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Keine Gegenwart für immer von Bonn Park

Einmal richtig ausschlafen!

— von Bonn Park

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Jüngst träumte Autor und Regisseur Bonn Park davon, dass in Tausenden von Jahren die Menschheit durchs Weltall reist, um neue Spezies kennenzulernen, ihnen die Hände zu schütteln und zu versuchen, die Wege der anderen zu verstehen, ohne sie zu verurteilen – seine von Publikum und Kritik gefeierte Weltraumoper »Rückkehr zu den Sternen« steht weiterhin auf dem Spielplan des Düsseldorfer Schauspielhauses. Parks neueste Arbeit beschäftigt sich mit dem Traum von ewiger Jugend und Schönheit und mit dem Versprechen, das Elend in der Welt hinter sich zu lassen. Kryonik – die Möglichkeit, Menschen mittels Kälteschlaf zu konservieren und in der Zukunft wieder zu beleben – heißt das Zauberwort.

Hallo, grüß Gott! Mein Name ist Elisabeth, so wie viele Prinzessinnen und Kaiserinnen. Vor eintausend Jahren feierte ich meinen zwanzigsten Geburtstag in einem Tanzlokal im zweiten Bezirk mit ein paar Freunden und auch dem ein oder anderen Wein. Viel zu alte Männer wollten uns gern mehr Gespritzte schenken, und jetzt sind sie tot. So wie alle meine Freunde und der zweite Bezirk. Und morgen, da werde ich einundzwanzig. Ich war eingefroren, eintausend Jahre lang! Mit Absicht! Ist das nicht total verrückt? Ich kann es ja selbst kaum glauben, doch es ist alles wahr. Mein Kopf ist mein Kopf, und mein Gesicht ist auch schon mein Gesicht, doch eben alles etwas anders. Mein Auge ist nicht dasselbe wie als ich

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zwanzig wurde, meine Finger sind auch besser jetzt, und mein Herz ist vielleicht nicht mehr dies, das mir meine Eltern gaben, doch es kann jetzt sicher doppelt so viel lieben, und ich muss nicht wie sie werden. Ich weiß, es ist alles sehr viel, ich kann es ja selbst kaum in aufrichtige Gedanken gießen, ein Bild würde eh helfen oder eine kleine Demonstration meiner Macht. Seien Sie geduldig, das kommt alles zur rechten Zeit. Im Moment habe ich nur diese Zeilen für Sie. Wie kann ich es Ihnen nur erklären? Ich kann Ihnen sagen, mir ging es damals, mit zwanzig, vor einem Jahr, also vor tausend, ganz und gar miserabel. Langweilen möcht ich Sie nicht, aber die wirtschaftliche Situation war schlecht, besonders für solche wie mich. Auch sonst war es schwierig für mich, respektiert zu werden, im Sinne von, ah, gut, dass es dich gibt auf der Welt, ohne dich wäre alles nicht so gut. Es waren recht ungerechte Zeiten, und wer die Gelegenheiten und die Rückgratlosigkeit nicht umarmte, der hatte es generell schwerer. Doch dann, durch einen eher ohnmächtigen Umstand, einen, bei dem man mit seinen Rückenwirbeln ohne noch eine Haut dazwischen an der unfreundlichen Wand steht, ergab sich durch diverse Kuriositäten diese Möglichkeit, eintausend Jahre zu schlafen, also sich einfrieren zu lassen mit dem Versprechen, besorgte Eltern, Weltkriege und brennende Wälder zu verpassen und dann im besten Alter, also genau die Schönheit aus Neugier und gepflegter Haut, wieder aufgewärmt zu werden in einer Welt, die vielleicht nicht mehr dieselbe ist, vielleicht sogar wirklich eine ganz andere, also nicht mal mehr auf diesem Planeten, und auf der alles ein bisschen bis viel gerechter und besser ist. Und das ging sich aus. Das ging sich sehr gut aus. Ich erzähle Ihnen bald mehr, aber tauen sie erst einmal in Ruhe auf!

Bonn Park studierte Szenisches Schreiben an der Universität der Künste Berlin. Seine Arbeiten wurden mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem FriedrichLuft-Preis und beim Stückemarkt des Berliner Theatertreffens. Er inszeniert und schreibt für Theater in Belgrad, Seoul, München und Hamburg.

Keine Gegenwart für immer — von Bonn Park — Regie: Bonn Park — Musik: Moritz Löwe — Dramaturgie: Janine Ortiz — Uraufführung im April 2023 — Schauspielhaus, Kleines Haus

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Fnot Taddese und das Team der Maske beim Schminken für »Die Physiker«

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