m u z g alaya e W m e m i d ge H f e W u s r A e ne e t d e r l t a ge s a u a s s Fepaslttrekking abseit Ne
Eine Reise beginnt nicht erst mit der Ankunft im fernen Land, sondern schon mit den Gedanken an das mögliche Urlaubsziel. Wochen der Vorbereitung – der logistischen wie körperlichen – begleiten die Vorfreude auf ein solches Abenteuer. Ebenso endet eine Reise nicht mit der Heimkehr aus dem fernen Land. Sie geht im Kopf weiter, wobei nach und nach die Eindrücke verarbeitet werden, bis sie den richtigen Platz im Bewusstsein gefunden haben. Das Betrachten der Fotos, das Schreiben der Texte und vor allem das Teilen des Erlebten mit Freunden, bringt uns immer wieder zurück in den Himalaya. Begonnen hat diese Reise mit der Rückkehr von unserem letzten Nepalaufenthalt 2013. Schon damals entstand der Wunsch, einmal für längere Zeit dem Luxus des heimischen Alltags, den täglichen Verpflichtungen gegenüber Chef und Kunden zu entfliehen und sich nur auf die einfachen Dinge des Lebens zu konzentrieren. Laufen, essen, Zähne putzen, schlafen - und natürlich Zeit zum Sehen, Staunen und Genießen. Nach wochenlanger ausgiebiger Recherche in Reiseführern, Büchern, Erfahrungsberichten und Blogs, ist unsere Wahl auf die beiden wenig begangenen Treks um die 8000er Manaslu und Kanchenjunga gefallen. – Der Manaslutrek, da die Region in den ersten Tagen der Tour mit ihrer üppigen Vielfalt der subtropischen Vegetation besticht und sich bis hinauf in die Gletscherwelt des höchsten Gebirges unserer Erde zieht. Außerdem liegt der Startpunkt auf unter 1000 m, was uns die optimale Voraussetzung für eine gute Akklimatisation bietet. – Das Kanchenjungamassiv, weil es zu den unberührtesten und beeindruckensten Hochgebirgslandschaften dieses Planeten gehört und aufgrund seiner Abgeschiedenheit viel Ruhe verspricht. Beide Touren sollen uns ein ursprüngliches Nepal zeigen, das noch nicht so stark vom Tourismus beeinflußt ist. Für diese Tour haben wir uns zwei Monate Auszeit genommen, unser Leben für diese Wochen komplett entrümpelt, um nur noch an die wenigen Dinge, die wir mit uns tragen, denken zu müssen. Komplettes analoges und digitales Detoxing. Es soll nichts geben, worüber wir uns ernsthafte Gedanken machen, wir wollen uns einfach treiben lassen.
Nepal als Sehnsuchtsziel steht für beeindruckende Berglandschaften, glückliche naturverbundene Menschen und eine fremde faszinierende Kultur ebenso wie für Rückständigkeit und Armut. Das Land, eingezwängt zwischen China und Indien (geologisch wie wirtschaftlich), ist etwa so groß wie Bayern und Österreich zusammen und schmückt sich mit neun der 14 höchsten Berge der Erde. Nepal bietet jedoch unendlich viel mehr, wie wir in den zwei Monaten unseres Aufenthalts in diesem außerund ungewöhnlichen Land feststellen durften. Wir, das sind Marion und Jürgen, zwei naturverbundene Wanderer, die euch mit diesem Buch zu einigen der höchsten Gipfel dieses Planeten mitnehmen möchten. Doch starten werden wir - wie wohl fast alle Nepalbesucher - in der Millionenstadt Kathmandu.
K2 8.611 Nanga Parbat 8.125
Broad Peak 8.047
Gasherbrum II 8.035 Gasherbrum I 8.068
Dhaulagiri 8.167
Mt. Everest Kanchenjunga Lhotse 8.848 8.586 8.516 Cho Oyu Shisha 8.201 Makalu Pangma 8.485 8.027
Manaslu 8.163
Annapurna 8.091
Kathmandu zwischen angehender Moderne und uralten Traditionen.
Swayambhunath
Das Heiligtum Swayambhunath, hoch über Kathmandu gelegen, besteht aus buddhistischen und hinduistischen Elementen. Es ist eines von zahlreichen Kraftzentren im Kathmandutal – ein geomantischer Knotenpunkt göttlicher Energie – der seinen Segen auf die Besucher abstrahlt. Den zahlreichen Affen scheint es auf diesem Tempelberg zu gefallen, wohl auch wegen der herrlichen Aussicht auf die Stadt hinab und bei klarem Wetter bis zur fernen Gebirgskette des Himalaya. Historische Quellen sagen, dass der Gläubige sich mit einem Gebet in dieser Kultstätte 13 Milliarden mal mehr Verdienste erwirbt als anderswo. Hier scheint sich das Beten also richtig zu lohnen. Nepal mit seinen unzähligen Kult- und Opferstätten gehört sicher zu den wenigen Orten dieser Welt, an denen die Präsenz der Götter so stark zu spüren ist. Die enge Verbundenheit der Nepali mit ihrer Religion ist für uns Europäer schwer nachzuempfinden. Ihre gläubige Hingabe ist untrennbar mit dem Alltag verbunden. Beeindruckend ist vor allem das harmonische Miteinander der unterschiedlichen Glaubensrichtungen. Der Buddhismus und der Hinduismus verfließen in Nepal ineinander. Man feiert zusammen, man akzeptiert und respektiert sich, der Glaube scheint konfessionslos. Was für eine beneidenswerte Art des friedvollen Zusammenlebens.
Unter dem Blick der allsehenden Augen Buddhas steht zuvorderst der Besuch von Swayambhunath, dem sogenannten „Affentempel“ an. Der buddhistische Tempelkomplex repräsentiert die fünf Elemente des Universums: Erde, Wasser, Feuer, Luft und Raum. Bei unserem Besuch haben wir das Glück gerade vor Ort zu sein, als die neu gekalkte Kuppel der Stupa mit safranfarbenen Bögen, welche eine Lotusblüte symbolisieren, schwungvoll verziert wird.
Ziellos lassen wir uns durch die engen Gassen der antiken Altstadt treiben. Das geschäftige Gewusel fasziniert wie in kaum einer anderen Stadt der Welt. Einheimische in bunten Saris, ungezählte Marktstände, Läden so klein wie unsere Gästetoilette, dazu auf der Straße spielende Kinder, Sadhus, Mopeds und Hunderte kleiner Schreine, welche in Hauswände eingelassen sind. Hier und da versteckte Innenhöfe mit Tempeln. Die optischen Eindrücke vermischen sich mit einem Duftpotpourri aus Abgasen, Räucherkerzen und Gewürzen. Zwischen all dem Trubel schleppen Porter ihre Waren auf dem Rücken durch die nicht mit Autos zu befahrenden Gassen. So wundern wir uns bald nicht mehr, wenn wir von wandelnden Waschmaschinen oder Sofas überholt werden. An Plätzen, die nicht hoffnungslos mit Menschen und Händlern überfüllt sind, kreisen Rikschas auf der Suche nach Fahrgästen.
Beim Anblick der Stromverteiler wird klar, warum eine konstante Stromversorgung absolut keine Selbstverständlichkeit in Nepals Hauptstadt sein kann. Über stundenlange Ausfälle regt sich kein Einheimischer auf, auch nicht über die extrem schmutzigen Straßen, deren Dreck eine dicke Staubschicht über alles legt. So hat jeder Ladenbesitzer ständig einen Besen in der Hand, um seine Waren unter dem fingerdicken Grau wieder sichtbar zu machen. Wer es nicht selber gesehen, gehört und gerochen hat, wird sich nur schwer vorstellen können, dass alles trotzdem irgendwie funktioniert.
Damit die Götter in den Genuss der Opfergaben kommen, müssen diese erst einmal verbrannt werden. Ob Lebensmittel, Alkohol, Zeitschriften oder Plastikspielzeug - die Gottheiten sind hoffentlich nicht wählerisch. Der Rauch vermischt sich mit den Ausdünstungen der Stadt und steigt nach oben zu den Empfängern.
Die Runde um den mit 8163 Metern achthöchsten Berg der Erde verläuft auf dem alten Handelspfad, welcher das Buri Gandaki Tal mit Tibet verbindet. In subtropischem Klima mit Reisanbau, mächtigen Bambuspflanzen und überwiegend hinduistischer Bevölkerung geht es stetig den Fluss entlang in höhere Regionen. Der Hinduismus weicht allmählich dem Buddhismus, Tschörten und Manimauern ersetzen Shiva-Schreine. Die Vegetation wechselt zu Gerstenfeldern und Bergurwäldern. Täglich gilt es mehrmals, den Buri Gandaki über schwankende Hängebrücken zu queren. Zahlreiche Wasserfälle schmücken beide Seiten des Tals. Nächtigen werden wir in einfachen Lodges, meist mit einer Holzpritsche als Bett, zeitweise vorhandene Decken und unsere Schlafsäcke erhöhen den Komfort beträchtlich. Gelegentlich ein nur bedingt warmer Eimer Wasser zur Körperpflege soll der einzige Luxus auf diesem Trek sein. Einige Vorgaben gilt es zu erfüllen, wie gültige Permits für die Manaslu- und Annapurna Reservation Areas, die Begleitung durch einen registrierten Guide und natürlich gute Kondition und etwas Leidensfähigkeit. Uns begleiten Ram, ein etwa 50-jähriger Guide und der Porter Sange, der unser Wohlstansdsgepäck von Lodge zu Lodge tragen wird.
Volle 11 Stunden Anfahrt mit dem Jeep sind der Preis, den wir für die 16 Tage Wandern erst einmal bezahlen müssen. Die haarsträubende Umfahrung des morgendlichen Staus im Großraum Kathmandu führt uns durch kaum autotaugliche Gässchen und Vorortsiedlungen, in denen sich selbst der ortskundige Fahrer bei den Anwohnern Orientierungshilfe holt. Nach fast acht Stunden auf Straßen, die sich trotz unzähliger Schlaglöcher Highways schimpfen und der Hoffnung auf baldige Ankunft, steht aufgrund eines Erdrutsches auf der Normalroute ein Fahrzeugwechsel an. In einem gut geländegängigen Jeep holpern wir für weitere vier lange Stunden durch Schlamm, Geröll und Bachläufe. Starke Armmuskeln zum Festhalten sind gefragt, trotzdem sind wir am nächsten Morgen mit blauen Flecken von der Rumpelstrecke gezeichnet. In der Abenddämmerung erreichen wir schweißgebadet und gut durchgeschüttelt unsere erste Lodge. Hurra - ab morgen bitte nur noch auf Schusters Rappen!
Immer entlang des Buri Gandaki Entlang von Reisfeldern durch lichten Wald wandern wir in Sichtweite des Buri Gandaki mit jedem Schritt ein Stück weiter von der Zivilisation weg. Noch hängen gelegentlich Sat-Schüsseln an den Hütten, die im Laufe der nächsten Tage komplett verschwinden werden. Ein einzelnes Motorrad kommt uns über eine schmale Hängebrücke entgegen. Sonst sind hier alle zu Fuß unterwegs. Nach der gestrigen Tortur im Auto ist es eine Wohltat, aus eigener Kraft vorwärts zu kommen. Der laute Knall einer Sprengung reißt uns aus dem Wanderflow, gefolgt vom langen Grollen des Echos, welches von den Felswänden widerhallt. Vom Tourismus angetrieben, verschandelt der Straßenbau während der ersten beiden Tage die Landschaft. Ausgerüstet mit Bagger, Presslufthammer und Dynamit rücken die Bautrupps den Talwänden zu Leibe. Sprengungen zwingen uns immer wieder zu Pausen. Wie sich das Ganze vermutlich weiterentwickeln wird, zeigt heute schon deutlich die Annapurnarunde. Ein Grund mehr, hier und jetzt die landschaftliche Schönheit zu genießen, solange sie noch existiert. Und noch tut sie es in all ihrer Pracht! Über zahlreiche Hängebrücken, die oft mit Gebetstüchern und -fahnen geschmückt sind, das ständige Tosen des Buri Gandaki im Ohr, wandern wir mal rechts, mal links des Flusses durch abwechslungsreiche Vegetationszonen. Dank ständiger Veränderung kommt nie Langeweile auf. Mal verengt er sich zum Canyon, dann donnert, tost und schäumt er über riesige Felsbrocken, mal schafft er sich Raum, fließt breit und behäbig dahin. Die vielen, von weit oben herabstürzenden Wasserfälle lassen die Felswände noch höher erscheinen. Neun Tage begleiten wir
den Buri Gandaki und er uns nach Norden, er überrascht uns täglich wieder auf´s Neue. Während sich auf der anderen Seite, westlich des Manaslu, die Massen tummeln, geht es auf unserer Strecke relativ ruhig zu. Weitaus mehr Vierbeiner in Form von Eselskarawanen, welche die Dörfer mit allem Lebensnotwendigen versorgen, kreuzen unseren Weg als Zweibeiner.
Ununterbrochenes Auf und Ab über ausgetretene Steinstufen gerät zur Tagesroutine. Diese Art der Streckenführung ohne nennenswerten Höhengewinn wird gerne als „Nepali-Flat“ bezeichnet. Weite Felder wechseln sich mit Rhododendron und Pinienwäldern ab. Bis auf eine Höhe von 2000 m herrscht der Reisanbau vor, weiter oben übernehmen Kartoffeln, Mais und Getreide die Versorgung. Nach jeder Windung gibt es Fremdes für uns zu entdecken und Ram kramt für die Erklärungen in seinen Englischkenntnissen. Ob es um die hiesige Schulpflicht oder um die Regelung des Grundbesitzes in dieser abgeschiedenen Bergwelt geht, es entwickeln sich vielfältige interessante Gespräche. Unsere Unterkünfte sind in aller Regel recht einfach. Neben dem schon erwähnten Brett als Bett sind solch hilfreiche Dinge wie etwa ein Regal, ein Tisch oder gar ein Nagel in der Wand scheinbar schon zu viel des Luxus. Dagegen sind wir vom Essensangebot angenehm überrascht. Anstatt des befürchteten täglichen Dal Bhats (nepalesisches Alltagsgericht aus Reis, Linsencurry und Gemüse) bekommen wir fast überall eine Auswahl an Nudel-, Reis- oder Kar-
toffelgerichten, stets frisch und lecker zubereitet. Dem steht das Frühstück im Genuss nicht nach. Frisch gebackenes Tibetian Bread, Chapati (Fladenbrot), Rührei und Tsampa. Dazu die von Ram als Extraservice mitgeführte Marmelade und auch Honig. Mittlerweile bewegen wir uns auf Singletrails, was deutlich mehr Spaß macht als ausgelatschte breite Wege zu laufen. Allerdings zeigt sich nun, wer im Begegnungsverkehr der Stärkere ist - ganz klar der sture Esel oder das Yak! Schließt eine Karawane zu uns auf oder nähert sich von vorne, ist schnelles Handeln gefragt: Ausweichstelle suchen, dünn machen und unbedingt auf der Hangseite halten, sonst macht es „schubs“ und wieder ein Trekker weg! Diese Tour in der Himalaya-Natur ist einfach zu schön, um von Lodge zu Lodge zu hetzen, weshalb wir unsere kompletten Ruhetage gestrichen haben und lieber täglich kürzere Etappen laufen. Mit Sack und Pack auf dem Rücken läßt das traumhafte Wetter mit Sonnenschein unsere Haut schnell braun werden, die Oberschenkel und Waden dagegen fest und stramm.
Nur die Füße stehen als Fortbewegungsmittel zur Verfügung. Alles, was Räder hat, ist hier völlig fehl am Platz.
Die Menschen entlang des Treks verrichten ihre Alltagsarbeiten, die sich so sehr von unseren in Europa unterscheiden. Viel dreht sich um die Landwirtschaft (mit einfachsten Werkzeugen), Wäsche waschen (mit kaltem Wasser, Bürste und viel Muskelkraft), sowie das Versorgen des Viehs. Das Tagesgeschehen und die meisten Arbeiten finden im Freien statt. Kaum einer wird sich vorstellen können, im Büro zu sitzen oder gar in einem fensterlosen Kaufhaus zu arbeiten. In unseren Rucksäcken, welche - zumindest aus unserer Sicht - lediglich mit dem Allernotwendigsten für Temperaturen von +30° bis -20° bestückt sind, befindet sich sicherlich mehr, als diese Familien in ihrem kompletten Besitz haben.
Nicht dem exclusiven französischen Urlaubsort in den Savoyen, sondern dem gleichnamigen buddhistischen Miniörtchen Gap im Buri Gandaki Tal nähern wir uns. Ein frischer Erdrutsch zwingt uns zu ein paar Hundert Extrahöhenmetern. Die Berge rücken mit ihren senkrechten Felswänden für einige Zeit so dicht an den Fluss heran, dass wir uns in einem Canyon wähnen. Bald jedoch weitet sich das Tal und eine üppige, breite landwirtschaftlich genutzte Flussaue liegt vor uns. Die heutige Lodge präsentiert sich in einem bunten Garten aus Blumen. Sogar ein Eimer heißes Wasser steht für unsere längst überfällige Körperpflege bereit. Auf unserem weiteren Weg fallen uns die vielen sich im Rohbau befindlichen Häuser auf. Es sind akkurate, zumeist kleine Gebäude aus hellem Stein mit Tür- und Fensterrahmen aus Holz und mehreren Balkenzwischenlagen, um nach dem verheerenden Erdbeben von 2015 mehr Stabilität und Sicherheit zu gewährleisten. und gepflegt, die Gärten leuchten in bunter Blumenpracht. Der weitere Weg führt uns über ungezählte Stufen aus schieferartigem Gestein durch dichten Urwald. Ein Bach plätschert uns über Kaskaden entgegen, riesenhafte mit Moos und Flechten bewachsene Bäume stehen zwischen Felsblöcken. Die Temperaturen liegen auf über 3000 m erfreulicherweise noch bei gut 20°. Der Himal-Chuli (7863 m) leuchtet in der Sonne. Grandios - die Tage könnten unendlich so weitergehen. Verwundert fragen wir nach, warum sich fast alle in einem ähnlich halbfertigen Zustand befinden. Grund dafür ist, wie wir erfahren, die staatliche Unterstützung für die Erdbebenopfer. Über einen Zeitraum von drei Jahren erhalten die Häuslebauer eine jährliche Unterstützung von ca.1000 $. Bis zur nächsten Geldspende ruht der Bau zwangsläufig. Die bestehenden Hütten und Gärten präsentieren sich mittlerweile gepflegter und schöner je weiter wir das Tal erklimmen. Zu Beginn des Trekkings waren es vorwiegend einfachste, schmuddelige Hütten mit viel Unrat rund um die Behausungen. Jetzt, fünf Tagesmärsche weiter, ist alles sauber
Auf dem Hßgel thront das malerische Kloster von Lho, das vor den Bergriesen des Manaslu Massivs winzig erscheint. Eine Manimauer reflektiert die wärmenden Sonnenstrahlen und bietet uns einen perfekten Rastplatz.
Die Wolkenfetzen ßber dem Kloster muten an, als hätte der Berg sie soeben ausgeatmet. Dahinter der Held dieser Trekkingtour - der Manaslu mit seinen zwei charakteristischen Gipfeln.
Neben den vielen netten Trekkern aus der ganzen Welt, die wir mittlerweile kennenlernen durften, hören wir am Abend in der Lodge einer bizarren Gruppe junger Leute doch etwas erstaunt bei ihren Gesprächen zu. Nach dem Essen erzählt uns der Gruppenleiter stolz, dass sie zu einer internationalen Bibelschule deutschen Ursprungs gehören, die in dieser abgelegenen Gegend die Menschen mehrerer ausgewählter Dörfer vom Christentum überzeugen wollen. Das Mittelalter läßt schön grüßen und wir fragen uns, wie bescheuert man sein muß, einen seit Jahrhunderten gewachsenen und in dieser
Gegend tief verwurzelten Glauben in Frage zu stellen. Offensichtlich hat die katholische Kirche diesbezüglich mal wieder nichts dazugelernt. Es bleibt zu hoffen, dass die Dorfbewohner standhaft und ihrer Religion, Tradition und Lebensweise weiterhin treu bleiben.
Rotzglockenkinder
In jedem Dorf, an jeder Hütte schallt uns das “Namaste“ der Kinder entgegen. Sie kommen neugierig herbeigelaufen, um ihr Englisch an uns auszuprobieren. Where are you from?... What´ s your name?... Do you have chocolate? Wir Trekker spielen nur während der Monate September bis November und März bis Mai eine Rolle in den Bergen Nepals. Während der restlichen Zeit leben die Menschen eher abgeschieden, meist als Selbstversorger und nahezu autark vom Rest der Welt. Fröhlich und dreckig - eine Kombi, die sich offensichtlich keinen Abbruch tut. Die Kleider starren vor Schmutz, dazu die obligatorische Rotzglocke bis zum Kinn - ein alltägliches Bild auf unserer Tour.
Der Held der Umrundung Der „Berg der Seele“ präsentiert sich am frühen Morgen mit seinen eisgepanzerten Flanken im schönsten Licht.
Das Dorf Sama liegt zu Füßen des Achttausenders. Im Innenhof unserer Lodge stapelt sich tonnenweise Material aus dem Basecamp. In den letzten Tagen von dort oben heruntergebracht, wartet es nun am Saisonende darauf, mit dem Heli abtransportiert zu werden. Die Bergsteiger selbst erkennt man an ihren von der Sonne verbrannten Gesichtern mit den hellen Brillenrän-
dern. Uns erinnern sie schmunzelnd an Pandabären. Der Berg oder besser das Basecamp ruft: Zur besseren Akklimatisation verweilen wir einen Tag in Sama und erklimmen die Route bis auf gut 4000 m Höhe. Als Belohnung winken prachtvolle Ausblicke auf Gletscher, Berge und den See weit unten. Er schaut aus, als hätte ein Yeti Farbe reingekippt.
Eine entspannte Flachetappe führt uns weiter Richtung tibetische Grenze. Ringsum weiße Bergspitzen, Yaks und ein weit schweifender Blick zurück.
Samdo versetzt uns wieder um ein paar Hundert Jahre in der Zeit zurück. Einfache Häuser aus Stein mit Schieferplatten oder Stroh gedeckt. Unter der Wohnung liegen Stall und Futterlager. Hühner, Schweine laufen frei herum, Yaks und Naks (weibliche Yaks) stehen angebunden im Innenhof oder sind auf der Weide hinter dem Dorf. Die Häuser sind rauchgeschwärzt. An den Wänden der Hütten kleben bratpfannengroße Dungfladen - das Heizmaterial dieser Region. Lediglich die für das moderne Nepal typischen blauen Blechdächer an manchen Häusern und vereinzelt kleine Solarkollektoren, welche ein Minimum an Strom liefern, zeugen davon, dass wir uns im 21. Jahrhundert befinden. Schon mittags angekommen, bleibt Zeit für einen Akklimatisationsausflug, weglos und steil über die Wiesen hinterm Dorf nach oben. Der Ort wird schnell kleiner, der Blick schweift über die drei Täler, welche hier zusammentreffen. Im Süden der Weg, von dem wir gekommen sind, nach Norden der Handelsweg Richtung Tibet und voraus, nach Westen, unser Weg von morgen Richtung Larke Pass. Das Blau des Himmels, das Weiß und Grau der Wolken zusammen mit den schneebedeckten Bergen gibt einen herrlichen Kontrast zu den Braun-, Grün- und Olivtönen im Tal ab. Wir sitzen lange in der klaren Luft an diesem schönen Ort mit traumhaftem Panorama bis uns der hereinbrechende Abend zurück in die Lodge ruft.
Der Himal Chuli (7893 m) im frĂźhen Morgenlicht.
A very basic life Langsam wird es richtig kalt! Nach den ersten Nächten, in denen es noch zu heiß für Decken war, kommen ab etwa 3000 m die Schlafsäcke, zum Rumsitzen nach einem langen Trekkingtag auch die Daunenjacken indoor, zum Einsatz. Man muss es schon mögen, das sehr einfache Leben: Bretter statt Matratze, Fenster ohne Scheiben, ein Eimer kaltes Wasser statt Whirlpool, selbst entkeimtes Wasser statt Prosecco, dazu nächtliche Spaziergänge im Schein der Taschenlampe zum außerhalb des Hauses gelegenen Plumpsklos.
Blick zurück auf Samdo, dem höchst gelegenen Dorf im Buri Gandaki Tal vor dem Massiv des Pang Phuchi (6620 m), Blick voraus nach Dharmasala und weiter Richtung Larke Pass - für uns die zwei schönsten Etappen des gesamten Manaslu-Circuit!
Larke Pass Kalt, dunkel und saufrüh üblicherweise nicht unser Ding. Heute schon! Lange vor Sonnenaufgang schälen wir uns aus den Schlafsäcken, um noch vor 5 Uhr, bei leichten Minusgraden den neuen Tag zu begrüßen. Beim Schein der Stirnlampen erahnen wir gerade noch den Pfad vor uns, weiter vorne weisen die anderen Trekker als Lichterkette den Weg. Über Nacht hat es geschneit, eine dünne Schicht Weiß erhellt die Bergwelt. Der klare Sternenhimmel und eine dünne Mondsichel tauchen die Winterlandschaft in ein unwirklich schönes Licht. Die Grate der ringsum liegenden Berge zeichnen sich messerscharf ab. Schnell wird uns trotz Kälte durch die Belastung warm. Mittlerweile lugt die Sonne über die ersten fernen Bergspitzen und läßt sie rotgolden leuchten. Was für ein märchenhafter Anblick! Trotz unseres langsamen Vorwärtskommen in dieser Höhe ändert sich der Ausblick minütlich. Bergeinschnitte, Gletscher, Firnfelder, senkrechte Eisflanken und kleine Seen zeigen sich von ihrer schönsten Seite.
Wir sind überglücklich in dieser Landschaft zu wandern, solch ein Abenteuer erleben zu dürfen. Am späten Vormittag überschreiten wir die magische Höhenlinie von 5000 m. Jetzt sind wir ganz oben in der Eiswelt der Berggiganten! Rien ne va plus!! Willkommen am Larke Pass auf 5106 m, höchster Punkt des Manaslu Circuit. Mehr Höhe und mehr Aussicht geht nicht! Wir sind dagegen ziemlich außer Puste. Bunte Gebetsfahnen und Steinmännchen verzieren den Gebirgsübergang, Kaiserwetter und unendliche Weitsicht entschädigen voll und ganz für den frühen und anstrengenden Aufstieg. Diese perfekten Bedingungen sind keine Selbstverständlichkeit am „Berg der Seele“, ist er doch für seine plötzlich hereinbrechenden Wetterumschwünge, verbunden mit extremen Schneefällen, berüchtigt. Nach kurzer Gipfelrast packen wir unsere sieben Sachen für den Abstieg zusammen. So gerne wir auch länger am Pass geblieben wären, die fortschreitende Zeit und die dünne Luft zwingen uns zum Aufbruch. Der Sauerstoffgehalt liegt in dieser Höhe nur noch bei knapp 70 %. Das Ausdauerleistungsvermögen sinkt enorm, jeder größere Tritt oder kurze steile Anstieg treibt den Puls mächtig nach oben und erzwingt ein kurze Verschnaufpause.
Uns allen voran: Unser treuer und frĂśhlicher Porter Sange bei der PassĂźberschreitung
Nicht minder anstrengend als der Aufstieg gestaltet sich der Abstieg vom Larke La.1400 m bis nach Bimthang (3710 m) hinunter zu unserer Lodge bringen Beine und Füße an ihre Grenzen. Erst sehr steil über die Geröllmassen des ehemaligen Gletschers, im weiteren Verlauf zum Glück über einen besser zu laufenden Pfad. Auf dieser Seite des Passes hat sich die Umgebung stark gewandelt, alles wirkt karg und farblos. Drei riesige Gletschermoränen ziehen parallel zu Tal, ein paar kleine Gletscherseen leuchten als einzige Farbtupfer in dieser monochrom anmutenden Landschaft.
Der Trekkerort Bimthang vor der mächtigen Kulisse des Phungi (6538 m).
Die Freude über den „Gipfelerfolg“ und das anhaltende Bilderbuchwetter geben uns Energie für weitere 1500 m talwärts, teils steil und geröllig, teils angenehm bedächtig bergab. Wir lassen uns viel Zeit zum Staunen, Sitzen und Genießen. Schulterhohe Steinmauern säumen den Weg, in der Ferne leuchtet schon das Annapurna Massiv. Die hellen Gipfel des Manaslu glitzern durch die lichten Nadel- und Rhododendronwälder und mit jedem Meter nach unten steigt das Thermometer. Zur Mittagsstunde verschwinden die langen Klamotten im Rucksack. Die Sonnencreme kommt wieder auf den nackten Armen zum Einsatz. Marion fällt heute die sehr schwere und traurige Entscheidung, das Kanchenjunga-Trekking, welches länger und aufgrund der Höhenmeter auch anspruchsvoller sein wird, nicht mitzulaufen. Geschwächt von einer Lebensmittelvergiftung schon in Kathmandu und ab 3500 m zusätzlich durch erste Anzeichen der Höhenkrankheit (starke Kopfschmerzen und Übelkeit), hat sie sich in den letzten Tagen mit zu wenig Schlaf und mangelnder Kalorienzufuhr durch die Berge geschleppt. Erst jetzt, unterhalb von 2800 m lassen die Beschwerden allmählich nach. Nun heißt es, viel telefonieren und neu organisieren: Die geplanten Erholungstage im Chitwan-Nationalpark kann „Thamserku Trekking“, unsere Agentur in Kathmandu zum Glück auf direkt nach der Manaslutour vorziehen. Ram, unser Guide kümmert sich beim ersten Handyempfang um Inlandsflüge, Transfers, Übernachtungen und Permitänderungen.
Beim Abschied von Bimthang liegt der Manaslu direkt vor uns, diesmal seine Nordwestflanke.
Eine Passage am Hang entlang mit mehreren groĂ&#x;en Erdrutschen - anscheinend alle in den letzten Tagen abgegangen - fĂźhrt uns die Gefährlichkeit des Treks und die nicht zu kontrollierende Natur dramatisch vor Augen.
In Dharapani trifft der Manaslu Circuit auf die viel begangene Annapurnarunde. Mit einem Mal heißt es, umschalten von seliger Ruhe auf emsige Betriebsamkeit. Trotzdem genießen wir die beiden letzten Tage. Mehr Trubel beschert schließlich auch mehr Eindrücke und Einblicke in die hiesigen Gepflogenheiten. Der Hinduismus hat im Tal des Marsyangdi Nadi längst wieder den Buddhismus abgelöst, breite Reisterrassen und Maisfelder dominieren die üppige Vegetation. Dazwischen der schon bekannte und beliebte wild wachsende Hanf das reinste Kifferparadies.
Für die letzte - wenig attraktive - Etappe nach Besishahar steigen wir ausnahmsweise in den öffentlichen Bus. Vollgestopft bis unter´s Dach, gleicht er auf der Rüttelpiste eher einem Schüttelbecher. Doch er schafft es nicht bis ans Ziel - was nicht seine Schuld ist! Diese muss ein entgegenkommender LKW, der halb in den Graben gerutscht ist, auf sich nehmen. So endet unser Manaslu Trek doch noch - ganz klassisch - mit 15 Minuten Fußmarsch. Hurra - geschafft!
Zeit zum
Relaxen
Der Chitwan Nationalpark ist der älteste Nationalpark Nepals. Mittendrin in malerischer Lage am Fluss, die Barahi Jungle Lodge. Für uns, von der Manaslu-Umrundung gezeichnete Trekker, ein wahres Paradies. Den Luxus von 24 Std. Strom, fließend heißem Wasser, sauberer Bettwäsche und einer herrlich weichen Matratze kann nur würdigen, wer schon einmal längere Zeit ohne auskommen musste.
Der Park, im Süden Nepals gelegen, grenzt an Indien und erstreckt sich über eine Fläche von ca. 1000 km2. Er gehört seit 1984 zum UNESCO-Weltnaturerbe. Als Heimat für mehr als 300 der letzten asiatischen, einhörnigen Nashörner Nepals, beherbergt der Park ebenfalls eine der größten Populationen der scheuen und seltenen Bengal-Tiger. Dazu gesellen sich Elefanten, Sumpfkrokodile, Leoparden, Faultiere, Axishirsche, Lippenbären, Wildschweine, Rhesus- und Langurenaffen. Wir gönnen uns eine AUSGIEBIGE Dusche (Marion die erste Haarwäsche seit drei Wochen), ein Bad im Pool und ein leckeres reichhaltiges Abendessen. Das angebotene Dal Bhat lehnen wir dankend ab und genießen die köstliche indische Küche mit ihren vielfältigen Gewürzen.
Der frühe Vogel ...! Ja, es lohnt sich! Nachdem der dekorative Nebel über dem trägen Strom sich aufgelöst hat, warten wir gespannt, welche Bewohner des Dschungels sich als erstes zeigen werden.
Nach der spannenden Elefantensafari durch über mannshohes Elefantengras und einigen Nashornsichtungen, haben wir noch das Vergnügen die Rüsseltiere zu waschen. Leider verstehen die Tiere bzw. ihre Pfleger, die Mahuts etwas anderes unter „Elefantenwaschen“ und so werden wir von den Dickhäutern ausgiebig geduscht. Doch nicht nur große Tiere fühlen sich in diesem Klima wohl, auch kleinere, wie Termiten, Frösche und Blutegel gehen auf Beutezug. Letztere sehr zu unserem Leidwesen. Die Tage vergehen viel zu schnell mit ausgiebiger Erholung und Auffüllen der Energiespeicher. Ganz auf der faulen Haut liegen wir jedoch nicht - kleine Ausflüge in die nähere Umgebung schaffen wir schon. Von den Einheimischen werden wir ein bißchen wie Exoten bestaunt, im Resort erfahren wir, dass nur selten Touristen die umliegenden Dörfer zu Fuß erkunden.
Wir sehen dies als sehr interessanten Einblick in die Lebensweise der Landbevölkerung, die in einfachen Bambus- oder Lehmhütten wohnt, den Misthaufen daneben und die Nutztiere darinnen.
Der große Stupa von
Bodnath
Auch Bodnath gehört, wie so viele andere Gebäude und Plätze in Nepal zum UNESCO-Weltkulturerbe. Der Stupa ist nach den vier Himmelsrichtungen ausgerichtet. Auf dem Sockel ruhen drei Terrassen in Mandalaform. Darauf erhebt sich eine 15 m hohe Kuppel. Die vier Ebenen symbolisieren die Erde, die Kuppel das Wasser. Die nächste Etage bildet der gemauerte Turm samt Krone. Diese beiden stehen für die Elemente Feuer und Luft. Die allgegenwärtigen Butterlampen versinnbildlichen das Licht von Buddhas Lehre, welches Herz und Geist der Menschheit erhellt. Am Abend brennen Tausende rund um den Stupa. Doch egal, ob Tag oder Nacht - dieser Stupa ist unser liebster Platz in Kathmandu.
Marion und ich freuen uns auf unseren letzten gemeinsamen Tag in Nepal. Heute Abend trennen sich unsere Wege für die nächsten vier Wochen. Sie fliegt zurück nach Deutschland, ich in den Osten Nepals.
Das Beste kommt zum Schluss: Auf den Besuch des großen Stupa von Bodnath freuen wir beide uns ganz besonders. Schon beim letzten Mal hat uns dieser riesige Platz mit dem imposanten Stupa in seinen Bann gezogen. Die Grundmauern wurden bereits im 5. Jahrhundert n. u. Z. gelegt. Da der Stupa schon vor Hunderten von Jahren versiegelt wurde, weiß niemand genau, was sich im Inneren
verbirgt, vermutlich befinden sich Reliquien und heilige Schriften darin. Die Ruhe und mystische Atmosphäre dieses heiligen Ortes stehen im krassen Gegensatz zum lauten und hektischen Treiben Kathmandus, das sich direkt außerhalb des Tempelareals abspielt. Die Energie ist allgegenwärtig. Hunderte von Pilgern, Mönchen und Gläubigen verrichten ihre Kora. Zusammen mit einer Handvoll Touristen
kreisen sie im Uhrzeigersinn bedächtig um das Heiligtum. Viele davon völlig in Gebete und rituelle Handlungen versunken - immer unter dem Blick der riesigen Augen auf dem goldfarbenen Turm. Auch wir danken, wie schon seit Jahrhunderten viele vor uns, an diesem mächtigen Platz für die gute und sichere Reise durch das Land. Über allem flatternde, bunte Gebetsfahnen, der Duft von Räucherstäbchen, Butterkerzen und
verbrennenden Opfergaben, die mit graublauen Rauchschwaden den Platz einhüllen. Akustisch ergänzt durch surrende Gebetsmühlen und das Gemurmel des omnipräsenten Mantras „Om mani padme hum“ - Oh du Juwel in der Lotusblüte. Buddhismus hautnah!
Auch dieser wundervolle Stupa wurde bei dem schweren Erdbeben im April 2015 stark beschädigt. Der gesamte Aufbau oberhalb der weißen Kuppel musste abgetragen und neu aufgebaut werden. Heute schauen die Augen wieder ungetrübt über den Platz. Familien im Sonntagsstaat, Tibeterinnen in ihren landestypischen, regenbogenfarben gestreiften Schürzen und Mönche mit Mani-Mühlen füllen den Platz.
Manche der Gläubigen umrunden den Stupa in Form von Niederwerfungen. Dazu falten sie zuerst ihre Hände, führen diese zu Stirn, Mund und Herz. In einer fließenden Bewegung folgt das Niederlegen auf Knie, Bauch, Brust, Mund und Stirn. Die Arme sind ganz ausgestreckt, die Hände liegen flach auf dem Boden. Dieser Vorgang wird hunderte Male voller Ruhe und Hingabe wiederholt, nichts und niemand kann sie dabei ablenken.
Der
Kanchenjunga
ruft
Von den Tibetern wird er als die „Fünf Schätze des ewigen Schnees“ bezeichnet. Unsere Trekkingagentur beschreibt das Basecamp des Kanch als „Festsaal des Himalaja“.So großartig beide Bezeichnungen auch klingen, so hinken sie doch dem nicht in Worte zu fassenden Eindruck gewaltig hinterher, den ich am Fuße des dritthöchsten Berges dieses Planeten empfand.
Aufregung - Vorfreude - ich sehe ihn schon - den Kanch! Meine Nase klebt am Fenster. Nur 45 Minuten Flug trennen Kathmandu von Bhadrapur und ich will einen ersten Blick auf die zahlreichen 6- bis 8-Tausender erhaschen (darunter neben dem Kanch auch Everest, Lhotse, Makalu und Janu), die ihre schneebedeckten Spitzen aus der Wolkendecke recken. Die Füße trippeln schon ganz unruhig, doch wer in Nepal trekken will, muss auch fahren. Vom äußersten Südosten auf nur 90 m ü. NHN kämpfen wir uns in zwei Tagen über Ilam, Taplejung nach Suketar auf 2420 m. Dabei summieren sich mehr als 10.000 gefahrene Hm bei der Durchquerung heißer Klimazonen, Darjeeling-Teeplantagen und jeder Menge Täler bis in die Ausläufer des Himalaya. Just an diesem Wochen-
ende neigt sich das Dashain-Fest dem Ende zu, überall winken Menschen an den Straßenrändern, in der Hoffnung eine Mitfahrgelegenheit zu ihren Verwandten oder nach Hause zu ergattern. Das „Dashain“ ist dem Nepali was uns „Westlern“ Weihnachten, Ostern und Erntedank zusammen. Mit stoischer Ruhe nehmen sie tagelange Anreisen mit Bus, Auto oder per pedes in Kauf. Jeeps, mit bis zu 18 Leuten völlig überladen, sind keine Seltenheit, wobei Stoßstange und Dachgepäckträger wie selbstverständlich als zusätzliche Stand- oder Sitzplätze genutzt werden.
Lange vor Sonnenaufgang beginnt der Horizont zu leuchten. Es wird noch Stunden dauern, bis die wärmenden Strahlen die tiefen Täler erreichen.
In der Lodge in Suketar treffe ich meinen Porter Shandra zum ersten Mal. Er entpuppt sich als 30-jähriger topfitter Nepalese und Kenner der hiesigen Region, kein Trail, den er nicht schon gelaufen wäre. Ram vervollständigt wie schon am Manaslu unser kleines Grüppchen. Das Kanchenjunga-Sanctury darf nur mit Sondergenehmigung und lizenziertem Guide betreten werden. 23 Trekkingtage und eine Hochgebirgslandschaft, die ihresgleichen sucht, liegen vor uns. Die meiste Zeit im Grenzgebiet zum indischen Bundesstaat Sikkim, wandern wir durch die Heimat der Rai und
Limbu (indigene ethnische Gemeinschaften). Da in dieser abgeschiedenen Gegend nicht überall mit einer festen Unterkunft zu rechnen ist, führen wir zusätzlich ein Zelt mit uns. Die Mahlzeiten nehmen wir in Lodges oder bei einheimischen Familien ein. Am nächsten Morgen heißt es endlich - Füße los! Die ersten Schritte von vielen, vielen tausend auf jedem neuen Trek bedeuten immer etwas Besonderes. Was wird mich erwarten? Doch gerade diese Ungewissheit macht den besonderen Reiz des Abenteuers Kanch-Trek aus.
Nur ein kurzer Marsch von gut zwei Stunden trennt uns vom ersten Tagesziel. Lali Kharka besteht aus einer Handvoll Häuser und bietet einen phantastischen Blick über das Tal. Die im Dorf lebenden Kinder verbreiten mit ihrer Ausgelassenheit eine entspannte Stimmung, während ich den ganzen Mittag in der Sonne sitze, den Blick weit schweifen lasse und die Natur atme. Die abgeschiedene Lage mit ihrer noch unverfälschten nepalesischen Gebirgskultur macht
den Reiz dieser Gegend aus und entschädigt für so manch anspruchsvollen Abschnitt dieser Zelttrekkingtour.
Vor dem Abendessen schlürfen wir ein paar Becher eines ungewohnten hausgemachten Gebräus. „Tongba“ ist fermentierte Hirsemaische, die mit heißem Wasser aufgegossen und mit einem Strohhalm getrunken wird. Ein recht beliebtes Getränk in dieser Gegend, wie ich bald feststellen werde. Wohin ich auch komme, die Tongbakrüge stehen schon bereit. Es braucht ein paar Versuche, um mich mit dem alkoholischen, leicht süßlichen Geschmack anzufreunden, aber im Laufe der folgenden Abende wird es mehr und mehr zu einer angemessenen „Belohnung“ für einen erfolgreich verlaufenen Trekkingtag. Die Reste der Maische bekommen
- zumindest in dieser Unterkunft - die Ochsen. So wird nichts verschwendet und alle haben ihr Vergnügen. Ab und an sieht man noch Frauen - wie meine Gastgeberin in der heutigen Lodge - mit dem traditionellen nepalesischen goldenen Nasenschmuck, namens „Bulaki“, der in manchen Fällen bis über die Oberlippe hängt. Ein Schmuckstück, das insbesondere verheiratete Frauen aus der Volksgruppe der Limbu tragen.
Es ist schwülheiß, mein Wanderhemd bereits nach der ersten halben Stunde klatschnaß. Seit fünf Tagen bewegen wir uns durch die verschiedenen Vegetationszonen gen Norden, jedoch ohne nennenswerten Höhengewinn, da wir - mal wieder - „Nepali-Flat“ laufen. Heute erreichen wir Yamphudin, auf gerade mal 2080 m gelegen. Meine Beine signalisieren am Tagesende jedoch eher „Nepali-Steep“. Rhododendronwälder, kleine Orte mit bunten Bauernhäusern, reich bepflanzte Gärten und landwirtschaftliche Nutzflächen prägen die Ausläufer der Kanch-Region. Als Nahrungsmittel dienen Getreide, Kartoffeln, Reis und Mais. Gute Ernten und die vielen Gurkhas (Soldaten im Dienst der britischen Armee) aus dieser Gegend, geben dem Tal einen bescheidenen Wohlstand. Alles erscheint sauber und gepflegt in dieser idyllischen Hügellandschaft. Nach den ersten Tagen übernimmt Kardamom die Vorherrschaft beim Anbau.
Er wird an der Luft oder in großen Lehmöfen getrocknet. Erst jetzt treffe ich andere Europäer auf der Route. Dieser abgelegene Teil des Himalaya ist deutlich weniger begangen als die Klassiker Everest und Annapurna. Nur etwa 1000 Trekker pro Saison erkunden die Kanch-Region. Zum Vergleich die Zahlen des nepalesischen Tourismus-Ministeriums: Auf dem sogenannten „Apple-Pie-Trek“, sprich der Annapurna Runde sind jährlich etwa 144.000 Trekker unterwegs, auf dem von uns letzten Monat begangenen Manaslu-Circuit immerhin noch 5745 Trekker.
Die gemächlich dahintrottenden Yaks scheint die Umgebung nicht zu interessieren. Shandra hingegen kennt, liebt und genießt seine Heimat. Leichtfüßig und schnell transportiert er mein Gepäck über die Berge.
Hoch droben, kurz nach der Passhöhe Lasiya Bhanjyang (3310 m) komme ich zum Verschnaufen - Etappe geschafft! Schweißtreibende 1800 Hm lassen meine Beinmuskeln im wahrsten Sinne des Wortes sauer werden. Der Ausblick mit herrlicher Tief- und Fernsicht entschädigt jedoch vielfach für die Plagerei des Aufstiegs. Nass von oben gab´s bisher nur einmal, nämlich gestern in Form eines kurzen, heftigen Regengusses. Allein einige Blutegel, die sich in unsere Waden verbissen haben, zeugen noch von der Restfeuchtigkeit. Eine kleine Hütte im Nirgendwo auf einer YakAlm entpuppt sich als Heimat einer 5-köpfigen Familie. Ihre Lebensbedingungen als einfach zu bezeichnen, wäre schlichtweg stark übertrieben. Durch die breiten Ritze in der Bretterwand pfeift der Wind, die offene Feuerstelle in der Mitte des einzigen Raums muss ohne Rauchabzug auskommen, was jeglichen Sichtkontakt zu unseren herzlichen und überaus zuvorkommenden Gast-
gebern schnell zunichtemacht. Drei vergnügte Kinder - zwei von ihnen verabschieden sich nach den Dashain-Ferien wieder ins Tal zur Schule - bieten willkommene Unterhaltung. Wir bringen uns, in Ermangelung meines Nepalesisch und aufgrund ihrer geringen Englischkenntnisse, gegenseitig Pfeifmelodien bei. Beneidenswert, welche Unbeschwertheit sie trotz schwierigster Lebensbedingungen an den Tag legen. Nach dem anstrengenden Tag mit leckerem Abendessen krieche ich gut durchgeräuchert in meinen Daunenschlafsack. Der Wind rüttelt an der Zeltwand und ich schlafe wie ein Murmeltier. Der nächste Morgen beschert mir eine „erfrischende“ Überraschung: Leise rieselt der Schnee - als gefrorenes Kondenswasser auf mich herab und als dünner Eispanzer von den Außenwänden. Das fröhliche Pfeifkonzert der Kinder draußen vor dem Zelt lockt mich – trotz Kälte – aus meinem Schlafsack.
Gleichgesinnte beim „Wintercampen“: Eine Gruppe Neuseeländer zieht es ebenfalls zum Pang Pema.
Über Yakalmen in Richtung Kanch. Kabru und der pyramidenförmige Rathong weisen den Weg.
Wie lange bin ich schon unterwegs? – Wo waren wir gestern nochmal? Langsam beginnen die letzten Tage zu verschwimmen. Mal kurz, mal lang, anstrengend, anspruchsvoll, beeindruckend, ganz entspannt, abwechslungsreich, vorbei an knorrigen Bäumen, einfamilienhausgroßen Findlingen, ein Bächlein mäandert über eine Alm, ein Wasserfall stürzt von hoch oben herab, fahnengeschmückte Naturtempel ein Stück weiter ... Jeder Tag ist dem anderen so ähnlich und läßt mich doch immer wieder staunen und bringt beständig Neues. Trotz all der Schönheit ist der Blick stets auf den nächsten Tritt konzentriert. Holprige, steinige und geröllige Wegabschnitte sind die Regel und ein verknackster Knöchel wäre das Letzte, was ich mir in dieser abgelegenen Gegend vorstellen möchte. Die auf den Bäumen wachsenden Epiphyten kennt nicht jedermann, das weit verbreitete Edelweiß am Wegesrand dagegen fällt uns Kanch-Nomaden gleich ins Auge und lässt uns unwillkürlich an die 7000 km entfernte Schweiz denken. Der gewaltigen Moräne des Yalung-Gletschers zu unserer Rechten folgend, geht es bedächtig Richtung Ramche. Weit öffnet sich der Blick auf den eisgepanzerten Kabru (7415 m), davor der Gipfel des Rathong (6682 m).
Ruhe
am Berg Yak-Alm Ramche leichter Schneefall die Daunenjacke sitzt! Zwei Paar Socken und die Wärme in meinem Schlafsack erhöhen das Wohlgefühl an diesem Nachmittag im Zelt beträchtlich. Noch vor einer Stunde stand die Sonne am blauen Himmel, jetzt verharren wir inmitten einer dunklen Schneewolke. Bei diesen Sichtverhältnissen macht es keinen Sinn Richtung Basecamp aufzubrechen. Als das Weiß von oben allmählich nachlässt, steigen Ram und ich auf die gewaltige Seitenmoräne des Yalung-Gletschers. Der kurze, steile Anstieg bringt den Puls zum Rasen, zu wenig Sauerstoff kommt in der Beinmus-
kulatur an - kein Wunder, befinden wir uns doch immerhin auf der Höhe des Mont Blanc, seines Zeichens höchster Berg Europas. Der Ausblick ist phänomenal: Auf vom Gletscher zurückgelassene Schuttberge und Eiskrater in gigantischer Größe und Ausdehnung. Ich versuche, mir die schiere Kraft des Gletschers vorzustellen, solche Gesteinsmassen überhaupt zu bewegen, scheitere jedoch damit. Bildlich gesprochen: Ich stehe mit offenem Mund vor diesem Wunderwerk der Natur. Der Besuch einer Herde Blauschafe (eher den Ziegen als den Schafen zuzuordnen) an der Hütte und ein farbenprächtiger Sonnenuntergang runden den Tag auf 4580 m ab. Im See nebenan spiegelt sich der Rathong im letzten Tageslicht.
Eingepackt in alle verfügbare Kleidung, geht mit den ersten Sonnenstrahlen am Berggrat eine klirrend kalte Nacht allmählich zu Ende. Es wird sicher noch mehr als zwei Stunden dauern, bis die Sonne meinen Zeltplatz erwärmt. Thermoskanneninhalt und meine Wenigkeit befinden sich im selben Aggregatzustand - durchgefroren. Perfekt zum Aufwärmen und Zeitüberbrücken bis zum Frühstück: Die erneute Besteigung der Gletschermoräne, denn von diesem Ausblick dort oben kann ich einfach nicht genug bekommen. Zurück im Lager steigern eine Tasse Kaffee und das obligatorische Trekker-Tsampa das Wärme- und Wohlbefinden schon fast bis zur Ekstase. Mit kleinem Tagesgepäck starten wir Richtung Sonnenschein und Kanch Base Camp South.
Base Camp
South Die fünf Gipfel des Kanchenjunga alle über der magischen 8000er Grenze.
Am frühen Vormittag erreichen wir den Aussichtspunkt Oktang, 4730 m hoch auf einer Alm gelegen mit Rundumblick auf die zackigen Eisriesen der 6000 - 8000er. Der Gipfel über der imponierenden Südwand des Kanch liegt mit 8586 m weitere 3900 m über uns. Die Dimensionen sind unbeschreiblich. Keine Menschenseele da außer uns, nur ein paar Blauschafe stehen dekorativ am Berghang und runden das Bild ab. Zeit und Muße bei strahlendem Sonnenschein und mittlerweile freundlichen Temperaturen das Panorama in uns aufzusaugen, den Blick auf die gewaltigen Felsen vor uns geheftet. Nach mehr als einer Stunde „Bergrausch“ trennen wir uns schweren Herzens von diesem besonderen Fleckchen Erde.
Oktang - ein aus Ästen und Steinen gebauter Altar auf der Gletschermoräne vor der Kanchenjunga-Südwand. Er ist reich geschmückt mit Opfergaben und den bunten, mit Mantras bedruckten Gebetsfahnen, die die Wünsche der Gläubigen hinaus in die Welt tragen. Für mich einer der spektakulärsten Plätze dieser Reise. Nach diesem lohnenswerten Abstecher laufen wir gegen Mittag zufrieden den leicht abschüssigen Weg zurück nach Tseram.
Ein letzter Blick zurĂźck auf die Berge Kabru und Rathong mit dem Yalung-Gletscher.
Soweit der Blick reicht ....
.... Unendlichkeit
Magische Stimmung am Selele-Pass auf 4480 m: Abgesehen vom Knattern der Gebetsfahnen im Wind ist die Stille so greifbar, so allumfassend rein und friedlich, dass ich sie zum Konservieren in meine Thermoskanne fĂźllen mĂśchte, um in Zeiten von Stress oder Hektik daraus Energie tanken zu kĂśnnen.
Die Pässe „Sinion La“ und „Selele La“ mit jeweils etwa 4650 m Höhe, verbinden Tseram mit dem Ghunsa-Khola-Tal. Sehr steile Abschnitte auf dem Pfad zum ersten Übergang lassen uns schnell an Höhe gewinnen. Der Lohn sind erhebende Ausblicke in die Weite des Himalaya. Gleich drei Achttausender – Makalu (8485 m), Lhotse (8516 m) und Everest (8848 m) - grüßen aus der Ferne. Verblocktes und gerölliges Gelände beim Abstieg zwingt den Blick jedoch unweigerlich nach unten.
Mit seinen blauen Dächern harmonisch in die Gebirgswelt eingebettet: Ghunsa, die höchste ständig bewohnte Siedlung in diesem Tal.
Die Zeit des morgendlichen Zähneputzens verbringen die Nepali gerne bei einem Schwatz auf der Straße. Wird die Aussprache durch den Zahnpastaschaum zu undeutlich, spetzen sie ganz ungeniert in weitem Bogen auf den Boden. Auch das lautstarke Räuspern und Ausspucken - wo auch immer man steht oder geht - gehört bei Männlein wie Weiblein anscheinend dazu.
Wenn es darum geht, Gegenstände jedweder Art in der Gegend herumzutragen, sind die Nepali unschlagbar. In Ermangelung von Fahrzeugen stellt sich die nötige Übung zwangsweise ein. Einen Baumstamm dieser Größe bekomme ich sicherlich nicht einmal vom Boden weg. Der junge Mann läuft damit scheinbar leichtfüßig den Berg hinauf zu seinem Dorf.
Der Buddhismus ist eine mir sympathische Religion. Man glaubt nicht an den einen Gott, sondern strebt danach, allen Lebewesen wohlgesonnen zu sein. Das eigene Glück liegt somit im Glück der Anderen.
Die scharfen weiĂ&#x;en Zähne der Berge nagen am strahlend blauen Himmel. Zur Linken die erhabene Nordwand des Jannu mit seinem markanten 7711 m hohen Gipfel.
Das einsame Leben
Vom Sommerort Kambachen geleitet uns der Weg meist über einen mit Gras bewachsenen Streifen zwischen Gletscher und Berghang. Ein paar knifflige Um- und Übergehungen von Erdrutschen erschweren den sonst einfachen Weg erheblich. Mit jedem Schritt, den wir weiter Richtung Pang Pema kommen, dreht sich die Zeit gefühlt zurück.
Die kurze Rast in einem Camp der Yakhirten auf ihrer sonnigen Alm tut gut. Der Tee, aus Gletscherwasser zubereitet, schmeckt bei dieser Aussicht noch besser. Die Hirten führen ein einsames und schlichtes Leben in diesem unberührten Hochtal. In ihrem Alltag hat sich bis auf den Besuch von ein paar Bergwanderer seit Generationen kaum etwas verändert.
auf dem Dach der Welt
Mittig Ăźber dem Tal leuchtet der Pyramid Peak (7123 m) und zieht uns wie ein Magnet den Gletscher entlang weiter in die raue Bergwelt. Sein Felsmassiv - rechts oberhalb des blauen Zeltdachs - markiert schon die Grenze zu Indien.
Die kleine Familie lebt zufrieden ihr einfaches Leben und pflegt eine nahezu völlig unberührte Kultur. Die sonnenverbrannte Haut zeugt von einem Outdoor-Leben über 4500 m.
Die Gletscher von Pandra (6850 m), Loshar I (6466 m) und Tsisima (6196 m) bringen feinsten Sand ins Hochtal von Lhonak.
Traumhaft gelegen: Die Alm Lhonak auf 4780 m.
Die vom Gletscher heraufziehenden Wolken lassen gerade noch ein Fenster frei fĂźr einen Blick auf den in der Sonne leuchtenden Berggrat des Jaho (6415 m) und den Gipfel des Wedge Peak (6802 m)
Über Wiesen entlang des Kanchenjunga-Gletschers, voraus Nepal Peak (7177 m) und Kirat Chuli (7362 m). Trotz der geringen Höhendifferenz von 363 m zwischen Lhonak und Basecamp, sammeln wir fleißig Höhenmeter. Erdrutsche und Geröllrinnen erfordern kräftezehrende Umgehungen.
Die Atmung beschleunigt sich, das Gehtempo nimmt proportional dazu ab. Kurzum, durch die vielen Verschnaufpausen habe ich Zeit, die unglaubliche Bergwelt in mich aufzusaugen und genieße dabei das mannigfaltige Farbenspiel der Natur.
Da zu unserer Rechten die steil aufragende, komplett vereiste Nordwand des Wedge Peak einen ersten Blick auf den Kanchenjunga während der gesamten Etappe verwehrt, verschlägt es mir den - restlich vorhandenen - Atem, als kurz vor dem Pang Pema die Nordwand des Kanch unvermittelt hinter der steil abfallenden Bergkante auftaucht (nächste und übernächste Seite).
Gleich einer riesigen Staumauer ragt die massive Wand des Wedge Peak (6802 m) neben uns auf.
An der Grenze zwischen Himmel und Erde, am Fuße des Kanchenjunga scheint das Universum ein gutes Stück näher zu rücken. Wohnort zahlreicher Götter und Highlight für Berg-Enthusiasten gleichermaßen.
Pang Pema Im Festsaal des Himalaya „Sie haben Ihr Ziel erreicht“ Der große Moment ist da. Ich habe es tatsächlich bis in das Basislager des Kanchenjunga geschafft. Ein Traum wird für mich wahr. Überglücklich nach 45 Tagen in Nepal an diesem idyllischen Platz angekommen zu sein. Ich ziehe mir alle verfügbaren Klamotten an und setze mich für Stunden vor die kleine Schutzhütte. Ein knallblauer Himmel über den mit zarten Schneefahnen umwehten Gipfeln, dazu die saubere, klare Luft und wärmende Sonnenstrahlen. All das übertrifft meine doch sehr hohen Erwartungen, die ich auf diese Tour gesetzt habe bei weitem. Es ist einfach nur schön hier! Der Rastplatz Pang Pema befindet sich auf einer von Gras bewachsenen, terrassenartigen Ebene auf einer Höhe von 5143 m, die „Fünf Schätze des ewigen Schnees“ erheben sich um weitere 3443 m. Eine mit Gebetsfahnen geschmückte Gedenktafel erinnert an die Opfer, welche der Berg zu sich gerufen hat. Bis ins Jahr 1852 galt der Kanch gar als der höchste Berg der Erde. Erst durch moderne Berechnungen wurde er von Mt. Everest und K2 auf den dritten Platz der „Höchsten“ verdrängt.
Eine Welt aus Fels und Eis: Die Nordseite des Kanchenjunga mit ihren gewaltigen, mehrere hundert Meter dicken Eisbalkonen.
Während eine chinesische Reisegruppe sich den wochenlangen Aufstieg erspart und nur zu einer Stippvisite in Lhonak vorbeischaut, machen wir uns wieder zu Fuß auf den Weg, denn der Himalaya will erwandert werden. Im respektvollen Abstand geht es vorbei an ruhenden Yaks. Diese imposanten, über eine Tonne schweren Vierbeiner wirken trotz ihrer scheinbaren Trägheit doch immer etwas bedrohlich auf mich.
Nach einer langen Etappe kommen wir wieder zurück in das Sherpadorf Ghunsa. Die Schüler der hiesigen Dorfschule empfangen uns Wanderer mit Tanz und Gesang. So klingt der Tag harmonisch mit einem Becher Tongba und dem besten Yaksteak der Welt aus. Am nächsten Morgen erneuter Gesang, diesmal mit Trommelmusik. Heute ist einer der zahlreichen Feiertage in Nepal, die eine gute Gelegenheit bieten (wie wohl auf der ganzen Welt), sich schon zu früher Morgenstund ein paar Gläschen Schnaps zu gönnen. „Tihar“ - das Lichterfest wird fünf Tage lang gefeiert und ehrt Krähe, Kuh, Ochse, Hund und auch den Bruder. Diese vier lustigen Gesellen ziehen samt ihrer musikalischen Künste durch den Ort, um reichlich gute Laune zu verbreiten und Alkoholbestände zu dezimieren.
Ein schöner Weg mit streckenweise ausgesetzten Passagen führt entlang der Hänge der Flüsse Ghunsa Khola und Tamor Nadi.
Einige Tage steilen, gerölligen Abstiegs bringen uns dem Tiefland näher. Wackelige Bambusbrücken und glitschige Baumstämme helfen bei der Überquerung vieler Bachläufe. Manch ausgesetzte Passage hat mir noch mal alles abverlangt. Ich bin nun seit insgesamt sieben Wochen unterwegs und dennoch täglich von Neuem begeistert. Egal, ob von den Menschen selber, ihrer Lebensweise oder von Natur und Bergwelt, es ist und bleibt ein Fest für die Sinne.
Besondere Erwähnung und Dank verdienen an dieser Stelle die Herzlichkeit und der durchweg freundliche Empfang meiner nepalesischen Gastgeber. Sie gaben mir jederzeit das Gefühl, nicht nur willkommen zu sein, sondern auch, dass es für sie eine Ehre war, mich in ihrer Lodge aufnehmen und verköstigen zu dürfen.
Durch kleine Dörfer nähern wir uns allmählich der Zivilisation. Das erste Auto nach so vielen Tagen kündigt das nahende Ende der Tour an.
In den Lodges traf ich in den letzten Wochen Trekker aus aller Herren Länder. So manchen schönen Abend verbrachte ich mit ihnen und hörte Geschichten, die nur erlebt, wer selbst das Abenteuer sucht oder zumindest zulässt. Geeint hat uns alle das Interesse, fremde Kulturen kennenzulernen, die Freude, die eigenen körperlichen Grenzen auszuloten und die Begeisterung für die Hochgebirgslandschaft des Himalaya. Viele davon Nepalreisende der ersten Stunde. Darunter ein älteres Pärchen, das seit 40 Jahren regelmäßig in den Himalaya kommt. Die beiden tragen ihr Gepäck selber, nur der vorgeschriebene Guide begleitet sie. Ein alleinreisender Amerikaner, der nach diesem Trip noch Thailand und Neuseeland erkunden will. Er lässt sich dafür ein Jahr Zeit. Eine Familie aus Kanada, die mit ihren zwei halbwüchsigen Kindern unterwegs ist. Ein österreichisches Paar, das weltweit eindrucksvolle Fotoreisen unternimmt, um danach mit ihrer Show samt Livemusik auf Multimediatournee zu gehen. Viele außergewöhnliche Menschen kreuzten meinen Weg, deren Individualität und Elan mich ebenso beeindruckten wie die Nepalesen mit ihrer Lebensfreude und Gastfreundschaft.
Im quirligen Bhadrapur Kaum im geschäftigen Bhadrapur angekommen, vermisse ich schmerzlich die Ruhe und vor allem die klare Luft der Berge. Das Gewimmel aus vollgestopften Tuk-Tuks, hochbeladenen Lastenfahrrädern und LKWs strapaziert alle Sinne. Trotz Abgasen und Straßenlärms durchstreife ich den ganzen Tag die Stadt, um dem exotischen Treiben auf Märkten, Straßen und in Klosterhöfen zuzusehen.
Hier trifft Vergangenheit auf Gegenwart, Leben auf Tod, die mystische Welt der Götter auf das 21. Jahrhundert. Pashupatinath gilt als wichtigstes Heiligtum der hinduistischen Welt. Wer hier verbrannt wird, dessen Seele geht mit der Asche über den heiligen Fluss Bagmati - ohne den Umweg der Wiedergeburt - direkt zu Gott Shiva. Der Fluss selbst ist eine stinkende Kloake, verschmutzt mit Müll, Industrieabwässern und Exkrementen, was jedoch viele Kinder nicht davon abhält, in der Brühe zu plantschen und unter den Brücken nach Geldstücken zu tauchen, die von Einheimischen und Touristen als Opfergabe erbracht werden.
Der Körper dient dem gläubigen Hindu nur als vorübergehendes Heim für seine Seele. Das reinigende Feuer erlaubt dieser, den Körper zu verlassen. Der in orangene Tücher gewickelte Leichnam wird am Ufer aufgebahrt und betrauert, dann mit rotem Henna bestreut, zur Verbrennungsstätte getragen und dem Feuer übergeben. Räucherstäbchen, die allerorten brennen, sollen die Götter gnädig stimmen, um den Toten ins Nirvana aufzunehmen. Die Asche gelangt mit dem Wasser des Bagmati zu guter Letzt in den heiligen Ganges.
Eine neue Generation hochmoderner Sadhus oder doch nur für Touristen verkleidete „Fotomodelle“?
Ein letztes Mal zieht es mich in die Straßen von Kathmandu und ich sauge diese unvergleichliche Großstadtatmosphäre in mich auf, die so schrill, bunt, staubig, laut und vielfältig ist. Das Leben dieser fast zwei Millionen Menschen findet im Freien statt: Ob beten, Wäsche waschen, Zähne putzen, schwatzen, Haare schneiden, essen oder Müll verbrennen. Beim Anblick des Zahnarztschildes freue ich mich über meine gesunden Zähne.
Quirliges Treiben auch am Durbar-Square. Einheimische, Touristen, Götter und Sadhus treffen aufeinander, um die erhabene Pracht des alten Königsplatzes zu bestaunen, der den Status eines Weltkulturerbes innehat. Teils sind die Schäden des schweren Erdbebens von 2015 schon behoben, an vielen Tempeln und Palästen jedoch wird, vor allem durch ausländische Spenden finanziert, noch kräftig gearbeitet.
Die Stadt gleicht einem riesigen Museum, funktioniert als Schmelztiegel der Kulturen, ist reich an historischer Architektur und mythenreichen Geschichten, ergänzt durch jede Menge Zeremonien und Feste, alles zum Mitmachen und Anfassen. Inmitten der majestätischen Pagoden des Durbar-Square steht die drei Meter große, schwarze, sechsarmige Steinstatue von Kala Bhairava („Die Furchteinflößende“). Sie ist eine Erscheinungsform Shivas, in ihrer zerstörerischen Form. Die Kinder lassen sich von ihr jedoch keine Angst einjagen.
Das Ăźbliche Verkehrschaos in der Innenstadt. Selbst mit dem Moped geht nichts mehr.
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