The Huffington Post - 2015

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02/05/2015 13:47, Prof. Dr. Volker Nürnberg http://www.huffingtonpost.de/volker-nuernberg/versicherungstarife-krankenversicherungen-gesundheitswesen_b_7177594.html

Wie Wearables unser Gesundheitssystem revolutionieren könnten Self-Tracking: Der Trend aus den USA Sie zeichnen Daten zu Schlaf und Ernährung auf, tracken die körperliche Aktivität oder überwachen Blutdruck- und Zuckerwerte: Die sogenannten Wearable Devices sind auf dem Vormarsch. Seinen Ursprung hat das „Self-Tracking“ in den USA, aber auch immer mehr Deutsche nutzen Geräte wie Smartwatches und Aktivitäts-Tracker, um Körperund Fitnessdaten zu sammeln.

cken, Puls, generelle sportliche Aktivitäten, aber auch Wach- und Schlafphasen, Blutzuckermessungen, Kalorienverbrauch, Medikamenteneinnahme, Häufigkeit des Konsums von Alkohol oder Nikotin und vieles mehr. Die gewonnenen Daten der Versicherten können dann z.B. zur Berechnung von Rückerstattungen oder Bonuszahlungen verwendet werden.

Schon jetzt besitzen 17 Prozent der Deutschen ein oder sogar mehrere Wearables; vor allem Fitness-Funktionen und Uhren mit Mehrwert liegen im Trend. Dies treibt auch die Entwicklung mobiler Anwendungen im Gesundheitsbereich voran. Während im Moment noch der Bereich Sport und Lifestyle im Vordergrund steht, gehen Experten davon aus, dass sich der Fokus mehr und mehr auf medizinische Anwendungen - genannt E-Health bzw. M(obile)-Health - sowohl für gesundheitsbewusste als auch für bereits erkrankte Menschen richten wird.

Auch seitens der gesetzlichen Krankenkassen wurden bereits Pilotprojekte zur Erfassung von Gesundheitsdaten ihrer Mitglieder ins Leben gerufen. Als Beispiel hierfür ist „AOK mobil vital“ der AOK Nordost gemeinsam mit dem Schweizer Fitness-Portal Dacadoo zu nennen. Hierbei stellen die Teilnehmer über eine Smartphone-App Daten wie Größe, Gewicht und ihre Aktivitäten zur Verfügung.

Krankenversicherungen greifen den Trend auf Krankenversicherungen wollen sich diesen Trend nun zu Nutze machen. In New York gibt es bereits einen ersten Versicherer, der auf freiwilliger Basis die Fitnessdaten seiner Versicherten sammelt und Prämien für gesundheitsbewusstes Verhalten bezahlt. Auch in Deutschland haben einzelne Versicherer angekündigt, Tarife anbieten zu wollen, die auf der Generierung von Gesundheitsdaten über Wearables in Kombination mit dem Smartphone basieren. Erste private Krankenversicherer wie die Generali Versicherung planen einen günstigen Tarif für Kunden, die ihre über das Smartphone/Fitnessarmband generierten Gesundheitsdaten zur Verfügung stellen. Im Rahmen dieses Programms können Versicherte ihren Lebensstil per App dokumentieren und der Generali zur Verfügung stellen. Bei den Daten handelt es sich beispielsweise um Informationen wie bewältigte Wegstre-

Über ein online Gesundheitsportal wird dann aus den Daten ein sogenannter „Health Score“ ermittelt. Dieser lässt sich durch gesundheitsbewusstes Verhalten verbessern, wodurch der Versicherte Bonuszahlungen erhalten kann. Vor dem Hintergrund des Solidaritätsprinzips muss die Krankenkasse dieses Bonusprogramm laut Gesetz allerdings durch Einsparungen finanzieren, um auf diese Weise auszuschließen, dass Versicherte, die an der Aktion nicht teilnehmen (können), die Kosten dafür mittragen. Der Ansatz, Gesundheit zu belohnen, ist nicht neu: Sowohl die gesetzliche Krankenversicherung mit ihren Bonusheften/-modellen als auch die private Krankenversicherung mit ihren risikobasierten Zugangsregularien bzw. Rückerstattungsmöglichkeiten differenzieren ihre Preise schon jetzt. Die neue Dimension besteht in der massenhaften und systematischen Erfassung von Vitalparametern und Gesundheitsdaten. Sowohl die individuelle als auch kollektive Nutzung dieser Daten zur Tarifgestaltung tangiert jedoch unter anderem Persönlichkeitsrechte und wirft grundsätzliche ethische Fragestellungen sowie Fragen nach Effektivität und Datenschutz auf.

Datenschützer zeigen sich angesichts der aktuellen Entwicklungen alarmiert Laut einer aktuellen Studie ist deutschen Nutzern von Wearables der Schutz persönlicher Daten enorm wichtig. Demnach würden nur fünf Prozent der Befragten einer Weitergabe von persönlichen Gesundheitsdaten an Dritte zustimmen. 32 Prozent wären bereit, ihre Daten für finanzielle Anreize weiterzugeben, 20 Prozent ließen sich zu einer Datenfreigabe bewegen, wenn sie dadurch eine bevorzugte Arzt-Behandlung bekämen. Mehr als 50 Prozent wären jedoch unter keinen Umständen dazu bereit. Und nur knapp die Hälfte fühlt sich über den Gebrauch der von Wearables erfassten Daten gut aufgeklärt. In der Tat ist in Bezug auf den Datenschutz häufig noch nicht ausreichend geklärt, was geschieht, wenn z.B. Daten in Clouds analysiert und gespeichert werden. Oft ist unklar, auf welchen Servern und in welchem Land die zum Teil sensiblen Daten gespeichert werden und welche Datenschutzrichtlinien dort gelten. Im Zusammenhang mit den Krankenversicherungen muss geklärt werden, auf welchem Weg die Gesundheitsdaten der Versicherten an den Krankenversicherer gelangen. Zudem muss gesetzlich geregelt sein, wie die Versicherer die Gesundheitsdaten ihrer Versicherten nutzen dürfen und wo Grenzen bestehen. Dies betrifft z.B. die Frage, ob die Daten für kommerzielle Zwecke oder die Forschung verwendet werden dürfen oder ob sie ggf. kollektiv ausgewertet und damit zur Gestaltung neuer Tarife benutzt werden können. Ein „Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen“ (E-Health Gesetz) ist derzeit in Bearbeitung und soll den gesetzlichen Rahmen für die Nutzung der immensen Datenmengen aus Smartphones für die Zukunft regeln. Seite 1


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