A la Carte, Wein extra 4/2021

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Das Tier im Wein

WINZER UND IHR LIEBES VIEH, AM BEISPIEL VON ERWIN POLLER & HUHN WEIN-GUIDE A LA CARTE 2022 Die besten Weine, die besten Winzer im großen Jahresvergleich WELSCHRIESLING Überraschend neue Qualitäten • GEREIFTE WEINE Geduld lohnt sich SO SCHMECKT DER SÜDOSTEN Wein in Ungarn, Kroatien & Slowenien HERBST 2021 Ausgabe 04A/2021 ÖSTERREICHISCHE POST AG MZ 18Z041354 M D+R VERLAGSGESELLSCHAFT M.B.H., NEUDORFERSTRASSE-BETRIEBSGEBIET 3, 7111 PARNDORF www.alacarte.at

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Editorial

IMPRESSUM

Herausgeber / Chefredakteur

Christian Grünwald

Chefn vom Dienst

Nina Kaltenbrunner

Art-Direktion Herbert Winkler

Executive Art Direction & Grafk Sabrina Meyer

Mitarbeiter Text

Georges Desrues, Christina Fieber, Florian Holzer, Christian Seiler

Fotoredaktion

Joëlle Berndl-Bullens, Elodie Grethen

Mitarbeiter Foto

Regina Hügli, Manuel Zauner

Coverfoto Regina Hügli

Lektorat Daniela Oberhuber, Nicole Salcher

Eigentümer / Verleger / Produktion

D+R Verlagsgesellschaft m.b.H.

Neudorferstraße-Betriebsgebiet 3

7111 Parndorf

T 01/740 77-0, F 01/740 77-888 redaktion@alacarte.at

Geschäftsführer

KR Gerhard Milletich

Verlagsleiter Christian Grünwald

Assistenz Andrea Reiter

Produktionsleitung

Joachim Mittelstedt

Projekt- und Anzeigenleitung

Mauricio Queiruga

T 01/740 77-831 anzeigen@alacarte.at

Anzeigen / Promotion

Richard Fassl, Andrea Koini, Thomas Seitinger Anzeigensekretariat

Karin Gattermaier

Marketing / Vertrieb und Abo-Service

T 01/740 77-866

F 01/740 77-896 abo@alacarte.at

Litho Repromedia, 7111 Parndorf

Druck Berger, 3580 Horn

Vertrieb PGV Austria, 5081 Salzburg www.alacarte.at

Offenlegung gem. § 25 Mediengesetz

Medieninhaber

D+R Verlagsgesellschaft m.b.H.

Sitz: Neudorferstraße-Betriebsgebiet 3

7111 Parndorf

Unternehmensgegenstand

Die Herstellung, der Verlag und Vertrieb von Druckschriften aller Art, insbesondere

Fach- und Servicezeitschriften

Geschäftsführer

KR Gerhard Milletich

Beteiligungsverhältnisse: GM Handel und Beteiligungs GmbH 100 %

Gesellschafter: 100 % KR Gerhard Milletich

Die Punktevergabe in den jährlichen Wein-Guides und Großverkostungen ist die harte Währung im Weingeschäft. Nicht wenige Deals und so manche Verkaufspreisfestlegung wird davon angetrieben. Vor allem aber sind die großen Vergleichsverkostungen auch eine wichtige Plattform für Neuentdeckungen bei Konsumenten und Gastronomie. Im Journalismus ist das Thema Wein aber mehr als die Ermittlung von Punkten. Ne-

ben blumigen Verkostungsnotizen gilt es, noch viele andere Dinge zu formulieren. In den meisten Geschichten stehen Menschen im Mittelpunkt. Sie sind es, die dem Wein bei der harten, konsequenten Arbeit im Weingarten und bei aller Kreativität im Keller ihren speziellen Spirit geben. Weil dafür im Konzept unseres Haupthefts mitunter zu wenig Platz ist, kam es zur Idee dieses Wein-Extra-Sonderhefts. Wir wünschen viel Vergnügen damit!

Inhalt Nr. 4/2021 Wein-Extra

4 KELLERFRISCH.

neu entdecken, Wein verstehen und richtig behandeln

20 PUNKTEREGEN.

Winzer und ihre Weine aus dem A la Carte-Wein-Guide 2022

34 WEIN AUS STEIN. Welschriesling startet als Lagenwein, TerroirVermittler und KlimaerwärmungsProfteur neu

40 DAS TIER IM WEIN. Sieben spannende Winzer und ihre besten Mitarbeiter in tierischen Porträts

56 DIE VERMESSUNG DER LAGE. Giovanni Bigots gleichnamiger Index soll bestimmen, wo große Weine wachsen

verpassen oft das Beste

66 INNERER ZUSAMMENHALT. Verbindende Weintraditionen Burgenland/Ungarn: eine Erfahrungsreise

74 EIN LAND SIEHT ORANGE. Sloweniens farbiges Weinwunder & seine (weltweit) angesagtesten Winzer

78 MALVASIA RELOADED. In Istrien bieten immer mehr Winzer Spitzenweine mit enormem Reifepotenzial

A LA CARTE 3
FOTO: NEUSIEDLERSEE DAC
DAS MAGAZIN FÜR ESS- UND TRINKKULTUR

Kellerfrisch

Weingenuss neu entdecken, Wein verstehen, Wein richtig behandeln

Boom oder Krise — Pandemieverkäufe und Klimawandel. Der Weinmarkt wird weltweit neu defniert. Sammler und Investoren haben gute Weine als lohnendes Objekt der Begierde entdeckt, während die Gastronomie- und Eventbranche als Abnehmer phasenweise covidbedingt schwächelt. Zunehmend gewinnen nun auch gereifte Weine die längst überfällige Marktpäsenz. Investieren in das Wohlschmeckende hat sich immer noch gelohnt.

4 FOTO: GETTY IMAGES A LA CARTE
5 A LA CARTE

Kellerfrisch

Weingenuss neu entdecken, Wein verstehen, Wein richtig behandeln

Wo der Wein am liebsten liegt

Über den möglichst perfekten Lagerort für Wein. Die gute Nachricht: Die meisten Weine sind ohnehin nicht für eine lange Lagerung geeignet – in der kurzen Zeit zwischen Erwerb und Genuss muss man sich also keine großen Gedanken machen. Ob im Wohnzimmer (bis 25 Grad!) oder im Kühlschrank (im Sommer), für kurze Zeit zeigt sich der Wein durchaus robust. Einige Monate hält er sich auch mühelos bei Zimmertemperatur (im kühlsten Raum), entfernt von Licht- und Wärmequellen, bei Naturkork unbedingt liegend. Je höher die Temperatur, desto rascher altert der Wein. Ab etwa 21 Grad reift der Wein in der Regel schneller, als ihm gut tut, ab 25 Grad drohen geschmackliche Einbußen (Kochton).

— Sollen Weine länger lagern, wird es im Eigenheim haarig. Steht kein tauglicher unterirdischer Keller zur Verfügung, geht es nicht ohne Klimaschrank –der ist gemessen an seiner Kapazität teuer – oder einen noch teureren Umbau eines Raums. (Man kann auch Weinlager mieten.)

— Im Weinkeller sind die Regeln einfach: Kühl, dunkel, mäßig feucht und frei von Erschütterungen sollte er sein. Optimal sind 12 bis 14, tolerabel 10 bis 16 Grad – entscheidend ist die Temperaturkonstanz. Keller, deren Temperatur um mehr als 8 Grad schwankt, sind ungeeignet.

— Wie hoch die Luftfeuchtigkeit sein soll, hängt davon ab, was man von dem Wein in Zukunft will: Soll er nur reif getrunken werden, darf es feuchter sein; legt man Wert auf intakte Etiketten, etwa weil man Weine als Wertanlage sieht, empfehlt sich eine moderate Luftfeuchtigkeit von 60 bis 80 Prozent.

— Ist die Luft zu wenig feucht, trockenen die Korken aus und werden porös – im schlimmsten Fall oxidiert der Wein.

— Heizöl, Benzin oder Autoreifen im Keller sind tabu.

6 FOTOS: GETTY IMAGES A LA CARTE

Keine Angst vor Kellerschimmel Relativ hohe Luftfeuchtigkeit im Keller ist nicht nur gut für die Weinkorken, sondern auch idealer Nährboden für Schimmelpilze. Sie sind eigentlich ein Indikator für gute Lagerbedingungen. Den Weinen schaden sie kaum, sehr wohl aber den Etiketten. Liegt die Luftfeuchtigkeit über 80 Prozent, installiert man besser einen Luftentfeuchter; alternativ können auch trockene Badeschwämme im Keller verteilt werden; auch die kleinen weißen Silica (Kieselgel)Beutel, die man häufg in Verpackungen von Elektrogeräten fndet, nehmen Feuchtigkeit auf.

NICHT IM SOMMER TRANSPORTIEREN

Weißwein ist fragiler als Rotwein und reagiert stärker auf hohe Temperaturen. Ein Tag im Kofferraum oder Versand im Hochsommer kann aber auch Rotweinen schaden. Tipp: Im Frühling oder Herbst kaufen oder bestellen.

SCHAUMWEIN

STEHEND LAGERN

Bis vor Kurzem galt die Regel, Schaumweine, genau wie stille Weine mit einem Naturkork, hinzulegen – der Kork wird umspült und trocknet nicht aus. Neue Studien besagen jedoch, dass aufgrund der mit Wassermolekülen angereicherten Kohlensäure in der Flasche der Kork ohnehin feucht bleibt. Liegende Flaschen würden eventuell zu stark durchfeuchtet, was zu Druckverlust führen könnte. Wichtiger aber als die Ausrichtung der Flasche ist eine höhere relative Luftfeuchtigkeit (siehe Weinkeller).

Ferdinand Mayer, Bewahrer kostbarer Kultur

Wein und Musik sind für Ferdinand Mayr österreichische Kultur und die wichtigsten Dinge seines Lebens. Seit nunmehr acht Jahrgängen produziert der Multitasker Wein aus terrassierten Steillagen im nördlichen Kremstal um Senftenberg. Der leidenschaftliche Musiker, der bereits zum zweiten Mal auch zum Lektor des Jahres gekürt wurde und an der Weinakademie Österreich seit über 20 Jahren sein Wissen teilt, ist seit 2017 auch stolzer Besitzer eines kleinen, aber feinen Weinguts.

An die Arbeit als Winzer geht er mit der gleichen Präzision heran wie ans Musizieren. In Handarbeit pfegt er seine alten Rebbestände, anders wäre die Bewirtschaftung in den steilen Lagen gar nicht möglich. Geologisch und klimatisch ähnlich der Wachau, wachsen rund um Senftenberg

auf Urgesteinsböden Österreichs Paraderebsorten Grüner Veltliner und Riesling. Beste Begleitung für seine Weine, die auf schon historisch erwähnten alten Weinbergslagen wie Timmelstein für Riesling oder der Ried Senftenberger Pellingen für Grünen Veltliner gedeihen, liefert der Tausendsassa in Form einer CD, die er mit seiner Gruppe Wienophil aufgenommen hat. Schrammelmusik und Wein – eine Kombination, die für ihn einfach zusammengehört: It’s a taste of culture!

FERDINAND MAYR WEINE GMBH Falkenberg 10 3541 Senftenberg office@ferdinand-mayr.at ferdinand-mayr.at

Weine aus dem Keller rechtzeitig aufrichten Weine, die länger (vielleicht Jahre) im Keller liegend verbracht haben, sollten vor dem Öffnen für einige Stunden, besser noch Tage, wieder senkrecht aufgestellt werden, damit sich ein etwaiges Depot (vor allem bei reiferen Jahrgängen) wieder am Boden absetzen kann (siehe Dekantieren).

PROMOTION FOTOS: GUENTHER ACHLEITNER/EIKONAS PHOTOGRAPHY
Der Multitasker Ferdinand Mayr ist Musiker, Garagenwinzer und Lektor.
SENFTENBERG

Kellerfrisch

Weingenuss neu entdecken, Wein verstehen, Wein richtig behandeln

ALTE WEINE BELÜFTEN

Je älter ein Wein, desto weniger Belüftung braucht er. Im Zweifelsfall kann man sich an der Farbe des Weins orientieren. Rot weine tendieren dazu, im Alter ihre Farbe zu verlieren, sie verblassen. Das heißt, je heller die Farbe erscheint, desto weniger Belüftung wird vermutlich gebraucht. Das Gegenteil ist bei Weißweinen der Fall, sie gewinnen im Alter an Farbe.

Weinfehler oder Geschmacksirritation?

Weinfehler können den Genuss ordentlich verderben. Mitunter gibt es aber auch Grauzonen zwischen Geschmacksirritationen und Weinfehlern. Ist das ein Reklamationsfall oder nicht? Was der eine als fehlerhaft bezeichnet, ist für den anderen möglicherweise eine besonders ursprüngliche Geruchs- oder Geschmacksnote. Manchmal sind sensorische Fehler auch eingebildet.

×Eindeutig unangenehm ist der Korkfehler oder Korkschmecker : Äußert sich durch einen muffgen, modrigen Geruch und eventuell bitteren Geschmack. Die Ursachen für Korkschmecker sind immer noch nicht gänzlich geklärt. Er kann, etwa durch Waldbrände, in den Korkeichen selbst auftreten, aber auch aufgrund mangelnder Hygiene der korkverarbeitenden Betriebe. Eine weitere Ursache mag die Bleichung des ausgestanzten Rohkorks mit hypochlorigen Verbindungen sein. Heute wird daher meist mit Wasserstoffperoxid gebleicht. Auch bestimmte in den Korkwäldern verwendete Pfanzenschutzmittel können ein Grund sein. Naturkork weist viele füchtige Substanzen auf, die mit Bleichlösungen oder Reinigungsmitteln reagieren können. Meist ist

es jedoch Trichloranisol, TCA, das letzlich den Fehlton auslöst. Dies kann aber auch durch bestimmte Schimmelpilze bei der Lagerung oder später im Weinkeller verursacht werden. Nach dem Verschließen der Flasche mit einem TCA-infzierten Kork überträgt sich TCA auf den Wein. Äußerlich ist dem infzierten Kork leider nichts anzusehen (Schimmel unter der Kapsel ist kein Hinweis auf einen Korkfehler!). Ob der Wein stoppelt, weiß man erst, wenn die Flasche bereits offen ist. Die Intensität variiert, nicht immer riecht oder schmeckt man den Fehler auf Anhieb. Besonders hinterhältig ist ein sogenannter „schleichender Kork“, dem Wein fehlt es dabei lediglich an Frucht, seine ureigenen Aromen sind nicht mehr deutlich wahrnehmbar. Winzer fürchten

REIFE PROGNOSE

Verlässliche Prognosen, wie lange ein Wein altern kann und wie er sich entwickelt, sind unmöglich und auch nicht seriös. Kundige Sommeliers und Händler können lediglich anhand ihrer Erfahrung eine subjektive Einschätzung geben. Selbst der Winzer selbst, der weiß, wann sein Wein gelesen wurde, welche Werte er aufweist und vor allem, wie er ausgebaut wurde, liefert meist nur unverbindliche Empfehlungen. Es hilft nur, immer wieder zu kosten und sich so der Trinkreife anzunähern. Ein Indikator ist in jedem Fall, wie sich der geöffnete Wein im Glas mit der Zeit entwickelt. Muss man ihn lüften, benötigt er Sauerstoffzufuhr durch Karafferen? Je länger er braucht, um sich zu öffnen, desto langsamer reift er auch in der verschlossenen Flasche. Dazu braucht man halt ein gewisses Kontingent ein und desselben Weins.

den schleichenden Kork, weil die Weine oft nicht als fehlerhaft erkannt werden. Vielmehr glauben Weintrinker, der Wein sei halt doch nicht so toll, wie erhofft. Korkfehler verschwinden nicht, sondern verstärken sich mit der Zeit, oft erkennt man sie auch deutlicher, wenn man den zweifelhaften Wein mit Wasser verdünnt oder leicht erwärmt. Selbst Weine mit alternativen Verschlüssen können – selten, aber doch – diese fehlerhafte Note aufweisen.

×Auch der Böckser, ein übel riechender sensorischer Fehler vorwiegend bei Jungwein, ist weit verbreitet, wenn auch durch bessere Hygiene in den Weinkellern nicht mehr so häufg wie früher. Der Name leitet sich von den Ausdünstungen des Ziegenbocks ab, der Geruch erinnert aber auch an faule Eier. Zumeist entsteht er am Ende des Gärprozesses oder kurz danach und lässt sich beispielsweise durch Belüftung oder Holzfassausbau (Sauerstoffkontakt) noch während des Ausbaus im Keller beseitigen. Nachprüfen lässt sich der Weinfehler scheinbar, indem man eine Kupfermünze für einige Minute in den fertigen Wein legt und sich das Aroma deutlich verbessert.

×Während des biologischen Säureabbaus bei der Weinwerdung kann Diacetyl in höherer Konzentration entstehen, das sich im fertigen Wein durch eine dominante Butteroder Molkenote äußert.

×Ähnlich verhält es sich mit Brettanomyces, auch kurz „Brett“ genannt. Dieser im Keller vorkommende Hefepilz verursacht im Wein markante „animalische Noten“, die jedoch von einigen Weinfreaks bei bestimmten Rotweinen geschätzt werden. In stärkerer Ausprägung erinnert der Geruch allerdings unangenehm an Pferdeschweiß.

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Beim Einkauf Flaschen aus dem Regal meiden Bei Weinen aus dem Supermarkt erwartet man keine optimale Lagerung, in die ser Preiskategorie ist der eventuelle Schaden aber verschmerzbar. Anders im Fachhandel: Auch dort stehen(!) einige (meist teure) Exem plare längere Zeit im Regal unter suboptimalen Bedingungen (zu warm und zu hell). Vorsicht vor allem bei Schaumweinen aus weißen Fla schen. Sie sind kaum vor UV-Licht geschützt. Bitten Sie den Händler um eine Flasche aus dem Lager oder (noch besser) aus dem Keller.

×Petroltöne sind bei reifen Weißweinen, vor allem bei Rieslingen, nicht unüblich. Auch hier teilt sich das Lager in Liebhaber und Hasser des Reifetons, der an den Geruch von Erdöl oder Kerosin erinnert. Bei Jungweinen ist er jedoch eindeutig störend, der Wein kam möglicherweise bereits im Keller mit zu viel Sauerstoff in Kontakt.

Einige Weinfehler können bereits im Weingarten ihren Ursprung haben. Siedeln sich etwa auf beschädigten Trauben Essigsäurebakterien an und werden diese mitverarbeitet, kann ein Ton nach Lösungsmittel oder Klebstoff vulgo Uhu entstehen. Auch ein Essigstich oder eine füchtige Säure (Ethylacetat) entwickelt sich oft bereits am Weinstock. Ursache dafür können aber auch mangelnde Hygiene im Keller oder ein zu schneller Gärprozess sein. Der ätzende Ton verfiegt aber nach Öffnen der Flasche mit der Zeit.

×Weine aus heißen Jahrgängen, die geringe Säure aufweisen, sind zu weilen anfällig für das sogenannte Mäuseln. Verantwortlich dürften von Mikroorganismen und Hefen gebildete Stickstoffverbindungen sein, die auch durch Zugabe von Schwefel in Schach gehalten wer den können. Das Mäuseln ist aber streng genommen kein Weinfehler. Der markante, oft stechende Ton nach ungereinigtem Mäusekäfg (Ammoniak) wird von einigen ge schätzt, von anderen toleriert; bei anderen wiederum löst er schlicht Ekel aus.

×Der Untypische Alterungston kurz UTA, tritt in den letzten Jah ren häufger auf. Die Weine zeigen sich stumpf, wie vorschnell geal tert, der Geschmack ist dumpf und ohne Ausdruck. Vermutlich besteht ein Zusammenhang zwischen UTA und Witterungs einfüssen, es ist eine Stress symptom der Reben in heißen, trockenen Jahren.

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Kellerfrisch

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Dekantieren & Karafferen

Dekantieren und Karafferen sind zwei verschiedene Vorgänge, um den Wein von der Flasche in eine Karaffe (Dekanter) zu leeren. Sie werden gerne verwechselt.

— Dekantieren dient dazu, den Wein von seinem etwaigen Depot zu trennen, und wird vorwiegend bei älteren Weinen angewandt. Nach langer waagrechter Lagerung im Keller empfehlt es sich, die Flasche einige Zeit aufzustellen, damit sich Sedimente am Flaschenboden absetzen. Dann die Flaschenöffnung mit einem sauberen Tuch abwischen. Den Wein durch einen Trichter langsam und vorsichtig (!) in den Dekanter füllen, bis das Depot im Flaschenhals sichtbar ist. Eine Lichtquelle (Kerze, Taschenlampe, Handylicht) ist dabei hilfreich. Falls sich Korkreste im Wein befnden, Teeflter oder ein feines Edelstahlsieb in den Trichter legen, um Korkbrösel oder Sedimente abzufangen. Am Schluss den restlichen Wein inklusive Depot aus der Flasche entfernen. Auswaschen, abtropfen lassen und den Wein aus der Karaffe vorsichtig wieder in die Flasche zurückfüllen und temperiert servieren.

— Karafferen dient der Belüftung des Weins, um ihn durch Sauerstoffzufuhr zugänglicher zu machen. Das ist bei gereiften Weinen weder notwendig und vor allem bei zarten Burgundern mit Vorsicht zu genießen. Zu rascher und intensiver Sauerstoffkontakt könnte dem Altwein den Rest geben. Lieber langsam im Glas entwickeln lassen!

Intensive Belüftung des Weins empfehlt sich bei strukturierten und/oder gerbstoffreichen Weinen, die vor ihrer Trinkreife genossen werden. Sie verändert sowohl die Wahrnehmung von Aromen als auch die Textur des Weins. Das gilt sowohl für Rot- als auch Weißweine! Auch vielen maischevergorenen Weißweinen (Orange Wines) bekommt ein Zwischengang in der Karaffe mitunter gut. Selbst strukturiertem Champagner, der vor dem Degorgieren über Jahre auf der Hefe lag, kann vorsichtiges Karafferen in eine schlanke Karaffe zu ungeahnter Aromenvielfalt verhelfen (freilich mit etwas Verlust der Perlage).

Grundsätzlich wandern tendenziell zu viele Rotweine in die Karaffe, die nicht die Struktur dafür besitzen oder ohnehin schon ohne Sauerstoffzufuhr fruchtig, weich und zugänglich sind. Sie drohen damit jegliche Lebendigkeit und auch interessante Geschmackskomponenten zu verlieren! Kräftige, junge Weißweine hingegen werden oft zu zögerlich karaffert. Es empfehlt sich, den Wein vorher zu kosten, ob er die Prozedur überhaupt braucht. Kundige Sommeliers können das gut einschätzen, unerfahrenes Personal oft nicht. Nicht selten wird karaffert, weil es hübsch aussieht oder man glaubt, das gehört beim Rotwein halt so. Letztlich ist es eine subjektive Entscheidung: Mag ich den Wein lieber etwas widerborstig oder ganz zutraulich?

Auch die Form der Karaffe ist entscheidend: Je breiter und bauchiger, desto mehr Sauerstoff kommt mit dem Wein in Kontakt, und er entwickelt sich entsprechend rascher.

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OHNE ALLÜREN. GROSSE KUNST.

Österreichs Weine sind daheim im Herzen Europas, wo kontinentale Wärme mit kühler Nordluft tanzt.

In diesem einzigartigen Klima wachsen edle Weine mit geschützter Ursprungs-

bezeichnung – zu erkennen an der rotweißroten Banderole auf der Kapsel und der staatlichen Prüfnummer auf dem Etikett.

österreichwein.at

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1 Schaumweinglas –Sektföte ade Leicht bauchige Champagnergläser statt Sektföten für alles, was sprudelt – vom hochwertigen Prosecco über Pet Nat bis Sekt und Champagner. Schaumwein braucht ein Glas, das sich nach oben leicht öffnet und so eine gewisse Sauerstoffzufuhr ermöglicht. Gereifte Champagner gehören mindestens in ein Universalglas! Keine Angst, die Bläschen gehen nicht verloren.

2 Bordeauxglas –Struktur braucht Platz Komplex strukturierte Rotweine mit ausgeprägter Tanninstruktur sind im Bordeauxglas gut aufgehoben. Einige Weinliebhaber schwören aber auch auf Bodeauxgläser für spät gelesene junge Rieslinge. Sie brauchen Luft, um sich zu öffnen. Auch maischevergorene Weißweine (Orange Wines), die eine höhere Gerbstoffstruktur besitzen als konventionelle Weiße, tun sich in breiten Gläsern zuweilen leichter. Große Gläser sind auch eine schonende Variante zum Karafferen.

Size Matters

Wie viele Weinglas-Typen braucht man wirklich? Es sind in jedem Fall weniger, als man denkt.

Hochwertige Weingläser sind auf Rebsorte und Weintyp abgestimmt. Im richtigen Glas zeigen feine Gewächse erst ihr wahres Können. Was macht ein gutes Weinglas aus? Transparent und dünnwandig soll es sein, zart und spülmaschinenfest. In der Gastronomie werden vorwiegend maschinell gefertigte Gläser verwendet, mundgeblasene sind aber gerade für hochwertige Weine ein Muss. Sie sind noch feiner, die Aromen kommen einfach besser. Starre Regeln gibt es aber nicht mehr. Hieß es früher, Weißweine sind aus kleinen und Rotweine aus großen Gläser zu trinken, weiß man heute, es verhält sich komplexer. Frische, leichte und wenig strukturierte Gewächse trinkt man tendenziell aus schmäleren Gläsern, während kräftige, dichte Weine in breiteren mehr Geschmack entwickeln – egal, ob Weiß- oder Rotwein. Je größer ein Glas, desto mehr Wein kommt mit Sauerstoff in Kontakt. Das ist bei dichten, strukturierten Weinen notwendig, um die Aromen zu entfalten, während der Geschmack leichter, einfacher Weine in breiten Gläsern rasch verloren geht.

Statt sturen Vorschriften zu folgen, entscheidet der persönliche Geschmack: Mag man opulente, fruchtige Aromen oder bevorzugt man Mineralität und Säure, liebt man es samtig weich oder eher widerspenstig? Die Form des Glases entscheidet, welche Aromen verstärkt wahrgenommen werden. Hat man hingegen keinen Platz für eine Armee an Gläsern, ist man mit einem Universalglas in mittlerer Größe (Chardonnay-, Chiantiglas) gut beraten. Diese Multitalente können einfach mit allen Weinen gut, vom fligranen Sprudel bis zum muskulösen Rotwein.

3 Divenpool –Burgunderglas Burgundersorten, egal ob weiße oder rote, gelten als Diven und wollen Freiheit. Zwar sind Chardonnay, Pinot noir und Co überaus elegant, sie besitzen aber auch eine vielschichtige Struktur. Die Weine zeigen ihre Pracht erst in breiten, bauchigen Gläsern. Grundsätzlich können aber auch alle komplexen Weißweine mit Struktur (außer Riesling) in Burgundergläser gefüllt werden.

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Zu kalt –zu warm

Die richtige Trinktemperatur ist für den wahren Weingenuss von sehr entscheidender Bedeutung.

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50 Jährige Reben bilden die Basis für die perfekte Carnuntum Interpretation.

Rotweine werden meist zu warm und Weißweine zu kühl serviert. Bei stark unterkühlten Weinen kommt ihre Aromenfülle nur ungenügend zum Ausdruck, Säure und Tannine dominieren geschmacklich. Bei zu warmen Weinen hingegen tritt der Alkohol stark in den Vordergrund.

Eine alte Grundregel besagt, Weißweine sollten gekühlt, Rotweine hingegen wärmer (bei Zimmertemperatur) serviert werden. Tendenziell stimmt das, aber es ist zu undifferenziert – abgesehen davon, dass in unseren Räumen heute Temperaturen um die 25 Grad herrschen. Besser fährt man mit der Regel, je mehr Körper und Struktur ein Wein hat, desto wärmer kann er getrunken werden, egal ob Weiß- oder Rotwein. Leichtere und fligrane Weine vertragen eine Kühlung. Das kann auch ein zarter Pinot noir sein, der erst leicht gekühlt seine Finesse zeigt.

Die ideale Temperatur für Schaumweine sind 7 bis 8 Grad, Rosé oder schlanke Weißweine können durchaus 10 Grad haben. Jahrgangs- oder ältere Champagner bzw. Prestigecuvées, komplexe und gereifte Weiße, aber auch leichte, elegante Rotweine schmecken mit einer Temperatur von 10 bis 12 Grad am besten. Edelsüße Auslesen, süßer Sherry, Portwein oder Marsala vertragen auch 14 Grad.

Gereifte Vintage Ports, kräftige Rotweine mit viel Körper und Tannin, aber auch maischevergorene Weißweine (Orange Wines) trinken sich mit einer Temperatur zwischen 14 und 17 Grad gut. Ganz schwere Rotweine werden mitunter mit 18 Grad serviert. Wärmer sollte kein Wein sein – wärmer wird er, einmal eingeschenkt, ohnehin.

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MARKO

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Korken & Co

Man sucht ihn seit der Antike: den idealen Weinverschluss.

Bereits in der Antike verschloss man Weinamphoren mit Kork. Später verwendete man Stopfen aus Holz oder Ton, mit Öl oder Hanf versehen. Erst der legendäre Dom Pérignon entdeckte den Kork für Champagner wieder. Die Elastizität des Korkens verhinderte ein Herausspringen aus der unter Druck stehenden Flasche. Als Wein zu einem weltweiten Handelsgut wurde, begann die industrielle Produktion von Flaschenkorken.

Korkeichen wachsen rund ums westliche Mittelmeer, vor allem in Portugal und Spanien, aber auch Nordafrika. Laut der internationalen Umweltorganisation Rainforest Alliance kann eine geschälte Korkeiche bis zu fünf Mal so viel CO 2 aufnehmen als ein unbehandelter Baum. Bei gut 6,5 Millionen Hektar Korkbäumen ein nicht unwesentlicher Beitrag zum Klimaschutz – zudem ist Kork biologisch abbaubar. Eine Korkeiche liefert erst bei der dritten Schälung, ab einem Alter von 45 Jahren, dichten und elastischen Kork. Gute Qualität zeichnet sich durch geringe Lufteinschlüsse aus. Da Kork nicht ganz am Flaschenhals anliegt und einen feinen Luftaustausch ermöglicht, wird er für Weine mit Entwicklungspotenzial als Verschluss bevorzugt. Aufgrund erstarkender Weinbauregionen (Übersee) kam es Ende des 20. Jahrhunderts zu einer größeren Nachfrage nach Naturkork – die Intervalle zwischen den Ernten wurden kürzer, die Qualität schlechter. In Folge traten vermehrt Korkfehler bei Weinen auf, und man suchte nach Alternativen.

— Presskorken aus Korkgranulat sind zwar billiger, aber ebenso anfällig für Korkinfektionen.

— Kunststoff-Korken wurden wegen geschmacklicher Beeinträchtigung des Weins fast verbannt; für lange Lagerung ungeeignet, und man ruiniert sich gern den Korkenzieher.

— Glasstöpsel hat einen Dichtungsring aus Kunststoff. Vorteil: kein Korkfehler, gibt keine Fremdaromen an den Wein ab. Nachteil: teuer, Lagerfähigkeit noch nicht gut erforscht. Dichtet gut und ist daher vor allem für Weißweine geeignet, die ihre Frische behalten sollen.

— Schraubverschluss: Positiv: praktisch, dichtet gut, kein Korkfehler; ebenfalls für Weißweine geeignet. Negativ: Billig-Image; das Aufschrauben einer Flasche ist vielen Weinliebhabern zu stillos. Bei langer Lagerung können eventuell reduktive Töne im Wein entstehen. Neueste Studien belegen aber die Eignung für Lagerung. Im direkten Vergleich eines identen Weins zeigen sich mit Naturkork verschlossene Weine jedoch einen Hauch facettenreicher.

ANGEBROCHENE WEINE IN KLEINE FLASCHEN FÜLLEN

Je mehr Kontakt der Wein mit Sauerstoff hat, desto rascher fndet Oxidation statt. Je weniger Flüssigkeit, desto mehr Sauerstoff ist in der Flasche – der Wein verdirbt rascher. Der restliche Wein einer angebrochenen Flasche kann vorsichtig (!) in eine kleinere Flasche gefüllt, verschlossen und im Kühlschrank noch einige Zeit aufbewahrt werden. Ist keine kleine Glasfasche parat, kann notfalls auch eine kleine PET-Flasche verwendet werden, die man zusammendrückt, damit noch weniger Sauerstoff in der Flasche bleibt. Nicht sehr stilvoll, aber hilfreich.

Das Öffnen gereifter Weine

Gereifte Weine zu öffnen, erfordert ein ganz besonderes Feingefühl, Geschick und auch Geduld. Der Federzungen- oder auch Spangen-Korkenzieher ist dabei das Werkzeug erster Wahl.

Ein paar Tipps dazu von Clemens Riedl, Experte und Händler mit trinkreifen Weinen:

— Kapsel mit dem Kellnermesser abschneiden. Gegebenenfalls kann ein vollständiges Entfernen der Kapsel hilfreich sein. Kork begutachten und mit dem Daumen ganz sacht drücken. Fühlt er sich trocken und porös an und klebt am Flaschenhals oder ist er durchnässt und sitzt nur mehr ganz locker?

— Das wichtigste Tool: The Durand, der Beste unter den Federzungen- oder Spangen-Korkenziehern. Er ist bei gereiften Weinen die erste Wahl. Seine zwei unterschiedlich langen Zungen im Abstand der Weite eines Flaschenhalses an der Innenseite sorgen dafür, dass der Korken unverletzt bleibt. Falls kein Spangen-Korkenzieher vorhanden ist, empfehlt sich ein Kellnermesser. Je länger die Spindel, desto besser.

— Das Kellnermesser ganz langsam in den Kork schrauben. Dann heraushebeln, dabei die zwei Gelenke des Kellnermessers nutzen. Möglichst wenig Seitendruck auf den Korken ausüben. Nicht übermütig werden, wenn die ersten zwei Drittel des Korks sich gut herausziehen lassen, der Kork reißt leider meistens erst im letzten Drittel. Sollte der Kork porös wirken, die Spindel eher ein wenig seitlich in den Korken drehen. Bei hartnäckigen Fällen kann man auch versuchen, zwei Spindelkorkenzieher nebeneinander in den Korken zu drehen.

Außerdem in Griffweite sollten sein:

∙ Karaffe

∙ Teeflter oder feines Baumwolltuch

∙ Trichter

∙ Geschirrtuch oder Serviette

∙ Taschenlampe oder Kerze

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FOTOS: GETTY IMAGES

Flasche, öffne dich

Manchmal endet der Spaß, bevor er richtig begonnen hat: wenn es etwa am entsprechenden Werkzeug scheitert, um die Weinfasche sachgerecht zu öffnen.

Es gibt unzählige verschiedene Modelle und Techniken – nicht alle sind brauchbar –, vor allem bei längeren oder porösen Korken oder um Altweine zu öffnen.

Gute Korkenzieher verfügen über eine sogenannte Seele, also einen Freiraum zwischen Spiralspindel und Stopfen. Nur so kann der Kork unbeschadet entfernt werden. Die älteste und zugleich simpelste Kategorie ist der T-Korkenzieher – Griff und Spiralspindel ergeben ein „T“. Mit einer senkrechten Zugbewegung per Hand wird der Kork aus dem Flaschenhals befördert. Eine rustikale und eher brachiale Methode, die Kraft erfordert und für brüchige Korken ungeeignet ist.

In den meisten Haushalten fndet sich auch ein Flügel-Korkenzieher mit einer mittigen Spindel und zwei fügelförmigen Hebeln. Mit einer Schraube dreht man die Spindel in den Kork, die Flügel steigen dabei nach oben. Drückt man sie nach unten, hebt man den Pfropfen aus der Flasche.

Beliebt ist auch der sogenannte Glockenkorkenzieher. Man setzt ihn auf die Weinfasche und dreht, bis der Korken auf der Spindel steckt.

Aber Achtung: Bei allen Modellen hängt es von der Beschaffenheit der Spindel an. Bei Billigprodukten kann die Spindel den Korken ruinieren.

Achten Sie darauf, dass der Griff nicht aus instabilem Kunststoff ist. Besonders beim T-förmigen Korkenziehern braucht es widerstandsfähige Materialien. Auch die Spirale sollte aus Edelstahl sein, damit der Korkenzieher sich einfach in den Pfropfen bohren kann – idealerweise ist dieser mit Tefon beschichtet. Die Übergänge zwischen den Materialien dürfen keine Kanten aufweisen.

Gute Ergebnisse liefert das Kellnermesser. Man schneidet zunächst die Kapsel mit einem kleinen integrierten Messer ab und dreht die Spindel in den Korken. Dann setzt man den seitlichen Hebel am Flaschenhals an und zieht den Korken heraus. Manche Kellnermesser verfügen auch über einen Doppelhebel. Besonders wichtig für Flaschen mit langen Korken, da ein Abrutschen von der Flasche verhindert wird.

Der große Vorteil des Kellnermessers liegt in der individuellen Handhabung. Mit etwas Übung entfernt man fast jeden Kork ohne Beschädigung.

Im Vergleich sind Hebelkorkenzieher ungleich simpler zu handhaben. Dabei wird nicht gedreht, sondern lediglich der Hebel heruntergedrückt. Vereinfacht gesagt, wird dabei der Griff des Geräts um 180 Grad nach vorne geklappt, die Spindel wandert nach oben. Wie mit einer Zange umgreift er den Flaschenhals. Nun zieht man den Griff wieder zurück, und die Spindel bohrt sich in den Korken. Drückt man den Griff wieder nach vorne, gleitet der Korken geschmeidig aus der Flasche. Zumindest in der Theorie.

Und wem das alles noch nicht spektakulär genug ist, greift am besten zum elektrischen Korkenzieher. Der macht alles auf Knopfdruck wie von selbst. Es empfehlt sich bei diesen Geräten unbedingt, die Gebrauchsanweisung genau zu studieren. Für ProblemKorken sind beide Modelle nur bedingt geeignet.

15 A LA CARTE

Kellerfrisch

Weingenuss neu entdecken, Wein verstehen, Wein richtig behandeln

So bleibt geöffneter Wein länger am Leben

Die immer wieder gestellte Frage: Wie bleibt der Wein einer geöffneten Flasche länger haltbar?

Grundsätzlich gilt: Einmal geöffnet, reagiert der Wein mit dem Sauerstoff in der Luft –der Anfang vom Ende. Er oxidiert, verliert zuerst seinen eigentlichen Geschmack und wird dann zu Essig.

Um diesen Prozess zu verlangsamen, sollte die Flasche nach dem Öffnen so luftdicht wie möglich verschlossen werden. Dafür gibt es einige Methoden: Die einfachste ist, den Korken wieder so weit wie möglich in den Flaschenhals zu drücken, die Flasche in den Kühlschrank zu stellen und so schnell wie möglich auszutrinken. Wie lange sich der Wein auf diese Weise hält, ist unterschiedlich und hängt vom Wein ab – zwischen einem Tag und einer Woche ist alles möglich. Je besser der Wein, je dichter und komplexer, desto länger hält er. Weine mit Schraub- oder Glasverschlüssen halten sich geöffnet einen Tick länger. Auch Rotweine bleiben so einige Tage frisch, die Kühlung verzögert die Oxidation deutlich. Danach möglichst austrinken. Ein zweites Mal macht der Rotwein den Kälteschock nicht mit. Aber es gibt bessere Lösungen. Vorweg: Egal, welche Methode, die Haltbarkeit des Weins hängt immer von vielen verschiedenen Faktoren ab, etwa von der Rebsorte, der Ausbauform, vom Alkohol- und Tanningehalt, aber auch vom Alter des Weins. So verlieren Schaumweine zwar rasch die Perlage – auch wenn ein guter Schaumweinverschluss den restlichen Druck in der Flasche hält –, der Geschmack des Grundweins jedoch hält sich bei entsprechender Qualität durchaus länger. Ältere Rotweine am Zenit ihrer Trinkreife wiederum stehen auch mit besten Verschlüssen oft keine tagelange Aufbewahrung nach dem Öffnen durch. Die Haltbarkeit hängt auch davon ab, wie viel Wein noch in der Flasche ist. Je weniger Inhalt, desto rascher verdirbt der Wein.

Etwas länger halten sich Weine mit den sogenannten Wein-Vakuumpumpen. Das Prinzip dabei ist einfach: Zuerst wird die Luft aus der Flasche mit der Vakuumpumpe herausgepumpt. Es wird also versucht, der Flasche den atmosphärischen Druck

16 FOTO: GETTY IMAGES A LA CARTE

durch das Vakuum zu entziehen. Anschließend verhindern spezielle und mitgelieferte Verschlüsse, ähnlich wie bei einem Rückstoßventil, dass Sauerstoff in die Flasche zurückgelangt. So soll der Wein für einige Zeit sein Aroma und seine Frische behalten. Genau daran glauben Kritiker dieser Methode aber nicht: Sie argumentieren, dass es sich dabei nur um ein partielles Vakuum handle, der Wein würde immer noch mit Sauerstoff reagieren. Außerdem schade der Unterdruck den originären Aromen.

Ein anderes Verfahren scheint zuverlässiger zu sein, sogenannte Wein-Konservatoren. Ein spezielles Schutzgas, das nicht mit Wein reagiert, wird in die Flasche gefüllt. Es verdrängt die vorhandene Luft in der Flasche, weil es schwerer als Luft ist, und schützt so den Wein vor Oxidation.

Unter Weinliebhabern und in der Gastronomie hat sich dabei Coravin durchgesetzt. Die relativ aufwendigen Geräte

DER KORK IST GERISSEN ODER IN DIE FLASCHE GERUTSCHT –WAS NUN?

Das Wichtigste: Entspannt bleiben, das ist jedem Weinliebhaber schon passiert und kein Malheur! Im Falle eines gerissenen Korkens zuerst behutsam versuchen, den restlichen Kork mit Durand oder Kellnermesser herauszuziehen. Falls das nicht gelingt, den restlichen Kork, der noch im Flaschenhals steckt, einfach mit einem stumpfen Gegenstand (zum Beispiel einem umgedrehten Kochlöffel) in die Weinfasche drücken. Falls sich ein Teil oder gar der ganze Kork in der Flasche befndet, unbedingt den Wein behutsam durch einen Teeflter dekantieren. Erfahrene Sommeliers empfehlen auch nur kleine Drehbewegungen, nicht nur aus dem Handgelenk, sondern den ganzen Arm zu bewegen. In besonders schwierigen Fällen raten sie, nicht die Spindel, sondern die Flasche zu drehen. Bei porösen Korken die Brösel immer wieder entfernen, damit sie nicht in die Flasche gelangen. Falls das trotzdem passiert, durch ein sauberes Baumwolltuch oder einen Teeflter (am besten aus Metall) leeren.

sind allerdings auch hochpreisig; neben der Anschaffung des Geräts müssen auch laufend Patronen nachgekauft werden.

Dabei wird eine hauchdünne Hohlnadel durch den Korken geführt und das Edelgas Argon, das auch ein natürlicher Bestandteil der Atemluft ist, in die Flasche gepresst. Der dadurch entstehende Druck treibt den Wein durch die Nadel in das Glas. Anschließend wird die Nadel entfernt, und der Korken verschließt das winzige Loch wieder von selbst. Der Kork wird nicht entfernt! Die Weine bleiben für Monate haltbar, auch wenn es sich um alte und reife Exemplare handelt.

Der Vorteil des Systems liegt klar auf der Hand: Auch teure Weine können damit glasweise ausgeschenkt werden. Der großmütterliche Rat, einen (Silber-) Löffel in den Flaschenhals zu stecken, um den offenen Wein haltbarer zu machen, hält sich zwar hartnäckig, gehört aber in die Kategorie Weinmythen.

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Kellerfrisch

Weingenuss neu entdecken, Wein verstehen, Wein richtig behandeln

Natural Wines

Sensorische Zumutung oder unverfälschter Geschmack?

Kaum ein Thema polarisiert die Weinbranche in den letzten zehn Jahren mehr: Die Frage, ob Natural Wines Segen oder Qual sind, entfammte Glaubenskriege. Für die einen fehlerhaftes Teufelszeug, schwören die anderen auf den Zauber unverfälschter Weine. Weine, die möglichst ohne Eingriffe und Zusatzstoffe gemacht sind – wie früher, als die Winzer noch nicht über die Schikanen moderner Kellertechnologie verfügten.

Sensorische Normen werden oft über Bord geworfen. Das mag mitunter verstörend sein, kann aber auch ganz neue Geschmackshorizonte eröffnen. Vor allem junge Weingenießer schätzen die neue Freiheit des Trinkens.

Ihren Ausgang nahm die Naturweinbewegung in den 1960er-Jahren in Frankreich: Einigen Winzern erschienen die Bestimmungen für biologischen Weinbau zu lasch. Geregelt ist darin vorwiegend die Arbeit im Weingarten, im Keller jedoch hat man weitgehend freie Hand. Der biologische Gedanke der Reduktion von Technik und Chemie sollte sich auch bei der Verarbeitung fortsetzten, so die Idee. Moderne Kellertechnologie wird auf ein Minimum zurückgeschraubt, man will Weine nicht am Reißbrett entwerfen, sondern möglichst natürlich unter aufmerksamer Begleitung entstehen lassen. Ein Gegenentwurf zum industriellen Weinbau mit dem Ziel, unverfälschte, pure und lebendige Gewächse entstehen zu lassen.

Unterschied?

Auch beim Thema Natural Wine gibt es unterschiedliche Produktionsmethoden.

Diese Infos brauchen Sie zum Mitreden.

Organisch-biologischer Weinbau

Natürlicher Weinbau hat das Ziel, die Bodenfruchtbarkeit aufzubauen, den Rebstock natürlich gesund zu erhalten und die Artenvielfalt zu unterstützen. Chemisch-synthetische Spritzmittel und Kunstdünger sind verboten. Stattdessen verwendet man organische Düngung mit Mist oder Kompost und natürliche Pfanzenschutzmittel wie Tees oder Kräuterauszüge. Zwischen den Rebzeilen wird mit Pfanzenmischungen (idealerweise ganzjährig) begrünt. Kupfer und Schwefel gegen Pilzerkrankungen sind in geringen Mengen erlaubt. Man orientiert sich bei den einzelnen Arbeitsschritten auch an den Mondphasen. Neben nationalen Zertifzierungs- und Kontrollstellen wie Bio Austria gibt es auch EU-Richtlinien für biologischen Weinbau.

Biodynamischer Weinbau

Voraussetzung ist dabei die biologische Bewirtschaftung der Weingärten, im Keller werden die Trauben dann mit natürlichen, wilden Hefen vergoren – Reinzuchthefen, Aromaenzyme, künstliche Tannine, Holzchips und andere Hilfsmittel sind unerwünscht. Die Schwefelzugabe wird drastisch reduziert oder ganz gestrichen. Naturweinwinzer sind überzeugt, hohe Schwefelmengen verzerren den ureigenen Geschmack des Weins. Auch wenn viel über die Schwefelzugabe gesprochen wird, ist es doch nur ein kleiner Teil des Pakets. Es geht um die Idee des Verzichts auf unnötige Eingriffe und Manipulationen. Kritiker monieren hingegen das Fehlen verbindlicher Richtlinien und Kontrollinstanzen. Bislang überprüfen lediglich Vereine wie VinNatur in Italien oder Association des Vins Naturels in Frankreich ihre Mitglieder.

(Österreich machte mit der letzten Novellierung des Weingesetzes einen Vorstoß: Natural Wines unterliegen nun genauen Bestimmungen. Sie dürfen nicht „Naturweine“ genannt werden, die Winzer müssen biologisch wirtschaften, Zusätze und Eingriffe sind fast ausnahmslos verboten, und auch die Schwefelzugabe ist mit 70 Milligramm/ Liter begrenzt.)

Sonderform des biologischen Weinbaus, die sich an den Lehren des Anthroposophen Rudolf Steiner orientiert. Ziel ist dabei eine autonome Kreislaufwirtschaft (geschlossener Betriebsorganismus). Wie beim organisch-biologischen Weinbau sind chemisch-synthetische Spritzmittel und Kunstdünger verboten. Neben Kompostdüngung und natürlichem Pfanzenschutz werden auch spezielle biodynamische Präparate eingesetzt. Zu den EU-Richtlinien für biologischen Weinbau kommen Richtlinien der Zertifzierungs-Vereine, wie etwa Demeter oder respekt-BIODYN, die auch die Vinifkation im Keller reglementieren.

18 A LA CARTE FOTOS: GETTY IMAGES, HERBERT LEHMANN/PICTUREDESK.COM
Biodynamisch oder doch lieber organisch-biologisch, schmeckt man den
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Punkteregen in besonderen Zeiten

Der A la Carte-Wein-Guide für 2022 ist da. Willi Balanjuk hat dafür 2.730 Weine von 426 Weingütern bewertet. Die am höchsten benoteten Winzer und deren Weine präsentieren wir auf den folgenden Seiten.

Es sind spezielle, noch nie da gewesenen Zeiten für die heimische Weinbranche. Klimawandel und verheerende Unwetter verlangen nach enormer Flexibilität im Weingarten, die Covid-19-Probleme haben nachhaltige Auswirkungen auf den Verkauf am heimischen, aber auch am internationalen Markt.

Die Keller sind voll. Für kaufwillige Gastronomen und Privatkunden ergibt das ziemlich paradiesische Zustände, denn pauschal gesehen ist es keine Übertreibung, wenn man die aktuellen österreichischen Weinjahrgänge als die besten der letzten Zeit bezeichnet.

100 Punkte für 5 Weine

Gleich fünf Weine haben dieses Mal die begehrte Maximalnote von 100 Punkten bekommen. Die scheinbare Infation an Höchstnoten hat handfeste Gründe, ist alles andere als ein Zufall oder gar die Laune des Verkosters. Wieso gibt es auf einmal so viele Spitzenweine? Die Antwort, die A la Carte -Weinchef Willi Balanjuk nach seinem Verkostungsmarathon parat

hat, ist recht komplex. „Die Erfahrung der Winzer wächst mit jedem Jahrgang und parallel dazu das Alter der Reben. Eine große Zahl der Spitzenweine kommen aus Bio- oder biodynamischen Weingärten, die homogeneres Wachstum und daher auch eine etwas verlangsamte Reife erzielen. Deshalb stand jenen Winzern, die selektionierten, exzellentes Traubenmaterial zur Verfügung. Der Umgang mit Holz erfolgt wesentlich dezenter und auch gekonnter als in der Vergangenheit. Die Maische-Standzeit und das Maische-Vergären beim Weißwein werden von den Winzern gekonnt eingesetzt.“ Sehr unterschiedlich und gar nicht mehr so uniform wie früher präsentieren sich auch die Weinstile in den einzelnen Jahren.

Blaufränkisch: „all time high“

Die Blaufränkisch 2017 und 2019 überzeugen vollends, ergeben von Gols über Leithaberg und Mittelburgenland bis hin zum Eisenberg sensationelle Qualitäten und sind nach dem legendären 2011er-Jahr ein „all time high“.

Sauvignon blanc und Chardonnay sind die neuen weißen Hits

Sauvignon blanc hat mit 2019 das Level des fantastischen Jahrgangs 2017 erreicht, ist diesem in manchen Lagen sogar überlegen. Der steirische Sauvignon blanc gehört zu den besten der Welt. Präzise

und fruchtig, foral und pikant – die Weine sind in der Verkostung eleganter als Konkurrenten von der Loire oder aus Neuseeland.

Auch der österreichische Chardonnay fordert internationale Konkurrenten, etwa aus dem Burgund, heraus. Beim Preis-Leistungs-Verhältnis sticht Österreich als klarer Sieger hervor. Wofür man im Burgund 80 bis 150 Euro zahlen muss, bekommt man bei Andi Kollwentz, Erwin Sabathi und Armin Tement Weine zum halben Preis, präzise, individuelle Stilistik inklusive.

Der Riesling präsentiert sich sowohl 2020 als auch 2019 auf allen Qualitätsstufen verführerisch. Der Grüne Veltliner präsentiert sich in den Topqualitäten 2019 sehr einladend, und 2020 sind die meisten Topweine noch nicht gefüllt.

Der Trend zum „late release“ Bemerkenswert auch, dass zahlreiche „late releases“, also gereifte Weine, die von den Winzern bewusst erst sehr spät in nennenswerter Menge in den Handel gebracht werden, zur A la Carte - Guide -Verkostung eingereicht wurden. Das bringt den Beweis, wie spät und individuell gereifte Weine ihren Trinkhöhepunkt abliefern. Die gelungenen (und hoch bewerteten) Beispiele reichen vom 1992 Cabernet Sauvignon von Josef Leberl bis zum 2011 Comondor von John Nittnaus beim Rotwein. Mit dem 2007 Morillon Ried Pfarrweingarten hat der Sattlerhof einen großartigen Weißwein glücklicherweise lange zurückgehalten, und auch die Familie Gross bringt erst heuer einige sehr gelungene 2015er vom Nussberg auf den Markt. —

A la CarteWein-Guide 2022

504 Seiten, 19,90 €

D+R Verlagsgesellschaft m.b.H.

ISBN 978-3-902469-78-6

Im Buchhandel oder direkt anfordern unter bestellen@alacarte.at bzw. via Shopping-Button auf alacarte.at

A LA CARTE
A LA CARTE-WEIN-GUIDE 2022
FOTO: REGINA HÜGLI 20

Christoph Neumeister Straden

Mit gleich drei Weinen ist der Vulkanland-Winzer in der Wertungszone 100 bis 98 Punkte vertreten. Sein 2019

Sauvignon Blanc Ried Moarfeitl ist eine „steirische Schönheit“. Vielschichtig, mit kühler, eleganter Frische und fnessenreichem Aromaspiel im Abgang, auf einem Level mit dem ebenso großartigen Jahr 2017.

2019

Sauvignon Blanc Ried Moarfeitl

Vulkanland Steiermark DAC G STK

2019

Morillon Ried Moarfeitl

Vulkanland Steiermark DAC G STK

2018

Sauvignon Blanc Alte Reben

A LA CARTE 21

Albert Gesellmann Deutschkreutz

Mit einer Komposition aus rund 95 % Blaufränkisch und Sankt Laurent hat Albert Gesellmann mit seinem 2017 G die Komplexität und Finesse des Blaufränkisch auf den Punkt gebracht. Ein Wein, der sich mit allen großen Weinen der Welt matchen kann.

2017

G (Blaufränkisch/St. Laurent)

2018

Blaufränkisch hochberc

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FOTOS: HERBERT LEHMANN, STEVE HAIDER

René Pöckl Mönchhof

Der 2019 Rêve de Jeunesse fordert den 2017 Rêve zum Paarlauf. Ein Wein mit der typischen Handschrift von René Pöckl. Enorme Aromavielfalt, am Gaumen dicht, engmaschig, druckvoll und die feinsten Tannine. Ein Wein für die Ewigkeit.

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2019 Admiral 2019 Rêve de Jeunesse 40

Reinhold Krutzler Deutsch Schützen

Der 2019 Perwolff von Reinhold Krutzler ist mit „drogenhafter Fruchttiefe und feinster Melisse“ ein Meisterwerk. Dieser Wein eröffnet eine neue Dimension der Fruchtnoten dieser Rebsorte.

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FOTOS: WEINGUT KRUTZLER, STEVE HAIDER
A LA CARTE-WEIN-GUIDE 2022
2019 Blaufränkisch Perwolff

Roland Velich, Moric Großhöfein

Roland Velich hat mit seinem 2019 Blaufränkisch Lutzmannsburg Alte Reben einen sensationellen Wein gekeltert. Aromatisch offeriert er alle Nuancen der Rebsorte, verbindet am Gaumen eine grandiose Dichte und Engmaschigkeit, die mit perfekten Tanninen endet.

A LA CARTE 25
2019 Blaufränkisch Alte Reben Lutzmannsburg

Sattlerhof, Willi Sattler Gamlitz

2017 Morillon Ried Pfarrweingarten

Südsteiermark DAC G STK

2017 Sauvignon Blanc Ried Kranachberg Trinkaus Südsteiermark DAC G STK

2007 Morillon Ried Pfarrweingarten G STK

Erwin Sabathi Leutschach

2019 Sauvignon Blanc Ried Pössnitzberg Alte Reben

Südsteiermark DAC G STK

2018

Sauvignon Blanc Ried Pössnitzberger Kapelle

Südsteiermark DAC G STK

2019

Chardonnay Ried Pössnitzberg Alte Reben

Südsteiermark DAC G STK

2018

Chardonnay Ried Pössnitzberger Kapelle Südsteiermark DAC G STK

Walter Frauwallner Straden

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2017 Gelber Muskateller TBA Essenz 2019 Sauvignon Blanc Ried Buch G STK
FOTOS: REGINA HÜGLI (2), NARENG DESIGN, PETR BLAHA, WEINGUT F. X. PICHLER, HERBERT LEHMANN

Emmerich Knoll Unterloiben

F. X. Pichler Dürnstein

2020 Riesling Unendlich

2020 Riesling Ried Kellerberg Wachau DAC

Paul Achs Gols

A LA CARTE 27
2019 Riesling Smaragd Loibner Vinothekfüllung 2019 Blaufränkisch Ried Spiegel
A LA CARTE A LA CARTE-WEIN-GUIDE 2022 28
Gross Ratsch
Römerhof Großhöfein
2015 Sauvignon Blanc Ried Nussberg Fassreserve G STK
Kollwentz
2019 Chardonnay Ried Katterstein Johannes Hirsch Kammern 2019 Riesling Ried Heiligenstein Zöbing Kamptal DAC 1 ÖTW
FOTOS: WEINGUT GROSS/LUPI SPUMA, ROBERT HERBST, WEINGUT KOLLWENTZ, MANFRED KLIMEK, DAVID SCHREYER, WEINLAUBENHOF KRACHER
A LA CARTE 29 Thomas Kopfensteiner Deutsch Schützen 2019 Blaufränkisch Ried Reihburg Eisenberg DAC Reserve Anita & Hans Nittnaus Gols 2011 Comondor 2018 Welschriesling No. 9 Nouvelle Vague 2018 Welschriesling TBA No. 8 Zwischen den Seen Kracher, Weinlaubenhof Illmitz
A LA CARTE 30 A LA CARTE-WEIN-GUIDE 2022
Bernhard Ott Feuersbrunn
2019 Grüner Veltliner Ried Rosenberg Feuersbrunn 1 ÖTW
Prager Weißenkirchen
2020 Grüner Veltliner Smaragd Ried Zwerithaler Kammergut Wachau DAC Georg Prieler Schützen
FOTOS: WEINGUT BERNHARD OTT/BERNHARD ANGERER, WEINGUT PRAGER, REGINA HÜGLI, TONY GIGOV, RAIMO RUMPLER, STEVE HAIDER
2018 Blaufränkisch Ried Goldberg

Reinisch, Johanneshof Tattendorf

Schiefer.pur Welgersdorf

Rotes Haus Wien

A LA CARTE 31
2017 Pinot Noir Ried Kästenbaum 2017 Blaufränkisch Ried Reihburg 2020 Wiener Gemischter Satz DAC Ried Langteufel Nussberg 1 ÖTW

Schloss Gobelsburg Langenlois

2019 Riesling Ried Zöbinger Heiligenstein Kamptal DAC 1 ÖTW

Hans Tschida

Angerhof Illmitz

2017 Sämling 88 Beerenauslese Domkapitel

Wachter-Wiesler Deutsch Schützen

2018 Blaufränkisch Ried Reihburg Eisenberg DAC Reserve

Die besten Raw Wines

95 2019 Materia Prima

Weinberghof Fritsch, Oberstockstall

95 2019 Traminer

Andreas Gsellmann, Gols

95 2019 Sauvignon Blanc Ried Schlingelberg IC

Weingut Peter Masser, Leutschach

Die besten Schaumweine

95 2017 Blanc de Blancs Brut Nature Gr. Reserve

Weingut Bründlmayer, Langenlois

95 NV Solera Sekt g. U. Reserve Extra Brut

Weingut Harkamp, Leibnitz

95 2017 Blanc de Blancs Brut Große Reserve Christina Hugl, Langenlois

A LA CARTE
A LA CARTE-WEIN-GUIDE 2022
FOTOS: REGINA HÜGLI, INGO PERTRAMER, STEVE HAIDER
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Gebrüder Nittnaus

Jeder Handgriff der Brüder Andreas und Hans Michael Nittnaus zielt darauf ab, Weine zu schaffen, die die berühmte Fruchtigkeit burgenländischer Weine besonders eindrucksvoll repräsentieren.

Ihre Familie blickt auf über 300 Jahre Winzertradition zurück. Diesen einzigartigen Schatz bewahren die Gebrüder Nittnaus mit nachhaltiger Arbeit im Gleichklang mit der Natur: „Wir wissen, dass die fantastische Qualität unserer Trauben, gepaart mit ihrem typischen burgenländischen Charakter, dank der umsichtigen Pfege der Weingärten durch die Generationen vor uns überhaupt erst möglich ist. Dieses vorausschauende Wirken haben wir beibehalten und weiterentwickelt, Nachhaltigkeit ist für uns enorm wichtig“, so die Gebrüder. „Wir lieben, was wir tun, wirtschaften nachhaltig und stehen für Weine, die die berühmte Fruchtigkeit burgenländischer Weine besonders eindrucksvoll repräsentieren.“ Als Brüder führen sie das Weingut gemeinsam, sie stehen für Beständigkeit, Handschlagqualität und Familiengeschichte, aber auch für einen neuen Blick auf das Ganze – und die Selbstverständlichkeit unter Brüdern, sich jederzeit wertschätzend zu fordern und gemeinsam Neues weiterzuentwickeln.

Herkunft Burgenland

Gols ist aus gutem Grund eine der größten Weinbaugemeinden Österreichs: Nirgendwo auf der Welt schmecken dichte Weine so leichtfüßig, sind frische Weine so kompakt, und die Süßweine zählen auch zu

Die Zweigelt Luckenwald Neusiedlersee DAC Reserve, ein Paradewein der Gebrüder Nittnaus, wird regelmäßig ausgezeichnet und ist aktuell im Salon Österreich Wein.

den besten der Welt. Für die Gebrüder Nittnaus ist es ein Geschenk, in ihrer Heimat sowohl Rotweine als auch Weiß­ und Süßweine in exzellenten Qualitäten präsentieren zu können. Ihre Weine werden regelmäßig unter die besten des Landes gereiht und auch hoch bewertet.

Gebrüder Zweigelt

Knapp zwei Drittel der Rieden der Gebrüder sind mit autochthonen Rotweinsorten bepfanzt. Besonderes Augenmerk legen sie auf ihre Paraderebsorte Zweigelt, aber auch Blaufränkisch hat einen festen Platz in ihrem Weinsortiment. Die Weißweine der Gebrüder Nittnaus verfügen über die sortentypischen Eigenschaften ihrer Rebsorten ebenso wie ihren burgenländisch­fruchtigen Charakter. „Wir vinifzieren aromatisch­frischen Sauvignon blanc, kräftigen Chardonnay, aber auch Grünen Veltliner, Muskat Ottonel und Gelben Muskateller. Unsere einzigartigen, vielmals prämierten Süßweine verdanken wir dem besonderen Klima am Neusiedler See“, umreißen die Gebrüder den Charakter ihrer Weine. Die Nähe zur Natur, das Streben nach höchster Perfektion und die Leidenschaft für Weinbau machen die Weine der Gebrüder Nittnaus zu außergewöhnlichen Weinpersönlichkeiten, und das schmeckt man bei jedem Schluck!

33 A LA CARTE ADVERTORIAL FOTO: EVI HUBER & FRANZ HELMREICH GEBRÜDER NITTNAUS
Die Brüder Andreas und Hans Michael Nittnaus stehen für klassischfeinfruchtige, typisch burgenländische Weine.

Wein aus Stein

Der Welschriesling beginnt gerade sein zweites Leben: als überraschender Lagenwein, beeindruckender Terroir-Vermittler und Profteur der Klimaerwärmung. Ein Porträt von sechs Protagonisten mit ganz unterschiedlichen Zugängen. TEXT VON FLORIAN HOLZER

Welschriesling, echt jetzt? Der apfelfruchtig-unkomplizierte Trinkwein, bekannt und beliebt als steirischer Junker, Grundlage erfrischender G’spritzter im Burgenland und Basis der Sektindustrie im Weinviertel? Der spätestens nach einem Jahr weggetrunken ist oder zumindest sein sollte, dieser Welschriesling?

Ja, genau, dieser Welschriesling. Denn diese Rebsorte kann weitaus mehr als nur hellgrün, knackig und frisch zu sein oder in heißen Jahren ihren zu Plumpheit tendierenden Sortenkollegen ein bisschen mit Säure auszuhelfen. „Wenn man ihn lässt, ist der Welschriesling ein grandioser Terroir-Transmitter“, sagt ein Mann, dem man als gebürtigen Steirer eine Nähe zum Welsch zwar durchaus zutraut, der mit dieser Aussage als TopSommelier, Träger so ziemlich aller Wein-Auszeichnungen, die es gibt, und quasi inoffzieller Wein-Botschafter Österreichs in Deutschland aber halt trotzdem überrascht: Gerhard Retter ist neben seiner Tätigkeit als Patron und Wein-Gehirn des Berliner Kult-Restaurants Cordo nämlich auch

Der Welschriesling kann „Terroir“ zwar nicht besser aus dem Boden saugen als andere Sorten, aber bei ihm werden mineralische Akzente nicht durch Primärfrucht überlagert, sondern durch die spezielle Säurestruktur eher in den Vordergrund gespielt.

ein bisschen für die ÖWM tätig, unter anderem, indem er sich um die „vergessenen Rebsorten“ kümmert. Und in dieser Funktion initiierte er Ende Juni die sogenannte Wöschmeisterschaft, bei der 240 Welschrieslinge in fünf Kategorien antraten, und zwar neben den bekanntermaßen starken Welschriesling-Disziplinen Klassik und Prädikat auch in so Kategorien wie Riede, Natural, Orange & Amphore sowie Nouvelle Wösch. Letztere war gewissermaßen die Kategorie der Individualisten und daher natürlich am wenigsten exakt defniert, dafür aber am interessantesten. „Alle waren jedenfalls total gefasht“, jubelt Gerhard Retter, womit das Ziel der Wöschmeisterschaft erreicht worden sei, nämlich das ungeahnte Potenzial dieser Rebsorte zu zeigen, „und vor allem auch bei der Winzerschaft ein Be-

wusstsein zu schaffen, was sie da haben, Wertschätzung zu erzeugen, aus der eventuell auch Wertschöpfung werden kann“.

Die Wöschmeisterschaft soll zukünftig alle drei Jahre stattfnden, in Zukunft auch interessante Welschdominierte Cuvées behandeln und vor allem zu „einer echten Weltmeisterschaft werden“, wie Retter meint, nämlich mit Teilnahme auch der besten Olaszrizling-Weine aus Ungarn, der beeindruckenden Graševinas aus den Karst-Regionen Sloweniens und Kroatiens sowie des friulanischen Riesling Italico.

34 WELSCHRIESLING
A LA CARTE FOTOS: MANUEL ZAUNER, INGO PERTRAMER

Tements Weinstock, Alte Reben

Einer der interessantesten Protagonisten dieser Welschriesling-Renaissance ist fraglos Armin Tement. Wenn man vor zehn Jahren am Weingut die weltbewegenden Sauvignons der Tements verkostete, wurde da oft auch eine mysteriöse Flasche mit per Hand aufgeklebtem Etikett eingestellt, Weinstock, Alte Reben stand da drauf, der Wein stand auf keiner Liste, war nicht im Handel erhältlich. Und der erinnerte auf ganz erstaunliche Art und Weise an das, was zu dieser Zeit auch aus dem friulanischen oder slowenischen Karst kam, Weine von einer bis dahin kaum gekannten Mineralität, bei der es einem fast schon die Nackenhaare aufstellte, nackter Stein, gnadenlose Struktur, null Frucht, reichlich Säure.

Zweifellos ein Wein der Extreme, der anfangs nicht viele Freunde fand, erinnert sich Armin Tement. Und zwar entweder, weil die Leute bei Verkostungen die Welschrieslinge sowieso auslassen wollten, wie mineralisch oder einzigartig auch immer sie sein mögen, oder weil sie nach Blindverkostungen die Information ablehnten, dass dieser Wein ein Welschriesling sei, Tement kann da einige heitere Anekdoten erzählen. Verkauft wurden die geringen Mengen dieses Weins in den vergangenen Jahren jedenfalls fast ausschließlich ins Ausland, „es sind vor allem Sommeliers, die diesen Wein suchen, er wird zugeteilt. Er ist etwas Besonderes“.

Der Weingarten des Weinstock, Alte Reben befndet sich in der Riede Zieregg, Tements Paradelage für Weltklasse-Sauvignons, und da fragt man sich natürlich schon, wie gerade dort ein Welsch riesling überleben konnte, warum der nicht ausgerissen oder umveredelt wurde. Armin Tement erzählt, dass sein Vater Manfred eigentlich immer ein großer Freund des Welschriesling war und dieser Weingarten einer der ersten, die er in den 70ern selber setzte, auf damals gepachtetem Grund einer Frau namens Weinstock. Die Anlage genoss betriebsintern also immer einen gewissen Respekt, Armin schlug seinem Vater daher einmal vor, deren Trauben genauso zu vinifzieren wie die Sauvignons, „und da wurde es auf einmal wieder interessant“. Denn gönnt man den Trauben dieser an und für sich eher spät reifenden Sorte ihre physiologische Reife, sei da kaum mehr Primärfrucht vorhanden, und der Alkohol gehe auch kaum über 12,5 % hinaus, so Tement. Das heißt, absolut nichts verdeckt hier den Geschmack des Bodens, der in diesem Fall aus Muschelkalk besteht.

Nur zwei Burgunderfässer dieses Weins werden gekeltert, zu wenig und zu teuer, um die Öffent-

lichkeit von der seit vierzig Jahren herrschenden schlechten Meinung abzubringen, das weiß Armin Tement natürlich. Weshalb er erstmals mit dem Jahrgang 2015 und nach einer Pause wieder aktuell mit dem 18erJahrgang quasi eine „Einstiegsdroge“ auf den Markt brachte, den Welschriesling Ried Ottenberg Veitlhansl. Auch sehr kalkreich, aber lange nicht so unerbittlich wie der Weinstock, durchaus noch mit zarten Ribiselund Stachelbeer-Aromen ausgestattet, packende Struktur, der Eindruck von Maischegärung lässt sich nicht vermeiden, „ist aber ganz klassisch vinifziert“.

Das Interesse an seinen Top-Welschrieslingen sei jedenfalls enorm gewachsen, und es freue ihn, sagt Armin Tement, dass immer mehr Winzer in der Steiermark Trauben alter Welsch-Parzellen separat und mit gebührendem Respekt vinifzieren, „ein Wein, der authentisch ist, nicht viel

Die Tements, Armin, Manfred und Stefan, berühmt für Sauvignons blancs. Manfred Tements erster Weingarten war aber ein Welsch riesling; und der ergibt den absolut puristischen Weinstock, Alte Reben.

Alkohol hat und jede Menge Terroir zeigt, eigentlich ein absolut moderner Wein. Der wird uns noch viel Freude machen“.

Der ewige Geheimtipp:

Herists Rechnitzer

Welschrieslinge

Aber der Platz, an dem der Welschriesling auf hohem Qualitätsniveau die Phasen der kaltvergorenen Reinzuchthefe-Vinifkation einigermaßen unbeschadet überdauern konnte, war das Südburgenland. Und da speziell der kleine Ort Rechnitz am Hang des Geschriebensteins, ausgestattet mit einer geologischen Besonderheit, nämlich dem sogenannten „Rechnitzer Fenster“, durch das uraltes Schiefergestein an die tektonische Oberfäche tritt. Die Familie Herist betreibt hier seit den Sechzigerjahren nebenerwerblich Weinbau auf etwa drei Hektar, Welsch riesling ist die Hauptrebsorte, und sein Großvater habe immer

35 A LA CARTE
Die Familie Herist aus Rechnitz hält dem Welsch seit jeher die Treue. Dieter Herist keltert aus den Trauben vom Hang des Geschriebensteins Topweine.

schon so vinifziert, wie man es heute als modern betrachtet, erzählt Dieter Herist. Und er macht es nach Großvaters Manier: Je nach Traubenqualität mal Ganztraubenpressung, mal ein bisschen Extraktion, so viel Schwefel wie notwendig, lange Reifung auf der Feinhefe im großen Fass, „ganz normal“. Aber durchaus mit Wirkung. Herists Rechnitzer Welschrieslinge galten in den späten 80er-Jahren als klassische Reinleger bei Blindverkostungen, diese Struktur, diese Säure, diese Mineralität kannte man in Österreich damals nicht. Großvater Herist machte sogar einmal den burgenländischen Welschriesling-Landessieger, der Name Herist tauchte immer wieder unter den als absolut geheim geltenden Geheimtipps auf.

2005 übernahm Dieter Herist – damals hauptberufich bei Wein & Co – das familiäre Weingut, und nachdem ihn die alten Welschriesling-Doppler der 70er aus Großvaters Vinothek mit erstaunlicher Frische und Substanz überraschten, beschloss er, statt dem gerade durch die Decke gehenden Blaufränkisch dem weißen Underdog seine Aufmerksamkeit zu widmen, „da bin ich im Ort aber schon eher verlacht worden“. Mit nur 1,2 Hektar Rebfäche keltert er den Welschriesling in drei Qualitätsstufen: einmal klassisch, ein beeindruckender Wein mit feinen Weingartenpfrsicharomen, einer fast „cremig“ wirkenden Säure und jeder Menge Struktur, man könnte ihn für einen Viognier halten; einmal als Selektion alter Reben, ein ruhiger, balancierter, engmaschiger Wein, der viel Substanz zeigt; und in Ausnahmejahren mit besonders langer Vegetationsphase auch als Ried Oberrechnitz Tradition – ganz viel Mineralität, exotische Frucht-Komponenten, sehr subtil und eine strukturierte Säure, die man einfach nur als seidig elegant bezeichnen kann. Ein Welschriesling, wie man ihn höchstwahrscheinlich nie zuvor probiert hat.

Welschriesling-Zentrum Rechnitz

Weitaus schillernder als Dieter Herist zeigt sich Thomas Straka. Auch er leitet sein Rechnitzer Weingut in dritter Generation, legt allerdings eine gewisse Popstar-Attitüde an den Tag, seine Website textete die deutsche Indie-Pop-Ikone Thees Uhlmann, seine Basisweine heißen Stratos, er keltert Pet Nat, füllt Wein in Amphoren und machte einen ehemaligen Supermarkt zu seinem neuen Weingut. Straka übernahm den elterlichen BuschenschankBetrieb 2012 und änderte gleich einmal alles, alles außer den Fokus auf den Welschriesling. „Ich hab damals alle Weine in Rechnitz probiert, und diese Welschrieslinge aus den 90ern, gereift im großen

Holz, haben mir schon sehr gut gefallen. Das machte er also auch so, Welschriesling pur, ebenso knackig wie mineralisch, Welschriesling als substanzreiche Cuvée mit Weißburgunder, Welschriesling als Pet Nat und dann noch zwei besondere Welschrieslinge: einerseits den Wein seiner Paradelage Prantner, der mit seiner Mischung aus Zitrusaromen und mineralischem Schiefer-Stinkerl durchaus zu beeindrucken weiß. 2018 meldete die DACKommission Einspruch an, weil nur Blaufränkisch Lagennamen tragen darf und der Wein also P…..R heißen musste. Seit dem Jahrgang 2019 nennt

Re.: Melanie und Reinhold Krutzler haben am Eisenberg und in Deutsch Schützen auch ihre Liebe für den Welsch entdeckt – und widmen ihm den gleichen Respekt wie den Blaufränkern.

Unten: Nicole und Thomas Straka, hipper Welschriesling­ New­Wave aus Rechnitz im Südburgenland

er sich Grünschiefer, Prüfnummer hat er übrigens keine, diesen Kampf gab Thomas Straka auf, „die Prüfkommission empfndet meine Welschrieslinge als sortenuntypisch“. Was einer Auszeichnung gleicht. Und schließlich der 3330, ein ganz besonderer Fall von Welschriesling-Weingarten: 1930 gepfanzt, wurzelecht („auch verboten, ich weiß, aber wenn ihn die Reblaus in den letzten 90 Jahren nicht gefressen hat, wird sie’s jetzt auch nicht mehr …“), 700 Stöcke, die etwa je ein Kilo Trauben tragen. „Wir lesen reif, 17,5° aufwärts, der Wein vergärt spontan und macht Säureabbau“, so

36 A LA CARTE WELSCHRIESLING
FOTOS: INGO PERTRAMER (2), WEINGUT KRUTZLER (2)

Straka. Und das wird dann sehr interessant: Für einen Welsch riesling zeigt der Wein seidig-schmelzige Weichheit, abgerundete Kanten, einen Hauch neues Holz und wahnsinnig viel Salz auf der Zunge. Der 3330 – das ist übrigens die Grundstücksnummer und (mit einem Komma nach der zweiten Ziffer) auch der Flaschenpreis – erinnert an mallorquinische Cuvées mit Prensal blanc, erstaunlich, wieder ein klassischer Kandidat für eine Blindverkostung.

Rotweinmacher können auch Welschriesling

Und auch die Rotwein-Stars des Südburgenlands setzen zunehmend auf Welschriesling in der gehobenen Mittelklasse, erstens, weil die Weingärten da sind, und zweitens, weil sie es können. Uwe Schiefer war am Eisenberg wohl der Erste, der mit seinem Weißen Schiefer nach einer eigenständigen südburgenländischen Weißweinstilistik suchte. Die ursprünglichen Cuvées aus Grünem Veltliner und Welschriesling wurden immer Welsch-lastiger, aktuell besteht etwa der Weiße Schiefer fast ausschließlich aus Welschriesling.

Oder Christoph Wachter, der nicht nur einen eher knackig angelegten Olaszrizling im Sortiment hat, sondern auch einen profunden Alte Reben in Weiß aus 100 % spontan vergorenem, 14 Monate im großen Fass gelagertem Welschriesling von Grünschieferböden. Oder Franz Reinhard Weninger aus Horitschon, der in seiner süburgenländischen Expositur in der Eisenberg-Steillage Saybritz nicht nur Blaufränkisch stehen hat, sondern auch Welschriesling, dessen Trauben maischevergoren einen raren Sammler-Welsch ergeben.

Oder Reinhold Krutzler, der vielleicht blaufränkischste unter Südburgenlands Rotweinmachern. Schon vor über zwanzig Jahren tüftelte er mit seinem Bruder Erich an einem Welschriesling-Projekt, 2015 hatte er dafür dann aber endlich die richtige Anlage im richtigen Alter zur Hand: Ried Ratschen, 30 Jahre alt, sandiger Lehm, rot vom darin enthaltenen Eisen, „bei dem beschloss ich, ihn einfach genauso zu vinifzieren wie einen Blaufränkisch“. Was im Südburgenland übrigens keine Modeerscheinung ist, wie Krutzler erklärt, sondern – rund um den ursprünglich als Weißweingebiet bekannten Eisenberg – eigentlich immer schon so gemacht wurde. „Der

weingüter

Weingut Tement

Zieregg 13

8461 Berghausen

T 03453/410 10

tement.at

Dieter Herist

Badergasse 34

7471 Rechnitz

T 0699/17 15 50 56

Straka

Bahnhofstraße 15

7471 Rechnitz

T 0664/201 63 96

weinbau-straka.at

Weingut Krutzler

Untere Hauptstraße 6

7474 Deutsch Schützen

T 03365/218 68

krutzler.at

Warga-Hack Höch 60

8441 St. Andrä

T 0664/921 69 56 warga-hack.at

Theresa & Bernhard Liszt Hauptstraße 10

2443 Leithaprodersdorf

T 02255/62 27 lisztwein.at

Welschriesling ist eine Rebsorte, aus der man viel Verschiedenes machen kann“, unreif gelesen und fruchtig ausgebaut, das sei eigentlich erst mit dem Weinskandal 1985 und dem darauffolgenden Wunsch des Publikums nach trockenen, leichten und auch sauren Weinen gekommen, so Krutzler. „Der Welschriesling kann absolut Terroir transportieren, nicht so wie der Chardonnay, das wäre vermessen, aber er ist defnitiv der Weißwein des Südburgenlands.“ Und da werde in Zukunft auch nicht nur aus Rechnitz Interes-

santes zu erwarten sein, sondern etwa auch aus der Lage Csaterberg bei Kohfdisch. Der 2015er Welschriesling von der Ratschen weist immerhin 14 % Alkohol auf und wird von einem interessanten Altersfrn samt zarten Holztönen umschmeichelt, beim 2019er sind die Eichennoten durchaus präsent, was dem strukturierten, straffen und leicht kantigen Wein mit dezenter Salznote einen burgundischen Touch gibt. Nicht umsonst wurde er – anders als noch der 15er – in eine Burgunderfasche gefüllt.

37 A LA CARTE

Steirische Alleskönner

Aber wenn man in Österreich über Schieferböden spricht, kommt man letztlich am Sausal nicht vorbei, und dort keltert Rainer Hack eine sehr interessante Serie von Welschrieslingen. „Schiefer muss man mögen“, sagt Rainer Hack, der den Betrieb nach Jahren der biologischen und biodynamischen Bewirtschaftung seit 2019 nach Demeter-Richtlinien führt. In der Steiermark sei der Welschriesling absolut der Gewinner der deutlich merklichen Klimaveränderung, sagt Hack, „bis in die 80er wurde er nur selten wirklich reif, mittlerweile absolut. Und im Gegensatz zum Sauvignon oder Morillon hat er dann

„Der Welschriesling ist eine Sorte, die vieles kann“, sagt er, sein Phyllit wird unfltriert und schwefelfrei vinifziert, rangiert also im Grenzbereich zwischen „natural“ und „orange“.

Südsteirische Weinstraße, Sausal, Eisenberg, Rechnitz und sonst? Wenn man ein bisschen sucht, fndet man durchaus noch weitere interessante Welschriesling-Projekte, zum Beispiel in Leithaprodersdorf an der burgenländisch-niederösterreichischen

Li.: Rainer Hack erntet seine demeterzertifzierten Welschrieslingtrauben von der Sausaler Ausnahmelage Wilhelmshöhe und lässt sie für den Phyllit auf der Maische gären.

Oben: Bernhard und Theresa Liszt geben vor, nur Buschenschankweine zu produzieren – die aber Extraklasse haben.

gen, von Kupfereinlagerungen geprägten Lage Gaisberg und der eher kalkdominierten Mitterberg, kommt ohne Schwefel und andere Zusätze ins große Holz, „wo ich ihn dann ein Jahr lang nicht angreifen muss“. Der Nudiszt ist ein erstaunlicher Wein. Mit nur 12,5 % zeigt er eine enorme Spannkraft, sehr mineralisch, Feuerstein, purer Boden, komplex und engmaschig. Der Indikator, nach dem Bernhard Liszt den Lesezeitpunkt bestimmt, sei die Säure, „der Welschriesling ist ein Wein, der Spannung hat, aber er muss nicht alle anderen Weine überbieten“. Dieser überbietet defnitiv viele.

auch noch eine gute Säure.“ Dass der Welschriesling genauso viel Respekt verdient wie jede andere Rebsorte, erfuhr Rainer Hack vor allem von der Sausaler Weinlegende Franz Hirschmugl, bei dem er lernte und dem er in dessen letzten Lebensjahren bei der Bewirtschaftung seines kleinen Weinguts half.

Von Franz Hirschmugl übernahm er auch die Warga-Hack’sche Monopollage Wilhelmshöhe samt uralter Welschriesling-Anlage: BlauschieferUnterboden, Hangneigung bis 60 %, 600 Meter Seehöhe, „das ist so steil dort, das kann man nur mit der Hand bearbeiten, wirklich schwierige Verhältnisse“, sein Lagen-Welschriesling Wilhelmshöhe zeigt die Schiefernuancen besonders schön. Vor einigen Jahren befasste sich Hack aber außerdem mit Maischevergärung, und nachdem ihn schon sein erster Versuch absolut begeisterte, beschloss er, dass genau der Welschriesling aus dieser charismatischen Anlage so vinifziert werden soll, benannt nach dem hier dominierenden Schiefer-Typus Phyllit und als Teil der obersten Qualitätsrange des Weinguts.

Grenze. Der Welschriesling sei hier immer schon die Hauptsorte gewesen, weiß Bernhard Liszt. Früher habe er die Trauben auch mit 13 bis 16° KMW gelesen und im Stahltank kalt vergoren, „aber man entwickelt sich“. Konkret entwickelte sich das Weingut Liszt nicht nur zu einem DesignerHeurigen mit eigenen Freilandschweinen samt deren Verarbeitung, sondern vor sieben Jahren auch zum Bio- und später zum Demeter-Betrieb.

Nachdem sich Bernhard Liszt primär als Heurigenwirt sieht, stellt er an seine Welschrieslinge zwei Anforderungen: Sie müssen wenig Arbeit machen und den Leuten schmecken. Das ist natürlich Understatement pur. Das Traubenmaterial stammt aus zwei verschiedenen Lagen, der eher sandi-

Ist die Zeit der Welschriesling-Revolution angebrochen, reißen die neuen Welschrieslinge von nun an alles nieder? Nein, sagt A la Carte -Weinchef Willi Balanjuk, dazu handle es sich nicht nur um zu geringe Stückzahlen dieser Weine, auch die enorme Individualität der neuen WelschrieslingProjekte – jeder interpretiere das Thema anders – erschwere die Schaffung eines neuen Images dieser Sorte, „es dauert wohl noch ein bis zwei Generationen, bis das beim Publikum ankommt“. Dass die Erderwärmung für den Welschriesling spricht, steht für Willi Balanjuk freilich außer Zweifel, „wobei das, was der Welschriesling kann, können Weißburgunder, Furmint und letztlich Chardonnay auch“. Immerhin, den Topweinen, die er bei der Wöschmeisterschaft verkostete, würde er ein Punkteniveau von 93 bis 95 zugestehen, „weil das ist Wein, nicht Welschriesling“. —

38 A LA CARTE WELSCHRIESLING
FOTOS: KARIN BERGMANN/WARGA-HACK, JÜRGEN GRÜNWALD

Die Wöschmeisterschaft

Um dem Welschriesling die Bühne zu geben, die er verdient, hat eine Jury, bestehend unter anderen aus Thomas Curtius MW, Alexander Koblinger MS (Döllerer’s Weinhandelshaus), Andreas Wickhoff MW, Willi Balanjuk (A la Carte), Marco Franzelin (Schloss Schauenstein), Petra Bader (Gault&Millau), Harald Scholl (Vinum),

Risto Rieger (Weinhandlung Walter & Benjamin, München) und weiteren Top-Verkostern, unter der Leitung von Gerhard Retter, René Kollegger und Claudia Genner-Schauer am 28. Juni 2021 am Weingut Wolfgang Maitz in Ratsch an der Weinstraße die Wöschmeister gekürt. Verkostet wurden 240 Weine in verschiedenen Kategorien.

NOUVELLE WÖSCH – TOP 10

Weingut Pfeifer, St. Anna, Aigen

Welschriesling 2020

Weingut Kleinhöfeinerhof, Eisenstadt

„Mein Welschriesling“ 2020

Weingut Oberer Germuth, Glanz, Weinstraße

Welschriesling 2020

Weingut Hareter Dieter & Yvonne, Weiden, See

Welschriesling 2020

Weingut Platzer, Tieschen

Welschriesling 2020

Weingut Tallian, Rechnitz

Welschriesling 2020

Weingut Auer, Höfein

Welschriesling 2020

Weingut Zöchmann, Sitzendorf

Welschriesling 2020

Weingut Mandl-Brunner, Rechnitz

Welschriesling 2020

Weingut Gollenz, Tieschen

Welschriesling 2020

Weingut Krispel, Straden

Welschriesling Ried Stradner Rosenberg 2018

Weingut Stubits, Kohfdisch

Welschriesling Ried Csaterberg 2017

Weingut Hirschmugl, Leibnitz

Welschriesling Ried Wiesberg 2017

Weingut Wolfgang Maitz, Ratsch, Weinstraße

Welschriesling Ried Sulz 2018

Weingut Kögl, Ratsch, Weinstraße

Welschriesling Ried Stermetzberg 2019

Weingut Polz, Spielfeld

Welschriesling Ried Hochgrassnitzberg 2019

Weingut Tement, Berghausen

Welschriesling Ried Ottenberg Veithansl 2018

Hammer Wein, Rust

Welschriesling Ried Vogelsang 2019

Weingut Weinwurm, Dobermannsdorf

Welschriesling Ried Schilling 2020

Weingut Regele, Ehrenhausen

Welschriesling Ried Zoppelberg 2019

Weingut Kodolitsch, Leibnitz

Welschriesling Ried Rosengarten „Alte Reben“ 2018

Uwe Schiefer & Domaines Kilger, Großpetersdorf

Welschriesling „weißer schiefer“ 2018

Weingut Thomas Straka, Rechnitz

Welschriesling Prantner „Straka“ 2019

Weingut Trummer, Spielfeld

Welschriesling „Alte Reben“ 2017

Weingut Sattlerhof, Gamlitz

Welschriesling „Alte Rebstöcke“ 2019

Weingut LacknerTinnacher, Gamlitz

Welschriesling „Franz Lackner“ 2019

Weingut Velich, Apetlon

Welschriesling „Alte Reben“ 2019

Weingut Tement, Berghausen

Welschriesling „Weinstock Alte Reben“ 2018

Weingut Hans Gsellmann, Gols

Welschriesling 2020

Weingut Weninger, Horitschon

Welschriesling „Saybritz“ 2018

Weingut Schauer, Kitzeck Welschriesling 2019

Kolfok, Neckenmarkt

Welschriesling „Nolens Volens“ 2018

ORANGE – TOP 5

Weingut Michi Lorenz, Kitzeck

Welschriesling „Revoluzza“ 2017

Weingut Silberberg, Leibnitz

Welschriesling „Natural“ 2020

Weingut Harkamp, Flamberg

Welschriesling „Orange Nr. 2“ 2018

Weingut Michi Lorenz, Kitzeck

Welschriesling „Revoluzza“ 2018

Katrin Lautner, Jois

Welschriesling „Wilde Karotte“ 2020

PRÄDIKAT – TOP 5

Weingut Kracher, Illmitz

Welschriesling „Zwischen den Seen No. 8“ 2018

Weingut Feiler-Artinger, Rust

Welschriesling „Ruster Ausbruch Essenz“ 2016

Weingut Kollerhof-Lieleg, Eichberg

Welschriesling Trockenbeerenauslese 2018

Weingut Trabos, Gamlitz

Welschriesling Trockenbeerenauslese 2017

Weingut Bauer – die Weinfamilie, Illmitz

Welschriesling Trockenbeerenauslese 2017

Junker-Präsentation am 10.11. in Graz Offizieller Verkaufsstart 25.10. STEIRISCHERJUNKER.AT facebook.com/steirischerjunker DER JUNKER KOMMT! Jetzt beim ONLINE GEWINNSPIEL mitmachen:
– TOP 10 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
KLASSIK
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
RIEDE – TOP 10
1 2 3 4 5
1 2 3 4 5
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Die Winzer und das liebe Vieh

Im Namen des Weins: Vierbeinige Landschaftsplaner, Rasenmäher, schweres Gerät mit nur einer PS, hellsichtige Kellerkatzen und ferme Hofhunde. Ein Blick hinter die Kulissen zeigt, dass gar nicht wenige Vierbeiner einen beachtlichen Beitrag zum Weinbau leisten. Sie verbessern die Böden, sorgen für Vielfalt, sind ökologischer als Traktor & Co und charmante Persönlichkeiten obendrein. Von Winzer-Landwirten mit archaischen Arbeitsmethoden und einem großen Herz für Tiere.

40 A LA CARTE WEINTIERE
Re.: Der Kärntner Winzer Markus Gruze gemeinsam mit Blacky im Pinot-Garten, wo der kapitale Schafbock plus Herde für Beweidung zuständig sind PORTRÄTS VON NINA KALTENBRUNNER FOTOS VON REGINA HÜGLI
41 A LA CARTE

Tierischer Hofkreislauf

Markus Gruze ist in Neuseeland zum Wein gekommen: in der Natur, mit der Natur. Der Kärntner Quereinsteiger denkt geradlinig, will sich Wissen aneignen und es bewahren; Antworten auf all seine Fragen zum biodynamischen Weinbau und der geplanten Kreislaufwirtschaft fnden. Ohne Tiere geht dabei gar nichts – von den Mikroorganismen im Boden bis zu den Haus- und Arbeitstieren. Jedes Lebewesen hat seine Funktion im großen Ganzen. Dass es Tieren wie Pfanzen gut gehen muss, ist Voraussetzung für das harmonische Miteinander; alle müssen die richtigen Nährstoffe bekommen – am besten aus dem optimierten Zusammenspiel. In seinem drei Hektar Burgunder-Weingarten mit traumhaftem Blick über den nahen Längsee wachsen Obstbäume, stehen Bienen- und Hummelunterkünfte, Stundenhotels für die von der Jagd müden Fledermäuse aus Stift St. Georgen, Bienenstöcke und das „Mobile Home“ der Bresse-Hähne, die hier ihren Sommerdienst verrichten, während die Hühner auf der anderen Seite des Sees ihre Eier legen. Gruze will im Jetzt leben, das ist auch, was ihm die Tiere refektieren. Seit er mit den Pferden zusammenarbeitet, hat er auch eine neue Sprache und Führungsstil entwickelt. Es sind Minigesten, basierend auf Respekt. Die kurzen Spannen zwischen Auftrag und Ausführung sind es, worum es ihm im Leben geht. Jeder weiß, was er zu tun hat; auch Blacky, der kapitale Schafbock. Wie ein Hund folgt er dem Winzer in den Weingarten, den er mit seiner Herde beweidet und, mittels Trittes, Verbiss und der eigenen Energie, für Bodenfruchtbarkeit sorgt. Kürzlich kamen die ersten Schweine an den Hof, als Nächstes sollen Rinder hier einziehen. – Aber davor braucht Gruze Zeit, um ihnen ihre Funktionen zuzuweisen. Währenddessen wurde bereits Feldgemüse angebaut, das in einem kleinen Selbstbedienungsladen verkauft wird. „Unsere Cashcow“, lacht Gruze. Irgendwann einmal will er nur noch ernten, und der gesamte Kreislauf wird dann von selbst funktionieren. – Alles nur eine Frage der Zeit. Längseestraße 9, 9313 St. Georgen am Längsee, georgium.at

42 A LA CARTE WEINTIERE

Am Weingut Georgium hat jedes Lebewesen wichtige Funktionen im Hofkreislauf – von den Mikroorganismen im Boden über Wildbienen und -hummeln bis hin zu Pferd, Schwein (Huhn, Rind) und der „Cashcow“ Feldgemüse.

43 A LA CARTE

Am Geyerhof ist es fast wieder so wie „früher“: ein Mischbetrieb aus Wein- und Ackerbau sowie Viehwirtschaft. Rinder, Pferde, Hühner und Bienen sorgen für Vielfalt und dynamische Lebendigkeit.

44 A LA CARTE WEINTIERE

Vollgas retour –mit 1 PS in die Zukunft

Am Geyerhof wird gerade wieder einmal alles umgekrempelt. Hat Pionierin Ilse Maier den Betrieb vor über 30 Jahren auf biologischen Weinbau umgestellt und ist konsequent ihren (nicht immer einfachen) Weg an die Spitze der heimischen Weinwelt gegangen, katapultiert nun die junge Generation das Weingut in die nächste Dimension. 2015 sind Sohn Josef und seine norddeutsche Frau Maria in den Betrieb eingestiegen. Kennengelernt haben sich die beiden beim Studium an der BOKU. Josefs Diplomarbeitsthema war „Integration von Rinderhaltung in den Betrieb“. Maria stammt aus einer Landwirtschaft, und rasch war klar: Rinder müssen her. In der Geyerhof-Geschichte kein Novum: Bis in die 50er-Jahre wurden hier Weinbau, Ackerbau und Tierhaltung betrieben. Ihre Wahl fel auf die alte Rasse Murbodner, die klein und leicht ist und somit optimal für die Mast auf den Ackerfächen und Weiden. Sieben Stück grasen gemütlich in Hofnähe. „Mit den Rindern ist alles so lebendig geworden“, sind J & M begeistert, „durch den Mist gibt es viel mehr Insekten, jetzt kommen auch wieder mehr Vögel.“ Seit 2020 ist der Betrieb demeterzertifziert. Der Schutz des Lebensraums von Tieren und Pfanzen kommt auch dem Wein zugute, ist das Winzerduo überzeugt und pfanzte Obstbäume, Buschzonen und Heckenstrukturen wurden geschaffen, dynamisierende Wildwiesenmischungen gesät, Bienen gezüchtet, Hühner gehalten … „Weinbauern tragen schließlich auch Verantwortung für ihr Land.“ Den Moment zu beschreiben, als die Pferde auf den Hof kamen, löst noch immer Gänsehaut bei den beiden aus. Die Noriker Harry und Santana sind ein eingespieltes Team – „Wir müssen es noch lernen“, gesteht Maria. Dafür lassen sie sich Zeit. Schließlich geht es bei der Arbeit mit den sanften Riesen um Know-how und viel Gefühl. Für Pferderoutine und -training sorgt derweil Prof-Coach Matthias Weiländer (zugpferde.at) – sie arbeiten ja gerne, das soll ihnen nicht verleidet werden! „Mit dem Pferd durch den eigenen Weingarten zu ackern, ist etwas ganz Wunderbares! Überhaupt diese schöne Beziehung zu ihnen“, schwärmen J & M unisono. Über die letzten Jahre hat sich der Hof bereits verändert, stellten sie fest, kleinklimatisch. Das hat mit dem „Wildwux“ und den Tieren zu tun. Ortsstraße 1, 3511 Oberfucha/Furth, geyerhof.at

45
A LA CARTE

Das A-Team der „Arche“ MG vom Sol

Michael Gindl bevorzugt auf seinem Weingut vierbeinige Mitarbeiter. Der Arbeitstrupp ist beachtlich: Schafe, Rinder, Pferde, Ziegen, Hühner und ein Hund. Zu tun gibt es für alle genug auf den zehn Hektar Rebfächen und 25 Hektar Landwirtschaft: Die Ziegendamen rücken unter der Leitung von Pfauenziege Lotti regelmäßig aus, um der Verbuschung entgegenzuwirken. Eine Herde Schafe hält in den Weingärten vom Herbst (nach der Lese) bis ins Frühjahr das Unkraut nieder und sorgt im August durch gezielte Entblätterung in den Rotweingärten dafür, dass die Trauben mehr Sonne und bessere Farbe bekommen. Sulmtaler sowie Plymouth-Rock-Hühner und -Hähne laufen fröhlich gackernd herum und liefern dafür verlässlich

Eier und Dünger ab. Eine besondere Position haben die Eseldamen Heidi und Laura aufgrund ihrer liebenswürdigen Charaktere und sozialen Adern inne: Sie sind als tierische Gesellschaftsdamen sowie Kinderentertainerinnen angestellt. Begonnen hat das Tier-Co-Work mit den schottischen Hochlandrindern, die sich Michael Gindl zur Umsetzung seines Traums von der biodynamischen Kreislaufwirtschaft an den Hof geholt hat. Heute gibt es davon an die 50, die neben dem unverzichtbaren organischen Dünger auch hervorragendes Fleisch liefern. Die schwersten und zugleich heikelsten Arbeiten im Weinbau werden von Gindls engsten Mitarbeitern verrichtet: den Norikern Nanu, Otti, Waldi und Nelly. Wenn die Schwergewichter über die Koppel galoppieren, bebt der Boden. Mit nur einer PS wird geackert, gepfügt, gemäht, das Heu gewendet; sie transportieren die Trauben nach der Lese zum Keller, führen den Mist aus usw. Eingesetzt werden sie dafür je nach Eignung und Charakter; am schwierigsten zu führen ist die Stute Nanu, die dafür aber auch härter arbeitet als die anderen. Gindl liebt die Herausforderung und die Arbeit mit Nanu, nach der auch ein amphorengereifter Zweigelt benannt ist. Sodalis, lateinisch für „Gefährte“, heißen die Weine aus den besten Trauben – auf den Etiketten sind die arbeitenden Pferde abgebildet. „Durch die intensive Zusammenarbeit sind sie für mich zu Kollegen und Freunden geworden.“ Und was tut Ally, die Schafpudelhündin so? Sie hilft, die Schafe umzuweiden, jagt ausgebrochene Hühner hinter den Zaun zurück und ist am liebsten immer und überall dabei. Marktplatz 27, 2223 Hohenruppersdorf, mgsol.at

46 WEINTIERE
A LA CARTE

Gar nicht so leicht, Pferde, Esel und Ziegen auf ein Bild zu bekommen. Einfacher war es, den Winzer mit Hahn & Hund zu porträtieren. Weiters nicht im Bild: die Rinder und Schafe von Michael Gindl. Dafür ist Lieblingspferd Nanu auf dem Etikett des gleichnamigen Weins abgebildet.

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Die Weingärten „ft für die Zukunft“ zu machen, sieht auf Gut Oggau so aus: enge Rebzeilen, Obstbäume und Kräuter dazwischen; bearbeitet wird der Paradiesgarten per Pferd; oben Noriker Nox im Dienst, rechts mit Kollegen Benji & Jolly Jumper.

48 A LA CARTE WEINTIERE

Im ( Wein-)Garten

Eden

Die Rebzeilen, zwischen denen sich der Noriker-Wallach Nox den Hang hinaufarbeitet, stehen eng – ein Traktor hätte hier keine Chance. Nox, lateinisch für „Nacht“, lebt seit einem Jahr bei Steff und Edi Tscheppe-Eselböck auf Gut Oggau, wo er, gemeinsam mit dem Winzerpaar, zur Weingartenarbeit ausgebildet wird. Die engen Rebzeilen sind bereits für die Arbeit mit Pferd ausgerichtet und sorgen dafür, dass die Stöcke tiefer wurzeln und sich gegenseitig beschatten. Sie sind Teil eines groß angelegten Konzepts, die Weingärten „ft für die Zukunft“ zu machen. Nox ist ein Teil dieses Plans. „Hia“, ruft Edi und schnalzt mit der Zunge, langsam setzt sich das Pferd in Bewegung, die Erdschollen brechen unter dem Pfug auf, archaisch, kraftvoll, faszinierend anzusehen. „Hi“, ruft Edi, Nox bewegt sich nach links. „Hott“ ruft er, es geht nach rechts. Nach mehreren Stunden Arbeit sind Winzer und Pferd müde. – Anstrengend ist es, aber gegen die reine Handarbeit auch eine große Erleichterung, wissen die beiden Biodynamiker aus der Praxis. Mit Nox hat sich das Paar einen lang gehegten Traum erfüllt, während des Lockdowns Reiten und Fahren gelernt und sich wagemutig in die Arbeit mit dem prächtigen Tier gestürzt. Das Mähen nehmen ihnen Schafe ab, die ein Oggauer Züchter koordiniert; Bienenstöcke, ein mobiler Hühnerstall, Hasen und Störche sorgen obendrein für lebendige Vielfalt zwischen den Reben – teils neue resistentere Züchtungen. 300 Bäume (u. a. Maulbeeren, Weingartenpfrsich) wurden bereits gepfanzt, wilde und kultivierte Kräuter (Ackermelde, Thymian, Pimpinelle etc.) duften zwischen den Reben, und auch Gemüse gedeiht am Weinberg bestens und kommt im Heurigen auf Gut Oggau zum Einsatz. Dorthin geht’s nach getaner Arbeit auch zurück, wo Nox bereits von seinen Kollegen, dem Uzule Benji und Jolly-Jumper, einem polnisches Grubenpferd, erwartet wird. Mit ihnen wird er sich in Zukunft die Arbeit auf den 25 Hektar Rebfächen teilen. „Seit die Pferde da sind, ist hier eine ganz andere Dynamik und Energie.“ Das liegt möglicherweise auch an Wirbelwind Oskar, dem jungen portugiesischen Wasserhund. Seine Aufgabe? „Hund sein“, so die Winzer pragmatisch. – Im Paradies (Anm.). Hauptstraße 31, 7063 Oggau, gutoggau.com

49 A LA CARTE

In Erwin Pollers Hühnergarten tummeln sich gerettete Hühner, die im Gegenzug Eier legen und den Winzer entspannen. Die Federn, die den Grünen Veltliner Hühnergarten zieren, werden in den Weingärten eingesammelt und einzeln aufgeklebt.

50 A LA CARTE WEINTIERE

Ich

Erwin Poller ist ein Freak, im besten Sinne. Kreativ, eigenwillig, schrullig – der Woody Allen des Weinbaus. Was er sich in den Kopf setzt, scheint er auch zu erreichen. Etwa das in den 1970er-Jahren rundum „modernisierte“ Elternhaus in das 18. Jahrhundert rückzuführen. Oder: Wie visualisiert man Terroir auf dem Weinetikett? Gar nicht, der Löss wird am Pollerhof direkt auf den Flaschen der Weißweincuvée Vom Löss fxiert. In reiner Handarbeit. Ebenso wie die Hühnerfedern, die einzeln auf den Grünen Veltliner Hühnergarten aufgeklebt werden. Wobei der „Hühnergarten“ keine Lagenbezeichnung ist, sondern die „Zentrale“ eines wunderbaren Tierherz-Projekts, das Erwin Poller seit einigen Jahren mit viel Verve betreibt. Aus Massenlegehuhnhaltung rettet der Winzer regelmäßig einen Pulk Hühner vor dem sicheren Vergasungstod (wegen gesunkener Legeleistung) in den sicheren Weingarten. Dort legen die Hühner, die noch nie Tageslicht gesehen und noch nie richtigen Boden unter den Füßen hatten, los und scharren und pecken im Gras, als hätten sie ihr Leben lang nichts anderes getan – sogar Küken wurden bereits ausgebrütet. Das interessierte auch Studenten der BOKU, die die Damen im Rahmen einer laufenden Studie seither im Hühnergarten beobachten. Dort bewohnen sie einen mobilen Holzstall mit Lege- und Schlafplätzen sowie einer Tür mit Zeitsensor, die bei Einbruch der Dämmerung schließt. Nachts sind sie so vor dem Fuchs sicher, tagsüber schützen die Rebstöcke vor Greifvogelattacken. Wir werden mit einem VW Käfer Baujahr 1964, den Poller aus einem seiner Lager für „Altes“ herauskramt, an den Schauplatz chauffert. In der traumhaft gelegenen Grüner-Veltliner-Anlage aus den 60er-Jahren warten die Hühner schon: Neugierig, zutraulich, etwas zerzupft noch die eine oder andere, stürzen sie auf Poller zu, der angeregt mit ihnen zu konversieren beginnt. Schwer zu sagen, was er ihnen erzählt, er spricht Japanisch. „Die Zeit bei den Hühnern ist für mich absolut entspannend“, sagt er. Das Einzige, was den Hühnern die Entspannung (noch) erschwert, ist Lorenz, der neue Hahn in ihrem Leben. Doch in zwei Wochen wird der Akklimatisierungs-Zaun entfernt, und die Schar kann sich fortan frei im Weingarten bewegen, dann kommen auch schon die nächsten Hühner zur Eingewöhnung an, bevor es auch für sie ab in die Freiheit im Hühnergarten geht. Aber bitte: Vor lauter Glück nicht vergessen, Eier zu legen!

Winzerstraße 48, 3743 Röschitz, pollerhof.at

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wollt’ ich wär ein Huhn –beim Hühner-Flüsterer

WEINTIERE

Winzer Michael Gruber mit Peter Pan alias Petzi im Weinkeller – ob ihm der Kellerkater gerade den Jahrgang prognostiziert? Tigerkatze Wendy fängt indessen Mäuse oder sonnt sich auf der Mauer unter den Reben.

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Von ewig jungen Keller- & finken Glückskatzen

„Ich schau ihnen einfach so gerne zu“, seufzt Michael Gruber, „es fasziniert mich, wie leicht sie zu begeistern sind.“ Die Rede ist von Peter Pan und Wendy, dem Katzenduo, das seit einem Jahr am Weingut Gruber am Berg für Unterhaltung sorgt. Im letzten Jahr hat der junge Winzer auch den Familienbetrieb übernommen, der bis in die 1980er-Jahre als Mischbetrieb geführt wurde. Im zarten Alter von acht Jahren durften er und sein Bruder sich bei den Nachbarn je ein Katzenbaby aussuchen. In der Folge hatten die Grubers zu Höchstzeiten an die 20 Katzen am Weingut – „die Heurigengäste haben sich immer sehr darüber gefreut, wenn wir ihnen Kätzchen geschenkt haben“. Petzi und Wendy wurden aus dem Tierschutzheim gerettet und führen nun ein Traumleben: Sie dürfen hin, wo sie wollen, sind meist tagsüber in den Wiesen hinter dem Haus unterwegs, abends auf der Couch vor dem Fernseher, nachts im Bett des Jungwinzers. Nimmerland im Weinviertel. Sie folgen ihm auf Schritt und Tritt, abends heim, morgens ins Büro …, auch zur Arbeit in die Weingärten. Die Rollenteilung ist klar: Die schlanke, finke Tigerkatze Wendy fängt am Hof die Mäuse, mindestens drei präsentiert sie ihrer neuen Familie täglich stolz. Und Petzi? „Der ist langsamer und erwischt nicht so viele, Käse ist ihm ohnehin lieber.“ Dafür verschwindet der hübsche schwarze Kater bei jeder Gelegenheit im Weinkeller. Ob er sich der Weinviertler Tradition der Kellerkatze und ihrer Aufgaben bewusst ist? Die Kellerkatze steht nämlich für saubere Arbeit in der Weinwirtschaft, jagt Mäuse und machte es sich nach getaner Arbeit auf dem wärmsten Fass im Keller gemütlich. Jenem Fass, in dem der Most am längsten gärte und zum besten Wein geriet. Ihr wurden also auch hellsichtige Fähigkeiten zugesprochen beziehungsweise hohe Kompetenz punkto Weinprognosen. – Wer weiß also, was Petzi Pan da im Keller so treibt.

Mittelberg 41, 3550 Langenlois, weingut-am-berg.at

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Ob beim Ansitzen in Top-Weinlage oder bei der Verkostung von Wein und Wildspezialitäten: Die Topf’schen Hunde Anubis und Gustl sind immer dabei. Klar, dass auch ein Porträt des treuen Kumpanen zwischen den Trophäen im Jagdstüberl hängt.

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Ferme Familienmitglieder: die Wein-Spürnasen

Johann „Hans“ Topf ist Winzer mit Leib und Seele. Das renommierte Familienweingut führt er mit Unterstützung seiner älteren Söhne Hans Peter und Maximilian bereits in fünfter Generation. Die Handschrift seiner Weine ist unverkennbar, sie entstehen in traditionellem Handwerk, mit größter Sorgfalt und im Einklang mit der Natur. Dieselben Kriterien kommen auch bei Hans Topfs zweiter Leidenschaft zur Anwendung: der Jagd. Spätberufen wurde der Weinmacher (eher zufällig) auch zum Weidmann, der nun regelmäßig in den Jagdgründen des Kamp- und Straßertals sowie bei Gföhl zum Weidwerk ausrückt. Immer an seiner Seite: Anubis, der zwei Jahre junge Langhaarweimaraner, spezialisiert auf Vorstehen, Apportieren, Nachsuchen und Kuscheln auf der Couch. Dort heißt er dann aber nicht Anubis (= Richter der Toten), sondern wird Schnucki genannt. Wenn der Chef in den Weinbergen „ansitzt“, liegt Anubis allerdings, weniger bequem, unter dem Hochstand und wartet dort auf seinen Einsatz. Sohn Hans Peter hat die Jagdbegeisterung ebenfalls gepackt. Er geht ihr mit Gustl, seinem fünfjährigen Bayerischen Gebirgsschweißhund, passioniert nach. Wenn Vater und Sohn am Weingut ihre Pfichten erfüllen, sind Anubis und Gustl selbstverständlich dabei, firten mit Besuchern oder erholen sich unter den Schreibtischen. Auch bei der Arbeit in den Weingärten sind die Fellnasen immer mit von der Partie. „Unsere Hunde sind vollwertige Familienmitglieder. Wir halten sie ja nicht als Arbeitstiere, denn für den Weinbau sind beide nicht von Nutzen“, erfährt man. Das alte Jägersprichwort „Jagd ohne Hund ist Schund“ wird hingegen bestätigt: „Weidgerechte Jagd ist ohne Hund gar nicht möglich.“ Und weiter: „Wenn mir Anubis einen erlegten Hasen bringt, bin ich megastolz, er tut das ja nicht wegen der strengen Erziehung, sondern unserer engen Bindung.“ Aber die Jagd hört für Hans Topf nach dem Schuss nicht auf. Weil ihm wichtiger ist, was danach passiert, gründete der Genussmensch Jagd und Wild, einen Wild-Zerwirkbetrieb, in dem das Selbsterlegte nose to tail zu Delikatessen wie Leberkäse, Salami, Speck, Schinken und Paté veredelt wird. Im Jagdstüberl werden Wein und Wild verkostet – hervorragend! Das fand übrigens auch Anubis, der sich, als Weintrophäen im Keller bestaunt wurden, an den Resten von Rehschinken und Co bediente – ein Feinspitz eben. Wie heißt’s so schön: Wie der Herr, so’s Gscherr? Talstraße 16, 3491 Straß, weingut-topf.at, jagdundwild.at

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56 A LA CARTE GIOVANNI BIGOT FOTO: PERLEUVE

Die Vermessung der Lage

Mithilfe eines neuen Index soll vorausgesagt werden, wie gut der Wein sein wird, der aus einem Weingarten hervorgeht.

Bezeichnungen, darunter auch Sauvignonasse, bekannt ist; sowie die Malvasia Istriana oder auch die Ribolla Gialla, in Slowenien Rebula genannt.

Die Landschaft ist lieblich. Sanfte Hügel, pittoreske Dörfer, eher diskret gestaltete Weingüter und, wohin man blickt, auffallend liebevoll gepfegte Weingärten. Bekannt ist die Gegend zudem für die innovativen Weinbautechniken, die hier entwickelt werden. So sind hier etwa auch die weltweit gefragten Rebschnittspezialisten Simonit & Sirch (simonitesirch.de) beheimatet. In der Universität im nahen Udine gibt es eine angesehene agrarische Fakultät, für die Bigot als Dozent tätig ist.

Großer Wein, so heißt es, entsteht im Weingarten. Aber was genau ist es, das einen Weingarten zu einem macht, in dem großer Wein wächst? Oder, anders gefragt, ist das viel zitierte Terroir womöglich gar messbar? Das glaubt zumindest Giovanni Bigot. Jahrelang hat sich der Italiener mit genau dieser Frage beschäftigt, um schließlich im Vorjahr einen Index zu präsentieren, mit dem eine derartige Messung möglich sein soll.

Was aufs Erste für die einen wie esoterische Träumerei und für andere wie unromantische Pseudowissenschaft klingen mag, ist in Wahrheit ein durchaus ernsthaftes Unterfangen. Denn Giovanni Bigot ist studierter Agronom, ein seriöser Forscher, dessen neue Technik bereits in gleich mehreren renommierten Weingütern zur Anwendung kommt.

Die Zentrale der Firma Perleuve (perleuve.it), die der 48-Jährige gründete, liegt in der Peripherie des Städtchens Cormòns, der inoffziellen Hauptstadt des friulanischen Weingebiets Collio unweit der slowenischen Grenze. Jenseits von dieser heißt die Hügelkette Brda. Und auf beiden Seiten werden einige der besten Weine Italiens beziehungsweise Sloweniens erzeugt. Ganz besonders guten Ruf genießen die Weißen wie der Friulano, der einst Tokai genannt wurde und in Slowenien unter diversen

Zuvor hat der muskulöse (er spielt Rugby) Bartund Zopfträger an derselben Universität Önologie und Landwirtschaft studiert, im Bereich „Nützliche Organismen im Weingarten“ geforscht und ein Buch über den Anbau des Sauvignon im Friaul veröffentlicht. Aufgewachsen ist er auch in der Region, auf dem Gut seiner Familie, die hier fünf Hektar Weingärten biologisch bewirtschaftet. Danach arbeitete er als Agronom an diversen Weingütern im In- und Ausland und sechs Jahre lang für das Institut der regionalen Herkunftsbezeichnungen „Collio“ und „Friuli Isonzo“.

Und wie kam es zu der Idee mit dem Index?

„In Italien sind die beiden Forschungsgebiete Viticoltura, also Weinbau, und Önologie beziehungsweise Kellerwirtschaft traditionell stark getrennt“, so Bigots Antwort, „im Bereich der Önologie wird nie vom Weingarten gesprochen. Und beim Weinbau geht’s immer nur um die Reben und ihre Trauben, aber nicht um den Wein selbst. Ich jedoch wollte die beiden Bereiche miteinander vereinen.“

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TEXT VON GEORGES DESRUES
Der Friulaner Giovanni Bigot (48) ist Winzer, Agronom, Dozent und Rugbyspieler. Mit seinem gleichnamigen Index setzt er an, den Weinbau zu revolutionieren.

Dafür entwickelte er also den nach ihm benannten und patentierten Index. „Es begann vor zwanzig Jahren“, erzählt Bigot, „ich suchte nach einer Möglichkeit, alle Beobachtungen aus dem Weingarten zu sammeln und zu archivieren, sodass sie im Nachhinein und jederzeit wieder abrufbar sind.“ Auf diese Art entstand im Laufe der Jahre eine Datenbank von Beobachtungen aus mehreren tausend Weingärten, die meisten davon in Italien, aber auch in anderen Ländern der Welt.

Besagte Beobachtungen drehen sich um eine Anzahl von neun Kriterien, die als Basis für die Auswertungen gelten und, so Bigot, in Ergänzung mit Bodenbeschaffenheit und Klima wissenschaftlich erwiesenermaßen für die Qualität eines Weingartens verantwortlich sind. Und die da wären: der Ertrag pro Rebe; die Laubmenge; das Verhältnis Ertrag/Laubmenge; das Alter des Weingartens; die Gesundheit der Reben; die Gestalt der Trauben, also wie locker beziehungsweise dicht aneinander die Weinbeeren an der Traube hängen; die biologische Vielfalt beziehungsweise die Anzahl der anwesenden Mikroorganismen im Weingarten; der vorhandene Wasserstress.

„Selbstverständlich haben diese neun Kriterien unterschiedliche Gewichtung in der Bewertung“, fährt Bigot fort. „Wenn wir zum Beispiel die Gesundheit der Trauben in einem Weingarten hernehmen, so sehen wir, dass bereits drei von hundert Reben, die von Krankheiten wie dem Echten Mehltau befallen sind, für maßgebliche Veränderungen im Bukett des Weins sorgen.“

Ziel des Ganzen, also der Beobachtung des Weingartens und des Sammelns der Daten, sei, betont der Agronom, die Eingriffe im Weingarten gezielter zu gestalten und dieser Art auch zu verringern. So gelinge es seinen Kunden, die Eingriffe auf dreißig Prozent dessen zu reduzieren, was sie vor dem Einsatz des Index benötigten.

Nicht nur in Bigots Heimat, dem friulanischen Collio (oben), auch in anderen großen Weingegenden Italiens arbeiten namhafte Winzer inzwischen mit dem neuen Index. Algorithmus, Technologie und Apps sind nur ein Teil des Gesamten. Im Zentrum stehen vielmehr die Beobachtungen des Winzers in seinem Weingarten.

„ Zusätzlich wird auch dem Konsumenten die Bedeutung des Weingartens und seines ökologischen Umfelds für die Qualität des Weins deutlicher vermittelt“, glaubt Bigot, „und schließlich geht es auch darum, den Weingarten, vor allem aber die Arbeit des Winzers darin, wieder vermehrt ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken.“

Denn schließlich verlange der Index trotz aller angewandter Technik, trotz Algorithmus und trotz nötiger Smartphone-App nach der Anwesenheit des Winzers vor Ort; sowie nach dessen intensiver Aufmerksamkeit für alles, was an und um seine Reben geschehe. „Inzwischen gibt es Landwirte und unter ihnen auch etliche Weinbauern, die mit Robotern und Drohnen arbeiten, anstatt selbst aufs Feld oder in den Weingarten zu gehen“, fährt Bigot fort. „Hier geht es aber um genau das Gegenteil, nämlich um den Beginn einer neuen Art von Weinbau, die auf den Beobachtungen der Menschen beruht, die ihn betreiben.“

Dank der Smartphone-App mit dem Namen 4Grapes (4grapes.it), die der Agronom entwickelt und selbst fnanziert hat, können die Winzer ihre Beobachtungen auch gleich eingeben und in Folge mit allen anderen App-Usern teilen. Auf diese Weise ermöglicht die App einen Austausch zwischen den Winzern desselben Gebiets, derselben Region, ja eines ganzen Landes und über dessen Grenzen hinaus. Die gesammelten Daten werden in Folge an Bigots Firma gesandt und dort ausgewertet. Die Datenbank des Index wächst also stetig.

„Somit wird die Beobachtung des eigenen Weingartens zur zentralen Tätigkeit des Winzers, von der er selbst, alle weiteren vernetzten Winzer, aber auch der Konsument und die Umwelt proftieren“, versichert Bigot.

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FOTOS: GEORGES DESRUES, PERLEUVE
„Schließlich geht es auch darum, den Weingarten, vor allem aber die Arbeit des Winzers darin, wieder mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken.“

Anfang des laufenden Jahres wurde zum ersten Mal auch eine Liste jener Weinberge präsentiert, die laut Giovanni Bigots Index mehr als 90 von 100 möglichen Punkten für ihre Qualität erhielten. Darunter und kaum verwunderlich einige der klingendsten Namen ganz Italiens. Nämlich etwa die Lage Nebbiolo San Lorenzo von Angelo Gaja im Piemont; die Lagen Tocai Bert vom Weingut Sturm und Sauvignon Lungo Strada von Russiz Superiore in FriaulJulisch-Venezien; oder auch in der Toskana die Lagen Merlot Forra Alta der Tenuta Nozzole im Chianti und jene vom Sangiovese Oliveto der Tenuta La Fuga in Montalcino.

„Natürlich wussten die Winzer allesamt schon zuvor, dass großer Wein im Weingarten entsteht“, sagt Bigot, „nun aber steht ihnen auch ein Tool zur Verfügung, mit dem diese Erkenntnis sowohl wissenschaftlich als auch empirisch belegt werden kann.“ Und das ihnen obendrein hilft, nötigenfalls die erforderlichen Veränderungen durchzuführen.

Stellt sich freilich noch die Frage des Geschmacks, der ja die Grundlage der Messung bleibt und über den man bekanntlich nicht streiten kann. „Als Basis dienen uns die Verkostungsergebnisse von Weinen aus über tausend Weingärten“, betont der Agronom, „und natürlich wären die Resultate vor 20 Jahren, als unterschiedliche Weintypen angesagt und gefragt waren, völlig andere gewesen. Aber der Index lässt sich leicht anpassen, was wir natürlich tun würden, sollten sich die allgemeinen Präferenzen erneut ändern.“

Außerdem wäre es ihm nur recht, schließt Bigot, wenn jemand einen zweiten, zusätzlichen Index schaffen würde. Das würde nämlich nur bestätigen, dass auch andere erkennen, was für einen großen Wein verantwortlich ist. Nämlich vor allem der Bezug des Winzers zu seinem Weingarten. Und die Beobachtungen, die er darin macht. —

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„Somit wird die Beobachtung des eigenen Weingartens zur zentralen Tätigkeit des Winzers, von der er selbst, alle weiteren vernetzten Winzer, aber auch der Konsument und die Umwelt profitieren.“

Vom Reiz reifer Weine

Wein und Zeit – das ist in Österreich eine schwierige Beziehung. Heimische Weintrinker mögen es mehrheitlich jung und fruchtig, mit alten Gewächsen können nur einige wenige Liebhaber etwas anfangen. Dabei verpassen ungeduldige Genießer oft das Beste.

Heimische Winzer und Sommeliers können ein Lied davon singen: Die eben erst gelesenen Trauben gären noch im Keller, fragen die ersten Gäste schon nach dem heurigen Wein. Vor allem Weißweine können vielen hierzulande nicht jung genug sein. Je frischer und knackiger, desto besser. Selbst strukturierte Weißweine, die durchaus Lagerpotenzial hätten, leert man lieber gleich, als fürchte man, andere könnten sie einem vor der Nase wegtrinken. Rotweinen ergeht es nur wenig besser, die Bereitschaft, sie für viele Jahre in den Keller zu legen, beschränkt sich meist auf High-End-Kreszenzen aus den traditionellen europäischen Rotwein-Hochburgen. Den hiesigen Rebsorten traut man hingegen immer noch nicht zu, mit der Zeit noch zuzulegen. Die Winzer passten sich der Nachfrage an, brachten ihre Weine immer früher auf den Markt.

60 A LA CARTE ALTE
FOTO: ADAM WOOLFITT/ROBERTHARDING/LAIF
GEWÄCHSE

Während es in Nationen wie Frankreich, Italien, Spanien, Portugal und selbst Deutschland eine Tradition langer Weinlagerung gibt und sich vor allem die Briten als Liebhaber reifer Gewächse erweisen, steht man hierzulande erst am Anfang. Freilich gibt es auch bei uns Anhänger edler Altweine, aber das Gros der heimischen Trinker will es blutjung.

Erst in den letzten Jahren keimte ein zartes Interesse an gereifte Kreszenzen. Clemens Riedl und sein Partner Markus Inzinger besetzten diese Nische, vor fünf Jahren gründeten sie ihre Firma trinkreif und spezialisierten sich auf den Handel mit reifen Weinen. Mit forciertem Marketing und Nutzung sozialer Medien wollen sie auch junge Menschen für alte Weine entflammen.

Ihr Plan scheint aufzugehen: „Man kann zwar nicht wirklich von einem Hype sprechen, aber es

Die Bereitschaft, z. B. ein paar Flaschen Lafte-Rothschild (o.) für einige Jahre in den Keller zu legen und sich dort selbst zu überlassen, ist ungleich höher denn bei heimischen Weinen.

werden stetig mehr“, beurteilt Riedl das Verhältnis der Österreicher zu alten Weinen.

Auch Hermann Botolen, Spitzensommelier und genialer Spürhund für feinste Weine, glaubt, dass die Hochzeit des Jungwein-Fanatismus überwunden ist. Dafür habe es jedoch viel Überzeugungsarbeit gebraucht. Er sieht es als Verpflichtung seiner Zunft, die Gäste an das Thema reife Weine heranzuführen. Die meisten hätten schlicht keine Erfahrung damit.

Die Weinkarte seines Restaurants Fuhrmann in der Wiener Josefstadt ist gespickt mit älteren Gustostücken, und Botolen versteht es wie kaum einer, sie zum richtigen Zeitpunkt anzubieten – dann, wenn sie perfekt gereift sind. Dafür wühlt und kostet er sich in jeder freien Minute durch beinahe jeden Winkel der Weinwelt.

61 A LA CARTE

reife weine kaufen

trinkreif

Stumpergasse 14, 1060 Wien

T 01/997 41 45 trinkreif.at

Hubert Fohringer

Donaulände 1a

3620 Spitz/Donau

T 02713/20 29 fohringer.at

Maywines

Abholvinothek:

Landstraßer Gürtel 19/3

1030 Wien

T 0664/262 69 11

maywines.com

Kate & Kon

Forstamt 12

4853 Steinbach am Attersee

T 07663/89 02 kateandkon.com

Weinhandelshaus Döllerer

Kellau 160, 5431 Kuchl

T 06244/205 67 shop.doellerer.at

Lobenbergs Gute Weine

Tiefer 10, D-28195 Bremen

T +49/(0)421/696 79 70 gute-weine.de

Vielen Gastronomen erscheint das zu riskant, sie fürchten, Unsummen an Kapital zu binden, um dann auf den Weinen sitzen zu bleiben. Manchen von ihnen fehlt einfach auch die Expertise, denn nicht jeder alte Wein ist auch ein guter Wein. Kennt man sich zu wenig aus, entpuppen sich vermeintlich reife Raritäten schnell als Kellerleichen.

Aber wie kostspielig ist die Haltung von Altweinen wirklich? „Man muss schon so ein Verrückter sein wie ich“, glaubt Hermann Botolen und lacht.

Kostbare Kreszenzen in rauen Mengen zu kaufen und selbst im Keller altern zu lassen, ist aber auch ihm zu teuer. Für sein Restaurant in der Wiener Josefstadt sucht er gezielt nach gereiften Weinen von ausgesuchten Händlern. Die seien mitunter sogar günstiger als die aktuellen Jahrgänge. Grund dafür ist die drastische Preissteigerung im Fine-Wine-Segment, vor allem im Burgund und Bordeaux. „Wenn ich heute Bordelaiser Gewäch-

se in Subskription erwerben will, brauche ich ein Vermögen“, sagt er, „mit dem Geld kann ich ein neues Leben anfangen.“

Von Händlern nimmt er kleine Mengen, die er fair kalkuliert, nicht selten unter Marktwert, so kann er sie dem Gast auch verkaufen. Er wolle das Zeug ja nicht im Keller bunkern, die Leute sollen die Altweine trinken und erleben, wie facettenreich sie schmecken. Viele würden das gar nicht kennen.

Tatsächlich sind gereifte Aromen für Ungeübte erst einmal ungewohnt. Man kennt und mag vorwiegend primärfruchtige Weine, deren Geruch und Geschmack noch von der Traube selbst kommen. Im Laufe der Lagerung verschwindet die Primärfrucht zugunsten von Sekundäraromen von Gärung und Ausbau. Tertiäraromen entstehen erst mit der Alterung. Das Bukett des gereiften Weins verfügt über ein völlig anderes Aromenspektrum, Duft und Geschmack sind dunkler, erdiger, weicher. Tannine und Säure sind besser in den Wein integriert, im besten Fall wird er komplexer und harmonischer. Bei einigen Rotweinen ist der sensorische Gewinn selbst für Laien wahrnehmbar, die Tannine präsentieren sich bei bestimmten Rebsorten in der Jugend oft noch hart und adstrin-

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FOTOS: GETTY IMAGES (2), FUHRMANN ALTE GEWÄCHSE
„Wenn ich heute Bordelaiser Gewächse in Subskription erwerben will, brauche ich ein Vermögen. Mit dem Geld kann ich ein neues Leben anfangen.“
Hermann Botolen, Sommelier & Gastronom

gierend. Auch wenn viele Winzer ihre Rotweine so keltern, dass sie früher trinkreif sind, samtweiche und fruchtige Weine bringen nicht nur schnellen Absatz, sondern in der Regel auch bessere Bewertungen. Strukturierte Weißweine mit Lagerpotenzial sind ohnehin meist von Beginn an zugänglich, zuweilen charmant. Lässt man ihnen jedoch Zeit, zeigen sie, was sie wirklich drauf haben: Sie präsentieren sich vielschichtiger, gewinnen an Tiefgang und Intensität, strahlen zugleich Ruhe und Lebendigkeit aus. Wenn man sich darauf einlässt, erlebt man oft neue, faszinierende Geschmacksdimensionen – im besten Fall. Denn nur ein geringer Prozentsatz aller Weine hat überhaupt das Zeug, viele Jahre im Keller zu überstehen oder gar zuzulegen. Welche Voraussetzungen es dafür braucht, ist vor allem für Laien nicht ganz leicht auszumachen und selbst für Profis nicht exakt zu kalkulieren. Ein guter Jahrgang aus erstklassiger Lage, längerer Ausbau im Keller und Reifung im Holzfass sind günstige Parameter. Genügend Extrakt, Säure und/oder ausreichend Gerbstoffe sind die Ingredienzien für lange Alterung. Ob hohe Alkoholwerte nötig sind, ist strittig. In vielen Anbauregionen, wie etwa auch im Bor­

weingüter

Jörg Bretz

Vohburgerstr. 38, 2465 Höfein

T 0664/203 29 23 bretzjoerg.com

Weingut Tement

Zieregg 13, 8461 Berghausen

T 03453/410 10 tement.at

Weingut Gross

8461 Ratsch a. d. Weinstraße 26

T 03453/25 27 gross.at

Tegernseerhof

Unterloiben 12, 3601 Dürnstein

T 02732/853 62 tegernseerhof.at

Domäne Wachau

3601 Dürnstein 107

T 02711/371 domaene-wachau.at

Weingut Prager

Wachaustraße 48

3610 Weißenkirchen

T 02715/22 48 weingutprager.at Schloss Gobelsburg

Schlossstraße 16

3550 Gobelsburg

T 02734/24 22 gobelsburg.at Weingut Schloss Halbturn

Im Schloss 3, 7131 Halbturn

T 02172/20 16 20 weingut-schlosshalbturn.com

deaux, wurden die Weine früher leichter vinifiziert und bewiesen dennoch außergewöhnliches Reifepotenzial. Zu hoher Alkohol kann auch kontraproduktiv wirken – die Weine zeigen sich in kürzester Zeit lasch, welk, es fehlt ihnen an Frische und Lebendigkeit.

Ein Faktor allein genüge nicht, ist Hermann Botolen überzeugt. Der Wein müsse schon in seiner Jugend Balance besitzen und alle Inhaltsstoffe in einem ausgewogenen Verhältnis aufweisen.

Davon ist auch Lidwina Weh, Tutorin an der École du Vin de Bordeaux, überzeugt: „Weine, die in der Jugend harmonisch und ausgeglichen sind, werden es Jahre später auch noch sein“, glaubt sie. „Hat man jedoch schon in ihrer Jugend das Gefühl, Säure oder Tannin passen nicht, wird es im Alter nicht wesentlich harmonischer werden.“

So etwa würden unreife, grüne Tannine auch mit der Lagerung nicht weicher werden. Auch Säure wird nicht wirklich abgebaut, sie bindet sich nur besser ein, ist nicht mehr so deutlich wahrnehmbar – vorausgesetzt, andere Komponenten sind ausreichend vorhanden. Nicht zuletzt ist auch der zugesetzte Schwefel ein, wenn auch umstrittener, Faktor. Er wirkt antimikrobiell und verhindert eine zu schnelle Oxidation. Weine wurden bis in die 2000er­Jahren weit höher geschwefelt, als es heute üblich und erlaubt ist. Auch das mag einer der Gründe für das lange Leben älterer Spitzenweine sein. Naturweinwinzer sind hingegen überzeugt, dass auch Weine, denen kein oder nur eine geringe Menge an Schwefeldioxid zugefügt wurde, eine lange Lebensdauer besitzen.

Bis vor einiger Zeit hielt sich hartnäckig die Meinung, Rotwein sei lagerfähiger als Weißwein. Heute weiß man, dass auch Weißweine zuweilen über enormes Reifepotenzial verfügen. Die geringere Tanninstruktur machen sie mit Säure wett. Auch sogenannte Orange Wines, also maischevergorene Weißweine, zeigen sich aufgrund ihrer Gerbstoffstruktur langlebig. Als

Bei internationalen Auktionen erzielen gereifte Weine aus den führenden europäischen Weinbauregionen, Häusern und deren Top-Lagen oftmals Rekordpreise.

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adressen

Restaurant Fuhrmann

Fuhrmannsgasse 9

1080 Wien

T 01/944 43 24

restaurantfuhrmann.com

Silvio Nickol

Coburgbastei 4, 1010 Wien

T 01/51 81 81 30

palais-coburg.com

Restaurant Steirereck

Am Heumarkt 2a, 1030 Wien

T 01/713 31 68

steirereck.at

Landhaus Bacher

Südtiroler Platz 2

3512 Mautern

T 02732/829 37 landhaus-bacher.at

Tulbingerkogel

Tulbingerkogel 1

3001 Mauerbach bei Wien

T 02273/73 91 tulbingerkogel.at

Die Weinbank

Hauptstraße 44, 8461 Ehrenhausen an der Weinstraße

T 03453/222 91 dieweinbank.at

Hospiz Alm

St. Christoph 18

6580 St. Anton am Arlberg

T 05446/36 25 arlberghospiz.at

Restaurant Döllerer

Markt 56, 5440 Golling an der Salzach

T 06244/42 20 doellerer.at

Fux

Omesberg 587

6764 Lech am Arlberg

T 05583/29 92 fux-mi.net

Griggeler Stuba

Burgvital Resort

Oberlech 568

6764 Lech am Arlberg

T 05583/31 40 burgvitalresort.com

Restaurant Walter Bauer

Sonnenfelsgasse 17

1010 Wien

T 01/512 98 71

Eckel

Sieveringer Straße 46

1190 Wien

T 01/320 32 18

restauranteckel.at

Gasthaus Schwarz

Nöhagen 13

3521 Obermeisling

T 02717/82 09

gasthaus-schwarz.at

Der Floh

Tullner Straße 1

3425 Langenlebarn

T 02272/628 09

derfoh.at

besonders lagerfähig gelten gespritete Weine wie Port oder Sherry und Süßweine. Aber auch Schaumweine können bei entsprechender Qualität und langem Hefekontakt vor dem Degorgieren einige Jährchen im Keller vertragen.

Nicht zu unterschätzen ist auch der Einfluss der Größe des Gebindes und des Lagerorts. Je größer die Flasche, desto weniger Flüssigkeit kommt mit Sauerstoff in Verbindung, der Wein kann langsamer und somit länger reifen. Ein idealer Lagerort ist dunkel, ruhig, nicht zu trocken und eher kühl, wobei vor allem Temperaturschwankungen zu vermeiden sind.

Der Vorgang der Reifung bis hin zum Zerfall wird auch gerne als Feinoxidation bezeichnet. Tatsächlich ist der Prozess wesentlich komplexer. Manche der biochemischen Veränderungen haben mit der kleinen Menge Sauerstoff zwischen Kork und Wein zu tun. Etliche Prozesse passieren aber unabhängig davon, die Inhaltsstoffe reagieren auch untereinander. Die Veresterung etwa ist eine organische Verbindung, die entsteht, wenn Alkohol und Säure reagieren, sie ergibt während der Gärung einen fruchtigsüßen Geschmack, in einem späteren Stadium mildert sie die Säure.

Der Reifeprozess verläuft jedenfalls nicht linear und schon gar nicht konfliktfrei, wie im menschlichen Leben gibt es Höhen und Tiefen. Der großartigste Wein hat Phasen, in denen man ihn besser nicht anrührt. Will man wissen, wann der Wein tatsächlich trinkreif ist, braucht es Wissen

und Erfahrung, aber auch Intuition. Clemens Riedl glaubt, dass man das nicht auf den Endkunden abwälzen kann. „Jeder in der Wertschöpfungskette muss sich dafür verantwortlich fühlen, dass Weine dann getrunken werden, wenn sie perfekt sind“, ereifert er sich, „vom Produzenten über den Händler bis zum Gastronomen.“ Die Winzer wüssten genau, dass ihre Spitzenweine mit dem Alter besser werden. „Wir müssen uns da besser organisieren!“ Zu diesem Zweck initiierte er auch Kooperationen mit Produzenten, denn Weine einige Jahre nach der Ernte im Alleingang zurückzulegen, bedeute vor allem für den Produzenten eine enorme Kapitalbindung. Die Bereitschaft dafür scheint aber auch bei den Winzern zu steigen. Weingüter wie Tement, Gobelsburg oder Schloss Halbthurn sind Vorreiter. In der Wachau leistete auch der Tegernseerhof unter Martin Mittelbach Pionierarbeit. Mit der Aufschrift Late Release am Etikett kommen zehn bis 15 Jahre alte Smaragde auf den Markt, die dann perfekt trinkreif sind. Die Domäne Wachau verfügt inzwischen über ein Altweinarchiv, und auch das renommierte südsteirische Weingut Gross besinnt sich mit dem Generationenwechsel auf den Verkauf gereifter Lagenweine.

In den Schatten gestellt werden sie nur von Jörg Bretz, der es sich im niederösterreichischen Großhöflein zur Mission gemacht hat, der Menschheit zu beweisen, wie gut heimische Weine reifen können. Blaufränkisch, Blauburgunder

„Jeder in der Wertschöpfungskette muss sich dafür verantwortlich fühlen, dass Weine dann getrunken werden, wenn sie perfekt sind.“
ALTE GEWÄCHSE
Clemens Riedl, trinkreif
FOTOS: TRINKREIF, GETTY IMAGES, JÖRG BRETZ 64 A LA CARTE
Clemens Riedl (li.) und Markus Inzinger haben sich mit ihrem Weinhandel trinkreif erfolgreich auf Vintage Wines spezialisiert und erreichen via Social Media sogar ein aufgeschlossenes, junges Publikum.

und selbst Blauer Portugieser werden bei ihm genau wie Grüner Veltliner oder Weißburgunder über Jahre im Keller ausgebaut und gereift. Sein Blaufränkisch Reserve etwa kann satte 120 Monate Reife im Keller in seiner Biografie verbuchen. Acht Jahre bleibt er im Holzfass und zusätzlich zwei Jahre in der Flasche, bevor ihn der Winzer, der alle Zeit der Welt zu haben scheint, für trink- und somit verkaufsreif befindet. Vorher rückt er ihn nicht raus. Nach zehn Jahren scheint der Spaß für ihn erst richtig zu beginnen. Derzeit findet man auf seiner Verkaufsliste einen Blaufränkisch Reserve des Jahrgangs 1997. Der Wein hat 24 Jahre auf dem Buckel, schmeckt taufrisch und scheint bereit für ein weiteres Vierteljahrhundert. Getoppt wird Bretz nur mehr von einigen traditionellen Weingütern aus dem Rioja. Der Tondonia Gran Reserva von López de Heredia etwa hat mit rund 20 Jahren Kellerreife

Jörg Bretz, Missionar in Sachen gereifte Weine, rückt seine Roten wie Weißen nicht heraus, bevor er sie für trinkreif erachtet. Das kann dann schon zehn Jahre und länger dauern.

klar die Nase vorn. Nach zehn Jahren im Fass und zehn Jahren in der Flasche wird er meist noch zurückgehalten. Aktuell bietet das spanische Kultweingut den Jahrgang 1995 an, dem sie aber weiterhin reichlich Lagerpotenzial zuschreiben.

Nach dem deutschen Philosophen Martin Heidegger ist Zeit eine wesentliche Bedingung für das Verständnis von Sein, so gesehen würde erst mit der Zeit das Verstehen des Wesens von Wein wachsen. —

Altweine kauft man besser bei renommierten Händlern und bekannten Auktionshäusern, noch besser bei solchen, die man schon länger kennt und denen man vertraut. Von Online-Portalen ist eher abzuraten.

Besonders gut gereifte oder lagerfähige Weinjahrgänge, wobei die Qualität in den jeweiligen Anbauregionen abweichen kann: 1945, 1947, 1949,1953, 1959, 1961, 1975, 1978, 1982, 1986, 1989, 1990, 1995, 1996, 2000, 2005, 2010, 2015 Fragen Sie im Restaurant nach gereiften Weinen.

Besondere Raritäten werden nicht immer auf der Weinkarte angeführt. Auch Weinbaubetriebe geben ihre gereiften Gewächse oft nicht in der regulären Preisliste an. Einige verschicken auf Anfrage auch eine Altweinliste.

Einige Weinbaubetriebe sitzen coronabedingt auf übervollen Lagern. Während des monatelangen Lockdowns fel die Gastronomie als Abnehmer aus, der Onlinehandel konnte das nur bedingt kompensieren. Unter Umständen kommt man gerade jetzt an besondere Kreszenzen, die sonst notorisch ausverkauft sind.

Will man einen gesamten Weinkeller von privaten Sammlern oder Gastronomen erwerben, empfehlt es sich, Profs zu Rate zu ziehen. Sie wissen, worauf zu achten ist und können sowohl den Wert als auch den Zustand des Kellers und der Flaschen einschätzen. Einige Fine Wine Händler bieten diesen Service an.

Eine Wertsteigerung bedeuten reife Weine nur, wenn sie in einwandfreiem Zustand sind. Das betrifft nicht nur den Inhalt, sondern auch die Flasche selbst. Beschädigte, vergilbte oder schimmlige Etiketten etwa mindern den Wert der Sammlung. Idealerweise sind sie originalverpackt in der Holzkiste. Umgekehrt kann man kostbare Altweine günstiger erwerben, wenn einem die Optik der Flasche egal ist, etwa, weil man sie einfach trinken möchte.

Um den Marktwert eines Weins zu eruieren, konsultiert man am besten die Online-Suchmaschine und Vergleichsplattform wine-searcher.com. Auch wenn nicht alle Weine um den angegebenen Preis bei genanntem Händler oder Auktionshaus tatsächlich zu haben sind, kann man sich einen ganz guten Überblick verschaffen. Interessant ist auch die Website cellartracker.com, eine Art Weindatenbank und Informationsaustausch-Plattform von Usern rund um Weinsammeln, -verkosten und Kellermanagement.

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Der innere Zusammenhalt

Der ungarische Weinbau ist mit dem burgenländischen durch große Traditionen verbunden. Es wird Zeit, diesen Verbindungen nachzuspüren. Eine grenzüberschreitende Erfahrungsreise in die Regionen Somló und Balaton.

Am meisten überrascht mich, wenn jemand oder etwas genau dem Klischee entspricht, das von ihm kursiert. Blödes Beispiel: ein Zuhälter, der tatsächlich einen blondierten VokuhilaHaarschnitt trägt und ein dickes Goldkettchen um den Hals. Oder ein Schnösel von irgendeiner Privatbank, der in der Freizeit mit weißen Hosen und rosa Ralph­Lauren­ Polo herumläuft, der Kragen zu allem Überfuss aufgestellt. Oder – und damit nähere ich mich meinem Thema wie ein im fünften Gang dahinschnurrender Geländewagen – wenn die ungarische Tiefebene tatsächlich so brettleben ist, dass die Handwerker zwischen Neusiedler See und Somló keine Wasserwaage bei der Arbeit brauchen.

Die ersten beiden Beispiele halte ich nach wie vor für unwahrscheinlich. Das dritte Beispiel nicht, denn die Ungarische Tiefebene habe ich persönlich durchmessen, übrigens in einem im fünften Gang dahinschnurrenden Geländewagen.

Nun ist die Kleine Ungarische Tiefebene ein Teil des Eurasischen Steppengürtels im Pannonischen Becken. Sie gehört zur Pannonischen Tiefebene, die sich durch den gesamten Osten Ungarns, Teile Rumäniens, Serbiens und Kroatiens erstreckt und unter dem Synonym Transkarpatisches Tiefand bis in die Ukraine ausbreitet. Sie wird begrenzt von der Donau, den Karpaten und dem Balkan, durchfossen vom Theiss und zwei seiner Kanäle. Puszta, genau. Der inzwischen neuromantisch eingefärbte Begriff bedeutet direkt übersetzt Ödnis. Das könnte als Beschreibung der Landschaft ohne Weiteres durchgehen, wenn das ehemalige Sumpf­ und Steppengebiet nicht sukzessive erschlossen und für die Landwirtschaft urbar gemacht worden wäre, große Felder, weiter Horizont. „Siehst du ihn?“, fragt der Fahrer. „Nein“, antworte ich wahrheitsgemäß. „Dort hinten“, sagt er. „Genau dort hinten seh’ ich gar nichts“, sage ich. „Schau genauer!“ Ich schaue genauer, dabei fällt mir im graublauen Dunst am Horizont eine kleine dunkle Verdichtung auf, eine Verfärbung, eine Anomalie. Davon berichte ich dem Mann am Volant, und er ist entzückt: „Das ist er! Ist er nicht wahnsinnig schön?“

Ich mag Menschen, die zu Euphorie neigen, weil sie davon überzeugt sind, den Vulkankegel des Somló zu sehen, deshalb nicke ich nur zustimmend und denke mir, der Mann weiß, was er tut, also nehme ich an, dass er auch weiß, was schön ist. Beim Fahrer handelt es sich um Roland Velich, der zum Burgenland, das bis vor hundert Jahren bekanntlich noch Deutsch­Westungarn hieß und zu Ungarn gehörte, eine besondere Beziehung pfegt. Velich ist einer derer, die früh das Potenzial der hier heimischen Blaufränkisch­Rebe erkannt haben. In einer Zeit, als im Burgenland vielfach französisch beeinfusste Rotwein­ Cuvées in Mode kamen, Merlot­ und Cabernet­ Sauvignon­ Stöcke ausgepfanzt wurden, setzte er voll auf einen neuen, puristischen Weinstil und führte die im Burgenland traditionell angebauten Blaufränkisch mit konsequenter Arbeit in die Weltklasse.

Velichs Weingut Moric liegt im mittelburgenländischen Lutzmannsburg. Von der Aussichtsplattform, die auf dem Hochplateau über dem Dorf aufgebaut wurde, sieht man nicht nur hinunter zur Dorfkirche, sondern auch weit in die Ungarische Tiefebene hinein. Die Grenze ist nur ein paar hundert Meter entfernt. Auf

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Ein Berg ist ein Berg ist ein Berg. Aber der Somló ist spektakulär, weil er aus der Ebene herauswächst wie ihre Antithese.

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dem Weg dorthin befnden sich ein paar der besten Weingärten Velichs, sodass man durchaus auf die Idee kommen könnte, jenseits der Grenze nachzufragen, wie es dort mit der Weinkultur aussieht.

Hinzu kommt, dass der Weinbau in Ungarn eine lange Tradition hat, bis zurück in die Antike. Im Mittelalter waren Weine aus Eger und Sopron bekannt und beliebt, und an den Königshäusern Europas galt der Süßwein Tokajer, um den französischen König Ludwig XIV. zu zitieren, als „König der Weine, Wein der Könige“.

Die große Wende im ungarischen Weinbau kam mit dem Zweiten Weltkrieg. Nicht nur, dass der Krieg eine Spur der Zerstörung durchs Land zog, auch die radikale Abkehr von den bis dahin wichtigen Märkten Westeuropas führte zu einem Paradigmenwechsel. Mit ungarischem Wein wurde nur mehr die heimische Bevölkerung versorgt und jene der befreundeten Sowjetunion. War bis dahin in den kleinteiligen Weingütern die geschmackliche Qualität der Weine im Mittelpunkt gestanden, konzentrierten sich die staatlichen Weinfabriken, die sich die meisten privaten Weingüter einverleibt hatten, darauf, möglichst große Mengen Wein herzustellen. Die Zeit von Kriegsende bis zum Fall des Eisernen Vorhangs gilt daher als dunkles Kapitel in der Geschichte des ungarischen Weinbaus. Erst nach 1989 begannen ungarische Winzer, ihre Traditionen wiederzuentdecken und vorsichtig an die Arbeit ihrer Großund Urgroßeltern anzuschließen.

Roland Velich, der aus dem Seewinkel stammt, stieß bei der Erforschung burgenländischer Weinbautraditionen zwangsläufg auf den engen Zusammenhang zwischen dem Weinbau diesseits und jenseits der Grenze. Er unternahm Exkursionen zu ungarischen Winzern, um sich einen Überblick zu verschaffen, reiste

in die Gegend von Tokaj, in die Balaton­Region und an den Somló – unser heutiges Ziel.

Inzwischen kann ich ihn tatsächlich sehen: Der Somló, ein 431 Meter hoher Inselberg, schält sich aus dem Dunst. Ich kann bereits die Strukturen des erloschenen Vulkans erkennen, auf der Bergkuppe Wald, auf den zum Teil steilen Berghängen Weingärten. Wäre er aus Fels, sähe der Somló aus wie Ayer’s Rock.

Roland Velich hat hier den jungen Winzer Tamás Kis kennengelernt, in dessen Weinen er etwas erkannte, was ihn beeindruckte. Er begann, mit Kis über den Charakter der einzelnen Weine zu diskutieren, die er am Somló anbaut, vor allem die autochthonen Sorten Hárslevelü, Juhfark, dazu Olaszrizling, den ungarischen Welschriesling, Rheinriesling und Furmint, Velichs Lieblingstraube. Daraus entstand über

die Zeit ein Projekt, eine Zusammenarbeit, eine Verwirklichung von Velichs Traum, mit ausdrucksstarken, eleganten Weinen Regionen beschreiben zu können. Wenn man so will, versteht sich Roland Velich als Landschaftsmaler mit den Mitteln des Weinbaus.

Wir kommen an verfallenen Lagerhallen vorbei, aber dann drängt sich ein neuer Zweckbau am Fuß des Somló ins Bild, der an einen kleinen

Der innovative Winzer hat sich in den Kopf gesetzt, die Geschmäcker diesund jenseits der burgenländisch-ungarischen Grenze sichtbar und nachvollziehbar zu machen. Sein grenzübergreifendes Projekt heißt Hidden Treasures.

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FOTOS: WINES OF HUNGARY –PERSONALLY, PETER RIGAUD, ELFIE SEMOTAN
Roland Velich in seinem Haus in Großhöfein.

Im Weinbaugebiet Somló werden vor allem Weißweinsorten kultiviert: Hárslevelü, Juhfark, Olaszrizling und Furmint.

Roland Velich gilt als wesentlicher BlaufränkischWinzer. Im Bild einer seiner alten Rebstöcke, aus denen er Weine keltert, die in der ganzen Welt von ihrer Herkunft erzählen – und Höchstbewertungen einheimsen.

Flughafenterminal erinnert: Es ist die Sektkellerei Kreinbacher. Der erfolgreiche Bauunternehmer József Kreinbacher ist im heutigen Ungarn eine große Nummer. Er hat seinen hedonistischen Neigungen ein Weingut und ein Boutiquehotel hinzugefügt und ist inzwischen der größte Eigentümer von Flächen im winzigen Weinbaugebiet Somló. Auf dem Tafelberg wird, nur um die Dimension festzuhalten, weniger Wein angebaut als in der Stadt Wien.

Wir fahren über schmale Straßen den Berg hinauf. Die Weingärten stehen auf steilem Grund. Mauern in Trockenbauweise, kleine, die Schräge der Landschaft ausbalancierende Gebäude. Tamás Kis kommt uns mit seinem kupferbraunen Viszla entgegen, Begrüßung, wir drehen eine Runde, besichtigen Lagen, betrachten die Erde, Basaltbruch, verwitterten Tuffstein, Löss, Lehm, erstaunliche Expositionen bis an die Waldgrenze hinauf, wo die Tage heiß, aber die Nächte kühl sind.

Später setzen wir uns in den Schatten eines wuchernden Feigenbaums vor den Keller von Tamás, um Wein zu kosten. Das Auffallendste an den Weinen vom Somló ist, wie fein gewirkt sie sind, wie zart ihre Aromen sich entfalten, wie kultiviert sie ihre Region repräsentieren. Roland Velich ist beeindruckt von der strahlenden Eleganz des Furmint, Tamás Kis ist ein Anwalt des Juhfark und des Olaszrizling, und weil man für weiteres Diskutieren eine Unterlage braucht, gehen wir ein paar Häuser weiter in den Somló Wine Shop von Éva Cartwright, eine Taverne mit Keller, Gastgarten und zwei Stockwerken, von deren Balkonen man an guten Tagen eine Aussicht bis hinüber zum Balaton hat.

Éva erweist sich als blendende Gastgeberin. In ihrer Taverne kann man die besten Weine vom Somló genauso verkosten wie Weine von

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anderen vulkanischen Herkünften, ein durchaus didaktisches Angebot also, dazu gibt es Wurst, Käse und Gemüse. Außerdem hat sie von einer Reise nach Georgien eine neue Leidenschaft mitgebracht, nämlich Amphorenweine, über die sofort angeregt diskutiert wird. Mein Eindruck: Die wuchtigen, reduktiven OrangeWeine sind auf der Geschmacksskala die exakte Antithese zu Tamás Kis’ blütenzarten Gewächsen.

Die Zusammenarbeit mit Kis gehört zu einem übergeordneten Projekt Roland Velichs, mit dem er einerseits Schlaglichter auf vergessene Weinregionen richten, andererseits aber auch die innere Zusammengehörigkeit von ungarischen und burgenländischen Weinen herausarbeiten will. Das Projekt heißt Hidden Treasures. Velich tut sich dafür mit dem jeweiligen Winzer zusammen, begleitet ihn beratend durch die Saison und legt bei der fnalen Assemblage, dem Abschmecken des Weins, selbst Hand an. Das Ergebnis ist eine Serie von Weinen, die Velich dem Winzer abkauft, sie neu etikettiert und in seinen Vertrieb übernimmt. Er arbeitet für die Hidden Treasures­Reihe mit ungarischen und burgenländischen Winzern zusammen, bis dato sind acht Kooperationen entstanden: mit Attila Homonna in Tokaj, mit Tamás Kis in Somló, mit der Villa Tolnay am Balaton, mit Christoph WachterWiesler am Eisenberg, mit Stefan Wellanschitz in Neckenmarkt, mit Hannes Schuster in St. Margarethen, mit Martin Lichtenberger und Adriana Gonzáles in Breitenbrunn und, neu, mit Gergö Filep aus Tállya in der Tokaj­Region.

Wir kosten den Juhfark, wir kosten Welschriesling, wir kosten Furmint, helle, subtile Weine, der Jahrgang 2019 ein Glücksfall. In die gemeinsame Assemblage dieses Jahres – Hidden Treasures No. 2 – fießt

Oben: Die Villa Tolnay in der Weinbauregion Balaton. Wo früher eine berühmte ungarische Schauspielerin ihre Sommerfrische verbrachte, produziert heute ein Schweizer Quereinsteiger ausgezeichnete Weine.

Re.: Tamás Kis vor seinem Keller auf dem Somló. Kis ist zu einem Winzer gereift, der die vorhandenen Trauben zu einem äußerst subtilen Wein vergärt, der ein elegantes Ausrufezeichen für die Region darstellt.

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FOTOS: VILLA TOLNAY BORHAZ KFT (2), SOMLÓI VÁNDOR PINCE

neben dem Furmint ein Anteil von Hárslevelü und Olaszrisling, die Weine präsentieren sich noch einmal charaktervoller, eigenständiger.

Dazu gibt es eine sehr rote Wurst, weißen Käse und den Blick über die Ebene: Es ist ein Kristallisationspunkt von Sehen, Schmecken, Fühlen, eine Möglichkeit, Weine nicht nur zu kosten, sondern zu begreifen.

Nach einem Besuch im Keller von Tamás Kis fahren wir weiter, lassen den einen erloschenen Vulkan hinter uns und steuern eine andere Vulkanlandschaft an, die Hügel nördlich des Balaton, des Plattensees, einer ebenfalls durch Vulkanausbrüche geprägten Kulturlandschaft, deren

Boden aus den Sedimenten des Pannonischen Meeres besteht.

„Siehst du sie?“, frage ich Roland Velich. Er antwortet: „Du wirst schon sehen.“

Mitten in einem Naturschutzgebiet, am Fuß eines kleinen Vulkanbergs namens Csobánc, hat der Schweizer Philipp Oser 2004 das Weingut Villa Tolnay gegründet und seither ständig erweitert. Rund um Osers Haus in den Weinbergen befnden sich inzwischen mehr als 25 Hektar Rebberge, auf denen sowohl Rieslingsorten angebaut werden –Rheinriesling und Olaszrizling, wie das ungarische Synonym für Welschriesling heißt – als auch Furmint, die

Philipp Oser (li.) stammt aus der Schweiz und blickt auf eine äußerst erfolgreiche Karriere in der IT-Branche zurück. Er verkaufte sein Unternehmen und investierte den Erlös in das neue Wein-Projekt Villa Tolnay.

große autochthone Rebsorte Ungarns, und einige kleinere Parzellen mit Grünem Veltliner, Sauvignon blanc und diversen Rotweinsorten.

Oser stammt aus Basel. Er hat eine Vergangenheit als IT­ Dienstleister – sein Unternehmen Redtoo verkaufte er 2016 an Vinci Energies – und Inhaber des Gourmetrestaurants Viva in Oberwil. Inzwischen konzentriert er sich allein auf den Wein. Oser hat seinen Abschied aus der Schlipsträgerwelt auch mit ein paar fächigen Tätowierungen auf seinen Armen verdeutlicht. Er wohnt ein paar hundert Meter von seinem Weingut entfernt, große Terrasse, weiter Blick, rund um das Haus die eigenen Rebberge.

Der Name des Weinguts feiert die große ungarische Schauspielerin Klári Tolnay, die hier ihre Sommerresidenz hatte. Die Villa wurde inzwischen in ein kleines Hotel umgewandelt, unter dem sich der alte, herrschaftliche Weinkeller befndet. Dort hinunter steigen wir, zwischen die Formationen der Stockinger­Fässer und Gärständer, wo die Weine des letzten Jahrgangs liegen und auf ihre Bestimmung warten. An der Stirnseite eines 1.500 ­Liter­Fasses steht mit Kreide angeschrieben die Formel, nach der die Abfüllung des nächsten Hidden TreasuresJahrgangs erfolgen wird.

Oser hebt aus allen Fässern Wein, der anschließend probiert und beschrieben wird. Die Stoßrichtung ist klar: Wie kann man den Inhalt der einzelnen Fässer so verschneiden, dass am Schluss die subtilen und nicht die vordergründigen Aromen das Kommando übernehmen?

Diese Detailarbeit, die Velich und Oser seit Jahren gemeinsam leisten, ist dafür verantwortlich, dass die Weine eine Charakteristik bekommen, die sich weitgehend den üblichen Zuschreibungen entzieht: fein, vornehm und ein glänzendes Spektrum an frischen Düften und Aromen.

Später spaziere ich den Csobánc hinauf, an dessen Fuß das Weingut liegt. Im 18. Jahrhundert bekriegten sich hier österreichische und

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Die große Weinbautradition Ungarns begründete naturgemäß auch die Traditionen des Burgenlands. Jetzt finden ein paar wertvolle Fäden wieder zusammen.

ungarische Truppen. Die Burg auf dem Hügel wurde zerstört und nie wieder aufgebaut.

Von der Anhöhe habe ich einen guten Überblick über das Weingut und kann ungehindert Richtung Plattensee schauen. Der Balaton ist der größte Binnensee Mitteleuropas, 79 Kilometer lang, durchschnittlich 7,8 Kilometer breit. An seinem westlichen Ende ragen die Basaltsäulen des Badacsonybergs aus der Ebene, weiter nördlich der Szent György­hegy, der St. Georgs­Berg.

Auch in dieser Region schlägt der Weinbau wieder eine neue Richtung ein, auch wenn alte Massenproduktionsweisheiten noch immer kursieren: Der Olazsrizling, so die Binsenweisheit, sollte zum Beispiel „schnell in Flaschen abgefüllt werden, damit er sein Bittermandelaroma bewahrt“.

Philipp Oser geht den anderen Weg. Seine Leitsterne sind nicht die ungarischen Massenweine – obwohl er sich da mit seinem Kellermeister die eine oder andere Auseinandersetzung liefert, ob nicht vielleicht doch neuer Sauvignon blanc ausgepfanzt werden soll, die in Ungarn beliebteste Sorte –, sondern die großen Weine Europas.

Als wir abends auf der Terrasse sitzen und die beeindruckende Mahlzeit zu uns nehmen, die Osers Frau Adriana zubereitet hat, gekrönt von einer Scheibe Wagyu­Beef, die auf dem Grill den letzten Schliff bekommt, sprechen wir, während wir Wein trinken – Champagner, Riesling von der Mosel, Olazsrizling von der Lage Csobánc, Pinot noir aus dem Burgund –über Wein.

Blick über den Balaton, Steppensee und Ferienziel. In der Vulkanlandschaft, die den See umgibt, sind vielversprechende Weinbaubetriebe entstanden, die an ihrer Eigenwilligkeit arbeiten –und daran, die verlorene Ehre der Nachkriegszeit wiederherzustellen.

Es ist ein Naturgesetz, dass Köche beim Essen über Essen sprechen und Winzer beim Trinken über Wein. Oser listet zum Beispiel die Vorzüge der Bodenbeschaffenheit seines Weinguts auf: eine reichhaltige obere Bodenschicht, ein mineralischer vulkanischer Zwischenboden, darunter der Sedimentationssand des Pannonischen Meeres. Man diskutiert über schonenden Rebschnitt, den Einsatz von Traktoren, den idealen Abstand der Stockkulturen.

Es wird ein langer Abend, der ätherisch zwischen den Jahrgängen der Gegenwart hängt und denen, die die Zukunft vielleicht bringt.

adressen

Roland Velich – Moric Kirchengasse 3 7051 Großhöfein moric.at

Somló Wine Shop & Guesthouse GPS Koordinaten: Lat/X 47.139670 Lon/Y 17.37265 somloi.hu

Villa Tolnay 8286 Gyulakeszi Csobánc hegy 24, Ungarn villatolnay.boraszat marketing.hu

Weingut Wachter-Wiesler

Untere Hauptstraße 7 7474 Deutsch Schützen wachter-wiesler.at

Tags darauf fahren wir am Plattensee entlang, meiden Autobahnen, durchmessen – schnurrend im fünften Gang selbstverständlich – den Westen von Ungarn, sehen Störche, Kirchen und Bauernhäuser, wie sie im Burgenland ganz genauso zu Hause sind, orientieren uns an den Bauten, die in der Zeit des Sozialismus in die Breschen gebaut wurden und die außerdem ein starker Hinweis dafür sind, wo wir uns gerade befnden.

Nach zwei Stunden überqueren wir in der Nähe des Eisenbergs die Grenze und machen, weil wir schon hier sind, einen Abstecher zu Christoph Wachter­Wiesler, mit dem wir dann auf seiner Terrasse sitzen und die frischen Blaufränkisch verkosten, die demnächst gefüllt werden.

Der Rotwein ist dunkel, köstlich und frisch. Der Blick fällt über den Weinberg hinunter zum Zollhaus.

Dahinter die Grenze.

Hinter der Grenze die Gewissheit, dass der Wein eine gemeinsame Sprache spricht. —

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FOTO: WINES OF HUNGARY –PERSONALLY

Familienbusiness am Göttweiger Berg

Sepp und Josef Dockner bewirtschaften im Kremstal südlich der Donau ein Weingut, das in Sachen Weinqualität, Gastfreundschaft und Erlebnischarakter „alle Stückln spielt“.

Gleich mehrere Generationen ziehen am Weingut Dockner an einem Strang, um hier großartige Weinerlebnisse zu bieten: Josef Dockner ist Herr über den Keller, Petra verantwortet die interne Organisation, Sepp kümmert sich um die Weingärten und sorgt für das Marketing, Ehefrau Gudrun Dockner ist begnadete Köchin und Gastgeberin im Weinverkostungszentrum, und Tochter Barbara ist für die Leitung der vor Kurzem eröffneten Sektmanufaktur am Kremser Frauengrund zuständig.

Kremstal in Reinkultur

Die Familie Dockner bietet in Höbenbach auf ihrem Weingut zahlreiche gastronomische Angebote, die Basis allen Tuns sind aber immer die ausgezeichneten Weine: „Unser Ziel ist, gemäß der Qualitätspyra­

mide im Kremstal Weine zu vinifzieren, die ihrer Herkunft rund um den Göttweiger Berg entsprechen“, so Josef Dockner. Mit Weinen von herausragenden Lagen wie Leiten, Rosengarten, Frauengrund, Gottschelle, Lusthausberg; Oberfeld, Herrentrost und Himmelreich liegt der Sortenschwerpunkt auf Grünen Veltlinern, die sich fruchtig präsentieren, wie auch auf mineralischen, eleganten Rieslingen. Mit ihren harmonischen Rotweinen begeistern sie Weinfans ebenso wie mit ihren heimischen Sekten, die dank Méthode Traditionelle sowie langer Reifephase exzellente Produkte sind. Das stete Bemühen, erstklassige Weine zu vinifzieren, vom Weingarten über die Kellerarbeit bis hin zu den gereiften Weinen, zeigt sich schlussendlich auch in hervorragenden Bewertungen.

Die Weine vom Weingut Dockner in der A la Carte -Verkostung

2019 Grüner Veltliner

Ried Leiten Privatfüllung Gudrun

Kremstal DAC Reserve 13,5 %, €€ 95 Vielschichtige Nase, kandierte Birne, Orange und Mandeln, Verbene, Kräuteranklänge, stoffger Wein, harmonischer Trinkfuss, feiner Gerbstoff, lang anhaltender Abgang, feiner Schmelz im Rückaroma

2019 Riesling Ried Leiten

Privatfüllung Sepp Kremstal DAC Reserve 13,5 %, €€ 95 Ausgeprägtes Bukett, kandierte Orange und Ananas, Marille, Mandarine, gut stützendes Säurespiel, leicht süßer Schmelz im Abgang, gelber Pfrsich und Nektarine im langen Nachhall

2018 Sacra 13,5 %, €€€ 93 (CS/ME/ZW) Komplexe Nase, dunkelbeerige und rauchig-röstige Noten, Kakao, Kirsche, kräftiger Wein, balancierte Struktur, feinkörniges Tannin, zedrige Anklänge und Cassis im Abgang

2020 Riesling Ried Rosengarten Kremstal DAC 13 %, FP, €€ 93 Helle Farbe, nuancierte Frucht, kandierte Ananas, Passionsfrucht, Marille, Minze, kräftiger Wein, markantes Säurespiel, fruchtig-pikantes Finish, zarter Schmelz im Abgang

2015 Blanc de Blancs Brut Kremser Frauengrund Große Reserve 13 %, €€€ 92+ (CH/PG/PB) Jugendliche Farbe, Brioche, kandierte Birne, Mandeln und Orange, Melone, feines Mousseux, druckvoll, cremige Textur, fruchtiger Abgang, gute Länge, Biskuit im Finish

2020 Grüner Veltliner

Ried Lusthausberg Kremstal DAC 13,5 %, FP, €€ 92 Jugendliche Farbe, ausgeprägte Fruchtnoten, Nektarine, Aranzini, Marille, Würze, stoffger Wein, balancierte Struktur, zarte Fruchtnoten im Abgang, feiner Schmelz im Nachhall

Historischer Wein

2017 Riesling Rosengarten Eiswein

73 A LA CARTE ADVERTORIAL FOTO: WINZERHOF DOCKNER WINZERHOF DOCKNER
Teamwork über mehrere Generationen hinweg –eine der Erfolgssäulen am Weingut Dockner
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Ein Land sieht Orange

Nach der Unabhängigkeit von Jugoslawien lag der Weinbau in Slowenien noch darnieder. 30 Jahre später haben vor allem die unkonventionellen orangen und naturnah erzeugten Weine aus dem kleinen Land die Weinkarten der angesagtesten Restaurants der Welt erobert. Über das slowenische Weinwunder und darüber, was Italien damit zu tun hat.

Selbst wenn es viele Slowenen gar nicht gerne hören: Seinen Anfang genommen hat der Erfolg der slowenischen Weine eigentlich in Italien. Tatsächlich setzten dort bereits gegen Ende der 1990er-Jahre etliche Winzer auf alternative Techniken und Weinstile, die in Folge immer angesagter wurden. Wie etwa auf biologischen beziehungsweise biodynamischen Anbau, auf naturnahe Erzeugung, auf Mazeration auf der Maische (Orange-Wein) oder auch auf Fermentation in Amphoren.

Beheimatet sind viele dieser Winzer in den Grenzgebieten zwischen Italien und Slowenien, also in der friulanischen Hügelkette Collio, deren in Slowenien liegender Teil Brda genannt wird. Oder am Karst-Plateau hinter Triest, das die Italiener Carso und die Slowenen Kras nennen. Und tatsächlich zählen auch viele, wenngleich nicht alle, dieser Pioniere zur slowenischsprachigen Minderheit und tragen slawisch (inzwischen auch prestigereich) klingende Namen wie Joško Gravner, Dario Princˇicˇ, Stanislao Radikon, Sandi Škerk oder Benjamin Zidarich.

„Der Erfolg der Winzer in Italien hat viele von uns ermutigt“, bestätigt Aleks Klinec, dessen Weingut in den Hügeln der Brda liegt, haarscharf an der Grenze und

Oben: Blick vom Agriturismo von Simona und Aleks Klinec auf die Weinberge der Hügelkette Goriška Brda, die jenseits der Grenze zu Italien Collio heißt. Re.: Nevenka und Benjamin Zidarich, Wein-Pioniere am Triester Karst, in ihrer Buschenschank, die mehrmals im Jahr aussteckt

mit Blick nach Italien, „außerdem sorgte paradoxerweise der Kommunismus dafür, dass der alte Stil des Weinmachens hier bei uns bewahrt blieb.“ So war es den Winzern im ehemaligen Jugoslawien zwar gestattet, einen Teil ihrer Trauben selbst zu keltern, anstatt sie an die Kooperativen abzuliefern, allerdings durften sie den Wein nicht in Flaschen verkaufen, sondern nur für den Eigenverbrauch nutzen oder in größeren Gebinden an lokale Gasthäuser liefern.

„In dieser damaligen Parallelwelt des Weinbaus hat sich der Stil unserer Großväter erhalten“, fährt Klinec fort, „und der bestand eben darin, den Weißwein zu mazerieren, ihn also auf der Maische zu vergären, als wäre er Rotwein.“ Inzwischen ist diese althergebrachte Technik unter einigen der bekanntesten Winzer im Grenzgebiet zwischen Slowenien und Italien stark verbreitet; und die gesamte Region weltweit bekannt für den hier erzeugten Orange Wine. Vor allem aber genießt das kleine Slowenien in der alternativen internationalen Weinszene heute einen exzellenten Ruf. „Das geht sogar so weit, dass viele Menschen im Ausland denken, alle Winzer hierzulande würden naturnah arbeiten

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TEXT & FOTOS VON GEORGES DESRUES

und mazerieren“, amüsiert sich Klinec, „dabei sind wir in Wahrheit eine kleine Minderheit. Und unser Wein ist ein Nischenprodukt.“

So sieht das auch Klemen Mlecˇnik, einer der Stars der Szene aus dem Vipava-Tal hinter Triest. „Mazerierte Weine sind kein Trend, sondern nur die Fortsetzung der Geschichte“, erklärt Mlecˇnik, der zusammen mit seinem Vater seine Trauben ausschließlich in einer alten Handpresse presst, „denn als vor Jahrtausenden der Weinbau entstand, ging man nicht anders vor. Geändert hat sich das bei uns erst nach dem Zweiten Weltkrieg, als man auch in den damaligen jugoslawischen Kooperativen begann, helle, frische und spritzige Weißweine zu erzeugen, wie sie der Markt damals verlangte.“

Dass die orangenen Weine ausgerechnet in dieser Region so verbreitet sind, liege nicht zuletzt an den lokalen Traubensorten, sagt der Experte Marko Kovacs. „Die vier regionalen Hauptsorten Friulano (früher Tocai Friulano, Slowenisch Zeleni Sauvignon), Vitovska, Ribolla Gialla (Rebula) und Malvasia Istriana (Malvazija Bela) eignen sich ganz wunderbar für diese Technik. Die Malvasia

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„Der Erfolg der Winzer in Italien hat viele von uns ermutigt.“
Aleks Klinec, Winzer

slowenien

Movia

Aleš Kristančič gilt als einer der Ersten in Slowenien, der noch unter kommunistischer Herrschaft begann, seinen Wein selbst abzufüllen und zu vermarkten. Ein besonderer Marketing-Gag ist ihm mit seinem (hervorragenden) Schaumwein namens Puro gelungen, den der Endverbraucher selbst und unter Wasser degorgieren soll. movia.si

Aleks Klinec

Hoch oben auf einem Hügel der Brda und mit sensationellem Ausblick erzeugt Aleks Klinec nicht nur hervorragende, mazerierte Weine, sondern betreibt zudem mit seiner Frau Simona ein sehr charmantes Agriturismo. Berühmt sind vor allem die dunkel gefärbten Orange-Weine. klinec.si

Mlečnik

Gemeinsam mit seinem Vater Valter erzeugt Klemen Mle čnik auf seinem Weingut im genauso lieblichen wie verschlafenen VipavaTal stark mazerierte Weine, deren Trauben per Handpresse gepresst werden. Hochangesehen ist unter anderen die Cuvée Ana aus Malvasia, Ribolla Gialla, Tocai Friulano und Chardonnay, die zwei Jahre im Holzfass reift. mlecnik.eu

Vasja Čotar

Am Karstplateau, gleich nach der Grenze und nur wenige Kilometer von seinen italienischen Nachbarn Skerk und Zidarich entfernt, erzeugt Vasja C ˇ otar trinkfreudige Rot- und körperreiche Weißweine. Außerdem betreibt die Familie ein sympathisches Gasthaus, das nur an Wochenenden geöffnet hat. cotar.si

Organic Anarchy

Unter überzeugten Natur- und OrangeWein-Fans herrscht ein regelrechter Kult um Aci Urbajs Weine aus dem südlichen Teil der slowenischen Steiermark. Viele andere tun sich indessen etwas schwerer mit den bisweilen ungebündelten Aromen und den intensiven Oxidationsnoten. Berühmt ist außer den wuchtigen Orange-Weinen auch ein beeindruckender Pinot noir. info-urbajs.si

beispielsweise ist eine Sorte, die sich nur ziemlich schwer pressen lässt. Belässt man sie allerdings für einige Zeit auf den Häuten, entsteht eine enzymatische Reaktion, die ihre Säfte freisetzt“, so der Weinhändler Kovacs, der die alljährlich in Wien stattfindende Natur- und Orange-Wine-Messe namens Karakterre organisiert.

Oben: Im lieblichen VipavaTal, das sich in Slowenien hinter dem Triester Karst bis Görz zieht, pressen Klemen Mlečnik und sein Vater ihre Weine allesamt in der hier abgebildeten Handpresse.

Klemen Mlečnik, Winzer

Zudem gelangen dieserart Inhaltsstoffe aus den Häuten in den Wein, was diesen länger haltbar macht. Dienlich war das zumal in früheren Zeiten, als man noch ohne künstliche Kühlung und ohne Zusatzstoffe wie etwa Schwefel auskommen musste.

„Über Jahrhunderte lieferte die Region zwischen Alpen und Adria ihre mazerierten Weine in die umliegenden Machtzentren, zuerst nach Rom, später nach Venezien und ins Wien der Habsburger“, so Kovacs.

Beachtenswert ist, dass in Slowenien auch die slowenischsprachigen italienischen Winzer gerne etwas verkürzt als „slowenische Winzer“ be-

zeichnet werden und sich ihre Weine dort in Restaurants und Weinbars finden, die ansonsten ausschließlich slowenische Weine führen. Wie etwa im angesagten Tabar in Ljubljana. „Unsere Weine sind alle von slowenischstämmigen Erzeugern“, betont Jurij Osole, der Betreiber der gut sortierten Weinbar im Zentrum der Hauptstadt. Zu den „slowenischstämmigen Erzeugern“ werden also auch die zuvor genannten Italiener gezählt, die hier allesamt auf der Weinliste des Tabar stehen.

Soll sein. Aber wie kommt dann der Steirer Andreas Tscheppe auf diese Liste? „Seine Vorfahren stammen aus Slowenien, und er spricht ein wenig Slowenisch“, antwortet Osole, ohne mit der Wimper zu zucken. Nun ist es zwar durchaus üblich, dass die Weinkarten dieser Welt sich auf ein einziges Land oder aber auf eine grenzübergreifende Region beziehen. Viel ungewöhnlicher, ja geradezu erstaunlich ist indessen eine Auswahl nach Herkunft beziehungsweise Sprache des Winzers.

Zumal nach dieser Logik (der neben dem Tabar etliche weitere Lokale in Slowenien anhängen) die nicht slowenischsprachigen Erzeuger sogar dann ausscheiden, wenn sie im selben

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„Mazerierte Weine sind kein Trend, sondern nur die Fortsetzung der Geschichte.“

Gebiet, im selben Klima und mit denselben Sorten und Bodenbeschaffenheiten arbeiten. Um es noch anschaulicher zu machen, braucht man sich nur vorzustellen, wie es aussähe, wenn ein Tiroler Restaurant neben österreichischen auch Südtiroler Weine anböte – allerdings ausdrücklich nur von deutschsprachigen Winzern. Der Vergleich mag hinken, und ein wenig Nationalismus sei dem jungen Land ja auch zugestanden. Doch bei genauer Betrachtung zeigt sich deutlich, dass die slowenischsprachigen Italiener, was den Weinbau betrifft, auch stark von der italienischen Weinkultur geprägt sind. Eine

setzten wie eben Mazeration, Amphoren-Ausbau und naturnahe Erzeugungsmethoden. In den Jahren danach wuchs naturgemäß zusammen, was zusammengehört. Denn Grenzen wurden in dieser Region, die als ein einziges Ganzes über viele Jahrhunderte Teil des Habsburgerreichs war, erst nach dem Ersten Weltkrieg gezogen.

Durch den Beitritt Sloweniens zum Schengen-Raum im Jahr 2007 wurde also nur der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt (und erst durch die Covid-Krise und zum Leidwesen nicht nur der Winzer im Vorjahr vorübergehend aufgehoben). Die Grenzfreiheit förderte den Austausch unter den Weinbauern, viele Slowenen ließen sich vom Erfolg der Weine aus dem Westen inspirieren und übersprangen die Etappen. Mit konventionellem Weinbau gaben sie sich gar nicht erst ab, setzten stattdessen gleich auf die inzwischen sehr hippen orangen und naturnah erzeugten Weine. Unter ihnen zahlreiche, die mittlerweile als Superstars der Szene gelten, wie Aleš Kristancˇicˇ mit seinem Weingut Movia in den Hügeln der Brda; oder wie Vasja C ˇ otar am kargen Karstplateau; aber auch wie Kultwinzer Aci Urbajs mit seinem Organic Anarchy in der slowenischen Steiermark.

italien

Joško Gravner

Der Winzer aus dem Ort Oslavia am Isonzo gilt als Vordenker in Sachen Mazeration und Einsatz von Amphoren. Mit seinen gleichermaßen althergebrachten wie revolutionären Techniken verändert er die Geschichte des Weinbaus und inspiriert bis heute zahlreiche Weinbauern auf der ganzen Welt. gravner.it

Dario Prinčič

Genau wie Gravner zählt auch Prinčič zu den Pionieren des naturnahen Weinbaus und der Mazeration. Auf biodynamischen Anbau setzt er bereits seit den 1980er-Jahren, berühmt ist unter anderen sein Friulano, den er bis zu einem Monat auf der Maische liegen lässt. princicdario.com

Stanislao Radikon

Radikon ist ein weiterer, geradezu mythischer Winzer aus der Ortschaft Oslavia im Collio, dessen unkonventionelle Arbeit unzählige Kollegen beeinfusste. Zudem gilt er als einer der Wiederentdecker der alten lokalen Traubensorte Ribolla Gialla, aus der er einen der spannendsten Weine der gesamten Region erzeugt. radikon.it

Benjamin Zidarich

Als einer der Ersten auf dem Karstplateau bei Triest setzte Benjamin Zidarich auf hochwertigen und naturnahen Weinbau. Besondere Beachtung verdienen sein Wein aus der lokalen Sorte Vitovska sowie der erstaunlich körperreiche Rote aus der ansonsten eher körperarmen Sorte Terrano. zidarich.it

Sandi Škerk

Genau wie sein Hausnachbar Zidarich hat auch Sandi Škerk seine Weinkeller tief in den Karststein gegraben. Und genau wie Zidarich betreibt auch er eine sehr beliebte Buschenschank auf seinem Weingut. Star der Produktion ist sein Ograde, eine farbenfrohe Cuvée aus Vitovska, Sauvignon blanc, Pinot gris und Malvasia. skerk.com

Großzahl unter ihnen hat ihr Handwerk an italienischen Einrichtungen erlernt, und zwar zu einer Zeit, als Slowenien noch Teil des kommunistischen Jugoslawien war.

Später kamen die italienischen Winzer auch in den Genuss von Geldern der Europäischen Union, die als Unterstützung dafür gedacht waren, weniger und dafür besseren Wein zu erzeugen. Und da war Slowenien noch gar nicht Teil der Union. Dieser trat man erst 2004 bei, als etliche Weinbauern jenseits der Grenze längst umgestellt hatten und auf Nischentrends

Heute bewirtschaften wieder etliche Weinbauern aller Sprachen Weingärten dies- und jenseits der einstigen Grenzen Sloweniens zu Italien beziehungsweise zu Kroatien oder zu Österreich. Kurz vor Fertigstellung dieses Artikels meldet sich übrigens noch einmal der Betreiber der Weinbar Tabar, Jurij Osole. Er wolle nur durchgeben, dass er in seiner neuen Karte auch orange Weine der beiden südsteirischen Winzer Sepp Muster und Franz Strohmeier führen werde, so der Wirt. Aha. Sind die beiden gar auch „slowenischstämmig“? „Nein“, antwortet Osole, „aber sie machen wunderbare Weine.“ Na also, geht doch –auch ganz ohne Nationalismus. —

Li.: „Karst-Rocker“ (siehe T-Shirt) Sandi Škerk verkostet seinen neu abgefüllten, nach Méthode ancestrale erzeugten Schaumwein aus der lokalen Sorte Glera, die weiter westlich auch im Prosecco zum Einsatz kommt.

77 A LA CARTE

Unter den unzähligen Sorten Malvasia, die sich im Mittelmeerraum fnden, zählt die Malvasia Istriana, die auf der Halbinsel Istrien angebaut wird – hier im Bild Weingärten rund um das hübsche Bergdorf Momjan – mit Sicherheit zu jenen mit dem höchsten Potenzial.

78 A LA CARTE NEUES ISTRIEN

Malvasia reloaded

Mit dem Fokus auf ältere Reben und der Herausarbeitung von Lagentypizität bieten immer mehr Winzer Weine mit Spitzenqualität und enormem Reifepotenzial.

Von Istrien heißt es oft, dass es heutzutage gar nicht mehr leicht ist, dort einen schlechten Wein zu trinken. Und tatsächlich ist die Qualität in erster Linie der Weine aus der autochthonen Sorte Malvasia Istriana (Kroatisch: Malvazija Istarska) in so gut wie allen Fällen zumindest befriedigend. Nämlich vor allem, seit viele Winzer vor ein paar Jahren wieder davon abkamen, Malvasias zu erzeugen, die verdächtig intensive Aromen von tropischen Früchten und Holunderblüten aufwiesen und somit stark an Sauvignon blancs erinnerten, wie sie vor gleichfalls nicht allzu langer Zeit etwa auch in der Südsteiermark so populär waren.

„Echter Malvasia riecht und schmeckt nun einmal nicht nach tropischen Früchten und Holunderblüten, sondern vielmehr nach Gräsern, Kräutern und weit dezenter auch nach Zitrusfrüchten. Überhaupt sprechen wir vielmehr von einer mineralischen und nicht von einer aromatischen Sorte“, sagt Denis Bernobic. Dank dieser Einstellung hat der Winzer im vergangenen Frühjahr bei der in Istrien hoch angesehenen Weinmesse Vinistra mit seinem Malvasia 2020 den ersten Preis erzielt für den besten frischen Wein dieser Sorte. „Die Jury hat befunden, dass mein Wein so schmeckt, wie es sich für einen Malvasia gehört, nämlich eben nicht nach Sauvignon blanc“, amüsiert sich Bernobic. Die Auszeichnung sei ein deutliches Zeichen, dass sich etwas tue im istrischen Weinbau, fndet auch Hrvoje Petric. „Langsam kommen unsere Winzer davon ab, ihre Weine so zu machen, wie sie viele Touristen jahrelang wünschten, wenn sie im Sommer nach Istrien strömten – nämlich äußerst technisch erzeugt und viel zu aromatisch im Geschmack“, sagt der kroatische Gastro-Journalist. Heute indessen gebe es einige, wenn auch noch wenige Winzer auf der Halbinsel, die einen anderen Weg zu gehen versuchten und Weine mit mehr Charakter erzeugten, so Petric weiter. „Lange Zeit gab es in Istrien überhaupt nur zwei Produzenten, die etwas aus der Reihe felen, nämlich Giorgio Clai und Mladen Rožanic. Dann kam auch noch der Franko-Kroate Dimitri Brecˇevic hinzu, der nicht nur als Weinmacher für Giorgio Clai tätig ist, sondern auch sein eigenes Weingut namens Piquentum betreibt. Und nun gibt es auch noch eine Handvoll weitere.“

79 A LA CARTE
TEXT & FOTOS VON GEORGES DESRUES

weingüter

Weingut Piquentum von Dimitri Brečević Nur drei Weine erzeugt der kroatischstämmige Franzose, der auch als Weinmacher für den Starwinzer Giorgio Clai tätig ist. In Sachen PreisLeistungs-Verhältnis ist sein dezent mazerierter Malvasia kaum zu schlagen. Dazu zwei charakterstarke Rote, nämlich Refosco und Terran. piquentum.com

Weingut Vina Bernobić von Denis Bernobić Glaubt man älteren Istrianern, schmeckt Bernobićs Malvasia so, wie es in früheren Zeiten für Malvasia üblich war. Außerdem erzeugt er unter anderem einen Rotwein aus der seltenen Traube, die sie hier Borgogna nennen und bei der es sich möglicherweise um eine lokale Variante des Blaufränkisch handelt. vina-bernobic.hr

Weingut Lunika von Danijel Bastijačnić Winzer Danijel Bastijačnić erzeugt unter anderem einen imposanten Malvasia, den er ewig lang auf der Maische liegen lässt, aber auch einen interessanten Roten aus der nur selten gekelterten Sorte Moscato nero. lunika-vina.com

Weingut Stancija Collis von Juraj Mastilović

Auf einem Hügel unweit des hübschen Städtchens Rovinj liegen die Weingärten von Juraj Mastilović, dessen einfacher, „frischer“ Malvasia gleichermaßen zu überzeugen weiß wie jener namens Vita, der 20 Tage auf der Maische und danach 18 Monate im Holzfass verbringt. stancija-collis.com

Weingut Ghira von Damir Mihelić

Der aufstrebende Star des istrischen Weinbaus erzeugt zweierlei einwandfreie Malvasias, von denen einer weniger und der andere sehr lange mazeriert wurden; und außerdem eine interessante Rotweincuvée aus Cabernet Sauvignon, Merlot und Terran namens Riquertz, was im lokalen Dialekt „rückwärts“ bedeutet und offenbar auch vom deutschen Begriff abstammt. vinarinovigrad.com/en/ services/ghira-2

Zu ihnen zählt Denis Bernobic. „In meiner Familie sind wir Weinbauern in fünfter Generation, allerdings bin ich der Erste, der den Wein auch in Flaschen füllt und vermarktet“, betont der Winzer aus dem Ort Višnjan unweit von Novigrad. Dafür holte er vor drei Jahren die junge Önologin Katarina Primorac an Bord. Seitdem hätten die Weine aus seinen vier Hektar Weinbergen, wie er selbst bestätigt, deutlich an Charakter gewonnen.

„In zwei bis drei Jahren soll das gesamte Weingut auf biologisch zertifzierte Produktion umgestellt werden“, sagt Primorac. Weitgehend naturbelassen arbeite man aber schon jetzt. Und auch mit Mazeration, also mit sogenannten Orange Wines, werde experimentiert. „Für diese Technik, bei der der Wein auf der Maische liegen bleibt, eignet sich die Malvasia-Traube ganz besonders gut“, erklärt die ambitionierte Weinmacherin, „was daran liegt, dass sie eine ziemlich dicke Haut hat und die Extraktion einfacher und besser vonstatten geht, wenn man den Wein eine Zeit lang drauf liegen lässt.“

Mit Mazeration beschäftigt sich auch Danijel Bastijacˇnic, dessen Vorfahren genau wie Bernobics über Generationen Weinbauern waren. Und der, genau wie

Bernobic, auch der Erste in der Familie ist, der den Wein aus den 3,5 Hektar Weinbergen vermarktet. Zum Hauptberuf reicht das – zumindest bislang –dennoch nicht. „In meinem zweiten Beruf bin ich Automechaniker. Bis vor wenigen Jahren war ich auch noch Rennfahrer, dann hing ich den Motorsport an den Nagel und begann stattdessen, mich dem Wein zu widmen“, erzählt der 44-Jährige. 2015 stellte er dann auf biologische Bewirtschaftung und Spontanvergärung um; und auch Schwefel setzt er seitdem nur äußerst behutsam ein.

80 A LA CARTE NEUES ISTRIEN
„Wenn man wie ich neu beginnt, muss man sich von den technischen Weinen, wie sie die großen Namen in Istrien erzeugen, eben versuchen abzusetzen.“
Danijel Bastijacˇnic´

Li. Seite o.: Danijel Bastijacˇnic´ ist noch Nebenerwerbswinzer. In spätestens zwei Jahren will er so weit sein, seinen Beruf als Automechaniker an den Nagel zu hängen.

Unten: Damir Mihelic´ gilt als Istriens aufstrebender Star. Seine Weine sind elegant mazeriert, leicht zu trinken und preiswert.

Re. Seite: Der Malvasia, den Denis Bernobic´ mit Önologin Katarina Primorac erzeugt, schmeckt, wie Malvasias früher schmeckten.

Sagen zumindest jene Istrianer, die auch „früher“ schon dabei waren.

„Wenn man wie ich neu beginnt, muss man sich von den technischen Weinen, wie sie die großen Namen in Istrien erzeugen, eben versuchen abzusetzen“, erklärt der Winzer, der alle vier Malvasias, die er erzeugt, auch mazeriert, und zwar von zwei bis zu 210 Tagen. Das ergibt charakterstarke Weine mit viel Körper und ausgeprägten Tanninen, aber durchwegs ohne die extremen Oxidationsnoten, wie sie in einigen sogenannten Naturweinen nur allzu oft vorkommen. Der verdiente Erfolg hat längst eingesetzt, und so gibt sich Bastijacˇnic noch zwei Jahre, bis er so weit ist, um den Beruf als Mechaniker an den Nagel zu hängen und ausschließlich als Winzer zu arbeiten.

Das wiederum ist ein Schritt, den Damir Mihelic bereits vor ein paar Jahren getan hat. Damals hatte er gerade seinen Studiengang beendet und beschlossen, sich anstatt der erlernten Stadtplanung dem Weingarten der Familie zu widmen. Dass man auch bei den Mihelics seit Ge-

WEINBAUGEBIET WAGRAM

weinGut Franz Bayer Wein ist Leidenschaft in füssiger Form

Die Rieden des Weinguts Franz Bayer liegen am Fuße des Wagram und erstrecken sich über 26 Hektar. Die Charakteristik der Lagen und Böden sowie das warme pannonische Klima spiegeln sich in den Weinen wider und ermöglichen eine Sortenvielfalt, die weit über die klassischen Rebsorten wie Roter und Grüner Veltliner hinausgeht. Der experimentierfreudige Winzer setzt Akzente und präsentiert attraktive Muskateller und Burgunder-Variationen wie einen Grauburgunder, dessen Charakter durch sein jugendlicheuphorisches Bukett besticht, und bestätigt damit die erstklassigen Bedingungen der Lagen am Wagram. Zusätzlich überrascht Franz Bayer mit ausgefallenen Flaschenetiketten vom Kärntner Comic-Künstler „Maja“ alias Mario Jakob Stroitz. „da Franz’l“ bezeichnet die Primeur-Weine des jeweiligen Jahres.

Getreu seinem Motto „Wein ist Leidenschaft in füssiger Form“ legt der Wagramer Winzer ein besonderes Augenmerk auf den behutsamen Ausbau seiner körperreichen Rotweine wie den tiefdunklen Roesler oder einen vollmundigen Cabernet Sauvignon. Erklärtes Ziel ist, auch bei den Rotweinen ein breites Sortenspektrum möglich zu machen.

Erfahrung, Verantwortungsbewusstsein und sein Wissen verknüpft Franz Bayer mit den Vorzügen der Natur – und das schmeckt man.

weinGUT Franz Bayer

Kremserstraße 17

3465 Königsbrunn am Wagram

T 02278/23 45

Fax: Dw. 10 Mobile: 0676/88 23 45 12

fb@weingutfranzbayer.at www.weingutfb.at

PROMOTION FOTO: WEINGUT FRANZ BAYER

nerationen Winzer ist, sei freilich kein Zufall, sagt der 37-Jährige. „Früher machten eben so gut wie alle hier Wein, und sie alle mazerierten. Das mit der Mazeration hörte erst auf, als der Sommertourismus immer bedeutender wurde und man begann, frische und knackige Weine zu erzeugen, wie sie die Restaurants und Hotels an der Küste für ihre Gäste verlangten“, erzählt er.

Er selbst geht freilich einen anderen Weg und erzeugt Weine, wie man sie in Istrien in vor-touristischen Zeiten machte. Beide seine Malvasias bleiben auf der Maische liegen, bis sie Farbe, Körper und Tannine annehmen: der Malvazija Istarska nur zwei im Tage Stahltank, der andere, genannt Maduro, 15 Tage und in einem Terrakotta-Tank. Um eine Oxidationsnote zu vermeiden, so der Winzer, setze er auf die Pied-de-Cuve-Methode. „Was bedeutet, dass ich einige der besten Trauben aus der besten Lage fermentiere und damit Hefen erzeuge, die ich zur Fermentation des Rests der Ernte hernehme“, erklärt Mihelic. Dadurch würden jene Hefen, die für die oxidativen Noten verantwortlich seien, von vornherein eliminiert. Dasselbe Verfahren wende er auch bei seinen Roten an. Unter diesen gibt es übrigens einen aus der lokalen Sorte Terran, der den interessanten Namen Riquertz trägt, was im istrischen Dialekt „rückwärts“ bedeutet und offenbar von seinem ähnlich klingenden deutschen Pendant abstammt.

Und auch der vierte Winzer im Bunde entstammt – wie könnte es anders sein – einer alteingesessenen Weinbau-Familie, in der wiederum er der Erste war, der den Wein in Flaschen abfüllte und zum Verkauf anbot. „Das war im Jahr 2015 und nach Abschluss der Weinbauschule in Porecˇ“, erzählt der erst 29-jährige Juraj Mastilovic, dessen Weingut Stancija Collis eindrucksvoll auf einem Hügel liegt mit Blick aufs Meer und das pittoreske kleine Insel-Archipel vor der Stadt Rovinj. Eine Besonderheit des Guts ist, dass man neben der Wein- und der üblichen Olivenölproduktion auch eine Herde Esel einer lokalen Rasse hält, um deren seltene und teure Milch zu vermarkten.

Dass er sich auch in Sachen Wein von den meisten anderen istrianischen Winzern abheben wollte, sei ihm von Anfang an klar gewesen, betont Mastilovic. „Die meisten hier kopieren sich gegenseitig, weswegen so viele Malvasias wahnsinnig ähnlich, um nicht zu sagen austauschbar

schmecken, ich wollte aber einen anderen Weg gehen“, sagt er. Und so erzeugt er heute zwei Malvasias – einen „frischen“, nicht mazerierten, der dezente Apfel- und Grasnoten aufweist und ideal zu Fisch und Krustentieren sowie zu den Austern aus dem nahen Limski-Kanal passt, und einen weiteren, körperreicheren namens Vita, der zwanzig Tage auf der Maische und danach ein Jahr im Holzfass verbringt. Biozertifziert sind sie beide. Denn in Istrien mit seiner jahrtausendealten Weinbautradition und in dieser Lage, in diesem Boden und in diesem Klima, betont der Winzer und Eselhalter, sei es eigentlich ein Kinderspiel, biologisch anzubauen und gänzlich auf technische Hilfsmittel zu verzichten. —

82 A LA CARTE NEUES ISTRIEN
Auf seinem Weingut Stancija Collis mit atemberaubendem Blick aufs Meer erzeugt Juraj Mastilovic´ nicht nur Wein und Olivenöl, sondern auch die rare Milch einer autochthonen Eselrasse.
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