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«Das Krankenkassensystem wird bald pleitegehen» Von Mark Baer, 02. November 2015
Das Gesunheitswesen könnte sich digital effizienter und günstiger managen lassen. Doch die Weisskittel-Branche wehrt sich gegen die Digitalisierung. Der einstige Fantastic-CEO Peter Ohnemus will mit dacadoo nun neue Standards schaffen. Sein Credo: Wer gesünder lebt, soll weniger zahlen. Heute haben wir unsere Mails dank Smartphones und -watches jederzeit im Griff. Moderne Zeitgenossen können mit ihrem Handy oder dem Tablet von überall auf der Welt auch ihre Waschmaschine oder die Rollläden zu Hause steuern. Und wenn es nach Peter Ohnemus geht, werden wir alle bald auch unsere Gesundheit stets und in Echtzeit voll im Griff haben. Möglich machen soll dies die Schweizer Gesundheitsplattform dacadoo, und zwar mithilfe ihres sogenannten Gesundheitsindex. Dieser soll eine Echtzeitübersicht über den momentanen Gesundheitszustand einer Person geben. Der Gesundheitsindex von dacadoo ist eine wissenschaftlich berechnete Zahl zwischen 1 (tief) und 1000 (hoch) und basiert darauf, in welcher Verfassung sich der Körper des angemeldeten Mitglieds befindet, wie sich die Person gerade fühlt und was sie für einen Lebensstil pflegt. Mit der Zeit erhält man so laut dem Start-up einen guten Indikator seiner momentanen Gesundheit.
Der Chef selber spricht im Zusammenhang mit seinem Unternehmen von einem Lifestyle- und Navigationsportal. «Die dacadoo-Plattform ist mit ihrem Gesundheitsindex weltweit einzigartig», so Peter Ohnemus gegenüber Leodan. Der Gesundheitsindex sei überall auf der Welt patentiert und basiere auf weit über 100 Millionen Menschenjahren an klinischen Daten. «Der dacadoo-Gesundheitsindex ermöglicht Ihnen, Ihre Gesundheit auf Ihrem mobilen Telefon zu verfolgen und sich mit Familie, Freunden oder Arbeitskollegen auf eine motivierende Art und Weise zu messen», erklärt Ohnemus. «Wir sind nicht abgestürzt» Der Name Ohnemus dürfte den meisten noch im Zusammenhang mit der Softwarefirma Fantastic ein Begriff sein. Der heute 50-jährige Peter Ohnemus war um die Jahrtausendwende wegen seines Techunternehmens in aller Munde. Fantastic erreichte 1999 an der Börse einen Wert von 10 Milliarden Franken. Dann kam der grosse Knall, die Technologieblase zerbarst und mit ihr auch die Softwareschmiede Fantastic. Ob er denn keine Angst habe, dass er auch mit dacadoo wieder Schiffbruch erleiden werde, will ich von Ohnemus wissen: «Wir sind mit Fantastic nicht 1
abgestürzt, sondern die weltweite Telekommunikationsindustrie hat nach der 3G-Lizenzversteigerung grosse Cashflow-Probleme gehabt», so die Erklärung des früheren Fantastic-Kapitäns.
Schweiz als hartes E-Health-Pflaster
Einfach umzusetzen sind die Pläne von Peter Ohnemus aber nicht. Das Sammeln und Auswerten von Gesundheitsdaten ist gerade hierzulande ein sehr Peter Ohnemus wurde in Basel geboren und verfügt schwieriges Thema. Herr und Frau Schweizer tun sich durch seine Mutter auch noch über den dänischen allgemein schwer mit der Digitalisierung und dem Pass. Der Entrepreneur hat an der IMD in Lausanne Preisgeben von irgendwelchen persönlichen Daten. und auch in Kopenhagen studiert. Heute wohnt So werden bei uns auch Kreditkarten immer noch Ohnemus in Herrliberg. 2010 gründete er dacadoo. sehr zurückhaltend eingesetzt (Leodan berichtet Seine neuste IT-Firma ist eine Schweizer AG mit der darüber). Dass die Schweizerinnen und Schweizer in hundertprozentigen Tochter dacadoo americas, Inc. diesem Bereich vorsichtig sind, liege in unserer Natur. im kalifornischen Palo Alto. Das Unternehmen beOhnemus weist diesbezüglich auf das Bankgeheimschäftigt im Moment 27 Mitarbeiter. «Bis Ende 2016 nis und die Intransparenz bei den Löhnen hin. «Ich werden wir einen Personalbestand von zirka 35 Mitfinde das ok, weshalb wir bei dacadoo sehr grossen arbeitenden zählen», prognostiziert Ohnemus. Mehr Wert auf die Privatsphäre gelegt haben.» Zahlen gibt es nicht. Ob dacadoo schon Gewinn ausweist, will der Start-up-Gründer nicht verraten: Schub dürfte dacadoo bekommen, sobald es Oh«Das ist vertraulich. Wir sind in Privatbesitz.» nemus gelingt, auch Schweizer Krankenkassen als Kunden zu gewinnen. «Die Krankenkassen sind hierSo verdient dacadoo Geld zulande leider sehr konservativ unterwegs. Aber wir sind sicher, dass sie innerhalb der nächsten 12 bis 24 Ohnemus’ Unternehmen ist eine B2B-Firma, welche Monate auch digital werden», so die Prognose des den Gesundheitsindex an grosse Versicherungen, dacadoo-CEOs. Arbeitgeber und Pharmaunternehmen lizenziert. Das Geschäft von dacadoo basiert darauf, dass diese Die Sorge über den explosionsartigen Anstieg der Unternehmen den Gesundheitsindex ihren Kunden Kosten im Gesundheitswesen gab Peter Ohnemus oder Mitarbeitern zur Verfügung stellen. Der Konsudamals übrigens den Anstoss zu seinem Start-up. ment erhält dacadoo also von seinem Arbeitgeber, «Wir betreiben die grösste Industrie der Welt, ohne seiner Versicherung oder einem Gesundheitslieferan- ein digitales Outcome zu haben.» Aber auch wenn ten zur Verfügung gestellt. «Wir lizenzieren den Gesich heute noch 95 Prozent der weltweiten Gesundsundheitsindex an unsere Kunden und diese bezahheitsindustrie analog bewegten, werden die Effizienz len uns etwas pro Benutzer», erklärt Peter Ohnemus und das Kostenbewusstsein immer mehr zunehmen. das Businessmodell von dacadoo. «Irgendwann braucht der Konsument dann ein Instrument, wie er seine Gesundheit messen kann. Und Der Gesundheitsindex funktioniert hardwareunabgenau dann kommt dacadoo ins Spiel.» hängig und kann mit einem iPhone, einem Android-Smartphone, der Apple Watch, Fitnesshelfern Peter Ohnemus ist überzeugt, dass Krankenkassen all wie Fitbit, Jawbone und anderen Geräten benutzt diejenigen Mitglieder, die vermehrt zu sich schauen werden. Selber stellt dacadoo keine Hardware her. und somit weniger krank sind als andere, in Zukunft Welches sind die Ziele des umtriebigen Geschäftsimmer mehr belohnen werden. «Das obligatorische manns? Er möchte mit dacadoo den weltweit digiKrankenkassensystem wird bald mal pleitegehen.» talen und mobilen Gesundheitsmarkt mitaufbauen. Wenn Herr und Frau Schweizer jeweils ein Prozent «Die Idee ist, dass dacadoo der hardware- und mehr verdienen pro Jahr, die Krankenkassenprämien softwareunabhängige Standard für das Messen der aber um vier bis acht Prozent steigen, sei es nur eine Gesundheit in Echtzeit wird», so Ohnemus. «Unsere logische Frage der Zeit, bis die Leute dies nicht mehr Zielsetzung ist es, dass Kunden in Zukunft mehr auf mitmachen wollen beziehungsweise mitmachen ihre Gesundheit achten und durch den Gesundheit- können. sindex eine persönliche Beziehung zu ihrer eigenen Gesundheit erhalten.»
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