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Die Jagd im Fadenkreuz sozialer Netzwerke
Niemals zuvor konnten Texte, Bilder und Emotionen schneller mit anderen Menschen geteilt werden als seit der Etablierung sozialer Netzwerke in unseren Alltag. Selbst Menschen, die keine sozialen Netzwerke nutzen, werden spätestens durch die Abendnachrichten über die neusten Twitter-Meldungen prominenter Persönlichkeiten informiert. Der Kurznachrichtendienst Twitter ist gerade bei Journalisten, Politikern, Promis und Kunstschaffenden sehr beliebt, weshalb dem Medium sehr viel Aufmerksamkeit zukommt. Ein prominentes Beispiel für die auch oft ungewollte Wirksamkeit von sozialen Netzwerken, waren in der Vergangenheit die Twitter-Meldungen von Tesla-Chef Elon Musk. Ein Tweet des Tech-Milliardärs hatte 2019 ausgereicht, die Tesla-Aktie kurzfristig, um satte fünf Prozentpunkte sinken zu lassen. Lutz Molter, Bakk. Phil.
Der Wirkungskreis sozialer Netzwerke ist also nicht nur auf die eigenen Nutzerzahlen limitiert, sondern beeinflusst eine Vielzahl von Menschen und Unternehmen. Wie das deutsche Statistikportal im August 2020 veröffentlichte, nutzen über 3,8 Milliarden Menschen weltweit soziale Netzwerke. Mit rund 2,4 Milliarden Nutzern steht Facebook unangefochten auf Platz 1. Das Videoportal YouTube belegt mit 1,6 Mrd. Platz 2, Platz 3 geht an den Kommunikationsdienst WhatsApp und Instagram sichert sich mit knapp 1. Mrd. Nutzer den vierten Platz. Angesichts dieser Nutzerzahlen und den hohen Geschwindigkeiten in denen Informationen geteilt werden, stehen Unternehmen, Verbände und Institutionen vor großen Herausforderungen. Nachrichten und Informationen müssen stärker als in der Vergangenheit abgewogen werden. Besonders auf die Formulierungen kommt es verstärkt an. Vor dem Siegeszug der sozialen Netzwerke in unserer modernen Medienlandschaft und in unseren eigenen privaten Informationsquellen, hatten Journalisten eine stärkere Übersetzungsfunktion. Die redaktionelle Sorgfalt sorgte dafür, dass nur zuvor geprüfte Meldungen verbreitet wurden. Dies hatte zur Folge, dass Meldungen zwar langsamer in Um04/2020 lauf kamen, dafür waren diese Meldungen jedoch bereits überprüft und stichhaltig. Jetzt, da sehr viele Informationen mit hoher Geschwindigkeit in den sozialen Netzwerken zirkulieren, werden auch vermehrt Falschnachrichten verbreitet. Diese „Fake News“ bedienen sich oft bestehender Meldungen oder Nachrichten mit einem glaubhaften Kern und dichten schädigende und frei erfundene Informationen hinzu. Besonders Bilder sind anfällig für derartige Manipulationen. Moderne Grafikprogramme erlauben das Fälschen wichtiger Details in einem Bild oder Video, wie auch das Hinzufügen oder Wegretuschieren elementarer Bestandteile. Oftmals reicht es jedoch schon aus, echte Bilder aus dem Sinnzusammenhang zu nehmen und einen reißerischen Text hinzu zu dichten. Auch die Jagd ist davon betroffen, denn die Bilder einer Bewegungsjagd, die freudig über WhatsApp, Facebook und Co. mit Freunden und anderen Jägerinnen und Jägern geteilt werden, können sich schnell verselbständigen und sich zu einem Bumerang in Form eines sogenannten Shitstorms entwickeln. In der Kommunikationswissenschaft beschreibt der Begriff „Shitstorm“ einen Sturm der Entrüstung, Empörung und des Protestes, der sich im Internet und überwiegend auf Social Media mit dem plötzlichen Anstieg ne-
gativer und oftmals sehr emotionaler Kommentare, Beiträge und Artikel manifestiert. Ein Shitstorm stellt für das betroffene Unternehmen bzw. die betroffene Person ein großes Problem dar. Durch die ständige Verfügbarkeit des Internets durch die Nutzer, ist die Dynamik der öffentlichen Diskussion so stark, dass gerade im frühen Stadium des Shitstorms nahezu nichts entgegengesetzt werden kann. Gleichzeitig erwarten sich die Nutzer jedoch eine öffentliche Stellungnahme, die nicht selten zunächst wenig Wirkung zeigt. Investorenlegende Warren Buffett sagte einmal, dass es etwa zehn Jahre dauert einem Unternehmen ein positives Image zu verleihen, aber nur zehn Sekunden dieses zu verlieren. Für uns Jägerinnen und Jäger bedeutet dies, dass unsere Bemühungen das Image der Jagd zu stärken, mit einem Mal durch eine Unachtsamkeit gefährdet werden können. Gerade die sogenannten „Erlegerfotos“ bilden den Zündstoff, aus dem in den vergangenen Jahren einige Shitstorms entwachsen sind. Dabei spielt es oft keine Rolle, wo das Bild aufgenommen wurde. Als Beispiel ist ein Shitstorm aus dem Jahr 2018 zu nennen. Eine amerikanische Jägerin postete im Juni 2018 auf ihrem Instagram-Profil ein Foto, auf dem Sie vor einer toten Giraffe kniet. Da es sich bei dem Wildtier noch dazu um ein seltenes schwarzes Exemplar handelte, war der Sturm der Entrüstung so groß, dass auch österreichische Medien, allen voran die Kronenzeitung darüber berichteten. Die Kommentarspalten unter dem Artikel der Kronenzeitung füllten sich sehr rasch mit Beschimpfungen, Beleidigungen und Todeswünschen. Ein Nutzer schrieb, dass er hoffe, dass es der Jägerin eines Tages so ergeht, wie dem, der von einem Löwen angefallen wurde. Wie schnell aus solchen und weiteren Kommentaren Taten werden, zeigte ein Fall vom Jänner 2019 in Deutschland. Eine junge Studentin (25) postet ein Der „Stille-Post-Effekt“ funktioniert auch über WhatsApp. Die beiden Orte sind rund 230km voneinander entfernt.
Bild auf Instagram, auf dem sie mit einem erlegten Fuchs zu sehen ist. Die Kommentare unter dem Foto triefen vor blankem Hass auf die junge Jägerin und sollen an dieser Stelle nicht nochmal wiederholt werden. Wenige Tage später sieht sie eine Gruppe von Personen durch ihren Garten streifen. Die junge Frau ruft die Polizei, doch die Gestalten können unerkannt fliehen. Nachdem die gerufene Polizeistreife weg ist, leuchten Gestalten mit Taschenlampen das Schlafzimmer der Studentin. In den darauffolgenden Tagen schleichen immer wieder mehrere Personen um ihr Haus herum und klingeln an ihrer Haustür. Auch der Jagdhund der jungen Frau wird zur Zielscheibe. Sie bekommt ein Bild auf der Plattform Snapchat geschickt, welches ein mit Tabletten gespicktes Stück Fleisch zeigt, dass jemand vor den Hundezwinger auf ihrem Grundstück hält. Darüber, ob die Justiz diesen Fall bereits klären konnte, gibt es keine Informationen, aber zumindest haben die Drohungen gegen die Jägerin in dieser Form aufgehört. Auch in Österreich gab es bereits Vorfälle dieser Art. So erlebte 2017 auch die bekannte Jägerin Elia Schneeweiß wegen eines geposteten Bildes einen solchen Shitstorm. Doch solche Hasskommentare haben ein juristisches Nachspiel und können bis zu mehreren Tausend Euro Strafe bedeuten. Angesichts solcher Beispiele und der Stimmungsmache gegenüber Jägerinnen und Jäger im scheinbar anonymen Internet, wurden nun spezielle Hilfestellungen zum Umgang mit sozialen Netzwerken für Jägerinnen und Jäger entwickelt. Der von JAGD ÖSTERREICH entwickelte Leitfaden bietet auf Basis von „10 Geboten“ die wichtigsten Hinweise zur Nutzung von Sozialen Netzwerken wie Facebook, Instagram und Nachrichtenprogrammen wie WhatsApp. So soll der Leitfaden helfen, Shitstorms zu vermeiden und „Fake News“, also Falschnachrichten zu erkennen. Zudem gibt der Leitfaden Tipps zur Kommunikation mit Jagdgegnern und beinhaltet nützliche Adressen zur Argumentation im Internet. Dem Grundsatz der Public Relations „tu gutes und rede darüber“ folgend, gilt es neben der Vermeidung von negativen Schlagzeilen, allerdings gerade Positivbeispiele in die Auslage zu stellen. Hierzu können alle Jägerinnen und Jäger beitragen und die Interessensvertretungen in Form der neun Landesjagdverbände und die JAGD ÖSTERREICH unterstützen. Die taschentaugliche Broschüre kann bei Ihrem Landesjagdverband und bei JAGD ÖSTERREICH bestellt werden. • © Fotos: Privat