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Interview mit Daniel Burkholz „Das Filmemachen ist für mich ein Mittel, um dementsprechend Position zu beziehen.“

Daniel Burkholz in Indien. © Daniel Burkholz. Diesen Sommer jährte sich der Beginn des Spanischen Bürgerkriegs zum achtzigsten Mal. Auf der Seite der Spanischen Republik kämpften Freiwillige aus vielen verschiedenen Länder gegen den Faschismus. Die meisten ehemaligen Interbrigadisten und Interbrigadistinnen sind mittlerweile verstorben. In zwei Dokumentarfilmen ließ der Regisseur Daniel Burkholz antifaschistische Freiwillige, die in Spanien gegen den Faschismus kämpften, zu Wort kommen. Daniel Burkholz begab sich mit seinem Team auf eine Reise zu den letzten ZeitzeugInnen, die ihn quer durch Europa führte. Im Zentrum des Dokumentarfilmes „No Pasaran“, der 2014 erschien, stehen die Lebenswege und persönlichen Schicksale ehemaliger Interbrigadisten und Interbrigadistinnen. Die ZeitzeugInnen erzählen eindrucksvoll und bewegend von ihren Erlebnissen und Erfahrungen, ihrer Motivation und ihrem Leben nach dem Sieg Francos. In seinem zweiten Dokumentarfilm über die Internationalen Brigaden begab sich Daniel Burkholz gemeinsam mit den letzten noch lebenden Veteranen auf eine Reise zurück nach Spanien. Am 1. September, dem Antikriegstag, wird Daniel Burkholz sein Buch „No Pasaran. ´Du bleibst Mensch. Darum geht es.“ veröffentlichen. Die Interviews und Gespräche, die er mit den letzten noch lebenden Interbrigadisten und Interbrigadistinnen führte, bilden die Grundlage des Buches. Für Reflections on Family History Affected by Nazi Crimes sprach Natascha Höhn mit Daniel Burkholz über seine Arbeit als Regisseur, die von ihm gegründete Firma Roadside Dokumentarfilm, die beiden Dokumentarfilme zum Thema der Internationalen Brigaden und die Veröffentlichung seines ersten Buches am 1. September.


Natascha Höhn (NH): 2005 gründeten Sie nach jahrelanger Tätigkeit als Redakteur, Rechtsassessor und Behördenleiter die Firma Roadside Dokumentarfilm. Wie kam es zu dem Entschluss eine neue Karriere zu starten und fortan Dokumentarfilme zu drehen? Daniel Burkholz (DB): Da muss ich etwas weiter ausholen: Ich habe schon als Jugendlicher damit begonnen, mich sozial, politisch, ehrenamtlich zu engagieren. Anschließend habe ich den Kriegsdienst verweigert, u. a. in der Friedens- , Anti-AKW, Umweltbewegung, usw. mitgemischt. Das hat auch meine Studien- und Berufswahl beeinflusst. Es war und ist mir immer wichtig, im Sinne meiner Ideale und Werte tätig zu sein. Nach einigen Jahren als Behördenleiter musste ich allerdings erkennen, dass man in einem solchem Apparat meines Erachtens nicht auf Dauer bleiben kann, wenn man sich selber treu bleiben will. Dazu kam, dass ich gegen Ende meiner Amtszeit sehr mit meinem Vorgesetzten, einem konservativen CDU Landrat, aneinander geraten war; am Ende habe ich sogar gegen ihn geklagt. Nach seinem erneuten Sieg bei der Landratswahl dachte ich mir: Das ist jetzt ein guter Zeitpunkt umzusatteln und eine neue Karriere zu starten, bei der ich meine Überzeugungen wieder in die Tat umsetzen kann:

„Filmemachen ist für mich ein Mittel, um dementsprechend Position zu beziehen.“ NH: Lassen Sie uns nun über Roadside Dokumentarfilm zu sprechen kommen. Gibt es eine Grundidee von der die Firma und Ihre Dokumentationen getragen werden? Was eint die verschiedenen Dokumentationen? Gibt es Kriterien nach denen Sie die Themen für Ihre Filme auswählen? Und was möchten Sie den ZuschauerInnen mit Ihren Dokumentationen vermitteln? DB: In unseren Filmen setzen wir soziale, politische oder kulturelle Themen ins Bild, die oft nicht im Zentrum des öffentlichen Interesses stehen. Der Einsatz für Menschen- und Bürgerrechte ist uns wichtig. Nicht von oben herab, sondern auf Augenhöhe mit den Menschen und ihren Geschichten.

„Wir wollen die Zuschauerinnen und Zuschauer dazu anregen, sich ansprechen zu lassen und sich auf eine Auseinandersetzung mit dem Film und seiner Thematik einzulassen. So gesehen sind unsere Filme auch Angebote zum Gespräch, zum Austausch sowohl des Publikums untereinander als uns als FilmemacherInnen.“ Und ohne unser Licht unter den Scheffel stellen zu wollen: Ab der Premiere des Films haben seine MacherInnen nicht mehr die alleinige Deutungshoheit. In gewissem Sinne ist es wie bei bei einem Gemälde. Es gibt so viele Sichtweisen wie Betrachterinnen und Betrachter. NH: In Ihren Filmen setzen Sie sich mit sozialen, politischen und kulturellen Themen auseinander, die in der Öffentlichkeit wenig beachtet werden. Wie kamen Sie auf die Idee eine Dokumentation über ehemalige Interbrigadisten und Interbrigadistinnen zu drehen? DB: Da hat der Zufall eine große Rolle gespielt, denn eigentlich beginnt diese Geschichte ja schon mit meinem Film „Brigadistas – Die Rückkehr nach Spanien“.


„Bei einer S-Bahn Fahrt durch Berlin lag auf dem Sitz neben mir eine Zeitung, die jemand dort liegengelassen hatte. Beim durchblättern fiel mir plötzlich eine Kurzmeldung ins Auge: `Die letzten Brigadisten treffen sich noch einmal in Spanien. ´Ich dachte mir: Das gibt’s doch gar nicht! Die leben noch (?).“ Der Entschluss, darüber einen Film zu machen, war schnell gefasst, denn mir war klar, dass das eine einmalige Chance war. So fing das alles an.

Filmplakat zur Dokumentation „No Pasaran“. © Daniel Burkholz. NH: Sie schreiben auf der Internetseite von Roadside Dokumentarfilm, dass Sie die Zuschauer und Zuschauerinnen dazu anregen wollen, sich mit dem Film auseinanderzusetzen und sich auf die Thematik einzulassen. Welche Erkenntnisse können die Zuschauer und Zuschauerinnen aus ihren beiden Dokumentationen über die Internationalen Brigaden ziehen? DB: Das ist schwer zu beantworten, denn die Erkenntnis liegt ja sozusagen im Kopf der Zuschauerinnen und Zuschauer. Für mich haben die beiden Filme ganz unterschiedliche Schwerpunkte. Brigadistas ist ein emotionaler Roadmovie über die ehemaligen Interbrigadistinnen und Interbrigadisten, der nur in der ersten Filmhälfte im Damals spielt, dann erfolgt der Brückenschlag ins Heute. Ein Brückenschlag, der den Brigadistas zu verdanken ist. Obwohl sie


teilweise schon über 90 Jahre alt waren, haben sie sich immer noch eingemischt und für eine Veränderung der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse engagiert. Den Ansatz, dass eine Änderung der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse erforderlich ist, kann ich nur teilen. „NO PASARAN. Eine Geschichte von Menschen, die gegen den Faschismus gekämpft haben.“ ist eher nachdenklich. Es ist ein Film über Menschen, die Widerstand geleistet haben; nicht „nur“ im Spanischen Bürgerkrieg sondern auch im Zweiten Weltkrieg. Einige von ihnen waren auch in den Internationalen Brigaden, andere hingegen (auch) in den Freiwilligen-Milizen und in der Republikanischen Volksarmee. Dann, im Zweiten Weltkrieg, haben sie im Widerstand, in der britischen Armee oder in der US-Armee weiter gekämpft.

„Das ist eine ganz unglaubliche Geschichte und m. E ist das vor allem durch den Idealismus zu erklären, den diese Menschen hatten und haben. Das ist für mich auch das Thema von NO PASARAN: Idealismus – und auch der Preis des Idealismus.“ NH: In Ihrer Dokumentation „Brigadistas – Die Rückkehr nach Spanien“ begleiten Sie die letzten lebenden Veteranen der Internationalen Brigaden mit Ihrer Kamera durch Spanien. Der Film zeigt volle Veranstaltungen zu Ehren der ehemaligen Interbrigadisten und Interbrigadistinnen, ein jubelndes, singendes Publikum und das große Interesse gerader junger Erwachsener an der Geschichte des Spanischen Bürgerkrieges. Welche Rolle spielt der antifaschistische Kampf gegen Franco, Ihrer Meinung nach, heute in der spanischen Erinnerungskultur? Wie unterscheidet sich die Erinnerung an den Spanischen Bürgerkrieg in Deutschland, Ihrer Meinung nach, vom Gedenken in Spanien? DB:

„Im Englischen gibt es ja das Sprichwort „It´s like an elephant in the room.“ Also ein Riesenproblem, das vor den Leuten steht und doch tun alle so, als wäre es gar nicht da. Ich finde, das ist ein ganz guter Vergleich mit der Erinnerungskultur in Spanien.“ Es gibt natürlich zahlreiche Organisationen, die da sehr aktiv sind und viel voran bringen. Aber wenn man auf die Gesellschaft als Ganzes schaut, möchte die Mehrheit damit nichts zu tun haben. Eine der Übersetzerinnen die für uns gearbeitet hat sagte mir, dass der Spanische Bürgerkrieg ein Trauma der spanischen Gesellschaft sei. Sie ist gebürtige Spanierin und war u. a. bei einer Organisation aktiv, die Massengräber, in denen viele Franco-Opfer verscharrt wurden, aufspürt; die Gräber werden dann geöffnet, die sterblichen Überreste möglichst identifiziert und umgebettet. Ein anderer aus Spanien stammender Übersetzer bat mich: „Bitte nenne meinen Namen nicht im Abspann von Brigadistas. Mein Großvater ist Faschist!“ Ich muss gestehen, ich habe seinen Namen dann doch genannt. Sicherlich spielt auch eine Rolle, dass die Franco-Diktatur erst 1975, nach Francos Tod, ihr Ende fand. Auch in Deutschland, jedenfalls in der Bundesrepublik, hat es ja nach Ende des Zweiten


Weltkrieges noch Jahrzehnte gedauert, bis sich eine Erinnerungskultur zu entwickeln begann. Man darf sicherlich sagen, dass sich in der spanischen Gesellschaft in den letzten Jahren das Interesse und die Bereitschaft, sich mit den Themen Spanischer Bürgerkrieg und Franco-Diktatur auseinanderzusetzen, verstärkt hat. In Deutschland gab und gibt es demgegenüber schon seit längerer Zeit Interesse an dem Thema Spanischer Bürgerkrieg. Das gilt natürlich insbesondere für Menschen, die sich als politisch links verstehen bzw. die sich der Zivilgesellschaft zurechnen. Für nicht wenige Menschen ist das Thema eine Art politischer Mythos. Trotzdem (oder vielleicht gerade deshalb) wurde darüber immer ohne Tabus und auch ohne Schonung diskutiert. NH: Nachdem Sie bereits zwei Dokumentationen über ehemalige Interbrigadisten und Interbrigadistinnen gedreht haben werden Sie am 18. Juli ihr Buch „No Pasaran. ´Du bleibst Mensch. Darum geht es.“ veröffentlichen. Was motivierte Sie dazu, zusätzlich zu den beiden Filmen ein Buch zu schreiben? DB: Kein Filmemacher und auch kein Autor lässt sich gerne die Gelegenheit entgehen, einen „Schatz“ zu heben bzw. der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Unsere Arbeit an Brigadistas begann ja bereits im Oktober 2006 – und die Premiere von NO PASARAN ging im Juli 2014 über die Bühne. Mein Buch NO PASARAN. „Du bleibst Mensch. Darum geht es.“ steht also am Ende einer langjährigen Projektreise, die uns kreuz und quer durch Europa, zu den letzten Überlebenden, die im Spanischen Bürgerkrieg und im Zweiten Weltkrieg gegen den Faschismus gekämpft haben, geführt hat.

„Die Gespräche und die Interviews die auf dieser Reise geführt wurden, sind oft die letzten, die mit diesen Menschen noch stattfinden konnten. Nicht zuletzt aufgrund der Fülle des vorliegenden Filmmaterials sowie der Aufzeichnungen und Notizen konnte all das nur zum Teil Eingang in die Filme Brigadistas und NO PASARAN finden. Alles, was nicht berücksichtigt werden konnte, wäre ohne dieses Buch für die Öffentlichkeit verloren.“ Davon abgesehen stellt es für mich persönlich die Abrundung und auch einen passenden Abschluß meiner Arbeit an diesen Themen dar. NH: Was erwartet die Leser und Leserinnen in Ihrem Buch „No Pasaran. ´Du bleibst Mensch. Darum geht es.“? Welche zusätzlichen Einblicke gewährt es auch jenen, die Ihre beiden Dokumentarfilme gesehen haben? DB: Ich bitte um Verständnis, wenn ich die Karten noch nicht ganz aufdecke und die Spannung noch bis zur Veröffentlichung am 1. September aufrecht erhalte. Ich kann aber gerne schon jetzt verraten, dass auch das Zusammenspiel der sehr persönlichen Lebensgeschichten der Protagonistinnen und Protagonisten mit dem umfangreichen und reichhaltigen Bildteil, der u. a. noch unveröffentlichtes Fotomaterial enthält, das Buch lesenswert und anschauenswert macht. NH: Zum Abschluss unseres Interviews würde ihn Ihnen gerne die Frage stellen, was uns die Geschichten der ehemaligen Interbrigadisten und Interbrigadistinnen heute, jenseits eines


Einblickes und Verständnisses von der Vergangenheit, erzählen können? Welche Lehren und Erkenntnisse für die Gegenwart können sie uns als Zuschauer und Zuschauerinnen, Leser und Leserinnen vermitteln? DB: Da kann ich nur aus der Widmung zitieren, die der ehemalige Interbrigadist, Résistancekämpfer und Freiwilliger der US-Armee, Gerhard Hoffmann, meiner Kollegin Sybille Fezer in ein Exemplar seiner Autobiographie geschrieben hat:

„ …Deine Schlüsse daraus musst Du selber ziehen…“. Natascha Höhn in „Reflections on Family History affected by Nazi Crimes“, 30.08.2016


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