Mozart!

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Die Seiten der Deutschen Mozart-Gesellschaft

MOZART! SCHWERPUNKT GESCHWISTER

Das unsichtbare Band –

PRIVILEG MUSIKGESCHWISTER

Der Duopartner sitzt mit am Frühstückstisch –

GESCHWISTER IN DER MUSIKFORSCHUNG »Soundcheck« und mehr – Die Klavierschwestern

KATIA UND MARIELLE LABÈQUE

MOZART-ORT MUMBAI:

© Marco Borggreve

Wie Zarin und Zubin Mehta die Klassik in Indien etablieren Ansporn durch die Älteren – TABEA ZIMMERMANN und RICO GULDA e­ rzählen von ihrer Kindheit

UNSERE EMPFEHLUNGEN –

Bücher und CDs

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EDITORIAL

mit der vorliegenden Ausgabe möchten wir das Phänomen der musikalischen Geschwister beleuchten. Immer wieder lassen sich im Verlauf der Musikgeschichte Konstellationen verfolgen, bei denen aus einem Elternhaus gleich mehrere eigenständige musikalische Begabungen hervortreten. Eine sehr prominente Ausprägung in diesem Sinne stellt sicherlich die Bachfamilie mit den komponierenden und musizierenden Bach-Söhnen dar. Aber natürlich denken die Mozart­ ianer sofort auch an Wolfgang und Nannerl. Im Rahmen der Europa­ reise 1763 gastieren beide noch miteinander als Wunder­kinder an den europäischen Höfen und Nannerl tritt gleichberechtigt neben ihrem Bruder auf. Am Anfang der Reise wird das Nannerl sicher Mühe gehabt haben, sich aus dem Schatten des Bruders zu lösen. Vater Leopold stellt aber in Frankfurt erleichtert fest: »Die Nannerl leidet nun durch den Buben nichts mehr, indem sie so spielt, daß alles von ihr spricht, und ihre Fertigkeit bewundert.« Die »Bewunderung« verteilt sich in den frühen Jahren immer noch auf beide ­Kinder und stolz kann Leopold aus Paris berichten: »Meine Kinder machen hier fast alles zum Narren.« Trotzdem ist dem Nannerl als Frau in ihrer Zeit keine gleichberechtigte Entwicklung vergönnt, obwohl sogar nachgewiesen werden konnte, dass Leopold methodisch beide Geschwister gleich ausbildete. Schon in London wird 1764 / 1765 deutlich, dass sich die Linien und das Rollenverständnis ausein­ anderentwickeln. Wolfgang schreibt seine ersten Symphonien, während Nannerl Kopistendienste für ihren kleineren Bruder verrichten muss. Rückblickend können wir feststellen, dass die Geschichte

der musizierenden Geschwister auch ein Stück weit eine Geschichte der Emanzipation aus festgefügten Rollenschemata ist. Nannerl kann in jener Zeit im Gegensatz zu ihrem Bruder noch nicht an eine eigene Kar­ riere denken. Aber schon ein halbes Jahrhundert später wendet sich das Blatt. Mit Fanny Mendelssohn und Clara Wieck treten verstärkt auch Künstlerinnen auf die Podien und konzertieren, ohne in Verruf zu kommen. Geschwister bekommen allmählich bei gleicher Begabung auch gleiche Entwicklungschancen. Heute bewundern wir im Konzertbetrieb Geschwisterpaare wie die Labèques oder die Widmanns und nehmen ihre Auftritte als Selbstverständlichkeit hin. Zugleich aber umweht die musizierenden Geschwister wie zu Mozarts Zeiten immer noch eine besondere Aura, die auf den Zu­ hörer einen eigenen Reiz ausübt. Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre! Ihr

THOMAS WEITZEL, Präsident der Deutschen Mozart-Gesellschaft

Abdruck des Manuskripts mit freundlicher Genehmigung G. Henle Verlag | KV-331, 1. und 2. Satz

DOKUMENT

Fundstück Wer hätte geglaubt, dass man tatsächlich noch Original­-Hand­schriften von Mozart finden kann? Und dann noch von einem seiner berühmtesten Werke? Balász Mikusi, dem Leiter der Musiksammlung der ­Ungarischen Nationalbibliothek, ist das gelungen: Im September vergangenen Jahres informierte er die staunende Welt­öffentlichkeit, dass er wesentliche Teile des 1. und 2. Satzes von ­Mozarts Klaviersonate

KV 331 (mit dem »Rondo alla turca«) in ­seinen Beständen gefunden hatte. Bislang war nur ein Blatt mit Teilen aus dem Rondo erhalten. Auf Grundlage dieser Quelle hat nun der Henle-Verlag eine revidierte Ausgabe der Sonate erstellt: Und tatsächlich klingt die eine oder andere Stelle hier anders als gewohnt. Es lohnt also, sich wieder mal ans Klavier zu setzen …  ❙

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© Stadt Augsburg

Liebe Mitglieder der DMG, liebe Crescendo-Leser,


GESCHWISTER

© Felix Broede

Gemeinsames Aufwachsen sorgt für gleiche Wellenlänge: Lea (Geige) und Esther Birringer (Klavier) treten, wie viele musikalische Geschwister, mit Vorliebe zusammen auf.

Das ­unsichtbare Band Privileg Musikgeschwister

Von Dr. Stefanie Bilmayer-Frank

Speculum humanae salvationis, Hs2505, Seite 42v Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt

Die Bachs, die Mozarts, die Mendelssohns – die Musik­geschichte ist voll davon: Musikgeschwister. Zugegeben, Wolfgang und Nannerl sind wohl das berühmteste Beispiel. Auch auf die Bach- und Haydn-Brüder würde man wohl auf Anhieb noch kommen und natürlich auf F ­ elix ­Mendelssohn-Bartholdy und seine Schwester Fanny. Die Mozart-­Zeitgenossen Anton und Karl Stamitz sind dagegen schon weniger g­ eläufig. Dass auch Mozarts Klarinetten-Faktotum ­Anton Stadler einen Bruder hatte, ist jedoch weitgehend unbekannt. Sein Name war Johann ­Nepomuk Stadler und als Klarinettist war er bei den ­Zeitgenossen nicht minder bekannt als sein Bruder Anton. Ein Brüderpaar als Erfinder der Musik Wer in der Musikgeschichte weit genug zurückreist, der stößt auf ein Brüderpaar, das sogar für die Erfindung der Musik verantwortlich sein soll. Im Speculum humanae salva­ tioni, einer christlichen Er­bau­ ungs-­ Schrift aus dem ­ späten Mittel­ alter, heißt es: »Jubal und Tubal­ kain waren die Söh­ ne des Lamech und die Erfin­ Erfinder der Musik: der der Schmiedekunst und der Jubal & Tubalkain Musik. Als nämlich Tubalkain mit ­Hilfe von Hämmern Töne hervorbrachte, da erfand Jubal aus dem Klang der Hämmer Melodien«. Wer sich hier allzu deutlich an die Erzählung von Pythagoras in der Schmiede erinnert fühlt, dem sei recht gegeben: Tatsächlich überlagern sich hier zwei unterschied­ liche Überlieferungs­traditionen: Einerseits die antike Legende von ­Pythagoras von Samos, andererseits die biblische Überlieferung. Auch dort findet das Bruderpaar Erwähnung: Im Buch Genesis wird Jubal als Stammvater aller Zither- und Flötenspieler beschrieben, sein Halbbruder Tubal-Kain als Urvater aller Schmiede. Aktuelle Forschung Weniger in den Untiefen antiker und biblischer Erzählungen als vielmehr anhand einer aktuell laufenden Studie beschäftigt sich die Musik­psychologin und -pädagogin Dr. Franziska Olbertz mit der Thematik von Geschwistern in der Musik. Ihr an der Universität Osnabrück angesiedeltes Forschungsprojekt ist deutschlandweit das

Einzige, das sich auf wissenschaftlicher Ebene mit der Thematik auseinandersetzt. In dieser Ausgabe von Mozart! stellen wir es unter dem Titel »Brüderchen, komm spiel mit mir!?« auf den Seiten 6 – 7 ausführlich vor. Fleiß statt Gene Eine ganz andere Frage, die wiederum Dr. Bettina Harder zufolge nach wie vor kontrovers diskutiert wird, ist nach wie vor die nach Genmaterial oder Sozialisation. Die Psychologin forscht an der Universität Erlangen-Nürnberg auf dem Gebiet der Hochbegabung. »Gegen die Genetik wird häufig argumentiert, dass die Experten, die auf internationalem Niveau Leistungen bringen, zuvor sehr lange Lernkarrieren hinter sich haben.« Als sogenannte 10 000-Regel ist dieses Phänomen in der Forschung bekannt und wurde nicht nur in der Musik sondern fachgebietsunabhängig festgestellt. Sind Wunder­kinder also gar nicht genetisch auf Erfolg programmiert, sondern einfach nur fleißig? Genie: angeboren oder anerzogen? Ein Verfechter dieser These ist der ungarische Pädagoge ­László Polgár (*1946). Wolfgang Amadé Mozart und seine Schwester ­Nannerl hatten ihm zufolge ihre musikalischen Wunderkind-­Erfolge weniger den Genen als vielmehr der außerordentlichen musikalischen Förderung durch ihren Vater Leopold zu verdanken. Um seine These zu untermauern, startete Polgár in den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts ein spektakuläres Experiment. Sein Ziel war es, den Beweis zu erbringen, dass Genies nicht als solche geboren werden, sondern, dass sie dazu gemacht werden. Als ­Disziplin wählte er nicht die Musik, sondern Schach, wohl nicht zuletzt deshalb, weil sich Erfolge hier objektiver messen lassen. Über eine Zeitungs­annonce suchte er zunächst eine ­Partnerin. Zusammen mit Klára Alberger hatte László Polgár

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GESCHWISTER

Wir sind alle potentielle Mozarts Ließe sich Polgárs Experiment auf die Musik übertragen? Ist das Beispiel Mozart vielleicht sogar der historische Präzedenzfall? Verweist Polgár doch explizit auf die Familie Mozart als Muster für sein Experiment. Die Qualitäten Leopold Mozarts als Musikpädagoge sind unbestritten. Sein 1756 veröffentlichter Versuch einer gründlichen Violinschule gilt als musikpädagogisches Referenz­ werk. Zudem sicherte er seinen Kindern Wolfgang Amadé und Maria Anna nicht nur die denkbar beste musikalische Ausbildung, sondern sorgte sich zudem um die professionelle Vermarktung ihres musikalischen Talents. Als Tourmanager kümmerte er sich um Reiserouten, Postkutschen und Übernachtungsmöglichkeiten und verschaffte den Geschwistern Konzert- und Auftrittsmöglichkeiten. Das Kuriosum »musizieren­ de Geschwister« tat das Übrige, der Erfolg der ­ Wunderkinder gab ­Leopold recht: In den 60er-Jahren des 18. Jahrhunderts sind die Klatschspalten voll mit Nachrichten über die beiden Wunderkinder.

Innige Ge­schwister­bande, wie hier bei Wolfgang Amadé und »Nannerl« Mozart haben etwas unschuldiges.

Johann Sebastian Bach und die vier seiner Söhne, die ihn selbst als Komponisten zeitweise an Ruhm übertrafen: Carl Philipp Emanuel, Johann Christian, Wilhelm Friedemann, Johann Christoph der Jüngere

Die musikalische Muttersprache ist dieselbe Konzertierende Geschwister sind damals wie heute ein Faszinosum. Katia und Mareille Labèque, Renaud und Gautier Capuçon, Ferhan und Ferzan Önder, Baiba und Lauma Skride, die Liste ließe sich mühe­los weiterführen. In der Musik sind die eigenen Geschwister als Sparrings-Partner ideal: Sie sind Ansporn und Konkurrenz zugleich und ihre Kritik ist unverhohlen und ehrlich. »Meine Schwester ist meine schärfste Kritikerin«, sagt die Pianistin Esther Birringer über ihre Schwester Lea. Beide verfolgen ihre individuellen Karrieren als Geigerin und Pianistin, stehen aber auch gerne zusammen auf der Bühne. Das Zusammenspiel mit der eigenen Schwestern ist Ester Birringer zufolge anders als mit fremden Kammermusikpartnern, vor allem aber einfacher: »Wir sparen uns immer die Kennenlern-Phase und können gleich eine Stufe höher ansetzen. In anderen Besetzungen muss man immer erst die Menschen kennenlernen und ihren musikalischen Stil.« Den musikalischen Stil des Gegenübers kennen zu lernen, das heißt seine musikalische Muttersprache zu lernen. Für Geschwister ist diese oftmals die Gleiche. Den eigenen Bruder oder die eigene Schwester zum Kammermusikpartner zu haben ist deshalb vor allem eins: ein Privileg.  ❙

Schon damals ließen sie sich daher noch viel besser ver­markten als etwa ein geglücktes Vater-Sohn-­Verhältnis.

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Wolfgang Amadé und Nannerl Mozart © Internationale Stiftung Mozarteum

s­chließlich drei Töchter: Zsuzusa, Zsófia und Judit. Mit einem ausgeklügelten Stundenplan und vielen Stunden Training sollten die Mädchen zu Schach-Genies erzogen werden. Tatsächlich zählen alle drei zu den international erfolgreichsten Schachspielerinnen aller Zeiten. Dennoch sieht Dr. Bettina Harder das Experiment kritisch. Der genetische Faktor sei bei Polgárs Experiment dennoch nicht ausgeschlossen, da es sich bei den drei Mädchen um seine eigenen Kinder handelte.


Empfehlungen

CDs

CDs ­Phrasierung, Dynamik und Agogik, mit extremen Tempi, aber immer glasklar und präzise bis ins kleinste Detail. Bei Currentzis ist der Mozart der »Così fan tutte« aufmüpfig, »abgedreht«, wild, ja rebellisch, aber auch unendlich zärtlich und innig. Fabelhaft wie das Ausnahmeensemble MusicAeterna spielt. Auch das Wolfgang Amadeus Mozart: junge Sängerensemble überCosì fan tutte. Simone ­Kermes, zeugt ausnahmslos mit leichMalena Ernman, Christopher ten, beweglichen Stimmen. Last Naltman, Kenneth Tarver, Anna but not least: ­Currentzis PrimaKasyan, Konstantin Wolff. Music­ donna, La Stupenda nuova Aeterna, Teodor Currentzis (Lei­ ­Simone ­Kermes, längst nicht tung). SONY 88843095832 mehr nur »Crazy Queen of Baroque« besticht mit ihrer Fior­ Von der wahren Mozart-­ diligi einmal mehr als beseelte Schokolade spricht Theodor Stimmakrobatin von höheren Currentzis im Begleitbuch seiGnaden. Die Aufnahme aus ner »Così fan tutte«-Gesamt­ der östlichsten Millionenstadt einspielung. Man stutzt, wo er Europas kurz vor dem Ural, wo doch Mozart alles andere als für ­Currentzis die utopischste schokoladig musizieren läßt. ­Musikertruppe Europas in­ Dann fügt er hinzu, er meine stalliert wurde, dreht allen Aneine Art halluzinogener Schobetern altehrwürdiger Mozart­ kolade. Eh bien! Dennoch tradi­tion eine Nase. Mag sein, klingt sein Mozart eher nach ­Currentzis geht zu weit. Unter »Sex on the Beach«, »Bloody die Haut geht sein Mozart alleMary« oder »Captain’s Cockmal. tail«. Champagner wäre noch Dieter David Scholz viel zu harmlos als Metapher für seinen radikal unkonventionellen, leidenschaftlichen Zugang zu Mozart. Dieser Mozart ist alles andere als »schön«. Aber ist das Stück, das mit den Moralvorstellungen seiner Zeit abrechnet, schön? Eine bitterböse, gnadenlose Verkleidungs- und PartnertauschKomö­ die voller schwarzem Humor, die nichts weniger als Mozart: Piano Concertos Nos. »eine Revolution in der Liebe« 20 and 21 (arr. Ignaz Lachner). propagiert. Currentzis dirigiert Alon Goldstein (Piano) und das das Stück denn auch hochmaFine Arts Quartet mit Rachel nieriert, mit Lust an Über­ Calin (Kontrabass). Naxos 2015 treibung, Gefühlsüberschwang, (8.573398) voller Überraschungen in

Bearbeitungen von Sinfonien, Solokonzerten und Favorit­ num­mern aus Opern für kammermusikalische Besetzungen erfreuten sich großer Beliebtheit beim privat musizierenden Bürgertum zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Für den alltäglichen Gebrauch entstanden, sind die subtilen Bearbeitungen Ignaz Lachners von Mozarts Klavierkonzerten heute nahezu vergessen; das Fine Arts Quartet, ergänzt um die Kontrabassistin Rachel Calin, stellt zusammen mit dem Pianisten Alon Goldstein erstmals eine Einspielung vor. Die Bearbeitungen wirken wie ein kammermusikalisches Auskundschaften der Partituren Mozarts. Die Aufnahmen bestechen dabei durch die feinsinnige klangliche Gestaltung der ›kommunikativen‹ Verzahnung von Orchester bzw. Quintett und Soloklavier, die den Klavierkonzerten Mozarts einen besonderen Reiz gibt. Bei aller kammermusikalischen Intimität gelingt es den Musikern jedoch nicht immer, sich von der Klangvorstellung des »Originals« zu lösen, was gerade den entwickelnden musikalischen Teilen der Kopfsätze einen bisweilen gezwungenen und um das Sinfonische bemühten Charakter verleiht. Michaela Kaufmann

Mozart: Die Entführung aus dem Serail. Diana Damrau, Anna Prohaska, Rolando Villazón, Paul Schweinester, Franz-­ Josef Selig, Thomas Quasthoff, ­Chamber Orchestra of Europe, ­Annick Nézet-Séguin. Deutsche Grammophon, 0289 479 4064 7 2 Freunde kulinarischer Opern­ aufnahmen werden froh­ locken, denn die Sänger auf dieser Aufnahme gehören zu den großen Stars derzeit: Diana Damrau bietet eine ­ nahezu perfekte Konstanze auf, Anna Prohaska singt das Blondchen einmal wohl­ tuend klar und unzickig. Wunderschön und etwas zahnlos wirkt der ­Osmin von Franz-­Josef ­Selig; die Grausamkeiten glaubt man ihm hier nicht. Rolando Villazóns Stimme ist für Belmonte sicherlich ungewöhnlich, fasziniert aber; während der leichte Pedrillo des jungen ­Tenors Paul Schweinester etwas blass bleibt. Trotz dieser b ­eeindruckenden Sängerriege ist der w ­irkliche Star der Aufnahme indes das leichtfüßige Chamber ­Orchestra of Europe, von Yannick Nézet-­ Séguin strukturbetont und mit gut durchdachten, betonten Tempowechseln dirigiert. Er lässt die instrumentale Stimmbehandlung vielerorts deutlich heraustreten und die Bläser funkeln wundervoll bei »Es lebe die Liebe«. Dass keine Dialoge mit aufgenommen wurden, mag für Freunde der Kulinarik schön sein, ist für den Opern-Hörer aber unbefriedigend. Jutta Toelle Unsere Buchempfehlungen finden Sie auf Seite 16

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MUSIKPSYCHOLOGIE

Brüderchen, komm spiel mit mir!? Geschwisterforschung ist eine neue Disziplin in der ­Musikwissenschaft. An der Universität Osnabrück gibt es eine Spezialistin dafür. Sie ist mehr durch Zufall darauf gestoßen. von Dr. Sven Scherz-Schade Immer an Heilig Abend sollten sie miteinander musizieren. Für die stolzen Eltern gab es in genau diesem Moment wohl nichts Schöneres, wenn ihre Kinder – zwei Brüder, vier Jahre Altersabstand, der größere Cello und der jüngere Geige – an Weihnachten gemeinsam zum Instrument griffen. Wenigstens an Weihnachten sollte es klappen. Denn ansonsten war das familiäre »Duette spielen« bei den beiden, als sie so zwölf und acht Jahre alt waren, stets mit Spannungen verbunden. »Der Pipikram ist mir viel zu einfach«, blökte der Ältere, prompt gefolgt von einem »Männo, ich bin halt noch nicht so gut« des Jüngeren. Darauf folgte in der Regel das vermeintlich gute Zureden der Eltern. Der Ältere wurde gemahnt, dass auch die einfachen Weihnachtslieder sauber und korrekt gespielt sein wollen. Dem Jüngeren machte man Mut, sich eben ein bisschen anzustrengen. Das ging mal gut, mal schlecht, mal endete es in Streit und Tränen.

Ein ganz neues Thema in der Forschung Die Musikpsychologin Franziska Olbertz von der Universität Osnabrück kennt solche und ähnliche Geschichten zu Genüge. Seit mehreren Jahren ist sie dran am »Geschwisterthema«, wie sie sagt. Schon bei den Untersuchungen zu ihrer Dissertation, die sich der musikalischen Hochbegabung widmete, war sie immer wieder darauf ge­ stoßen. Schwestern oder Brüder spielen für den musikalischen Werdegang eines Menschen eine wichtige Rolle. Sei es, dass Geschwister einander Vorbild sein wollen, sei es, dass sie in Konkurrenz stehen und sich voneinander abgrenzen. Mitunter sind Geschwister dafür ausschlaggebend, dass jemand Musik zu seinem Beruf macht. Umgekehrt sind sie manchmal auch Schuld daran, dass jemand überhaupt nicht mehr musiziert. Wobei: ganz so vereinfacht lassen sich die Biografien in aller Regel nicht erfassen. Die Zusammen­hänge sind komplex. Und genau darum geht es. »In der Allgemeinen ­Psychologie ist das Geschwisterthema sehr verbreitet und es gab auch einen wissenschaftlichen Boom«, sagt Franziska Olbertz. »In der Musikpsychologie allerdings wurde dazu lange nicht geforscht.« Mit dem Geschwister-Forschungsprojekt am Institut für Musikwissenschaft und Musikpädagogik an der Universität Osnabrück will sie diese Lücke füllen. Die Idee hierzu entstand 2009 an der HfMDK (Hochschule für Musik und Darstellende Kunst) Frankfurt am Main in einem anderen Forschungsprojekt, das sich »musikalischen Selbst­konzepten« widmete: Im Vordergrund stand hier die psychologische Frage, wie sich Menschen auf musikalischem Gebiet verorten, zu welchem Musik­geschmack sie neigen und welche musikalische Interessen und Fähigkeiten sie haben. Im Team mit anderen Wissenschaftlern führte Franziska Olbertz damals zahlreiche Interviews mit Probanden, wobei auch die Genese jener Selbstkonzepte hinterfragt wurde, etwa frei nach dem Strickmuster: Was glauben Sie, weshalb Sie diese und nicht

andere Musik mögen? »Ohne dass wir konkret danach gefragt hatten, kamen dabei über 40 Prozent auf ihre Geschwister zu sprechen«, sagt Franziska Olbertz. »Das hat mich neugierig gemacht.« Oft untersucht die Musikpsychologie zwar familiäre Einflüsse auf musikalische Biographien, jedoch konzentriert sich die Fragestellung dabei meist auf die Eltern-Kind-Beziehungen oder die Dreiecks-Beziehung zwischen Eltern, Musiklehrer und Kind. Geschwister allerdings werden in der Forschungsliteratur höchstens mal benannt oder zufällig entdeckt. Geschwister als Bezugsgröße: Vormachen, nachahmen, abgrenzen Franziska Olbertz war diejenige aus der Forschungsgruppe, die das Geschwisterthema systematisch weiterverfolgte, als sie vor vier Jahren in Osnabrück das Projekt startete. In einer ersten Befragung klopfte sie offen formuliert den Einfluss bestimmter Geschwistererfahrungen bei Musikstudierenden ab, also bei jungen Erwachsenen, die sich beruflich – ob auf Lehramt, Instrumentalpädagogik oder Orchesterfach oder Solist – für die Musik entschieden haben. Die Probanden wurden gebeten, sich an Kindheit und Teenagerzeit zu erinnern. Aus den Antworten konnte Franziska Olbertz vier Kategorien, so genannte »Beziehungskontexte«, ableiten: Entweder erinnern sich Probanden erstens an ein gleichrangiges Miteinander, wie sie sich die Geschwister wechselseitig beim Musizieren, Singen oder Üben motiviert haben. Probanden können sich zweitens in einem Blickwinkel erinnern, wie sie sich an ihrem Geschwister orientiert haben oder drittens, wie sie selbst für ihr Geschwister als Orientierungsgröße dienten. Oder aber viertens: Die Erinnerung ist von der Unterscheidung oder Abgrenzung vom Geschwister geprägt. »Natürlich gibt es innerhalb dieser Kate­gorien Überschneidungen«, sagt Franziska Olbertz und spricht aus eigener Erfahrung: »Ich war immer gleichzeitig Vorbild und Nachahmer.« Olbertz hat eine ältere und eine jüngere Schwester, hat selbst

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Geige gelernt und ist später zur Bratsche gewechselt. Insofern ist ihr auch der »Abgrenzungsmodus« vertraut. Die von ihr entwickelten »Beziehungskontexte« sind keine starren Rollen; es sind wissenschaftliche Hilfsgrößen, mit denen sich die psychologischen Zusammen­ hänge analytisch beschreiben lassen. In einer weiteren Studie befragte sie 102 Personen – wiederum Musikstudierende, diesmal nicht mehr offen, sondern standardisiert, um quantitative Aussagen treffen zu können. Ein relativ banales Ergebnis lautet, dass sich ältere Geschwister häufiger in der Vorbildrolle wiederfinden. Ein spannenderes ­Ergebnis heißt: Das Bedürfnis nach Abgrenzung ist größer, wenn der Alters­abstand kleiner ist. Wird einer zum gefeierten »Star«, springt der andere ab Aus ihren Befragungen kennt sie geradezu ganz klassische Abgrenzungen. Ein Geschwister vertieft die musikalische Laufbahn, übt mehr, hat zunehmend Erfolg und feiert Auftritte, während das ­andere Geschwister irgendwann entscheidet, nicht mehr auf dem gleichen Feld kämpfen zu wollen und sich einem anderen Gebiet widmet, sei es Fußball, bessere Schulnoten, Malen oder Zeichnen, was auch immer – nur nicht Musik, wo es sich mit seinem erfolg­ reichen Geschwister direkt messen lassen muss. Ungeheuerlich viele Faktoren wirken auf die musikalischen Entwicklungsprozesse eines Menschen ein und es gibt sicherlich viele Geschwister, die mit geringem Altersabstand sehr wohl in Eintracht miteinander musikalisch groß geworden sind. Olbertz’ Ergebnis stellt all die Eintracht keinesfalls in Zweifel. Das Ergebnis besagt nicht, dass bei einem kleinen Altersabstand auch ein großes Abgrenzungs­bedürfnis vorhanden sei. Das nicht. Aber wenn eine Abgrenzungsbemühung vorhanden ist, dann ist sie umso größer, je geringer der Altersabstand ist.

alle Fotos © Peter Michielsen

Geschwisterliches ­Musizieren in der Praxis: Emilia und Florens Matthes haben bei der Vorbereitung eines gemeinsamen Auftritts oft altersgemäß heftige Auseinandersetzungen, ­deren Auslöser aber nichts unmittelbar mit der Musik zu tun haben. Wenn allerdings das Konzert bevorsteht, verstehen sie sich »blind«, können unglaublich harmonisch miteinander musizieren, ihre unterschiedlichen Charaktere ­verschmelzen zu einem lebendigen ­musikalischen Ereignis. Auch zu dritt, mit der jüngsten ­Schwester ­Cleophea (siehe kleines Bild), gelingt das Musizieren wie selbst­verständlich. Alle drei sind sie erfolgreiche Jugend-Musiziert-­ Teilnehmer.

Abgucken und mitmachen Zwar klingt auch dieses Ergebnis nicht so richtig spektakulär und vermutlich haben bereits – mehr oder weniger intuitiv – Generationen von Eltern diese Beobachtung an ihren musizierenden Töchtern und Söhnen gemacht. Doch erstmalig liegen mit den gewonnenen Daten nun empirische Erkenntnisse vor, die zu musik­pädagogischen Empfehlungen reichen könnten, wobei Olbertz betont, dass das nicht ihre Aufgabe und Absicht sei. Allein die aktuellen Ergebnisse legten das nahe. »Ein pädagogischer Rat könnte sein, Kinder mit geringerem Altersabstand verschiedene Instrumente lernen zu ­lassen«, sagt sie. Eventuell sollte man ihnen sogar Wege in verschiedene Genres wie Klassik, Jazz oder Pop einräumen, damit sie die musikalische Mög­lichkeit haben, ihre Identität zum Geschwister abgrenzen und ent­wickeln zu können. Doch ob solche pädagogischen Ratschläge sinnvoll sind, hängt wiederum vom grundsätzlichen Bedürfnis des Kindes ab und vom Erziehungsstil der Eltern. Das gemeinsame Musizieren an Weihnachten wird übrigens oft bei Befragungen genannt. Woran das nun liegen mag? Vielleicht schlicht an der quantitativen Tatsache, dass an Weihachten eben viel musiziert wird. Oder aber es sind die harmonischen Ansprüche ans Fest der Familie sehr hoch, so dass Abweichungen davon einem besonders präsent in Erinnerung bleiben? Ob Geschwister zusammen Hausmusik machen oder nicht, wird in allererster Linie vom Vorleben und Vormachen der Eltern abhängen, ob sie selbst fröhlich gesungen oder zum Instrument gegriffen haben. Musikalische ­Sozialisation funktioniert bei den Kindern durch Abgucken und Mitmachen. Wieso, weshalb, warum die einen Geschwister dabei zum abschreckenden Vorbild, andere aber zum geselligen, motivierenden Spielpartner werden, muss noch erforscht werden.  ❙

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INSZENIERUNG

Zauberflöte ohne Flöte und ­Zauber, aber zauberhaft! Preisgekrönte Adaption von Mozarts »Zauberflöte« des Ensembles »Dei Furbi« aus Barcelona zu Gast in der Neuköllner Oper Berlin von Dieter David Scholz Als ein »Fenster zu Europa« zeigt die mutige und immer wieder mit erfreulichen Entdeckungen und ­Ausgrabungen überraschende Neuköllner Oper eine durch Spanien tourende, im deutschsprachigen Raum aber nie gesehene Off-Produktion der »Zauberflöte« des katalanischen Ensembles »Dei Furbi«, das von der Choreographin und vielseitigen Theaterfrau Emma Beltran 2002 gegründet wurde. Ihre Inszenierung wurde mit dem »Premio Max 2014« als beste spanische Musiktheater-Inszenierung ausgezeichnet, zu Recht. Bis heute ist Mozarts »Weltabschiedswerk«, »Die Zauberflöte«, zwar die meist aufgeführte, aber auch am meisten missverstandene, ja verharmloste Oper. Die Ungereimtheiten des Librettos sind unübersehbar. Interpretatorische Irrgänge sind vorprogrammiert. Was Wunder, dass die Meinungen über das sich scheinbar nicht recht ins übrige gesellschaftskritische Œuvre Mozarts einfügende Werk seit je auseinander gingen. Der Mozartforscher Alfons Rosenberg deutete die Zauberflöte als ein »Mysterienspiel vom Kampf der Urmächte und von der Erlösung des Menschen«. Der Musikwissenschaftler Alfred Einstein verklärte es zu einem »Vermächtnis an die Menschheit«. Goethe immerhin, der Kluge, wusste: Es »gehöre mehr Bildung dazu, den Wert des Librettos zu erkennen, als ihn abzulehnen«. Die Zauberflöte: Eine Opera duplex Helmut Perl hat vor einigen Jahren in seinem wegweisenden Buch über den »Fall Zauberflöte« einleuchtend klargemacht, daß dieses Werk nichts weniger als eine radikale Kampfansage an Adel und ­Klerus ist, verschlüsselt in freimaurerischen Symbolen und Chiffren. Er machte deutlich, daß die meisten herkömmlichen Inter­pretationen des Werks zu kurz greifen und dechiffrierte das Stück vor dem Hintergrund der Französischen Revolution als gesellschafts­politische Allegorie, als aufklärerische Parabel. Jan Assmann sah sich daraufhin in seinem Zauberflötenbuch zurecht veranlasst, das Werk eine »Opera duplex« zu nennen: »außen Volkstheater, Maschinenoper, Zaubermärchen vom Schikanederschen Typ, innen Mysterium im Sinne der Freimaurerlehren.« Das darf einfach keiner ignorieren, der heute die Zauberflöte inszeniert. Die meisten Inszenatoren tun es trotzdem. Wie viele albern-läppische, hochtrabend-mysterien­ spielhafte oder pseudoägyptisch-nichtsagende Inszenierungen des Werks hat man schon gesehen, voller unaufgelöster Widersprüche und ohne tiefere Bedeutung bzw. Aussage. Und beinahe in jede

»Zauberflöten«-Premiere geht man mit ängstlichem Unbehagen: Was wird da wieder auf mich zukommen! Das katalonische Ensemble Dei Furbi ignoriert zwar auch ­Helmut Perls und Jan Assmanns Erkenntnisse, aber es gelingt dem ­Ensemble, jenseits von Kasperliade oder Maschinenkömödie, Ausstattungsstück oder hochtrabender Menschheitsallegorie den Kern des ­Schikanederschen Volkstheaters zu treffen, jenes »Reinmenschliche«, von dem Richard Wagner in seiner am antiken griechischen Drama orientierten Dramentheorie immer wieder sprach. Sechs junge Männer und Frauen stehen in weißen Overalls auf leerer, schwarzer Bühne, auf der nur ein Spind steht, der aus­ klappbar mal als Fenster, mal als Auftrittstor dient. Den sechs Sing-­ Schauspielern gelingt es, sich nach und nach aus ihren Overalls schälend, in die sechs wichtigsten Rollen der Oper zu schlüpfen und sie glaubwürdig zu verkörpern, im Sinne eines »zarzuela­haften« Volkstheaters, das viel zu tun hat mit südländischem Karneval, mit Commedia dell’Arte, mit Groteskspiel, Ballett, fast Akrobatik und Maskenspiel. Nicht einmal ein Orchester benötigt die hochvirtuose Truppe Dei Furbi, sie singt nach Art der Comedian Harmonists die Vokal- und Instrumentalmusik Mozarts a cappella, und frei nach Mozart, versteht sich, in katalanischem Dialekt, arrangiert von Pacao Viciana und David Costa (Musik). Kein Instrument ertönt, nicht einmal das Glockenspiel Papagenos oder die Flöte ­Taminos. Nur Tiergeräusche werden einmal eingesetzt. Im wahrsten Sinn des Wortes ein »Singspiel«, anrührend, humorvoll, derb und sensibel zugleich, in phantasievollen Kostümen von Ramon Ivars und Gemma Beltran. David Bofarull gibt den farbprächtigen Kostümen das nötige magische Licht. Ein transparenter weißer ­Schleier dient mal als Brechtgardine, mal als romantisch-phantastisches Verschleierungsutensil der Handelnden. Es ist so schlichtes wie phantasie­volles Verwandlungs- und Körpertheater, das Gemma Beltran mit ihrem Ensemble entfaltet.

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alle Fotos © Mascares Bis

Mozartglück einmal anders Wo bleibt die Musik Mozarts, mag man sich fragen? Sie kommt nur auf einer höheren, je nach Standpunkt tieferen, jedenfalls rudimentären Ebene vor. Am ehesten noch Tamino singt große Teile seiner Partie. Ein r­espektabler Tenor gibt ihn als Mischung aus Torero und Ballett­tänzer. Auch Papageno darf seine Rolle nahezu authentisch, wenn auch stark gekürzt spielen und singen. Aber es geht Dei Furbi nicht um traditionelles Musiktheater, es sind »Variaciones« über »Die Zauber­flöte«, in denen Musik wie Dramaturgie von Mozarts und Schikaneders »großer Oper« ironisch thematisiert werden. Die Schlüsselszene der Produktion ist der Auftritt dreier grotesk kostümierter Zwerge, Karikaturen der drei Knaben, die sich über die Ideale der Aufklärung lustig machen: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. In der Tradition der Wiener, speziell der Schikanederschen Maschinenkomödie, und Zauberoper stehend, nannte schon Hegel das Stück ein »Machwerk«. Die Diskussionen darüber sind bis heute nicht verstummt. Die Zauberflötenvariationen des Ensembles Dei F ­ urbi wollen aber nicht mehr sein als ein volkstümlicher, aufmüpfiger, skeptischer Kommentar zur eigentlichen »Zauberflöte« aus der Perspektive des einfachen ­ Volkes, des Volks­ theaters, aus der Perspektive »von unten«, nicht ganz ernst gemeint, aber gerade deshalb so ehrlich und anrührend. Sie kommen so kurzweilig daher wie ein flüchtiger Traum. Nach einer Stunde ist er vorüber. Mozart­glück einmal anders. Eine echte Alternative zu unserem Musik­ theater. Die wohl außergewöhnlichste »Zauberflöten«-­ Produktion, die man derzeit erleben kann.  ❙ Die Seiten der Deutschen Mozart-Gesellschaft 9


Gemeinschaftsprojekt: Yaman Okur (Choreograph), David Chalmin (Komposition) und Katia & Marielle Labèque (Klavier) mit der Romeo und Julia-Hommage »Star-Cross’d Lovers«

MUSIKVERMITTLUNG

Augenmerk aufs junge Publikum!

© Nathalie Joffre & Vincent Perrault

Die Schwestern Katia und Marielle Labèque – und ihre Stiftung zur Musikförderung

von Theodora Mavropoulos

Wenn Pianistin Katia Labèque erzählt, ist es wie ein Strudel an Worten, der einem entgegen schießt – und so spielt die 1950 ­geborene ­Pianistin mit den dunklen wirren Locken auch Klavier: Ungestüm, risikofreudig, emotional. Ganz anders ist da ihre zwei Jahre jüngere Schwester Marielle. Zwar ähneln sich die beiden äußerlich fast zwillingshaft. Doch Marielle scheint schon auf den zahlreichen Fotos der beiden, die auf Broschüren, CD-Covers und Internetseiten zu sehen sind, die Zurückhaltendere zu sein. Das ist sie auch beim Klavierspielen: diszipliniert, weich, beständig. Gemeinsam ergibt dieses ungleiche Geschwisterpaar eines der besten Pianoduos der Neuzeit. Den richtigen Klavierpartner zu finden, ist schwer »Wenn wir uns an unseren Instrumenten gegenüber sitzen und spielen, spüre ich, ob meine Schwester müde, traurig oder aufgeregt ist«, sagt Katia Labèque. Nach all den Jahren des Zusammenspiels höre man das heraus, erklärt sie. Schon zu Kinderzeiten habe die Mutter versucht, die Schwestern am Klavier zusammenzubringen. »Wir mochten das damals gar nicht«, erinnert sich Katia. Erst nach dem Abschluss am Pariser Konservatorium als Solopianistinnen fanden die Geschwister Labèque am Piano zusammen. Beide schlossen mit Auszeichnung ab. »Wir konnten uns also erst einmal jede selbst beweisen«, so Katia. Und plötzlich war der Wille da, gemeinsam zu spielen. »An so eine Karriere hätte aber keine von uns gedacht«, sagt Katia und scheint auch heute noch erstaunt darüber zu sein. »Es ist fast wie ein Wunder, dass wir nach all den Jahren immer noch diese gegenseitige Energie erzeugen.« Sie hält kurz inne. Es sei ja auch ein Wunder, den wirklich richtigen Lebenspartner, die Liebe des ­Lebens zu finden. So ähnlich sei das auch mit einem Klavier­partner. Du kannst nicht erklären, warum es passt – du spürst es einfach, dass es richtig ist. Man könne musikalisch daran arbeiten, üben, aus­ probieren. »Wenn du aber auf die Bühne gehst, dann ist da entweder diese Chemie, diese Magie zwischen einem Duo oder eben nicht.« Bei dem Schwesternpaar hat es gepasst. Geboren und aufgewachsen sind Katia und Marielle in der Kleinstadt Hendaye in Aquitanien im südlichsten Teil Frankreichs. Die Musik wurde ihnen in die Wiege gelegt, sagen sie. Denn ihre Mutter Ada Cecchi, die aus Italien stammt, war selbst Pianistin und einst

Schülerin von Marguerite Long gewesen. Long ist eine der bekanntesten französischen Klavierpädagoginnen des 20. Jahrhunderts, und war mit Klaviergrößen wie Claude Debussy und Maurice Ravel befreundet. Auch der Vater der beiden liebte Musik sehr. »Musik war also ständig um uns herum«, berichtet Katia. »Und so war es für uns ganz normal, zu musizieren – wie atmen oder essen«, erinnert sie sich. Noch bevor sie lesen und schreiben lernten, hätten sie ihre ersten Klavierstunden bekommen. Es sei damals Anfang der 60er Jahre nicht einfach gewesen, sich als Pianistinnen zu behaupten, denn sie seien ja bloß zwei kleine Mädchen aus der Provinz gewesen. Ihre Eltern hätten viel dafür geopfert, besonders die gemeinsame Zeit. Aber sie akzeptierten den Wunsch ihrer Töchter und schickten sie nach Paris ans Konservatorium. Im Jahr 1981 kam der Durchbruch: Mit der Aufnahme von G ­ eorge Gershwins »Rhapsody in Blue« – im Original für zwei Klaviere komponiert – erreichten die Schwestern die Spitze der Charts und ­wurden sogar mit einer Goldenen Schallplatte ausgezeichnet. Das war der Auftakt zur internationalen Karriere des Pianoduos. Seitdem spielen die Labèque-Schwestern weltweit mit bekannten Orchestern und treten mit Größen wie Sir Simon Rattle auf. »Wir hatten großes Glück so aufwachsen zu können«, sagt Katia mit warmer Stimme. Musik vermitteln, weil ihnen selbst soviel gegeben wurde Deshalb wollen die Schwestern nun etwas zurückgeben. Seit 2005 engagieren sie sich mit ihrer eigenen Stiftung Fondazione KML. Durch die Stiftung soll Kindern durch unterschiedlichen Projekte

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© Umberto Nicoletti

Die Geschwister Katia und Marielle Labèque und Ansichten ihres Tonstudios in Rom, das gleichzeitig Sitz der KML-Foundation ist.

Musik nahe gebracht werden. Beide Schwestern haben selbst keine Kinder. Sie hätten das alles, was ihre Mutter ihnen in der Kindheit gegeben hat, nicht leisten können, sagen sie. Offen erzählt Katia: »Irgendwann hieß es, Musik oder Familie. Wir beide entschieden uns für die Musik.« Diese Entscheidung hätte sie nie bereut. Ja, sie liebe Kinder und will ihnen das, was sie am besten kann, vermitteln: Musik! Deshalb organisiere sie so gerne Bildungsprojekte für Kinder und spiele für sie. So sind die Schwestern zum Beispiel beim renommierten Jugendprojekt Zukunft@BPhil der Berliner Philharmoniker im Programm für Kinder dabei. Am Leipziger Gewandhaus haben die Labèques mit »Soundcheck« ein kreatives Projekt zum »­Karneval der Tiere« von Camille Saint-Saëns gestaltet, und sie sind mit dabei, wenn das renommierte Age of Enlightenment-Orchester sein Kinder­bildungs- und Familienprogramm zum Besten gibt. »Die Idee zur Stiftung kam aber vor allem daher, dass wir über­ legten, wie wir junge Künstlerinnen und Künstler bei ihrem Werdegang unterstützen können«, berichtet Katia. Und das was wir tun ist, verschiedenste Künstler in ihren bereits vorhandenen Projekten zu vernetzten. Uns geht es dabei gerade um den Mix an Musik­ richtungen und das Mischen von verschiedenen künstlerischen Disziplinen, wie zum Beispiel Musik und Tanz. Dabei werden auch Barrieren gesprengt, erzählt Katia. So haben sie für das Projekt »Star Cross’d Lovers«, dessen Musik David Chalmin komponierte, Tänzer von der Straße gecastet und auf die Bühne der Pariser Philharmonie geholt. Das 30-Minuten-Breakdance Ballett, welches im Mai dieses Jahres seine Premiere hatte, verbindet klassische Musikelemente mit ­Elektro, Minimal und Rock.

musik für sich und wechselte zur E-Gitarre. Beide Musikstile gefielen ihm. »Ich will jüngeren Menschen die Tür zur klassischen Musik öffnen«, erklärt Chalmin. Durch den Mix der unterschiedlichen Musikrichtungen könne gezeigt werden, wie nah sich die Stile doch stehen und wie gut sie einander ergänzen. Und so werde dann vielleicht auch jemand, dem vorher nicht viel an klassischer Musik gelegen hat, neugierig, auch diesen Stil zu entdecken, erklärt ­Chalmin. »Als ich die Schwestern vor gut 10 Jahren kennenlernte, brachten sie mich mit anderen Musikern in Kontakt, ich konnte Künstler kennenlernen und Projektideen angehen.« Auch ein Studio in Paris stellten sie ihm zur Verfügung. Dadurch konnte der Musiker, Komponist und Produzent sich ausprobieren, durchbrach immer mehr die Grenzen unterschiedlicher Musikrichtungen und verband sie in seinen Kompositionen, die auch für Klavierduos bestimmt sind. Und auch das ist ein Bestreben der Geschwister in Zusammenarbeit mit ihren Projektteilnehmern: Sie wollen das Komponieren für das vierhändige Klavierspiel befeuern. »Wir sahen, dass kaum jemand der jungen Komponisten mehr für Klavierduos schreibt«, berichtet Katia. Das sei heute nicht populär. Es sei aber auch sehr schwierig sein Leben dem vierhändigen Klavier zu widmen. »Du verbringst dann fast dein ganzes Leben mit dieser anderen Person.« Katia l­ ächelt ­leise. Man müsse dem Partner oder der Partnerin schon tief verbunden sein, um das durchzuhalten. Und die heutige Zeit ­ziele vielmehr auf das Individuelle ab. Die Menschen bauen sich Solokarrieren auf. Dennoch: Zuallererst geht es ja um die Schönheit der Musik, meint Katia. »Wenn wir nun also junge Musiker in Projekten der Stiftung dazu ermutigen, wundervolle Musik für das vier­händige Klavier zu komponieren – dann ist das vielleicht der Schlüssel dazu, auch in heutigen Zeiten wieder mehr Klavierduos hervorzubringen.«  ❙

Die Schwestern Labèque schaffen Netzwerke Damit möchten die Schwestern und Chalmin vor allem auch ein jüngeres Publikum ansprechen. Er selbst wuchs in einer Klassik liebenden Familie auf, lernte Klavierspielen. Mit 14 entdeckte er Rock­ Die Seiten der Deutschen Mozart-Gesellschaft 11


MOZART-ORT

»Wenn ich nach Indien reise, dann komme ich nach Hause« Zubin und Zarin Mehta haben in Mumbai eine Stiftung für Klassische Musik gegründet von Oliver Das Gupta Zubin Mehta ist stolz auf Zarin Mehta. »Er ist der ideale Musik­ manager«, sagt der Dirigent über seinen jüngeren Bruder. Und wenn Zarin über Zubin redet, klingt das so: »Er ist eine Lichtgestalt, er besitzt das Performer-Gen.« Die Mehtas sind ein einzigartiges Brüderpaar in der Welt der klassischen Musik. Zarin Mehta brillierte nach Stationen in Montreal und Chicago zuletzt als Präsident des New Yorker Philharmonic ­Orchestra. Zubin Mehta gilt als einer größten Orchesterleiter der Gegenwart. Seit Jahrzehnten arbeitet er mit den wichtigsten Klangkörpern und an namhaften Häusern in aller Welt. Die Brüder sind in ihrem Naturell verschieden. Zubin ist ein Entertainer, ein Superstar. Zarin ist zurückhaltender, ein Macher im Hintergrund. Doch beide lieben seit ihrer Jugend Kricket, beide verließen früh die Heimat und beide haben dieselbe Frau geheiratet. Nachdem Zubins erste Ehe auseinander gegangen war, verliebte sich Zarin in seine geschiedene Schwägerin. Die Geschichte der Mehta-Brüder ist auch deshalb so außergewöhnlich, weil sie in einem Land begann, in dem westliche klassische ­Musik bis heute wenig populär ist: Indien. Der Vater: Musikliebender Autodidakt In der Metropole Bombay, dem heutigen Mumbai, kamen sie zur Welt: Zubin 1936 und Zarin zwei Jahre später. Das parsische Elternhaus war wohlhabend, vor allem aber war es ungewöhnlich: »Schon bevor Zarin und ich das Sprechen gelernt haben, hörten wir klassische Musik«, sagt Zubin Mehta heute. Vater Mehli Mehta (1908–2002) war beseelt von Schumann, Brahms und Mozart. Als junger Mann hatte er die raren indischen Gast­ spiele von europäischen Musikern wie Jascha Heifetz besucht und war hingerissen. Mehta arbeitete zwar anfangs noch als Buchhalter, widmete aber sein Leben bald vollends der klassischen Musik. In der damaligen Kolonie Britisch-Indien fehlte es an jeglicher musika­ lischer Infrastruktur. So schuf er seine eigene, nachdem er sich das Geigenspiel selbst beigebracht hatte. Schon vor der Geburt der Söhne gründete Mehli Mehta das Bombay Symphony Orchestra und später noch ein Streichquartett. Mit ihm musizierten in Bombay ansässige Briten, Amerikaner und jüdische Emigranten, nur vereinzelt auch Inder. Nicht sehr professionell, aber leidenschaftlich klangen die Pioniere der klassischen Musik auf dem Subkontinent. Geprobt und unterrichtet wurde im Elternhaus der Mehtas, während im Zimmer nebenan die Kinder Hausaufgaben erledigten. »Sie sehen, wir wurden früh indoktriniert«, sagt Zarin und lacht dabei.

Zubin erinnert sich, welchen Klängen er damals besonders gerne gelauscht hat: Mozarts Jagdquartett und Mendelssohns Oktett op.20. Gleich nach Ende des Zweiten Weltkriegs dampfte Vater Mehli ­Mehta mit einem der ersten Schiffe nach London, um sein Geigenspiel zu professionalisieren und Orchestererfahrung zu sammeln. Später ging er in die USA und gründete in Los Angeles die American Youth Symphony, die er als Dirigent zum Blühen brachte. In Kalifornien setzten sich Mehli und seine Frau Tehmina zur Ruhe, vor wenigen Jahren sind sie dort hochbetagt verstorben. ­ Vater ­Mehta war enttäuscht, wie wenig er in seinem Geburtsland erreicht hatte. Seine Konzerte in Bombay seien fast ausschließlich nur von Nicht-Indern besucht worden, beklagte er. Es traf ihn, dass »die westliche klassische Musik bei den Indern nicht die gleiche Begeis­ terung auslöste wie bei ihm selbst«, erinnert sich Sohn Zarin. Es ist in der Tat verblüffend, wie wenig die »Weltsprache« der westlichen Klassik in Indien bis heute angekommen ist – vor allem im Vergleich zu anderen asiatischen Staaten wie Japan, China und Südkorea. Nach der Unabhängigkeit 1948 blieben vielen Dinge in der größten Republik der Welt sehr britisch, gerade was die Verwaltung und das Bildungssystem betrifft. Selbst die zweite Hauptverkehrssprache ist bis heute Englisch. Doch bei der Musik dominieren jenseits des Bollywood-Pops die traditionellen Ragas. Das liegt unter anderem daran, dass der Multivölkerstaat Indien über eine äußerst vielfältige, aktive Kulturszene verfügt, die von den Menschen geschätzt und gelebt wird. Die Gesellschaft ist seit jeher konservativ geprägt. Man pflegt Jahrtausende alte Bräuche, Tradi­ tionen, Tänze und Musik. Das blieb auch während der britischen Kolonialherrschaft so. »Wir waren kein assimiliertes Land«, sagt ­Zubin Mehta. Die Inder haben ihre eigene »Klassik« Die indische Klassik hat sich zu einem komplexen System ent­ wickelt, deren Vertreter an die universelle Anziehungskraft glauben. Von der gleichen Wirkmächtigkeit der eigenen Klassik ist auch der Westen überzeugt. Es gab Versuche, eine Synthese zwischen den beiden musikalischen Welten herzustellen. Zubin Mehta etwa hat mit dem berühmten Sitar-Spieler Ravi Shankar musiziert. Doch Bruder Zarin hat Zweifel, ob beide Systeme kompatibel sein können: »Beide Welten für sich sind so stark und unabhängig.« Mehli Mehtas Vision war es, dass im reichen Garten der indischen Kultur auch die westliche Klassik ihren Platz findet. Die Ent­ täuschung des Vaters war der Ansporn für seine erfolgreichen Söhne. Schon zu Lebzeiten des Vaters gründeten sie in Mumbai die ­Mehli Mehta Music Foundation (MMMF).

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alle Fotos © Privatbesitz Metha

oben: Eine Kindheit in Indien, in einem ­musikalischen Haus

links: Zubin (2. v. l.) und Zarin Mehta (re.) mit ihren Eltern

Seit 1995 ermöglicht die ­Stiftung Schülern klassischen Musik­ unterricht. Lehrer, die teilweise aus dem Ausland engagiert sind, bringen den Kindern bei, Geige, Klavier und andere Instrumenten zu spielen oder auch im Chor zu singen. Die Stiftung veranstaltet Konzerte, unlängst sogar ein Kindergastspiel in Japan. Besonders gern spielen die Schüler Kompositionen von Mozart. Möglicherweise ist er sogar ein Schlüssel, um weitere Herzen in Indien zu erobern. »Ohne Mozart kann kein Mensch leben, der klassische Musik liebt«, sagt Mehta, »es ist unmöglich.« Und Zarin meint: »Ich glaube, es gibt kein Publikum der Welt, das an Mozart nicht Gefallen findet.« Nur müsse man diese Musik eben erst unter die Menschen bringen. Der Weg der westlichen Klassik in Indien mag beschwerlich sein, doch Zubin Mehta ist optimistisch: »Wir fangen klein an.« Momentan sind die Unterrichtsräume der MMMF in zwei großzügigen Apartments eines Wohnhauses untergebracht. »Unser Traum ist es, eine echte Schule zu bauen – ein richtiges Konservatorium«, sagt Zubin. Die Stiftung holt Weltstars nach Indien Es sind vor allem Frauen, die dafür sorgen, dass es voran geht. Sie engagieren sich für die Stiftung – und das ehrenamtlich. Die Mehta-­ Brüder helfen meist aus der Ferne: Zarin sammelt Spenden und Zubin organisiert immer wieder glanzvolle Auftritte von Künstlern und Klangkörpern von Weltformat zugunsten der Stiftung in Indien. So spielten dort die Wiener Philharmoniker, das Bayerische Staatsorchester und das Israel Philharmonic Orchestra; der Geiger Itzhak Perlman und Placido Domingo kamen, und Daniel Baren­ boim ­setzte sich für seinen alten Studienfreund Zubin an den ­Flügel. So kommt Indien zu westlicher Klassik auf höchstem Niveau. Und durch die Stiftungsarbeit könnte sich in Indien eine lebendige Klassik­szene etablieren – ganz so, wie es sich Mehli Mehta so sehnlich wünschte: »Mein Bruder und ich wollen, dass Vaters Traum weiter­geht«, sagt Zubin. Das Interesse bei den Kindern ist da – und bei dem Dirigenten die Hoffnung, dass sich Ausnahmetalente zeigen, so wie das bei ihm selbst der Fall war. Schon früh begann bei Zubin und Zarin die Liebe zu der Musik, die ihr Vater zelebrierte. Als Kinder hörten sie immer wieder seine Platten, und der Ältere sprang bei Violinkonzerten für den Vater als Hilfsdirigent ein, wenn der den Solopart spielte. Die berufliche Zukunft der Söhne sahen die Eltern allerdings nicht in der Musik. Zarin sollte Buchhalter werden, Zubin begann, Medizin zu studieren. Ganze zwei Semester hielt er es aus. Dann durfte er – mit Erlaubnis seiner Eltern – doch die Musik zu seiner Lebensaufgabe machen. Mit 18 reiste Zubin Mehta nach Wien, wo schon

ein Cousin Klavier studierte. Dort lernte er nicht nur Musiktheorie, Klavier und Bass, sondern auch die deutsche Sprache, die ihn bis­ weilen wie einen Wiener klingen lässt. Für Zubin entfaltete sich hier die klassische Musikwelt noch einmal neu: Opern waren ihm bis dahin fremd, und den Klang großer Orchester kannte er nur von den kratzenden Schellackplatten seines Vaters. Er ging nun in die Oper und in den Saal des Wiener Musikvereins und hörte dort das gängige Klassikrepertoire – unter Dirigenten wie Karl Böhm und Herbert von Karajan – in voller Pracht. Mozart habe er eigentlich erst in Wien kennengelernt, erinnert sich Zubin. »­Mozart in Wien ist das Echteste!« Ähnliche Offenbarungen erfuhr Zarin fast zur gleichen Zeit. Der Bruder war zum Studieren nach London geschickt worden, besuchte dort ebenfalls Konzerte – und war hingerissen wie Zubin. Sein Klarinettenspiel gab er bald auf, doch die Liebe zur Musik wuchs. Wenn die Brüder gemeinsam in Wien waren, besuchten sie Vorstellungen, so oft es nur ging – und sofern das Geld reichte. »Stehplatz«, dieses Wort kann Zarin noch heute in deutscher Sprache. Auch Zarin mochte nicht ohne Musik leben Nachdem Zubins Weltkarriere begonnen hatte, wurde Zarin Wirtschaftsprüfer bei einer großen Londoner Firma. Sein Hang zur klassischen Musik war jedoch so stark, dass er – ermutigt von ­Zubin – die Branche wechselte. 1981 wurde er Direktor des Montreal Symphony Orchestra und nahm dafür hohe finanzielle Verluste in Kauf. Doch er glänzte als Musikmanager so sehr, dass er seine zweite ­Karriere schließlich in New York mit dem Posten des Präsidenten der ­Philharmonie krönen konnte. Zarins Lebensmittelpunkt ist Chicago, Zubin lebt in Los Angeles. Sie sehen sich nicht oft, doch telefonieren regelmäßig. »Vor ein paar Tagen erst«, erzählt Zubin, »rief ich Zarin an und bat ihn um einen wichtigen Gefallen.« Der Jüngere kommt besser mit dem Internet zurecht und schaute für seinen Bruder nach, wie ein wichtiges Kricket-­Spiel ausgegangen war. So fern beide Brüder Mumbai auch sind, so sehr fühlen sie sich über die Stiftungsarbeit hinaus ihrem Geburtsland verbunden. Zubin betont, dass er nach wie vor indischer Staatsbürger sei – und auch bleibe. Seine kulinarische Liebe zu Currys, Tandoori-Speisen und Mangos geht so weit, dass er Menschen, die ihm sympathisch sind, in indische Restaurants schickt, wo bereits bei der Ankunft die Rechnung bezahlt ist. Bruder Zarin bezweifelt, dass er heute noch dauerhaft in Indien ­leben könnte. »Aber«, sagt er, »wenn ich nach Indien reise, dann komme ich nach Hause.«  ❙

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INTERVIEW

Fragen an RICO GULDA Rico Gulda ist ein renommierter Pianist, Komponist, Dirigent und CD-Produzent und leitet den Künstlerischen Betrieb und die Dramaturgie am traditionsreichen Wiener Konzerthaus. Mit seinem sechs Jahre älteren Halbbruder Paul und Martha Argerich (beide ebenfalls am Klavier) gab er zahlreiche Konzerte zum Andenken an seinen Vater, den berühmten wie ­unkonventionellen Pianisten und Komponisten Friedrich Gulda. Ricos anderer Halbbruder David ist Manager im Motorsport.

Ich hatte es dadurch einfach leichter, schon rein geographisch oder vielleicht auch, weil ich der Jüngste war. Als ich dann zum Studium nach Wien kam, merkte ich, was für eine Rolle es da spielte, »der Sohn von Friedrich Gulda« zu sein.

Was haben Ihre Geschwister zu Ihrer musikali­ schen Laufbahn beigetragen? Ich bin mit Geschwistern und als Einzelkind gleichermaßen aufgewachsen. Ich wuchs bei meiner Mutter Yuko in München auf. In den Ferien war ich sehr häufig mit meinem Vater am Attersee, das war sein Sommer­ erholungsort. Dort war dann glücklicher­ weise häufig auch mein Halbbruder Paul zu Besuch. Ich erinnere mich noch daran, wie Paul damals an seiner pianistischen Karriere gearbeitet hat, er hat dort in der Sommerfrische sehr viel geübt. Da hab ich sehr viel mitgehört und das war sehr an­spornend und motivierend, und hat mir sehr viel gegeben.

Sie haben dann einen anderen Weg einge­ schlagen als Ihr Bruder. Sie waren zwar auch als ­ Pianist sehr erfolgreich. Aber heute sind Sie Musikmanager am Wiener Konzerthaus. Haben Sie vielleicht in Abgrenzung gegen den Vater, der eine Legende war und den bereits er­ folgreichen Bruder die künstlerische Laufbahn nicht so intensiv weiterverfolgt? Vielleicht, ja. Aber wenn dann, ist das unbewusst abgelaufen und war nicht so eine rationale Überlegung. Und das stand auch nicht im Vordergrund – bewusst. Aber was unbewusst abläuft, das wissen wir ja nicht (lacht). Bewusst war das mehr getrieben von eigenen Bedürfnissen. Ich hatte das Gefühl, dass ich pianistisch viel erreicht hatte. Ich durfte hier im Konzerthaus mit den Wiener Philharmonikern auftreten, das ist schon das Beste vom Besten, was einem in Österreich passieren kann. Mich hat es dann immer mehr ins Management gezogen. Auch aus Interesse. Mein Wirken hier im Wiener Konzerthaus, da habe ich etwas gefunden, was mir wirklich auch liegt. Das passt jetzt. Eine bewusste Abgrenzung, das klingt zu hart, das entspricht nicht meinem Typ. Das hat ja eher etwas aktives. Ich denke, dass ich eine Menge ­Felder aus der Nähe betrachtet hab und auch mitgemacht hab und ich bin jetzt wo angekommen, wo es gut passt. ❙  Das Interview führte Julika Jahnke.

Haben Sie sich auch mit ihm verglichen? Also, in einer Familie wie der unsrigen ... der Vater war ja sowieso unerreichbar und der ältere Bruder war sechs Jahre älter und auch viel weiter. Das wusste ich halt damals, der Vergleich ist offensichtlich gewesen. Hat Sie die Musik denn einander näher ge­ bracht? Die Beziehung zum Vater war musikalisch geprägt, das stand bei ihm im Vordergrund und das war das, was man mit ihm teilen konnte oder nicht. Und da der Vater auch das Bindeglied zwischen mir und meinen Halbgeschwistern war, gab es auch da diesen starken Fokus auf die Musik, entweder

als verbindendes oder weniger verbindendes Element, wie zum Beispiel bei meinem älteren Halbbruder David. Was haben Sie durch diese Geschwisterbezie­ hung zu Ihrem Bruder Paul gelernt? Ich habe sehr viel durch Beobachtung gelernt. Das jüngere Geschwisterkind beobachtet ja das, was das Ältere erlebt. Bei mir war das vor allem im Umgang mit dem Vater von Bedeutung. Und da sind unsere Wege schon sehr unterschiedlich verlaufen. Das hatte bei meinem Vater vielleicht auch mit Altersmilde zu tun, ich bin ja der Jüngste. Aber ich habe einige Konflikte auch schon antizipierend vermieden. Mein Vater konnte in konflikthaften Situationen sehr temperamentvoll und zornig werden. Stand Ihr Bruder Paul künstlerisch auch stär­ ker unter Druck, durch den erfolgreichen Vater? Das kann ich nicht sagen, gefühlterweise vielleicht ja. Aber das müssen Sie ihn selbst fragen. Der Vater, den mein Bruder erlebt hat, war jedenfalls ein anderer als der, den ich erlebt habe. Er hat an ihm andere Phasen miterlebt, auch radikalere. Und: mein Bruder wuchs in Wien auf. Stellen Sie sich das mal vor: als Sohn von Friedrich Gulda in Wien aufzuwachsen. Das war ja etwas ganz anderes, als wie ich in Deutschland zu leben. Da war sein Ruhm nicht so zentral.

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© Erwin Wimmer

(Fast) die ganze Familie spielt Klavier


INTERVIEW

Die kleine ­Schwester spielt Bratsche © Marco Borggreve

Fragen an TABEA ZIMMERMANN Tabea Zimmermann ist eine weltweit gefragte Solistin, Professorin an der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin und Leiterin der Beethovenwoche in Bonn. Zahlreiche W ­ erke wurden ihr gewidmet, u. a. von Wolfgang Rihm und György Ligeti. Unter ihren sechs Geschwistern war sie zwar nicht das Nesthäkchen, aber die Jüngste der vier Älteren.

Was haben Ihre Geschwister zu Ihrer musikali­ schen Laufbahn beigetragen? Extrem viel. Ich hätte nie im Alter von drei Jahren angefangen, Bratsche zu spielen, wenn nicht meine drei älteren Geschwister schon musiziert hätten. Cello, Klavier und Geige waren durch sie schon besetzt und andererseits war mein Wunsch riesig groß, bei den Geschwistern dabei sein zu können und auch zur Musikschule zu gehen. Ich wollte mitmachen. Hat Sie das Ihren Geschwistern auch näher ge­ bracht? In unserer Familie gab es ein spezielles Cluster, was auch durch eine sehr stark religiöse Ausrichtung und pietistische Gemeinschaft geprägt war. Die Musik war, bei aller Strenge, die herrschte, der Bereich, der geistige Freiheit erlaubte. Mit meinen beiden Schwestern habe ich von meinem fünften bis zu meinem zwanzigsten Lebensjahr Streichtrio gespielt. Und zwar sehr intensiv. Wir waren sehr eng verbunden, auch als Partei gegen die Eltern. Unsere ganzen pubertären Krisen und Widersprüche gegen die Eltern haben wir über die Musik im Trio ausgefeilt und ausgearbeitet und das hat uns zusammen­geschworen. Aber natürlich gab es auch Spannungen. Und die miteinander auszukämpfen, mit Ideen und Überredungskünsten, das mussten wir auch zu dritt lernen. Das war manchmal heftig. Was haben Sie durch diese enge Zusammen­ arbeit fürs Leben gelernt? Unheimlich viel, vielleicht bin ich sogar immer noch dabei zu lernen (lacht). Ich glaube, dass mein ganzes Verständnis, was Musik

ausmacht, und wie man innerhalb eines Ensembles kommuniziert, davon extrem geprägt ist. Und auch der Wunsch, sich in einer gemeinsamen musikalischen Idee indi­ viduell ausdrücken zu können. Die Idee des Familientrios hat unsere Musikschule damals allerdings nicht nur unterstützt. Weil sie der Meinung war, wir sind eh zu nah aufeinander. Wenn heute ein Geschwister­ ensemble zu mir als Lehrerin käme, müsste ich auch abwägen. Familie und Musik – das kann auch zu nah werden. Welche Gefahren sehen Sie darin? Einseitigkeit. Denn das Spannende ist ja in allen Auseinandersetzungen, die wir als Heranwachsende haben, sich mit anderen Gedanken auseinander zu setzen, andere Denkweisen akzeptieren zu lernen. Das habe ich im Geschwistertrio vielleicht nicht so gut gelernt. Ich bin mit vielen Gedanken überhaupt erst in meinen Zwanzigern konfrontiert worden, weil das so ein enges Zuhause war. Musizieren denn Ihre drei eigenen Kinder auch? Ja, aber lange nicht so zielgerichtet, wie das bei uns zuhause vorgegeben war und sich auch ergeben hat. Sie sind sehr musikalisch, aber ich kann mir gar nicht vorstellen, dass meine Kinder mal einen Beruf mit Musik wählen. Auch, weil es natürlich einen Unterschied macht, ob die Eltern Musik machen oder nicht. Wir hatten in unserer Generation das Glück, dass die Eltern keine Ahnung hatten und man sich als Kind damit auch positionieren konnte, dass man sagt: »Das ist meins, Ihr wisst überhaupt nicht, was ich da tue, haltet Euch lieber raus.« Das können

meine Kinder mir natürlich nicht sagen und ich glaube, dass sie sich daher lieber andere Themen suchen werden. Gibt es für Sie noch eine andere wichtige ­Facette, wenn Sie an das Musizieren in der Fa­ milie ­denken? Das ist die Konkurrenz. Ich als Jüngere hab zum Beispiel in jedem Fall profitiert, aber ich weiß nicht, ob meine beiden Schwestern das auch so sehen würden. Ich war einfach von Anfang an die Erfolgreichste, sicher auch, weil ich mit der Bratsche auf einem unbeackerten Feld unterwegs war. Es gab keine Altersgenossen, die das Instrument ähnlich gut spielen konnten. Was für meine Schwestern heftig war, war, dass sie sowohl die Konkurrenz der Altersgenossen aushalten mussten als auch dieses: »Da kommen die drei Schwestern Zimmermann und guckt Euch mal die Kleinste an.« Heute muss ich, als Lehrerin, auch mitleiden, wenn da Geschwisterkinder unterwegs sind, die so in Konkurrenz zueinander stehen. Ich wär manchmal froh gewesen, man hätte mich auch mal als Mensch gesehen und nicht nur als die, die so toll Bratsche spielt. Wer hatte es denn da bei Ihnen am schwersten? ich glaube, das war meine geigende Schwester. Sie war die erste Stimme im Ensemble, aber ich als Jüngste hatte immer ne bessere Idee oder wusste, wie sie etwas anders besser machen könnte. Diese Konkurrenz ist ein großes Thema in Familien. Ich glaube, man hat es als Jüngste am einfachsten: Man lernt aus den Fehler der Größeren gleich mit und sucht sich so seinen eigenen Weg. ❙  Das Interview führte Julika Jahnke.

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Empfehlungen

BÜCHER

BÜCHER mit der ebenfalls reproduzierten »Arbeitspartitur« vergleichen. Ein hervorragender Kommentar hilft dabei und unterscheidet Legenden von Beweisbarem. Und er erklärt die heraus­ gerissene Ecke auf f. 99 unten: Hier standen Mozarts letzte je geschriebene Worte. Dr. Melanie Wald-Fuhrmann Wolfgang Amadé Mozart: Requiem KV 626. Faksimile. Kassel: Bärenreiter 2015, 100 f., 35 S. »Höchste Authentizität« verspricht der Bärenreiter-Verlag mit seinen Faksimiles. Und tatsächlich: Wenn man das jüngst erschienene Faksimile von ­Mozarts Requiem aufschlägt, ist es, als hielte man Mozarts Originalhandschrift selbst in der Hand. Die Farbe und Struktur des Papiers, sogar seine unregel­ mäßigen Ränder sind ebenso getreu reproduziert wie die verschiedenen Farben der Tinte von schwarz bis blassbraun, Flecken, spätere Einträge und Bibliotheksstempel. Der Verlag knüpft damit an seine Serie der Mozartschen Opern-Faksimiles an. Die besondere Aura, die mit dem Werk verbunden ist, lässt sich in seinen Quellen wiederfinden: Wer sich einlässt, kann in der sogenannten »Ablieferungspartitur« (die ­ Constanze an den Auftraggeber, Graf Wals­ egg, sandte) erkennen, dass Süßmayr Mozarts Signatur fälschte, kann die verschiedenen Schreiberhände unterscheiden und die Ablieferungsversion

Robert Maschka: Mozart. Die Zauberflöte. Kassel: Bärenreiter 2015 (Opernführer kompakt), 134 Seiten Mit einem Band zur »Zauberflöte« setzt der Bärenreiter-­ Verlag seine Reihe kompakter Opern-Monographien fort. Der Aufbau ist im Wesentlichen vorgegeben: Biographisches zu Komponist und Librettist, Entstehungsgeschichte, Handlung, eine musikalische Beschreibung jeder Nummer, Aufführungsund Rezeptionsgeschichte. Dazu Steckbriefe der handelnden Figuren, graphische Verdeut­ lichungen, Tabellen und viele Bilder. Die Reihe ist also auf breite Resonanz angelegt. Robert Maschka fügt sich gut in dieses Konzept ein, fasst

pointiert zusammen, was man heute über das Werk weiß und denkt, und bemüht sich trotz eines eher lockeren Tonfalls, die weltanschaulichen Hintergründe, v. a. aber die musikalische Gestaltung nachvollziehbar zu machen. Für den Autor spricht auch, dass er weiß, dass er das Geheimnis dieses Werks nicht ergründen kann. Doch er berührt es immerhin. Dr. Melanie Wald-Fuhrmann

Elisabeth Schmierer: Geschichte des Konzerts. Eine Einführung. Laaber 2015 (Gattungen der Musik), 231 Seiten Kompakte Überblicke – nicht selten mit Mottos wie ›100 Dinge, die man wissen sollte‹ – haben mittlerweile einen soliden Stand auf dem deutschen Buchmarkt. Was die Klassik betrifft, gibt es Zusammenschauen zur Musikgeschichte oder zu Instrumenten – und Werkführer, durch die sich Experten und ­Laien gleicher­maßen in die Schlag­lichter einer Entwicklung vertiefen können. Was es bisher wenig gab – ­ jedenfalls für die musiktheoretisch nicht so Ver-

sierten –, waren ­ Bücher über musikalische Gattungen. Daher ist die neue Reihe Gattungen der Musik nur zu begrüßen. Im zweiten Band beschäftigt sich Elisabeth Schmierer mit der Geschichte des Instrumentalkonzerts. Dabei konzentriert sie sich auf die Werke, die typischerweise als Konzert bezeichnet werden: mehrsätzige Stücke mit Solo-Tutti-Differenzierung. Das Buch ist chronologisch aufgebaut und reicht vom späten 17. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Schmierer geht von Idealtypen der Gattung aus und zeigt durch Analyse einzelner Werke, wie vielfältig die Umsetzung ist. Sie untersucht dabei vor allem die Entwicklungen, die im Rückblick entscheidend für die Gattung waren. Mit Vergleichen einzelner Komponisten knüpft die Autorin Verbindungen zwischen den verschiedenen Entwicklungsstufen. Die Fach­ begriffe werden in einem Glossar näher erklärt. Notenbeispiele gibt es keine, so dass der Band auch ohne Fachkenntnisse verständlich ist. Wer sich einen Überblick über die großen Linien der Geschichte der Gattung verschaffen will, für den ist der Band also bestens geeignet. So knapp alles dargestellt ist, gibt es doch viele Verweise auf die wichtigste Sekundärliteratur, so dass diese Konzertgeschichte auch gleich ein guter Einstieg in die Thematik sein kann. Janine Wiesecke

Impressum Deutsche Mozart-Gesellschaft e. V. Mozarthaus · Frauentorstraße 30 · 86152 Augsburg Telefon: +49 (0)821 / 51 85 88 E-Mail: info@mozartgesellschaft.de Präsident: Thomas Weitzel

Schriftleitung: Melanie Wald-Fuhrmann Redaktion und Geschäftstelle: Julika Jahnke Layout: Esther Kühne

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