50
INNOVATION & DIGITALES
Wenn der Körper auf den Index kommt GESUNDHEIT
: Die ersten Krankenversicherungen belohnen Kunden, die ihre Fitness mit dem Smartphone vermessen. Doch was bringt das? Ein Selbstversuch.
S
eit einer Woche brauche ich auf die Frage aller Fragen nicht mehr mit einer Floskel zu antworten, sondern kann endlich Zahlen und Fakten liefern. Wie geht’s? Gut, schlecht, muss ja irgendwie, das waren die Antworten bisher – je nach Gefühl. Schluss damit! Also noch mal: Wie geht’s? Moment, ich schaue nach, jetzt weiß ich es: 647! Die Antwort kennt nicht etwa mein Bauch, sondern mein Smartphone. Es zeigt mein aktuelles Wohlbefinden an, auf einer Skala von 1 bis 1000. Um meinen ganz persönlichen Gesundheitsindex herauszufinden, musste ich nur die App dacadoo des gleichnamigen Schweizer Unternehmens mit ein paar Daten füttern. Geschlecht, Alter, Größe, Körpergewicht. Diese vier Parameter reichen dem Programm fürs Erste, um meiner Gesundheit einen Zahlenwert zu geben. Am Wochenende bin ich an einem Tag 10 000 Schritte gelaufen, das misst dacadoo via der Bewegungssensoren im Smartphone und gratuliert mir zu diesem Erfolg. Schon lus-
tig: wie selbstbewusst die App über so etwas Persönliches wie die Gesundheit urteilt, obwohl wir uns erst so kurz kennen. Ernst wird es aber, wenn sich Krankenversicherer für die Vermessung des Menschen interessieren. Dann geht’s ums Geschäft. Der Gesundheit ihrer Kunden einen Wert zu geben – mit dieser Idee versuchte sich vor rund zehn Jahren erstmals eine deutsche Versicherung auf dem Markt. Damals bot die private Krankenkasse Gothaer einen Tarif an, dessen Prämie sich nach dem Ergebnis eines Fitnesstests richtete. Doch die Kunden hatten keine Lust, sich von ihrer Versicherung mustern zu lassen. Das Produkt floppte. In diesem Jahr starten deutsche Krankenkassen einen neuen, dieses Mal digitalen Anlauf. Mit fragwürdigem Ausgang. Der Schrittzähler motiviert
Für viel Aufsehen hat bereits die Generali gesorgt, einer der größten privaten Krankenversicherer in Deutschland, auch wenn sie erst kommendes Jahr mit einem speziellen Tarif an den Start geht. Er bietet für all jene günstige Konditionen, die ihre Fitness prüfen lassen (siehe WirtschaftsWoche 31/2015) und dann belegen, wie sie diese verbessern. Etwa indem sie mitteilen, wie sie sich bewegen und ernähren. Weil Krankenversicherungen nichts anderes sind als die Wette auf
die Gesundheit der Kunden, wollen die Manager so das Risiko eines Verlustes senken. Obwohl bisher noch gar nicht klar ist, wie das Generali-Angebot genau funktioniert, war der öffentliche Aufschrei groß. Das Schreckgespenst der totalitären Überwachung ging um – und der Diskriminierung, wenn ein Versicherer einen unsportlichen Kunden ablehnen sollte. Doch kaum jemand stellt die Grundthese hinter dem Tarif infrage: Ist es überhaupt möglich, anhand von gezählten Schritten oder erfasstem Pulsschlag auf ein Krankheitsrisiko zu schließen? Der Sportwissenschaftler Ingo Froböse sagt: Nein. Er leitet das Institut für Bewegungstherapie an der Deutschen Sporthochschule Köln und erforscht seit vier Jahren das Messen von Körperdaten. Seine Diagnose lautet: „Es wäre fahrlässig, Gesundheit auf Parameter zu reduzieren.“ Zwar würden Studien zeigen, dass sich sportliche Anfänger, ausgerüstet mit Pulsmesser und Schrittzähler, mehr bewegten. Lauf-Apps oder Fitnessarmbändern motivierten also. „Die Forschung weiß aber nicht, welche Zielgruppe welche Mindestbewegung machen Am Puls des Hypes Die Kassen nutzen den Boom von Fitnessarmbändern
14
Beweg dich!
Wie Krankenversicherer Fitnesstracker fördern Versicherung AOK Nordost
Belohnung 50 Euro: alle zwei Jahre als Zuschuss für den Kauf eines Fitnesstrackers wie der Apple Watch
Bedingung Rechnung einreichen und Antrag auf Erstattung ausfüllen
Axa
10 Euro: Gutschrift ab einem Mindestbestellwert von 100 Euro im Online-Shop von Runtastic
Sport-App Runtastic auf dem Smartphone installieren
Barmer GEK
150 Bonuspunkte: sind Teil des Prämienprogramms; erste Prämie wird ab 500 Punkten ausgezahlt
30 Minuten Bewegung an 20 Tagen innerhalb eines Zeitraums von 42 Tagen, erhoben per App Fit2Go
Daimler Betriebskrankenkasse
30 Euro: Kunde erhält den Bonus, wenn er Fitnesspensum nachweist und Mitglied im Sportverein ist
In einem Jahr 100 Kilometer laufen und 250 Kilometer Rad fahren, erhoben per App, etwa Runtastic
DKV
50 Euro: Zuschuss für den Kauf eines Fitnesstrackers wie der Apple Watch
Rechnung einreichen und Antrag auf Erstattung ausfüllen
Generali (Einführung ab 2016)
Rabatte und Gutscheine (Details bisher noch nicht veröffentlicht)
Daten über Sport, Ernährung und Bewegung sammeln; die Versicherung erhält einen Gesamtwert
Techniker Krankenkasse
250 Euro: Zuschuss für den Kauf eines Fitnesstrackers wie der Apple Watch
Neun Präventionsmaßnahmen absolvieren, dazu gehören Vorsorgeuntersuchungen und Kurse
Quelle: eigene Recherche
WirtschaftsWoche 34/14.8.2015
© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an nutzungsrechte@vhb.de.