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DATEN
Die vermessene Gesundheit Gesundheitsdaten werden milliardenfach gehortet – in Arztpraxen, Spitälern und auf Smartphones. Nur: Wem gehören diese Daten? Und ersetzen die Gesundheits-Apps bald den Doktor?
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ufgereiht in Pink, Grün, Orange und Mint, sehen sie aus wie Ostereier: die Armbänder von Fitbit. Die modischen Dinger zählen Schritte, messen zurückgelegte Strecken und errechnen verbrannte Kalorien. Nachts zeichnen sie den Schlaf auf. Über Bluetooth gleichen sie diese Daten automatisch mit dem Smartphone oder dem Computer ab. «So hast du rund um die Uhr Echtzeit-Zugriff auf deine Werte», lautet das Versprechen. Zu haben ist ein Armband für gut 100 Franken.
Jede kleinste Regung wird festgehalten Yago Veith trägt ein Fitbit-Armband in diskretem Grau. «Seit zwei Jahren nonstop. Es geht darum, Verantwortung über die eigene Gesundheit zu übernehmen», sagt der 34-Jährige – in Anlehnung an den Slogan «It’s all about you» der Firma Dacadoo, für die er arbeitet. Veith – schlaksiger Typ, rote Hipsterbrille – gehört zum Schweizer Ableger von «Quantified Self». Die aus den USA stammende Bewegung hat sich der pausenlosen Körpervermessung verschrieben. Energieverbrauch, tägliches Training, Zuckerpegel, Puls oder Gewichtskurve – solche Daten und noch viel mehr sammeln Quantified-Self-Anhänger und (tendenziell weniger) -Anhängerinnen pausenlos, um sie mit der Community zu teilen. Sei es mit Armbändern und ähnlichen Gadgets, sei es über Sensoren auf dem Smartphone. Das Geschäft mit dem sogenannten Selftracking boomt. Ende April kaufte Facebook die Fitness-App «Moves». Sie ist nur eine von inzwischen 40 000 GesundheitsApps, die weltweit angeboten werden. Das Vermessen des Körpers ist mächtig en vogue. Und das Sammeln immenser
Datenmengen hat längst die 1000, zusammengesetzt aus Medizin erreicht – Big Data den metrischen Daten des wird auch hier zum grosKörpers, der Lebensqualität sen Treiber der Entwick(«Gefühle») und dem Lifestyle lung. «Diese Trends haeiner Person. Dacadoo spricht ben das Potenzial, das vor allem Firmen an, die «ein Gesundheitswesen radimodernes betriebliches Gekal umzukrempeln», sagt sundheitsmanagement» aufThomas Gauthier, Profesbauen wollen. Denn gesunde, sor an der Haute École de fitte Angestellte sind nicht nur Gestion in Genf. Während zufriedener, sondern vor allem die Medizin heute vor allem leistungsfähiger. 120 000 Kunreaktiv ist – darauf ausden nutzen die App weltweit, gerichtet, Krankheiten zu bis Ende 2015 sollen es eine behandeln –, werde sie Million sein. morgen «prädiktiv, präDer Fitteste ist Triathlet ventiv, personalisiert Der höchste bisher ermittelte und partizipativ sein», Health Score lag bei 917 Punkschreibt Gauthier in eiten, erreicht hat ihn der Euner Publikation des Zürropameister im Triathlon. cher Think Tanks Wire. Veiths Wert beträgt beachtTherapien, die auf Durchliche 750 Punkte. Dass der schnittswerten der Bevöl34-Jährige fit ist, sieht man kerung beruhen, würden auch von blossem Auge: Er künftig eine geringere Rolle ist gross (1,93 Meter), schlank spielen. Immer wichtiger (74 Kilogramm) und bewegt hingegen werden indiviSie registrieren alles, sich mit einer Lockerheit, die duelle Daten: Sie sind sozuob den Puls oder die vom vielen Biken und Laufen sagen der Rohstoff der perLänge der Schlafphasen: (mindestens 10 000 Schritte sonalisierten Medizin. Fitness-Messer täglich) kommen muss. Solche Daten erhebt Bei seinen Gefühlen aber auch Dacadoo, ein Start-up des Schweizers Peter Ohnemus mit Büros gebe es noch Luft nach oben, findet Veith. im Zürcher Seefeld und San Francisco. Zu viel Stress? Auch diesen Wert erfasst «Unser Produkt ist ein Health Score, also Dacadoo, unter anderem über die Herzein Gesundheitswert, mit dem man seine frequenz. So werden pausenlos Millionen persönliche Fitness und sein Wohlbefin- persönlicher Gesundheitsdaten generiert, den messen kann», erklärt Yago Veith, zu- die Dacadoo auf einem Server in den ständig für das digitale Marketing. Der Schweizer Alpen aufbewahrt. Wenn ein Health Score ist eine Zahl zwischen 1 und Kunde kündigt, werden sie gelöscht. Die
FOTOS: PD
Text: Irène Dietschi; Fotos: Basil Stücheli