Dying, Surviving or Thriving Kasse für Kranke? Oder Partner für Gesundheit? 2017

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Dying, Surviving or Thriving

Kasse fĂźr Kranke? Oder Partner fĂźr Gesundheit? Strategische Analyse des Schweizer Krankenversicherungsmarktes


Inhalt Editorial

3

1

4

Executive Summary

2 Studiendesign

6

3 Ausgangslage

8

3.1 3.2

Das Schweizer Gesundheitssystem 3.1.1 Ungebremster Kostenanstieg 3.1.2 Zunehmende Belastung privater Haushalte Der Schweizer Krankenversicherungsmarkt 3.2.1 Gesättigter Markt und intensiver Wettbewerb 3.2.2 Politik als zentrale Einflussgrösse 3.2.3 Verschärfte Regulierung 3.2.4 Geschäftsmodell der Krankenversicherer infrage gestellt

9 9 12 14 14 15 15 16

4

Ausgangspunkt: die Grundbedürfnisse der Versicherten

18

4.1 4.2 4.3

20 22 24

5

Verändertes Kundenverhalten im Umgang mit Gesundheitsdaten

26

5.1 5.2 5.3

27 32 33

6

Strategische Optionen: Evolution oder Revolution?

Gesund leben Gesund werden Mit der Krankheit leben Datenaustausch: Bereitschaft und Bedenken der Versicherten Chancen des intelligenten Datenmanagements Neue Akteure im Gesundheitsmarkt

34

6.1

Evolutive Strategien («Surviving») 6.1.1 Der hocheffiziente Krankenversicherer 6.1.2 Der differenzierte Krankenversicherer

36 36 37

6.2

Revolutionäre Strategien («Thriving») 6.2.1 Der Allbranchen-Krankenversicherer 6.2.2 Der Gesundheitsdaten-Manager 6.2.3 Der spezialisierte Krankheitspartner 6.2.4 Der integrierte Gesundheitspartner

38 39 40 41 42

7

Fazit

44

8 Kontakte

46

9 Quellen

47

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Editorial Vor einem halben Jahr haben wir mit der Studie «Dying, Surviving or Thriving» unsere Reihe strategischer Analysen des Versicherungsmarktes lanciert. Damit möchten wir den Versicherern praktische und provokative Denkanstösse für ihre strategische Positionierung vermitteln. Während in der ersten Untersuchung die gemeinsamen strategischen Herausforderungen aller Versicherer im Fokus standen, widmet sich unsere erste sektorspezifische Studie den Schweizer Krankenversicherern. Im Krankenversicherungsmarkt erachten wir den strategischen Druck als besonders hoch: Zusammen mit den Gesundheitskosten steigen die Prämien praktisch ungebremst und der Ruf nach staatlichen Interventionen wird lauter. Gleichzeitig liefert sich die Branche einen heftigen Verdrängungswettbewerb und ist einem einzigartigen politischen, regulatorischen, demografischen und technologisch-medizinischen Wandel ausgesetzt. Trotz der hohen Dynamik entwickeln sich die Krankenversicherer strategisch nur zaghaft weiter. In dieser Studie nehmen wir eine strategische Lagebeurteilung vor und zeigen auf, wie die Krankenversicherer ihre Geschäftsmodelle weiterentwickeln können. Über ihre betrieblichen Kosten hinaus müssen sie die Effizienz im Gesundheitswesen erhöhen und neue Wachstumspotenziale erschliessen. Ausgehend von ihren heutigen strategischen Vorteilen wie Kundennähe oder operativen Effizienzen und Fähigkeiten sind die Krankenversicherer mehr denn je gefordert, ökonomische Mehrwerte für die Versicherten zu schaffen – und abzuschöpfen. Ansonsten drohen weitere staatliche Interventionen bis hin zu einem erneuten Aufflammen der Debatte um die Einheitskasse. Die Krankenversicherer sollten also handeln, bevor gehandelt wird. Der Zeitpunkt, neue Geschäftsmodelle zu evaluieren, ist unserer Meinung nach günstig – im Moment noch. Eine Schlüsselrolle kommt dabei der Digitalisierung zu: Bisher ungeahnte Datenmengen und -analysen verbessern Prävention, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten grundlegend. Der Fokus der Unternehmen kann sich deshalb von der Kasse für Kranke hin zu eigentlichen Gesundheitspartnerschaften verschieben. Allerdings ruft dieses Innovationspotenzial auch branchenfremde Anbieter auf den Plan. Diese Disruption kann die Krankenversicherer strategisch zusätzlich in Zugzwang bringen. Insgesamt ermutigen wir die Krankenversicherer, ihre strategischen Möglichkeiten systematisch zu evaluieren und entschlossen zu nutzen. Denn nur so bleibt unser Gesundheitswesen langfristig finanzierbar.

Rolf Bächler

Dr. Alexander Lacher

Yamin Gröninger

Co-Leiter Krankenversicherung Co-Leiter Krankenversicherung Leiterin Insurance Business Development

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1 Executive Summary Die Schweizer Krankenversicherer müssen ihre strategischen Positionen systematisch überprüfen und schärfen. Darauf müssen sie ihre Geschäftsmodelle konsequent ausrichten. Nur so bleiben sie angesichts des politischen, regulatorischen, demografischen und medizinisch-technologischen Wandels im Gesundheitswesen mittel- bis langfristig kompetitiv. «Dying, Surviving or Thriving» Die Krankenversicherer haben die Wahl zwischen drei strategischen Grundvarianten: 1) Sie tun nichts und gefährden sich und das heutige Krankenversicherungswesen mittel- bis langfristig («Dying») 2) Sie optimieren ihre etablierten Geschäftsmodelle evolutiv und überleben («Surviving») 3) Sie transformieren ihre Geschäftsmodelle fundamental («Revolution») und erschliessen neue Ertragspotenziale («Thriving») Verdrängung und beschränkte Innovations- und Wertschöpfungsmöglichkeiten Das Schweizer Gesundheitswesen ist hoch reguliert, was Innovationen und unternehmerische Spielräume für die Krankenversicherer beschränkt. Zudem sind Gewinne in der Grundversicherung nicht erlaubt und in der Zusatzversicherung nur in engen Bandbreiten zulässig. Gleichzeitig liefern sich die Krankenversicherer einen heftigen Verdrängungswettbewerb. Schliesslich bindet der noch umfangreiche Grundleistungskatalog den Grossteil der Krankenversicherungsprämien. Um in diesem anspruchsvollen Umfeld langfristig profitabel zu wachsen, benötigen die Unternehmen Innovationskraft sowie Klarheit über Absicht und Auftrag. Die Kosten- und Prämienexplosion gefährdet das Gesundheitswesen Innovationen sind auch angesichts des ungebremsten Kostenanstiegs im Gesundheitswesen dringend notwendig. Von 2014 bis 2030 steigen die Gesundheitskosten in der Schweiz voraussichtlich um 60 Prozent auf 116 Mrd. CHF. Die Prämien der Grundversicherung würden somit von heute durchschnittlich 396 CHF pro Person und Monat bis 2030 auf 826 CHF steigen. Primäre Kos-

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tentreiber sind der medizinisch-technologische Fortschritt, die Zunahme chronischer Erkrankungen sowie die Überalterung der Gesellschaft. Damit reduziert sich die Kaufkraft der privaten Haushalte signifikant. Ein Grossteil der Bevölkerung wird die Prämien der obligatorischen Krankenversicherung nicht mehr tragen können. Bund und Kantone – also letztlich die Steuerzahler – müssen diese Löcher stopfen. Ausrichtung auf die Grundbedürfnisse der Versicherten Es liegt im Interesse aller Akteure des Schweizer Gesundheitswesens, dessen hohe Qualität zu sichern und gleichzeitig den Kostenanstieg zu dämpfen. Wenn sich die Krankenversicherer konsequent auf die Grundbedürfnisse der Versicherten (gesund leben, gesund werden und mit der Krankheit leben) ausrichten, werden sie dieser Interessensymmetrie gerecht. Gelingt dies nicht, schafft sich das Gesundheitssystem mangels Finanzierbarkeit selber ab. Digitale Gesundheitsdaten und -technologien eröffnen neue Angebotsmöglichkeiten Für diese Ausrichtung auf die fundamentalen Bedürfnisse der Versicherten eröffnen sich dank technologischen Innovationen völlig neue Möglichkeiten: So erhöhen Wearables (tragbare Geräte zur Messung von Gesundheitsdaten), Apps und Sensoren die verwertbaren Gesundheitsdaten exponentiell. Knapp die Hälfte der Versicherten in der Schweiz zeichnet bereits heute Gesundheitsdaten auf, wie eine EY-Befragung zeigt. 60 Prozent der Befragten sind bereit, ihre Daten mit dem Krankenversicherer zu teilen, falls sie im Gegenzug finanzielle oder andere Vorteile erhalten. Damit lassen sich neuartige Präventions- und Behandlungsformen entwickeln. Dies lockt branchenfremde Unternehmen ins Gesundheitswesen; diese «Disruptoren» bringen die etablierten Krankenversicherer strategisch zusätzlich in Zugzwang.

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Evolution oder Revolution des Geschäftsmodells? Die Krankenversicherer müssen sich entscheiden, ob sie weiterhin in ihrem angestammten Markt tätig sein oder aber ihr Geschäftsmodell grundlegend neu ausrichten wollen. Im einen Fall können sie die Kostenführerschaft oder mit innovativen Services eine Differenzierung anstreben (Evolution). Im andern Fall schaffen sie unter Nutzung vorhandener Stärken neue Produkte und Dienstleistungen oder stossen in neue Geschäftsfelder vor (Revolution). Hier kommen vier strategische Optionen in Betracht: 1) Ausweitung der Versicherungspalette auf Sparten wie Schaden- oder Lebensversicherung; 2) Aggregation, Analyse, Aufbereitung und Angebot von Gesundheitsdaten; 3) Spezialisierung auf ausgewählte Krankheiten; 4) lebenslange Begleitung der Versicherten als Gesundheitspartner. Jetzt ist die Zeit zu handeln Unabhängig von der gewählten Option: Die Krankenversicherer benötigen eine logische und konsistente Strategie und müssen diese zeitnah und konsequent umsetzen. Intelligente Kooperationen mit Leistungserbringern oder Technologiekonzernen können die Umsetzung dieser Strategien beschleunigen. Trotz des anhaltenden politischen und regulatorischen Drucks haben die Krankenversicherer genügend Spielraum, um ihre Geschäftsmodelle und Produkte weiterzuentwickeln. Aber Tempo ist gefragt: Noch kontrollieren die Krankenversicherer die Kundenschnittstelle und verfügen über umfangreiche Gesundheitsdaten. Diese Ausgangslage sollten sie im Sinn eines «First Mover»-Vorteils und unter Beizug modernster Technologien aktiv nutzen.

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2 Studiendesign Diese Studie konzentriert sich auf die Schweizer Krankenversicherer, obwohl auch Politik, Staat, Leistungserbringer und die Versicherten das Schweizer Krankenversicherungswesen wesentlich prägen. Was den Kostenanstieg im Gesundheitswesen betrifft, haben die Krankenversicherer, die Versicherten, der Staat und die Politik symmetrische Interessen. Demgegenüber haben die Leistungserbringer, zumindest kurzfristig, keinen unmittelbaren Anreiz, das Kostenwachstum zu bremsen. So liegt die Spitaldichte in der Schweiz über dem internationalen Durchschnitt und Generika kosten in der Schweiz fast doppelt so viel wie im angrenzenden Ausland. Methodisch basiert die vorliegende Studie auf hypothesengestützten Untersuchungen durch Branchenexperten und Analysten von EY. Umfangreiche Datenmengen wurden ausgewertet, darunter die Jahresberichte von Krankenversicherern sowie Statistiken des Bundesamtes für Gesundheit (BAG), des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV) und der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA). Zur Bereitschaft, Gesundheitsdaten aufzuzeichnen und mit Krankenversicherern zu teilen, hat EY eine Befragung von rund 450 Personen durchgeführt. Weiter sind Erkenntnisse und Erfahrungen aus Prüfungs- und Beratungsmandaten von EY im Schweizer Krankenversicherungsmarkt eingeflossen. Aus Interviews mit Führungskräften führender Schweizer Krankenversicherer wurden schliesslich ebenfalls wesentliche Erkenntnisse gewonnen. Unser besonderer Dank gilt den Herren

6

Titus Kretzschmar (1abtik) und Ricardo García (EY) sowie Manuel Heuer und Lukas Ammann (Dacadoo). Obschon gesetzliche und regulatorische Auflagen den strategischen Spielraum der Krankenversicherer ganz erheblich definieren, stehen diese Aspekte in dieser Studie nicht im Vordergrund. Die Untersuchung beschränkt sich darauf, absehbare und strategierelevante Entwicklungen und Szenarien darzustellen, darunter die Ausdünnung des Grundleistungskatalogs, die Einführung einkommensabhängiger Prämien, die kürzlich vom Parlament verlangte Erhöhung von Franchisen und Selbstbehalten oder die Wiederaufnahme der Debatte um die Einheitskasse. In Kapitel 3 wird das Schweizer Gesundheits- und Krankenversicherungssystem im Sinn einer strategischen Lagebeurteilung analysiert. Kapitel 4 zeigt auf, wie die Krankenversicherer mit der Bedienung der grundlegenden Bedürfnisse der Versicherten neue Wertschöpfungsmöglichkeiten erschliessen können. Kapitel 5 beleuchtet ausführlich die strategischen Chancen der Digitalisierung, bevor in Kapitel 6 die Erkenntnisse der vorangegangenen Kapitel zu handlungsrelevanten Aussagen verdichtet und konkrete strategische Optionen erläutert werden. Das Fazit verdeutlicht schliesslich, weshalb der Zeitpunkt für Schweizer Krankenversicherer günstig ist, Innovationen zu lancieren und die Wertschöpfung nachhaltig zu steigern.

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3 Ausgangslage Das Schweizer Gesundheitssystem erbringt zwar Spitzenleistungen, ist aber hoch reguliert und teuer. In der Grundversicherung verfügen die Krankenversicherer über keine Wertschöpfungsmöglichkeiten, in der Zusatzversicherung sind diese gesetzlich eng begrenzt. Gleichzeitig treiben regulatorische, politische, medizinisch-technologische und gesellschaftliche Entwicklungen die Gesundheitskosten unaufhaltsam in die Höhe. Dieser Kostenanstieg bringt das Schweizer Gesundheitssystem an die Grenzen seiner Finanzierbarkeit.

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3.1 Das Schweizer Gesundheitssystem Die Kosten des Gesundheitssystems wachsen ungebremst. Die Belastung für die privaten Haushalte ist gross. Steigen die Prämien weiter, wird es grossen Teilen der Schweizer Bevölkerung in Zukunft nicht mehr möglich sein, die Prämien der obligatorischen Krankenversicherung zu tragen – von Zusatzversicherungen ganz zu schweigen.

3.1.1 Ungebremster Kostenanstieg

Überproportionale Zunahme der Gesundheitskosten (in %, indexiert 1990)

Anstieg der Gesundheitskosten nach Verwendung (in Mio. CHF)

Das Schweizer Gesundheitssystem ist zwar qualitativ unbestritten hochwertig, aber stark reguliert und im Vergleich mit anderen Industrieländern teuer. Die Kostensteigerung ist massiv: Von 1990 bis 2014 stiegen die Gesundheitskosten von 26,9 Mrd. auf 71,2 Mrd. CHF, was einem Anstieg um 165 Prozent entspricht. Im gleichen Zeitraum wuchs die Wirtschaftsleistung nur um 90 Prozent und die Bevölkerung um 23 Prozent.

Zunahme seit 1990 170 160 150 140 130 120 110 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 1990

28 364

2005

2010

2015

31 880

+12,4%

20 335

21 455

22 214

23 694

24 860

+22,2%

7304

7334

7447

7316

7321

2042

2167

2298

2385

2483

+0,2% +21,6% +9,1% +1,3%

2979

2000

31 312

31 162

29 138

71 167

69 226

67 533

64 574

62 495

Gesundheitskosten (nominal) Bevölkerung BIP (nominal) Quelle: BFS1.

+13,88%

+165%

1995

Zunahme seit 2010

Totale Zunahme seit 2010

1471

2010

3037

2011

1443

2960

2012

Stationäre Behandlung Ambulante Behandlung Prävention

1451

2983

2013

1536

3018

1605

2014

Verkauf Gesundheitsgüter Andere Leistungen Verwaltung

Quelle: BFS2.

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3 Ausgangslage

20 Prozent der Gesundheitskosten durch ein effizienteres Gesundheitssystem eingespart werden könnten.3

Der grösste Kostenanstieg ist bei den ambulanten Spitalbehandlungen zu beobachten: Zwischen 2010 und 2014 legten diese um 22 Prozent auf 24,9 Mrd. CHF zu. Im gleichen Zeitraum stiegen die Kosten der stationären Behandlung um 12 Prozent auf 31,9 Mrd. CHF. Die Verlagerung hin zu ambulanten Spitalleistungen beruht unter anderem auf neuen medizinischen Möglichkeiten sowie auf Anreizen aus der Spitalfinanzierung. Gemäss dieser übernehmen die Krankenversicherer und die Kantone die Kosten für die stationären Leistungen seit dem 1. Januar 2012 gemeinsam, für ambulante Spitalleistungen kommen die Krankenversicherer hingegen alleine auf.

Neben den strukturellen Ineffizienzen im Gesundheitssystem lassen sich drei weitere Haupttreiber des Kostenanstiegs identifizieren: der medizinisch-technologische Fortschritt, die Zunahme chronischer Erkrankungen sowie die Überalterung der Gesellschaft. Teurer medizinisch-technologischer Fortschritt Seit Jahren ist der technologische Fortschritt im Gesundheitssektor eindrücklich. Doch anders als etwa in der IT-Branche, wo steigende Rechenleistungen mit Preissenkungen einhergehen, treiben medizinische Verbesserungen die Kosten nach oben. Während etwa die Preise für Smartphones zwischen 2012 und 2015 weltweit um 20 Prozent sanken, sind die Kosten für Stents, computertomografische Untersuchungen oder Darmspiegelun-

Generell bestehen im schweizerischen Gesundheitswesen erhebliche Ineffizienzen, etwa wegen mangelnder Koordination der Versorgung, Überversorgung mit nicht notwendigen Leistungen oder einer überhöhten Nachfrage der Versicherten. Der Bundesrat geht in seinem Bericht «Gesundheit2020» davon aus, dass

Chronische Krankheiten der Schweizer Wohnbevölkerung (Anteil in % der Schweizer Wohnbevölkerung ab 15 Jahre)

15%

16% 14% 14%

13%

12%

11% 11%

12%

8%

8%

5%

6%

7% 4%

4%

2%

Allergien

Bluthochdruck

1997

2007

Arthrose, Rheuma

Depression

Migräne

Krebsgeschwulst

2012

Quellen: BFS , Hacking Healthcare . 5

10

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3%

3%

4%

Diabetes


Das Effizienzpotenzial im Schweizer Gesundheitswesen ist beträchtlich: Die Versicherten müssen noch mehr Eigenverantwortung übernehmen. Und es braucht andere Anreize, damit die Leistungserbringer keine unnötigen oder unwirksamen Behandlungen durchführen.

gen gestiegen. Meist sind selbst inkrementelle Verbesserungen mit kräftigen Aufpreisen verbunden. Zudem führen die verbesserten Diagnosemöglichkeiten zu Mengenausweitungen und damit zu einem Kostenanstieg. Zunahme chronischer Krankheiten Mehr Menschen denn je leiden an Bluthochdruck, Allergien, Arthrose und Rheuma, Depression, Migräne, Krebs und Diabetes. Bereits ein Drittel der Schweizer Bevölkerung weist mindestens eine dieser chronischen Krankheiten auf.4 Die Zunahme dieser nichtübertragbaren Krankheiten hängt zum einen mit der demografischen Alterung zusammen und ist zum anderen Folge eines veränderten Lebensstils, der von Bewegungsmangel und unausgewogenen Essgewohnheiten geprägt ist.

weniger als 52 Mrd. CHF (80 Prozent) auf die Behandlung chronischer Krankheiten.7 Bei den ambulanten Behandlungen beträgt ihr Anteil inzwischen 87 Prozent, mit steigender Tendenz. Überalterung der Gesellschaft Das Krankenversicherungsgesetz (KVG) sieht heute für Erwachsene ab 26 Jahren altersunabhängige Prämien vor. Damit leisten jüngere Versicherte einen Solidaritätsbeitrag an die Kosten der älteren Versicherten, deren Gesundheitskosten die erbrachten Prämien übersteigen. Die steigende Lebenserwartung bei tiefen Geburtenraten akzentuiert diese Umverteilung. Angesichts dieser wachsenden Belastung der jungen Generationen bei der obligatorischen Krankenversicherung wird in der Politik über Entlastungsmassnahmen debattiert, z.B. Prämiensenkungen für junge Erwachsene oder höhere Prämienverbilligungen für Kinder.

Die Auswirkungen auf die Kosten sind erheblich: Von den jährlichen Gesamtkosten des Gesundheitssystems entfallen nicht

Entwicklung der Altersstruktur in der Schweiz (1971–2015)

Jahre 104 96 88 80 72 64 56 48 40 32 24 16 8

Personen 80 000

60 000

1971 Quelle: BFS

40 000

1990

20 000

0

20 000

40 000

60 000

80 000

2015

.

8, 9

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3 Ausgangslage

3.1.2 Zunehmende Belastung privater Haushalte Die privaten Haushalte bezahlen zwei Drittel der Gesundheitskosten: in Form von Krankenkassenprämien (36,6 Prozent für die Grund- und 7,2 Prozent für die Zusatzversicherung) sowie über

Finanzierung der Gesundheitskosten nach Quellen (2008–2014) (in Mio. CHF)

Kostenbeteiligungen und über direkte Auslagen («Out of Pocket») der Versicherten (24,5 Prozent). 2014 betrug diese Belastung der privaten Haushalte gesamthaft 48 Mrd. CHF, was im Durchschnitt 493 CHF pro Person und Monat entspricht.

Prämien- und Lohnentwicklung bis 2030 (in %, indexiert 1996, projiziert mit CAGR 1996–2014)

Effektive Entwicklung 80 000

280

70 000

240

60 000

63% durch private Haushalte

50 000 40 000

Prognose 2030: Prämien von 826 CHF

200 160

2014: Prämien von 396 CHF

120

30 000 37% durch Staat und Unternehmen

20 000 10 000 0 2008

2009

2010

2011

2012

2013

2014

Private Haushalte: sonstige Finanzierung Private Haushalte: Kostenbeteiligung KVG, VVG und «out of pocket» Private Haushalte: Aufwand VVG-Versicherungsprämien Private Haushalte: Aufwand KVG-Versicherungsprämien Unternehmen: Beiträge soziale Sicherheit Staat: Zahlungen für soziale Sicherheit (inklusive Prämienverbilligung, bedarfsabhängige Sozialleistungen ab 2008) Staat: Zahlungen und Leistungen

80 40 0 1996 2000 2004 2008 2012 2016 2020 2024 2028

Lohnanstieg

Prämienanstieg

Quellen: BAG11, BFS12, EY.

Quelle: BFS10.

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Kaufkraftverlust der privaten Haushalte Da die Löhne seit Jahren langsamer als die Gesundheitskosten wachsen, hat sich die individuelle Kaufkraft der privaten Haushalte zum Teil signifikant verringert. 2015 haben 2,2 Mio. Personen oder 27 Prozent aller Versicherten in der Schweiz einen Zuschuss zu den Krankenkassenprämien erhalten.13 Die öffentliche Hand wendete über 4 Mrd. CHF für Prämienverbilligungen auf. Diese Umverteilung würde noch höher ausfallen, hätten die Kantone ihre Beiträge über die letzten Jahre nicht gekürzt. Bislang sind keine Anzeichen auszumachen, dass der Kostenund Prämienanstieg abflacht oder gar umkehrt. Bis 2030 wird die durchschnittliche Prämienbelastung auf 11 Prozent des Einkommens steigen; 2014 betrug sie erst 6 Prozent.14 Dies wird deutlich über dem mit der Prämienverbilligung verfolgten Ziel des Bundes liegen, die maximale Belastung auf 8 Prozent des steuerbaren

Einkommens zu begrenzen. Die Gesundheitskosten steigen gemäss EY-Analysen bis 2030 um über 60 Prozent auf 116 Mrd. CHF. Werden zudem die Out-of-Pocket-Ausgaben der privaten Haushalte berücksichtigt, ist der effektive Kaufkraftverlust noch grösser. Hält das Prämienwachstum unvermindert an, wird es grossen Teilen der Schweizer Bevölkerung in Zukunft nicht mehr möglich sein, die Prämien der obligatorischen Krankenversicherung zu tragen – von Zusatzversicherungen ganz zu schweigen. Werden nicht einschneidende Gegenmassnahmen eingeleitet, ist ein finanzieller Kollaps der Grundversicherung mittelfristig nicht auszuschliessen. In diesem Fall würde der Ruf nach Einflussnahme des Staates lauter, in Form von regulatorischen und Marktinterventionen bis hin zur Einheitskasse.

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3 Ausgangslage

3.2 Der Schweizer Krankenversicherungsmarkt Die Schweizer Krankenversicherer liefern sich einen heftigen Verdrängungswettbewerb. Gleichzeitig wird das Marktumfeld massgeblich durch Politik und Regulierung geprägt. Das schränkt die Wertschöpfungsmöglichkeiten der Unternehmen empfindlich ein.

3.2.1 Gesättigter Markt und intensiver Wettbewerb Die Schweiz verfügt weltweit über eine der höchsten Versicherungsdichten. Vom gesamten Haushaltseinkommen werden 9,2 Prozent für Nichtlebensversicherungsprämien ausgegeben.15 Davon entfallen 63 Prozent auf die Grundversicherung und 16 Prozent auf Zusatzversicherungen nach dem Versicherungsvertragsgesetz (VVG). In der Krankenversicherungsbranche stehen einige grosse Unternehmen vielen relativ kleinen Anbietern mit regionalem oder gar lokalem Tätigkeitsfeld gegenüber. Der Konzentrationsgrad ist hoch: Von den 57 Krankenversicherern, welche die obligatorische Krankenpflegeversicherung anbieten, beherrschen die grössten zehn fast 90 Prozent des Marktes; 17 Krankenversicherer weisen hingegen weniger als 10 000 Versicherte auf.16 Der Wettbewerb unter den Grundversicherern ist heftig, denn einerseits ist das Versicherungsprodukt gesetzlich geregelt und somit homogen, zum andern ist der Aufwand, den Grundversicherer zu wechseln, gering. Das führt namentlich zu einem Preis-

14

kampf. Wechselbewegungen zwischen Krankenversicherern werden zudem durch Vergleichsportale wie Comparis gefördert. Zusatzversicherungen werden von 54 Gesellschaften angeboten.17 Wie in der Grundversicherung konzentriert sich auch hier das Gros des Geschäfts oligopolistisch auf wenige Anbieter: Die zehn grössten Unternehmen haben einen Marktanteil von 80 Prozent. Im Unterschied zur Grundversicherung steigt jedoch die Anzahl der Krankenzusatzversicherer. Es bestehen namentlich Anzeichen, dass vermehrt Privatversicherer auch Krankenzusatzversicherungen anbieten wollen. Aktuelle Beispiele hierfür sind AXA und Zurich, die bereits wichtige Anbieter von Krankentaggeldversicherungen sind. Denkbar sind darüber hinaus Markteintritte von branchenfremden Anbietern. Insgesamt werden solche Neueintritte den Wettbewerb im Markt weiter intensivieren. Im Unterschied zur Grundversicherung wird der Wettbewerb in der Krankenzusatzversicherung nicht nur über Services, sondern auch über die Produktegestaltung ausgetragen. Allerdings setzt die präventive Produktkontrolle durch die FINMA Innovationen relativ enge Grenzen. Damit soll der Versichertenschutz gewährleistet werden, da die private Krankenversicherung einen sozialversicherungsähnlichen Charakter hat und die Versicherten ab einem gewissen Alter oder mit einer Krankheitsgeschichte den Zusatzversicherer de facto nicht mehr wechseln können, ohne zu riskieren, keinen oder keinen gleichwertigen Versicherungsschutz mehr zu finden.

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Die regulatorischen Anforderungen an Krankenversicherer steigen ständig. Dies erhöht den Verwaltungsaufwand und setzt die Krankenversicherer empfindlichen Compliance-Risiken aus.

3.2.2 Politik als zentrale Einflussgrösse

3.2.3 Verschärfte Regulierung

Angesichts der ständig steigenden Gesundheitskosten reissen die politischen Diskussionen über das Gesundheitswesen nicht ab. Politik und Gesetzgebung bleiben somit zentrale Determinanten des strategischen Umfelds der Schweizer Krankenversicherer.

Der regulatorische Druck auf die Schweizer Krankenversicherer hält an und stellt wie die Politik eine strategierelevante Einflussgrösse dar. Die Krankenversicherer sehen die zunehmende Regeldichte sowie die duale Aufsicht von BAG und FINMA als zentrale strategische Herausforderung.18

So befasst sich der Bundesrat in seiner Strategie «Gesundheit2020» mit möglichen Massnahmen zur Dämpfung der Gesundheitskosten. Diese hätten erheblichen Einfluss auf die Krankenversicherer. Trotz mehrmaligem Scheitern an der Urne wird auch die Idee einer Einheitskasse immer wieder aufgebracht. Eher unwahrscheinlich sind derzeit Kürzungen des KVG-Leistungskatalogs, da dies unweigerlich mit einer sogenannten Zweiklassenmedizin verbunden wird. Im Gegenteil wird der Katalog sukzessive ausgeweitet, beispielsweise 2009 mit der Aufnahme der Komplementärmedizin. Schliesslich wird derzeit die Einführung einer obligatorischen Pflegekostenversicherung als 4. Säule erwogen. Politisch diskutiert werden auch Eingriffe, die direkt bei den Versicherten ansetzen. So strebt das Parlament aktuell eine Erhöhung der Mindestfranchise an. Dies soll die Versicherten zu mehr Eigenverantwortung animieren und sie davon abhalten, wegen Bagatellen den Arzt oder das Spital aufzusuchen. Erwogen werden auch einkommensabhängige Prämien oder Steuererhöhungen zur Finanzierung der steigenden Gesundheitskosten.

Neue Erlasse wie das Krankenversicherungsaufsichtsgesetz (KVAG) oder die geplanten FINMA-Rundschreiben zu Corporate Governance stellen höhere aufsichtsrechtliche Ansprüche an die Krankenversicherer. Ein konkretes Beispiel sind die gestiegenen Eigenmittelanforderungen für Grundversicherer: Während 2015 zwei Krankenversicherer die Anforderungen des KVG-Solvenztests nicht erfüllten, wiesen 2016 bereits 14 Versicherer Solvenzquoten von unter 100 Prozent aus. In der Zusatzversicherung schränken die erhöhten Anforderungen der FINMA an Rabattierung und Tarifierung die Wertschöpfungsmöglichkeiten der Versicherer ein. Weitere Anforderungen ergeben sich für die Krankenzusatzversicherer aus der Selbstbeurteilung der Risikosituation und des Kapitalbedarfs (ORSA), der Pflicht zur Erstellung eines Berichts über die Finanzlage und der Einführung einer unabhängigen Compliance-Funktion. Hinzu kommt eine Verschärfung der FINMA- und BAG-Aufsichtspraxis für bisher tolerierte Sachverhalte und Usanzen der Branche, was die Krankenversicherer erhöhten Compliance-Risiken aussetzt, verbunden mit empfindlichen Strafen und negativer Publizität. Die Regulatoren haben insbesondere die Marktführer im Blickfeld.

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3 Ausgangslage

3.2.4 Geschäftsmodell der Krankenversicherer infrage gestellt Die Grundversicherung macht volumenmässig zwar den Grossteil des Schweizer Krankenversicherungsgeschäfts aus. Dies liegt vor allem am umfangreichen Grundleistungskatalog des KVG. Innerhalb des KVG-Obligatoriums herrscht jedoch ein intensiver Verdrängungswettbewerb: Organisches Wachstum gelingt nur auf Kosten anderer Anbieter. Das Potenzial, über Zusammenschlüsse und Übernahmen in der Grundversicherung zu wachsen, ist begrenzt. Denn viele kleinere

und mittlere Krankenversicherer wollen trotz des Regulierungsund Compliance-Drucks so lange als möglich unabhängig bleiben. Dies dürfte an den eher schwach ausgeprägten Eigentumsverhältnissen bzw. am fehlenden Druck profitorientierter Aktionäre liegen. Nullsummenspiel in der Grundversicherung Eine weitere, strategierelevante Eigentümlichkeit der sozialen Krankenversicherung ist der Risikoausgleich. Dieser soll einer Entsolidarisierung zwischen «Jungen und Gesunden» und «Alten und Kranken» entgegenwirken. Die sogenannte Jagd auf gute Risiken lohnt sich in der Tat nicht mehr. So bezahlte beispiels-

CAGR Anzahl Versicherte 2010–15 (in %)

Grundversicherungsmarkt: Wachstum versus Risikoausgleich

20 Groupe Mutuel 15

10 Assura

KPT 5

Concordia

Helsana

SWICA

Visana

Sympany

0 CSS −5 −500

−250

Sanitas 0

250

500

Ø jährliche Risikoausgleichszahlung pro versicherte Person (Ø 2010–15) (in CHF) Kreisgrösse entspricht Anzahl Versicherter 2015

Nettoempfänger

Nettozahler

Quellen: BAG19, EY (Gruppenbetrachtung).

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750


weise die Assura zwischen 2010 und 2015 pro Jahr und Versicherten im Schnitt über 500 CHF in den Ausgleich, während Helsana im Gegenzug rund 300 CHF daraus erhielt. Bis 2019 wird der Risikoausgleich schrittweise weiter verfeinert, wobei künftig auch die Medikamentenkosten und die Krankheitsgeschichte berücksichtigt werden. Diese Umverteilung hebelt die Möglichkeit aus, als Krankenversicherer mit geringen Risiken tiefere Prämien anzubieten, um so Marktanteile zu gewinnen. So wird der Risikoausgleich zum Nullsummenspiel.

Magere Ertrags- und Wachstumspotenziale in der Zusatzversicherung Ähnlich limitiert zeigen sich auch die Ertrags- und Wachstumspotenziale in der ebenfalls stark regulierten Krankenzusatzversicherung nach VVG. Allerdings spielt hier die Umverteilung von den jungen zu den älteren Versicherten: Nur wenn die Krankenversicherer junge Versicherte in die Zusatzversicherung aufnehmen, sind sie in der Lage, ausreichend Alterungsrückstellungen zu bilden.

Prämieneinnahmen der zehn grössten Krankenversicherer, Anteile KVG und VVG (in Mio. CHF)

6000

27%

20%

4000

15%

37% 80%

73%

2000

36%

10%

85% 63%

64%

90%

28%

24% 16%

72%

76%

84%

30% 70%

Sanitas

Concordia

KPT

Sympany

0 Helsana

KVG

CSS

Groupe Mutuel

SWICA

Visana

Assura

VVG

Quellen: BAG20,FINMA21, Geschäftsberichte, EY (Gruppenbetrachtung).

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4 Ausgangspunkt: die Grund bedürfnisse der Versicherten

Ausgangspunkt für die Weiterentwicklung der Geschäftsmodelle der Krankenversicherer bilden die grundlegenden Bedürfnisse der Versicherten. Diese lassen sich künftig mit datengestützten Innovationen noch besser bedienen. Um die damit verbundenen Mehrwerte abzuschöpfen, müssen die Krankenversicherer eine aktive Rolle übernehmen.

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Die hohe Qualität des Schweizer Gesundheitswesens sichern und gleichzeitig den Anstieg der Gesundheitskosten dämpfen: Das wollen die öffentliche Hand, Krankenversicherer und Versicherte. Diese Interessensymmetrie zeigt sich insbesondere bei den drei Grundbedürfnissen der Versicherten: gesund leben, gesund werden und mit der Krankheit leben. Gelingt es den Krankenversicherern, diese Bedürfnisse besser zu bedienen, können sie den Anstieg der Gesundheitskosten dämpfen und gleichzeitig neue Wertschöpfungsmöglichkeiten erschliessen. Zahlreiche Beispiele aus der Schweiz – und noch vielmehr aus dem Ausland – belegen diese Neuausrichtung.

Grundbedürfnisse im Gesundheitswesen

Gesund leben

Grundbedürfnisse Gesund werden

Mit der Krankheit leben

Quelle: EY.

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4 Ausgangspunkt: die Grundbedürfnisse der Versicherten

4.1 Gesund leben Kostenkontrolle beginnt bei der Gesundheitsprävention. In der Schweiz werden hierfür allerdings nur gerade 2,2 Prozent der gesamten Gesundheitskosten aufgewendet. Entsprechend gross ist der Bedarf für Innovationen. Den Krankenversicherern eröffnen sich mit technologischen Neuerungen und Datenanalysen ungeahnte Möglichkeiten, individualisierte Gesundheitsberatungen anzubieten.

Grundbedürfnis «Gesund leben»

Ernährungsberatung

Bewegungsberatung

Neue Erkenntnisse aus der Verhaltenswissenschaft und der sogenannten Gamification, dem Einbringen spielerischer Elemente wie Punktesysteme oder Ranglisten, können die Wirksamkeit der Gesundheitsberatung verbessern. Im Fokus stehen dabei Ernährung und Bewegung: Eine gesunde Ernährung und regelmässige körperliche Betätigung reduzieren nicht bloss die Gesundheitskosten, sie steigern auch direkt das Wohlbefinden der Versicherten. Mentale Beratungen erhöhen zudem die Chance, psychische Störungen zu verhindern oder frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Das bedingt allerdings, dass persönliche Gesundheitsdaten erfasst und analysiert werden. Eine EY-Umfrage zeigt, dass die Schweizer Versicherten durchaus bereit sind, ihre Daten mit dem Krankenversicherer zu teilen – wenn sie entsprechende Vorteile erhalten (siehe Kapitel 5).

Gesund leben

Prädiktive Risikoanalyse

Eine zentrale Bedeutung kommt der prädiktiven Risikoanalyse zu. Auf der Basis umfangreicher Daten lassen sich künftige Krankheitsrisiken erkennen, zum Beispiel Herz-Kreislauf-Störungen oder Typ-2-Diabetes, die vielfach mit dem Lebensstil zusammenhängen.

Mentale Beratung

Quelle: EY.

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Fallstudien Die App Headspace fördert das tägliche Meditieren und erlaubt es Anwendern, ihre mentale Gesundheit zu verbessern. Headspace nutzt Gamification-Funktionen sowie Social Media, um die Anwender zu motivieren. Mit der digitalen Ernährungsberatung von Zipongo erhalten Anwender in Echtzeit personalisierte Menüempfehlungen. Erarbeitet werden die Ratschläge auf der Basis biometrischer Daten, persönlicher Vorlieben, von Ernährungsbedürfnissen sowie des täglichen Angebots umliegender Kantinen und Restaurants. Das Programm stellt zudem Tools zur Mahlzeitenplanung sowie Einkaufslisten zur Verfügung. Auch in der Schweiz haben Krankenversicherer Dienstleistungen in ihr Angebot aufgenommen, um Versicherte zu einem gesunden Lebensstil zu bewegen. CSS myStep animiert die Zusatzver-

Pay as you live (PAYL) Vom persönlichen Lebensstil abhängige Krankenkassenprämien: Das verspricht das Konzept «Pay as you live» (PAYL). Über Smartphones und Wearables erfasste Gesundheitsdaten werden ausgewertet, um die Krankenversicherten zu einem gesünderen Lebensstil zu bewegen. Damit lassen sich Gesundheitskosten reduzieren, wovon ein Teil als Prämienrabatt an die Versicherten weitergegeben wird. Fallstudien Ausländische Krankenversicherer nutzen PAYL-Modelle bereits aktiv. So erfasst der US-Versicherer John Hancock Fitnessdaten seiner Versicherten. Wer sich regelmässig bewegt, erhält Prämienrabatte auf die Lebensversicherung. Und wer jährlich einen Gesundheitscheck durchführt und nicht raucht, profitiert von weiteren Entschädigungen. Oscar, ein digitaler Krankenversicherer in den USA, nutzt Online-Tools zur Antragstellung und bietet eine Ärzteplattform sowie verschiedene Telemedizin-Leistungen an. Oscar setzt Fitness-Tracker ein und entschädigt die Versicherten mit Amazon-Gutscheinen, wenn sie eine gewisse Schrittzahl zurücklegen. Und wer sich gegen Grippe impfen lässt, erhält Prämienrabatte.

sicherten der CSS mittels elektronischer Schrittzähler zu mehr Bewegung und soll so die Eigenverantwortung stärken. Die Bewegungsdaten werden der CSS täglich übermittelt. Erreichen die Teilnehmenden die vereinbarten Ziele (7500 oder 10 000 Schritte pro Tag), erhalten sie eine Gutschrift auf ihr Gesundheitskonto. Der zur CSS gehörende Online-Versicherer Sanagate arbeitet daran, das digitale Präventionsangebot von Dacadoo für seine Kunden anzubieten. Ähnlich funktioniert die Gesundheitsplattform Benevita von Swica: Deren Nutzer erhalten personalisierte Ratschläge zu Bewegung, Ernährung und Wohlbefinden, die sich am Lebenszyklus orientieren. Zudem können die Versicherten von Prämienrabatten profitieren, vorausgesetzt sie pflegen einen gesunden Lebensstil.

Ähnliche Produkte werden in Australien angeboten. Der Versicherer Medibank gibt Wearables kostenlos an Kunden ab, die sich an dem Gesundheitsprogramm beteiligen. Medibank entschädigt ihre Versicherten nicht nur für körperliche Aktivität, sondern auch für den Einkauf von Gemüse und Früchten. Die australische Airline Qantas bietet zusammen mit dem Versicherer NIB eine eigene Krankenversicherung an. Bei Qantas Assure werden Kunden, die sich häufig bewegen, mit Bonuspunkten belohnt. Das Versicherungsangebot zeichnet sich dadurch aus, dass es gezielt Vielflieger anspricht, eine Kundengruppe, die ohnehin positiv auf Bonusprogramme reagiert. In der Schweiz sind PAYL-Angebote nur im Bereich der Zusatzversicherung möglich, wobei die Höhe der Rabatte begrenzt ist. Wollen Versicherer darüber hinaus Vergünstigungen anbieten, müssen sie den versicherungstechnischen Effekt von Lebensstiländerungen belegen. In der öffentlichen Diskussion wird gegen PAYL eingewendet, dass die Solidarität unter den Krankenversicherten abnimmt und körperlich Benachteiligte bestraft werden; so werden zum Beispiel Gehbehinderte von Modellen mit Schrittzählern ausgeschlossen. Die damit verbundenen Reputationsrisiken müssen Krankenversicherer sorgfältig abwägen.

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4 Ausgangspunkt: die Grundbedürfnisse der Versicherten

4.2 Gesund werden Werden Versicherte krank, wollen sie klarerweise nur eines: schnell wieder gesund werden. Die medizinische Versorgung soll zeitlich und örtlich flexibel sein; stationäre Behandlungen sind hingegen möglichst zu vermeiden. Die Behandlungen selbst sollen permanent verfügbar, topmodern und bequem sein. Expertenwissen wird als selbstverständlich betrachtet, ebenso die

Grundbedürfnis «Gesund werden»

Kostenübernahme

Flexible Versorgung

Gesund werden

Optimale Behandlung

Vermeidung gesundheitlicher Risiken. Entstehen Kosten, erwarten die Versicherten, dass die Krankenversicherer diese rasch und unkompliziert übernehmen. Indem Krankenversicherer Einfluss auf die Leistungserbringung nehmen, können sie die Kosten besser kontrollieren. Möglich wäre dies über die Aufhebung des Vertragszwangs oder über ergebnisabhängige Verträge mit Ärzten oder Spitälern. Damit würden innovative, wirksame und effiziente Behandlungen gefördert. Fallstudien Es lassen sich insbesondere in den USA zahlreiche Start-ups beobachten, die sich das Ziel gesetzt haben, Behandlungen respektive deren Kosten zu optimieren. So hat der US-Fahrdienst Uber mit dem Pilotprojekt UberHealth gezeigt, wie mit der Hauslieferung von Grippeimpfungen Personen erreicht werden können, die sich sonst nicht hätten impfen lassen. Der Service basiert auf einer mobilen Plattform, über die sich diverse medizinische Dienstleistungen, von Medikamentenzustellungen bis zu Patiententransporten, abwickeln lassen. Oscar, ein digitaler Krankenversicherer in den USA, operiert mit Online-Tools zur Antragstellung, einer Ärzteplattform und verschiedenen Telemedizin-Angeboten. Zudem unterhält das Unternehmen Partnerschaften mit Spitälern und Medikamentenhändlern. Dadurch kann die Kosteneffizienz gesteigert werden.

Quelle: EY.

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Der Anstieg der Gesundheitskosten ist nicht zu vermeiden. Doch er lässt sich dämpfen.

Mit dem Präventionsprogramm des US-Unternehmens Omada Health können Krankenversicherer und Arbeitgeber die Gefahr chronischer Erkrankungen und damit die Behandlungskosten senken. Dazu stellt Omada Health individuelle Massnahmen zusammen und stattet die Teilnehmer mit Wearables aus. Persönliche Gesundheitscoachs, eine Online-Bezugsgruppe für tägliche Feedbacks und laufende Unterstützung sollen das Engagement sicherstellen. Die beiden US-Krankenversicherer Cigna und Aetna haben ergebnisabhängige Verträge mit Novartis abgeschlossen. Zeigt das Medikament «Entresto», das bei Herzerkrankungen eingesetzt wird, nicht die erhoffte Wirkung (gemessen an der Reduktion der Hospitalisierungsrate), gewährt der Pharmahersteller den Versicherern einen Preisnachlass. Vergleichbare Abmachungen hat der US-Krankenversicherer Harvard Pilgrim mit Amgen für den

Cholesterinsenker «Repatha» und mit Eli Lilly für das Diabetesmedikament «Trulicity» getroffen. Schweizer Krankenversicherer ziehen mit Auch Schweizer Krankenversicherer haben Dienstleistungen lanciert, um die Behandlungskosten zu optimieren. Die CSS will mit der Medgate-App die telemedizinische Beratung verbessern. Dabei wird nicht nur die Kontaktaufnahme erleichtert, über das Smartphone lassen sich auch Medikamente bestellen oder Fotos von Haut- und Augenveränderungen zur Kontrolle übermitteln. Bei dem Versicherungsmodell Medpharma, das SWICA mit seinen TopPharm-Partnerapotheken anbietet, verpflichten sich die Versicherten, für eine Erstkonsultation zunächst entweder eine der über hundert TopPharm-Apotheken in der Schweiz aufzusuchen oder eine telefonische Gesundheitsberatung durch Sante24 in Anspruch zu nehmen.

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4 Ausgangspunkt: die Grundbedürfnisse der Versicherten

4.3 Mit der Krankheit leben Chronische Krankheiten sind für einen grossen Teil der Gesundheitskosten verantwortlich (siehe Kap. 3.1.1). Mit der Langlebigkeit der Gesellschaft und dem heutigen Lebensstil nimmt ihre Bedeutung weiter zu. Umso wichtiger ist es, mit innovativen Ansätzen die Behandlungskosten für chronische Krankheiten zu reduzieren. Dazu zählen digital unterstützte Therapien und

Grundbedürfnis «Mit der Krankheit leben»

Krankheitsberatung

Monitoring

Mit der Krankheit leben

Wirksame und effiziente Behandlung

Erfahrungsaustausch

prädiktives Monitoring. Je besser chronisch kranke Patienten überwacht und betreut werden, desto eher lassen sich Kosten für Notfall- und Langzeitbehandlungen vermeiden. Innovative Geschäftsmodelle: Vermeiden von Notfällen Die Digitalisierung verändert die Behandlung chronischer Erkrankungen grundlegend. Mit dem intelligenten Einsatz von Sensoren und der Datenanalyse kann die Lebensqualität der Patienten verbessert und die Kosten für Notfälle reduziert werden. Den Krankenversicherern bietet sich damit die Chance, über individuelle Beratungs- und Unterstützungsleistungen Mehrwerte für die Versicherten zu schaffen und einen Beitrag zur Senkung der Gesundheitskosten zu leisten. Basis für digitales Monitoring ist eine intelligente Aggregation und Analyse aller verfügbaren Daten. Fallstudien Der von der North Carolina State University entwickelte Health and Environmental Tracker (HET) misst mittels Sensoren an einem Armband neben den medizinischen Daten des Anwenders diverse Umweltfaktoren wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Ozonkonzentration oder flüchtige organische Verbindungen. Mittels prädiktiver Algorithmen lassen sich dadurch Asthmaanfälle voraussagen und Anwender frühzeitig warnen, damit diese ihr Verhalten ändern oder den Ort wechseln. Mit dem Proteus Discover, einem von Proteus Digital Health entwickelten Sensor, lässt sich verfolgen, wann Patienten ihre Arzneimittel einnehmen. Der sandkorngrosse Sensor wird mit

Quelle: EY.

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Werden chronische Patienten intelligent betreut, können gefährliche und kostspielige Notfälle vermieden werden.

dem Medikament verbunden, und nach der Einnahme werden Uhrzeit sowie persönliche Daten wie Puls und körperliche Aktivität des Patienten übermittelt. Damit können Ärzte überwachen, ob Patienten die vorgeschriebenen Einnahmezeiten einhalten und ob das Medikament wirkt. Die US-Gesundheitsbehörde hat den Sensor in Kombination mit einem Bluthochdruckmittel zugelassen. Die Technologie hilft, die Compliance von Medikationen zu erhöhen, und trägt zu einer wirksameren Behandlung chronischer Krankheiten bei. Es wird geschätzt, dass allein in den USA jährlich Gesundheitskosten von 100 bis 300 Mio. USD entstehen, weil Patienten ihre Medikamente nicht wie vorgeschrieben einnehmen.22

sollen schwere Anämien und kostspielige Behandlungen verhindert werden. Auch in der Schweiz werden digitale Monitorings angewendet. Das Gesundheitsprogramm Care4Cardio des Krankenversicherers Sanitas unterstützt Menschen mit Herzschwäche in ihrem Alltag. Um Frühwarnzeichen schnell und zuverlässig zu erkennen, erfassen die Patienten täglich ihr Gewicht und ihre körperliche Befindlichkeit. Sind die elektronisch übermittelten Daten auffällig, werden die Patienten von einer Fachperson kontaktiert.

Eine auf Diabetespatienten ausgerichtete digitale Lösung bietet das Unternehmen Dexcom an. Ein am Bauch getragenes Messgerät erfasst rund um die Uhr den Glukosespiegel, ein Smartphone empfängt die Daten und warnt den Patienten vor einer drohenden Unterzuckerung. Der von der US-Gesundheitsbehörde zugelassene Service wird in zahlreichen Ländern vertrieben, auch in der Schweiz. Das Medtech-Unternehmen Vifor Fresenius Medical Care Renal Pharma setzt den Fokus auf Patienten, die an einer chronischen Nierenkrankheit leiden. Mitte 2017 lanciert das Unternehmen einen Algorithmus, um Patienten vor einer bevorstehenden Anämie (Blutarmut) zu warnen. Ziel ist ein integrierter Gesundheitsservice, der pharmazeutische Produkte, Dialyse und klinische Services mit vorhersagenden Algorithmen umfasst. Damit

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5 Ver채ndertes Kunden verhalten im Umgang mit Gesundheits daten Rund 60 Prozent der von EY befragten Versicherten zeigen eine hohe bis sehr hohe Bereitschaft, ihre Gesundheitsdaten mit dem Krankenversicherer zu teilen, falls dieser attraktive Anreize setzt. Heute zeichnet knapp die H채lfte der Krankenversicherten Gesundheitsdaten auf. Somit liesse sich die vorhandene Datenbasis der Krankenversicherer nochmals signifikant ausbauen. Dies ist ein entscheidender Wettbewerbsvorteil bei der Entwicklung innovativer Angebote.

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5.1 Datenaustausch: Bereitschaft und Bedenken der Versicherten Bereits heute stehen den Krankenversicherern umfangreiche Gesundheits- und Personendaten aus verschiedenen Quellen zur Verfügung (z.B. Alter, Geschlecht, Kundenzufriedenheit oder beanspruchte medizinische Leistungen). Die Kunden können via Wearables, Apps und andere Technologien umfangreiche Gesundheitsinformationen zu diesem Datenbestand beisteuern. Schliesslich lassen sich auch über Internet und Social Media indirekt gesundheitsrelevante Daten wie das Kaufverhalten erheben und aufbereiten.

Krankenversicherer müssen sich darüber klar werden, welche Daten sie strategisch nutzen wollen. Dabei liegt die Schlüsselkompetenz künftig weniger darin, Daten zu generieren, als vielmehr, diese zu aggregieren und gezielt zu analysieren. Hier können Krankenversicherer auf Dienstleistungen Dritter zurückgreifen. Eine entscheidende Rahmenbedingung stellt zudem der Datenschutz dar: Wiederum sind innovative juristische Ansätze gefragt, um im Dialog mit den Versicherten die Rechtmässigkeit von Big Data jederzeit sicherzustellen.

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5 Verändertes Kundenverhalten im Umgang mit Gesundheitsdaten

Datenaufzeichnung ist beliebt Die Kunden seien noch nicht bereit, ihre Gesundheitsdaten mit den Krankenversicherern zu teilen: Dieses Argument wird häufig gegen datenbasierte Innovationen im Gesundheitswesen vorgebracht. Doch die Realität ist eine andere, wie eine EY-Befragung* zeigt. Knapp die Hälfte der Befragten zeichnet bereits Gesundheitsdaten auf. Am häufigsten werden Schritt- und Fitnessdaten gemessen. Andere medizinisch relevante Informationen wie Blutdruckoder Cholesterinwerte werden hingegen noch kaum erhoben.

Derzeit persönlich aufgezeichnete Gesundheitsdaten (Mehrfachnennungen möglich)

32%

Schrittdaten

Warum zeichnen gewisse Personen keine Daten auf? 48 Prozent sehen keinen Nutzen darin, 32 Prozent fehlt die Zeit dazu und 23 Prozent haben datenschutzrechtliche Bedenken.

Motive der Datenaufzeichnung (Mehrfachnennungen möglich)

Übersicht über Sportleistung

12%

Pulsdaten 8%

Schlafrhythmus 4%

42%

Überwachen des Gesundheitszustandes

36%

Prävention von Krankheiten

1%

Vergleichen der Sportleistung mit anderen

Cholesterinspiegel

1%

Andere 6%

46%

Erreichung eines Fitnessziels oder Gewinn einer «Challenge»

Blutzucker

Andere Daten

50%

Neugier

26%

Fitnessdaten

Blutdruck

Fast 50 Prozent der Befragten zeichnet Daten auf, um eine Übersicht über sportliche Leistungen zu erhalten. 46 Prozent davon tun dies aus blosser Neugier und 42 Prozent, um ein Fitnessziel zu erreichen. 36 Prozent überwachen damit ihren Gesundheitszustand.

11% 10% 7%

Quelle: EY (n = 250).

Quelle: EY (n = 418).

Hauptargumente gegen Gesundheitsdaten-Aufzeichnung (Mehrfachnennungen möglich)

48%

Kein Nutzen ersichtlich 32%

Keine Zeit 26%

Andere Datenschutzbedenken * Von September bis Oktober 2016 wurden rund 450 Personen aus der Deutschschweiz online befragt. 61 Prozent der Teilnehmenden waren 20- bis 34-jährig, 39 Prozent waren 35-jährig und älter. 52 Prozent der Befragten waren männlich, 48 Prozent weiblich.

28

Messgeräte zu teuer Quelle: EY (n = 224).

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23% 9%


Welche Daten mit dem Krankenversicherer geteilt würden Die Bereitschaft der Versicherten, persönliche Gesundheitsdaten mit dem Krankenversicherer auszutauschen, ist zunächst von der Sensitivität der Information abhängig. So sind 43 Prozent der Befragten bereit, Schrittdaten mit ihrem Krankenversicherer zu teilen. Bei intimen Datenkategorien wie persönlichem Wohlbefinden oder Alkoholkonsum nimmt hingegen die Offenlegungsbereitschaft signifikant ab. Sie steigt jedoch unter Anreizsetzung über alle Datenkategorien deutlich an.

Datenkategorien, die mit dem Krankenversicherer geteilt würden (Mehrfachnennungen möglich)

Schrittdaten Rauchgewohnheiten

29%

11%

Körperfettanteil

28%

12%

Blutdruck

24%

9%

23%

8%

22%

8%

Blutzucker

22%

9%

Persönliche Krankheitsgeschichte

22%

11%

Alkoholkonsum

21%

10%

Essgewohnheiten

Mit Vorteil�im Gegenzug

32%

11%

Pulsdaten

Krankengeschichte von Verwandten

32%

13%

Health Score

Stresslevel

32%

12%

Gewicht

Schlafgewohnheiten

33%

12%

Body-Mass-Index

Persönliches Wohlbefinden

34%

17%

Fitnessdaten

Cholesterinspiegel

43%

16%

21%

8%

18%

5% 7% 6%

17% 14%

Ohne Vorteil�im Gegenzug

Quelle: EY (n = 409).

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5 Verändertes Kundenverhalten im Umgang mit Gesundheitsdaten

Prämienrabatte auf die Grund- und Zusatzversicherung stellen dabei für die Versicherten den grössten Anreiz dar, ihre Gesundheitsdaten zu teilen. Der regulatorische Spielraum für solche Rabattierungen ist in der Schweiz jedoch noch eng: Prämienrabatte sind in der Grundversicherung ausserhalb der alternativen Versicherungsmodelle wie HMO-, Hausarzt- oder Telmed-Modellen sowie den Wahlfranchisen nicht zulässig. In der Zusatzversicherung sind Rabatte grundsätzlich zulässig, wenn sie versicherungstechnisch begründbar sind. Allerdings schätzen die Befragten auch verschiedene nicht monetäre Vorteile, darunter persönliche Gesundheitsberatungen.

Wenn die Versicherten einen klaren Gegenwert erkennen, steigt ihre Bereitschaft, ihre Daten mit dem Krankenversicherer zu teilen. Monetäre Anreize haben die höchste Attraktivität gefolgt von individualisierten Angeboten. Wer trotz Anreizen auf die persönliche Datenerhebung verzichtet, macht primär die Wahrung der Privatsphäre beziehungsweise den Datenschutz sowie die Angst geltend, dass der Krankenversicherer die Daten zum Nachteil verwenden könnte.

Anreize für Versicherte, Gesundheitsdaten mit dem Krankenversicherer zu teilen (Mehrfachnennungen möglich)

Vorbehalte gegen die Aufzeichnung von Gesundheitsdaten (Mehrfachnennungen möglich)

Rabatt auf Grundversicherung

62%

Rabatt auf Zusatzversicherung

56%

Bonusprogramm Rabatt auf Messgerät

30%

Individuelle Gesundheitsberatung

Fernüberwachung des Gesundheitszustandes Allgemein gesundheitsbezogene Ratschläge und Tipps Gesundheits- und Sportveranstaltungen

Entgeltliche Vorteile

66%

Daten werden zum eigenen Nachteil verwendet

62%

Bedenken bezüglich des Datenschutzes

56%

Keine Zeit und Lust, Daten zu erfassen

20% 33%

Individuelle Krankheitsprävention

Die Versicherung soll nicht über diese Daten verfügen

27% 19%

34%

Untergrabung der Solidarität Andere

23% 8%

Quelle: EY (n = 346).

18% 15%

Servicevorteile

Quelle: EY (n = 401).

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Wie Sharecare Gesundheitsdaten generiert Das US-Unternehmen Sharecare bietet digitale Gesundheitsberatungen an. Die Angebote basieren auf dem «RealAge test», einem Online-Fragebogen, der den Gesundheitszustand einer Person analysiert und deren «wirkliches» biologisches Alter ermittelt. Der Katalog umfasst über 100 Fragen, unter anderem zu Bewegung, Rauchgewohnheiten, Medikamentenkonsum, Bluthochdruck und Schlafstörungen. Basierend darauf bietet das Unternehmen eine Reihe personalisierter Präventionsprogramme an. Das Beispiel von Sharecare belegt, dass Kunden bereit sind, persönliche Gesundheitsdaten zu teilen, wenn sie dafür eine klare Gegenleistung erhalten, hier in Form einer individuellen Beratung. Bis heute haben über 40 Mio. Personen den Fragebogen ausgefüllt und Sharecare so über 5 Mrd. Datenpunkte mitgeteilt.

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5 Verändertes Kundenverhalten im Umgang mit Gesundheitsdaten

5.2 Chancen des intelligenten Datenmanagements Die Krankenversicherer können nur dann Mehrwerte realisieren und die Leistungskosten senken, wenn sie die ihnen zur Verfügung gestellten Daten intelligent aufbereiten. Data-Mining und prädiktive Analysemethoden ermöglichen eine personalisierte Gesundheitsprävention und -beratung. Dabei geht es nicht um Einzellösungen und fragmentierte Produkte, vielmehr sind die Versicherten an integrierten Angeboten interessiert. Vorbehalte der Versicherten im Hinblick auf die rechtmässige Datennutzung (Datenschutz im engeren Sinne) und die Datensicherheit sind ernst zu nehmen. Krankenversicherer brauchen modernste Schutzmechanismen, um die sensitiven Gesundheitsdaten ihrer Versicherten sicher zu bearbeiten. Letztlich steht das Vertrauen der Kunden auf dem Spiel. Die Chancen nutzen Dank ihren bereits vorhandenen, umfangreichen Datenbeständen haben die Krankenversicherer im Wettbewerb um Gesundheitsinformationen einen entscheidenden Vorteil. Doch branchen-

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fremde Unternehmen holen auf. Die Gefahr besteht, dass die Versicherer ihre gute Ausgangslage verspielen und es verpassen, im Umgang mit Gesundheitsdaten eine aktive Rolle zu übernehmen. Noch warten viele Krankenversicherer darauf, dass Marktteilnehmer oder politische Behörden den ersten Schritt hin zu einem integralen Datenmanagement tun. Unternehmen, die Schrittzähler oder Fitnesstracker als blosse Marketinginstrumente einsetzen, ohne damit für die Kunden einen Mehrwert zu erzielen, kratzen lediglich an der Oberfläche der Digitalisierung. Eine passive Haltung ist gefährlich ‒ und unnötig: Die heute geltenden Datenschutzvorschriften gewähren den Krankenversicherern genügend Spielraum, um Daten strategisch zu nutzen. So können Unternehmen mit dem Einverständnis der Versicherten zur Nutzung ihrer Daten operieren. Letztlich wird aber der Gesetzgeber gefordert sein, datenbasierte Rabattierungen zu ermöglichen, um die Gesundheitskosten nachhaltig zu senken.

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5.3 Neue Akteure im Gesundheitsmarkt Die traditionellen Krankenversicherer sind im Umgang mit Gesundheitsdaten bisher nicht als Pioniere aufgetreten. Vielmehr übernehmen branchenfremde Unternehmen diese Rolle: Sie drängen auf den Gesundheitsmarkt und setzen ihre Grösse und ihr Know-how im Datenmanagement gezielt ein, um neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Dabei nutzen sie die Tatsache, dass dank Wearables, Sensoren und mobilen Technologien die Infrastruktur zur Erfassung von Gesundheitsdaten vorliegt. Fallstudien Der Technologiekonzern Apple hat diverse Produkte lanciert, um Gesundheitsdaten mit dem iPhone und der Apple Watch zu erfassen und zu analysieren. Hierfür steht eine Reihe von Apps zur Verfügung: «HealthKit» fügt die Daten verschiedener Quellen zusammen und wertet diese für den Nutzer aus; «CareKit» bietet Tools, um Krankheitssymptome oder Medikationen festzuhalten und mit dem Arzt zu teilen; «ResearchKit» stellt die Daten medizinischen Forschern zur Verfügung. Da «HealthKit» und «ResearchKit» auf den iPhones vorinstalliert sind, könnten in der Schweiz heute rund 2,4 Mio. Nutzer ihre Gesundheitsdaten aufzeichnen. Für die Entwicklung der HealthApps arbeitet Apple mit IBM zusammen und setzt Data-Mining und prädiktive Analysen ein. Alphabet, der Mutterkonzern von Google, hat die Präsenz im Gesundheitswesen in den letzten Jahren ebenfalls stark ausgebaut. Google ermöglicht den Benutzern, ihren Gesundheitszustand zu verfolgen und Fitnessaktivitäten aufzuzeichnen. Mit Novartis ist der Konzern eine Partnerschaft eingegangen, um intelligente Kontaktlinsen zu entwickeln, mit denen Diabetiker ihren Blutzuckerspiegel überwachen können. Calico, ein weiteres Tochterunternehmen von Alphabet, sucht nach neuen Ansätzen, um den Alterungsprozess zu stoppen und gar rückgängig zu machen. In der Schweiz können rund 2 Mio. Smartphone-Besitzer die Fitness-App von Google herunterladen. Einen direkten Zugang zu Gesundheitsinformationen hat sich Google in Grossbritannien verschafft: Das Tochterunternehmen DeepMind hat mit dem National Health Service eine Partnerschaft zur Auswertung der Daten von 1,6 Mio. Patienten vereinbart. Das Ziel besteht darin,

Patienten und Ärzte frühzeitig vor schweren Krankheiten zu warnen und das Gesundheitssystem zu entlasten. Branchenfremde Schweizer Konzerne drängen auf den Gesundheitsmarkt Auch Schweizer Grossunternehmen beginnen im Gesundheitswesen mitzumischen. 2010 übernahm Migros die Mehrheit an Medbase, die Gesundheitszentren in der Schweiz unterhält. 2015 kaufte die Detailhändlerin die Mehrheit an Santemed, den Gesundheitszentren von Swica. Dadurch entstand das grösste Schweizer Netzwerk in der ambulanten medizinischen Grundversorgung. Zugleich ist Migros hiesige Marktführerin im Fitnesscenter-Markt und kann ihre Kunden bei Bedarf an ihre Gesundheitszentren weiterleiten. Darüber hinaus entwickelt Migros zusammen mit dem Telekomkonzern Swisscom ein digitales Gesundheitsportal, um Kunden dabei zu unterstützen, einen gesunden und ausgewogenen Lebensstil zu führen. Mit «Swisscom Health Connect» bietet Swisscom zudem eine Plattform für den elektronischen Austausch von Gesundheitsdaten an. Damit soll die Zusammenarbeit zwischen Spitälern, Arztpraxen, Spitex, Heimen und Krankenversicherern verbessert werden. Patienten sollen von einer verbesserten Versorgung und mehr Transparenz profitieren. Ende 2015 hat «Swisscom Health» den Zuschlag erhalten, um für die Berner Insel-Gruppe eine E-Health-Plattform aufzubauen und zu betreiben. Auch die Post vernetzt mit ihrer modularen E-Health-Plattform «vivates» Gesundheitsanbieter und Patienten. Das Unternehmen ist bereits verschiedene Partnerschaften eingegangen, um vertrauliche Patientendaten sicher auszutauschen. Zu den Kunden der Post zählen die Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH), die Berufsgenossenschaft der Schweizer Apotheker (Ofac) sowie die Kantonsspitäler Aarau und Baden und die Kantone Genf, Waadt und Tessin. Eine dritte nationale Plattform wird von AD Swiss entwickelt; dahinter stehen Health Info Net und die Ärztekasse.

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6 Strategische Optionen: Evolution oder Revolution? Die Krankenversicherer müssen sich entscheiden, ob sie weiterhin in ihrem angestammten Markt tätig sein oder aber ihr Geschäftsmodell grundlegend neu ausrichten wollen. Im einen Fall können sie die Kostenführerschaft oder mit innovativen Services eine Differenzierung anstreben (Evolution). Im andern Fall schaffen sie unter Nutzung vorhandener Stärken neue Produkte und Dienstleistungen oder stossen in neue Geschäftsfelder vor (Revolution). Unabhängig von der gewählten Option: Die Krankenversicherer benötigen eine logische und konsistente Strategie und müssen diese zeitnah und konsequent umsetzen.

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Schweizer Krankenversicherer sind noch zu wenig innovativ. Viele «Neuerungen» dienten bisher vor allem dem Marketing.

Die strategische Lagebeurteilung zeigt klar: Das herkömmliche Geschäftsmodell der Krankenversicherer ist in Gefahr. Der Wettbewerb im Schweizer Krankenversicherungsmarkt wird aufgrund identischer Produkte in der Grundversicherung und sehr ähnlicher Produkte in der Zusatzversicherung primär über den Preis geführt. Trotz des steigenden regulatorischen Drucks sind dem anorganischen Wachstum durch das Unabhängigkeitsstreben der kleinen und mittleren Krankenversicherer und die eher schwach ausgeprägten Eigentümerstrukturen bis anhin Grenzen gesetzt. Jetzt ist die Zeit zu handeln Die Krankenversicherer müssen ihre Geschäftsmodelle strategisch neu ausrichten. Dabei ist allerdings Tempo angesagt: Der politische und regulatorische Druck steigt und noch kontrollieren die Krankenversicherer die Kundenschnittstelle. Dieses sich schliessende «Window of Opportunity» sollten die Krankenversicherer im Sinn eines «First-Mover»-Vorteils nutzen, wobei sie modernste Technologien gezielt einsetzen können.

Grad der Veränderung bestimmen

Revolutionär («thrive»)

Evolutiv («survive»)

Durchbrechen des aktuellen Geschäftsmodells, ausserhalb des Systems agieren und innovativ sein – «Gewinnen im Blue Ocean2»

Wie viel Veränderung darf’s denn sein? Die Schweizer Krankenversicherer müssen in Anlehnung an die Produkt-Markt-Matrix von Ansoff23 im Rahmen dieser systematischen Strategiefindung zunächst entscheiden, ob sie innerhalb ihres angestammten Markts wachsen (Evolution) oder ob sie neue Versicherungsprodukte und Dienstleistungen schaffen oder in neue Geschäftsfelder vorstossen wollen (Revolution). Die Wahl der konkreten Option hängt von verschiedenen Faktoren ab und bedarf einer pragmatischen, aber dennoch logischen und konsistenten strategischen Planung. Strategien müssen aufzeigen, wie und warum ein Krankenversicherer einen Wettbewerbsvorteil erzielen und halten kann. Welche strategische Stossrichtung muss heute eingeschlagen werden, um morgen erfolgreich zu sein? Das verlangt, dass Krankenversicherer einerseits überzeugend auf die externen Herausforderungen des Marktes reagieren. Andererseits muss eine Strategie aufzeigen, dass und wie sich das Unternehmen intern darauf ausrichtet. Hat es das richtige Personal? Sind Organisation, Anreizsysteme, Prozesse und IT-Systeme auf die Strategie abgestimmt? Wie gestaltet sich der Transformationsprozess? Reflektiert die Unternehmenskultur die strategische Zielsetzung? Sowohl bei den evolutionären als auch bei revolutionären Strategieansätzen geht es in Anlehnung an Porters24 generische Wettbewerbsstrategien sodann darum, entweder die Kostenführerschaft zu erlangen oder sich durch zusätzliche oder qualitativ bessere Produkte und Dienstleistungen von der Konkurrenz abzuheben. Differenzierungsstrategien können überdies auf bestimmte geografische Gebiete oder Kundensegmente beschränkt werden (Fokus- oder Nischenstrategie). Sie stehen damit auch kleineren und mittelgrossen Unternehmen mit beschränkten Ressourcen offen. Erfolgreiche Kostenführerschafts-, Differenzierungs- und Nischenstrategien reduzieren zudem die Bedrohung durch neue Anbieter, etwa durch Skalen- oder Lernkurveneffekte, hohe Kundenloyalität und Markentreue oder durch einen Vorsprung bei Technologie und Know-how.

«Best in Class» in spezifischen Bereichen innerhalb des existierenden Marktes werden – «Überleben im Red Ocean1»

Quelle: EY. 1 «Red Ocean» bezieht sich auf gesättigte, hochkompetitive Branchen/Märkte, in denen alle Marktteilnehmer versuchen, ihre Rivalen an Leistung zu übertreffen und einen grösseren Marktanteil der existierenden Nachfrage zu ergreifen. 2 «Blue Ocean» bezieht sich auf nicht-gesättigte Branchen/Märkte, in denen die Nachfrage das Angebot bei Weitem übersteigt.

Anhand von realen Fallbeispielen wird nachfolgend aufgezeigt, wie strategische Entwicklungsmöglichkeiten für Krankenversicherer konkret aussehen können und welche Faktoren für deren erfolgreiche Umsetzung entscheidend sind.

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6 Strategische Optionen: Evolution oder Revolution?

6.1 Evolutive Strategien («Surviving») Krankenversicherer können ihr Geschäftsmodell evolutiv entwickeln, indem sie innerhalb ihres angestammten Markts wachsen. Basierend auf ihren Kernkompetenzen müssen sie entweder die Kostenführerschaft anstreben, sich von der Konkurrenz

differenzieren oder Nischen besetzen. Was hier als Binsenweisheit erscheint, ist in der Praxis leider nur allzu selten der Fall: Die strategischen Profile vieler Krankenversicherer sind diffus und bedürfen einer Schärfung.

6.1.1 Der hocheffiziente Krankenversicherer

B2B-Vertriebsformen

Underwriting

Operative Abwicklung

Krankenversicherer fokussiert sich auf Risikoübernahme

Streben Krankenversicherer die Kostenführerschaft an, so müssen sie dies über Kombinationen von Skalen- und Lernkurveneffekten, technisch-operative Fortschritte oder über die Reduktion der Fixkosten erlangen. Zu mehr Effizienz beitragen können namentlich Prozessoptimierungen und Auslagerungen von Dienstleistungen auf spezialisierte Drittanbieter oder auf die Versicherten selbst, analog zum Online-Banking. Die Digitalisierung eröffnet dabei ganz neue Möglichkeiten, etwa indem Leistungsabrechnungen von Versicherten selber eingelesen und übermittelt werden. Skaleneffekte lassen sich durch die Übernahme und Abwicklung von Krankheitsrisiken für andere Krankenversicherer oder branchenfremde Unternehmen erzielen. So können vorhandene Produktionskapazitäten, etwa Underwriting, Eigenkapitalbasis und IT-Infrastruktur, besser ausgelastet werden. Dabei kann der Krankenversicherer entweder auf White-Label-Basis oder mittels praxisüblicher Vertriebsvereinbarungen unter eigenem Namen im B2B-Markt auftreten.

Konzentration auf B2B-Geschäftsmodell

B2B-Vertriebsstrategien sind insbesondere für kleine und mittlere Krankenversicherer interessant, die nicht über die nötige Grösse verfügen, um jenseits der Risikoübernahme weitere Grundbedürfnisse der Kunden zu bedienen.

Krankenversicherer

Private Assekuranz

Industrie

Schliesslich ist das Streben nach möglichst standardisierten Produktpaletten zentral, um Effizienzgewinne zu erzielen. Während

Quelle: EY.

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dies in der Grundversicherung von Gesetzes wegen der Fall ist, ringen viele Krankenzusatzversicherer mit einer Vielzahl historisch gewachsener und oftmals geschlossener Versicherungsbestände, deren Zusammenlegung oder Schliessung aufsichtsrechtlich erschwert ist. Diese heterogenen Produktportfolien erhöhen die Verwaltungskosten zum Teil massiv. Fallstudien Der Schweizer Krankenversicherer Sanitas vertreibt seine Versicherungen grösstenteils über Privatversicherer (Allianz Suisse, AXA Winterthur, Baloise, Generali, Helvetia, Mobiliar, Swiss Life und Zurich) und verzichtet auf ein eigenes Agenturnetz. Ein Beispiel für eine White-Label-Vertriebsvereinbarung zwischen einem Krankenversicherer und einem Nichtversicherer stellt die Kooperation der AXA PPP Healthcare mit dem britischen Medienunternehmen Telegraph Media Group dar. Die Versicherungsprodukte werden als «Telegraph Private Health Insurance» über die Absatzkanäle des Medienhauses vermarktet. Um Anschluss an ein Ökosystem zu finden, hat sich der globale Versicherungskonzern Allianz gezielt an das Ökosystem «Mobilität» angeschlossen. Seit 2009 tritt die Allianz verstärkt als White-Label-Zulieferin für Autohersteller und -händler auf, für die sie massgeschneiderte Autoversicherungen bereitstellt. Solche Distributionsvereinbarungen bestehen unter anderem mit BMW, Ford, VW, Opel, Renault und Fiat, unter deren Marken die Policen vermarktet werden. In der Schweiz werden die Autoversicherungen der Allianz zum Beispiel unter der Marke «BMW Motor Insurance» vertrieben. Die Versicherer eröffnen sich damit zwar neue Distributionskanäle, geben aber die Kundenschnittstelle teilweise preis. Die Kunden und Versicherten profitieren von vergünstigten Autoversicherungsangeboten und erhalten diese beim Kauf aus einer Hand.

6.1.2 Der differenzierte Krankenversicherer Möchten die Krankenversicherer höhere Preise am Markt durchsetzen, müssen sie dies durch einen Mehrwert für die Versicherten rechtfertigen. Ökonomisch geht es dabei stets um die Schaffung einzigartiger Anbietereigenschaften, die von den Versicherten als wichtig und wertvoll erachtet werden. Das heisst, dass die Krankenversicherer über unterschiedliche Kundennutzen ihrer Dienstleistungen in der Grund- und der Zusatzversicherung und über ihre Produkte in der Zusatzversicherung konkurrieren. Bei den Produkteigenschaften geht es primär um den Deckungsbzw. Leistungsumfang sowie um Variantenvielfalt und Wahlmöglichkeiten. In der Grundversicherung beschränkt sich die Differenzierung wegen des gesetzlich definierten Leistungskatalogs auf die Servicequalität. Beispiele für produktbegleitende Services sind erhöhte Kundennähe durch Agenturnetze, qualitativ hochstehende Kundenberatungen und Distributionsnetze oder schnelle Leistungserstattungen. So begleichen einige Krankenversicherer eingereichte Rechnungen im Durchschnitt innert drei Tagen, während andere hierfür bis zu acht Mal länger benötigen. Die Zusatzversicherung bietet über solche Servicedifferenzierungen hinaus auch Raum für Produktinnovationen. In den eng regulierten Gebieten der Grund- und der Zusatzversicherung sind fundierte aufsichtsrechtliche Kenntnisse und ein frühzeitiger Dialog mit den Aufsichtsbehörden für eine erfolgreiche Umsetzung von Differenzierungsstrategien unabdingbar.

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6 Strategische Optionen: Evolution oder Revolution?

6.2 Revolutionäre Strategien («Thriving») Krankenversicherer können ihr Geschäftsmodell revolutionieren, indem sie ausgehend von bestehenden Stärken in neue Geschäftsfelder vorstossen oder neue Produkte und Dienstleistungen entwickeln. Wirtschaftlich geht es bei dieser Neuausrichtung darum, mittel- und langfristig neue oder zusätzliche Wachstums- und Wertschöpfungsmöglichkeiten zu erschliessen.

Entwicklungsdimensionen Krankenversicherer können sich strategisch entlang von drei Produkt- und Servicedimensionen weiterentwickeln und positionieren: • Risikotransfer:  Konzentration auf die entgeltliche Übernahme der wirtschaftlichen Folgen von Krankheiten (Heilungskosten und Erwerbsausfall) als Kernkompetenz • Gesundheitsdaten-Management:  Aufbereitung, Aggregation, Analyse und Angebot von gesundheitsbezogenen Personendaten • Gesundheitsdienstleistungen:  Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen

Strategische Entwicklungsdimensionen

IV

Gesundheitsdaten

II

A

I en sik i R

Gesundheitsleistungen

III

A

Ausgangslage

I

Allbranchen-Krankenversicherer

II

Gesundheitsdaten-Manager

III

Spezialisierter Krankheitspartner

IV

Integrierter Gesundheitspartner

Quelle: EY.

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Entlang dieser strategischen Dimensionen lassen sich die Grundbedürfnisse der Kunden nuanciert ansprechen (siehe Kapitel 4). Dabei können die Versicherer intelligente Kooperationen mit bestehenden oder neuen, sogenannt disruptiven Marktteilnehmern eingehen («buy») oder diese integrieren («make»). Krankenversicherer können zum Beispiel Gesundheitsdienstleistungen anbieten, indem sie sich mit Leistungserbringern oder Technologiefirmen vernetzen oder diese vertikal integrieren. Dies erhöht die Vielfalt der konkreten Strategievarianten im Einzelfall signifikant. Erfolgreiche Strategien hängen dabei nicht primär von der Unternehmensgrösse und dem verfügbaren Kapital ab. Was zählt, sind Innovationskraft, Entscheidungsfreude und Klarheit über die grundsätzliche unternehmerische Ausrichtung. Konkret lassen sich vier revolutionäre strategische Optionen unterscheiden: 1) Vom Kranken- zum Allbranchenversicherer: Ergänzung des Krankenversicherungsangebots um neue Sparten wie Schaden- oder Lebensversicherung 2) Der Gesundheitsdaten-Manager: Aggregation, Analyse, Aufbereitung und Angebot von Gesundheitsdaten 3) Der spezialisierte Krankheitspartner: integrale und datengestützte Betreuung bei bestimmten Krankheiten 4) Der integrierte Gesundheitspartner: integrale und datengestützte Gesundheits- und Krankheitsbetreuung über den gesamten Lebenszyklus der Versicherten

6.2.1 Der Allbranchen-Krankenversicherer Als Allbranchenversicherer ergänzen die Krankenversicherer ihre herkömmliche Produktepalette um Sparten wie Schaden- oder Lebensversicherung. So können die Krankenversicherten je nach Lebenssituation weitere Versicherungslösungen aus einer Hand beziehen. Die Krankenversicherer können ergänzende Versicherungen entweder selber über separate Rechtsträger oder über Kooperationen mit Drittversicherern anbieten. In der Praxis werden solche Vertriebsvereinbarungen zwischen Kranken- und Privatversicherern häufig auf Gegenseitigkeit ausgestattet («cross-sellings»). Die Diversifizierung mit «artfremden» Versicherungen wird ökonomisch mit Verbundeffekten (sog. «economies of scope») begründet und ist in der Praxis recht verbreitet. Insofern scheint dieser Ansatz auf den ersten Blick wenig revolutionär. Allerdings werden die Verbundeffekte durch Diversifizierung häufig überschätzt: Um diese tatsächlich zu realisieren, ist es entscheidend, dass vorhandene Produktionsfaktoren und -fähigkeiten mit den zusätzlichen Versicherungsprodukten auch wirklich besser ausgelastet werden können. Dies verlangt eine sorgfältige operative Planung und Umsetzung.

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6 Strategische Optionen: Evolution oder Revolution?

6.2.2 Der Gesundheitsdaten-Manager Als Manager von Gesundheitsdaten veredeln Krankenversicherer ihre meist umfassenden Datenbestände ihrer Versicherten gegen Entgelt. Sie können die Daten entweder selber, in Kooperation mit oder durch Integration von spezialisierten Datenanalyse-Unternehmen aggregieren, analysieren und aufbereiten. Im Rahmen der datenschutzrechtlichen Schranken nutzen sie die aufbereiteten Daten und gewonnenen Erkenntnisse für das eigene Versicherungsgeschäft oder stellen sie Dritten wie Leistungserbringern, Pharmaherstellern oder Forschungseinrichtungen entgeltlich zur

Krankenversicherer als Manager von Gesundheitsdaten

Social Media

Für einmal erleichtert der regulatorische Rahmen den Krankenversicherern, sich strategisch zu entwickeln: Mit dem neuen Bundesgesetz über das elektronische Patientendossier (EPDG) können Gesundheitsdaten zeit- und ortsunabhängig abgerufen werden. Voraussetzung ist, dass die Patienten der Erstellung eines elektronischen Dossiers zustimmen. Eine Pflicht zur Teilnahme besteht seitens der Leistungserbringer allerdings nur für Spitäler und Heime, wobei sie für die Einführung drei Jahre Zeit haben. Ambulante Leistungserbringer können freiwillig daran teilnehmen. Für den sicheren Austausch der Daten sorgen auch private E-Health-Plattformen (siehe Kapitel 5.3). Obschon mittlere und grosse Krankenversicherer die Voraussetzungen erfüllen, sich als Manager von Gesundheitsdaten zu positionieren, wird dieser strategische Ansatz noch von keinem Unternehmen verfolgt. Allerdings haben sich in der Schweiz bereits einige spezialisierte Datenanalyse-Unternehmen etabliert, die als Kooperationspartner in Frage kommen (siehe Kapitel 5.3).

Krankenversicherer mit Fokus auf Daten

CRM

Verfügung. Dadurch kann die Bearbeitung von Gesundheitsdaten zu einem neuen Geschäftsfeld werden.

Externe Daten

Fallstudie Gesundheitsdaten aus verschiedenen Quellen macht Human API, eine Plattform aus Kalifornien, in Echtzeit verfügbar. Das Unternehmen aggregiert Daten von Spitälern, Laboren, Apotheken und bezieht digitale Patientendossiers, mobile Geräte, Wearables und Sensoren ein. Leistungserbringer, Unternehmen in der Telemedizin, Fitnessunternehmen und Entwickler von Health-Apps nutzen die Daten.

Aggregation, Analyse und Aufbereitung von Gesundheitsdaten

Effizienzsteigerung des eigenen Versicherungsgeschäfts

Zusätzliche Einnahmequelle

Quelle: EY.

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6.2.3 Der spezialisierte Krankheitspartner Entwickeln Krankenversicherer alle drei genannten strategischen Dimensionen (Risikotransfer, Gesundheitsdaten-Management und Erbringung von spezialisierten Gesundheitsdienstleistungen), können sie sich langfristig als lebenslange Gesundheitspartner für ihre Versicherten positionieren (siehe sogleich Kapitel 6.2.4). Ein erster Schritt auf diesem Weg ist die Positionierung als spezialisierter Krankheitspartner, d.h. mit Ausrichtung auf bestimmte Krankheiten mit umfassender Betreuung der Versicherten innerhalb von datengestützten Netzwerken.

Strategische Ausrichtung auf ausgewählte Krankheiten (am Beispiel Diabetes)

Spitäler

Hausärzte

Fallstudie Der Krankenversicherer Helsana bietet seinen Kunden eine Behandlung in der deutschen Martini-Klinik an, wobei der Anteil der Kosten, die übernommen werden, von der gewählten Spitalversicherung abhängt. Die Privatklinik ist auf die Behandlung des Prostatakarzinoms spezialisiert. Mit rund 2200 Prostatakrebsoperationen pro Jahr ist die Martini-Klinik das weltweit grösste Prostatakarzinomzentrum. Medizinische Ergebnisse und Patientenbefragungen werden systematisch erhoben und in elektronischen Patientendossiers abgelegt. Qualitätskontrolle wird grossgeschrieben: Alle drei Monate werden die Operationsergebnisse der Ärzte analysiert; erfolgreichere Ärzte bilden im Anschluss schwächere Kollegen gezielt weiter. Die Behandlungsergebnisse ehemaliger Patienten werden über Jahre erfragt und dokumentiert. Diese Informationen, über 20 000 Datensätze, werden zur Erforschung von Prostatatumoren genutzt.

Fachärzte

Krankenversicherung mit Fokus auf Diabetes

Aggregation und Analyse der patientenbezogenen Behandlungsdaten und Entwicklung krankheitsbezogener Behandlungen

Leistungserbringung

Produkte

Vergleich von Behandlungsergebnissen

TherapiePfade

Ergebnisorientierte Vergütung

Digitale Therapie

Effizienzsteigerung

Peer-to-PeerBeratung

Quelle: EY.

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6 Strategische Optionen: Evolution oder Revolution?

6.2.4 Der integrierte Gesundheitspartner Gesunde und erkrankte Versicherte werden innerhalb von datengestützten Netzwerken mit Leistungserbringern umfassend präventiv und kurativ betreut. Aufgrund der geltenden regulatorischen Situation lässt sich dieser Vollservice nur für die Zusatzversicherung umsetzen. Positive Auswirkungen auf die Grundversicherung sind aber wahrscheinlich, da in der Praxis häufig beide Krankenversicherungen zusammen abgeschlossen werden. Als integrierte Gesundheitspartner können Unternehmen ein lebenslanges Vertrauen zu ihren Kunden aufbauen. Diese

Wie bleibe ich gesund?

Dieser integrierte Ansatz ist in der Umsetzung weitaus am anspruchsvollsten. Der finanzielle, zeitliche und personelle Aufwand sowie die damit verbundenen Risiken lassen sich wohl nur mit vertraglichen Kooperationen oder Zusammenschlüssen zwischen Krankenversicherern und Leistungserbringern bewältigen.

dheitspart un ne es

Wie werde ich gesund?

Am Anfang des Lebenszyklus geht es darum, mögliche angeborene Einschränkungen und Vorbelastungen, die eine besondere Behandlung erfordern, zu identifizieren. Damit die Kunden gesund bleiben, wird ein individueller Leitfaden mit konkreten Ratschlägen aufgestellt, der auch Ernährungs- und psychologische Beratungen umfasst. Bei Erkrankungen werden die Therapien digital unterstützt, indem die Leistungserbringer auf die Krankheitsgeschichte und in Echtzeit auf die Gesundheitsdaten des Versicherten zugreifen können. Die Krankenversicherer können umgekehrt Behandlungsverläufe, -erfolge und -kosten messen, vergleichen und vergüten. Von den damit verbundenen Qualitätssteigerungen und Kosteneinsparungen profitieren alle. Lässt sich eine chronische Krankheit trotz Prävention und Früherkennung nicht verhindern, soll die Lebensqualität des Patienten möglichst aufrechterhalten werden.

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G

Integrierter Gesundheitspartner

profitieren davon, dass Beratungen und Behandlungen konsequent auf ihre persönlichen Bedürfnisse ausgerichtet werden. Zudem bietet ihnen ein Gesundheitspartner die Gewähr, dass dank der Überwachung und Auswertung der persönlichen Daten stets die beste Behandlung vorgeschlagen wird. Gleichzeitig gelingt es den Unternehmen, die Einkommensbasis zu verbreitern.

Wie schütze ich mich vor chronischen Krankheiten?

Wie werde ich nicht noch kränker?

Quelle: EY.

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Als integrierte Gesundheitspartner können sich Krankenversicherer zum lebenslangen Partner für gesunde und kranke Versicherte entwickeln.

Fallstudien Ein Beispiel für die vertikale Integration von Leistungserbringern durch einen Krankenversicherer ist Kaisers Permanente (KP). Der grösste private US-Krankenversicherer ist zugleich eine Spitalkette. Über viele Jahre hat KP diverse Leistungserbringer integriert und betreibt heute eine Vielzahl von Kliniken, Krankenhäusern, Labors und Apotheken. Die Gruppe zählt 8,7 Mio. Mitglieder und beschäftigt über 150 000 Personen, darunter 40 000 Pflegende und 14 000 Ärzte. Wer eine Krankenversicherung abschliesst, kann ausschliesslich medizinische Leistungen der KP-Gruppe beziehen. Dank der integrierten Gesundheitsversorgung erzielt Kaisers Permanente Effizienzgewinne, die sie in Form attraktiver Versicherungsprämien an die Kunden weitergibt. Weitere Vorteile der Integration werden im Umgang mit Daten deutlich: Die medizinische Datenbank KP Health Connect enthält sämtliche medizinischen Daten der Versicherten. Damit können Prävention, Behandlungspfade und -ergebnisse optimiert werden. Der US-Krankenversicherer Humana will für seine Kunden ebenfalls ein lebenslanger Partner in Gesundheitsfragen sein. Humana entwickelt individuelle Pläne, damit Kunden fit bleiben und ihre Gesundheitsziele erreichen. Das Angebot umfasst Beratungen zu Wellness-Themen sowie Programme von Partnerorganisationen wie Weight Watchers.

Krankenversicherer Sanitas bietet für Zusatzversicherte eine Reihe von Gesundheitsprogrammen an, zum Teil innerhalb eines Versicherungsprodukts, zeitlich begrenzt oder frei verfügbar. Dazu zählen Gesundheitscoachings für Personen mit erhöhtem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, mit Rückenschmerzen und zur Sturzprävention. Zusammen mit einem persönlichen Berater werden geeignete Massnahmen erarbeitet; regelmässige telefonische Coachings begleiten das Programm. Um die psychische Gesundheit zu erhalten, arbeitet Sanitas mit Gaia zusammen, die sich auf Online- und mobile Gesundheitsangebote spezialisiert. Zum Coachingprogramm gehören webbasierte Dienstleistungen bei Depression, Stress, Angst- oder Schlafstörungen. Wie weit integrierte Angebote heute gehen können, zeigt die SBB: Zusammen mit BMW, Mobility und PubliBike hat die Bahn das Mobilitätsökosystem «SBB Green Class» lanciert. Dieses soll das Kundenbedürfnis Mobilität in Kooperation mit verschiedenen Marktteilnehmern ganzheitlich abdecken. Für eine Jahresgebühr von 12 200 CHF können Testkunden folgende Angebote unbeschränkt nutzen: Zugfahrten in der 1. Klasse, ein Elektroauto BMWi3, Mobility Car Sharing, Park-and-Ride-Parkplätze in Bahnhofsnähe sowie den Veloverleih PubliBike. Das Angebot stösst auf grosses Interesse: Für die 100 Testplätze bewarben sich 2000 Personen.25

Auch in der Schweiz versuchen einige Krankenversicherer, als Gesundheitspartner Fuss zu fassen. Allerdings decken sie bisher nur Fragmente der Grundbedürfnisse der Kunden ab. Der

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7 Fazit

Der Zeitpunkt für Schweizer Krankenversicherer, Innovationen zu lancieren und neue Wertschöpfungsmöglichkeiten zu erschliessen, ist günstig: Noch kontrollieren sie die Kundenschnittstelle und verfügen sie über umfangreiche Gesundheitsdaten. Diese Wettbewerbsvorteile müssen sie aktiv und entschlossen nutzen, um sich gegen neue, disruptive Marktteilnehmer zu behaupten oder intelligent mit diesen zu kooperieren. Die grösste Gefahr droht den Krankenversicherern aber durch die praktisch unkontrollierte Kostenexplosion im Gesundheitswesen. Der Ruf nach politischen und regulatorischen Interventionen bedroht ihren unternehmerischen Spielraum. Zögernde Unternehmen riskieren nicht nur ihre Marktposition, sondern letztlich auch ihre Existenzgrundlage.

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Fürchte dich nicht vor Veränderung, sondern vor dem Stillstand. Lao-Tse, chinesischer Philosoph

Diese Studie zeigt: Das traditionelle Geschäftsmodell der Krankenversicherer steht unter Druck. Die Wertschöpfungspotenziale fehlen (Grundversicherung) oder sind stark beschränkt (Zusatzversicherung). Zwar ist die Krankenversicherung durch das Grundversicherungsobligatorium und die versicherungsvertraglichen Gegebenheiten im Zusatzversicherungsgeschäft rechtlich «geschützt», doch findet innerhalb dieses Rahmens ein heftiger Verdrängungswettbewerb statt. Die praktisch unkontrollierte Kostenexplosion im gesamten Gesundheitswesen stellt allerdings die grösste Gefahr für Schweizer Krankenversicherer dar. Der Ruf nach politischen und regulatorischen Interventionen wird lauter und droht, den ohnehin beschränkten unternehmerischen Spielraum der Krankenversicherer weiter zu beschneiden. Den Krankenversicherern muss es deshalb einerseits gelingen, den Mehrwert für ihre Versicherten zu steigern – und abzuschöpfen. Andererseits müssen sie langfristig die Effizienz im Gesundheitswesen beeinflussen. Dazu bieten sich verschiedene strategische Optionen an, welche die Krankenversicherer auf der Basis einer pragmatischen, aber sorgfältigen strategischen Lagebeurteilung entwickeln müssen. Sie müssen sich entscheiden, ob sie innerhalb ihres angestammten Markts wachsen (Evolution) oder neue Versicherungsprodukte und Dienstleistungen schaffen beziehungsweise in neue Geschäftsfelder vorstossen wollen (Revolution). Wichtig ist dabei der Blick auf unternehmensspezifische Stärken und die rasante technologische Entwicklung, die branchenfremden Anbietern den Einstieg in den Gesundheitsmarkt ermöglicht. Diesen gegenüber haben die Krankenversicherer Wettbewerbsvorteile: Sie kontrollieren die Kundenschnittstelle und verfügen über wertvolle Gesundheitsdaten. Diesen Vorsprung können sie im

Wettbewerb oder in vielfältigen Kooperationen mit den «Disruptoren» einbringen. Nutzen die Krankenversicherer diese Chancen? Haben sie den Ehrgeiz, eine aktive Rolle im Schweizer Gesundheitsmarkt zu spielen? Sind sie bereit, sich als innovative Partner innerhalb des Gesundheitswesens zu behaupten? Wenn die Krankenversicherer zögern, ihre strategische Position zu schärfen, riskieren sie mittelfristig ihre Marktposition und langfristig ihre Existenzgrundlage. Bisher zeigten sich die Krankenversicherer zurückhaltend. Neue Produkte und Digitalisierungsbestrebungen hatten primär Marketingcharakter. Hingegen war die Bereitschaft, das Geschäftsmodell und die Angebotspalette fundamental zu überdenken, selten spürbar. Dabei machen andere Branchen vor, wie sich mit neuartigen Geschäftsmodellen Einnahmepotenziale erschliessen lassen. So hat sich zum Beispiel Schindler vom Liftproduzenten zu einem veritablen Dienstleistungsunternehmen entwickelt und setzt gezielt auf die Digitalisierung: Sensoren liefern in Echtzeit Informationen über den Zustand der Anlagen, Wartungsequipen werden rechtzeitig losgeschickt, bevor es zu Störungen kommt. Auch Krankenversicherer können ähnliche Wege einschlagen. Das verlangt jedoch ein Umdenken: Es geht nicht länger darum, die Anzahl der Versicherten und das Prämienvolumen zu steigern. Die Entscheidungsträger müssen stattdessen Klarheit über Auftrag und Absicht ihres Unternehmens schaffen. Gefragt sind unternehmerischer Mut und disziplinierte Strategiefindungsprozesse. Das erfordert primär Zeit und Denkarbeit. Beschränkte Ressourcen können hingegen durch intelligente Kooperationen kompensiert werden. So werden aus Kassen für Kranke moderne Partner für Gesundheit. Davon profitieren alle.

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8 Kontakte Autoren Yamin Gröninger Leiterin Insurance Business Development

Dr. Alexander Lacher Co-Leiter Krankenversicherung

+41 58 289 39 01 yamin.groeninger@ch.ey.com

+41 58 289 43 12 alexander.lacher@ch.ey.com

Co-Autoren Misel Marusic Business Analyst

Julius Scheidt Business Analyst

Edvin Rimpo Business Analyst

+41 58 289 43 97 misel.marusic@ch.ey.com

+41 58 289 43 95 julius.scheidt@ch.ey.com

+41 58 289 44 30 edvin.rimpo@ch.ey.com

Rolf Bächler Partner

Sabine Betz Partner

Florian Liebe Executive Director

+41 58 289 44 95 rolf.baechler@ch.ey.com

+41 58 289 36 37 sabine.betz@ch.ey.com

+41 58 289 46 83 florian.liebe@ch.ey.com

Fachexperten

Bernhard Schneider Senior Manager +41 58 289 42 20 bernhard.schneider@ch.ey.com

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9 Quellen 1

Bundesamt für Statistik: Kosten des Gesundheitswesens seit 1960 (Neuenburg 2016).

2

Bundesamt für Statistik: Kosten und Finanzierung des Gesundheitswesens 2014 (Neuenburg 2016).

3

Bundesamt für Gesundheit: Gesundheit2020: Die gesundheitspolitischen Prioritäten des Bundesrates (Bern 2013).

4

Bundesamt für Statistik: Schweizerische Gesundheitsbefragung 2012 (Neuenburg 2014).

5

Bundesamt für Statistik: Schweizerische Gesundheitsbefragung 2012 (Neuenburg 2014).

6

W.I.R.E. (Hrsg.): Hacking Healthcare (Zürich 2015).

7

Wieser et al.: Die Kosten der nichtübertragbaren Krankheiten in der Schweiz (Winterthur 2014).

8

Bundesamt für Statistik: Statistik des jährlichen Bevölkerungsstandes (ESPOP) (Neuenburg 2010).

9

Bundesamt für Statistik: Statistik der Bevölkerung und der Haushalte (STATPOP) (Neuenburg 2010).

10 Bundesamt für Statistik: Finanzierung der Gesundheitsausgaben nach Finanzierungsquellen (Neuenburg 2016). 11 Bundesamt für Gesundheit: Statistik der obligatorischen Krankenversicherung 2015 (Bern 2016). 12 Bundesamt für Statistik: Schweizerischer Lohnindex, Landesindex der Konsumentenpreise 2015 (Neuenburg 2016). 13 Bundesamt für Statistik: Obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKPV): Kennzahlen zur Prämienverbilligung (Neuenburg 2015). 14 Bundesamt für Gesundheit: Monitoring 2014: Wirksamkeit der Prämienverbilligung (Bern 2015). 15 Bundesamt für Statistik: Detaillierte Haushaltsausgaben 2012–2014 (Neuenburg 2016). 16 Bundesamt für Gesundheit: Faktenblatt 2016: Kennzahlen (Bern 2016). 17 Eidg. Finanzmarktaufsicht FINMA: Jahresbericht 2015 (Bern 2016). 18 Martin Eling: Gesundheit 2020+: Aktuelle strategische Herausforderungen und Handlungsfelder in der sozialen Krankenversicherung, I∙VWH ‐ SG Schriftenreihe, Band 60 (St. Gallen 2016). 19 Bundesamt für Gesundheit: Statistik der obligatorischen Krankenversicherung 2015 (Bern 2016). 20 Bundesamt für Gesundheit: Statistik der obligatorischen Krankenversicherung 2015 (Bern 2016). 21 Eidg. Finanzmarktaufsicht FINMA: Versicherer Report 2015 (Bern 2016). 22 Aurel O. Iuga/Maura J. McGuire: Adherence and health care costs, Risk management and health care policy 7/2014 (Auckland 2014). 23 Harry Igor Ansoff: Corporate Strategy (New York 1965). 24 Michael E. Porter: Competitive Strategy: Techniques for analyzing industries and competitors (New York 1980). 25 NZZ, 8. Januar 2017: Enormer Ansturm auf Kombi-Angebot für Schiene und Strasse.

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EY | Assurance | Tax | Transactions | Advisory Die globale EY-Organisation im Überblick Die globale EY-Organisation ist eine Marktführerin in der Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Transaktionsberatung und Managementberatung. Wir fördern mit unserer Erfahrung, unserem Wissen und unseren Dienstleistungen weltweit die Zuversicht und die Vertrauensbildung in die Finanzmärkte und die Volkswirtschaften. Für diese Herausforderung sind wir dank gut ausgebildeter Mitarbeitender, starker Teams sowie ausgezeichneter Services und Kundenbeziehungen bestens gerüstet. «Building a better working world»: Unser globales Versprechen ist es, gewinnbringend den Fortschritt voranzutreiben – für unsere Mitarbeitenden, unsere Kunden und die Gesellschaft. Die globale EY-Organisation besteht aus den Mitgliedsunternehmen von Ernst & Young Global Limited (EYG). Jedes EYG-Mitgliedsunternehmen ist rechtlich selbstständig und unabhängig und haftet nicht für das Handeln und Unterlassen der jeweils anderen Mitgliedsunternehmen. Ernst & Young Global Limited ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach englischem Recht und erbringt keine Leistungen für Kunden. Weitere Informationen finden Sie auf unserer Website: www.ey.com. Die EY-Organisation ist in der Schweiz durch die Ernst & Young AG, Basel, an zehn Standorten sowie in Liechtenstein durch die Ernst & Young AG, Vaduz, vertreten. «EY» und «wir» beziehen sich in dieser Publikation auf die Ernst & Young AG, Basel, ein Mitgliedsunternehmen von Ernst & Young Global Limited. © 2017 Ernst & Young AG All Rights Reserved. ED None Diese Publikation ist lediglich als allgemeine, unverbindliche Information gedacht. Obwohl sie mit grösstmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, kann sie nicht als Ersatz für eine detaillierte Recherche oder eine fachkundige Beratung oder Auskunft dienen. Es besteht kein Anspruch auf sachliche Richtigkeit, Vollständigkeit und/oder Aktualität. Es liegt am Leser zu bestimmen, ob und inwiefern die zur Verfügung gestellte Information im konkreten Fall relevant ist. Jegliche Haftung seitens der Ernst & Young AG und/oder anderer Mitgliedsunternehmen der globalen EY-Organisation wird ausgeschlossen. Bei jedem spezifischen Anliegen empfehlen wir den Beizug eines geeigneten Beraters.

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