURRER  BRIT RODEMUND  GARDI HUTTER  URSULA HAAS  STEFAN GEMMEL  HANSJÖRG SCHNEIDER  MELANIE SCHMIDLI GESSLER-ZWILLINGE GESSLER-ZWILLINGE  ENSEMBLE MODERN

MUSIK

COMEDY

KUNST

LITERATUR

BALLETT

26. JUNI –1. JULI 2012 Vorverkauf

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e r l e b e n

Vom Meisterkurs zum Festival Die renommierten Weimarer Meisterkurse finden seit über fünfzig Jahren statt. Dieses Jahr ergänzen Filme, Gespräche, Oper, Konzerte und vieles mehr das Musikertreffen zum vollwertigen Festival. Von Martin Morgenstern

pretiert am 15. Juli in der Weimarhalle an Franz Liszts „Totentanz“. Die Weimarer Meisterkurse sind erfolgreich im internationalen Wer nicht sowieso mit einer Dauerkarte ausgestattet ist, sollte Master-Class-Sommertrubel verankert und dieses Jahr erstmals auch als Festival und Höhepunkt des neuen „Weimarer Sommers“ aber auf jeden Fall die Teilnehmerabende im Festsaal des Fürskonzipiert. Sie verstehen sich nun stärker als Brücke von der Hoch- tenhauses am Platz der Demokratie besuchen. Dort musizieren etwa die Jungpianisten des Kirschnereit-Kurses mit den Cellistinschularbeit in die breite Öffentlichkeit. So öffnet die Hochschule für nen und Cellisten, die sich bei Michael Sanderling eingeschrieben Musik Franz Liszt vom 13. bis 28. Juli zwei Wochen lang ihre Türen haben. Sanderling schwor zwar als neuer Chefdirigent der Dresdner für alle Menschen, die mehr über Musik erfahren möchten, egal ob Philharmonie seinem Instrument öffentlich ab, kann aber von den Meister, Schüler oder Publikum. Bei den Weimarer Meisterkursen können musikaffine Schnup- Weimarer Kursen, zu denen er seit 2005 eingeladen ist, nicht lassen. Glück für seine Fans: In der kleinen Residenzstadt wird er noch einperfüchse nun nicht nur dem hoffnungsvollen Nachwuchs aus über zwanzig Ländern zu Beginn seiner Karriere lauschen – und viel- mal in sein altes Leben zurückschalten und selbst zum Cello greifen. leicht die ein oder andere beglückende Entdeckung machen –, son- Bei den Weimarer Meisterkursen ist also bei Weitem nicht nur der Klassik-Nachwuchs zu erleben, sondern vor allem auch die aktuelle dern auch Termine mit den Gastprofessoren buchen: als „Meister im Konzert“ konzertieren nämlich der Pianist Matthias Kirschne- Riege etablierter Künstler. In Musikgesprächen reflektieren namhafte Autoren über reit, der Cellist Alban Gerhardt oder Stefan Schulz, im täglichen Musik. In der Reihe Orchesterkonzepte stellen sich Ensembles mit Leben Posaunist bei den Berliner Philharmonikern, öffentlich im unterschiedlichem RepertoireschwerpunkFürstenhaus, im Saal am Palais oder der Weimaten und ihren spezifischen Arbeitsweisen rer Altenburg. Ingolf Turban, der als 24-jähriger Weimarer Meisterkurse vor. Preisträger internationaler MusikJungspund seine Position als Konzertmeister der 13. bis 28. Juli 2012 wettbewerbe treten auf. Das OrchesterMünchner Philharmoniker an den Nagel hängte Informationen und Kartenservice: studio ermöglicht den Teilnehmern, mit und fortan als Solist eine rasante internationale Tel.: +49-(0)3643-745 745 großem Orchester Konzertrepertoire zu Karriere hinlegte, wird ebenso auftreten wie der e-Mail: tourist-info@weimar.de proben. Den Abschluss bildet das Konzert­ Tastenlöwe Konstantin­Scherbakov;­der interwww.hfm-weimar.de/meisterkurse 82

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Juni – Augus t 2012


Platzmangel ? Hier die Lösung ! Fotos: www.guido-werner.com (2), Maik Schuck, Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar

CD/DVD und Plattenregale aus Metall zum Beispiel

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Junge Musiker und etablierte Künstler – wie Alban Gerhardt, Sharon Kam oder Michael Sanderling (v.l.) – gestalten gemeinsam die Weimarer Meisterkurse.

der besten­Kursteilnehmer, die am 28. Juli erstmals um den Preis des Weimarer Publikums spielen, begleitet von der Jenaer Philharmonie.­ Eine weitere Neuerung sind die Opernaufführungen. Die Lautten Compagney Berlin kommt hierfür zu einem „Meisterkurs Barock­oper“ nach Weimar, um Händels erste Londoner Oper mit jungen Sängerinnen und Sängern zu erarbeiten und konzertant aufzuführen. Unter der musikalischen Leitung von Wolfgang Katschner bildet der historische Festsaal des Weimarer Stadtschlosses den prachtvollen Rahmen für eine intensive Probenwoche, die von zwei „Rinaldo“-Aufführungen am 26. und 27. Juli gekrönt wird. Am anderen Ende der abendländischen Musikskala bewegt sich am 16. Juli das Konzert mit dem „ensemble unitedberlin“ mit John Adams‘ „Chamber Symphony“ (1993) und Werken von Teilnehmern des Weimarer Kompositionsworkshops. Vervollständigt wird das Panorama der diesjährigen Meisterkurse durch eine Serie von Musikfilmen, die im Kommunalen Kino mon ami gezeigt werden­und die Musik und ihre Macher thematisieren, darunter „Jenseits der Stille“ und „Russlands Wunderkinder“ in zwei Teilen. Hinzu kommen lange Nächte der Musik, Lesungen von Oliver­Hilmes aus seiner Liszt-Biographie und von Eva Gesine Baur aus ihrem Schikaneder-Buch. Als i-Tüpfelchen auf dem Festival­programm fungiert ein Open-Air-Konzert des „Trio Daniel ­Schnyder“ auf dem Platz der Demokratie am 21. Juli. n

Al

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ben! Rund 30 Konzerte an acht Wochenenden in den schönsten Schlössern, Kirchen, Burgen, Klöstern und Innenhöfen Mittelfrankens, z.B.: Emma Kirkby, Jan Kobow, Tim Mead, Klaus Mertens, Leon Berben, Cantus Cölln, The King’s Singers, Batzdorfer Hofkapelle, Compagnia di Punto, London Baroque, Pera Ensemble, Trio Mediaeval, Ensemble La Morra, Musica Fiata, Norbert Nagel & Saxkammer, United Continuo Service, Ensemble Savādi, u.v.a. 25 Ja

2012

hre

Musi Francoca nia

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Karten an allen freigeschalteten Ticket-Online Vorverkaufsstellen oder: Tel.: 0981 / 46 64 50 11 (Kulturreferat des Bezirks Mittelfranken), 09123 / 954 49 31 (Büro Fränkischer Sommer) www.fraenkisc her-sommer.de

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er l ebe n

Juni / Juli / August Diese Termine sollten Sie nicht versäumen

Foto: Mila Pavan

Die Singphoniker

3. bis 30. Juli, Ingolstadt, verschiedene Orte

Für Immer und Ewig Musik „für die Ewigkeit“, Musik die das Sein überdauert, steht im Mittelpunkt der diesjährigen Audi Sommerkonzerte. Dass in diesem Kontext das geistliche Repertoire eine besondere Rolle spielt, zeigt die Programmauswahl des erstmals stattfindenden Audi Jugendchorfestivals, bei dem sechs Chöre aus fünf Ländern gemeinsam musizieren. In einem Galakonzert sind alle Chöre, darunter die Audi Jugendchorakademie, der Ingolstädter Jugendkammer-

1.6.

Premieren

Il Trittico/G. Puccini

Berlin/Komische Oper

summer Night‘s Dream/B. Britten 2.6. Leipzig/Oper Der Schau­ spieldirektor/W. A. Mozart & Prima la Musica, poi le Parole/A. Salieri 2.6. Magdeburg/Oper Carmina Burana/G. Galguera (Ballett)

The Open Square/I. Galili (Ballett, UA) Frankfurt/Bockenheimer Depot Tilimbom oder mit offenen

1.6.

Augen hören/I. Strawinsky

1.6.

Gera/Großes Haus

Zeit.Punkt./S. Schröder (Ballett, UA) 1.6. Halle/Oper Alcina/G. F. Händel 1.6. Hamburg/Opernloft Das Operncamp - Wie überlebt man Oper?/S. Oberacker & I. Rahadt(UA) Bremerhaven/Großes Haus Violanta/E. W. Korngold 2.6. Chemnitz/Opernhaus 2.6.

Nabucco/G. Verdi 2.6.

Frankfurt/Oper

Das Rheingold/R. Wagner 2.6.

Giessen/Stadttheater

Wilhelm Tell/G. Rossini 2.6.

chor und der Taipei Male Choir mit eigenen Programmen zu erleben, bevor sie sich im Abschlusskonzert unter der Leitung von Martin­ Steidler gemeinsam dem „Deutschen Requiem“ von Johannes Brahms widmen. Mehr als 200 Sänger, Solisten und das Georgische Kammerorchester Ingolstadt stehen auf der Bühne­ und lassen Brahms berührend-aufwühlende Totenmesse zu einem intensiven Konzerterlebnis werden. Umrahmt wird das Festival von

Hannover/Staatsoper

84

2.6.

Kassel/Opernhaus A Mid-

3.6.

Flensburg/Theater

Der Barbier von Sevilla/G. Rossini 7.6.

Frankfurt/Oper

Die Walküre/R. Wagner 8.6.

Basel/Theater (CH)

DanceLab 4 (Ballett) 8.6.

Lübeck/Großes Haus

Lara Lachs (Ballett)

2.6.

Mainz/Großes Haus

8.6.

Wien/Volksoper (A)

2.6.

Passau/Theater

9.6.

Hof/Großes Haus

2.6.

Pforzheim/Theater

2.6.

Plauen/Vogtlandtheater

Innsbruck/Tiroler Landesth. (A) Albert Herring/B. Britten 9.6. Kaiserslautern/Pfalztheater

2.6.

Regensburg/Velodrom

2.6.

Saarbrücken/Staatstheater

Telemann

2.6.

Stuttgart/Wilhelma Thea-

Das Zauberwort/J. G. Rheinberger 10.6. Essen/Aalto-Theater Die

Così fan tutte/W. A. Mozart Tosca/G. Puccini

Wozzeck/A. Berg

Der Barbier von Sevilla/G. Rossini Creative Attack (Ballett, UA)

Eugen Onegin/P. I. Tschaikowsky ter Don Giovanni/W. A. Mozart

Madame Pompadour/L. Fall (Operette) Der Barbier von Sevilla/G. Rossini 9.6.

Boris Godunow/M. Mussorgski

Osnabrück/Theater am Domhof Sieg der Schönheit/G. P. 9.6.

10.6.

Duisburg/Theater

Auftritten der King‘s Singers und der Singphoniker, die sich in ihrem Programm mit der Vergänglichkeit des Seins beschäftigen. Aber auch Stars wie Elina Garanča, Christoph Prégardien, Igor Levit oder das Julia Fischer Quartett sind zu Gast. Das Zürcher Ballett, begleitet vom Hagen Quartett, bestreitet dieses Jahr das Gastspiel der Salzburger Festspiele. Ingolstadt, 3.–30.7., verschiedene Orte www.sommerkonzerte.de

Entführung aus dem Serail/Mozart 10.6.

Frankfurt/Oper

10.6.

Oldenburg/Staatstheater

11.6.

München/Cuvilliés-Thea-

Siegfried/R. Wagner

La Bohème/G. Puccini

ter Das schlaue Füchslein/L. Janáček 12.6. Neustrelitz/Schlossgarten

Des Kaisers neue Kleider (Musical)

16.6.

Aachen/Theater

L´Enfant et les Sortilèges/M. Ravel Bremen/Theater am Goetheplatz Callas/R. Hoffmann

16.6.

(Ballett) 16.6.

Coburg/Landestheater

16.6.

Darmstadt/Großes Haus

Rinaldo/G. F. Händel

Madame Butterfly/G. Puccini

13.6.

Braunschweig/Theater

16.6.

Düsseldorf/Oper

13.6.

Erfurt/Theater Lulu/A. Berg Mönchengladbach/Studio

16.6.

Freiburg/Großes Haus

16.6.

Köln/Palladium

Mama Dolorosa/E. Kim 14.6.

Ein Sprung im Fluss des Lebens/S. Behnke (Ballett)

b.12 (Ballett, UA)

Rinaldo/G. F. Händel Alcina/G. F. Händel

14.6.

Ulm/Großes Haus

16.6.

Lüneburg/Theater

15.6.

Detmold/Landestheater

16.6.

Nürnberg/Staatstheater

Erlöst Albert E./G. Stäbler (UA) Der Wildschütz/A. Lortzing

15.6. Nordhausen/Theater unterm Dach Perspektiven getanzter

Art/J. Ebnother (Ballett, UA)

Die Fledermaus/J. Strauß (Operette) Die Regimentstochter/G. Donizetti

16.6. Weimar/Deutsches Nationaltheater Chowanschtschina/

M. Mussorgski

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Juni – Augus t 2012


16.6.

Wien/Staatsoper (A)

Operation X/G. Kampe & A. MüllerElmau (UA)

16.6.

Zürich/Oper (CH)

6.7.

Halfing/Gut Immling

Mannheim/Nationalthea-

17.6.

Frankfurt/Oper

Der Brandner Kasper - eine bairische Oper/Christian Auer, Karl-Heinz Hummel (UA)

17.6.

Hamburg/Opernloft

6.7.

17.6.

Hamburg/Staatsoper

7.7.

17.6.

Karlsruhe/Staatsoper

17.6.

Münster/Großes Haus

17.6.

Trier/Theater

19.6.

München/Prinzregententh.

21.7.

21.6.

Düsseldorf/Oper

der Geliebten/L. Spohr

22.6.

Bonn/Theater

Jedermann/H. von Hofmannsthal (Schauspiel)

Die Götterdämmerung/R. Wagner Thaïs/J. Massenet Renku (Ballett)

Der Rosenkavalier/R. Strauss Oberon/C. M. von Weber

Ein Sommernachtstraum/W. Shakespeare (Schauspiel) Das schlaue Füchslein/L. Janacek Die Nachtigall/I. Strawinsky Jugendoper Peer Gynt/E. Grieg Dessau/Anhaltisches Theater Peer Gynt/E. Grieg 22.6. Duisburg/Theater 22.6.

Don Giovanni/W. A. Mozart 22.6.

Leipzig/Oper

22.6.

Neustrelitz/Schlossgarten

22.6.

Würzburg/Orangerie

Herzbrennen/M. Schröder (Ballett)

23.6.

Augsburg/Großes Haus

23.6.

Dresden/Semperoper

Der fliegende Holländer/R. Wagner Les Ballets Russes – Reloaded/I. Strawinsky & C. Debussy (Ballett) 23.6.

Hamburg/Staatsoper

Die unglückselige Cleopatra, Königin von Egypten oder Die betrogene Staats-Liebe/J. Mattheson 23.6.

Kriebstein/Seebühne

Die Großherzogin von Gerolstein/J. Offenbach (Operette) 24.6.

Graz/Opernhaus (A)

26.6.

Frankfurt/Alte Oper

Der Mann von La Mancha/M. Leigh Ballett Revolución

27.6. Ludwigshafen/Theater im Pfalzbau Boris Godunov/M. Mus-

sorgski 28.6.

Heilbronn/Theater

Gefährliche Liebschaften/J. Mannes (Ballett) Bielefeld/Theater am Alten Markt Tanzspotting IV (Bal29.6.

lett/UA)

Sondershausen/Schlosshof Die Entführung aus dem 29.6.

Serail/W. A. Mozart 29.6.

Stralsund/Großes Haus

Idomeneo, Rè di Creta/W. A. Mozart 30.6.

Braunschweig/Theater

30.6.

München/Nationaltheater

Die verkaufte Braut/B. Smetana Götterdämmerung/R. Wagner 30.6.

Sondershausen/Schlosshof

Mein Zauberflötchen/W. A. Mozart

Thale/Harzer Bergtheater Carmen/G. Bizet 1.7. Stuttgart/Opernhaus 30.6.

Platée/J.-P. Rameau 5.7.

München/Philharmonie

5.7.

Oldenburg/Exerzierhalle

La Straniera/V. Bellini

Gluck, Prag und die Antike

ter Temistocle/J. C. Bach Karlsruhe/Badisches Staatsth. Wallenberg/Erkki-S. Tüür 8.7. Klosterneuburg/Kaiserhof Stift (A) Don Pasquale/G. Donizetti 12.7. Mörbisch/Seebühne

Die Fledermaus/J. Strauß (Operette) 14.7. Bad Lauchstädt/GoetheTheater Der Freischütz/C.M. von

Weber

Neuburg a. d. Donau/ Stadttheater Der Zweikampf mit

21.7.

Salzburg/Domplatz (A)

25.7.

Bayreuth/Festspielhaus

27.7.

Salzburg/Felsenreitschule

Der fliegende Holländer/R. Wagner (A) Die Zauberflöte/W. A. Mozart 18.8. Kiel/Rathausplatz

Tosca/G. Puccini

Der Bettelstudent/Carl Millöcker Pimpione/G. P. Telemann

20. bis 28. Juli, Nürnberg, Staatstheater

Konzerte 31.5.

Berlin/Philharmonie

Deutsches Symphonie-Orchester Berlin, Ltg. Manfred Honeck; Jan Vogler: A. Honegger Kassel/Ballhaus am Schloss Wilhelmshöhe Ausblick-Vorklang,

1.6.

ein Sonderkonzert der Kasseler Musiktage mit Tai Murray, Àngel Sanzo 1.6.

Osnabrück/Lutherhaus

2.6.

Berlin/Konzerthaus

2.6.

Kaiserslautern/Fruchthalle

2.6.

Leipzig/Gewandhaus

2.6.

Münster/Schlossplatz

3.6.

Dortmund/Konzerthaus

4.6.

Essen/Philharmonie

Reisen der Seele: Nomos Quartett, Klaus Reda & Joachim Heintz Konzerthausorchester Berlin, Ltg. Cornelius Meister; Daniel Hope: L. van Beethoven, B. El Khoury & A. Bruckner Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken, Ltg. Adriel Kim: M. Böttcher, A. Dvořák & R. Turner MDR Sinfonieorchester, Ltg: Pietari Inkinen: D. Lilburn, E. Rautavaara & O. Respighi Anna Netrebko & Erwin Schrott 2./3.6. Bisdorf/Schafstall Kunst & Musik bei Soli Deo Gloria Braunschweig: Douglas Gordon k.364 im Zug mit Mozart Orgelrecital Lázló Fassang mit Werken von G. Ligeti, J. S. Bach, F. Liszt & L. Fassang Essener Philharmoniker, Ltg. Dima Slobodeniouk; Kari Kriikku: K. Saariaho & J. Sibelius Luxembourg/Philharmonie Grand Auditorium (L)

4.6.

bachCage: Francesco Tristano & Moritz von Oswald 5.6. Mainz/Staatstheater Philharmonisches Staatsorchester Mainz, Ltg: Hermann Bäumer: B. Bartok

Prag: Glucks erste Station

Dass die Internationalen Gluck-OpernFestspiele in Nürnberg stattfinden, hat einen guten Grund: Der Komponist und Opernreformer wurde im oberpfälzischen Erasbach geboren und veränderte von dort ausgehend über Prag, Italien, Wien und Paris die Musikwelt. Thematisch widmet man sich in diesem Jahr Glucks kompositorischen Anfängen in der tschechischen Hauptstadt. Hier kämpfte Gluck für die Wiederbelebung der Antike auf der Opernbühne und rückte die Mythen und großen Menschheitsdramen wieder ins Rampenlicht. Im Rahmen der 4. Internationalen Gluck-Opern-Festspiele wird Glucks 1750 in Prag uraufgeführte Oper „Ezio“ erstmals nach der Uraufführung wieder szenisch in der „Prager Fassung“ gespielt.­ In der Regie von Andreas Baesler und unter der Musikalischen Leitung des italienischen Spezialisten für Alte Musik

Ottavio Dantone wird „Ezio“ im Nürnberger Volksbad in Szene gesetzt. Hier verbindet sich die Wiederentdeckung eines Frühwerks Glucks in aufregender Art und Weise mit der an die römischen Thermen erinnernden Architektur des Volksbades. Es spielen Instrumentalisten der Accademia Bizantina und der Neuen­Nürnberger Ratsmusik. Das Ensemble ist u.a. mit Heidi Elisabeth Meier, Leah Gordon und weiteren Solisten und Schauspielern des Staatstheater-Ensembles hochkarätig besetzt. Weitere Programmhöhepunkte sind die konzertante Aufführung der Oper „Das goldene Vlies“ von Johann Christoph Vogel, Glucks „Armide“ als Kinderoper sowie als Abschluss der Festspielwoche ein Festkonzert mit Vivica Genaux, Ottavio Dantone und der Accademia Bizantina. Nürnberg, Staatstheater, 20.–28.7. www.gluckfestspiele.de

West Side Story Eins der wohl beliebtesten und bekanntesten Musicals auf Tour durch Deutschland: Leonard Bernsteins legendäre „West Side Story“ ist wieder auf der Bühne zu erleben. Die moderne Romeo und Julia-Interpretation im New York der 1950er Jahre übt durch Bernsteins farbenreiche Musik mit ihren treibend-tänzerischen Rhythmen und den eingängigen Melodien der bekannten Hits „I feel pretty“, „America“ und dem träumerischen „Somewhere“ seit jeher eine Faszination auf Musical-Fans aus. Nicht umsonst wurde die Verfilmung des Musicals mit immerhin zehn Oscars ausgezeichnet. Berlin, Leipzig, Köln, Hamburg, Essen, 24.6.–20.10., www.westsidestory.de

Serenade in 2000 Meter Höhe Seit zwei Jahrzehnten füllen die Oberstdorfer den Allgäuer Sommer mit Musik: Solisten von Weltrang, talentierter Nachwuchs und viele Konzerte an originellen Spielstätten, wie das Gipfelkonzert in 2000 m Höhe, erwarten die Besucher des 20. Oberstdorfer Musiksommers. Viele Jubilare und Wegbegleiter geben sich hier gerne die Ehre. Eröffnet wird diese Festival-Jubiläumsausgabe vom Trompeter Wolfgang Bauer und dem WKO Heilbronn. Oberstdorf und Region, verschiedene Orte, 26.7.–16.8., www. oberstdorfer-musiksommer.de

85

Fotos: Nilz Boehme; Risch

Mathis der Maler/P. Hindemith

Foto: Internationale Gluck Opernfestspiele

Don Carlo/G. Verdi


er l ebe n

7.6.

Luzern/KKL (CH)

Luzerner Sinfonieorchester LSO, Ltg. Andrey Boreyko; Gautier Capuçon: P. M. Davies, E. Elgar & F. Delius Neubrandenburg/Konzertkirche Vom Broadway in die

7.6.

Welt: clair-obscur saxofonquartett & Neubrandenburger Philharmonie, Ltg: Hu Yongyan 7.6. Trier/Theater Philharmonisches Orchester der Stadt Trier, Ltg: GMD Victor Puhl: Ravel & R. Strauss 8.6.

Brandenburg/Opernhaus

8.6.

Frankfurt/Alte Oper

Friedrich Rex Superstar - Der Klang von Sans-Souci/D. Pavlov Nacht der Chöre 8.6.

Hamburg/Laeiszhalle

Magdalena Kožená: Debussy, Britten, Dean, Messiaen, Ravel & Fauré 10.6.

Baldern/Schloss

10.6.

Hamburg/Laeiszhalle

10.6.

Wien/Musikverein (A)

Sebastian Manz

Hamburger Symphoniker, Ltg. Jeffrey Tate; Anne Schwanewilms: C. SaintSaëns, B. Britten & A. Roussel Concentus Musicus, Ltg. N. Harnoncourt; R. Buchbinder: W.A. Mozart Leverkusen/Bayer Kulturhaus Igor Levit spielt Beethoven,

11.6.

Liszt & Schostakowitsch

12.6.

Dresden/Frauenkirche

Münchner Symphoniker & Münchner Motetten Chor, Ltg: Hayko Siemens; Carolina Ullrich; Carsten Süß; Bernd Valentin; Miklós Sebestyén 12.6.

Köln/Artheater

13.6.

Gera/Konzertsaal

Ivan Polanskiy Band (Jazz) Reussisches Kammerorchester, Ltg. Christian Schumann; Andres Knoop; Günter Gäbler: J. S. Bach, P. Haas, J. Haydn, F. Schreker & W. A. Mozart 13.6.

Heilbronn/Harmonie

Württembergisches Kammerorchester, Ltg. Ruben Gazarian; Maximilian Hornung: V. Azarashvili, A. Arensky & C. Saint-Saëns

15.6.

Frankfurt/Alte Oper

hr-Sinfonieorchester, Ltg. Paavo Järvi; F. P. Zimmermann: Wagner, Dvořák & Mendelssohn Bartholdy 15.6. Lauf/Dehnberger Hoftheater Tess Remy-Schumacher & Ste-

fan Grasse (Jazz) 15.6.

1. Juni bis 31. Dezember, Niedersachsen

...rein ins abenteuer

Rheinsberg/Akademiehof

Jazz im Hof: Nothing Toulouse

Berlin/Orangerie Charlottenburg Ensemble des Berliner

16.6.

Residenzorchesters: Zu Friedrichs Ehren: Werke von Friedrich II. und seinen Hofkomponisten 16.6.

Berlin/Philharmonie

16.6.

München/Herkulessaal

16.6.

München/Philharmonie

16.6.

Nagold/Stadtkirche

17.6.

Berlin/Philharmonie

Berliner Philharmoniker & Rundfunkchor Berlin, Ltg. Yannick NézetSéguin; Walter Seyfarth: L. Berio, P. I. Tschaikowsky & M. Ravel Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks & Neue Vocalsolisten Stuttgart, Ltg. Peter Eötvös: L. van Beethoven/M. Hidalgo, N. Brass (UA), H. Lachenmann (UA) Münchner Philharmoniker, Ltg. Ivor Bolton; Julian Shevlin: F. Mendelssohn Bartholdy & W. Walton SWR Vokalensemble Stuttgart, Ltg. Morten Schuldt-Jensen: Spektrales Leuchten für Chor a cappella 17.6. Berlin/Konzerthaus Akademie für Alte Musik Berlin, Konzertmeister: Georg Kallweit: G. Reutter d. Ä., J. J. Fux & H. Reinhardt Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, Ltg. Marek Janowski; Boris Berezovsky: A. Dvořák 17.6. Essen/Philharmonie WDR Sinfonieorchester Köln, Ltg: JukkaPekka Saraste; Yefim Bronfman 17.6. Hamburg/Laeiszhalle Belcea Quartet: Das Beethoven-Projekt 17.6. Iffeldorff/Gemeindezentrum Schlag Sieben: vier Soloschlag-

zeuger d. Münchner Philharmoniker 17.6. München/Gasteig Kinderkonzert: Klazwei, Kladrei, Klavier! 17.6.

München/Künstlerhaus

Verklärte Nacht: A. Weber, A. Zemlinsky & A. Schönberg

Mit Beethoven im Bergwald Beethoven pur steht auf dem Programm des diesjährigen Klassik Open Airs der Bergwaldtheater-Festspiele. Die Nürnberger Sinfoniker musizieren unter ihrem Chefdirigenten Alexander Shelley gemeinsam mit dem Geiger Erik Schumann. Nach der Coriolan-Ouvertüre op. 62 erklingt das Violinkonzert D-Dur op. 61. Anschließend wird der Zyklus der Beethoven-Symphonien mit der Siebenten fortgesetzt. Weißenburg i. Bay., Bergwaldtheater, 17.6., www.bergwaldtheater.de

Eckart Runge

Einen musikalischen Kurzurlaub mit besonderer Note kann man sich in Niedersachsen gönnen: Hinter den „PartiTouren“ verstecken sich musikalische Leckerbissen und kulturelle Kleinode, stimmungsvolle Übernachtungen und kulinarische Highlights in einmaliger niedersächsischer Kulisse. 40 verschieden zusammengestellte Reisen können Musik­ freunde in dieser Saison antreten: Zur Magischen Sommernacht im Kaiserdom Königslutter oder in die Herrenhäu-

begeben, um dort den „schwarzen Jäger“ Samiel­ zu beschwören. Freikugeln wollen sie gießen. Denn damit Max Agathe, die Tochter des Erbförsters, zur Frau erhält, muss er beim Probeschuss treffen. Und für seine große Liebe geht er das Risiko ein, sich mit dem Bösen einzulassen. Carl Maria von Webers romantische Oper „Der Freischütz“ feiert als Gastspiel der Oper Halle Premiere im Goethe-Theater. Und die deutsche Nationaloper fügt sich mit ihren volkstümlichen Tänzen und Melodien wunderbar in die historische Spielstätte. Bad Lauchstädt, Goethe-Theater, 14.7. (Premiere), www.goethe-theater.com

GroSSe Operette in der Wolfsschlucht Ein dunkler Wald, Grollen am Himmel, Stürme, Gewitter, wilde Tiere. All das müssen Jägerbursche Max und sein Kamerad Kaspar erdulden, als sie sich in die furchterregende Wolfsschlucht

86

Malerisch, inmitten von kleinen und größeren Seen, liegt, umringt von frischen grünen Wäldern, Neustrelitz. Die ländliche Idylle ist für Operetten-

ser Gärten, wo Martin Grubinger seine Percussionskunst zeigt. Im Rahmen der Sommerlichen Musiktage Hitzacker heißt es beim Festival Walk u.a. mit dem Cellisten Eckart Runge „Raus aus dem Konzertsaal, rein ins Abenteuer“. Besonders spannend verspricht die Friesischkeltische Nacht mit der Groninger Folkband „Rapalje“ zu werden: mittelalterliche Kilts, Fackeln und Feuershow! 1.6.-31.12., Niedersachsen, www.partitouren-niedersachsen.de

fans ein beliebter Pilgerort, schließlich finden hier Deutschlands größte Operetten-Festspiele statt. In diesem Jahr dreht sich alles um das „Verkleiden“: So stehen das unterhaltsame und doch lehrreiche Schauspiel-Musical „Des Kaisers neue Kleider“ und Carl Millöckers heitere Verwirrspiel-Operette „Der Bettelstudent“ auf dem Programm. Neustrelitz, Schlossgarten, 12.6.–15.7., www.festspiele-im-schlossgarten.de

Academia Vocalis Unter schwierigsten Bedingungen wurden die „Internationalen Meisterkurse für Gesang“ in Wörgl, Academia Vocalis, vor nunmehr 24 Jahren gegründet. Nicht nur Opern-Meisterkurse, sondern auch Gospel-Jazz-Rapso-Workshops, Volksmusik-Schwerpunkt-Abende und vor allem Kurse für Kinder standen bisher auf dem Programm. Musikhochschulen und Konservatorien aus Europa und darüber hinaus vermitteln www.crescendo.de

Juni – Augus t 2012

Fotos: Guy Kleinblatt; Theater und Orchester GmbH Neubrandenburg/Neustrelitz

LeipzigGewandhaus

Gewandhausorchester, Ltg. George Pehlivanian; Nikolai Tokarev: J. S. Bach, S. Rachmaninow & S. Prokofjew

Foto: Felix Broede

7.6.


17.6.

München/Philharmonie

Camerata Salzburg, Ltg: Louis Langrée; Jane Archibald: Mozart Opernarien 18.6.

Lübeck/Rathaus

Duo Ideale mit Werken von J. Françaix, V. Persichetti, A. Bax & J. Jongen Reutlingen/Friedrich-ListHalle Württembergische Philharmo-

18.6.

nie Reutlingen, Ltg. Ola Rudner; Dénes Várjon: B. Bartók 20.6.

Köln/artclub

Kommunikation 9: OST TRIFFT WEST - einmal anders (Jazz) 21.6.

Eisenach/Landestheater

Landeskapelle Eisenach, Ltg: Carlos Dominguez-Nieto; Denys Proshayed: W.A. Mozart, A. Webern & A. Berg 21.6.

München/Prinzregenth.

Münchener Kammerorchester, Ltg. A. Liebreich; Juliane Banse: I. Strawinsky, M. Srnka, R. Schumann & G. Mahler 22.6. Düsseldorf/Tonhalle Düsseldorfer Symphoniker, Ltg: GMD Andrey Boreyko; Yuja Wang: C. M. von Weber, S. Rachmaninow & A. Dorati 23.6.

Dresden/Kulturpalast

Dresdner Philharmonie, Ltg: Michael Sanderling: Händel & Brahms 23.6. Fürth/Stadttheater Bamberger Symphoniker Bayerische Staatsphilharmonie, Ltg: Markus Poschner; Melton Tuba Quartett: Haydn, Stevens & Beethoven 23.6.

München/Philharmonie

24.6.

Baden-Baden/Festspiel-

Bobby McFerrin & Chick Corea

haus Philippe Jaroussky & Marie-

Nicole Lemieux: Arien & Liebesduette des Barock

24.6.

Dresden/Semperoper

Kinderchor der Semperoper Dresden: Herrlich ist unsere Welt 24.6.

Köln/Philharmonie

Gürzenich Orchester Köln, Ltg. Markus Stenz: G. Mahler Lübeck/Musik- und Kongresshalle Neugier. Erkenntnis. Ab-

24.6.

schluss.: Philharmonisches Orchester der Hansestadt Lübeck 24.6.

Stuttgart/Staatstheater

Liederabend im Opernhaus, im Rahmen des Janáček-Wochenendes 26.6. Weimar/Festsaal Fürstenhaus The Clarinet Project (Jazz) 27.6. München/Brunnenhof der Residenz Münchner Symphoniker,

Ltg. Markus Huber; Marjukka Tepponen; Alessandro Rinella: Arien und Duette von G. Puccini, G. Verdi, u.a.

29.6. München/Herz-Jesu-Kirche Münchner Rundfunkorchester &

Via-Nova-Chor, Ltg. Anu Tali: E. Sindichakis, J. Tavener, C. Saint-Saëns & A. Hovhaness 30.6.

München/Glyptothek

Open Air Nachtkonzert

Bad Liebenstein/Schloss Altenstein Landeskapelle Eisenach,

1.7.

Ltg: GMD Carlos Domínguez-Nieto; Julian Dedu: J. Brahms, C. M. Ziehrer, J. Strauß, M. Ravel & E. Strauß Wuppertal/Historische Stadthalle Sinfonieorchester Wup-

1.7.

pertal, Ltg. Toshiyuki Kamioka; Anne Queffélec: W. A. Mozart & A. Bruckner 4.7. Wiesbaden/Kurhaus Orchester, Chor & Opernchor der Stadt Wiesbaden, Ltg: Marc Piollet; Emma

Pearson; Gerhild Romberger, 5.7.

Messe von O. di Lasso

Eisenach/Landestheater

Meininger Hofkapelle & Damenchor des Meininger Theaters, Ltg: Eun Sun Kim; Liljana Elges; Maria Rosendorfsky; Carolina Krogius: H. W. Henze & F. Mendelssohn Bartholdy Karlsruhe/Insel

6.7.

Bonn/Oper

Hildesheim/Großes Haus

Mythen des Südens: TfN Philharmonie, Ltg: Werner Seitzer 11.7.

Gera/Konzertsaal

Philharmonie Thüringen, Ltg: Gabriel Feltz; Herbert Schuch: M. de Falla 11.7. Ismaning/Kallmann Museum „Vibes & Strings“ (Jazz) 12.7. Dresden/Semperoper

Staatskapelle Dresden, Ltg: Sakari Oramo; Lisa Batiashvili; Truls Mørk: J. Brahms, L. Auerbach & S. Prokofjew 13.7.

Nürnberg/St. Egidien

Eröffnungskonzert der Musica Franconia mit La Capella Ducale, Musica Fiata, Köln, Ltg. Roland Wilson: Hans Leo Hassler, Conrad Paumann, John Christopher Smith, Johann Pachelbel 14.7.

Hannover/Marktkirche

Knabenchor & Friends: Bach, Händel 14.7. Landshut/Heilig-KreuzKirche Dorothee Oberlinger & Gi-

anpietro Rosato

Landshut/Dominikanerkirche Landshuter Hofkapelle: 15.7.

Sitkovetsky, Nils Mönkemeyer & Benjamin Nyffenegger: Haydn, Mendelssohn Bartholdy & Schubert

20.7. Nürnberg/Katharinenruine Nürnberger Gitarrennacht mit 22.7.

Kinderkonzert: Professor Florestan und Maestro Eusebius packen aus: Von fremden Ländern und Menschen 8.7.

München/Prinzregententheater Julia Fischer, Alexander 15.7.

Stefan Grasse

Nachtklänge: neue Werke aus W. Rihms Kompositionsklasse 7.7.

- 9.6.

Nürnberg/Luitpoldhain

Picknick im Park mit den Nürnberger Philharmonikern Hamburg/Bucerius Kunst Forum Amaryllis Quartett 26.8. Calden/Schloss Wilhelmsthal Seth Taylor, Monica Ripamonti5.8.

Taylor & Roxana-Maria Mereutza: F. Chopin, F. Liszt & F. Lux 31.8. Berlin/Philharmonie Mahler Chamber Orchestra, Ltg. Kent Nagano; Thomas Hampson: Charles Ives Orchestral Set No.2, Symphony No.2

Stein, Kulturhaus Alte Kirche Aus Nürnberger Notenbüchern 2.9.

der Dürer-Zeit mit Jan Kobow (Tenor), Axel Wolf (Laute), Jörg Meder (Viola da gamba), Roland Götz (Baldachin-Orgel und Spinett)

Festivals Bodenseefestival (D, A, CH) - 3.6. SOLI DEO GLORIABraunschweig Festival - 3.6. Baden-Baden Pfingstfestspiele - 3.6. Dresdner Musikfestspiele - 3.6. Dortmund Klangvokal - 4.6. Düsseldorf Schumannfest - 3.6.

Elmau/Schloss

Midsummer Jazzfestival - 16.6. Ingolstadt Simon-Mayr-Tage - 16.6. Schwetzinger SWR Festspiele - 17.6. Wiener Festwochen (A) - 1.7. Festival Intern. Echternach (L) - 14.7. Essen Klavier-Festival Ruhr - 15.7.

Gauting/Remise

- 28.7.

Ostwestfalen-Lippe

Kleines Sommerfestival - 25.7. Ludwigsburger Schlossfestspiele Wege durch das Land - 24.8. 25. Burgfestspiele Mayen - 26.8. Brühler Schlosskonzerte - 8.9. musik:landschaft westfalen - 23.9. Ottobeurer Konzerte - 30.9. Klosterkonzerte Maulbronn - 1.10. Schubertiade Hohenems (A) - 3.10. Schwarzwald Musikfestival - 31.10. Bad Lauchstädt/Goethetheater 210. Theatersommer 31.5. - 10.6. 31.5. - 29.7. 1. - 17.6.

Händel-Festspiele Halle Carl Orff-Festspiele Andechs

Hannover

KunstFestSpiele Herrenhausen 1.6. - 1.7. Mozartfest Würzburg 1.6. - 28.7. 40 Jahre Weilburger Schlosskonzerte 1.6. - 10.8.

Weißenburg in Bayern

Festspiele Bergwaldtheater 1.6. - 31.12. PartiTouren Niedersachsen 2. - 10.6. Internationales Musikfestival Oldenburger Promenade 6. - 10.6. Arolser Barock-Festspiele 6. - 10.6. Rosetti-Festtage Nördlingen 6. - 17.6. Feldkirch Festival (A)

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61. Internationale Orgelwoche Nürnberg – Musica Sacra 61. Internationale Orgelwoche Nürnberg – Musica Sacra 29. Juni – 8. Juli 2012 29. Juni – 8. Juli 2012 www.ion-musica-sacra.de www.ion-musica-sacra.de

61. 61.ion ion

3. RUSSISCHES KAMMERMUSIKFEST HAMBURG

Blick zurück nach vorn Blick zurück nach vorn

Veranstalter:

9. bis 20. September 2012 7 Konzerte · Laeiszhalle Hamburg · KulturKirche Altona

u.a. Gewandhaus-Quartett

Leipzig, Daniel Austrich & Anna Zassimova, Maria Lettberg, Keller-Quartett Budapest Werke russischer Komponisten von der Spätromantik bis zur Moderne

Karten / Informationen: Tel. 040.390 84 81 www.russisches-kammermusikfest.de

tickets@ion-musica-sacra.de tickets@ion-musica-sacra.de Tel. 01801/ 21 444 88 Tel. 01801/ 21 444 88

s Sparkasse Nürnberg s Sparkasse Private Banking Nürnberg Private Banking

Kulturreferat

Kulturreferat

87


er l ebe n

Opernfestspiele Heidenheim 7. - 17.6. Bachfest Leipzig 7.6. - 8.7. Zwickau Schumann-Fest 9. - 24.6. Musikfestspiele Potsdam Sanssouci 9.6. - 9.9. Festspiele Mecklenburg-Vorpommern 12.6. - 15.7. Festspiele im Schlossgarten Neustrelitz 15.6. - 8.7. Zürcher Festspiele (CH) 15.6. - 22.7. Schlossfestspiele Schwerin 15.6. - 5.8. Bad Hersfelder Festspiele 16.6. Augsburg Die Lange Nacht der Kirchen und Klöster

7. bis 17. Juni, Leipzig, verschiedene Orte

6.6. - 29.7.

Kaisheim/Schloß Leitheim Leitheimer Schlosskonzerte

23.6. - 29.7.

800 Jahre Thomana

Rheinsberg i. Brandenburg Festival junger Opernsänger

23.6. - 11.8.

Kassel und die Region

Foto: Gerd Mothes

SchlossfestspieleHeidelberg

17.6. - 13.8.

Kultursommer Nordhessen 20.6. - 28.8. Berlin 5. International Music Festival 20.6. - 22.10. Liszt Festival Raiding (A) 21.6. - 22.7. KISSINGER SOMMER Ostfriesland und Groningen (NL) Gezeitenkonzerte Ost-

21.6. - 7.9.

friesland

22.6. - 6.7.

St.Galler Festspiele (CH)

22.6. - 8.7. Granada/Andalusien (E) Int. Musik- und Tanzfestspiele 22.6. - 20.7. Linz (A) Klassik am Dom 22.6. - 22.7. Graz(A) styriarte (A) 22.6. - 19.8. Halfing Opernfestival

Gut Immling

22.6. - 2.9.

Verona (I)

Opernfestspiele Arena di Verona 22.6. - 8.9. Baden (A) Sommerarena 23.6. München UniCredit FestspielNacht 23. - 24.6. Hamburg Jazz Open 23.6. - 28.7. Augsburg Freilichtbühne: „Der fliegende Holländer“ und „Carmina Burana“

Die Thomaner Es ist die Trias aus Thomaskirche, Thomasschule und Thomanerchor, die kombiniert mit dem Werk und Wirken Johann Sebastian Bachs über die Stadtgrenzen Leipzigs hinaus die Welt fasziniert. Das Bachfest Leipzig feiert in diesem Jahr das 800-jährige Bestehen der Thomaner und nimmt dies zum Anlass, die Amtszeit Bachs als Thomaskantor historisch aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten. Im Programm finden sich nicht nur eine Uraufführung des amtierenden Thomaskantors, sondern auch neu edierte und erstmals wieder aufgeführte Werke von J. Kuhnau und J. A. Hiller. Weltbekannte Interpreten wie Masaaki Suzuki, Marcus­

jährlich­besonders Begabte nach Wörgl in Tirol, um hier eine fachorientierte Ergänzung zu ihrem Studium zu finden. Als Dozenten konnten in diesem Jahr Konrad Jarnot, Christa Ludwig, Siegfried Jerusalem und Anna Tomowa-Sintow gewonnen werden. Ein ansprechendes Konzertprogramm mit Kursteilnehmern und Künstlern ergänzt die Meisterkurse der Academia Vocalis. Wörgl/Tirol, verschiedene Orte, 29.6.–12.8. www.academia-vocalis.com

Sagen-haftes aus dem Norden Das Feldkirch Festival läd in diesem Jahr zu einer musikalischen Reise durch Finnland und Norwegen ein: endlose Weiten, Wälder, Seen, Berge, Eis und Schnee prägen die Landschaften. Sagen und die Geräusche der Natur formen die Kraft und Intensität der Musik. Innere Glut und Leidenschaft gleichen winterliche Kälte aus. Diese Spannung charakterisiert viele skandinavische Kompositionen, seien es nun die Werke der berühmtesten Komponisten wie Edvard Grieg und Jean Sibelius oder das Œuvre von Johan Halvorsen und Einojuhani Rautavaara. Oper, Orche-

88

Neckarsulm Audi Rock-

26.6. - 1.7.

Schubertiade Schwarzen-

17.6. - 28.7.

25. Rheingau Musik Festival

24. - 25.6.

pop Festival Jazzfest Wien (A)

Garmisch-Partenkirchen Richard-Strauss-Festival

16. - 25.6.

23.6. - 1.9.

25.6. - 9.7.

16. - 22.6.

berg (A)

Münchner Opernfestspiele

23.6. - 31.7.

Creed, Ton Koopman oder The English Concert gehen in den historischen Leipziger Spielstätten mit auf die Entdeckungsreise nach dem jeweils „neuesten Lied“ einer 800-jährigen Musiktradition. Erstmals wird im Rahmen des Bachfestes auch die Kinder- und Jugendreihe­ „b@ch für uns!“ mit zwei Konzerten vorgestellt. Es spielt das Jugendorches­ ter aus Mitgliedern der Musikschule „Johann Sebastian Bach“ Leipzig und des Conservatorio Bologna. Ein spielerisches, lehrreiches und unterhaltsames Programm weitet das Bachfest Leipzig zu einem echten Familienereignis aus. 7.–17.6., Leipzig, verschiedene Orte www.bachfestleipzig.de

sterkonzerte, Jazz, ein Indie-Pop-Konzert, ­eine Chornacht, Kammermusik in verschiedenen ­Besetzungen und ein Junge-Talente-Brunch sind nur einige Höhepunkte des Festivals. Feldkirch, verschiedene Orte, 6. -17.6. www.feldkirchfestival.at

Vielsaitig Im Jahr 1562, vor 450 Jahren, wurde in Füssen die erste Lautenmacherzunft Europas gegründet, aus der sich später der europäische Geigenbau entwickelte. Mit dem Motto „ORIENT“ weist das Festival „vielsaitig“ auf die Herkunft der Laute aus dem arabischen Kulturraum hin und thematisiert die reichen Kulturkontakte zwischen Orient und Okzident mit international bekannten Ensembles: dem Verdi Quartett, dem Peter Lehel Quartett, FisFüz Oriental, ­Jordi Savall und Hespèrion XXI. Füssen, verschiedene Orte, 29.8.–8.9. www.festival-vielsaitig.fuessen.de

Schaffhausen (CH)

5. RheinfallFestival 26.6. - 8.7. Südtirol Jazzfest AltoAdige (I) 27.6. - 29.7. Festival de Wiltz (L) 28.6. - 7.7. Solothurn Classics (CH) 29.6. - 1.7. Ansbach Rokoko-Festspiele 29.6. - 7.7. Bantry (IRL) West Cork Chamber Music Festival 29.6. - 8.7. Int. Orgelwoche Nürnberg 29.6. - 14.7. Montreux Jazz Festival (CH) 29.6. - 15.7. Landshuter Hofmusiktage 29.6. - 21.7. Thüringer Schlossfestspiele Sondershausen 29.6. - 24.7. München Tollwood Sommerfestival 29.6. - 29.7. Passau 60. Festspiele Europäische Wochen 29.6. - 4.8. Festspiele Reichenau (A) 30.6. - 6.7. Szamotuly bei Poznan (PL) Scharwenka-Festival

Eutiner Festspiele Intern. Konzerttage Stift Zwettl (A) 30.6. - 14.7. Opernfestival St. Moritz (CH) 30.6. - 4.8. München Brunnenhof Open Air 30.6. - 2.9. Wien(A) Musikfilm-Festival am Rathaus 30.6. - 8.7. 30.6. - 8.7.

1. - 8.7. Mannheim und Schwetzingen Mannheimer Mozartsommer

Meininger Theatersommer Münsterland Summerwinds Intern. Holzbläserfestival 1.7. - 3.10. Bernkastel-Kues Mosel Musikfestival 1. - 22.7.

1.7. - 9.9.

Herzlich willkommen! „Welcome England, Welcome America!“ ist das Motto des diesjährigen Kissinger Sommers – tatsächlich freut sich das Festival wieder auf viele internationale Musikstars: Cecilia Bartoli­ eröffnet mit einem Vivaldi-Abend die Festspiele, weiterhin sind erstmals die Academy of St Martin­in the Fields und das Orchester der ­Mailänder Scala zu Gast. Erneut im Kurort Bad Kissingen zu erleben: das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, das BBC Symphony Orchestra London und das Orchestre de Paris. Bad Kissingen, Regentenbau, 21.6.–22.7. www. kissingersommer.de

Day of Song Singen, singen, singen – genau darum geht es bei „Sing – Day of Song“. Gesang vermittelt als universelle Sprache zwischen Jung und Alt, zwischen kirchlich und weltlich und baut Brücken zwischen den vielen Kulturen und Mentalitäten in der spannenden Metropolregion­an www.crescendo.de

Juni – Augus t 2012


Ingolstadt Audi Sommer-

3. - 30.7.

konzerte

4. - 14.7.

Kreuth/Tegernseer Tal St. Margarethen (A)

4.7. - 26.8.

Opernfestspiele

Berlin Classic Open Air

Festival d‘Aix-en-Provence (F) Tiroler Festspiele Erl (A) 5.7. - 4.8. Savonlinna Opera Festival (FIN) 5.7. - 12.8. RheinVokal Festival am Mittelrhein 5. - 27.7.

5. - 29.7.

6.7. - 5.8.

Flims/Laax/Falera (CH)

Klassiksommer Flims 7.7. Losheim Klassik am See 7.7. Weimar Eine Nordische Nacht 7./8.7. München Klassik am Odeons­platz 7. - 30.7. Chorégies d‘Orange (F) 7.7. - 25.8. Schleswig-Holstein Musik Festival 8. - 19.7. Middelfart (DK) Schlosshotel Hindsgavl Festival 9. - 15.7. Bach Biennale Weimar 9.7. - 12.8. Wörgl/Tirol (A) Academia Vocalis,Konzerte & Meisterkurse 10. - 31.7. Innsbruck (A) Ambraser Schlosskonzerte 11. - 15.7. Bremen Breminale 11.7. - 6.8. Lörrach Stimmen Festival 11.7. - 26.8.

St. Margarethen (A)

Opernfestspiele 12. - 29.7. 12. - 31.7.

Monschau Klassik

13.7. - 5.8.

Schwäbisch Gmünd

Erfurt Domstufen-Festspiele Ossiach (A)

Carinthischer Sommer 12.7. - 5.8. Neuzelle Festival Oper Oder-Spree 12.7. - 25.8. Seefestspiele Mörbisch (A) 13.7. - 5.8. Regensburg 10. Thurn und Taxis Schlossfestspiele 13. - 28.7. Weimarer Meisterkurse der Hochschule für Musik Franz Liszt

St. Moritz (CH)

BSI Engadin Festival 13.7. - 2.9. 25 Jahre Fränkischer Sommer - Musica Franconia 14.7. - 2.9.

Bad Ischl (A)

Lehár-Festival 15.7. - 3.9. Menuhin Festival Gstaad (CH) 16. - 21.7. Molde Int. Jazz Festival (N) 16.7. - 22.8.

Torre del Lago (I)

Festival Puccini 17. - 29.7. Herrenchiemsee Festspiele 18. - 29.7. Köln West Side Story 18.7. - 18.8. Bregenzer Festspiele (A) 19.7. - 26.8. Festwochen Gmunden (A) 20. - 22.7. Augsburg Konzerte im Fronhof Open Air 20. - 28.7. Nürnberg Internationale Gluck-Opern-Festspiele 20.7. - 5.8. Verbier Festival (CH) 20.7. - 2.9. Salzburger Festspiele (A) 22.7. - 4.8. Klassik Open Air Nürnberg 24. - 31.7. Arosa Musik Theater (CH) 25.7. - 28.8. Bayreuther Festspiele 26.7. - 16.8.

Allgäu/div. Orte

27.7. - 15.8.

Grein/Strudengau (A)

20. Oberstdorfer Musiksommer 27.7. - 4.8. Gitarrenfestspiele Nürtingen 27.7. - 12.8. Berlin Young Euro Classic Donaufestwochen im Strudengau 28.7. - 5.8. Sommerliche Musiktage Hitzacker 28.7. - 11.8.

Aschau/Chiemgau

Festivo-Kammermusikfestival 28.7. - 12.8. Darmstädter Residenzfestspiele 28.7. - 28.8. Wernigeröder Schlossfestspiele 1. - 24.8. Klosterfestspiele Weingarten 2. - 12.8.

Graubünden/div. Orte

Domleschger Sommerkonzerte 3. - 5.8. Regensburg Stimmwercktage

der Ruhr. In allen 53 Städten des Ruhrgebiets sind an diesem Tag Gesangs-Veranstaltungen geplant. Das besonders Schöne: Jeder kann mitmachen, jede Stimme ist willkommen. Die Neuauflage des „Day of Song“ lädt Sänger, Musiker und „Noch-Nicht“-Sänger zum Singen, Mitsingen und Musizieren ein. Profichöre treffen auf Laiengruppen, Einzelsänger auf Ensembles, Kindergartenkinder auf Grundschüler und Kurzentschlossene auf Kirchenmusiker. Ruhrgebiet, 2.6., www. dayofsong.de

SchaurigSchön „Alles was keine Geschichte ist, kann Theater sein“ heißt es bei der US-Schriftstellerin Gertrude Stein. Das nimmt die RuhrTriennale als internationales Festival der Künste wörtlich und bietet in diesem Jahr wieder Theater aus allen Bereichen in den herausragenden Industriedenkmälern des Ruhrgebietes an. Ein Höhepunkt des Festivals ist das Tanzstück „Enfant“

2. Juli, München, Ludwig Beck

Kufstein/Festungs­arena (A) Operettensommer Kuf-

3. - 18.8.

Festival Europäische Kirchenmusik 13.7. - 12.8.

Intern. Oleg Kagan Musikfest 5. - 10.7.

13. - 29.7.

Giulio Cesare

stein

3. - 19.8. 4.8.

Nibelungenfestspiele Worms

Nürnberg/Luitpoldhain

Picknick im Park: Klassik Open Air 4. - 18.8. Davos Festival (CH) 5. - 19.8. Dresden Moritzburg Festival 8. - 26.8. Innsbrucker Festwochen der Alten Musik (A) 8.8. - 15.9. LUCERNE FESTIVAL im Sommer (CH) 9. - 26.8. Sommerfestspiele Xanten 9.8. - 2.9. Edinburgh Int. Festival (GB) 10.8. - 23.8. Pesaro (I) Rossini Opera Festival Greifswald/Schloss Griebenow Opernale

10. - 26.8.

Seefestspiele Berlin RuhrTriennale 23.8. - 23.9. Kultursommer GarmischPartenkirchen 24.8. - 2.9. Morgenland Festival Osnabrück 24.8. - 9.9. Kunstfest Weimar 26.8. - 16.9. Musikfest Stuttgart 28.7. - 5.8. Fredener Musiktage 29.8. - 8.9. Füssen Festival vielsaitig 31.8. - 2.9. Worms Luther in Brass 31.8. - 18.9. Musikfest Berlin 1.9. - 22.9. Musikfest Bremen 1.9. - 30.9. Niedersächsische Musiktage 16.8. - 2.9.

Sir Peter Jonas

17.8. - 30.9.

3.9. - 17.10.

Ascona/Tessin (CH)

Settimane Musicali 6. - 16.9.

Eisenstadt (A) Internatio-

nale Haydntage

7. - 16.9. St. Veit/Glan (A) Festival Trigonale 7. - 28.9. Nachsommer Schweinfurt

Bad Homburg v. d. Höhe Orgelfestival Fugato

8. - 16.9.

8. - 23.9.

Domkonzerte Königslutter

9. - 20.9.

Hamburg Russisches Kam-

„Giulio Cesare“, Händels aufwändigste Oper aus dem Jahre 1724, markierte im März 1994 den Beginn der Münchner Händel-Renaissance. Mit einer spektakulären Premiere sorgte Intendant Sir Peter Jonas international für Furore. Weit über 100 Aufführungen von 1994 bis 2006 spielten vor ausverkauftem Haus. Über mehr als ein Jahrzehnt hinweg setzte diese neue Stilistik Maßstäbe – die Bayerische Staatsoper und das Staatsorchester befanden sich im Zentrum der internationalen Barockopern-Szene und liefen den bis dahin in dieser Disziplin führenden britischen Häusern den Rang ab. Im Jahr 2002 zeichnete FARAO classics mit damals völlig neuartigen Technologien eine Serie­ von fünf Vorstellungen auf. Heute, 10 Jahre später, wurden die Aufzeichnungen mit der hochwertigsten aktuell verfügbaren Technik zu einer sorgfältigen CDEdition verarbeitet. Am 2. Juli um 17 Uhr wird die CD-Edition in der Klassikabteilung von Ludwig Beck exklusiv präsentiert. Live vor Ort werden Sir Peter Jonas, Ivor Bolton sowie Christopher Robson sein. 2.7., München, Kaufhaus Ludwig Beck, www.ludwigbeck.de

mermusikfest

für 9 Tänzer, 3 Maschinen und eine Gruppe Kinder. Choreograf Boris Charmatz lässt die Kinder rennen, zucken, singen, springen und toben und schafft damit eins der aufwühlendsten Tanzstücke des 21. Jahrhunderts. Ein schaurigschönes Experiment, in dem Zärtlichkeit und Hingabe, Ohnmacht und Unterwerfung gefährlich nah beieinander liegen. Metropole Ruhr, 17.8.–30.9., www.ruhrtriennale.de

Kultur am Rheinfall Wo der Rhein atemberaubend brodelnd und gurgelnd herabstürzt, am Rheinfall in Schaffhausen, findet in diesem Jahr zum fünften Mal das RheinfallFestival statt. „Der Rheinfall singt, liest, lacht, tanzt und schaut“ freuen sich die Organisatoren zu recht, denn das Programm ist vielfältig: Große Klassikkünstler wie Simone Kermes­ oder das Ensemble Modern treffen auf einen unterhaltenden „Frauen-Abend“ mit Jasmin ­Tabatabai und Barbara Schöneberger, dazu gesellt sich Literatur, Theater, Ballett und Kunst. Schaffhausen, 26.6.–1.7. www.rheinfallfestival.com

Philharmonischer Sommer Eine atmosphärische Themenzeit im blühenden Königlichen Kurgarten, den Musik im Sommer zu einem besonderen Erlebnisraum verwandelt. 40 Musikerinnen und Musiker der Bad Reichenhaller Philharmonie bezaubern beschwingt mit vergnüglichen Operettenmelodien oder Sinfonien. Zum Programm gehören auch Lesungen und Vorträge sowie botanische Führungen. Bad Reichenhall, 26.7.-11.8. www.bad-reichenhall.de

Barock in Arolsen Für die 27. Ausgabe der traditionsreichen Arolser Barockfestspiele hat Dorothee Oberlinger ein abwechslungsreiches Programm zusammengestellt. Instrumental- und Vokalmusik Johann Sebastian Bachs und Barockmusik aus dem Neapel des 17. und 18. Jahrhunderts bilden zwei Themenschwerpunkte. Bad Arolsen, verschiedene Orte, 6.–10.6., www.arolser-barockfestspiele.de

89

Fotos: Photostudio Samer Füssen; Guido Toelke; Christophe Raynaud de Lage; Arolser Barock-Festspiele

Berlin Festival der Komi-

schen Oper

Foto: Zeegaro

2. - 8.7.


d i e

l e t z t e

s e i t e

Geiger & crescendo Kolumnist DANIEL HOPE

Friedrich & Fabiola Unser Kolumnist verliebte sich in die belgische Königin, den Palast von Friedrich dem Großen und begrüßte mal wieder einen Weltstar.

Armin Müller-Stahl, Königin Fabiola von Belgien, Friedrich der Große, Hopes Jurorentisch und John Axelrod mit Kellnern in Turin.

Mr. Hope,­wo erreichen wir Sie? Zuhause in Wien. Es gibt gleich Pasta. Zuhause? Sie sind nicht unterwegs? Nein, aber ich komme gerade aus Brüssel. und hatte die Ehre, unter anderem die wunderbare Fabiola von Belgien, die Frau des Ex-Königs Baudouin, zu treffen. Von König „Ich bau ihn nicht, Bau du ihn“? (lacht) Sozusagen, ja. Königin Fabiola ist eine tolle Frau. Das Volk liebt sie über alles. Und sie ist ein echter Musikfan, so wie die ganze königliche Familie in Belgien. Es sieht aus, als säßen Sie dort in einer Jury ... So ist es. Die königliche Familie ist Schirmherr des Wettbewerbs „Concours Reine Elisabeth“, einem der bedeutendsten MusikWettbewerbe der Welt. Ich durfte dort bereits zum zweiten Mal in der Jury sitzen. Wie ist das so, aus Sicht des Urteilenden? Die Aufgabe ist sehr schwer. Die ganze Nation verfolgt das Geschehen im Fernsehen und Radio, die Presse ist den ganzen Tag vor Ort. Und: Wir Jurymitglieder dürfen uns nicht untereinander abstimmen, man weiß nicht, welche Bewertung der andere abgibt. Und? Ganz ehrlich: Haben Sie auch mal daneben gelegen? Ich stelle mir bei solchen „Castings“ immer die Frage: Würde ich diesen Künstler in einem Konzert besuchen? Bewegt er mich? 90

Klar gab es auch ein paar, für die ich gestimmt hatte, die es aber nicht ins Finale geschafft haben. Aber viel wichtiger ist: Es war ein unglaubliches Niveau. Was die jungen Künstler leisten, ist wirklich erstaunlich. Apropos erstaunlich. Sie haben schon wieder unseren Weinexperten John Axelrod getroffen ... in Turin. Ja, wir haben dort mit dem Orchestra Sinfonica della RAI das Violin-Konzert von Max Bruch gespielt, Axelrod kennt sich nicht nur mit Weinen aus, er ist auch ein grandioser Dirigent. Das können wir bestätigen. Aber Wein gab es auch, nicht wahr? Klar. John hat uns nach dem Konzert zu ein paar echten Geheimtipps ausgeführt. Name, Adresse? „Eataly“ in der Via Lagrange und vor allem „Vintage 1997“ an der Piazza Solferino (Anm. der Red.: Dort entstand das Bild von John und den Kellnern). Sie wurden auch in Berlin gesichtet, genauer gesagt, in Potsdam ... Ja. Ein absolutes Highlight meiner diesjährigen Reisen. Wir haben im Hof vom Neuen­ Palais und Park Sanssouci konzertiert, auf den Spuren des Alten Fritz. Danach bekamen wir eine Führung durch die Räume, die zum Teil erstmals der Öffentlichkeit zu-

gänglich sind. Was der für Farben und Gemälde in seinen Räumen hatte, unglaublich. Ein Saal war komplett nur aus Muscheln und glänzenden Steinchen. Jetzt sind Sie noch ein viel größerer Bewunderer von Friedrich dem Großen? Ja. Und ich kann nur jedem empfehlen, in die „Friederisiko“-Ausstellung zu gehen. Sie läuft ja noch bis zum 28. Oktober 2012. Ein weiterer Großer, der Schauspieler ­Armin Müller-Stahl, besuchte Sie kürzlich in einem Konzert. Wie kam es? Eine sehr überraschende Geschichte, ja. Ich gab ein Konzert in Lübeck und plötzlich tauchte Armin direkt vor mir im Publikum auf. Er ist ja ein großer Klassikfan und wir kennen uns schon einige Jahre. Müller-Stahl wäre ein schöner Gesprächspartner, um über Klassik zu sprechen ... In der Tat. Ich werde ihn fragen, ob er Lust darauf hat. Er ist ein großer Unterstützer der Festspiele in Mecklenburg-Vorpommern, wo ich künstlerischer Direktor bin. Aber bald treffen wir uns in L.A. wieder. Na, da freuen wir uns drauf. Daniel Hope live: 2./3. Juni: Konzerthaus Berlin 4. Juni: Dresdner Musikfestspiele 15. Juni: Festspiele Mecklenburg-Vorpommern, Greifswald, Dom St. Nikolai – u.a. mit Musikern der Carnegie Hall, NY. www.crescendo.de

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