crescendo 5/2009, Ausgabe September/Oktober 2009

Page 1

B47837 Jahrgang 12 – 05/2009

September / Oktober 2009 www.crescendo.de

Schwerpunkt

NEUE MUSIK Arvo Pärt Ein sinnlicher Besuch beim großen Meister Lera Auerbach Die Russin, die mit Tönen aufwühlt Anja Harteros Die Julia Roberts der Musik im Interview

jung, erotisch und erfolgreich:

Danielle de Niese „Mozart ist ein Teil von mir“

Mit Beihefter CLASS aktuell


                

                          

     

  

  

     

     

        

                               

    

   

   

                               

        

                              


crescendo 05 2009 | 3 editorial

„Ich bin ein Konservativer, ich erhalte den Fortschritt.“

inhalt 4 Sinn Yang Die Geigerin will der Neuen Musik eine Chance geben. 6 Arvo Pärt Ein sinnlicher Besuch beim großen Komponisten

10 Filmmusik Klassik Radio Moderator Holger Wemhoff huldigt seiner Liebe zum Sound Track. 12 Lera Auerbach Die Russin spricht in Verbier über ihre Zukunft 14 Münchener Kammerorchester Dirigent Alexander Liebreich im Interview Foto: Paul Schmitt

16 101 Fragen „Was ist Neue Musik?“ Winfried Hanuschik, Herausgeber

D

as sagte einst Komponist Arnold Schönberg und ent-

18 Anja Harteros Die Julia Roberts der Musik über ihre Jugend und atonale Musik

wickelte die Zwölftonmusik. Seine Uraufführungen gerieten regelmäßig zu Skandalen bei denen die

Polizei gegen das wütend protestierende und randalierende Publikum einschreiten musste. Seine „Neue Musik“ war definitiv zu neu für konservative Hörerwartungen. Nicht jedoch für Wassily Kandinsky, der für seine damals revolutionäre expressionistische Malerei ebenso scharf angegriffen wurde. 1911 hörte er bei einem Konzert erstmals Schönbergs Musik und war so begeistert, dass er gleich einen Brief an den Komponisten schrieb: „Sie haben in Ihren Werken das verwirklicht, wonach ich in freilich unbestimmter Form in der Musik so eine große Sehnsucht hatte, (...) und was auch ich in malerischer Form zu finden versuche.“ Heute, fast 100 Jahre später, erreichen zeitgenössische Maler ein Millionenpublikum. Zeitgenössische Komponisten hingegen tun sich beim Publikum noch immer schwer. Woran das liegt, haben wir versucht, in unserer aktuellen Ausgabe zu ergründen. Mit vielen persönlichen Meinungen, Interviews mit Künstlern und Reportagen, die bis nach Estland führten. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen!

20 Festivals Zehn ausgewählte Veranstaltungen zum Thema Neue Musik 22 Die Quadratur des Kreises Pascal Morché über die Schwierigkeiten der Neuen Musik 24 Rezensionen Die wichtigsten CDs und DVDs des Monats 29 Nils Mönkemeyer Die neue CD des jungen Professors 31 Modern Talking Christoph Schlüren über die Frage: Was ist modern?

32 TITEL: Danielle de Niese Interview mit dem internationalen Opernstar 37 crescendo-kids Die Kinderseite 38 moderntimes_1800 Julia Moretti und Ilia Korol im Interview

40 Essay

Herzlich, Ihr

Michael Roßnagl will „für das Neue leben“. 42 plus regional Interview mit dem Cellisten Jan Vogler 44 plus regional Wie die Oper in den Berliner Hauptbahnhof kommt Exklusiv für Abonnenten: Hören Sie die Musik zu unseren Texten auf der crescendo premium-CD. Infos auf Seite 36.

46 Termine und Veranstaltungen 50 Lieto Fine / Impressum Fotos: TM, ® & Copyright © 2009 by Paramount Pictures. All Rights Reserved; Markus Tedeskino; Lorenzo Aguis Decca; S. Steitz Foto Titel: Chris Dunlop


neue musik 4 | www.crescendo.de 05 2009

* Die 27-Jährige koreanische Geigerin Sinn Yang wird in der nächsten Spielzeit am Staatstheater Nürnberg eine Stelle als 1. Konzertmeisterin antreten. Exklusiv für crescendo machte sie sich Gedanken über das Schwerpunktthema dieser Ausgabe: Neue Musik.

Gebt der Neuen Musik eine Chance!

Foto: Classic Kwon

Von Sinn Yang *

Ein Beispiel: Johann Sebastian Bachs Sonaten und Partiten für Violine solo gehören heute zu den größten Werken ihrer Art. Was aber nicht alle wissen, ist, dass es an die 1 Jahre brauchte, bis sie einem breiten Publikum bekannt gemacht wurden. Joseph Joachim war einer der Pioniere, der ihre wahre Größe erkannte und sie öffentlich aufführte. Sein unschätzbarer Einsatz wurde damals von dem berühmten Kritiker George Bernard Shaw beschrieben, er habe „Töne produziert, nach denen der Versuch, eine Muskatnuss auf einer Schuhsohle zu reiben, sich wie eine Äolsharfe angehört hätte“. Neue Musik sucht immer – damals wie heute – den Grenzübergang. Das Ungewohnte, Revolutionäre scheint Menschen seit Generationen zu befremden. Aber selbst Mozart, der zu allen Zeiten die Liebe des Publikums genoss, schrieb seinem Vater 1: „Echte Perfektion in allen Dingen kennt man nicht mehr oder wird nicht mehr geschätzt – man muss Musik schreiben, die entweder so einfach ist, dass ein Kutscher sie singen kann – oder so uneinsichtig, dass das Publikum es einfach mag, weil keine gesunde Person sie verstehen kann.“ Verstehen wir denn wirklich die Musik Mozarts und der anderen bekannten Meister in all ihrer Tiefe und „Uneinsichtigkeit“? Ist es nicht das Anliegen des heutigen Interpreten, das Unverwechselbare, manchmal auch Schockierende der Werke vergangener Zeiten zu erspüren und anzupassen? Ist dieses immerwährende „�ne-tuning“ unserer Ohren und unseres Geistes nicht Grundvoraussetzung, Musik, egal aus welcher Zeit, aufzunehmen und zu verstehen? Ich hatte Widmanns ganz persönliche Klangästhetik bis zu unserer Zusammenarbeit auch nicht gekannt. Aber ich lernte, dass Widmann genau wusste, was er kreiert hatte: Er bemerkte jede noch so kleine Abweichung. Jede Note seiner Étude war absolut so und nicht anders gewollt. Zudem erfuhr ich „Schönheit“ aus der Perspektive des Komponisten ganz neu. So beschrieb Widmann eine Stelle, die „sul ponticello“ (am Steg) gespielt werden soll, einer im klassischen Sinn „hässlichen“ Klangfarbe, als Paradies! Das erstaunte mich, aber es war für mich ein wichtiger Wendepunkt, an dem sich mein Klangemp�nden in Widmanns Kontext einzufügen begann. Irgendwann nistete sich die Musik im Körper ein, wurde sogar zu einem Körpergefühl. Wir sollten in Neuer Musik ein Privileg sehen. //

A

ls ich im vergangenen Jahr einen Wettbewerb des Kulturkreises der Deutschen Wirtschaft gewonnen hatte, bekam ich einen unglaublichen Preis: Jörg Widmann komponierte für mich ein eigenes Solo-Stück. Eine Étude nur für mich – was für ein Traum! Die Uraufführung war ein besonderer Moment. Es lag etwas Heiliges darin, diese bislang ungehörte Musik den Menschen weiterzugeben, vielleicht ein wenig mit einer Geburt vergleichbar. Auch ihre Ersteinspielung hob sich von den anderen Aufnahmen ab, die ich zuvor für meine Debüt-CD gemacht hatte. Im Gegensatz zu den anderen Werken von Schubert, Bartók und Debussy hatte ich keinerlei Bezugspunkt wie zum Beispiel eine Aufführungstradition. Man läuft wie ins Leere, alle bislang gelernten Regeln sind aus den Angeln gehoben. Aber ich machte eine für mich bemerkenswerte Beobachtung: Die Hörer meiner Debüt-CD wurden nach bekannten Werken von Schubert, Debussy etc. bei Widmann plötzlich still. Sie lauschten intensiv den ungewöhnlichen Klängen und wunderten sich. Ich hatte das Gefühl, die Musik sprach sie unmittelbar an. Dieses Erlebnis war für mich ein Schlüsselerlebnis. Widmanns Werk war ein Anstoß an die Ohren, vielleicht auch an unsere Seele, damit wir kurzzeitig einen kleinen Richtungswechsel vollziehen und der Neuen Musik eine Chance geben, uns mit ihr beschäftigen. Leider denken viele Musiker nicht so und ich stelle mir oft die Frage, woran das liegt. Warum stößt neue Musik – selbst die der größten Meister wie Bach und Schubert – auf das Unverständnis ihrer Zeitgenossen?

Sinn Yang spielt Violinwerke von Debussy, Schubert, Bartók, Widmann und Piazolla (OehmsClassics).

Mehr Sinn Yang auf der crescendo premium-CD (Infos: Seite 36)


Illustration Cicero-Titel 9/09: Sempé

Jetzt im Handel

Jetzt Cicero gratis testen! Wie keine andere Zeitschrift in Deutschland, bietet Cicero, das Magazin für politische Kultur, Monat für Monat Standpunkte namhafter Autoren zum aktuellen Geschehen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Überzeugen Sie sich selbst und bestellen Sie ein Gratis-Exemplar! Ja, ich möchte Cicero gratis testen.

Name, Vorname

Bitte hier abtrennen!

Straße, Hausnummer PLZ

Ort

Telefon

E-Mail

Datum

Unterschrift

Ja, ich bin damit einverstanden, dass Cicero und der Ringier Verlag mich künftig per Telefon oder E-Mail über aktuelle Angebote informieren. Sie können Ihre Bestellung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax oder E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Cicero ist eine Publikation der Ringier Publishing GmbH, Lennéstraße 1, D-10785 Berlin.

Cicero-Leserservice 20080 Hamburg

Schreiben Sie eine E-Mail: leserservice @ cicero.de

Schicken Sie ein Fax: 0800 77 88 790

Rufen Sie jetzt kostenfrei an:

0800 282 20 04

Bestellnr.: 668128

Besuchen Sie uns online: www.cicero.de/abo

www.cicero.de


neue musik 6 | www.crescendo.de 05 2009

Der zutrauliche Er

Fotos: Andreas Dietrich

Der Komponist Arvo Pärt (74) ist ein Verfechter Neuer Musik. Unser Autor Andreas Dietrich hat

Es war das Wiegenlied, das mich nicht schlafen ließ. Es schaukelte mich lieblich, aber unerbittlich durch die verbleibenden Stunden der Nacht. Die Melodie ließ mich nicht absinken. Zwei Nächte ging das so. Als ich am Morgen des Pfingstsamstags  dem Komponisten Arvo Pärt und seiner Frau Nora gegenüber saß, war ich ermattet und zugleich seltsam beschwingt. Die beiden waren in ähnlich widersprüchlicher Verfassung. „Wir sind müde. Wir sind an unsere Grenzen gegangen“, sagte Nora Pärt. „Aber wir haben diesen absoluten Klang gehört.“ Die vergangenen Abende hatten sie bis weit in die Nacht in der Nikolaikirche in Tallinn zugebracht. Mit dem Estnischen Philharmonischen Kammerchor und dem Kammerorchester Tallinn unter der Leitung des Dirigenten Tönu Kaljuste spielten sie Werke für Arvo Pärts neues Album „In Principio“ ein; es ist soeben, fast zwei Jahre später, erschienen. Es ist das elfte bei Pärts Hausverlag ECM, und die weltumspannende Anhängerschaft wird ihm im Regal einen Ehrenplatz zuweisen. In der Kirche hatte ich zum ersten Mal das Wiegenlied gehört. „Kuus kuus kallike“, aus dem Estnischen am ehesten als „eiapopeia“ übersetzt, ist sein ganzer Text. Aber die Melodie! Eingängig wie ein Volkslied, magisch wie eine Be-

(v.l.n.r.) Arvo Pärt während Tonaufnahmen in der Nikolaikirche von Tallinn: nachdenklich dem Chor lauschend; mit Ehefrau Nora sinnierend; eine seiner geliebten Schokokugeln verspeisend; aus der Sakristei eilend.

schwörung. „Die Aufnahmen waren Schweißarbeit. Eine Qual voller Verzwei�ungen“, sagte Nora Pärt. „Bis wir hatten, was wir wollten, sind wir durch die Hölle gegangen.“ Für einen Dokumentar�lm sollte ich ein Interview mit ihrem Mann führen. „Das wird nicht gehen“, warnte sie mich. Er spreche nur widerwillig über sich. Außerdem werde er darauf bestehen, dass sie beim Gespräch dabei sei. Für mich war das kein Problem. „Doch, es ist ein Problem“, sagte sie und lachte. „Dann rede dauernd ich statt er.“ Arvo Pärt ist der vermutlich meistgespielte lebende Komponist klassischer Musik. Jeden Tag werden irgendwo auf der Welt Werke von ihm aufgeführt, Konzerte zwischen New York und Tokio oder Kleinigkeiten wie das „Sei gelobt, Du Baum“, das Ende Februar in Willisau uraufgeführt wurde. Ein Stück, das er eigens für zwei einzigartige Instrumente komponierte – eine Barockvioline und eine lautenähnliche Quinterne, die aus 2500 Jahre altem Holz gefertigt sind. Der Stamm der Weißtanne war in einem Rebberg im Basellandschaftlichen gefunden und zum Bau der beiden Instrumente verwendet worden. Die verrückte Entstehungsgeschichte, von der er auf verschlungenen Pfaden erfahren hatte, berührte Arvo Pärt derart, dass er dem uralten


www.crescendo.de 05 2009 | 7 neue musik

emit

ihn in Estland besucht. Protokoll einer Begegnung, die Augen und Ohren öffnete.

Holzstück eine Komposition widmete. Doch nicht nur von Zeitlosem, auch von Zeitgeschichtlichem lässt er sich bewegen. Zwei Tage nach den Bombenanschlägen von Madrid im März 2004 begann er, „Da Pacem Domine“ zu schreiben. Es wird seither an jedem Jahrestag aufgeführt. Selbst wem bei klassischer Musik nach Mozart/Beethoven/Bach nichts mehr in den Sinn kommt, der hat mit großer Wahrscheinlichkeit schon Musik von ihm gehört: Als Filmsoundtrack. Pärt komponiert zwar nicht mehr fürs Kino, aber auf seine Musik greifen die Regisseure gern zurück. Am liebsten, wenn es darum geht, eine Stimmung von existenzieller Melancholie zu erzeugen. „There Will Be Blood“ ist mit „Fratres“ unterlegt, „Litany“ kommt in „The Insider“ vor, „Silouans Song“ in „The Good Shepard“; der Schweizer Doku-

mentar�lmer Christian Frei verwendete Pärt im preisgekrönten „War Photographer“, Teile des „Cantus in Memory of Benjamin Britten“ sind in Michael Moores „9/11“ zu hören, dem Film zu den Anschlägen vom 11. September, der im Leben von Arvo Pärt bis zum Jahr 2001 eine andere Rolle spielte: es ist das Datum seines Geburtstags. Dieses Jahr wird er 74. Wir saßen damals auf der Veranda von Pärts Blockhaus, eine Autostunde von Tallinn entfernt an einer Meeresbucht. Um uns herum lichter Wald, wo in respektvollem Abstand weitere Blockhütten standen; die nächstgelegene gehörte seinem einstigen Musiklehrer. Dann und wann heulte eine Motorsäge auf, die aus einem Baum Brennholz machte. Nach einem langen Schluck Tee und der Frage, weshalb er sich nur ungern erkläre, sagte Arvo Pärt: „Wenn ich spreche, dann kann ich keine Musik schreiben. Dann habe ich alles schon gesagt. Und wenn ich Musik schreibe, dann habe ich nichts zu sagen.“ Pause. „Aber meine Frau und ich“, fuhr er fort, „wir sprechen jeden Tag miteinander. Es ist alles normal bei uns.“ Beide lachten. Er schaute zu ihr: „Was denkst du?“ „In der modernen Musiktradition wird jede Musik von Tausenden von Kommentaren begleitet“, sagte Nora Pärt. „Es gibt mehr Kommentar als Musik. Aber Arvo hat kein Bedürfnis, seine Musik zu erklären. Er vertraut auf die Antenne von Ohr zu Ohr, von Mensch


neue musik 8 | www.crescendo.de 05 2009

Foto: Caroline Forbes

zu Mensch. Er will mit seiner Musik die Aufmerksamkeit auf den dazu kamen Pralinés, weiße Raffaello sowie Biskuits der einheimiMoment lenken, auf den Klang, auf die Substanz von Musik. Tritt man schen Marke Olümpia Küpsis. Stets bot er den Umstehenden auch aber an die Musik heran mit den Gedanken: Was ist das? Welcher Stil? davon an. Der zutraulichste Eremit auf Erden. Die Aufnahmen in der Nach welcher Art ist es geschrieben? – nähert man sich also der Musik Kirche dauerten lange und verlangten von ihm kompromisslose Präintellektuell statt mit seinem ganzen Wesen, dann ist Schluss mit dem senz. Man hatte viel Zeit, ihn zu beobachten. Ich lernte, wie fröhlich Hören. Deshalb wird auch so viel Unsinn über ihn verbreitet.“ Demut sein kann, wie heiter Würde; dass künstlerische Besessen„Stimmt das?“ fragte ich Arvo Pärt. heit nicht rücksichtslos sein muss und ein Maestro keine Untertanen „Ja, ja“ sagte er. „Aber hören Sie den Hund?“ Aus der Ferne drang braucht, um Größe zu zeigen. In tiefster Hingabe zur Musik blieb er ein Bellen herüber. „Das ist schöne Musik. Der Hund heißt Sursu.“ zuvorkommend zu den Menschen, in höchster Konzentration war er Bei manchen Musikkritikern löst Pärt hysterisches Unwohlsein immer wieder zu einem Spaß aufgelegt. aus. Sie reihen ihn statt unter „Klassik“ unter „New Age“ ein. Bana„Sie dachten, Arvo sei in sich versunken und immer ernst?“, wunles, esoterisches Zeugs. Es bediene bloß den Zeitgeist, der angesichts derte sich Nora Pärt. Sie kennt ihn gut. Seit 37 Jahren ist sie mit ihm der unübersichtlichen Gegenwart nach Einfachheit, Wiederholung verheiratet. Sie sagte es, als wir auf dem Weg von Tallinn hinaus zum und Spiritualität giere. Eine Scharlatanerie also, weder von BedeuBlockhaus bei einem Aussichtspunkt Halt machten. Vor uns glitzerte tung noch von bleibendem Wert. Dass Pärt damit bei einem Kreis andas Meer, das auf der andern Seite gegen Finnland schlägt. Es nieselte. kommt, der weit über die Gemeinde der Klassikfreunde hinausreicht, Arvo Pärt horchte in die Regenwolken. „Von da drüben kommt der bestätigt dieses Urteil nur. Geige streichende Models und im Rudel Druck, da ist der Ton dumpf. Hier aber, wo der Himmel sich ein bisheulende Tenöre füllen schließlich schen aufhellt, wird der Ton offen. auch die Konzertsäle. Da passt ein Hören Sie den Unterschied?“ komponierender Schrat bestens Ich hatte keine Ahnung, wovon er dazu, der aus den tiefen Wäldern sprach. Plötzlich wurde Pärt unEstlands kam und aus seiner Musik ruhig, hüpfte herum wie ein aufein Geheimnis macht wie Rumpelgeregtes Vogelküken. Er hörte ein stilzchen um seinen Namen. Brummen, das ich erst Sekunden Man sollte sich seine Leidenspäter wahrnahm, als es schon ein schaften von niemandem wegGrollen war. Das Grollen schwoll schreiben lassen. Und doch prägte zu einem Knattern und Donnern die Kritik meine Vorstellung vom an, es rottete sich zu einem HöllenMenschen Arvo Pärt als Eigenbrötlärm zusammen, der immer näher ler und Schamanen. Dieses Bild kam und mit ihm beträchtlicher aber zersprang wie trübes FensterDoku-Stoff: ECM-Chef Manfred Eicher und Arvo Pärt. Gestank. Als es wieder still war, glas, als ich ihm zum ersten Mal hatte sich eine rund zwanzigköpfige Arvo Pärt (74) begegnete. Motorradgruppe auf dem Rastplatz Ratlos stand ich im Vorraum der Der Komponist wurde 1935 ist Estland geboren, wo er bis zu niedergelassen. Arvo Pärt, soeben Nikolaikirche. Ich wusste nicht, ob seiner Emigration nach Deutschland 1980 lebte. Seit der noch ein Lauscher der Natur, war und wohin ich mich bewegen konnwiedererlangten Unabhängigkeit seiner Heimat pendelt er begeistert. Er rannte auf die Fahrer te. Aus der Kirche erklang Chorgezwischen Berlin und Tallinn. Arvo Pärt ist auch einer der Prozu. Rannte, denn Arvo Pärt liegt, sang, die Musikaufnahmen hatten tagonisten im Dokumentarfilm „Sounds and Silence“ von Peter sitzt, steht oder rennt – Gehen bereits begonnen. Plötzlich tauchte Guyer und Norbert Wiedmer. Fünf Jahre lang begleiteten die als Fortbewegungsart scheint ihm aus dem Halbdunkel Arvo Pärt auf. Schweizer Regisseure Pärt und Manfred Eicher, den Kopf des fremd zu sein. Er plauderte mit den Er eilte vom Kirchenraum Richtung Münchner Musikverlags ECM. Die musikalische Reise um die Fremdlingen, scherzte mit ihnen Sakristei, wo die Tontechnik eingeWelt wird ab Herbst in ausgewählten Kinos zu sehen sein. und fragte sie aus. Es waren Finnen richtet war. Abrupt blieb er stehen, www.soundsandsilence.ch auf unbeschwerter Pfingstfahrt. drehte sich überrascht zu mir. BePärt wollte mehr über die Motoren eindruckend die Glatze und der wissen, die Route, das Gefühl von Bart, eindringlich der Blick. Die Arme hingen nach unten, die InnenTempo, und am Ende war er kurz davor, seine Schirmmütze gegen �äche der linken Hand war vom Körper abgewandt wie zum Zeichen einen Motorradhelm zu tauschen. der Schutzlosigkeit – so stand Pärt da, deckungsgleich mit dem Bild Die Aus�ügler wussten nicht, dass der �dele Alte am Straßenrand der biblischen Figur, die sich im Jahrtausend verirrt hat. Aber dann jener Mann war, der laut ECM-Chef Manfred Eicher „in den letzten lächelte er aufmunternd und winkte mich heran. Er legte den Finger dreissig Jahren die Musik verändert hat wie kein anderer“. zu einem „Pssst“ auf die Lippen. Seine Stimme war von zärtlicher Ohne Eicher wäre dies vielleicht nie passiert. Der Gründer und Freundlichkeit. Da sah ich, was er in der rechten Hand hielt. Es war Chef des Musikverlags ECM, eine Instanz in der Branche, hörte in eine Schale, gefüllt mit Schokokugeln. Ich fand ihn wunderbar. den späten Siebzigerjahren im Autoradio den staatlichen Sender von Im Verlauf der Aufnahmen aß er fortwährend von diesen SchokoArmenien. Der spielte eine Musik, wie Eicher sie noch nie gehört hatte. ladekugeln, sie heißen Kalev und haben eine weiche Mokkafüllung; Er fuhr den Wagen zur Seite und hörte hin. „Es war wie ein Meteorit,


www.crescendo.de 05 2009 | 9 neue musik

Foto: Andreas Dietrich

der einschlug“, erinnert er sich. Es war, dem Baby zu, bis es still wurde. „Und wie sich nach langwierigen NachforSie konnten wegen des Wiegenlieds tatschungen herausstellte, „Tabula Rasa“, sächlich nicht schlafen?“, fragte Arvo eine Komposition eines Esten namens Pärt belustigt. Arvo Pärt. Das Wiegenlied war während der Estland war zu diesem Zeitpunkt Aufnahmen in der Nikolaikirche das eine Sowjetrepublik und Pärt darin ein Sorgenkind unter den Musikstücken. Störenfried. Für die einen Werke erhielt Als kürzestes brauchte es am längsten er Auszeichnungen, andere wurden auf Zeit. Nachdem es der Chor zum ersden Index gesetzt. „Nekrolog“, weil es ten Mal gesungen hatte, herrschte eine in Zwölftontechnik geschrieben war, ungute Stille im Aufnahmeraum. Pärt die im Sozialismus der Sechzigerjahre Arvo Pärt an der estnischen Küste: brach sie, als er sich übers Mikrofon noch als ähnlich dekadent galt wie der „Etwas Ungreifbares, das vor unseren Augen steht.“ beugte: „Ich habe ein paar BemerkunJazz. „Credo“, weil der religiöse Pärt gen.“ Es war klar, dass er unzufrieden hier einen geistlichen Text vertonte. war. „Er ist schockiert“, �üsterte mir Zwischenzeitlich war er vom Regime gar of�ziell für verrückt erklärt Nora Pärt zu. Er fuhr fort, an Chor und Dirigent gerichtet: „Es ist ein worden. Selbstredend ist er noch heute nicht gut zu sprechen auf alWiegenlied. Zum Wiegen. Es ist keine Polka!“ Der Chor nahm einen les, was an sozialistische Diktatur erinnert. Putin ist da mitgemeint. neuen Anlauf. Pärt entdeckte in der Partitur eine zu kurz gesetzte Note, Als Zeichen des Protests widmete Pärt die Aufführungen der Konwas sogleich korrigiert werden musste. Dann intervenierte Eicher, ihm zertsaison 2006/2007 der ermordeten russischen Journalistin Anna war das Ganze „too �owing“. Pärt war mal im Aufnahmeraum, mal Politkowskaja. beim Chor, und zwischen den Polen Kontemplation und Dringlichkeit Pärt hatte, am Anfang der lebenslangen Suche nach dem ihm eiimmer im Sauseschritt. Er machte den Sängern vor, wie das „Kuus genen musikalischen Ausdruck, allerlei ausprobiert. Neoklassizistik, kuus kallike“ zu intonieren war, nicht düster-klebrig – hell, zuversichtZwölfton, Serielles, Collage-Technik – und lange Jahre komponierte lich. Ein weiterer Versuch begeisterte Pärt derart, dass er mit Eicher er fast nichts. Das Fortschreiben von Bekanntem erschien ihm sinnlos. ein Tänzchen hinlegte. Trotzdem nochmals. Und nun bitte nur noch In der Ruhe seiner Frömmigkeit und in der Auseinandersetzung mit ab Takt 18. Bei einem weiteren Anlauf störte das Schreien von Möwen, dem gregorianischen Gesang fand er allmählich zu seinem unverund als es gegen Mitternacht ging, grölten besoffene Touristen vor der wechselbaren Stil. Pärt bleibt Pärt, selbst wenn er sich heute auch in Kirche. Pärt und Eicher eilten nach draußen, um sie zu verscheuchen. andere Richtungen bewegt. Den Stil nannte er „Tintinnabuli“, GlöckSie hatten mit ihrem Gejohle die bisher beste Version versaut. Der chenstil, weil er auf schlichter Melodik und Dreiklängen beruht, was Chor hob von Neuem an. Es klang herzergreifend, es schien perfekt eine dem Glockenklang ähnliche Wirkung – nicht aber für all die Perfektionisten, die entfaltet. hier versammelt waren. Das epochale „Tabula Rasa“ bedeute„Erinnern Sie sich, wie wir auf der te das, was es heisst. Pärt machte reinen Fahrt hierher über dem Meer den Nebel Tisch. Er räumte auf mit der Unentschlosgesehen haben? Diese Farben am Horisenheit seiner musikalischen Anfänge. zont? Das kann man nicht auf Papier �Er setzte die üppige Welt der Noten und xieren. Es ist etwas Ungreifbares, das vor Instrumente auf Diät, um sich der Essenz unseren Augen steht. Und auf solches sind zu widmen. Und er entkam dem System, das seine Familie jahrelang unsere Ohren fokussiert, wenn wir eine Aufnahme machen. Dirigent, schikaniert und ihm die künstlerische Existenz schwer gemacht hatte. Musiker, Produzent, Tonmeister, die Instrumente, der Raum – alles 1980 emigrierten Pärts nach Wien, kurz darauf ließen sie sich in Bermuss zusammen�nden und zu einem Organismus werden.“ lin nieder. Erst seit der zurückerlangten Unabhängigkeit ihrer Heimat, Es muss, profan gesagt, ein von Menschen geschaffenes Wunder die 1991 mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion kam, leben sie geschehen. „Und, ist dieses Besondere bei den Aufnahmen des Wiewieder teils in Tallinn, teils in Berlin. „Wir wissen nicht, wo unser genlieds passiert?“, fragte ich. Nest ist“, sagte Arvo Pärt. „Wir wissen auch nicht, wo wir in ein paar „Ja, ja“ sagte Arvo Pärt. Aber in Gedanken war er schon weiter. Er Jahren leben werden.“ hatte Hunger. Wir fuhren in ein Restaurant an der Küste, hüllten un„Tabula Rasa“ erschien 1984 bei ECM. Der Meteorit schlug weltsere Körper in karierte Wolldecken und genossen starken, estnischen weit ein. „Ich wäre nicht am Leben geblieben, wenn Manfred Eicher Kaffee. „Wenn ein Mensch nach dem Hören meines Wiegenliedes mich nicht entdeckt hätte“, sagte Arvo Pärt. „Es war ein Glück, das keinen Schlaf �ndet, dann habe ich etwas falsch gemacht“, sagte Arvo so kommen musste.“ Pärt. Seine Stirn faltete sich zu einer Gebirgskette. Er zwinkerte mir zu In einem hinteren Zimmer des Blockhauses begann ein Säugling und bot von den Pralinés an, die zum Kaffee serviert zu schreien. Pärts sechster Enkel, der einwöchige Matheus, war aufwurden. Pärt, der zutraulichste Eremit auf Erden. // gewacht. „Ich glaube, Musik ist deswegen eine große Sache, weil man keine Übersetzungen braucht“, sagte Arvo Pärt. „Musik ist wie MutIn Principio. Estonian Philharmonic Chamber Choir, Estonian termilch. Sie bereitet für die Verdauung keine Probleme.“ Wir hörten National Symphony Orchestra, Tallinn Chamber Orchestra (ECM)

„Musik ist wie Muttermilch. Sie bereitet für die Verdauung keine Probleme.“

Mehr Pärt auf der crescendo premium-CD (Infos: Seite 36)


neue musik 10 | www.crescendo.de 05 2009

Spiel mir das Lied vom .. Ein Hoch auf die Filmmusik! Auch nach 100 Jahren hat sie nichts von ihrem Glanz verloren – vor

Danke, Camille! Im Salle Charas in Paris feierte der Film „L` assassinat du duc de guise“ 1 Premiere – mit großem Erfolg! Und dieser Erfolg war nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass es der erste Film mit eigens komponierter Filmmusik war. Und die stammte von … Camille Saint-Saëns! Der weltberühmte Komponist von solchen Erfolgswerken wie der „Orgelsinfonie“, dem „Karneval der Tiere“ oder der Oper „Samson et Dalila“ zeigte sich begeistert von den „bahnbrechenden cinematorischen“ Fähigkeiten und ging mit Feuereifer ans Werk. Ich kann nur wiederholen: Danke, Camille Saint Saëns! Sie haben mir geholfen, unzählige Nörgler schon im Ansatz mundtot zu machen. Wie oft musste ich mir, gerade als mein Radiosender (Klassik Radio) vor circa 10 Jahren damit begonnen hatte, immer mehr Filmmusik neben die großen Klassiker zu setzen, Kommentare anhören wie: „Wie können Sie nur …“. Meine Antwort: „Wissen Sie, dass Camille Saint Saëns die erste Filmmusik komponiert hat?“ … Schweigen im Walde. Aber der Franzose war ja nur der erste, der den Stein ins Rollen brachte. Ihm folgten große Namen: Dmitri Schostakowitsch, Sergej Prokofjew oder auch Alfred Schnittke. Ganz zu schweigen von einem der ganz Großen der Musik: Erich Wolfgang Korngold! Wilhelm Furtwängler oder Bruno Walter haben die Orchesterwerke dieses (damals zehnjährigen!) Jungen mit Riesenerfolg uraufgeführt und lagen dem „größten Wunderkind nach Mozart“ zu Füßen. Als Korngold dann später in die USA, nach Hollywood, auswandern musste,

um den Nazischergen zu entkommen, wurde er zum erfolgreichsten Filmkomponisten über Jahre. Wer wundert sich denn ernsthaft, wenn Jahrhundertgeiger Jascha Heifetz das Violinkonzert von Korngold unglaublich häu�g aufgeführt hat und es zu seinen Lieblingskonzerten zählte? Und das, obwohl (oder sogar weil?) es hauptsächlich Filmmusik aus seinen diversen Scores wie „Robin Hood“ enthält! Korngolds Filmmusiken sind Meisterwerke, allesamt, sie treffen ohne Ausnahme den Nerv des jeweiligen Filmthemas und kommen gleichzeitig als hochromantisches sinfonisches Gemälde daher: verspielt in „Der Prinz und Bettelknabe“, majestätisch in „Günstling einer Königin“ oder abenteuerlustig in „Herr der sieben Meere“. Große Dirigenten wie André Previn führen diese Musik mit den weltbesten Orchestern mit höchstem Vergnügen auf. Und es kommt ja auch sicher nicht von ungefähr, dass der vielleicht bekannteste Filmkomponist von heute, John Williams, weit über die Filmmusik hinaus komponiert. Auftragswerke nämlich von solchen Freunden wie Geiger Itzhak Perlman oder Cellist Yo Yo Ma. Und diese Stücke sind genauso „Klassik von heute“ wie seine großen Filmmusiken. Natürlich sind die Vorbilder ganz klar herauszuhören, vor allem bei John Williams: Gustav Holst, Richard Strauss, Richard Wagner, man höre „Star Wars“ oder „Indiana Jones“. Aber auch diese großen Klassiker suchten ihre Inspirationsquellen bei Mozart, Schubert und Co. Jedes große Orchester wird uns bestätigen, dass große Filmmusiken genauso anspruchsvoll sind wie die Partituren


www.crescendo.de 05 2009 | 11 neue musik

.. Morricone z.B. allem, weil sie immer mit Gefühl zu tun hat.

VON HOLGER WEMHOFF * Fotos: TM, ® & Copyright © 2009 by Paramount Pictures. All Rights Reserved

eines Richard Strauss. Sogar die Berliner Philharmoniker unter Simon Rattle haben mittlerweile im Aufnahmestudio Visitenkarten ihres �lmmusikalischen Könnens abgelegt, bei „Das Parfum“ oder „Deep blue“. Doch nehmen wir diese Argumente allesamt beiseite. Kommen wir auf die Gefühlsebene: Können Sie sich „Vom Winde verweht“ ohne Taras Thema von Max Steiner vorstellen? Eine Melodie, die auch ohne Leinwand zu Tränen rühren kann? Wie genial hat John Williams das abgrundtief Böse, das Darth Vader in „Star Wars“ verkörpert, in seinem „Imperial March“ verkomponiert. Hätten wir bei „Love Story“ auch nur ansatzweise so intensiv mitgelitten ohne die dazugehörige Musik von Francis Lai? Und was sind das für Gänsehautmomente, in denen uns Howard Shores mehrfach oscarprämierte Musik für den „Herrn der Ringe“ die ganze Fantasiewelt eines J.R.R. Tolkien „vor Ohren führt“! Ich bin ehrlich: Für mich ist die Filmmusik die „Klassik von heute“! Denn für mich hat Musik, egal, aus welcher Epoche sie nun stammt, immer und nochmal: IMMER mit Gefühl zu tun. Kann mich ein Wolfgang Rihm oder ein Hans Werner Henze rühren? Zutiefst rühren? Nein, eigentlich sogar in keiner Sekunde. Diese Musik tut meinen Ohren weh – und damit auch meinem Herzen. Das mag schwülstig klingen, trifft aber den Nagel auf den Kopf. Ich will keine Musik analysieren oder verdauen, ich will sie genießen! Unvergesslich wird mir eine Begegnung im letzten Jahr bleiben. Ich traf den großen alten Mann der Filmmusik, Ennio Morricone, in

Filmszenen aus „Spiel mir das Lied vom Tod“ und „Indiana Jones“: Wagner und Strauss als Inspirationsquellen für Morricone und Williams

seiner Heimat, in Italien – zu einem langen Gespräch. Der Mann ist eine Legende, er komponierte neben vielen vielen anderen die Filmmusik zu „Spiel mir das Lied vom Tod“. Regisseur Sergio Leone hatte damals seine Bilder auf die Musik von Morricone gesetzt – normalerweise ist es umgekehrt! Ich war tief beeindruckt von Morricones unglaublicher Musikalität und hoher Professionalität. Am Ende dieses Gespräches schaute Morricone mich an und sagte: „Können Sie sich ein Leben, können Sie sich mein Leben ohne Musik, ohne diese Musik vorstellen? Hätte ich sie nicht, hätte ich sie nicht tief in mir, ich hätte kein Herz.“ Damit kullerte ihm eine Träne aus dem Auge. Bei mir waren es mehr. In diesem Sinne, Danke, Camille Saint Saëns. Danke an Dich und Deine großen Nachfahren, ob sie nun Williams, Shore, Desplat, Newman, Korngold oder Santaolalla heißen. Ein Hoch auf Euch alle und Eure Musik! Ein Hoch auf echte Gefühle! * Holger Wemhoff (40) ist Chefmoderator und stellvertretender Programmdirektor bei Klassik Radio.


neue musik 12 | www.crescendo.de 05 2009

Die transkribierende Diva Die moderne Kirche im Schweizer Ski-Ort Verbier ist fast bis auf den letzten Platz besetzt. Durch die schmalen Fenster sickert die Morgensonne, die Besucher warten voller Spannung. Pünktlich, wie im Programmheft angekündigt, betritt Lera Auerbach das Podium, wo der Steinway auf sie wartet. Ihr Schritt ist agil, aber das erste, was einem auffällt, sind ihre traurig-schönen russischen Augen. Auerbach wurde in Tscheljabinsk geboren, eine Stadt, die niemand kennt. Die Millionenstadt liegt am Ural nördlich von Kasachstan, aber man würde sie nicht finden, in einem Weltatlas ohne Register. Seit dem Jahr 11 hat Tscheljabinsk eine prominente Einwohnerin weniger. Auerbach zog kurz nach dem Fall des Eisernen Vorhangs nach New York. Dort lebt sie heute. Bevor sie sich an den Flügel setzt, erhebt sie ihre Stimme. Auf dem Programm stehen ihre 24 Präludien für Klavier op. 41. Sie erklärt, warum sie diese Reise durch alle Dur- und Moll-Tonarten so fasziniert, dass sie zwei weitere Werke dieser Gattung für Violine beziehungsweise Cello und Klavier (op. 46 und op. 47) komponiert hat: „Ich betrachte es als eine doppelte Herausforderung, einerseits kurze, in sich abgeschlossene Charakterstücke zu schreiben, die andererseits immer auf ein Ganzes bezogen sind und so das menschliche Leben mit seinen Höhen und Tiefen, Wünschen, Sehnsüchten und Leidenschaften widerspiegeln.“ Und nach dieser schweren Einleitung fügt sie kleinlaut hinzu: „Ich hoffe, Sie werden das Konzert mögen.“ Applaus. Ihr Duo-Partner, der Geiger Julian Rachlin, muss sich nach fast jedem der vier Sätze hektisch die zerzausten, wild um Kopf und Violine tanzenden Pferdehaare von seinem Geigenbogen abreißen. Auerbach gibt ein furioses Tempo vor, die Darbietung der dritten Violinsonate ist hochexpressiv und exzellent. Lera Auerbachs Wunsch, ihre Musik möge den Hörer nicht nur bewegen, sondern aufwühlen, geht an diesem Tag in Erfüllung: Der Applaus und die Bravorufe des Publikums kommen von Herzen. Nach dem Konzert bittet sie zum Interview. Wir fahren in ein wunderschönes Chalet, das sich wie eine Katze an die Berghänge schmiegt. Der Empfang ist herzlich. Unbeeindruckt von ihrem dicht gedrängten Terminkalender lässt Lera Auerbach keine Hektik aufkommen. Im Gegenteil, sie spricht ruhig und wohlüberlegt. Ihr Englisch ist druckreif, aber umhüllt von einem typisch russischen Akzent. Wie sie die Musik entdeckt hat und Komponistin geworden ist, weiß sie nicht zu sagen. „Ich kann mich nicht mehr an die Zeit erinnern, in der ich keine Musikerin war. Schon im Alter von vier Jahren habe ich mit dem Komponieren begonnen, also zur selben Zeit, als ich auch das Lesen gelernt habe. Im Nachhinein betrachtet war es wichtig, sehr früh musikalische Gedanken und Strukturen festhalten zu können.“ Sie sagt das ohne eine Spur von Arroganz, eher so, als sei es die natürlichste Sache, dass kleine Kinder die musikalische Ausdrucksfähigkeit genauso selbstverständlich erlernen wie die sprachliche. Dass Lera Auerbach über eine breite Ausdruckspalette verfügt, zeigt ein Blick in das für ihr Alter erstaunlich umfangreiche Werkverzeich-

nis, in dem sich nahezu alle Gattungen �nden: Kammermusik für verschiedene Besetzungen, Chor- und Orchestermusik, eine Oper – „ich schreibe gerade an einer neuen Oper, die den Titel ‚Gogol‘ tragen soll“ – sowie Ballettmusik. Im Grunde seien alle wichtigen Werke bereits komponiert worden, erklärt Auerbach, während sie ihren Kopf zum Fenster wendet, als sehe sie dort draußen im Gebirgsmassiv eine riesige, enzyklopädisch geordnete Noten-Bibliothek, ähnlich, wie sie Jorge Luis Borges in seiner berühmten Erzählung „Die Bibliothek von Babel“ beschrieben hat. Sie sagt: „Meine einzige Aufgabe als Komponistin ist es, in Berührung mit dem Urbild des Werkes und seiner imaginären Energie zu kommen und dieses zu transkribieren.“ Auch als Rezipientin von Musik erweist sich Lera Auerbach als Enzyklopädistin: „Ich höre extrem viele Schallplattenaufnahmen und entdecke dabei ständig neue Werke. Mein mp3-Player ist prall gefüllt mit einer riesigen Sammlung von Aufnahmen.“ Mit einem fast wehmütigen Lächeln fügt sie hinzu: „So arbeite ich mich durch die Jahrhunderte.“ Lera Auerbachs zutiefst romantische Vorstellung von der Übersetzung einer Ursprache in ein per se unzulänglich bleibendes Abbild zeigt sich auch in ihrem Weltverständnis. „Musik führt nicht aus der Welt hinaus“, erklärt sie auf die Frage, ob das Komponieren auch eine Flucht für sie bedeutet. „Oft denke ich, es ist vielleicht genau anders herum, und das, was wir gemeinhin ‚die Welt‘ nennen, ist ein Eskapismus aus dem Reich der Musik, die als einzige die Wahrheit erzählen kann.“ Es ist bezeichnend für die intellektuelle Komponistin, deren Werke einer oft verzweifelten Suche nach Harmonie und – sagen wir es ruhig – Schönheit verp�ichtet bleiben, dass ihr Romantizismus in der modernen Welt der Medien zu sich selbst kommt. „Die höchsten Momente „Ich bin schockiert meines Lebens erlebe ich in Aufnahmestudios. Gib mir ein Studio und ein über die Reife und Klavier und ich bin die glücklichste Tiefe ihrer Werke.“ Frau der Welt! Ich liebe es, CDs einSOFIA GUBAIDULINA zuspielen, weil ich hier verschiedene Sachen und Interpretationen ausprobieren kann“, erklärt sie mit merklicher Begeisterung in der Stimme. „Das Live-Konzert geschieht und ist anschließend sofort Geschichte. Eine Aufnahme bleibt für immer. Ich emp�nde dies als einen sehr zufriedenstellenden Prozess meines Schaffens.“ Dazu passt auch ihre große dritte Leidenschaft: Die Literatur sei ihr inzwischen genauso wichtig wie die Musik, bekennt sie. Man muss es ihr glauben, auch wenn ihr Vorbild, die Komponistin So�a Gubaidulina, einmal verlauten ließ, sie sei „einfach nur schockiert über die Reife und Tiefe“, die sich in Lera Auerbachs Werken zeige. Und ihr geheimster Wunsch? „Vielleicht werde ich eines Tages in einem Aufnahmestudio verloren gehen. Das ist einer meiner Träume als Pianistin.“ Ob Lera Auerbach bald eine Kafka-Oper schreibt? Zuzutrauen wäre es ihr, und nicht nur das. //

Foto: F. Reinhold

Lera Auerbach ist Pianistin, Komponistin und Schriftstellerin in einem. Als unser Autor Burkhard Schäfer sie in Verbier traf, hat sie aber brav seine Fragen beantwortet.


Künstlerin Auerbach: „Die Welt ist ein Eskapismus aus dem Reich der Musik, die als einzige die Wahrheit erzählen kann.“


neue musik 14 | www.crescendo.de 05 2009

„Wir wollenTrend setten!“ Seit Dirigent Alexander Liebreich 2006 das Münchener Kammerorchester (MKO) übernommen hat, stiegen die Abonnementzahlen um 40 Prozent. Im crescendo-Interview erklärt er, warum – und verrät, was er im Jahr 2011 vor hat.

Alexander Liebreich (41): „Der Klangkörper Kammerorchester gilt leider als unsexy.“

zenklasse-Sinfonieorchestern, zahlreichen kleineren Ensembles und vielen Gastspielen hat München ein üppiges Klassikangebot. Ist es schwer, sich da mit dem MKO zu positionieren? Alexander Liebreich: Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, was München braucht. Denn dann versucht man eine Nische im Kontrast zu dem zu konstruieren, was schon existiert. Wir hingegen wollen Trend setten, das machen, was uns Spaß macht. crescendo: Einerseits spielen Sie Klassiker wie Mozart, andererseits Neue Musik. Ist dieser Spagat Ihre Spezialität? Liebreich: Ich bin kein Protagonist zeitgenössischer Musik, sehe sie nicht als unseren Schwerpunkt. Denn ein Stück ist nicht besser, weil es neu oder alt ist. Mir ist vielmehr daran gelegen, dass wir unabhängig von ihrem Entstehungsjahr lebendige Musik machen, in einer Art von physischem Spiel im Jetzt musizieren und den Zuschauern nie das Gefühl geben, wie bei einem Museumsbesuch auf Distanz zu bleiben. crescendo: Diese Hingabe scheint sich zu lohnen. Seitdem Sie das MKO  als Künstlerischer Leiter und Chefdirigent übernommen haben, ist die Zahl der Abonnenten um  Prozent gestiegen. Liebreich: Dafür gibt es verschiedene Gründe. Erstens liegt das am unbedingten Musizieren des MKO, seiner Bereitschaft, immer

am Anschlag zu arbeiten. Zweitens hat das Orchester zu einer Qualität gefunden, im technischen Anspruch auf Weltniveau zu spielen. Drittens können wir wie bei Claudio Abbados Modell des Luzern Festival Orchestra bei Bedarf andere hochkarätige Musiker dazuholen, zum Beispiel demnächst bei Mahlers „.“. crescendo: Stets 1 Prozent zu geben, ist ein hehres Ziel, verlangt aber auch allen Beteiligten viel ab. Liebreich: Ja, auf dem Orchester lastet ein unglaublicher Druck. Aber dieser Anspruch besteht auch an mich. Das MKO ist mittlerweile so gut, dass es auch allein interpretatorisch Dinge sehr interessant darstellen kann. Das heißt, es will einen Mehrwert von demjenigen, der da vorne steht, möchte wissen, worum geht es und verlangt, dass man es extrem fordert. Aber das entspricht meinem Prinzip: Evolution durch Grenzerfahrung. crescendo: Regelmäßige Angebote des MKO sind Specials wie „Concert Sauvage“, wo das Programm eine Überraschung ist, oder „Nachtmusik der Moderne“, die Samstags ab . Uhr in der Pinakothek der Moderne in München zu hören ist. Entspringt das auch Ihrem Wunsch, Musik möglichst intensiv wirken zu lassen? Liebreich: Von der Form her bin ich relativ traditionell und glaube, dass Musik einen Konzertrahmen braucht, der ruhig ist. Wir setzen eher auf puristische Ideen, die in die Tiefe gehen. Bei „Carte Foto: Marek Vogel / MKO

crescendo: Mit drei Spit-


www.crescendo.de 05 2009 | 15 neue musik

HERAUSRAGENDE CD-NEUHEITEN BEI SONY MUSIC

Blanche“ und der „Nachtmusik der Moderne“ gibt es deshalb ein Einführungsgespräch, um Künstler wie Luciano Berio oder Jörg Widmann zu skizzieren. Dann spielen wir möglichst exemplarisch Teile des Œuvres. Und plötzlich ergibt sich ein Bild, das auch diejenigen fasziniert, die keine Liebhaber Neuer Musik sind. crescendo: Ist Ihre Arbeit mit zeitgenössischen Komponisten besonders interessant, weil da die Möglichkeit zum Austausch besteht? Liebreich: Ich liebe diese Art der künstlerischen Auseinandersetzung. Sie ist sehr spannend, weil all diese Leute wirklich etwas zu sagen haben. Das kann aber auch manchmal stressig sein, wenn jemand sehr strikt und fast besessen ist. Schön finde ich es auch, junge Leute nach vorne zu bringen und zu schauen, was mit denen passiert. crescendo: Über die üblichen Konzerte hinaus engagieren Sie sich auch für die Arbeit mit Kindern wie bei „MKO Moves“ oder richten die Münchner Aids-Konzerte mit aus. Warum? Liebreich: Wir sind kein elitärer Betrieb mit intellektuellem Liebhaber-Publikum, sondern müssen hier am Standort Verantwortung zeigen. Da wir uns zum Teil durch Steuergelder finanzieren, haben wir in einem Kreislauf auch etwas zurück zu geben. In unserem Fall ist das Musik, die in Ecken kommen muss, wo sie sonst nicht zu hören ist – egal, ob wir Benefiz-Konzerte geben, auf der Straße oder in Gefängnissen spielen. Dieses Bewusstsein ist Ausdruck eines Generationenwechsels. Früher war ein Maestro ja karajanesk abgeschottet. crescendo: Ab 11 übernehmen Sie auch noch die Künstlerische Leitung des Tongyeong International Music Festivals in Südkorea. Raubt Ihnen diese Doppelbelastung keine Kraft für Ihre anstrengende Arbeit hier? Liebreich: Natürlich kann ich nicht 1 : 1 von München auf Südkorea und umgekehrt übertragen und muss für dieses Festival ein eigenes Profil entwickeln. Aber mein Musikgeschmack oder meine Arbeitsweise werden sich nicht verändern. Hier wie dort sehe ich mich als Wegbereiter für Projekte und Inspirationen, möchte das Publikum überraschen und mitnehmen. Wichtig ist mir zudem die Begegnung zwischen Ost und West, die interkulturelle Problematik. Nicht umsonst folgt auf die MKO-Motti „Jenseits“ und „Architektur“ 11/1 „Ostwärts“. crescendo: Sie werden bald Vater und sind offensichtlich voller Neugier auf diese neue Erfahrung. Was erhoffen Sie sich in der Zukunft für Ihr erstes Baby, das MKO? Liebreich: Obwohl das MKO in meinen Augen ein unglaubliches Ausnahmeorchester ist, wird es vor allem im Ausland noch zu wenig wahrgenommen. Denn der Klangkörper Kammerorchester gilt leider als unsexy. Insofern gibt es einen Weg, der noch zu gehen ist. Vielleicht ist dieser Kampf auch ein wichtiges Element unserer Arbeit. // Das Gespräch führte Antoinette Schmelter de Escobar.

SOL GABETTA

HOFMANN · HAYDN · MOZART Haydns brillantes Cellokonzert in D-Dur, das charmante, selten zu hörende Cellokonzert in D-Dur von Leopold Hofmann, einem Zeitgenossen Haydns, und als Besonderheit Mozarts Oboenkonzert bearbeitet für Cello und Orchester. Das Kammerorchester Basel, ECHO-Klassikensemble des Jahres, ist unter der Leitung von Sergio Ciomei ein kongenialer Partner.

LIMITIERTE ERSTAUFLAGE MIT HAYDNPORTRAIT

88697523552 www.solgabetta.de

NILS MÖNKEMEYER

BACH · HOFFMEISTER · ROSETTI Auch die zweite CD des ECHO-Preisträgers 2009 ist voller Esprit und Überraschungen: mit der Weltersteinspielung des Violakonzerts von Rosetti, dem Hoffmeister-Konzert und eigenen Bearbeitungen von Bach-Kantaten. Diese CD „ ...geht ans Herz.“ (Brigitte) 88697414442 www.nilsmoenkemeyer.de

NIKOLAI TOKAREV

KLAVIERKONZERTE VON GRIEG & CHOPIN „Er gehört zu den gefeierten Jungstars der Zunft“ (SPIEGEL online) und legt sein erstes Live-Album vor: die beiden berühmten Klavierkonzerte, Griegs a-Moll und Chopins Nr. 2 in f-Moll in zwei umjubelten Konzerten mit dem Luzerner Sinfonieorcehster unter Olari Elts.

„Jenseits“ – diesem Thema, das laut Alexander Liebreich „über Zeit und Raum erhaben“ ist und „sich jeglicher menschlicher Vorstellung entzieht“, spürt das Münchener Kammerorchester in der Saison „09/10“ nach. Schwerpunkt sind in acht Abonnement- sowie drei Sonderkonzerten Werke und Komponisten, die „im Real-Irdischen nur schwer Verankerung finden“: z. B. Schuberts „Unvollendete“, Mozarts „Don Giovanni“, Wagners „Siegfried-Idyll“ oder Richard Strauss’ „Metamorphosen“. Infos unter www.m-k-o.eu, Tel. 089-4613640

„Sol Gabetta besitzt exorbitante musikalische Fähigkeiten.“ F.A.Z.

„Pure Magie ... derzeit ziemlich einmalig.“ (SZ) 88697313462 www.nikolaitokarev.de

www.sonymusic-klassik.de


neue musik 16 | www.crescendo.de 05 2009

Neue Musik durch neue Entdeckungen! Unbekannte Werke von Mozart und Mendelssohn aufgetaucht Neue Musik kommt „neuerdings“ auch durch die Forschung zustande: Die Hauptdarsteller: Wolfgang Amadeus Mozart und Felix Mendelssohn Bartholdy. Fangen wir mit Mozart an: Der wissenschaftliche Bereich der Stiftung Mozarteum hat im „NannerlNotenbuch“ sowohl einen Konzertsatz als auch ein Präludium des jungen Komponisten entschlüsselt. Das Nannerl-Notenbuch ist nach Wolfgang Amadeus Mozarts Schwester Maria Anna benannt. Vater Leopold Mozart

Felix Mendelssohn Bartholdy

hatte das Buch für die damals 8-Jährige angelegt. Die beiden in der Handschrift von Mozart überlieferten Klavierstücke galten bisher als anonyme Kompositionen. Die erstmalige Aufführung wird im Rahmen der Mozartwoche vom 22. bis 31. Januar 2010 in Salzburg statt�nden. Noch spektakulärer sind die Funde bei Felix Mendelssohn Bartholdy: Mitarbeiter der Mendelssohn-Forschungsstelle der Sächsischen Akademie der Wissenschaften haben im Rahmen der Leipziger Mendelssohn Festtage ein neues Werkverzeichnis des Komponisten vorgestellt. Es enthält statt bisher 350 nun 750 Kompositionen. Das bisher verfügbare Werkverzeichnis stammt aus dem Jahr 1882. Die Wissenschaftler hatten weltweit Material aus 1.500 Bibliotheken, 15.000 Auktionskatalogen und gut 12.000 Briefdokumenten ausgewertet. //

SER I E : D I E W I C H T I G ST E N F R AG E N Z U R K L AS S I K ( T E I L I I )

Wann ist Musik neu? Im Grunde ist Musik immer neu – Hören ist ein Prozess, der in der Gegenwart verläuft. Historisch betrachtet entsteht Neues immer dann, wenn etwas Traditionelles abgelöst und überarbeitet wird. Meist geschieht dies nicht abrupt, sondern parallel, in der Auseinandersetzung mit dem Etablierten. Dies wird in der Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts besonders deutlich. Hier wird, um den Aspekt der radikalen Erneuerung zu unterstreichen, zeitgenössische auch „Neue Musik“ genannt. Seit den 1920er Jahren meint sowohl „Alte Musik“ als auch „Neue Musik“ eine Tonsprache, die nicht dur-molltonal gebunden und selten im „normalen“ Konzertrepertoire anzutreffen ist. Im Konzertbetrieb wird häufig Neue Musik als „moderne Musik“ bezeichnet. So schwierig auch der Begriff „Moderne“ zu definieren ist, die Musik, die vor, während und nach dem Ersten Weltkrieg entsteht, ist tatsächlich radikal anders als das bis dahin Komponierte. Allein zwischen 1908 und 1912 entstehen so wegweisende Werke wie das zweite Streichquartett in fis-moll op. 10, die Klavierstücke op. 11 und die sechs Klavierstücke op. 19 von Arnold Schönberg, die sechs Orchesterstücke op. 6 von Anton von Webern, die vierte Sinfonie von Charles Ives, die Ballettmusik „Le sacre du printemps“ von Igor Strawinsky und Béla Bartóks Oper „Herzog Blaubarts Burg“. In der bildenden Kunst sind Pablo Picasso, Gabriele Münter oder Wassily Kandinsky Wegbereiter der Moderne, in der Literatur Franz Kafka, James Joyce oder Marcel Proust, die durch ihre innovative Verwendung von Sprache und Form den Weg in eine neue Ästhetik bereiten. Genauso

werden in moderner Musik Parameter wie Form und Instrumentierung innovativ bearbeitet. Die Grundelemente Melodie, Harmonik und Rhythmus bleiben nicht allein Mittel, sondern werden Thema der Musik. In der jüngeren Musikgeschichte gehen Komponisten wie Karlheinz Stockhausen, Pierre Boulez, John Cage, György Ligeti, Adriana Hölszky, Isabel Mundry und andere viel weiter: Auf der Suche nach gänzlich Neuem verlassen sie tradierte Formen und Kompositionsnormen, indem sie sich an provozierenden Konzepten und neuen Darstellungsformen versuchen. Somit sprengen sie die Hörgewohnheiten unserer tonal geprägten Musikerfahrung. Hierin mag vielleicht die große Skepsis vieler Hörer an der Neuen Musik begründet liegen. Gerade bei einer so direkt und emotional wirkenden Kunstform wie Musik wirkt Fremdes und Ungewohntes schnell bedrohlich und ruft leicht eine Abwehrreaktion hervor. So wie neue Schuhe erst einmal eingelaufen werden müssen, muss man sich auch an neue Höreindrücke gewöhnen und sich auf sie einlassen. Wenn Sie sich mit moderner Musik schwer tun, versuchen Sie, sich bei Ihrer nächsten Begegnung von Hörgewohnheiten zu lösen. Tauchen Sie in eine neue Architektur des Klangs ein, zum Beispiel in Ligetis „Atmosphères“, und bemühen Sie sich um Unvoreingenommenheit: Lassen Sie die Musik einfach auf sich wirken, es ist einen Versuch wert. Alle Musik war irgendwann einmal neu! // Abdruck aus: Annette Kreutziger-Herr, Winfried Bönig „Die 101 wichtigsten Fragen: Klassische Musik“

Verlag C. H. Beck, 160 Seiten, 9,95 Euro.


Jetzt bewerben! Wettbewerb um den Award für die Kulturmarke, die Trendmarke und den Kulturmanager des Jahres 2009

kulturmarken award 2009 Bewerbungsunterlagen und weitere Informationen finden Sie unter: www.kulturmarken.de Senden Sie Ihre Unterlagen bis zum:

15. September 2009

Der Branchentreff für Kulturmanagement,-marketing, und -investment

kulturinvest kongress 2009 Berlin, Admiralspalast

29./30.Oktober 2009 Frühbucherrabatt bis zum 30.Juli2009 Anmeldung: www.kulturinvest.de

Veranstalter:

causales Agentur für Marketing und Kommunikation

Förderer:

mit freundlicher Unterstützung des ZEIT Verlages:


moderne musik 18 | www.crescendo.de 05 2009 Sopranistin Anja Harteros: „Früher hasste ich es, mich schick zu machen.“

Stimmverführerin

Anja Harteros (37) wird schon als Julia Roberts der Musik gefeiert. Höchste Zeit für ein Interview! crescendo: Die einen feiern Sie als „Jahrhundertsopran“, die ame-

schen. Ich versuche immer in verschiedene Richtungen zu denken, rikanischen Medien als „A New Girl in Town“. Kollegin Barbara um meinen Weg zu finden. Bonney wiederum sieht Sie als eine „Mischung von Julia Roberts crescendo: In welchem Alter wurde Ihnen klar, dass Sie eine „Stimme“ und Cecilia Bartoli“. Wie sehen Sie sich selbst? haben? Anja Harteros: Darüber mache ich mir, ehrlich gesagt, keine GeHarteros: Als ich 1 Jahre alt war, durfte ich in einer Schulaufführung danken. die Zerlina singen. Das war wohl der Auslöser, um über Gesangscrescendo: Ihr Vater stammt aus Griechenland, Sie aber wuchsen in unterricht nachzudenken. Deutschland auf. Wie viel Griechenland steckt in Ihnen? crescendo: Erinnern Sie sich an Ihre Gefühle bei Ihrem ersten Auftritt? Harteros: Meine Wurzeln liegen in Deutschland, ich habe hier Harteros: Wir sollten uns alle sehr schick machen und ich hasste es, mich meine ganze Kindheit verbracht. Leider schick zu machen. Ich hatte einen schwarzen bin ich nicht zweisprachig aufgewachsen engen Rock an und ich fühlte mich unwohl Anja Harteros wie mein Bruder, der spricht perfekt grieauf der Bühne. Beim Singen selbst, hörte ich Die Sopranistin wuchs in der kleinen Stadt chisch! Ich selber habe immer nur Deutsch mich plötzlich ganz anders als in den Proben. Bergneustadt nahe Köln auf. Im Alter von 14 gesprochen, auch wenn wir die Ferien oft Das war wohl die Aufregung. Das Lässige, Jahren nahm sie erstmals Gesangsunterricht. in Griechenland verbrachten. Ich habe das „lass mal kommen“ fehlte mir da noch. Ihren großen Durchbruch erlebte sie 1999, aber immer sehr viele fremde Laute gehört Ausgerechnet bei „Ach ich sterbe, zu Hilfe“ als sie beim „Cardiff Singer of the World“und gerne auch andere nachgemacht, so musste ich sogar abbrechen (lacht). Da waren Wettbewerb gewann. Harteros singt seither habe ich von klein auf mein Ohr geschult. ja diese Synkopen, gegen die ich ansingen an den großen Opernhäusern. Sie ist verheiManchmal auf der Straße erkannte ich aus musste. Unser Lehrer hat kurz abgebrochen, ratet und lebt in der Nähe von Koblenz. der Stimmfärbung die Herkunft der Menund kurz danach haben wir weiter gemacht.


www.crescendo.de 05 2009 | 19 neue musik

crescendo: Sind Dirigenten in solchen Situationen hilfreich?

Foto: Markus Tedeskino

Harteros: Im Idealfall gibt der Dirigent die richtigen Impulse und

schafft es, Sänger und Instrumentalisten zu führen und gleichzeitig seine künstlerischen Ideen zu verwirklichen. Manchmal kann räumliche Distanz von Bühne und Orchester problematisch sein, akustisch unzureichende Bühnenbilder können stören, es kann sein, dass man schlichtweg nicht erkennen kann, was der Dirigent anzeigt, weil er handwerklich Schwierigkeiten hat, oder aber – das gibt es leider auch – man hat verschiedene Ansichten und findet sich nicht. Und für die Momente, wenn man einen Blackout hat, braucht man einen Souffleur und einen Schutzengel und natürlich einen guten Dirigenten! crescendo: Die ganze Welt der deutschen Romantik ist in den Liedern von Brahms, Schubert und Richard Strauss vereint, die Sie gerade auf einer CD veröffentlicht haben. Was bedeutet diese Musik Ihnen persönlich? Harteros: Diese Musik bringt etwas in mir zum Schwingen, was sich im Alltag gern versteckt und auch in der Oper nicht oft gebraucht wird. Es lohnt sich wirklich, sich mit dieser wunderbaren Musik zu beschäftigen! crescendo: Sie singen Mozart, aber auch Wagner. Wie groß sind die Unterschiede, wenn Sie es ganz pragmatisch betrachten? Harteros: Die Opern Mozarts und Wagners sind ungeheuer verschieden, formal kompositorisch, und inhaltlich. Allein die Komplexität der Verschiedenartigkeit der Rollen innerhalb einer Oper ist enorm, deshalb ist es schwer, diese Frage pauschal zu beantworten. Wesentlich ist die Größe des Orchesterapparates, bei Wagner ist er sehr viel größer als bei Mozart. Dadurch bedingt verträgt Wagner sattere Stimmen mit Expansionsmöglichkeiten, während man bei Mozart insgesamt schlanker und zarter singen darf. Mit Gräfin, Donna Anna, Fiordiligi und Elettra singe ich aber die dramati-

schen Mozart-Rollen und mit Elsa, Elisabeth und Eva die lyrischen Wagner-Rollen, so verkleinere ich den Spagat zwischen beiden Extremen. crescendo: Wie würden Sie sich bei atonaler Musik behelfen. Man kann ja seine eigene Tonhöhe nicht aus den Harmonien der anderen herleiten … Harteros: Oft denke ich bei atonaler Musik in Intervallen und leite meine Töne aus den vorherigen ab, aber im Grunde muss man bei jeder schwierigen Stelle separat entscheiden, wie man sie am besten hinbekommt. Übung macht bekanntlich den Meister … crescendo: Welches Verhältnis haben Sie zu Neuer Musik? Harteros: Das hängt davon ab, was man zur neuen Musik zählt. Mit Freude habe ich beispielsweise Arvo Pärts „Lorno anhela la cierva“ gesungen, oder Alban Bergs „Altenbergerlieder“, Arnold Schönbergs „Gurre Lieder“, Benjamin Brittens „Turn of the Screw“. crescendo: Ist atonale Musik aufwändiger in der Einstudierung? Harteros: Mit Sicherheit ist die Herausforderung eine andere und sicherlich ist es auch eine Frage der Gewöhnung. Je öfter ich atonale Musik erarbeiten muss, umso besser komme ich damit zurecht. Atonale Musik birgt ja nicht nur die Schwierigkeit der Intonation beziehungsweise der Tonfindung, meist gibt es auch schwierige Rhythmen, riesige Tonsprünge und Geräuscherzeugung, die mit Singen weniger zu tun hat. Aber wenn man denkt, ein romantisches Lied sei leicht einzustudieren, weil es so eine schöne Melodie hat, liegt man auch falsch. // Das Gespräch führte Teresa Pieschacón Raphael.

Anja Harteros singt Lieder von Brahms, Schubert und Richard Strauss. Von ewiger Liebe (Berlin Classics)

Mehr Harteros auf der crescendo premium-CD (Infos: Seite 36)

ALBRECHT MAYER BACH

WERKE FÜR OBOE, ORCHESTER UND CHOR Mit seinem neuen Album verleiht Mayer Bachs Kantaten und Chorälen festlichen Glanz

„Einfach göttlich!“

Holger Wemhoff (Klassik Radio)

DIE NEUE CD Ab 18. SEPTEMbER IM HANDEl! AlbRECHT MAYER bACH Werke für Oboe, Orchester & Chor The English Concert Trinity Baroque Choir

Decca CD 478 2045 & Decca CD & DVD 478 2043 Weitere Informationen – auch zur großen BACH-Tournee im Dezember – unter www.albrecht-mayer.de


neue musik 20 | www.crescendo.de 05 2009

Hier spielt die Neue

Wir haben einige der wichtigsten Veranstaltungen zum Thema Neue Musik für Sie heraus

MUSIKTAGE DONAUESCHINGEN BREGENZER FESTSPIELE 22. Juli bis 22. August 2010 Hauptattraktion ist in Bregenz alle Jahre wieder das spektakuläre „Spiel auf dem See“ – egal ob „Aida“ oder „Tosca“. Sehens- und hörenswert ist auch, was Intendant David Pountney in seinen Komponisten-Schwerpunkten von Benjamin Britten bis Szymanowski – 2010 gewidmet Mieczyslaw Weinberg – sowie seiner Reihe „Kunst aus der Zeit“ (KAZ) bietet. Pountney will „Augen, Ohren, Mund, Nase, Hände und Füße“ ansprechen! Infos unter www.bregenzerfestspiele.com, Tel. +43-5574-4076.

16. bis 18. Oktober 2009 Im Herbst ist der Schwarzwald ein Mekka der Klang-Avantgarde. Als ältestes Festival für Neue Musik brillieren die Musiktage Donaueschingen schon seit 1921 mit Ur- und Erstaufführungen. Ein Muss für den Fan Neuer Musik! Infos unter www.swr.de/donaueschingen, Tel. 018054470111 (14Ct/Min)*.

Spielten 2009: Der Wiener Concert Verein

ELEVATE GRAZ 21. bis 26. Oktober 2009 Hoch hinaus geht’s bei „Elevate“ in Graz. Denn das Festival findet auf dem Schlossberg statt und will sich auch thematisch von anderen abheben. Sein erklärtes Ziel ist es, als diskursive „Schnittstelle“ Politik mit Kunst und Musik abseits des Mainstreams zu verbinden. Und Menschen genreübergreifend zum bewussteren und kritischeren Umgang mit ihrer eigenen Medien- und Realitätswahrnehmung anzuregen. Die Möglichkeit der Begegnung mit hierzulande größtenteils unbekannten Künstlern und Stilen ist von zentraler Bedeutung. Info: www.elevate.at * aus dem deutschen Festnetz. Mobilfunkpreise können abweichen

7. bis 16. Mai 2010 Was Salzburg in Österreich darstellt, ist hierzulande Augsburg: Es ist die deutsche Mozartstadt, weil hier der Vater des großen Komponisten geboren wurde. In memo riam findet alljährlich das „Mozartfest“ mit einem Konzert- Reigen klassischer Werke statt. Standard ist als „Brücke in die Gegenwart“ aber auch die Uraufführung eines Auftragswerkes, das sich auf Mozart bezieht. Infos unter www.mozartstadt.de, Tel. 0821-3244900.

Foto: KW NEUN Grafikagentur

Foto: Bregenzer Festspiele, andereart

MOZARTFEST AUGSBURG

Aufbau in Augsburg

MÜNCHENER BIENNALE 27. April bis 12. Dezember 2010 Neue Musik steht für Formenvielfalt. Nur ein Genre wird von ihren Protagonisten stiefmütterlich behandelt: Die Oper. Um für sie in die Bresche zu springen, konzentriert sich die Münchener Biennale alle zwei Jahre auf internationales zeitgenössisches Musiktheater – zuerst unter Hans Werner Henze, seit 1996 mit Peter Ruzicka als Leiter. Infos unter www.muenchenerbiennale.de, Tel. 0180/54818181 (14Ct/Min)*. Zeitgenössisches Musiktheater auf der Biennale in München


www.crescendo.de 05 2009 | 21 neue musik

Musik

gesucht. Hinfahren müssen Sie nun selbst! Der Klassiker: Musiktage in Donaueschingen

KLANGSPUREN 10. bis 27. September 2009

Foto: Irmeli Jung

Das Festival „Klangspuren“ im österreichischen Schwaz geht programmatisch unkonventionelle Wege. Kein Wunder, das bei ihrer 16. Ausgabe auch zum Schwerpunkt Lateinamerika anderes zu hören ist als gefällige Panflötenspieler. Infos unter www.klangspuren.at, Tel. +43-5242-73582 In Schwaz: Cellist Anssi Karttunen (49) aus Finnland

FELDKIRCH FESTIVAL

MUSICA VIVA

d Ac Foto: Astri

kermann

Foto: SWR/Krickl

Künstler wie Jan Vogler sind begeistert von der Münchner Konzertreihe „musica viva“: „Als ich dort das Cellokonzert von Elliot Carter sowie die Uraufführung des Cellokonzerts von Udo Zimmermann unter der Leitung von Kristian Järvi spielte, hatte ich das Gefühl, im Paradies der Neuen Musik angekommen zu sein.“ Freiraum, wo Neuorientierung möglich und Nichtanpassung gefordert ist, Podium, das Impulse aufnimmt und abgibt – so definiert der Bayerische Rundfunk „musica viva“. Der Zuhörer soll mit „Unerprobtem“ und „Unerhörtem“ in bisher unbekannte Regionen gelockt werden. Infos: www.musica.portal-le.de, Tel. 089-59004545.

Das Städtchen ist mittelalterlich, das Programm avantgardistisch: Jedes Jahr im Frühsommer präsentiert Philippe Arlaud Musik des 20. und 21. Jahrhunderts auf dem Feldkirch Festival. Auf das Motto „Á la française“ 2009 folgt im nächsten Jahr „Russland“. Das wird auch im Rahmenprogramm zu spüren sein. Nastrowje! Infos unter www.feldkirch-festival.at, Tel. +43-5522-82943.

DIALOGE SALZBURG 3. bis 6. Dezember 2009 Salzburg hat mehr zu bieten als die Festspiele. Seit 2006 wurde durch die Stiftung Mozarteum hier auch ein Forum für Neue Musik etabliert: Die „Dialoge“. Man setzt auf den Austausch zeitgenössischer Künstler aus den Bereichen Musik, Tanz, Literatur, Film und Bildende Kunst. Infos unter www.dialoge-festival.at, Tel. +43-662-873154.

MUSIKFEST STUTTGART

„Licht“ kann man hören. Zumindest auf dem Musikfest Stuttgart, das um dieses „Urphänomen mit seiner assoziativen Kraft“ sowie „spirituellen und poetischen Tiefe“ kreist. Neben Klassikern wie Händel, Haydn und Mendelssohn stehen auch die deutsche Erstaufführung von Sven-David Sandströms „Messiah“ , Psalmen-Neuvertonungen, experimentelle „Lichtstudien“ am Klavier“, ein Stockhausen-Zyklus im Planetarium oder eine „Lichtreise“ auf dem Programm. Info: www.musikfest.de, Tel. 0711-6192161.

Foto: Brigida Gonzalez

Foto: Regine Koerner

5. bis 20. September 2009

Lichtinstallation am Kunstmuseum Stuttgart

Foto: Florence Grandidier

2. bis 13. Juni 2010

2. Oktober 2009 bis 9. Juli 2010

Mit dabei: Dror Feiler t Komponis

Szene aus „Les Mamelles de Tirésias“


neue musik 22 | www.crescendo.de 05 2009

VON PASCAL MORCHÉ

DIE QUADRATUR DES KREISES Oder: Warum Neue Musik niemals in die Gesellschaft finden wird!

Soviel Musik wie heute war nie. Folge: Nie hörten die Menschen soviel Musik wie heute. Ob das nun für beide Seiten von Vorteil ist, wäre durchaus mehr als eine Überlegung wert – aber hier soll es ja um ein bestimmtes Thema der Musikinflation und musikalischen Strömungen gehen; ein Thema, bei dessen Behandlung einem Nesseln grundsätzlich näher sind als Lorbeer; ein Begriff, der die Musikliebhaber spaltet: „Neue Musik“. Oh Gott, dieser Begriff: „Neue Musik“! Er ist fragwürdig in jeder Weise, denn das Adjektiv „neu“ impliziert ja bereits das Verfallsdatum des Substantivs. So stammt der Begriff „Neue Musik“ denn auch nicht von einem Komponisten oder Musiker, sondern ist dem Hirn eines (Musik!)-Journalisten entsprungen. Paul Bekker hieß der Mann, der 1919 einen Vortrag „neue Musik“ hielt, dessen Schwerpunkt Gustav Mahler, Franz Schreker, Ferruccio Busoni und Arnold Schönberg galt. Seither gibt es also moderne Literatur und moderne Kunst, moderne Architektur und moderne Malerei. Moderne Musik aber gibt es nicht, sondern eben neue, oder auch zeitgenössische. Wobei man aber niemals neue Klänge von Rammstein, Madonna oder Lloyd-Webber als neue Musik bezeichnen würde – obwohl sie allesamt wesentlich bedeutender für das Musikverständnis einer globalisierten Menschheit sind, als jene Kompositionen, die sich unter „Neue Musik“ subsumieren. Fortschritt und Modernität, diesen Fetischismen meint der notorische Grenzüberschreiter Homo sapiens grundsätzlich huldigen zu müssen. Überwindet Tradition und Konvention! Zerschlagt Harmonik, Melo-

dik und Tonalität! Zwölf Töne sind mehr als acht! Es muss ja schließlich weitergehen mit der Musik. Muss es das wirklich? Der Schriftsteller Michael Klonovsky beantwortet diese Frage in seinem Buch Der Schmerz der Schönheit – über Giacomo Puccini: „Im Grunde ist gegen den sympathisch elitären Aus- und Aufbruch so wenig einzuwenden wie gegen die zugleich statt�ndende ‚Emanzipation der Dissonanz‘ (Schönberg), wäre dieser Trend nicht von intellektuellen Lautsprechern mit einer Verunglimpfung der Tonalität begleitet worden.“ Dem Publikum sind die Dissonanzen, mit denen die „Neue Musik“ prinzipiell meint, einhergehen zu müssen, aber eigentlich unerträglich. Das verbliebene Publikum möchte sich wissend geben und lauscht „interessiert“ – wie in „Hurz“, dieser grandiosen Parodie auf Neue Musik von Hape Kerkeling. Wer sie nicht kennt: Sofort auf YouTube „hurz“ anklicken! Dort sieht man sie, die „intellektuellen“ Hörer. „Neue Musik“ ist ein Feigenblatt jedes Musik-Repertoire-Betriebs. Besonders chic ist es, sich einen „composer in residence“ zu leisten und Uraufführungen zu stemmen. Zwar bleibt das Haus dann nach der Premiere meist halbleer, aber der Intendant kommt mit einer Uraufführung „Neuer Musik“ genau dorthin, wo er hin will: Ins Feuilleton. Hurra, wir lieben Dich, schreit da der Kritiker und das Zusammenspiel funktioniert wie ein ineinander verzahntes Uhrwerk. Auch der Dirigent springt da gerne auf. Es hat nämlich durchaus PR-Effekt, wenn man „Neue Musik“ dirigiert! Und es ist nun einmal viel, viel schicker über Peter Ruzickas Hölderlin-Oper im Feuilleton

zu dichten, oder über Unsuk Chins „Alice in Wonderland“-Kakophonie zu lamentieren, als sich liebend einem Werk des klassischromantischen Repertoires zu nähern. Allerdings sind die glühenden Anwälte „Neuer Musik“ selten wirklich „große“ Dirigenten: Das gilt für Pierre Boulez wie für Michael Gielen, für Ingo Metzmacher ebenso wie für Kent Nagano. Man wird in unserer öffentlichkeitswirksamen Zeit den unangenehmen Beigeschmack nie los, dass sich manch einer von ihnen hinter „neuer“ Musik versteckt, dass er sich als Kapellmeister lieber metrisch durch eine „Alice in Wonderland“-Partitur oder ein, mit singender Säge und Didgeridoo angereichertes Sinfonie-Orchester schlägt, als heute „Carmen“, morgen „Figaro“ und übermorgen „Tristan“ zu dirigieren. Und warum? Weil es ihm dafür ganz einfach erstens an handwerklichem Können und zweitens (schlimmer noch!) an musikantischer Lust mangelt. Es gilt nämlich als Faustregel: Wer sich mit Meuer Musik beschäftigt, der ist klug und wer sich für die noch so elaborierteste Ohrenkrebsmusik „einsetzt“, der gilt als intellektuell. Doch bevor die Nesseln nun peitschen und es Unterlassungserklärungen hagelt – denn Sektierer verstehen keinen Spaß –, blicken wir lieber in die Geschichte der „Neuen Musik“ und belegen ein paar Thesen. Die Geschichte zeigt tatsächlich eine lange Sackgasse eines verkopften Sektierertums. Und ich spreche hier nicht nur über das wichtigste Festival für „Neue Musik“ in Deutschland, die Donaueschinger Musiktage. Arnold Schönberg, der mit seinen „Fünf Orchesterstücken opus 16“ eines der ersten ato-


www.crescendo.de 05 2009 | 23 neue musik

nalen Stücke schuf, bekannte sich mit seinem „Verein für musikalische Privataufführungen“ (1918) bereits zur künstlerischen Nische. Man wollte eben unter sich bleiben in der Welt der „Neuen Musik“. Das ist gelungen: Der Elfenbeinturm als Künstlerdomizil, die perfekte atonale Wohnstätte. Und dafür, dass der Herr Komponist nicht friert, sorgten Staat und öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten als treu fürsorgende Subventionsgeber. Ist Schönbergs opus 16 der Beginn neuer Musik, so kann man sie freilich schon viel früher hören. Beweis: Man unterlege ein noch so banales Bild mit Wagnerscher Musik und bekommt Filmmusik. Die Musik im 20. Jahrhundert ist von der fortschreitenden Technisierung, Intellektualisierung und Entseelung des Menschen geprägt. Der ästhetische und theoretische Unterbau der Musik wurde wichtiger als das zu hörende Ergebnis. Die Musik wurde buchstäblich „verkopft“, oder eleganter gesagt: „intellektualisiert“. Busonis „Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst“ (1906) war von großem Ein�uss auf die Entwickung der Neuen Musik. Nur hat man dieses theoretisch verquaste Gequirrle nie in Frage gestellt, wie man es bei dem, aus selbem Geist geborenen Schwachsinn des „Manifests zum Futurismus“ von Filippo Tommaso Marinetti (1909) immerhin tat: „Ein Rennwagen, ein aufheulendes Auto, ist schöner als die Nike von Samothrake.“ Ein kluger Komponist wie Richard Strauss zog nach der „Elektra“ die kompositorische Handbremse und walzerte den „Rosenkavalier“ zu seinem Bestseller. Für eine Nische wie „Neue Musik“ war Strauss zu publikumssüchtig und – pardon – auch zu geldgeil. Doch machen wir unsere Untersuchungen am Begriff „Neue Musik“ an zwei Komponisten fest, die sich noch kennenlernen konnten: Puccini und Schönberg. Puccini: naiv, tonal emotional, der Vergangenheit, der Harmonie verp�ichtet. Schönberg: nicht naiv, atonal, intellektuell, der Mann der Zukunft, der Disharmonie. 1924 reiste Puccini nach Florenz, um im Palazzo Pitti, in Anwesenheit jenes Mannes, der die Zwölftonmusik erfunden hatte, dessen atonales Melodram „Pierrot lunaire“ zu hören. Der Schöpfer von „Tosca“ und „Bohème“, damals der bekannteste Komponist der Erde, bedankte sich nach der Aufführung bei Schönberg und nannte das Stück

„interessant“. Interessant – das „schrecklichste Lob“, das die Musikkritik zu vergeben habe, spottete der Publizist Sebastian Haffner einmal. Puccini äußerte sich auf jeden Fall zwiespältig über die musikalische Avantgarde. 1922 schrieb er: „Ekel machen mir die Ausgetüfteltheiten der Musik von heute.“ Der harmonisch-tonale Klang der Welt, er zerbarst in zwei Weltkriegen. Hier wurde alle musikalische Tradition unterbrochen. Gerade jene, die es geschafft hätten, die Musik einer klassisch-romantischen Tradition, gleichsam in einer Art deutschem Puccini-Verismus weiter zu entwickeln, diese Komponisten wie Korngold, Schreker, Zemlinsky, Krenek – sie waren jüdisch, deshalb per se „entartet“ und wurden in die Emigration getrieben. In Amerika komponierten sie Unterhaltungs-, Revue-, und auch Filmmusik – dies aber galt den Hohepriestern der „Neuen Musik“ „nach“ dem Krieg nicht als wirklich „ernst“ – weshalb einige der Emigranten nun nach 1945 quasi ein zweites Mal als entartet galten. Die grauenvolle (deutsche) Trennung von U- und E-Musik, sie lässt sich an der Entwicklung der „Neuen Musik“ bestens belegen. Ein Leonard Bernstein oder Cole Porter hätte nie die strengen, intellektuellen Aufnahmekriterien erfüllt, wie sie nach 1945 von Foren der Neuen Musik wie den Donaueschinger Musiktagen oder dem Frankfurter Ensemble Modern gep�egt werden. Immerhin: Vielfältig waren sie, die Musikrichtungen und Kompositionstechniken, die ab den 1950er Jahren zu hören waren. Alles

„Ein Rennwagen, ein aufheulendes Auto ist schöner als die Nike von Samothrake“ wurde möglich. Aber viel davon wurde auch nur als neumusikalische Mode möglich. Aber von diesem Stil repertoiretauglich? Eher nicht. Man hört Ligetis Klangzauber „Atmosphères“ und denkt: Nun, der „Rheingold“-Anfang lässt grüßen; man hört minimal music von John Adams und meint zu recht‚ da sei Bach mit seinem Praeludium 846 auch schon drauf gekommen. Durchschnittlich 1,7 Uraufführungen Neuer Musik gab es in Deutschland in den vergangenen zwei Jahren. Täglich! Nur

stellt sich hier die „Neue Musik“ blöderweise selbst ein Bein. Diese – der Eitelkeit von Ensembles, Dirigenten, Orchestern und Intendanten geschuldeten – Gier nach Uraufführungen führt logischerweise dazu, dass sich kein Repertoire „Neuer Musik“ bildet. Hauptsache also: Eine Uraufführung! Nein, die „Neue Musik“ ist nicht angekommen in der Mitte der Gesellschaft und sie wird dort auch nicht mehr hin�nden. „Moderne Kunst hängt heute auf Vorstandsetagen großer Konzerne, Aufgeschlossenheit für Experimente gehört zum guten Ton. Geht es hingegen um (neue) Musik, dann ist sogar den an Kultur interessierten Kreisen ein eklatanter Konservatismus eigen“, beklagt Rainer Pöllmann in dem Artikel „Angekommen in der Gesellschaft? Die neue Musik in Deutschland (Magazin Nr. 8 Kulturstiftung des Bundes). „Intellektuelle, die keinerlei Berührungsängste mit provokativem Theater oder avanciertesten Werken der Bildenden Kunst haben, nehmen für sich besten Gewissens in Anspruch, „moderner Musik“ nichts abgewinnen zu können“. „Wer sich“, so Pöllmann weiter „über Gerhard Richter auch nur halb so verständnislos äußerte wie es selbst bei Karlheinz Stockhausen bis heute täglich geschieht, verabschiedete sich als ernst zu nehmender Gesprächspartner aus dem kulturellen Diskurs.“ Das stimmt! Nur verkennt der Autor dabei, dass jemand, der sich heute für Anselm Kiefer oder Gerhard Richter interessiert, oft sehr gute moderne Musik auf seinen iPod geladen hat; dass er aber Bach oder Beethoven, Mozart oder Wagner absolut nicht mehr für sich und für sein Leben braucht. Dass dies ganz einfach unendlich viel trauriger und bedenklicher ist, als das selbstverschuldete (!) Unvermögen der „Neuen Musik“, in der „Mitte der Gesellschaft“ anzukommen, das wollen die Elfenbeinturmbewohner natürlich nicht wahrhaben. „Neue Musik“, so Pöllmann, „kann ungeheures Vergnügen bereiten – Unterhaltungsmusik ist sie, in der Regel, nicht. Wer diese Unterschiede verwischt, wird keinen dauerhaften Erfolg haben.“ Genau! Und deshalb wird „Neue Musik“ längst wo anders gespielt als im Konzertsaal oder auf der Opernbühne. Und man ist versucht zu sagen: Das ist richtig so und auch gerecht! //


Die Besten CDs

rezension 24 | www.crescendo.de 05 2009

DVDs

Ausgewählt von der crescendo Redaktion Rudens Turku Romantische Werke für Violine und Klavier (Avie)

2

Amir Katz Mendelssohn: „48 Lieder ohne Worte“ (Live Classics)

3

Nils Mönkemeyer „Weichet nur, betrübte Schatten“ (Sony Classical) Wunderbar dunkler und zugleich frischer Klang

4

5

Pluhar/Jaroussky/ Rial „Teatro d‘amore“ (Virgin Classics) Robert Sadin „Art of Love“, Lieder von Machaut (Deutsche Grammophon) World Music mit Mittelalter-Touch vom Feinsten

6

Trio Parnassus Louis Ferdinand von Preußen: Klaviertrios Vol. 3 (MDG)

7

Joel Frederiksen „O felice morire“ (harmonia mundi)

8

Dejan Lazi´c Rachmaninow: Klavierwerke (Channel Classics)

9

William Christie Lully: „Atys“ (harmonia mundi)

10 delian::quartett Schumann: „Kammermusikwerke“ (OehmsClassics) 11 Joseph Moog „Metamorphose(n)“ (Claves) 12 Robert Crowe „Carissimi: Sopran-Motetten“ (Profil Edition) 13 Volkmar Andreae Bruckner-Zyklus (Music & Arts) Unverzichtbares Dokument für Bruckner-Fans

1

Metropolitan Opera „Centennial Gala“, 2 DVDs (Deutsche Grammophon)

Gesangsstars ohnegleichen 2

Deutsches Nationaltheater Weimar Wagner: „Der Ring des Nibelungen“, 7 DVDs (Arthaus)

3

Tan Dun „Marco Polo“ (Opus Arte)

4

Ballets Russes Strawinsky: „Feuervogel“, „Le Sacre“ (BelAir)

Legendäre BallettKompositionen mit den Ur-Choreografien von Fokine und Nijinsky 5

Karl Böhm Schubert: „Sinfonie C-Dur“ D 944, Probe und Aufführung (medici arts)

6

Puccinis Femmes Fatales Puccini: „Manon Lescaut“, „Tosca“, „Turandot“, 3 DVDs (TDK)

7

Akademie für Alte Musik Berlin Vivaldi, Rebel: „4 Elemente – 4 Jahreszeiten“ (harmonia mundi)

8

Villazón/Machaidze Gounod: „Roméo et Juliette“, 2 DVDs (Deutsche Grammophon)

9

Cecilia Bartoli „Viva Vivaldi“ (EMI)

10 Walter Felsenstein Edition, 12 DVDs (Arthaus) 11 Royal Danish Opera Wagner: „Der Ring des Nibelungen“, 7 DVDs (Decca) 12 Ballett des Prager Nationaltheaters „Prinzessin Goldhaar“, Märchenballett (Supraphon) 13 Nikolai Lugansky Klavier-Recital (medici arts)

14 René Pape „Gods, Kings & Demons“ (Deutsche Grammophon)

14 Maria Ewing u.a. Strauss: „Salome“ (Opus Arte)

15 Leontyne Price Gershwin: „Porgy and Bess“ (audite)

Realistische Inszenierung von Altmeister Peter Hall 15 Vladimir Malakhov Bigonzetti: „Caravaggio“ (Arthaus)

Rezensionen Auswahl der besten CDs und DVDs

Foto: Karl und Monika Forster

1

Eine Braut, wie sie sich Wagnerianer wünschen: Catherine Foster als „Siegfried“-Brünnhilde

D E R „ R I N G“ I N W E I M A R

Eine mutige Tat Eigentlich hätte sein Festspielhaus in Weimar stehen sollen. Die Klassiker-Stadt war erste Anlaufstation des 1848 als revolutionärer Barrikadenkämpfer in Dresden gescheiterten Hofkapellmeisters Richard Wagner. Futsch war die – einige Jahre zuvor – mühsam errungene (groß)bürgerliche Existenz. Der Gesamtkunstwerker befand sich auf der Flucht ins Schweizer Exil und machte kurzen Halt bei Intimus Franz Liszt. In der Tasche hatte er jedoch einen Plan, den größten Plan, den ein Opernkomponist bis dahin erdacht hatte: Ein monumentales Werk, „Siegfrieds Tod“, wollte er schreiben, das ihm nach Jahren steten Ringens schließlich zur – je nach Dirigiertempo – zwischen 14 und 16 Stunden dauernden Tetralogie geriet. Und der steckbrieflich gesuchte Wagner (der damals wahrlich andere Sorgen hätte haben müssen!) setzte noch Eins drauf: In den Weimarer Ilm-Auen – ganz in der Nähe von Goethes Gartenhaus – fand er den vermeintlich idealen Platz für sein persönliches Walhall, die erträumte musterhafte Aufführungsstätte für eben diesen „Ring des Nibelungen“. Es ist zwar anders gekommen – das Festspielhaus entstand erst zweieinhalb Jahrzehnte später auf dem Grünen Hügel in Bayreuth und wurde dort 1876 mit dem ersten „Ring“-Zyklus eröffnet –, aber Wagners utopisch anmutende Art und seine beständige „Vorwärts-Strategie“ scheint noch auf heutige Theaterleute inspirierend zu

wirken. Denn im von Spar- bzw. Fusionszwängen geplagten Weimar des Jahres 2006 wären an sich auch andere Sorgen angebracht gewesen als die Mammutaufgabe, das größte und gewichtigste Repertoire-Werk auf die Bühne des Deutschen Nationaltheaters zu stemmen. Der Erfolg spricht für sich: Innerhalb von zwei Jahren (2006 bis 2008) feierten die einzelnen „Ring“-Teile Premiere, um dann dreimal – vom Publikum umjubelt – zyklisch aufgeführt zu werden (zweimal im Sommer 2008 und zuletzt zu Ostern 2009). Für eine Einlagerung dieser konzeptionell durchweg überzeugenden Produktion von Michael Schulz (unübersehbar die Handschrift von Parade-Dramaturg Wolfgang Willaschek) fehlten dann leider die Mittel. So bleiben einzig die vorliegenden Video-Dokumente, um die ungeheure Leistungsfähigkeit des Weimarer Ensembles zu bezeugen: Die Staatskapelle unter ihrem damaligen GMD Carl St. Clair (heute in gleicher Position an der Komischen Oper Berlin) spielt brillant auf, und die Sänger werden ihren Rollen mehr als nur gerecht – allen voran die hinreißende Brünnhilde von Catherine Foster. Da soll noch Mal jemand behaupten, es gäbe keine hochdramatischen Soprane mehr …! Richard Eckstein Wagner: „Das Rheingold“, „Die Walküre“, „Siegfried“, „Götterdämmerung“, Michael Schulz (Regie), Staatskapelle Weimar, Carl St. Clair (Arthaus)

Hören Sie ausgewählte Titel der CDs, die hier besprochen werden, auf der crescendo premium-CD, siehe auch S. 36.


www.crescendo.de 05 2009 | 25 rezension U N B EK A N N T E R P E P U S C H

SCHNIT TK E GOES CINEMA

Johann Christoph Pepusch (1667-1752) war ein Preuße, der in England reüssierte und als Mitautor der „Beggar’s Opera“ Geschichte schrieb. Trotz eher geringer Eigenständigkeit besitzt seine Musik namentlich in einigen harmonischen Wendungen ihre originellen Momente und stets einen prächtigen Fluss. Beeindruckend geschmeidig in der zierlichen melodischen Ornamentik sind Tenor Félix Rienth und Blockflötistin Muriel Rochat Rienth über dem schweren Klanggewand der Tempesta Basel. Doch gibt es einige Mängel, die allerdings typisch sind für die Szene der sogenannten „historischen Aufführungspraxis“: unbalanciert basslastiges Klangideal, kein Zugang zu langsamen Tempi, ungeschickt herbeigeführte Abschlüsse der schnellen Sätze. Eine auffallende Novität im Cover ist die Tatsache, dass Tenor Félix Rienth offen Werbung für DKNY Jeans macht.

Schnittkes Filmmusik spielt auf der Klaviatur der Musikstile aller Zeiten. Neoklassizistische Barockanklänge können neben Jazzpassagen, ein Menuett neben einem Charleston und ein Walzer neben Folkloreklängen stehen. Doch Trivial ist hier nichts, vielmehr theatralisch gedacht und einer pointierten musikalischen Dramaturgie folgend. Knappe Sequenzen mit Dramatik, Skurrilität, bewusster Dissonanz, rhythmischer Prägnanz oder melodischer Weite schaffen charakteristische Bilder. Filmmusikexperte Frank Strobel hat aus dem reichhaltigem Material der Filmpartituren Schnittkes wunderbare Suiten erstellt und diese mit dem RSO Berlin in exquisiten, das dynamische Spektrum ausreizenden Interpretationen auf vier kurzweiligen CDs eingespielt. In dieser Transparenz des Klanges und der Vorgänge bewährt sich die polystilistische Musiksprache auch ohne die dazugehörigen Bilder als Hörvergnügen – als Kino im Kopf.

Beeindruckend geschmeidig

Christoph Schlüren

Filmmusik-Vergnügen

Uwe Schneider Pepusch: Tenorkantaten, Blockflötensonaten, Félix Rienth, Muriel Rochat Rienth, La Tempesta Basel (Enchiriadis)

Alfred Schnittke: „Filmmusik“, RSO Berlin, Strobel (Capriccio)

M A C H AU T S M I T T EL A LT E R L I C H E L I E D E R

G E S C H I C H T EN E R Z Ä H L E R T U R K U

Der angesehene Arrangeur und Produzent Robert Sadin nahm sich einige Lieder des Dichters und Komponisten Guillaume de Machaut (ca. 1300–1377) vor, die alle vom mittelalterlichen Ideal der höfischen Liebe handeln, ließ die Texte in modernes Französisch übersetzen und brachte dann eine Reihe vorzüglicher Musiker zusammen. Arrangiert wurden Instrumente und Percussion, Begleitharmonien, Gegenstimmen. Etliches wurde im Studio gemeinsam entwickelt, oft auch aus Improvisationen. Dabei heraus kam das hochgradig spannende, stimmungsvolle Konzeptalbum „The Art of Love“, dessen Stil man am besten als „World Music mit mittelalterlichem Touch“ beschreiben kann. Machauts Lieder wirken auch in diesem Gewand zeitlos gut und inspirierend. Diese Annäherung aus Sicht des Pop wirkt nicht weniger überzeugend und mitreißend als Darbietungen auf mittelalterlichen Instrumenten wie vom Ensemble Sarband.

Der 1978 in Tirana geborene Geiger Rudens Turku hat sich seit geraumer Zeit einen Namen gemacht als exzellenter Kammermusiker und Recital-Virtuose. Nun stellt er zusammen mit dem Pianisten Oliver Schnyder ein bunt gemischtes Recitalprogramm vor, das ihn in unterschiedlichsten Facetten zeigt: in der verhaltenen Zartheit von Rachmaninows „Vocalise“ und Piazzollas „Milonga in D“; im natürlichen Rubato der geigerischen Musikanterie von Sarasates „Romanza andaluza“ – hier weckt Turkus heiteres Spiel gar Assoziationen zu Fritz Kreisler; in der Unmittelbarkeit des gezügelten Affekts von Dvorˇ áks wunderschöner Sonatine op. 100; und in der Verve und dem epischen Drama von Edvard Griegs machtvoller dritter Sonate op. 45. Turku ist ein sehr leidenschaftlicher und kultivierter Violinist mit farbenreichem, blutvollem Ausdruck, der vor allem in den kleinen Piècen auf seinem Instrument fesselnd eine Geschichte zu erzählen versteht. Christoph Schlüren

Zeitlos

Fesselnd

Benjamin-Gunnar Cohrs „Art of Love“. Lieder von Guillaume de Machaut, arrangiert von Robert Sadin u. v. a. (Deutsche Grammophon)      

Grieg, Dvorˇák, Rachmaninow, u. a.: „Homelands“, Werke für Violine und Klavier, Turku, Schnyder (Avie)

UNSERE NEUERSCHEINUNGEN – KLASSIK VOM FEINSTEN Jules Massenet

Nach 119 Jahren erstmals mit wiederentdecktem 4. Akt –

Barbara Frittoli, Lado Ataneli Dirigent: Gianandrea Noseda Regie: Stefano Poda

World Premiere Recording! Giacomo Puccini

EDGAR

Live aus dem Teatro di Turino 2008

José Cura,

Amarilli Nizza, Julia Gertseva Dirigent: Yoram David Regie: Lorenzo Mariani

Kat.Nr. 101377 DVD / 101378 BLU RAY

THAÏS

Live aus dem Teatro di Turino 2008

Kat.Nr. 101385 DVD / 101386 BLU RAY

„… enthält mehr als 40 Minuten unbekannter Musik – und zwar die beste des Werkes … Die Aufführung stellt eine Sensation dar … Im Puccini-Jahr steht die Aufführung wie ein einsames Juwel!“ Die Welt „José Cura in der Titelrolle ist phänomenal.“ Frankfurter Allgemeine Zeitung

Der neue Arthaus Musik DVD Katalog ist da! Bitte fragen Sie Ihren Händler. www.arthaus-musik.com | Im Vertrieb von Naxos Deutschland | www.naxos.com Arthaus and Arthaus-symbol are registered Trademarks of the Kinowelt Group, Germany


rezension 26 | www.crescendo.de 05 2009

M A L A K H O V A L S C A R AVAG G I O

WIMMERWUMMER

K I M K A S H K A S H I A N S K L AG EN

Ein Handlungsballett über einen Maler?! Geschickt umschiffte Choreograf Mauro Bigonzetti alle Erwartungen nach einem lebenswirklichen oder gar bildmotivgetreuen Tanzabend über den Renaissance-Sonderling Michelangelo da Caravaggio: Zum Einstieg wird zwar noch der visuelle Eindruck einer amüsierfreudigen Gesellschaft vermittelt (die das historische Vorbild Caravaggio zeitlebens bürgerlichen oder adligen Kreisen vorzog), später lässt Bigonzetti seinen Hauptdarsteller Vladimir Malakhov die Schattenseiten des unglücklich Getriebenen jedoch in zunehmend abstrakter Verdichtung durchleben. Selbst ein lange aufgesparter Männer-Pas de deux – einer der choreografischen Höhepunkte! – ist von Schmerz und Hoffnungslosigkeit geprägt. Gewissen Längen der Berliner Live-Produktion wirkte die Filmregie durch ausgesprochen schnelle Schnitte und raffinierte Perspektivwechsel positiv entgegen. Vesna Mlakar

Man wird kaum behaupten können, dass die 16 Stücke auf dieser CD, die angeblich einen neuen Musikstil vorstellen will, harmonisch oder sonst wie kompositorisch anspruchsvoll ist. Die simplen Waberakkorde, das elektronische Gewummer oder das Scratchen und Stottern aus der Computer-Soundschmiede gibt es seit Jahren. Angeblich hören wir Grenzerweiterungen der Popmusik, doch jeder halbwegs begabte Pubertierende kann auf seinem Heim-PC mit billiger Audio-Software Vergleichbares zusammenbasteln. Die musikalische Kernschmelze, die der CD-Text ankündigt, erweist sich als Manipulation zumeist synthetischer Klänge, deren Ausdrucksspektrum von Primitivharmonien über Minimal Music bis zum Schreddern scheinbar beliebigen Materials reicht. Wer bei reinen Dreiklängen intellektuelle Forderungen und emotionale Regungen verspürt ist hier jedoch richtig. Darauf ein kräftiges: Ommm!

Trauer braucht Zeit. Es sind ganz ruhige Klänge, die die armenischstämmige Bratschistin Kim Kashkashian auf ihrer neuen CD „Neharót“ versammelt hat. Das titelgebende Stück hat die israelische Komponistin Betty Olivero unter dem Eindruck des Libanon-Krieges geschrieben. Der warme Bratschenton von Kim Kashkashian wird, begleitet vom Münchener Kammerorchester, zur expressiven Klage, ehe sich nach und nach Stimmen ins instrumentale Geschehen einblenden. In den „Drei Arien – gesungen am Fenster mit Blick zum Ararat“ ihres Landsmannes Tigran Mansurian lässt Kashkashian ihr Instrument einsame Kreise ziehen. Die Viola singt die einfachen, meist skalenförmigen Melodien voller Emotionalität. Und zeigt sich in Eitan Steinbergs gemeinsam mit dem Kuss Quartet aufgenommenem musikalischem Gebet „Rava Deravin“ von einer ganz zerbrechlichen Seite.

Abstrakt verdichtet

Bigonzetti: „Caravaggio“, Staatsballett Berlin (Arthaus)

Pop-Stilmix für Minimalisten

Wenn die Bratsche singt

Georg Rudiger

Uwe Schneider Olivero, Mansurian, Steinberg: „Neharót“, Kim Kashkashian (ECM)

„XVI reflections on classical music“ (Point Music)

JA N S O N S D I R I G I ER T H AY D N

TA N D U N S O P E R N - E R S T L I N G

TOK AREV ALS ROMANTIK ER

Der Maestro lässt Haydn robust und natürlich musizieren, öfter auch zärtlich singen. Der Klang ist angenehm dunkel abgetönt. Einige Male darf man sich über seltsame Dynamik- und TempoManöver wundern, und in der „Harmoniemesse“ fällt an einigen Zäsurpunkten die Spannung in sich zusammen. Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks ist technisch exzellent, der Chor sehr solide, das Solistenensemble auf einigermaßen ausgeglichenem Niveau. Während die Solisten zurückhaltend begleitet werden, kann die Chorpolyphonie alleine deshalb schon kaum Transparenz entfalten, weil die orchestrale Ornamentierung dominiert. Hinzu kommt eine sehr hallige Kirchenakustik, die von der Aufnahmetechnik im Rahmen des Möglichen erstaunlich gut bezwungen wurde. In der 88. Symphonie – einer der inspiriertesten Haydns – gilt im Prinzip das Gleiche, wobei das Orchester alleine ein viel ausgeglicheneres Resultat erzielt. Christoph Schlüren

Die Figur des Marco Polo und seine Reise in den Orient dienen in Tan Duns erster großer Oper als Folie für eine geistige Reise, in der Inneres und Äußeres, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, der Kreislauf der Natur, Geburt, Dasein und Tod durchschritten werden – verschachtelt auf mehreren Ebenen als „Oper in der Oper“. Dabei verschmilzt Tan Dun Elemente der Peking-Oper mit westlicher Musik. Eben diese Berührung der Kulturen macht das Werk so attraktiv. Die hier auf einer gut ausgestatteten DVD vorgelegte Neuproduktion der niederländischen Oper vom November 2008 dirigierte der Komponist selbst. Jean Kalmans fantastisches Bühnenbild, die stringente Regie von Pierre Audi und fabelhafte Sängerinnen und Sänger (allen voran Charles Workman und Sarah Castle als Polo und Marco) machen die Produktion zu einem Ereignis ersten Ranges, zutiefst bewegend und unvergesslich.

Äußerlich wirkt Nikolai Tokarev wie ein Repräsentant jener jungen, ungekünstelten Musikergeneration, die immer mehr die Älteren zu verdrängen scheint: lässig mit Jeans und T-Shirt und dem fein gestutzten Philosophenbart. Auch künstlerisch lehrt der Sprössling einer Musikerfamilie aus Moskau so manchem altgedienten Kollegen das Fürchten – auch mit dieser LiveAufnahme mit dem Luzerner Sinfonieorchester unter Olari Elts. Frédéric Chopins 2. Klavierkonzert, gewiss tausende Male meisterhaft eingespielt, liegt auch diesmal in den Händen eines fulminanten Technikers, feinsinnigen Musikers und leidenschaftlichen Virtuosen. Dem Klavierkonzert in a-Moll von Edvard Grieg merkt man stellenweise an, dass dem Komponisten Tänze und Lieder wohl mehr lagen als die größeren Musikgattungen. Dennoch gelingt Tokarev eine stimmige Wiedergabe, selbst in den rustikalen Abschnitten des Werks.

Benjamin-Gunnar Cohrs

Teresa Pieschacón Raphael

Angenehm dunkel

Haydn: „Harmoniemesse“, 88. Sinfonie, BR-SO, Mariss Jansons (BR-Klassik)

Zutiefst bewegend

Tan Dun: „Marco Polo“, Netherlands Chamber Orchestra, Tan Dun (Opus Arte)

Stimmig

Grieg, Chopin: „Romantische Klavierkonzerte“, Nikolai Tokarev (Sony Classical)


www.crescendo.de 05 2009 | 27 rezension

34.Fränkische Musiktage Alzenau

B Y Z A N T I N I S C H E H Y M N EN D E R E R S T EN KO M P O N I S T I N

Festival der Jungen – 17.10.–23.11.2009

Weitere Studien erforderlich Äbtissin Kassia (9. Jh.) ist die erste Komponistin, deren Werke überliefert sind. Es sind sehr schöne Gesänge, die allerdings in ihrer Schlichtheit (wie Folklore) von der ursprünglichen Qualität der Aufführung nicht zu trennen sind. Geschmeidig ist bei diesen Darbietungen deutscher Alte-MusikSpezialisten zwar die Tongebung, nicht jedoch die Linienführung. Am beeindruckendsten ist da noch die respektgebietende Quartparallelen-Intonation. Gerade in den einstimmigen Gesängen wäre den Ausführenden zu raten, in die Türkei und auch nach Bulgarien zu reisen, um die Kraft und schwebende Intensität der lebendigen Überlieferung orientalischer Melodiegestaltung zu studieren. Der Booklettext ist ein absurdes Exempel redundanten Missbrauchs einer geschichtlichen Größe für zeitgenössische feministische Zwecke.

in Verbindung mit dem

17. INTERNATIONALEN CHOR FORUM Die Fränkischen Musiktage Alzenau sind das älteste Musikfestival des Rhein-Main-Gebietes und eines der bedeutendsten Podien Deutschlands für junge Künstler der klassischen Musik. In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Musikwettbewerb, der Deutschen Stiftung Musikleben und der Europäischen Union der Musikwettbewerbe für die Jugend e.V. (EMCY) wird dem musikalischen Nachwuchs schon seit vielen Jahren Aufmerksamkeit gewidmet, lange bevor andere Veranstalter dieses Segment entdeckt haben.

Christoph Schlüren Kassia: Byzant. Hymnen, Voca Me Ensemble (Christophorus)

B R U C K N E R - Z Y K LU S U N T E R VO L K M A R A N D R E A E

Ohne falsches Pathos

Tondokumente des Schweizer Dirigenten Volkmar Andreae (1879–1962) sind rar. Umso größere Bedeutung kommt diesem hier erstmals veröffentlichten Bruckner-Zyklus mit den Wiener Symphonikern unter seiner Leitung von 1953 zu. Die vorzüglich restaurierten Mono-Aufnahmen bieten die Sinfonien in eigenwilligen, durchdachten Interpretationen, fern sentimentalisierender Klangweihe. Geradezu bestürzend kühn wirken die oft vernachlässigte Erste und Zweite, die hier feurig vorwärts drängen. Besonders schlüssig gerieten auch die Vierte, Fünfte und Neunte. Zwar ist der schlechte Zustand der ersten Geigen-Gruppe des Orchesters zu dieser Zeit manchmal peinlich hörbar, doch ist dies insgesamt für Bruckner-Fans ein unverzichtbares Dokument. Benjamin-Gunnar Cohrs

VILDE FRANG

CHRISTOPH PRÉGARDIEN

Bruckner: Sinfonien Nr. 1–9, „Te Deum“, Wiener Symphoniker, Volkmar Andreae (Music & Arts)

H EU T I G E K L AV I E R M U S I K F Ü R K I N D E R

Bis zum Rock ’n’ Roll Neue Musik für Kinder? Da winkt der Klavierlehrer ab. Steffen Schleiermacher ist da anderer Meinung. Sein Album „For Children“ versammelt ganz unterschiedliche zeitgenössische Klaviermusik für Kinder – und macht damit auch die Erwachsenen froh. Am Experimentellsten erscheinen György Kurtágs „Microludies“. Ganz reduziert sind manche der kurzen Stücke, sogar ein ganz normaler Dur-Dreiklang verirrt sich in die 1973 entstandene „Hommage à Kadosa“. Bei „Hänschen klein“ aus Helmut Lachenmanns „Child`s Play“ (1980) bleibt vom Original nur noch der Rhythmus übrig, „Filter Swing“ überrascht mit raffinierten Nachklängen. Zum Höhepunkt der CD werden Sofia Gubaidulinas kostbare „Musical Toys“ (1969), die von Steffen Schleiermacher mit leichter Hand zum Leben erweckt werden. Selbst einen Rock ’n’ Roll („A Bear Playing the Double Bass and the Black Woman“) findet sich unter den reizenden Spielzeugen. Georg Rudiger „For Children“. Steffen Schleiermacher (MDG)

MONA ASUK A OTT

PETER FRICKE

Hélène Grimaud, David Geringas und viele andere heutiger Weltstars gaben hier ihr Deutschland-Debut und auch in diesem Jahr werden zahlreiche Preisträger internationaler Wettbewerbe zu hören sein. Neben Solorecitals vereint auch eine Kammermusik-Akademie unter der Leitung renommierter Künstler der Klassikszene die jungen Talente zu gemeinsamen Konzerten. In diesem Jahr werden hierbei unter anderem die Geigerin Ana Chumachenco und der Cellist Peter Buck jeweils ein Projekt mit Werken von Spohr, Beethoven und Mendelssohn leiten. Der Tenor und Gesangspädagoge Christoph Prégardien und der Pianist Michael Gees sind ebenfalls mit jungen Sängern in Schumanns „Der Rose Pilgerfahrt“ zu erleben. Neben dem musikalischen Nachwuchs widmet sich das Festival auch Raritäten des Klassik-Repertoires. Ein Highlight dürfte in diesem Jahr die deutsche Erstaufführung der Mailänder Vesperpsalmen von Johann Christian Bach sein, die von Concerto Köln und dem Süddeutschen Kammerchor unter der Leitung von Gerhard Jenemann gestaltet wird. Als Solisten sind hier Joanne Lunn, Sopran, Elena Biscuola, Alt, Georg Poplutz, Tenor und Thomas Bauer, Bass, zu hören. Beethovens selten zu hörende Ballettmusik zu „Die Geschöpfe des Prometheus“ sind in einer Neufassung als Melodram mit Peter Fricke in der Rolle des Sprechers zu erleben.

Dem Thema „Geist der Freiheit“ ist ein Gesprächskonzert mit dem DDR-Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer gewidmet. Die Ölbergszene aus Bachs Johannespassion und Graupners Passionsmusik „So bestehet nun in der Freiheit“ werden der Ausgangspunkt für Schorlemmers Betrachtungen sein.

www.fraenkische-musiktage.de C05_09_24-30rezi_moenkemeyer_2_mw.indd 27

27.08.2009 19:00:33


rezension 28 | www.crescendo.de 05 2009

B E E T H O V EN - B E R E I C H E R U N G

G A B E T TA M I T K L A S S I K E R N

LU L LY S B E D EU T EN D S T E O P E R

Spielerische Energie und scheinbar technische Leichtigkeit sind die Hauptmerkmale dieser spannungsreichen Gesamteinspielung von Beethovens Violinsonaten. Isabelle Faust (Violine) und Alexander Melnikov (Klavier) gelingt es, dem lyrischen Grundton der Sonaten mit vielen Details eine unaufgeregte Expressivität zu unterlegen, die sich aus brillantem Passagenwerk, genauen Artikulationen und natürlich atmenden Phrasierungen speist. Rubati und Vibrato sind sparsam eingesetzt, was stets den Fluss der Musik gewährleistet. Die Balance der beiden ist hervorragend austariert, das Aufeinanderhören zündet den musikantischen Impuls. Fausts lebhafter, klar fokussierter Ton und Melnikovs differenzierte Anschlagstechnik harmonieren perfekt miteinander und überzeugen mit der Fähigkeit gleichberechtigten Musizierens. Diese klar strukturierten, unprätentiösen Interpretationen sind eine echte Bereicherung der Beethoven-Diskografie.

Eine „Fee ohne Flügel, aber mit Cello“ wird sie von Kritikern gern genannt. Eher bodenständig und warmherzig erscheint sie jenen, die ihr begegnen. Eine Musikerin, die weiß, was sie will. Damit hat die gebürtige Argentinierin und Wahlschweizerin neben Talent alle Eigenschaften, um sich in das Herz ihres Publikums zu spielen. Mit Verve geht sie Haydns C-DurKonzert Hob VIIb: 1 (1762/1765) an, meistert mit Bravour die weitgehend hohe Lage ihrer Parts in einem Werk, das bis 1961 verschollen war und rekonstruiert werden musste. Stilgerecht empfindsam präsentiert sie das Cellokonzert D-Dur von Leopold Hofmann, der seinerzeit mit Haydn und Gluck auf eine Stufe gestellt wurde und heute nur noch Experten ein Begriff ist. Und schließlich Mozarts „drittes“ Cellokonzert, eigentlich sein Flötenkonzert in D-Dur, hier aber für Cello transkribiert. Erster und dritter Satz lagen schon vor, Dirigent Sergio Ciomei arrangierte den zweiten Satz dazu. Schön gespielt.

Uwe Schneider

Teresa Pieschacón Raphael

Ein vorzügliches Geschenk zum 30. Geburtstag des Ensembles „Les Arts Florissants“ ist diese luxuriös als Buch eingebundene Wiederveröffentlichung der Gesamtaufnahme von JeanBaptiste Lullys Oper „Atys“, die William Christie im Januar 1987 in der Pariser Opéra-Comique wiederaufführte, nachdem das Werk 234 Jahre lang vergessen war. In dieser vierten Tragédie en Musique verliebt sich Göttin Cybele in Atys, der wiederum Sangaride liebt. Als die Göttin das erkennt, ruft sie die Mächte der Hölle zu Hilfe, die Atys in einen Wahnzustand versetzen, in dem er Sangaride tötet – und nach dem bösen Erwachen aus Reue auch sich selbst. Das große, differenziert besetzte und bestens aufgelegte Orchester sowie vorzügliche Solisten wie Guy de Mey (Atys) und die anrührende Agnès Mellon (Sangaride) tragen entscheidend zum überwältigenden Eindruck der Einspielung bei. Noch schöner wäre freilich eine DVD gewesen, um die gerühmte Inszenierung von Jean-Marie Villégier auch sehen zu können.

Spannungsreiches Miteinander

Stilgerecht empfindsam

Überwältigender Eindruck

Benjamin-Gunnar Cohrs Beethoven: Sonaten für Klavier und Violine, Isabelle Faust, Alexander Melnikov (harmonia mundi)

Haydn/Hofmann/Mozart: Cellokonzerte, Sol Gabetta, Kammerorchester Basel, Sergio Ciomei (RCA)

Lully: „Atys“, Les Arts Florissants, William Christie (harmonia mundi)

RENÉE FLEMING ERISMO

CD DECCA 478 1533

© DECCA / Andrew Eccles

Leidenschaft und Drama: Renée Fleming stürzt sich in das Abenteuer Verismo

R E N É E F L E M I N G – V E R I S M O · C O R O E O R C H E S T R A S I N F O N I C A D I M I L A N O · G I U S E P P E V E R D I · M A R C O A R M I L I AT O W W W. R E N E E F L E M I N G . D E


www.crescendo.de 05 2009 | 29 porträt

Neues vom jungen Professor Nils Mönkemeyer hat eine CD aufgenommen, die nicht nur seinen Studenten gefallen wird, sondern auch einem sensiblen Fachpublikum. Bleibt nur noch die Frage: Warum?

Viola-Artist und Dozent an der Dresdner Musikhochschule: Nils Mönkemeyer (31)

Nils Mönkemeyer ist ein leidenschaftlicher Pädagoge. Und tatsächlich einmal Professor zu werden, das war sogar Bestandteil seines „geheimen Masterplans“. Er will seinen Weg völliger Versenkung in die Musik als Möglichkeit, zu größtmöglicher Authentizität zu gelangen, an der Dresdner Musikhochschule unbedingt an seine Studenten weitergeben. „Außerdem braucht man als Viola-Solist ein festes Standbein, um die Freiheit zu haben, eigene Konzert- und Aufnahmeprojekte zu verwirklichen.“ Der 1978 in Bremen geborene Ausnahmemusiker steht mit beiden Beinen auf dem Boden, ohne es an der notwendigen künstlerischen Sensibilität fehlen zu lassen.

Bei kaum einem anderen Spitzen-Instrumentalisten ist der Begriff „Ausnahmemusiker“ so gerechtfertigt wie bei Mönkemeyer, der von klein an ein Riesentalent hatte, regelmäßig die Zeit beim Üben vergaß, aber nie ein hoch gezüchtetes Wunderkind sein wollte. Als seine erste Geigenlehrerin den Teenager auf die übliche Wettbewerbstour schicken wollte, verlor er für einige Zeit sogar den Spaß am ganzen Metier. „Musik ist nichts für ein schnödes, virtuoses Kräftemessen. Dazu war sie mir immer schon zu wertvoll.“ Als junger Mann legte er die Violine, die er damals noch spielte, zur Seite und folgte für einige Jahre einer anderen Berufung: Er studierte Tanz am Hamburger Ballettzentrum von John Neumeier. „Als ich dann wieder zum Instrument zurückfand, war es wie eine Heimkehr. Seitdem bin ich von dieser positiven Droge nicht mehr losgekommen.“ Es folgte ein Bratschen-Studium bei Hariolf Schlichtig an der Münchner Musikhochschule. Kammermusikfans erfreuen sich in Konzerten schon seit langem an Mönkemeyers exzeptionellen Fähigkeiten, den richtigen Tonfall für musikalische Gratwanderungen wie bei Franz Schubert zu �nden. Kaum jemandem gelingt es so gut, die ungeheure Zerbrechlichkeit von Schuberts philosophischen Utopien deutlich zu machen. Zu Recht landete Mönkemeyers Sony-Debüt-CD „Ohne Worte“ mit Liedbearbeitungen von Schubert, Schumann und Mendelssohn in den Charts. Nach einem solchen Höchstmaß an romantischer Intimität und Emp�ndsamkeit ist die Orchester-CD, die Mönkemeyer nun vorlegt, eine logische Konsequenz. Zupackend schlägt er den Bogen vom Barock

Foto: Felix Broede

hin zur Klassik. Neben der Weltersteinspielung eines Konzerts von Antonio Rosetti hat er das berühmte D-Dur-Konzert von Franz Anton Hoffmeister aufgenommen. Als besondere Trouvaillen auf dieser CD dürfen aber sechs Arrangements von Arien aus Bach-Kantaten gelten, die großteils von Mönkemeyer selbst stammen. Man merkt: Dies sind Herzensangelegenheiten für ihn … Die Dresdner Kapellsolisten unter der Leitung von Helmut Branny begleiten mit einem wunderbar dunklen und zugleich frischen Klang. Seine eigene Begeisterung an der Musik will er auf das Publikum übertragen und gewiss kein unnahbarer Künstler sein, der auf die Bühne kommt, sein bloßes Können unter Beweis stellt und wieder abtritt. „Eigentlich bin ich immer noch wie der Junge von Nebenan. Schließlich kann man als Künstler nur ganz bei sich sein, wenn man so vermarktet wird, wie man auch wirklich ist. Und nichts hinzugedichtet wird. Zum Glück werden meine persönlichen Stärken von meiner Platten�rma auch als solche verstanden.“ // Richard Eckstein Nils Mönkemeyer, „Weichet nur, betrübte Schatten“. Mit Werken von Rosetti, Bach und Hoffmeister. Dresdner Kapellsolisten, Helmut Branny (Sony Classical)

Mehr Mönkemeyer auf der crescendo premium-CD (Infos: Seite 36)


rezension 30 | www.crescendo.de 05 2009

Erstmalig erschienen: Musikinstrumentenbauer in Baden-Württemberg Mit der Ausgabe Nr. 5 der Reihe Musikinstrumentenbauer in Deutschland liegt zum ersten Mal eine Broschüre vor, die nur einem Bundesland gewidmet ist. Dies ist der geografischen Ausdehnung, vor allem aber auch der großen Anzahl an Musikinstrumentenbauer in Baden-Württemberg geschuldet. Erneut stellen sich wieder Vertreter aller acht Instrumentengruppen vor. Wir hoffen, dass mit dieser Broschüre und dem damit begonnenen Start der neuen Internetplattform www.Instrumenten-Scout.de allen Musikern und Interessenten ein Werkzeug in die Hand gegeben wird, mit dem schnell und zielgenau nicht nur die Instrumentenbauer nach Namen, sondern auch Instrumente einschließlich deren Untergruppen gefunden werden können. Ab Mai 2009 bereiten wir die nunmehr 6. Ausgabe in der Reihe „Musikinstrumentenbauer in Deutschland“ vor, die sich dem Bundesland Bayern widmen wird. Die Herausgabe ist für das Frühjahr 2010 vorgesehen. Wir freuen uns wie immer über Anregungen, Ergänzungen und Hinweise. Ihr DAKAPO Pressebüro

Musikinstrumentenbauer in Baden-Württemberg Umfang: 112 Seiten, Format A4 Schutzgebühr: 5,- Euro (zzgl. Versand). Zu beziehen über: DAKAPO Pressebüro Gubener Straße 47 10243 Berlin info@dakapo-pressebuero.de und über den Buchhandel: ISBN: 978-3-940311-11-5

anzeige_crescendo.indd 1

09.04.2009 13:53:07

S TA R S S I N G EN V E R D I S R E Q U I E M

Zu groß die Versuchung „Oper im Kirchengewande“, schimpfte Hans von Bülow über Verdis „Messa da Requiem“, was so nicht stimmt. Verdi verbat sich ausdrücklich opernhafte Phrasierungen und Akzentsetzungen. Um das päpstliche Verbot weiblicher Anwesenheit in der Kirche zu umgehen, ließ er bei der Erstaufführung im Mai 1874 in Mailand das Gesicht der Sängerinnen hinter schwarzen Trauerschleiern verbergen. Doch Zeugen wussten zu berichten, dass die Sängerinnen „fast alle jung und hübsch gewesen“ seien. Anja Harteros braucht sich nicht zu verstecken – mehr noch, man wünschte sich mehr Präsenz durch eine präzisere Deklamation. Rolando Villazón und Antonio Pappano stoßen an Grenzen. Nicht immer gelingt es – weder dem Opernsänger noch dem Operndirigenten – die Vorgaben Verdis einzuhalten: zu groß die Versuchung, aus Verdis innigem Gebet um den Frieden der verstorbenen Seelen ein opernhaftes Schreckensbildnis zu formen. Teresa Pieschacón Raphael Verdi: „Messa da Requiem“, Harteros, Villazón, Pape, Orchester der Accademia Nazionale di Santa Cecilia, Pappano (EMI)

S E I D L S S O FA M U S I K

Einfach beobachten Zeitgenössische E-Musik hängt am Tropf. Im Fall der vorliegenden CD – sie trägt den sinnigen Titel „Musik für übers Sofa“, der im Booklettext einfühlsam erläutert wird – fungiert der Deutsche Musikrat als mäzenatischer Herausgeber. Die hier eingespielten fünf Werke des 1977 in Bremen geborenen Komponisten Hannes Seidl wollen Eines bestimmt nicht: eine Live-Situation mit Konzertsaal-Atmosphäre heucheln. Es sind Stücke, die sowohl in ihrer – elektronischen – Machart (beispielsweise „Leihgabe“ für Violoncello und Mischpultspieler von 2007) als auch von ihrer Inhaltlichkeit her (wie beim beklemmenden Hörstück „Zimmerrauschen“ für Kontrabassklarinette in verschiedenen Mikrofonierungen und Umgebungsklänge von 2009) den Hör-Ort, die Klangrealität des eigenen Zuhauses ausdrücklich einbeziehen. Wer bereit ist, ein solches „Eindringen“ in den privaten Raum zuzulassen, für den kann Seidls Musik, die einfach beobachtet werden will, durchaus faszinierend sein. Richard Eckstein Seidel: „Musik für übers Sofa“, composers slide quartet, ensemble intégrales (Wergo)

Info: www.swr2.de/donaueschingen

Donaueschinger Musiktage 16.–18.10.2009

Das mäandernde Orchester __ Orchester Environment | Mathias Spahlinger __ Musiktheaterinstallation/Stationen für Schauspieler, Sänger, Chor und Orchester-Mäander | Manos Tsangaris __ Orchesterwerke | Beat Furrer, Salvatore Sciarrino, Rolf Riehm __ Kammermusik mit live-Elektronik | Franck Bedrossian, Raphaël Cendo, Dai Fujikura, Jimmy Lopez, Christopher Trebue Moore

__ SWR2 NOWJazz Session | „Sound & Space“ __ Klangkunst | Bernhard Leitner, Robin Minard, José Antonio Orts, Jens-Uwe Dyffort/Roswitha von den Driesch __ Studentenworkshop

W E S T P H A L L I E S T B EN N

Erfrischend aggressiv „Es war einmal“, darf man sagen und sich freuen, dass es diese Aufnahme gibt, dokumentiert sie doch das Treffen dreier Kulturinstanzen des 20. Jahrhunderts: Gottfried Benn, der große deutsche Dichter der literarischen Moderne, Gert Westphal, der große Schauspieler und Prinzipal unter den Vorlesern, und der Jazzpapst Joachim Ernst Behrend, dessen Rundfunksendungen Kultstatus erreichten. In seiner Reihe „Jazz und Lyrik“ ließ Behrend den einen das Werk des anderen vortragen – zu Musik von Dave Bruback und Jay Jay Johnsons – und trug so zur Renaissance der Lyrik wohl mehr bei, als der oft verstaubte Deutschunterricht. Erfrischend aggressiv, was so in den 1960er Jahren noch nicht an der Tagesordnung war, deklamiert Westphal Benns Dichtungen. „Schade, dass er nicht mehr lebt. Der Benn hätte seine helle Freude dran gehabt“, sagte er 1959 in der Aufnahmenacht. Auch er und Behrend sind nun tot, doch leben sie in dieser Einspielung weiter. Teresa Pieschacón Raphael „Lyrik und Jazz“, Gert Westphal liest Gottfried Benn. (Universal)


www.crescendo.de 05 2009 | 31 neue musik

Modern Talking Was ist der Unterschied zwischen neu und modern? Und ist nicht alles modern, was einer Generation neu vorkommt? EINE ANTWORT VON CHRISTOPH SCHLÜREN

Die oft gestellte Frage „was ist moder Melodie umso größeren Entderne Musik? “ führt bei näherer faltungsraum zu geben. Das Neue Betrachtung zurück auf die Frage: muss weder in einer weiteren Zu„Woran erkennen wir das Neue? “. spitzung herrschender Trends noch Diese Frage hat die Fachleute bein der weltabgewandten Erforschung schäftigt, seit die Idee von Expankomplexer Klänge und Geräusche sion und Fortschritt Fuß gefasst hat. zu �nden sein. Es �ndet sich, indem Sie war leicht zu beantworten, solanein neuer Raum geöffnet wird. ge die herrschenden Konventionen So ist der britische Rockmusiker überschaubar waren. So war es leicht Robert Fripp mit seiner Gruppe King zu erkennen, dass Monteverdi und Crimson ein schlagendes Beispiel Gesualdo, Mozart und Beethoven, dafür, wie zwischen allen Genres Berlioz, Liszt, Wagner, Debussy, eine Evolution angestoßen werden Strauss, Schönberg, Bartók, Strakann, die riesige Wellen schlägt und winsky und Hindemith neue Wege die ganze Szene einer allmählichen bereiteten und einschlugen. Der heuVeränderung unterwirft, ohne dass te herrschende Begriff der Moderne die meisten Hörer auch nur ahnen, hat sich zu Beginn des vergangenen Komponist Beethoven: Neue Wege in einer alten Zeit von wo die Veränderung ausgeht. Jahrhunderts herausgebildet, an der Ein Jahrhundert lang haben ganze Bürgerschreck-Ästhetik von Werken wie Igor Strawinskys „Sacre du Legionen von Komponisten ihr Heil in künstlich geschaffenen, komprintemps“, Béla Bartóks „Wunderbarem Mandarin“, Paul Hindemiths plex erklügelten Tonsystemen gesucht, und plötzlich entdeckte Anfang 1. Kammermusik, Ernst Kreneks 2. Symphonie oder Edgard Varèses der siebziger Jahre der Schwede Anders Eliasson eine neue Tür: Er „Arcana“. Doch die Maßstäbe verschieben sich schneller als jede Ideofand heraus, wie sich die Töne in einer Art permanenter Überwinlogie dessen gewahr werden kann. Heute spricht man von einem dung der Schwerkraft in einer neuen Beziehungsordnung von selbst Kon�ikt zwischen Postmoderne und New Complexity, und doch liegt formieren, eine Dynamik, die von ihm vor allem fordert, „seine Finger das Neue woanders, denn: Es ist ja gerade das Charakteristische des (also: seinen Willen) herauszuhalten“. So entdeckte er etwas, was man Neuen, dass es in einer bis dato unbekannten Form auftritt. eine rein energetische Musik nennen könnte, die den Dualismus des Wer beispielsweise glaubt, Berlioz sei moderner gewesen als Mentradierten Dur-Moll-Systems transzendiert und, trotz höchster Affektdelssohn, der höre sich aufmerksam die Ouvertüre zum „Sommergeladenheit, von Natur aus keine Sentimentalität kennt. nachtstraum“ an, eine Musik, wie sie nie zuvor dagewesen ist, ein Andere Komponisten, wie etwa Håkan Larsson, folgen seinem BeiWunder an unvorhersehbarer, nie dagewesener Orchestration. Wer spiel und entdecken diese unbekannten und unerschöp�ichen Räume Ravel für eher konservativ hält, der begebe sich in die Abgründe von aufs Neue und mit ihrer Eigenart. Hier wird deutlich, dass das Neue „La valse“. George I. Gurdjieff und sein spiritueller Schüler Thomas auf einer Ebene verborgen sein kann, die mit all den Ideen von der de Hartmann etwa haben zu einer Zeit, als die Maschinenmusik, die Erweiterung des „musikalischen Materials“ nichts zu tun hat. Um extreme Chromatik und Dissonanz en vogue waren, die Spannweite das Neue zu erfahren, bedarf es der Bereitschaft des Menschen, das der tragenden Melodie bis zu einem Extrem getrieben, das über alles Bekannte loszulassen und dem Abenteuer des Unbekannten in bebis dahin Geschehene weit hinausweist. Dies geschah in der Absicht, dingungsloser Offenheit zu begegnen, und ohne jede hergebrachte eine „objektive Kunst“ zu schaffen, und zu diesem Zwecke wurden Vorstellung davon, was „neu“ sein soll. Man kann es nicht vorher Harmonik und Rhythmus zu äußerster Einfachheit reduziert, nur um wissen. Man kann es nur hören. //


Foto: Chris Dunlop

Sopranistin Danielle de Niese verzaubert nicht nur weibliches Klassik-Publikum.


www.crescendo.de 05 2009 | 33 titel

„Ich will kein virtuoser Singvogel sein“ Sopranistin Danielle de Niese über ihre neue Mozart-CD, die Begeisterung über ihre Cleopatra-Rolle, die große Liebe und ihre baldige Hochzeit. Was für eine Frau! Danielle de Niese, 1980 im australischen Melbourne geboren, Tochter zweier Immigranten aus Sri Lanka, Kindheit in Australien, Jugend in Los Angeles, im Alter von 14 Jahren eigene Fernsehsendung in Kalifornien und erste Auszeichnung mit einem Grammy, mit 19 Debüt an der New Yorker Metropolitan Opera, heute einer der großen Stars der weltweiten Opernszene. Obwohl ständig im Terminstress, nahm sich de Niese für crescendo Zeit, beantwortete brav unsere Fragen (ab und zu sang sie auch!) und verriet am Ende sogar den Termin Foto: Ben Ealovega

ihrer geplanten Hochzeit. crescendo: Bei Ihrem Debüt an der New Yorker Met, mit gerade

1 Jahren, sangen Sie die Barbarina in „Die Hochzeit des Figaro“ – der Beginn Ihrer Liebe zu Mozart? Danielle de Niese: Oh nein, ich habe Mozart schon am College gesungen. Eigentlich hat mich Mozart von Kindheit an mein ganzes Leben begleitet, ist Teil von mir. Jetzt komme ich wieder zu ihm zurück. Mozart, das ist mein großer Inspirator. crescendo: Aber eine CD mit Mozart-Arien ist wenig originell, es gibt hunderte davon. Warum dennoch Mozart? de Niese: Sicher, es gibt unendlich viele Einspielungen (sie lacht), alles ist schon mal da gewesen! Aber ich finde diese Mode schade, als junge Sängerin ein völlig unbekanntes Repertoire zu singen, damit man nicht verglichen wird, mit den großen Stars. Hasse zu singen – das ist kein Risiko! Genau deswegen wollte ich Mozart machen: Es ist riskant, man wird Vergleiche ziehen – aber ich habe keine Angst davor, nur ein klitzekleines bisschen! Ich bin mit  noch sehr jung, vielleicht mache ich Jahre später Mozart wieder und dann ganz anders. crescendo: Es gibt auf dieser CD Ohrwürmer aus „Così“, „Don Giovanni“ und das berühmte Konzertstück „Exsultate jubilate“, aber auch weniger bekannte Arien aus „Il re pastore“ oder „Idomeneo“. War die Auswahl eine Qual?

Zeit der Herzlichkeit: de Niese während der Aufnahmen für ihre neue CD mit Dirigent Sir Charles Mackerras


Foto: Ben Ealovega

titel 34 | www.crescendo.de 05 2009

Danielle de Niese Zu internationalem Ruhm gelangte die in Australien geborene Amerikanerin im Jahr 2005 mit ihrem Glyndebourne-Debüt als Cleopatra in David McVicars Inszenierung von Händels „Giulio Cesare“ (Dirigent: William Christie). Es folgten internationale Engagements in Paris und Amsterdam, später Neapel, Zürich und Chicago. Im Mai 2009 wirkte de Niese in der Rolle der Galatea in Händels „Acis und Galatea“ am Londoner Royal Opera House. Mehr Infos unter www.danielledeniese.com

de Niese: Sie war sehr sehr schwer; Mozart hat ein so wundervolles

Repertoire. „Exsultate“ habe ich schon mit 1 Jahren gesungen, das musste einfach dabei sein! Auch eine Arie der „Ilia“ aus „Idomeneo“ wollte ich unbedingt, die sang ich unter James Levine an der Met bei einem Wettbewerb. Ich musste als Erste auftreten, hatte großes Lampenfieber, denn dieses Stück ist extrem schwer – aber es lief wunderbar und war ein großer Erfolg! Seitdem liebe ich diese Arie! crescendo: Das Bravourstück ist „Bella mia fiamma, addio“, eine der schwierigsten Arien überhaupt. Mozarts perfider Racheakt während seines Prag-Aufenthaltes 1 an der Sängerin Josefa Dušek. de Niese: Es ist unglaublich kompliziert. Man muss unterschiedlichste Stile in neun Minuten singen. Die Cabaletta ist fast unmöglich, geht von ganz tief ganz hoch in einer Sekunde (sie singt es vor), ohne Atemzug! Verrückt! Es ist sehr schwierig, Sekunden zum Atmen zu finden. Und ich will kein virtuoser Singvogel sein. Bei der Aufnahme machten wir den Schluss mehrmals, ich wollte die Cabaletta erneut. Charles Mackerras meinte, es wäre doch toll, aber ich hatte das Gefühl, wie ein Nilpferd zu singen. Also wiederholte ich sie mit einem Quantum weniger Dramatik – und das war dann das Beste! crescendo: Sie waren in diesem Sommer wieder als Cleopatra in Händels „Julius Cäsar“ in Glyndebourne. Mit der Rolle hatten Sie dort  Ihren künstlerischen Durchbruch: „die größte ‚star-isborn-Sensation‘ in Glyndebourne seit 1“, jubelte das britische Fachmagazin „Opera“. Obendrein waren Sie damals Einspringerin, also ein romanreifes Debüt … de Niese: Ja, Glyndebourne war der große Knall, das Publikum wurde von David McVicars Inszenierung wie von einem Sturm hinweggefegt. Und hatte wohl noch nie eine Cleopatra gesehen, die mit so viel Energie tanzte! Ich habe schon als Sechsjährige mit Ballett, Jazzdance und Stepptanz begonnen. crescendo: Warum ausgerechnet Stepptanz, der war damals nicht gerade en vogue?

de Niese: Dadurch versteht man aber seinen Körper besser. Das ist

sehr wichtig, um einen Charakter auf der Bühne überzeugend darstellen zu können. Als Sängerin muss man auch eine komplette Artistin sein. crescendo: Durch Glyndebourne bekamen Sie endgültig den Stempel, Spezialistin für Alte Musik zu sein: Händel, Monteverdi, Gluck und Rameau, jetzt Mozart. Was ist eigentlich mit zeitgenössischer Musik? Haben Sie Angst davor oder mögen Sie die einfach nicht? de Niese: Ich liiiiiebe moderne Musik (sie protestiert lachend), habe in einer Uraufführung mitgewirkt. crescendo: Das steht aber nicht in Ihrer Biografie! de Niese: Ja, weil ich schon sooo viel gemacht habe! An der Nederlands Opera Amsterdam sang ich  in der Uraufführung von „Raaff“ von Robin de Raaff. Eine Oper über den deutschen Tenor Anton Raaff, der Mozarts „Idomeneo“ 11 uraufführte. Und ich würde alles dafür geben, um die Ann Trulove aus Strawinskys „The Rake’s Progress“ zu singen! Fatalerweise hatte ich bereits drei Mal ein Angebot dafür, musste aber immer ablehnen, weil ich anderweitig vertraglich gebunden war. Ich war todunglücklich! crescendo: Kommen wir zurück zum Glück: Glyndebourne war für Sie in zweifacher Hinsicht schicksalshaft: Hier startete eine kometenhafte Karriere – und hier fanden Sie Ihren Mann für’s Leben! de Niese: Ja, ich sollte erst  in Glyndebourne singen, die Adele in der „Fledermaus“, dann passierte  das Einspringen als Cleopatra. Dabei traf ich auf Gus Christie – und die Liebesgeschichte nahm ihren Lauf. crescendo: Damit wiederholen Sie eine berühmte historische Lovestory: Der Begründer des Festivals von Glyndebourne, John Christie, baute das erste Opernhaus 1 als Liebes-Geschenk für seine Ehefrau Audrey Mildmay, eine Sopranistin. Jetzt heiraten Sie den Enkel, der heute Direktor von Glyndebourne ist … de Niese: Wir haben nie darüber nachgedacht, aber es stimmt: Die Liebesgeschichte wiederholt sich (sie lacht). crescendo: Wann ist die Hochzeit? de Niese: Im Dezember in London. Eine sehr unromantische Jahreszeit, aber terminlich die einzige Chance, im Sommer geht es leider nicht wegen des Festivals. crescendo: Was kommt nach Mozart? Sie erwähnten kürzlich, Massenets „Manon“ sei eine Ihrer Traumrollen … de Niese: Ohje, sagen Sie das nur nicht weiter, sonst entsteht der Druck, es auch wirklich singen zu müssen! Nächstes Jahr kommen etliche Debüts: die Titelpartie in Händels „Semele“ in Paris, im Theatre des Champs-Elysée. Dann Monteverdis „Poppea“ in Madrid, meine Premiere in Spanien. An der New Yorker Met debütiere ich als „Despina“. Und 11 folgt die „Adina“ in Donizettis „Liebestrank“ in Glyndebourne – das wird eine große Sache! Das Gespräch führte Christa Hasselhorst. Danielle de Niese‘ neue CD, The Mozart-Album, ist bei Decca erschienen.

Mehr de Niese auf der crescendo premium-CD (Infos: Seite 36)


Bravissimo!

MÖVENPICK. Zeit für Eiskunst.


premium 36 | www.crescendo.de 05 2009

��������������

�����������������������������

die Klassik zu Ihnen nach Hause !

����������������� ������������� ��������������

�����������������������������

So kommt

�����������������������������

������������������������������������������

��������������� �������������������

�����������

����������

��� ���������������� ���������� ���������� ���������������� ���������������������� ����������������������� ������������������ ��������������� ������������� ������������������� ���������������������� ���� ������������������ ������������������ ����� ���� ����� ���� ���� ��������������� ���������������������� � ������������������� �������������������� ��������� ���������������������� ��� �������������������������� �������� ������� �����������������

�����������

���� ������������������������������������������� ����������������

����������������� ������

���������������������

������������������������������������������������� ���������������������������

Profitieren Sie von den Vorteilen eines crescendo-Abos:

1. Sie erhalten zu jeder Ausgabe eine Gratis-CD

mit Werken unserer im Heft vorgestellten Künstler.

2. Sie bekommen die ersten beiden Ausgaben inkl. CD gratis nach Hause geschickt.

3. Sie erhalten bei Abschluss eines Abos zusätzlich

die CD Anja Harteros: Von ewiger Liebe. Lieder von Haydn, Beethoven, Schubert, Schumann, Strauss, Brahms (BERLIN Classics 0016512BC). Solange der Vorrat reicht.

Abo-Service crescendo Postfach 1363, 82034 Deisenhofen, Tel: 089/8585-34 52 Fax: 089/8585-36 24 52 GRATIS PROBELESEN! Bitte senden Sie mir kostenlos die nächsten beiden crescendo-Ausgaben inkl. 2 premium-CDs. Gebe ich Ihnen 10 Tage nach Erhalt des zweiten Heftes keine gegenteilige Nachricht, bin ich mit der regelmäßigen Weiterbelieferung einverstanden. Ich zahle dann nur 34,- EUR* jährlich für 7 Ausgaben inkl. festspiel-guide und 6 premium-CDs. Zusätzlich erhalte ich gratis als Dankeschön die CD Anja Harteros: Von ewiger Liebe. (BERLIN Classics 0016512BC).

Meine Anschrift lautet:

Vorname/Name Straße

PLZ/Ort

Ich möchte meine Begrüßungs-CD gleich erhalten und entscheide mich daher schon jetzt für ein Abo. Die ersten beiden Hefte und premium-CDs erhalte ich gratis.

Telefon-Nr.

Geburtsdatum

Ich möchte das crescendo-Abo verschenken. Bitte setzen Sie sich mit mir in Verbindung.

Ort, Datum

Unterschrift

*) Abo-Preis Inland bei Bankeinzug. Das Abo läuft zunächst für ein Jahr und kann dann jederzeit gekündigt werden. Dieses Angebot ist nur in Deutschland, der Schweiz und im EU-Ausland verfügbar und nicht wiederholbar.

Bitte senden Sie diesen Coupon an Abo-Service crescendo, Postfach 1363, 82034 Deisenhofen, Fax: 089/85 85-362452, email: abo@crescendo.de mit dem Betreff „C1209“.


www.crescendo.de 05 2009 | 37 crescendo-kids

die Klassik-Seite für den Nachwuchs

Der W eg zur K lassik

Frage des Monats:

Ganz einfach gesagt: Die Sonate wird im Gegensatz zur Sinfonie nicht von einem Orchester gespielt. Bei einer Sonate braucht man also weniger Musikinstrumente und auch weniger Musiker. Die Sonate ist meist nur für Klavier (= Klaviersonate) oder Violine (= Violinsonate) geschrieben. Eine sehr bekannte Sonate ist zum Beipiel die „Mondscheinsonate“ von Beethoven. Eine Sinfonie ist ein Stück, das aus mehreren (in der Regel vier) Sätzen besteht und von einem kompletten Orchester gespielt wird. Als Schöpfer der klassischen Sinfonie gilt der Komponist Joseph Haydn. Er alleine schrieb 107 Sinfonien. Aber auch Mozart (schrieb über 50 Sinfonien) und Beethoven (neun Sinfonien) gehören zu den bekannten SinfonieKomponisten. //

S TA R T

Z IE L

„DER WEG ZUR KLASSIK“ (TEIL IV)

Die besten Klassik-CDs für Kinder Wir haben die wirklichen Spezialisten, die „Sonnengruppe“ aus einem Münchner Kindergarten, befragt. Tristan, Christian, Fabian, Miriam, Carlotta, Anna, Veronika, Marietta, Leonie, Jakob, Fabian, Ferdinand, Pia, Lisa, Kian, Christian und Kilian sind zwischen drei und sechs Jahre alt und haben die neuen CDs getestet. Hier ihre Wertungen:

Kleines Wolferl

Tom Pfeiffer testete die Serie „Little Amadeus“ Nicht umsonst hat die -teilige Zeichentrickserie „Little Amadeus – Die Abenteuer des jungen Mozart“  den Klassik-Echo bekommen. Sie erzählt von der Kindheit des großen Komponisten in Salzburg. Ein umfangreiches und sehr schön aufbereitetes Porträt, unterlegt mit seinen musikalischen Werken. Kinder ab  Jahren werden hier wunderbar an das Thema Mozart und Klassik herangeführt. Aber „Little Amadeus“ ist mehr als nur eine Zeichentrickserie. Mein Tipp: Schauen Sie sich mit ihren

„Das Zookonzert“ Tiere sind einfach der Kinder liebste Begleiter. Vor allem das Faultier und der Papagei haben unsere Tester zum Lachen gebracht. Eine CD, die zum Mitmachen anregt. Tom Pfeiffer und seine Jungs

„Hoppel, Hoppel, Rhythm Club“ Fast alle Lieder auf der CD sind den Kindern bekannt – nur wurden sie in leichten Jazz verwandelt. Unsere Tester haben versucht, die Instrumente nachzumachen. Wir danken Eve-Alina und Sabrina für ihre Handabdrücke. Register: 5 Patschen = spitze, 1 Patsche = nicht so toll.

Foto: Tom Pfeiffer

Zeichnung: Stefan Steitz

Was ist der Unterschied zwischen einer Sonate und einer Sinfonie?

Kindern die Web-Seite www.little-amadeus.de an. Hier kann man sich durch Mozarts Leben navigieren. Denn Little Amadeus ist ein Gesamtkonzept. DVD, Buch, Webseite. Alles. Und sehr zu empfehlen! // crescendo@tom-pfeiffer.de


neue musik 38 | www.crescendo.de 05 2009

„Früher war man hungriger

österreichisch-ukrainische (Musik-)Freundschaft: Julia Moretti und Ilia Korol

D

er Geiger Ilia Korol stammt aus Kiew, studierte Violine in Moskau und lebt seit 1997 in Österreich. Julia Moretti studierte Oboe in Innsbruck und Barockoboe in Straßburg und Mailand. Sie ist zweifache Mutter und

die Ehefrau von Schauspieler Tobias Moretti. Zusammen gründeten die beiden im Jahr 2003 moderntimes_1800, ein Kammer-

orchester mit einer neuen Generation von Musikern, die in der historischen Aufführungspraxis ebenso beheimatet sind wie in der Musik des 20. Jahrhunderts. Richard Eckstein traf die beiden Chefs zum Interview. crescendo: Frau Moretti, Herr Korol, eine einfache Frage vorweg:

Wie ist moderntimes_1 entstanden? Julia Moretti: Als wir beide uns kennen gelernt und miteinander musiziert haben, hat vieles sehr gut funktioniert. Danach entstanden wechselseitig die Ideen, welchen Bekannten oder Freund man noch dazuholen könnte. Quasi zwangsläufig kam so eine Orchester-

Foto: Lukas Beck

Die Köpfe von moderntimes_1800, Julia Moretti und Ilia Korol, über den Spagat von Tradition und Moderne.

Mannschaft zustande, die musikalisch höchst fit war und menschlich zusammengepasst hat. crescendo: Sie betonen das Wort menschlich ... Moretti: Ja, die Bedeutung der charakterlichen Qualitäten eines Musikers darf man nie unterschätzen. Ilia Korol: Beide Faktoren, eigentlich die wichtigsten – musikalisches Können und Charakterstärke des einzelnen Instrumentalisten –, müssen in einem Klangkörper gleichermaßen vorhanden sein. Moretti: Das ist sicher einer unserer Verdienste, wie uns immer wieder von neu Hinzukommenden bestätigt wird. Erst kürzlich meinte ein Bratschist, der auch in einigen anderen Ensembles mitspielt: „Es ist ein Luxus, auf einem solchen Niveau einsteigen zu dürfen. Und dann gibt es nicht einen Störenfried in dem ganzen Haufen.“ crescendo: Klingt nach purer Harmonie. Stimmt das, Herr Korol? Korol: Ja, aber es hat natürlich drei bis vier Jahre gedauert, bis wir uns so einig waren, wie wir es jetzt sind. Moretti: Einige Kulturfunktionäre glauben aber immer noch, man


www.crescendo.de 05 2009 | 39 neue musik

auf Neues!“ müsse nur die besten Musiker anrufen und schon hat man ein wunderbares Orchester beisammen. Korol: Ein Telefonorchester sozusagen, haha … Moretti: Dass es wirklich Zeit und Energie kostet, ein Ensemble von unserer Güteklasse entstehen zu lassen, kann man solchen Leuten nur äußerst schwer klar machen. crescendo: Welche Überlegungen liegen Ihrer Programmauswahl zugrunde? Korol: Unsere Stücke sollen etwas erzählen. Wir wollen nicht einfach einen Salat aus bekannten und weniger bekannten Werken bieten, bloß weil diese schön sind. Moretti: Bei uns gibt es eine klare Regel: Wir benutzen „period instruments“, passen unser Instrumentarium folglich dem jeweiligen Repertoire an. Schwierig wird es erst, wenn wir Altes und Zeitgenössisches in einem einzigen Programm aufeinander stoßen ILIA KOROL lassen. Eigentlich müssten wir dann auch den Kammerton, also die Grundstimmung des ganzen Orchesters von  auf  Hertz, heraufsetzen. Früher war ja alles viel tiefer gestimmt. In einem Konzert haben wir diesen Intonationswechsel sogar mal als dramatischen Effekt genutzt. Da sollten ganz bewusst zwei Welten zusammenprallen. crescendo: Woher kommt der Ensemblename moderntimes_1? Korol: Wir wollten unbedingt einen Namen, der irgendwie unserer Vorstellung vom Musizieren entspricht. Und er sollte sperrig genug bzw. unverwechselbar sein, um im Gedächtnis zu bleiben. Moretti: „1“ haben wir hinzugefügt, um deutlich zu machen, wo unser Kernrepertoire angesiedelt ist. An dieser Zeitenwende hin zur bürgerlichen Musikkultur schlagen wir das Buch – sozusagen in der Mitte – auf, um uns dann nach vorn und hinten durchzuarbeiten. crescendo: Ist Alte Musik heute noch modern? Moretti: In ihrer Zeit war Alte Musik unglaublich modern. Es gab ja keine Tonträger, die alles konservieren. Die Menschen damals waren viel hungriger auf Neues als wir heute. Genau das müssen wir uns ins Bewusstsein zurückrufen. crescendo: Erteilen Sie als Ensemble auch Aufträge an zeitgenössische Komponisten? Moretti: Ja, das tun wir immer wieder. Wir dürfen uns bloß nicht verzetteln und zu einem Potpourri-Orchester werden, das neben anderer auch Neue Musik spielt. Wir interpretieren zeitgenössische Werke, weil wir heute leben und uns diese musikalischen Äußerungsformen genauso etwas angehen – und nicht, weil wir zeigen wollen, dass wir das auch noch können. Korol: Wir spielen einige Programme, in denen Altes und Neues gemischt ist. Und nur in diesem Kontext ist es sinnvoll, dass wir Zeitgenössisches machen. Denn in den Verknüpfungen liegt unsere Stärke. //

„Musikalisches Können und Charakterstärke müssen in einem Klangkörper vorhanden sein.“

moderntimes_1800 spielt J. G. Grauns Concertos for strings (Weltersteinspielungen, Challenge Classics).

NEU

Vocal-Highlights von GLOR Classics

Brahms I Ein deutsches Requiem (Klavierfassung mit Pauken), Daus, EuropaChorAkademie, McCarthy, Volle, Alder, Kaldewei, Heil

Brahms I Zigeunerlieder – Mendelssohn-Bartholdy Sechs Lieder im Freien zu singen op. 48 & 59, Daus, EuropaChorAkademie, Groethuysen

Chormusik des 20. Jahrhunderts II Martin I Messe pour double choeur a cappella, VillaLobos I Bachianas Brasileiras Nr. 9, Poulenc I Figure humaine, Cambreling, EuropaChorAkademie VÖ September 09

Gratis-Download & Vorteilsangebote

Jetzt registrieren. www.glor-classics.de

Mehr moderntimes_1800 auf der crescendo premium-CD (Infos: Seite 36) GLOR Classics c/o SONO | music Am Hilgnerfeld 12 • 83626 Valley-Oberlaindern Tel.: 08024 / 47 44 69-0 • info@glor-classics.de


essay 40 | www.crescendo.de 05 2009

DER GESCHÄFTSFÜHRER DER E R N ST VO N S I E M E N S M U S I K ST I F T U N G F O R D E RT:

Für das Neue leben VON MICHAEL ROSSNAGL

Komponisten, Interpreten oder Musikwissenschaftler aus, die für das „Alles Alte, soweit es den Anspruch darauf verdient hat, sollen wir lieben; internationale Musikleben Hervorragendes geleistet haben. Sie tritt aber für das Neue sollen wir eigentlich leben.“ Diese Worte Theodor für Aufgeschlossenheit gegenüber der Neuen Musik ein, für eine anFontanes lassen sich als Fürsprache für das Neue, das Moderne, das regende Diskussion und die Auseinandersetzung mit unkonventioExperiment und das Wagnis lesen. Übertragen auf die Musik unserer nellen Klängen. Getragen von den Entscheidungen eines hochkarätig Tage lässt sich indes feststellen, dass es dem breiten Publikum zwar besetzten Kuratoriums, fasst sie vor allem jene nur unzureichend kartonicht schwerfällt, das Alte zu lieben; für das Neue zu leben, scheint gra�erten Grenzgebiete der zeitgenössischen Musikszene ins Auge, hingegen weitaus schwieriger zu sein. Denn die Neue Musik, jene Abwo der Markt (noch) nicht greift. Dass kehr von Tradition und Konventionalität, es beim Betreten von musikalischem von der Tonalität – insbesondere nach den Neuland zu – auch kulturellen – MissErfahrungen des Zweiten Weltkriegs, als verständnissen kommen kann, gehört in Deutschland zumeist eine militärisch dabei zum notwendigen Risiko dieses zugerichtete oder gefühlige Musik vorUnterfangens. Trotzdem gilt es, einen herrschte –, gilt immer noch als schwer Freiraum zu schaffen, in dem Künstler, zugänglich, als verkopft oder gar unverdie ihrer Zeit womöglich voraus sind, exständlich. Sie muss mit dem Vorurteil leperimentieren, sich kreativ ausprobieren ben, sie sei nur für Eingeweihte da, elitär und Unerhörtes zum Klingen bringen und alles andere als in einem klassischen können. Den Stilpluralismus der zeitgeSinne schön. nössischen Musik als ausgeschöpft abBetrachtet man ihre Rezeptionsgezutun, hieße nämlich, der künstlerischen schichte, sind jedoch viele dieser BewerEntwicklung die Möglichkeit eines weitungskategorien zu relativieren, oder teren Fortschritts abzusprechen. Ebenso anders gesagt: All diese Vorwürfe galten bedeutete dies, die menschlichen Hörgefür das Neue schon immer – auch in wohnheiten ein für allemal festzulegen. der Bildenden Kunst. Denkt man etwa Dabei zeigt sich doch, dass sich das uneran die vielen Maler, die zu Beginn des müdlich geschulte Gehör immer wieder 20. Jahrhunderts bei ihren Zeitgenossen auf neue Feinheiten einlassen kann, es Unverständnis oder Entsetzen hervorrieneugierig und stets auf die Entdeckung fen und heute als Klassiker der Moderne einer so noch nicht gehörten Schönheit gelten. Es scheint, als brauche das Neue aus ist. Danach strebt die Neue Musik in schlichtweg Zeit, um akzeptiert und geletzter Konsequenz noch immer – allen schätzt zu werden: Die Uraufführung Vorurteilen zum Trotz. von Strawinskys polytonalem und polyEs scheint, als brauche das Neue schlichtweg Sie braucht eine kundige, leidenschaftrhythmischem „Le sacre du printemps“ Zeit, um akzeptiert und geschätzt zu werden. liche und kritische Hörerschaft, die zuwurde bekanntlich von schallendem dem bereit ist anzuerkennen, dass der Hohngelächter begleitet und endete in wahre Kunstgenuss der Postmoderne vom Rezipienten oft einen eigeohrenbetäubendem Tumult; knapp 30 Jahre später wird diese Musik nen Beitrag erfordert. Denn das Geräusch, das denkt – so Victor Hugos zum Soundtrack von Walt Disneys Zeichentrick�lm „Fantasia“ – und berühmte De�nition der Musik –, verlangt nach einer mitdenkenden damit Teil der Populärkultur. Öffentlichkeit. Und den komplexen Gedankengängen der Neuen Musik Die Ernst von Siemens Musikstiftung betrachtet seit ihrer Grünzu folgen, ist ohne Zweifel eine der reizvollsten Herausforderungen der dung 1972 ihr Engagement für die zeitgenössische Musik und Musikzeitgenössischen Kunst. Die Anstrengung lohnt sich! // wissenschaft in einem internationalen Rahmen als Investition in die Zukunft. Es kann schließlich nicht darum gehen, durch prominente Interpreten und gefällige Kompositionen kurzfristige Publikumserfolge Michael Roßnagl studierte an der Hochschule für Musik in München Sologesang und Regie; zu erzielen. Die Musikstiftung will einerseits jene unterstützen, die war als Solist tätig und studierte anschließend am Institut für kulturelles Management an der Wirtschaft suniversität in Wien. Er arbeitete als Geschäft sführer des tatsächlich einer Förderung bedürfen: junge Komponisten, avantgarSymphonieorchesters Osnabrück und später des Bereichs Neue Musik beim Deutschen distische Ensembles oder kompositorische Arbeiten im interdiszipliMusikrat. Michael Roßnagl war persönlicher Referent des Generalintendanten des nären Bereich. Andererseits zeichnet sie durch die Verleihung des Staatstheaters Stuttgart, bevor er 1992 Leiter des Siemens Arts Program und 1995 zudem Geschäft sführer der Ernst von Siemens Musikstift ung wurde. renommierten Ernst von Siemens Musikpreises jedes Jahr verdiente

Illustration: S. Steitz

Ein Plädoyer für die Neue Musik.


Neuheit

A. NETREBKO/R.VILLAZON La Boheme - Der Film Von den Fans sehnlichst erwartet! DVD für 27,99 Euro

Ab 18.09.09

RENÉE FLEMING/R. STRAUSS Der Rosenkavalier J. Kaufmann, D. Damrau, S. Koch & C. Thielemann Spitzenleistung! 2 DVDs für 29,99 Euro

KLASSIK JAZZ LOUNGE. Musik für den gehobenen Anspruch. Jetzt in Ihrem SATURN Theresienhöhe, München.


plus regional 42 | www.crescendo.de 05 2009

Cellist Jan Vogler (Mitte): „Musik muss etwas von unserem heutigen Denken und Fühlen ausdrücken, dann hören wir aus persönlichem Interesse zu.“

WAS NEUE MUSIK BEWIRKT:

„Sie hält mich jung und wild!“ Der Cellist Jan Vogler (45) über nostalgische Stücke, neue Projekte und den alten Jimi Hendrix Dresden, Innenstadt. Wir treffen Jan Vogler im Büro eines unscheinbaren Hauses, nur ein paar Schritte vom berühmten „Goldenen Reiter“ entfernt. Hier sitzen die Mitarbeiter der „Neuen Dresdner Musikfestspiele“. Vogler, ihr neuer Intendant, ist sehr entspannt, fast vergnügt. Zeit für ein paar ernste Fragen: crescendo: Herr Vogler, der Intendant des Europäischen Zentrums

der Künste in Hellerau, Dieter Jaenicke, stellte kürzlich fest: „Die zeitgenössische Musikproduktion gleicht eher einem Minenfeld von Abgrenzungen und Missgunst …“ Was ist Ihr Eindruck? Jan Vogler: Das sehe ich gelassen. Natürlich wird auch mit zeitgenössischer Musik Karriere gemacht und das bringt dann die eine oder andere Diskussion über „modern“ und „reaktionär“ oder „schön“ und „hässlich“ in Gang. Die Zukunft wird entscheiden ... crescendo: Nun haben wir ja nicht Zeit, 100 Jahre mit dem eigenen

Kunsturteil zu warten. Woran wäre denn festzumachen, ob Sie ein vorher nie gehörtes Werk interessant finden? Vogler: Ich glaube sehr daran, dass Musik zunächst etwas mit der Zeit zu tun haben muss, in der sie geschrieben wird. Sie muss etwas von unserem heutigen Denken und Fühlen ausdrücken, dann hören wir aus persönlichem Interesse zu – wir oder unsere Nachkommen. crescendo: Als Künstler wird man schnell in eine Schublade geschoben – „Neue Musik“, „Crossover“, „junger Wilder“ etc. Für Letzteres sind Sie – mit Verlaub – eigentlich zu lange im Geschäft. Welchen Raum nimmt die Neue Musik in Ihrem musikalischen Leben ein? Vogler: Sie ist die frische Luft zum Atmen, sie hält mich jung und wild und hilft mir, neue Interpretationswege – auch für die Klassiker – zu finden. crescendo: War das Interesse schon immer da? Vogler: Das war schon immer da, aber es ist stetig gewachsen. Ich hatte


Foto: Archiv Die Gläserne Manufaktur von Volkswagen

www.crescendo.de 05 2009 | 43 plus regional

das Glück, besonders durch das Moritzburg Festival und die dortige „composer-in-residence“-Position, viele Komponisten persönlich kennen zu lernen, da habe ich bei den abendlichen Gesprächen viel zugehört. crescendo: In München haben Sie kürzlich das lang erwartete neue Cellokonzert des Dresdner Komponisten Udo Zimmermann mit dem Titel „Lieder von einer Insel“ aufgeführt, in Kombination mit Elliot Carters spätem Cellokonzert. Auf welche Projekte dürfen wir in der kommenden Saison gespannt sein? Vogler: Mit dem Boston Symphony und James Levine werde ich mit Mira Wang das Doppelkonzert von John Harbison uraufführen, ein melodisches und nostalgisches Stück – es ist gerade fertig geworden. Und für Semyon Bychkov, das WDR-Sinfonieorchester und mein Cello schreibt der armenische Komponist Tigran Mansurian gerade ein Konzert. crescendo: Das Datum der Uraufführung liegt wohl nicht ganz zufällig auf dem 24. April – dem Tag, der für alle Armenier mit dem Gedenken an den Genozid durch die Türken verbunden ist. Vogler: Musik kann uns helfen, uns zu erinnern und auch zu versöhnen. crescendo: Auf ihrer letzten CD „Experience, live from New York“ findet sich Ihre Interpretation von „Machine Gun“. Was entgegnen Sie Puristen, die das geniale Hendrix-Stück nur im Original kennen und wahrscheinlich alles andere ablehnen würden? Vogler: Das ist ein ähnliches Thema: Hendrix war Pazifist und hat mit diesem Lied den Vietnamkrieg angeklagt. Das Stück ist heute wieder sehr aktuell und ich habe in letzter Zeit den Geist von Woodstock für mich entdeckt. Ich wollte es unbedingt auf dem Cello spielen und das war dann auch ein geradezu physisches Erlebnis. Ich habe viel über Rockmusik und die Variationskunst von Jimi Hendrix erfahren und ein paar neue Klänge auf meinem Cello gefunden. crescendo: Bekommt zeitgenössische Musik an unseren Musikhochschulen genügend Gewicht? Vogler: Im Prinzip ja. Aber auch da gibt es die Abgrenzungen, es würde nichts schaden, wenn ein paar „junge Wilde“ da demnächst ein paar Zäune niederreißen würden ... (lächelt) crescendo: Wie könnte man das breite Publikum noch besser für Zeitgenössisches begeistern? Helfen Gesprächskonzerte, oder eine zeitgemäße Präsentation, etwa im Internet? Vogler: Vor allem mit guten Konzerten, schlüssigen Programmen und entsprechendem Enthusiasmus. „Lieder von einer Insel“ von Zimmermann könnte ein Repertoirestück werden, aber das kommt nicht von selbst. Auch das ganz breite Publikum würde gern ein paar alternativLieblingsmusiken zu den „Vier Jahreszeiten“ oder dem Bach’schen Doppelkonzert entdecken – wir müssen ihm dabei helfen. // Das Gespräch führte Martin Morgenstern.

Internationales Orgelfestival in München Sa. 03.10.2009 20:00 Uhr

Eröffnungskonzert Ben Van Oosten, Den Haag

Mo. 05.10.2009 Studierende der Hochschule 20:00 Uhr für Musik und Theater München Matthias Egger, Balthasar Baumgartner Fr. 09.10.2009 20:00 Uhr

Orgelkonzert Iveta Apkalna, Berlin/Riga

Di. 13.10.2009 20:00 Uhr

Die Kunst der Improvisation Thierry Escaich, Paris

Fr. 16.10.2009 20:00 Uhr

Abschlusskonzert Collegium Monacense St. Michael Peter Kofler, Orgel Frank Höndgen, Leitung

Weitere Informationen über die Künstler und das Konzertprogramm finden Sie im Internet: www. muenchner-orgelherbst.de

Wir danken unseren Sponsoren für die großzügige Unterstützung.

Jan Vogler – live und auf CD 8.10.: Halle/Saale; 9.10.: Göppingen; 25.10.: Dresden; 28.10.: München, zusammen mit Hélène Grimaud; Dresdner Musikfestspiele, 19.5. - 6.6.2010, www.musikfestspiele.com; Moritzburg Festival, 7. - 22.8.2010, www.moritzburgfestival.de Seine aktuelle CD Experience, live from New York ist bei Sony Classical erschienen.

Jesuitenkirche St. Michael Neuhauser Straße 6 (Fußgängerzone) | 80331 München


plus regional 44 | www.crescendo.de 05 2009

Z E I T GENÖSSISCHES IN DER HAUPTSTADT:

Nächster Halt: Opernbühne Vom 7. bis 18. September gastiert die Zeitgenössische Oper unter anderem im Berliner Hauptbahnhof. Das Programm verspricht Außergewöhnliches. VON ANTOINETTE SCHMELTER DE ESCOBAR

Was passiert, wenn die Oper selbst aktiv wird und sich ins Alltags-Leben der Menschen schleicht? Wir werden es herausfinden, denn vom . bis 1. September gastiert die Zeitgenössische Oper unter dem Namen „Ankunft: Neue Musik“ im Hauptbahnhof von Berlin. Pro Tag frequentieren über . Menschen diesen Ort. Macht insgesamt eine Menge von dreieinhalb Millionen theoretischen Zuschauern. Keine schlechte Kulisse für ein solches Musik-Erlebnis. Gut, nicht alle Reisenden werden offene Ohren und Augen für „Experimental-Instrumente“, „Klangbauten“ aus Minimal-Electronic und Stegreif-Texten oder „Raum-Ton-Improvisationen“ haben. Aber der Kreateur dieses Events, Andreas Rochholl, kommt mit dem „ohrenstrand mobil“ seinem Ziel, ein breites Publikum anzusprechen, ein Stückchen näher. Rochholl sagt, er wolle in Berlin „die Werkfülle szenischer Kompositionen aus dem Zeitraum von 1 bis in die Gegenwart“ bieten. Klingt sehr spannend. „Das Unmögliche wollen“ – dieses Motto verfolgt Rochholl schon seit 1. Davor war er Regisseur und Dramaturg am Theater Basel, das wegen Etatkürzungen plötzlich  Prozent einsparen musste. „Für mich ein Grund nachzudenken, was ich wirklich will“, sagt Rochholl.

Foto: eyland 07, Nürnberg

Zeitgenössische Oper Berlin Hbf „Ankunft: Neue Musik“ findet vom 07.-18.09.09 im Hauptbahnhof (siehe Foto) statt. Ebenfalls zu empfehlen: „Anaparastasis – Zwischen den Welten“ mit Musik von Jani Christou, Toshio Hosokava und Thomas Tallis. Premiere am 29.11.09 in der Gemäldegalerie Berlin am Kulturforum. Alle Infos unter: www.zeitgenoessische-oper.de

Szene aus „TON“ – Mobile, Publikum und Instrumentalisten in der St. ElisabethKirche in Berlin.

Ergebnis sei der Entschluss gewesen, seine Kraft nicht mehr in jenes klassische Opern-Repertoire zu stecken, das landauf, landab „in den letzten  Jahren ständig wiederholt wird“. Rochholl widmete sich deshalb statt der x-ten Version von Verdis „Traviata“ ausschließlich Arbeiten, die seit Ende des . Weltkriegs entstanden sind – nach Ansicht des fortan freien Produzenten „ein offenes Land, das nicht von vorgefassten Meinungen und Interpretationen geprägt ist.“ Weil zeitgenössische Oper gerne Genre-Grenzen überschreitet und „auf vielen Frequenzen spielt“, schwebte Rochholl anfangs auch eine eigene, zeitgemäße und multifunktionale Spielstätte vor. Es sollte auf die speziellen Bedürfnisse zugeschnitten und eine zentrale Anlaufstelle für Interessierte werden. Doch wegen der  beginnenden Berliner Bankenkrise wurde nichts aus seinem 1 visualisierten und begeistert aufgenommenen Entwurf. Rochholl und seine Hauptmitstreiterin Sabrina Hölzer machten trotzdem weiter. Bis heute haben


Foto: DRAMA Iko Freese

www.crescendo.de 05 2009 | 45 plus regional

sie insgesamt  Produktionen mit der Komischen Oper, dem HebbelTheater und dem Haus der Berliner Festspiele, in Kirchen oder auf Straßen auf die Beine gestellt – das alles bis auf ein Büro ohne feste Strukturen, fixes Ensemble oder selbstverständlich fließendes Geld. „Sich mit jeder Arbeit neu behaupten und rechtfertigen zu müssen, bringt unerfreuliche Momente mit sich, hat aber auch viele positive Seiten“, sagt Rochholl zweckoptimistisch. „Wenn nichts selbstverständlich ist, stachelt das an. Nicht nur ihn, sondern auch das übrige Team, das maßgeschneidert für jede Produktion zusammengestellt wird und hochmotiviert ist. Rochholl: „Ich hatte in zwölf Jahren noch keine einzige Krankmeldung.“ Was der Intendant in den Jahren seiner anstregend-aufregenden Selbstständigkeit an Know-How gesammelt hat, gibt er auch an andere weiter. „Operare“ heißt der von ihm vor zwei Jahren initiierte „interdisziplinäre Realisierungswettbewerb“, bei dem „Teilnehmer unter-

schiedlichster Professionen“ in Workshops aufeinander treffen, um ihre Erfahrungen sowie Ideen für Kommendes miteinander zu teilen und in gemeinsame Projekte einfließen zu lassen. Außerdem träumt er von einer Datenbank zum zeitgenössischen Musiktheater. „An Uraufführungen herrscht kein Mangel, weil die für Opernhäuser und Festivals zum guten Ton gehören. Danach verschwinden die meisten Werke aber leider in der Schublade.“ Sein Wunsch sei es, zum einen mit möglichst „werkgetreuen“, das heißt auf den Vorstellungen der Komponisten fußenden Produktionen für Wiederaufführungen zu sorgen, zum anderen nach dem Vorbild des Pariser IRCAM (Institut de Recherche et Coordination Acoustique/Musique) Vorhandenes zu archivieren und zugänglich zu machen. „Für zeitgenössische Komponisten ist es extrem wichtig, sich am eigenen Werk und an dem von Kollegen zu reiben. Man wächst mit jeder Arbeit.“ //


plus regional | 46 www.crescendo.de 05 2009

September/Oktober: Diese Termine sollten Sie PREMIEREN 10.09. Hannover/Staatsoper Le Nozze di Figaro 11.09. Gera/Bühne am Park Die Schändung der Lukrezia

04.10. Bremen/Theater am Goetheplatz Eine florentinische Tragödie/Der Zwerg 04.10. Frankfurt am Main/ Opernhaus L‘oracolo/Le Villi

11.09. Hamburg/MichaelisKirche Krypta - Konzert 2009

nie und Fabio Bidini Maurice Ravel - Klassik Sommer

15.09. Leipzig/Bundesverwaltungsgericht Martin Stadtfeld

11.09. Königslutter/Kaiserdom „Musikalischer Altweibersommer“ - 29. Domkonzerte

12.09. Hannover/cavallo königliche reithalle Eduards Traum Konzertlesung um W. Busch mit D. Horwitz

16.-18.09. München ARD Musikwettbewerb Preisträgerkonzerte

11.09. Leipzig/Gewandhaus

11.09. Halle (Saale)/Neues Theater Die arabische Nacht

08.10. Leipzig/Opernhaus Unter der großen Sonne von Liebe beladen

12.09. Dresden/ Staatsoperette Der Vetter aus Dingsda

09.10. Zwickau/Gewandhaus Wilhelm Tell

17.09. Ludwigshafen/Pfalzbau Italienische Operngala

12.09. Flensburg/Theater Doktor Faust/Ferruccio Busoni

10.10. Braunschweig/Staatsth. Das Liebesverbot/Richard Wagner

18.09. Braunschweig/Stadthalle Gidon Kremer und Kremerata Baltica, Kathia Buniatishvili

10.10. Oldenburg/Staatstheater Don Giovanni

18.09. Echternach/Trifolion Ballade „Der Geiger von Echternach“

Danach ins Restaurant Jin mit seinen panasiatischen Köstlichkeiten. www.restaurant-jin.de 12.09. Weimar/Deutsches Nationaltheater Der Bajazzo/Turandot 12.09. Wiesbaden/Staatstheater Der Troubadour 13.09. Altenburg/Landestheater Hänsel und Gretel 13.09. Bremen/Theater am Goetheplatz Norma 15.09. Wien/Staatsoper Neue Welt des Balletts 17.09. Ulm/Theater Die Zauberflöte 18.09. Bonn/Opernhaus Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg

16.10. Fürth/Stadttheater Acis und Galatea 17.10. Dortmund/Theater Die Fledermaus

17.10. Nürnberg/Opernhaus Tannhäuser

KONZERTE 08.09. Hamburg/Laeiszhalle Christoph von Dohnanyi zum 80. Geburtstag mit Hampson und Zimmermann 08.09. Hannover/Kuppelsaal im HCC Kurt Masur und das London Philharmonic Orchestra 08.09. Hannover/SparkassenForum Die Nacht hat 88 Tasten Klavierrezital mit Yefim Bronfman 09.09. Dresden/Frauenkirche Orgel: Ludger Lohmann 09.09. Halberstadt/Moritzkirche Gunther Emmerlich & Ensemble 09.09. Hamburg/Laeiszhalle Anna Netrebko und Bryn Terfel

18.09. Düsseldorf/Opernhaus Peter Grimes 19.09. Dortmund/Theater Das Märchen vom Märchen im Märchen

09.09. Potsdam/Erlöserkirche Orgelkonzert - Bachtage Potsdam

19.09. Duisburg/Theater Salome

10.09. Berlin/Philharmonie International Mahler Orchestra, Yoel Gamzou (Dirigent)

27.09. Erfurt/Theater Le Nozze di Figaro 02.10. Dresden/Semperoper La Traviata 02.10. Hildesheim/Theater Die Meistersinger von Nürnberg 03.10. Karlsruhe/Opernhaus Fidelio 03.10. Stuttgart/Opernhaus Lucia di Lammermoor 04.10. Bonn/Opernhaus Ezio

18.09. Köln/Sendesaal WDR Henry Purcell zum 350.

17.10. Mannheim/Nationalth. Amadis des Gaules

09.09. Köln/Philharmonie Kurt Masur und das London Philharmonic Orchestra

20.09. Berlin/Komische Oper Rigoletto

18.09. Köln/Philharmonie Christine Schäfer/ Pierre-Laurent Aimard

10.09. Essen/Philharmonie Bruckner-Zyklus mit Marek Janowski 10.09. Kaiserslautern/ Fruchthalle delian::quartett Haydn-SchostakowitschBrahms 11.09. Berlin/Philharmonie Chicago Symphony Orchestra - musikfest berlin 09 11.09. Dresden/Lingnerschloss Literarisch-Musikalischer Abend Brigitte Schubert-Oustry

Suyoen Kim beim Int. Violin-Wettbewerb Hannover

RIAS Kammerchor - Mendelssohn Festtage 2009 11.09. Potsdam/Nikolaisaal Brenda Boykin 12.09. 10 Jahre Kissinger Operettenzauber 12.09. Berlin/Schloss Glienicke G. Bodoky (DSO), B. Kubina (DSO), C. Yokohama-Tancke, Beethoven, Schumann u. a.

Bonn Das Beethovenfest lädt ein. Wer die Beethoven-Explosion der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen unter Paavo Järvi bei den Salzburger Festspielen verpasst hat, hier gibt es den Zyklus nochmal zu erleben vom 9.9.-12.9. Sol Gabetta spielt das Elgar-Konzert am 14.9. Die wunderbare Stimme von Marlis Petersen ist am 20.9. und 2.10. zu hören. www.beethovenfest.de Danach einen kleinen Rheinspaziergang und einige Treppenstufen ins italienische Restaurant Oliveto im Hotel Königshof. www.hotel-koenigshof-bonn.de 12.09. Berlin/TEMPODROM Paul Potts 12.09. Hamburg/Hauptkirche St. Nikolai Sommerkonzert mit Vocallegro Geistliche und Weltliche Chormusik 12.09. Hamm/Alfred-FischerHalle R. Schumann Philharmo-

12.09. Magdeburg/Konzerthalle G.-P. Telemann Ständchen für Opus 1000 12.09. München/Philharmonie Klassik Radio in concert Die Große Welt der Filmmusik 12.09. Neuhardenberg/Stiftung Schloss Neuhardenberg Gerlint Böttcher: Rezital 12.09. Oberschleißheim Klassik im Schlosspark Händel Wassermusik 13.09. Oberschleißheim Klassik im Schlosspark Open Air Last Night 13.09. Coesfeld/Theater Vogler Quartett 13.09. Dortmund/Westfalenhalle 25. Gala der Chöre 13.09. Leipzig/Gewandhaus Mischa Maisky, Kammermusik - Mendelssohn Festtage 2009

Foto: Wolf-Rüdiger Leister

München Ein ganz großer Wurf von Regisseur Robert Carsen, ein AugenOhren-Gänsehauterlebnis der ganz besonderen Art im Opernjahr 2008: Ariadne auf Naxos im Prinzregentheater. Hoffentlich gelingt die Übernahme ins Nationaltheater ab 19.9.2009 Besser kann man Oper nicht machen! www.staatsoper.de

17.09. Heiligenhafen/ Ev. Stadtkirche Rene Kollo Ein Tag, ein Jahr, ein Leben

19.09. Bremen/Die Glocke Musica Viva Eröffnungskonzert 19.09. Coesfeld/Theater Esbjerg Ensemble 19.09. Dresden/Frauenkirche Anne Sofie von Otter 19.09. Eisenach/Wartburg 348. Wartburgkonzert 19.09. Essen/Philharmonie Hilliard Ensemble - Miroirs des temps, Composer In Residence: Unsuk Chin 19.09. Frankfurt/Alte Oper Pierre-Laurent Aimard 19.09. Hamm/Audi-PotthoffHangar Czárdás goes Classic

Bamberg Zur Wiedereröffnung der Konzerthalle am 25.9. spielen die Bamberger Symphoniker unter Jonathan Nott die 3. Mahler. www.bamberger-symphoniker. de Und danach zu einem gepflegten Bier in eine der zahlreichen, urigen Wirtshäuser der Altstadt.

13.09. Magdeburg/Konzerthalle G.-P. Telemann Back to Bach? Bach, Jazz & More

20.09. Görlitz/Peterskirche Ludwig Güttler und Friedrich Kircheis

13.09. Stuttgart/Weissenburgp. Matinee im Marmorsaal Klassik, Strauss-Walzer, Goldene Zwanziger

20.09. Hennef/Meys Fabrik Teo Gheorghiu, Bach, Beethoven, Busoni, Liszt

15.09. Delligsen/LaurentiusKirche Klezmermusik in der Dorfkirche Helmut Eisel, Martin Heubach 15.09. Hamburg/Laeiszhalle Liederabend Diana Damrau, Xavier De Maistre 15.09. Köln/DLF Sendesaal Simone Dinnerstein

20.09. Paderborn/Abdinghofkirche Oratorium G. F. Händel: Salomon 20.09. Rosenheim/Kultur + Kongress Zentrum Sinfonia Varsovia und Rudolf Buchbinder Ltg.: Krzysztof Penderecki 21.09. Dortmund/Konzerthaus Christian Tetzlaff, Tanja Tetzlaff, Leif Ove Andsnes


www.crescendo.de 05 2009 47 | plus regional

nicht versäumen Weltelite junger Geiger Der Internationale Violin-Wettbewerb Hannover ist dem Geigenvirtuosen und Komponisten Joseph Joachim gewidmet. Mit Preisgeldern von insgesamt 140 000 Euro ist Niedersachsen Gastgeber des höchstdotierten Violinwettbewerbs weltweit, der alle drei Jahre von der Stiftung Niedersachsen ausgerichtet wird. Dieses Jahr ist es wieder soweit. Die Weltelite trifft sich – 20 Violinistinnen und 15 Violinisten aus 17 Nationen – zu 100 Auftritten in etwa 30 Konzerten (die per Livestream im Internet miterlebt werden können). Krönender Abschluss sind die Finalkonzerte. Als weitere Höhepunkte gelten das Eröffnungskonzert mit der Ersten Preisträgerin des vergangenen Wettbewerbs, Suyoen Kim, am 26. September. sowie das Sonderkonzert mit Weltstar Gidon Kremer am 3. Oktober. Hannover, verschiedene Spielorte, 26.9.-10.10., Tel. 0511-168 412 22, www.violin-wettbewerb.de

Richard Strauss Konzertzyklus Vor 60 Jahren, am 8. September 1949, starb der Münchner Komponist und Wagner-Epigone Richard Strauss in seiner Wahlheimat Garmisch-Partenkirchen. Zu seinem 50. Todestag wurde dort das Richard-Strauss-Institut gegründet. Dieses präsentiert anläßlich des Jubiläums einen mehrtägigen Konzertzyklus mit einer Internationale Fachtagung unter dem Motto „Richard Strauss im europäischen Kontext“. Zum Todestag steht ein Orchesterkonzert unter Christoph Altstaedt mit dem tschechischen Hornisten Radek Baborak auf dem Programm mit Werken von Strauss, Dvorˇak und Karlowicz. Garmisch-Partenkirchen, Kongresshaus, 8.9., www.richard-strauss-institut.de

Very british Seit 62 Jahren bereichern die Neuburger Barockkonzerte die Kulturlandschaft. Im Mittelpunkt der diesjährigen Konzertreihe unter dem Motto „very british“ stehen die beiden Komponisten-Jubilare Henry Purcell und Georg Friedrich Händel. Händels melodienreiche Oper „Siroe“ bildet in einer Inszenierung von Wolf Kunold – mit dem „Gabrieli-Vokalensemble“ und „affetti strumentali“ – den Auftakt. Der 2. Oktober gehört „art baroque“, dem Brückenschlag zwischen Barock und Jazz, mit dem „Migration Trio + 1“ um den New Yorker Pianisten Kevin Hays ein faszinierendes Crossover-Ereignis. Am 3. Oktober lädt Simone Kermes, die „Primadonna der Alten Musik“, zusammen mit „Le Musiche nove“ zum Konzert. Den

Schlusspunkt der diesjährigen Barockkonzerte setzt die A-Capella-Formation „Calmus Ensemble Leipzig“, in der „Sixtina des Nordens“, der Neuburger Schlosskappelle. Neuburg, 1.-4.10., www.neuburger-barockkonzerte.de

Musikalische Zeitreise Die Orchestermusiker der Jungen Deutschen Philharmonie verstehen sich als Zeitreisende, die von Haydn bis Hindemith als Botschafter der Klassik genauso wie des 20. Jahrhunderts unterwegs sind. So präsentieren sie auf ihrer Sommertournee das neue Orchesterstück „Markt“ des in Berlin lebenden Komponisten Enno Poppe. Es dirigiert die finnische Spezialistin für Neue Musik Susanne Mälkki. Als Stars der zeitgenössischen Musik gelten auch der Trompeter Marco Blaauw und der Klarinettist Alain Damiens, die bereits Werke von Stockhausen und Boulez zur Uraufführung brachten. Die Sommertournee endet am 21. September in Berlin. Gütersloh, Stadthalle, 12.9., www.jdph.de

Primadonna

 September – Dezember 2009

DER GEMEINDE UNTERFÖHRING DAula der Schule 18.09. | 19.30 Uhr Großer Wiener Abend Konzert und Ballett mit dem Wiener Residenzorchester 25.09. | 19.30 Uhr Wahnwitz des Wiener Lieds Konzert mit d. Kollegium Kalksburg 09.10. | 20.00 Uhr Top Secret Revue-Show und Slapstick mit String of Pearls 17.10. | 20.00 Uhr Lisa Fitz Super Plus! Kabarett ausverkauft ! 31.10. | 19.30 Uhr Lieder der Romantik Konzert mit dem Münchner Madrigalchor 15.11. | 19.30 Uhr Kammerkonzert Aglaia-Streichquartett und Oliver Kern 21.11. | 19.30 Uhr Literatur und Musik „Ich dachte, es sei Liebe!“ Lesung mit Hannelore Hoger 29.11. | 16.00 Uhr Max Greger jr. & Band Swinging Christmas 12.12. | 20.00 Uhr Literatur und Musik Heilige Nacht – Lesung mit Michael Lerchenberg 19.12. | 19.30 Uhr Weihnachtskonzert mit der Unterbiberger Hofmusik und Wolf Euba Dweitere Veranstaltungsorte: 18.09. | 19.30 Uhr Jazz am S-Bahnhof Hot Shot Bluesband – Blues vom Allerfeinsten DS-Bahnstation Unterföhring 06.11. | 19.00 Uhr Ausstellungseröffnung „zwischen räume“ Bilder von A. Poschlep DRathaus Herbsttheater mit der Laienspielgruppe Unterföhring 07.,13.,14.11. | 20.00 Uhr DGemeindehalle 18.11. | 15.00 Uhr Kinderveranstaltung Peter und der Wolf DGemeindebücherei 05.12. | 14 – 20.00 Christkindlmarkt 06.12. | 11 – 18.00 DRathausplatz 13.12. | 17.00 Uhr Adventsingen Männergesangsverein Unterföhring DPfarrkirche St. Valentin a Anzeigen 09:crescendo 25.08.2009 11:56 Uhr Seite 3

Singen ist die leichteste Sache der Welt. Das wird Ihnen eine Sängerin beweisen, der der Ruf vorauseilt, dass ihr keine Koloratur zu schwer, ufg_programm02_92x129_0809.indd keine Höhe zu hoch ist. Von ihrem Debüt an der Wiener Staatsoper über die Zusammenarbeit mit Karl Böhm, Herbert von Karajan oder Zubin Mehta bis zu ihren heutigen Auftritten an den größten Opern- und Konzerthäusern hat sich Edita Gruberova als „Mirakel des Könnens“ (FA Z) erwiesen. Eines ihrer raren Rezitals mit Liedern von Mozart, Schubert, Dvorˇák und Richard Strauss gibt die „Primadonna assoluta des Belcanto unserer Tage“ in der Philharmonie Luxembourg. Luxemburg, Philharmonie, 26.10., www.philharmonie.lu

1

25.08.2009 10:07:12 Uhr

19.9.2009 ERÖFFNUNGSKONZERT

Zehn Jahre Calmus Vokalmusik der feinsten Sorte – seit zehn Jahren steht das Calmus Ensemble Leipzig für hochkultivierten A-capella- Gesang. Ob Bach, Mendelssohn oder zeitgenössische Auftragskompositionen, die f ünf Stimmen des Calmus Ensembles beeindrucken seit ihrer Gründung 1999 durch blitzsaubere Intonation und puren Wohlklang. Zum Geburtstag lädt das Vokalquintett gemeinsam mit dem Raschèr Saxophone Quartet sowie mit dem MDR-Kinderchor und Liedermacher Hans-Eckardt Wenzel zum Festkonzert. Leipzig, Gewandhaus, 25.10., www.calmus.de

Samstag, 19.9.2009 20:00 Uhr Im Kraftwerk des Museums Peenemünde

Das Baltic Youth Philharnonic ist eine gemeinsame Initiative des Usedomer Musikfestivals und der Nord Stream AG

des 16. Usedomer Musikfestivals

Baltic Youth Philharmonic Peter Jablonski, Klavier Kristjan Järvi, Leitung

Felix Mendelssohn Bartholdy: Ouvertüre „Das Märchen von der schönen Melusine” op. 32 Ludwig van Beethoven: Konzert für Klavier und Orchester D-Dur op. 61 Mit vier neuen Kadenzen von Anatolijus Šenderovas (Auftragskomposition des Baltic Youth Philharmonic) Johannes Brahms: Sinfonie Nr. 1 c-Moll op. 68

Informationen und Tickets: Tel. 038378.34647 – Fax 038378.34648 www.usedomer-musikfestival.de www.ticketonline.com


plus regional | 48 www.crescendo.de 05 2009 September/Oktober: Diese Termine sollten Sie nicht versäumen 23.09. Krummin/Ev. Kirche Bach trifft den Preußenkönig Mitglieder der Kammerakademie Potsdam 25.09. Bonn/Collegium Leoninum Johannes Moser, Paul Rivinius 25.09. Eberswalde/MariaMagdalenen-Kirche Angelika Milster Classic Meets Musical 25.09. Isernhagen/ Isernhagenhof Durch die Nacht mit Charles Mingus Jazzroad - NDR Bigband & August Zirner 25.09. Schwetzingen/Schloss Stipendiaten der Jürgen PontoStiftung 34. Mozartfest

03.10. Bad Elster/König Albert Theater Ein Feiertag für Mendelssohn 03.10. Baden-Baden/Festspielh. Rafał Blechacz 03.10. Berlin/Konzerthaus Orgel-Sonderkonzert 03.10. Berlin/Rathaus Festkonzert: 20 Jahre Mauerfall Philharmonische Camerata Berlin 03.10. Dresden/Frauenkirche J. S. Bach: Messe in h-Moll 03.10. Dresden/Staatsoperette Gershwin-Konzert

11.10. Baden-Baden/Festspielh. Thomas Quasthoff

18.10. Berlin/Unter den Linden Daniel Barenboim in einer Konzertmatinée

11.10. Dortmund/Konzerthaus Orgelrezital Iveta Apkalna

18.10. Hamburg/Fliegende Bauten The Ten Tenors

11.10. Düsseldorf/Tonhalle Jonas Kaufmann

18.10. Ludwigshafen/BASFGesellschaftshaus Kuok-Wai Lio

11.10. Köln/Sendesaal WDR All That Jazz

18.10. Recklinghausen/ Vest Arena German Tenors

11.10. Magdeburg/Gesellschaftshaus Händel: Die Violinsonaten

19.10. München/Herkulessaal Klassik vor Acht

11.10. Saarbrücken/ Ludwigskirche Dresdner Kreuzchor Über Bach bis zur Moderne

20.10. Siegburg/Rhein-SiegHalle Justus Frantz Die große Mozartnacht 25.10. München/Prinzregententh. Ivo Pogorelich 26.10. München/Prinzregententh. Götz Alsmann & Band

26.09. Bonn/T-Mobile Forum David Garrett & Band Emotionen, Beat und Rhytmus - Julien Quentin, Lichtfront (Veejays)

FESTSPIELE/ FESTIVALS

26.09. Erding/Stadthalle 1700 - Barockkonzert Mit dem Orchestra di Medici

bis 08.09. Schubertiade Schwarzenberg (A)

26.09. Marl/Yehudi-MenuhinForum Night of Glory

bis 12.09. Musikfest Bremen

26.09. München/Philharmonie Jacques Loussier Trio

bis 12.09., Füssen Festival vielsaitig

27.09. Berlin/Unter den Linden Preußens Hofmusik

bis 13.09. Festspiele Mecklenburg-Vorpommern

Auf Tournee Die immer wieder spannenden Interpretationen von Thomas Hengelbrock mit seinem Balthasar-Neumann-Ensemble. Werke von Haydn, Beethoven und Mozart mit der Sopranistin Véronique Gens. Am 1.10. Köln/Philharmonie, 9.10. München/Herkulessal und 10.10. Dresden/Frauenkirche. Und für einen Ausflug über die Landesgrenze: Amsterdam. Was für ein Orchester, was für ein Saal: Mariss Jansons spielt mit dem Concertgebouw und dem besonderen Krystian Zimerman am 17/18/19.9. und 21.9. Das Lutoslawski-Klavierkonzert und die 4. Bruckner. www.concertgebouw.nl Und danach gute 5 Minuten mit dem Taxi ins Restaurant Zuid Zeeland. www.zuidzeeland.nl 27.09. Köln/Philharmonie Georgisches Kammerorchester Ingolstadt 01.10. Berlin/Philharmonie Robert Leonardy 02.10. Baden-Baden/Festspielh. Chamber Orchestra of Europe Beethoven-Klavierkonzerte II 02.10. Bregenz/Festspielhaus Benefizgala mit Startenor José Carreras 02.10. Potsdam/Nikolaikirche Festkonzert zum Tag der Einheit 03.10. Augsburg/Parktheater Artemis Quartett

Bei den Braunschweig Classix: Martha Argerich und Lilya Zilberstein 03.10. Lübeck/St. Jakobi Preisträgerkonzert, Intern. Buxtehude-Orgelwettbewerb

12.10. Berlin/Philharmonie Freiburger Barockorchester Klassik, Romantik und Gegenwart

04.10. Berlin/Unter den Linden Erzählmusik I Konzertreihe für Kinder

13.10. Berlin/Philharmonie BerlinClassicPlayers: Zum 350. Geburtstag von Purcell - R. Crowe, U. Riehl

04.10. Coswig/Villa Teresa Kammerabend Peter Bruns Mendelssohn und Beethoven

Foto: privat

bis 13.09., Weimar pèlerinages bis 19.09., Leipzig Mendelssohn Festtage 2009 bis 19.09. LUCERNE FESTIVAL im Sommer (CH) bis 20.09. Musikfest Stuttgart bis 24.09. Meraner Musikwochen (I) bis 26.09. Ottobeurer Konzerte bis 27.09. KlassikSommer Hamm

13.10. Berlin/Konzerthaus Daniel Müller-Schott

bis 27.09. Klosterkonzerte Maulbronn

04.10. Köln/Philharmonie Morgenstern Trio

13.10. München/Jüd. Zentrum Orchester Jakobsplatz

bis 30.09. Festival International Echternach (L)

04.10. Ludwigshafen/WilhelmHack-Museum Mandelring Quartett

14.10. Frankenthal/CongressForum Gustav Mahler - 3. Sinfonie D-Dur Hochschule für Musik Mannheim

06.10. Wiesbaden/Kurhaus Wiener Klassik 1. Konzert 08.10. Stuttgart/Liederhalle Wiener Klassik 1. Konzert 09.10. Berlin/Konzerthaus Konstantin Lukinov 09.10. Berlin/Konzerthaus Ensemble Modern 09.10. Potsdam/Nikolaisaal Angelika Kirchschlager 10.10. Dortmund/Theater Opernhighlights 10.10. Köln/Philharmonie Jörg Widmann/Minguet Quartett 10.10. Leipzig/Gewandhaus Lucia Aliberti 10.10. Merzig/Stadthalle Philharmonia Quartett Berlin Mit Pultsolisten der Berliner Philharmoniker

14.10. Hamburg/Laeiszhalle Ludovico Einaudi 14.10. Köln/Philharmonie Hanna Schygulla 17.10. Berlin/Rathaus Beethoven Pur Neubrandenburger Philharmoniker

Berlin Für Schostakovitsch-Fans: das Musikfest in der Philharmonie vom 3.-21.9. www.berliner-festspiele.de Und danach fünf Gehminuten ins Restaurant Vox im Hotel Hyatt. www.vox-restaurant.de

17.10. Dresden/Frauenkirche Leipziger Bach-Collegium

bis 03.10., Bernkastel-Kues Mosel Musikfestival

17.10. Köln/Kammeroper Der Karneval der Tiere

bis 03.10. Beethovenfest Bonn 2009

17.10. München/Philharmonie Lucia Aliberti

bis 04.10., Hannover Niedersächsische Musiktage

17.10. München/Schloß Nymphenburg Mozartnacht

bis 11.10., Ruhrgebiet RuhrTriennale

17.10. Offenburg/Oberrheinhalle Jan Garbarek Group

bis 31.10. Filmatelier Thiersee (A)

17.10. Potsdam/Nikolaisaal Rachmaninows 2. Streich

bis 31.12. MusikMetropoleMünchen

bis 31.12., Hainburg (A) Phänomen Haydn 09.09. - 27.09., Eisenstadt (A) Internationale Haydntage 10.09. - 27.09., Schwaz (A) Klangspuren 11.09. - 18.09. Intern. Kammermusikfestival Nürnberg 12.09. - 02.10. Nachsommer Schweinfurt 15.09. - 20.09. Kammermusik in der Kemptener Residenz 16.09. - 04.10., Düsseldorf Altstadtherbst 16.09. - 13.10. Sommer Oper Bamberg 18.09. - 04.10. Bayreuther Barock 18.09. - 07.10. Festival Musica sacra Paderborn 19.09. - 10.10. Usedomer Musikfestival 19.09. - 26.09., Dormagen/Kloster Knechtsteden Festival Alte Musik Knechtsteden 19.09. - 19.09., Bad Brückenau Jahreszeiten-Konzerte 25.09. - 18.10. Schwetzinger Mozartfest 25.09. - 03.10., Bad Wörishofen Festival der Nationen 27.09. - 11.10. Weingartner Musiktage Junger Künstler 28.09. - 25.11. Luxembourg Festival (L) 30.09. - 04.10., Kronberg i. T. Cello Festival „Kontrapunkte“ 01.10. - 18.10., Thüringen Güldener Herbst 01.10. - 04.10., Breslau/Wrocław (PL) Heinrich-Schütz-Tage 01.10. - 04.10. Neuburger Barockkonzerte 02.10. - 01.11., Weißenfels/Bad Köstritz/Dresden Mitteldeutsche Heinrich-Schütz-Tage 03.10. - 10.10. Herbstliche Musiktage Bad Urach 08.10. - 11.10., Bad Köstritz Mitteldeutsche HeinrichSchütz-Tage 10.10. - 08.11., Palma de Mallorca (E) Festival MúsicaMallorca 14.10. - 18.10., Winterthur (CH) Internationales Festival der Unterhaltungsmusik 15.10. - 28.11., Kissinger Kabarettherbst 15.10. - 18.10. Schubertiade Hohenems (A) 16.10. - 18.10. Donaueschinger Musiktage 17.10. - 23.11. Fränkische Musiktage Alzenau Festival der Jungen


www.crescendo.de 05 2009 49 | plus regional

Wirtschaft und Kultur Valentin Radutiu und Tobias Bäz, Preisträger des Violoncellowettbewerbs des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft, treten mit der Philharmonie Merck (Dirigent: Wolfgang Heinzel) im Rahmen der Jahrestagung des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft auf. Dieser Musikpreis ist einer der wichtigsten Nachwuchspreise für junge Musiker in Deutschland. Neben dem Preisgeld und weiteren Konzertauftritten beinhaltet die jährlich in einem anderen Fach ausgeschriebene Auszeichnung eine CD-Produktion sowie die Möglichkeit, ein Auftragswerk eines namhaften Komponisten uraufzuführen. Valentin Radutiu wird u. a. ein Auftragswerk für Violoncello und Klavier von Peter Ruzicka uraufführen. Der Eintritt ist kostenlos. Schloss Johannisberg im Rheingau, 11.10., www.kulturkreis.eu

Die Frau ohne Schatten Eine schillernde Handlung, eine farbige Partitur – die Premiere der Richard Strauss-Oper „Die Frau ohne Schatten“, nach einer Dichtung von Hugo von Hofmannsthal, an der Deutschen Oper Berlin verspricht großes Musiktheater mit politisch-historischer Deutung. Schließlich geht es in dieser musikalischen Parabel um nichts weniger als um das Überleben der Menschheit aus dem Geiste des Glaubens an die Ideale des Humanismus. Kirsten Harms besorgt die Inszenierung, die musikalische Leitung hat Ulf Schirmer. Berlin, Deutsche Oper, 27.9., www.deutscheoperberlin.de

Wege bereiten Höchst glaubwürdig verfolgt die Trigonale ihr Motto „Wir bereiten Wege zur Musik“. Ziel des Festivals für Alte Musik ist, möglichst vielen Menschen – gleich welchen Alters und unabhängig von finanziellen Mitteln – Zugang zu Musik auf allerhöchstem Niveau zu ermöglichen. Darum kosten Konzertkarten generell 18 Euro, ermäßigte

Karten 10 Euro und Jugendliche bis zum vollendeten 16. Lebensjahr haben kostenlosen Zutritt. Künstler von Weltrang – Accordone, Nuria Rial, Franco Pavan, Clare Wilkinson und viele mehr – erwarten den Festivalbesucher. St. Veit/Glan, 11.-20.9., www.trigonale.com

»Wilhelm Furtwängler – eine Außerpersönlichkeit« Dietrich Fischer-Dieskau

Qualität intim Die Musikwochen von Ascona kehren zu ihren Ursprüngen zurück: Alle dreizehn Konzerte finden dieses Jahr in der intimen Atmosphäre der Kirche des Collegio Papio statt. Weltbekannte Künstler wie Sir James Galway, Nikolaj Znaider, Alexander Lonquich, Jordi Savall, Vladimir Spivakov, Giuliano Carmignola, Sigiswald Kuijken, das Orchestra della Svizzera italiana, Die Moskauer Virtuosen, Sonatori della Gioiosa Marca, La Petite Bande, das Detmolder Kammerorchester und viele andere treffen sich noch bis Mitte Oktober in der Südschweiz. Besondere Aufmerksamkeit schenken die Settimane Musicali di Ascona den Jubilaren Haydn und Mendelssohn. Ascona, Kirche des Collegio Papio, bis 16.10., www.settimane-musicali.ch

Dietrich Fischer-Dieskau Jupiter und ich Begegnungen mit Furtwängler 72 Seiten, gebunden € 19,90 (D), € 20,50 (A) Erscheint: Ende September ISBN 978-3-940432-66-7

Musica Franconia Zwei Sommermonate lang wurden Mittelfrankens architektonische Juwele mit stilistisch passender Musik zum Klingen gebracht. Das Abschlusswochenende vom 11.-13. September hält weitere musikalische Highlights bereit: Mit Spielfreude und außergewöhnlichen Instrumenten musiziert das Ensemble Lucidarium aschkenasische Musik des 16. Jahrhunderts. Die Akademie für Alte Musik Berlin gastiert mit Werken von Händel, Vivaldi, Locatelli und Platti. Mit dabei die Sopranistin Ruth Sandhoff und die Oboistin Xenia Löffler. Am Sonntag Abend wird das Festival mit einem Chorkonzert zu Ehren des Orgelbauers Johannes Strebel und des Komponisten Georg Herzog (ihre Todestage jähren sich zum 100. Mal) in der Franziskanerkirche ausklingen. Mittelfranken, bis 13.9, www.fraenkischer-sommer.de

Als »bester Liedersänger« (Times) füllte Dietrich Fischer-Dieskau die Konzerthäuser rund um die Welt. Nun erinnert er sich an seine Begegnungen mit dem Dirigenten und – meist übersehen – Komponisten Wilhelm Furtwängler: Blicke zurück auf einen Lehrermeister, eine väterliche Figur.

BERLIN UNIVERSITY PRESS www.berlinuniversitypress.de info@berlinuniversitypress.de August2009_Creszendo_92x63:Layout 1 17.08.09 16:07 Seite 1

Zukunft und Tradition Im Kulturhauptstadtjahr 2009 präsentiert sich das Brucknerfest „Klassisch anders“. Das Repertoire ist differenziert und vielseitig und spannt den Bogen von Klassik, Oper und Orgelmusik bis hin zum Jazz. International erfolgreiche Künstler wie Barbara Bonney (26.9.), Heinrich Schiff (24.9.), Wim van Zutphen (18.9.) sowie die Wiener Philharmoniker und das Budapest Philharmonic Orchestra werden zu sehen und zu hören sein. Es dirigieren Zubin Mehta (5.10), Ivan Fischer (15.9.), H.K. Gruber (2.10.) und Dennis Russell Davies (25.9.). Linz, verschiedene Orte, 13.9.-5.10., www.brucknerhaus.at

KULTUR IN UNTERSCHLEISSHEIM

S P I E L Z E I T 2 0 0 9 / 2 010

Das Classix Festival 2009 präsentiert die Stars der Klassik. Am 20. Oktober bezaubert Mezzo-Sopranistin Cecilia Bartoli mit brandaktuellem Repertoire aus ihrem neuen Album „Sacrificium“, begleitet vom Orchester „La Scintilla“. Auch Pianist Ivo Pogorelich wird zu erleben sein: am 23. Oktober begleitet vom Royal Philharmonic Orchestra unter Leitung von Charles Dutoit. Auf dem Programm stehen u. a. Chopins Klavierkonzert Nr. 2 f-Moll und Dvořáks Sinfonie „Aus der neuen Welt“. Zu Beginn des neuen Jahres, am 17. Januar 2010, laden die „Tastenköniginnen“ Martha Argerich und Lilya Zilberstein zum Gipfeltreffen. Braunschweig, Stadthalle, bis 17.1.2010, Tickets +49-531-7017277, www.classixfestival.de

Donnerstag, 15. Oktober 2009, 20 Uhr | Gleis 1

GERRET LEBUHN: GITARRE SOLO Musik zeitgenössischer Komponisten

Sonntag, 1. November 2009, 19 Uhr

JOHANNES BRAHMS: EIN DEUTSCHES REQUIEM (op. 45)

Konzert mit der MÜNCHNER KAMMERPHILHARMONIE u.a.

Samstag, 28. November 2009, 20 Uhr

FORUM UNTERSCHLEISSHEIM

Herbst-Highlights

SCHLÄFT EIN LIED IN ALLEN DINGEN Liederabend mit CHRISTOPH VON WEITZEL

Bürgerhaus Unterschleißheim Rathausplatz 1 Ticket Shop: Tel. 089/310 09-200, tickets.forum@ush.bayern.de www.forum-unterschleissheim.de, www.ticketonline.com


lieto fine 50 | www.crescendo.de 05 2009

Und zuletzt:

DANIEL HOPE

schreibt exklusiv in crescendo

Sandwich? Nein danke!

Die wirklich Neuen!

Bei der Orchesterwerkstatt des Nordharzer Städtebundtheaters komponiert der Nachwuchs die Musik von morgen. Nur: Wie sieht die aus?

Einmal im Jahr veranstaltet das Nordharzer Städtebundtheater in Halberstadt eine Orchesterwerkstatt für Nachwuchskomponisten. Das Unglaubliche: Die Teilnehmer sind zum Teil erst elf Jahre alt, kreieren aber schon ihr eigenes Stück für ein komplettes Orchester. Neue „Neue Musik“ sozusagen! Seit diesem Jahr ermittelt eine Jury erstmals unter ausgewählten Teilnehmern am Ende den Sieger, es winken Preisgelder bis 1000 Euro. Gewonnen haben der 21-Jährige Damian Scholl und Elischa Kaminer (18). Sensibel und melancholisch waren die Sieger-Kompositionen. Die Kritikerin der lokalen Zeitung „Volksstimme“ bemerkte, die im Wettbewerb vorgestellten Werke seien „zwar beachtlich, aber ohne Frohsinn und Gelassenheit“. Nur die Werke der beiden Jüngsten, elf und 13 Jahre alt, klangen froh und hoffnungsvoll! Ist das die Zukunft der „Neuen Musik“? Wir müssen es abwarten ...

Daniel Hopes neues Buch „Wann darf ich Klatschen?“ ist bei Rowohlt erschienen.

Der nächste Wettbewerb Junger Komponisten findet vom 4. bis 7. Mai 2010 in Halberstadt statt. Informationen unter www.harztheater.de

Foto: Jan-Pieter Fuhr

Neulich war ich zu einer Taufe eingeladen und einer der Gäste, der erstaunlich gut über meinen Terminkalender Bescheid wusste, stellte mir eine interessante Frage: Ob nämlich die Musik, die heute komponiert wird, eine ähnlich hohe Lebenserwartung hat wie das gerade getaufte Baby. Würde man sich in achtzig oder mehr Jahren, und damit kam er auf den aktuellen Fall, noch an das 2. Violinkonzert von Maxwell Davies erinnern, das ich im August in Leipzig uraufgeführt hatte? Natürlich konnte ich die Frage so wenig beantworten wie irgendjemand sonst. Für einen so renommierten Komponisten wie Davies stehen die Aktien wahrscheinlich gar nicht mal schlecht, aber über viele andere wird die Zeit wohl schnell hinweggehen. Oft kommen neue Stücke, wenn sie denn überhaupt in einem Konzertsaal auftauchen, nicht über eine einzige Aufführung hinaus, werden einmal gespielt und verschwinden dann für immer in der Versenkung – nicht etwa, weil sie nichts taugen, sondern weil das Publikum nicht auf Anhieb Zugang zu ihnen gefunden hat. Denn das ist das große Problem der zeitgenössischen Musik – dass sie nicht gut vermittelt wird. Moderne Stücke müssen erklärt werden, vom Komponisten oder vom Interpreten oder am besten von beiden. Nur dann haben sie eine Chance, verstanden zu werden und zu wirken. Sie nach der berüchtigten Sandwich-Methode einfach zwischen zwei KlassikHits zu packen und kommentarlos herunterzuspielen, reicht in den meisten Fällen nicht aus. Und eines darf man nicht vergessen: Vieles braucht Zeit, bis es akzeptiert wird. Man denke nur an Dmitri Schostakowitsch; lange wollte man nichts von ihm wissen, heute gehört seine Musik zum Standardrepertoire. Und wer hätte gedacht, dass die dritte Sinfonie von Henryk Gorecki jemals ein Bestseller werden könnte. Irgendwann tauchte eine Stelle in einem Werbespot auf, und mit einem Schlag war Gorecki populär.

Orchesterwerkstatt Halberstadt 2008: „Ich komponiere für großes Orchester“

www.DanielHope.com

Impressum Verlag:

Port Media GmbH Senefelderstraße 14, 80336 München Telefon: +49-89-741509-0, Fax: -11 info@crescendo.de, www.crescendo.de Port Media ist Mitglied im Verband Deutscher Zeitschriftenverleger und im AKS Arbeitskreis Kultursponsoring Herausgeber: Winfried Hanuschik (verantwortlich) hanuschik@crescendo.de Artdirector: Stefan Steitz (verantwortlich) Redaktion: Richard Eckstein Autoren: Pascal Morché, Teresa Pieschacón Raphael, Christoph Schlüren

Chef vom Dienst: Michaela Wurstbauer Textchef:

Robert Kittel plus regional:

Projektleitung: Liselotte Richter-Lux richter-lux@crescendo.de Mitarbeiter dieser Ausgabe: Benjamin-Gunnar Cohrs, Andreas Dietrich, Hannah Glaser, Christa Hasselhorst, Daniel Hope, Vesna Mlakar, Martin Morgenstern, Tom Pfeiffer, Michael Roßnagl, Georg Rudiger, Burkhard Schäfer, Antoinette Schmelter de Escobar, Stefan Schmerbeck (crescendo-Tipps), Paul Schmitt, Uwe Schneider, Holger Wemhoff, Sinn Yang.

Verlagsrepräsentanten: Tonträger: Petra Lettenmeier lettenmeier@crescendo.de Kulturbetriebe: L. Richter-Lux, richter-lux@crescendo.de Hifi & Marke: Heinz Mannsdorff, mannsdorff@crescendo.de Raimund Arntzen, arntzen@crescendo.de Auftragsmanagement: Petra Lettenmeier (verantwortlich) lettenmeier@crescendo.de Gültige Anzeigenpreisliste: Nr. 12 vom 01.09.2008 Druck: Westermann Druck Georg-Westermann-Allee 66 38104 Braunschweig

Das nächste crescendo mit dem Themenschwerpunkt „Stars“ erscheint am 13. Oktober 2009.

Erscheinungsweise: crescendo erscheint mit sieben Ausgaben pro Jahr und zusätzlichen crescendo-themenspecials. crescendo ist bei Opern- und Konzerthäusern, im Kartenvorkauf und im Hifiund Tonträgerhandel erhältlich. Copyright für alle Beiträge bei Port Media GmbH. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers, nicht unbedingt die der Redaktion wieder. Nachdruck und Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos wird keine Gewähr übernommen. Angabe der Beteiligungsverhältnisse: Gesellschafter der Port Media GmbH: 100 % Winfried Hanuschik, München

Abonnement: Abo-Service crescendo Postfach 13 63, 82034 Deisenhofen Telefon: +49-89-8585-3452, Fax: -362452 abo@crescendo.de Das crescendo premium-Abo umfasst sieben Ausgaben, davon ein Sonderheft „crescendo festspiel-guide“ und zusätzlich sechs exklusive heftbegleitende premium-CDs und kostet 34,- EUR pro Jahr inkl. MwSt. und Versand. Versand ins Europäische Ausland: zzgl. EUR 10,- Bank-/Portospesen Zahlung per Rechnung: zzgl. EUR 5,- Bearbeitungsgebühr. Kündigung: nach Ablauf des ersten Bezugsjahres, jederzeit fristlos. Verbreitete Auflage: 78.709 (laut IVW-Meldung II/09) ISSN: 1436-5529

geprüfte Auflage



FRAU SCHATTEN Die

ohne RichardStrauss INSZENIERUNG

VORSTELLUNGEN

2., 8., 11., 18. Okt. 5., 13. Dez.

KIRSTEN HARMS DIRIGENT ULF SCHIRMER

PREMIERE

27.SEPT.09

Barbara Schöneberger fotografiert von André Rival

2009 2010

ZUKUNFT GROSSE OPER

KARTEN

030-34384343

www.deutscheoperberlin.de

DE UTSCH E OPE R B E R LI N


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.