5.2.2012, Von Andreas Hirstein
http://www.nzz.ch/marketing-mit-dem-namen-des-universitaetsspitals-1.14795223
Marketing mit dem Namen des Universitätsspitals Die Firma Quentiq hat ein soziales Netz für Gesundheit entwickelt – in Kooperation mit Forschern des Universitätsspitals Zürich und einer amerikanischen Elitehochschule, sagt Quentiq. Doch die Hochschulen dementieren. Im Quentiq-Verwaltungsrat sass ein Mitglied der Spitaldirektion.
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in Leisetreter war Peter Ohnemus noch nie. Bekannt wurde der Schweizer Unternehmer mit dänischen Wurzeln durch seine Tätigkeit für das Softwareunternehmen Sybase und durch das von ihm mitgegründete Internetunternehmen The Fantastic Corporation. Im September 1999 ging die in der Breitband-Technik tätige Firma an den Frankfurter Neuen Markt, ein Börsengang, der über 140 Millionen Franken in die Kassen spülte. Die Investoren glaubten an die von Ohnemus beschriebene Konvergenz von Fernsehen und Internet und daran, dass die Fantastic-Software die technische Grundlage dieser Entwicklung sein würde. Im Jahr 2000 war das 30-Mann-Unternehmen im Börsenhype mehrere Milliarden Franken wert, ein paar Jahre später war es am Ende. Und die Investoren ihr Geld los.
schlossen, bis Ende 2012 erwartet er 200 000 Nutzer. Dabei zielt Quentiq vor allem auf Geschäftskunden aus der Telekommunikationsbranche und auf Krankenkassen, die den Service an ihre Endkunden weiterverkaufen. «Mobile Health» sei der Wachstumsmarkt Nummer eins für Mobilfunkgesellschaften, sagt Ohnemus. Sie nutzen Gesundheits-Apps und medizinische Zusatzgeräte auch als Mittel der Kundenbindung und um neue Einnahmequellen zu erschliessen. Für Krankenkassen könnte die Quentiq-Plattform interessant sein, weil sie einem Versicherten mit hohem Health Score Prämienvergünstigungen gewähren könnten, glaubt Ohnemus.
Ohnemus jedoch hatte durch den rechtzeitigen Verkauf eines Aktienpakets am Fantastic-Abenteuer verdient und gründete nach einer Pause weitere Unternehmen. Für sein neustes Projekt hat er sich den Gesundheitssektor ausgesucht: «Das Gesundheitswesen ist der weltweit grösste Wirtschaftszweig», sagt Ohnemus, «aber das System ist sehr ineffizient.» Es gebe heute keine Möglichkeit, die Gesundheit eines Menschen genau zu messen. Mit dem von Ohnemus aufgebauten sozialen Netz Quentiq soll sich das ändern. Registrierte Mitglieder können auf diesem «Facebook der Gesundheit» einen sogenannten Health Score – eine Zahl zwischen 1 und 1000 – berechnen, der ihren Gesundheits- und Fitnesszustand definieren soll. Was die Einheit Grad Celsius für die Temperatur ist, soll der Quentiq Health Score für die Gesundheit werden.
In Deutschland verhandelt Ohnemus mit der Deutschen Telekom. Der Konzern möchte die Quentiq-Plattform als Zusatzdienstleistung an Smartphone-Kunden verkaufen. Über die Ausgestaltung der Kooperation und wann sie startet, ist laut Telekom aber noch nicht entschieden. Das Bonner Unternehmen zählt weltweit 128 Millionen Mobilfunkkunden und ist in Deutschland auch mit medizinischen Zusatzgeräten für Smartphones in den Markt eingestiegen.
200 000 Nutzer Seit dem Start des Netzes im Dezember letzten Jahres hat Quentiq laut Ohnemus Verträge für 180 000 Menschen abgeSeite 1
Über bevorstehende Geschäftsabschlüsse äussert er sich nicht. Vielversprechende Verhandlungen führe er aber mit grossen Unternehmen in Skandinavien, Grossbritannien, Frankreich und in der Schweiz.
Wissenschaftliche Standards Dass das Quentiq-Verfahren wissenschaftlichen Standards genüge, ist eine der zentralen Botschaften des Marketings. Sowohl auf der Firmenwebsite als auch in den Pressemitteilungen von Quentiq und der Deutschen Telekom sowie in Interviews des Firmengründers wird der Eindruck erweckt, das Health-Score-Testverfahren sei in einer Kooperation mit Forschern von renommierten Hochschulen entwickelt worden: «Testverfahren entwickelt in Zusammenarbeit mit Wissenschaftern des Universitätsspitals
Zürich und des Massachusetts Institute of Technology (MIT)», heisst es beispielsweise in einer gemeinsamen Mitteilung von Quentiq und der Deutschen Telekom. Fast identisch ist der Wortlaut eines Interviews, das Ohnemus am 23. November der Tageszeitung «Die Welt» gegeben hat, und auch ein Videoclip auf der Firmenwebsite verkündet: «Der Quentiq Health Score wurde von Professoren der Universität Zürich mitentwickelt.» Nun machen sogar Professoren manchmal Fehler, und die Idee, die Gesundheit eines Menschen in einer simplen Zahl zwischen 1 und 1000 ausdrücken zu wollen, als handle es sich um die Wassertemperatur des Zürichsees, würde wahrscheinlich dazu gehören. Doch das Problem ist ein anderes: Eine Kooperation von Quentiq mit den beiden Hochschulen gibt es nicht. Das MIT in Boston kann jedenfalls keinen Hinweis für einen Forschungsvertrag finden («there is no record of sponsored research with this company»). Auch in Zürich gibt es «keine Zusammenarbeit des Universitätsspitals mit Quentiq», sagt Gregor Zünd, Mitglied der Spitaldirektion und Direktor Forschung und Lehre. Forschungsprojekte mit privaten Firmen seien ohne Kooperationsvertrag nicht erlaubt, und einen solchen gebe es mit der Firma Quentiq nicht. Personelle Verbindungen zwischen dem Universitätsspital und Quentiq aber existieren. Sie betreffen Gregor Zünd selber, der bis Mitte der Woche Mitglied im Verwaltungsrat der Quentiq AG war. Seine Tätigkeit im VR sei vom Spitalrat und der Universitätsleitung genehmigt gewesen, sagt Zünd. Von den Pressemitteilungen, in denen der Eindruck einer Kooperation erweckt wurde, habe er aber erst durch die Anfrage der «NZZ am Sonntag» erfahren. «Hätte ich davon gewusst, hätte ich das un-