Der Unterschied ist dramatisch - Warum Gin in der Barszene die Hauptrolle spielt

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Three measures of Gin, one of vodka, half a measure of Lillet. Shake it over ice, then add a thin slice of lemon peel. Casino Royale (UK/AUT 2016): Herbert Reinhardt, Del Fabro (007), Coline Girardeau, Diageo (Vesper), Lukas Wesselich, Del Fabro (Le Chiffre), Rafael Topf, Del Fabro (Felix Leiter), Erich Wassicek, Halbestadt (The Bartender)

Der Unterschied ist dramatisch Warum Gin in der Barszene die Hauptrolle spielt Gin ist nicht einfach nur ein Szene-Trend. Gin ist Charaktervielfalt. Dank seines schier unerschöpflichen Repertoires machen ihn Produzenten zum Dauerbrenner. Und viele Regisseure der Barszene zum weltweiten Publikumsmagneten, der für immer beachtlichere Einspielergebnisse sorgt. von Rafael Topf

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Ein Appletini. Mit einer großen Scheibe Pink Lady. Schon 1953 war Ian Fleming klar, dass er für seinen Roman einen zeitlosen Cocktail kreieren musste.

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ls bekennender Gin-Enthusiast und passionierter Cineast stell- Gimlet, Tom Collins, selbst beim so italienischen Negroni und in te ich mir unlängst die Frage, warum Gin im wahrsten Sinne vielen neuen Signature-Kreationen – ist die gefeierte Spirituose des Wortes aus der Barszene nicht mehr wegzudenken ist. Der ers- der Protagonist. Wer sich dafür etwa auf Wodka beschränkt, bringt sich um kunstvolle Feinheiten. ten Eingebung folgend, schien es mir, Denn mit nuancierten Untertönen läuft als gäbe es durchaus einige gute MoGin im Dialog mit den anderen Akteumente, in denen ein Gin-Drink wohl die ren im Glas zur Höchstform auf. Und beste Wahl ist. Doch bald fiel mir kaum damit nicht genug: Angesichts der eine Szenerie ein (vom Wilden Westen enorm reichhaltigen Bandbreite des einmal abgesehen), in der Gin unangeCharakterdarstellers bringt sogar ein bracht wäre. Gleich zu welcher Zeit und derselbe Gin-Drink bei wiederholoder an welchem Ort der Handlung tem Genuss völlig neue Facetten zum man sich befinden mag: Seine tragende Erich Wassicek, Halbestadt Bar Ausdruck. Rolle als Basis-Spirituose ist für das Publikum stets tages- und abendfüllend – Doch wie erklärt sich seine nicht enden und bleibt immer spannend. wollende Popularität? Was ist eigentlich das Geheimnis seines TaDie Ikone der Barszene lents, das ihn kometenhaft in die Liga der Topverdiener katapulIn etlichen Klassikern – allen voran im Dry Martini, aber auch im tierte? Auf der Suche nach dem tieferliegenden Charaktermerkmal

Gin-Cocktails können die Leichtigkeit einer Wolke haben oder die Strenge der Schwiegermutter.

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Nochmal zwei Dry Martini. Geschüttelt - nicht gerührt. Skyfall (UK/AUT 2016): Herbert Reinhardt, Del Fabro (007), Alexandra Bisanz, Diageo (Sévérine), Stefan Bauer, The Bank im Park Hyatt (The Bartender)

für Verwirrung, wenn sie bei österreichischen oder deutschen Produktionen auftaucht. Mit der britischen Hauptstadt hat diese Kategorie nämlich nichts zu tun, vielmehr wird so ein ProduktiLost in Translation: Welchen Gin meinen Sie denn? onsverfahren bezeichnet, bei dem die Aromen nur während der Gin spielt nie sich selbst. Und da reden Destillation beigefügt werden dürfen. wir noch gar nicht von geschmacklichen Zuckerzusatz, wie er für den „Old Tom Unterschieden, lediglich von der ProGin“ charakteristisch ist, bleibt bei eiduktion. Destillation von neutralem Alnem „London Gin“ verboten. Doch kohol, der meist über Geistkörbe mit schon wieder führt uns der HauptdarAromastoffen geleitet wird, steht hinter steller auf die falsche Fährte: Süß und den meisten Produkten. Doch auch der würzig sowie mit einer Mindeststärke „Compound Gin“, deutlich einfacher von 41,2 % trägt allein der „Plymouth Alexandra Bisanz, Diageo herzustellen als die „Distilled Gin“, hat Gin“ eine wirkliche „Ursprungsgaranin der Geschichte der Spirits eine intertie“. Er muss aus der Hafenstadt stammen und führt nicht nur ein Schiff auf dem Etikett, sondern war essante Rolle gespielt. Unter dem vielsagenden Synonym „Bathtub Gin“ wurde er – wie heute noch viele Ansatz-Schnäpse für den lange der Navy Gin der britischen Marine. Heimgebrauch – während der US-Prohibition vielfach illegal er- Als „Sloe Gin“ hat er auch einen Auftritt. Doch bei näherer Bezeugt, um weiter am Gin & Tonic nippen zu können. trachtung entpuppt er sich nicht als Gin im engeren Sinn, sondern als ein mit Schlehen erzeugter Likör auf Gin-Basis. Seine WiedeWeit wichtiger ist aber die Bezeichnung „London Gin“. Sie sorgt rentdeckung war eine der Folgen der steigenden Popularität des dämmerte mir bald: Es gibt nicht eines, sondern viele – und selbst die sind vielschichtig.

Gin ist das „kleine Schwarze“ der Barszene: Ein Klassiker, der immer passt.

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Der Unterschied ist dramatisch

Ein Latin Lover und einmal Sex on the Beach für die Lady. Manche Dates können tödlich enden. Einige sind es von Anfang an.

Gins in der Barszene. Zuvor kannte man den „Schlehen-Gin“ fast nur auf den britischen Inseln und schätzte ihn vor allem in der Rolle des Begleiters von Gans oder Truthahn.

Kollegen, dem Aquavit, beginnt nun aber das eindrucksvolle Spiel der Botanicals.

Wir halten also fest, dass schon in den Anfängen der Gin-Werdung dramatische Unterschiede vorliegen. Anders als bei anderen Akteuren – sei es Traubenbrand wie der Cognac, die Zuckerrohr-Spirituose Rum oder Whisky, der aus einem oder mehreren Getreiden besteht – ist Gin nämlich auf kein Ausgangsmaterial festgelegt. In Europa ist lediglich der Alkoholgehalt von 96 % für „Distilled Gin“ vorgegeben sowie der landwirtschaftliche Ursprung des verwendeten Ethylalkohols – das könnten also etwa Kartoffeln sein, aber auch Weizen- oder Roggen. Geboren wird der Gin also gewissermaßen als Wodka. Der wird allerdings meist auf weitgehende Geschmacksneutralität hin destilliert. Beim Gin wie auch bei seinem nordischen

Während in Skandinavien Kümmel und Dill den Spannungsbogen bestimmen, wird seit den Tagen des holländischen Genevers stets Wacholder mit der Titelrolle besetzt. Gemäß Vorschrift muss sein herber Charakter vorherrschend sein. Mit den kleinen schwarzen Kugeln, die botanisch als Zapfen des Strauchs gelten, balanciert Gin auch Süße aus – ein Charakterzug, den die Barszene gerade wiederentdeckt: „Halbestadt“-Chef Erich Wassicek etwa sorgt mit einem auf den ersten Blick unmöglichen Gin-Drink gerne für ein Überraschungsmoment bei seinem Publikum. Der Plot: „Princess Mary“ wurde in den 1920ern bei einer britischen Adelshochzeit uraufgeführt und besteht aus Creme de Cacao, Obers und Gin.

Der Titelheld und die Charakterrollen

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François, bringen Sie uns bitte zwei Negroni. The Swimming Pool (F/IT/AUT 2016): Lukas Wesselich, Del Fabro (Jean-Paul), Anna Nhim, Del Fabro (Marianne), Christof Habres (The Housekeeper)

„Trotz der Zutaten ist der Cocktail aber nicht cremig süß, sondern hat die Leichtigkeit einer Wolke“, verrät Wassicek und betont die beachtliche Vielseitigkeit des vermeintlich nur mit Tonic auftretenden Gins.

Besetzung durch die immer wieder als Botanicals eingesetzte Cassia-Rinde, Engelwurz (Angelika), Zimt, Oris Wurzel oder Paradieskörner.

Clevere Produzenten und einfühlsame Regisseure

Limitierungen auf das kanonische Rollen-Repertoire von KräuRund um den Wacholder als Titelheld beleben weitere, längst klastern, Wurzeln, Samen und Blüten gehören sische Charakterrollen den Stoff, aus dem die aber spätestens seit den Produktionen des Träume sind: Zitrusfrüchte harmonieren mit „New Western Gin“ der Geschichte an. Dieseinen herben Untertönen und schaffen gleichser Trend, der gerne mit der mediterranen zeitig einen frischen Kontrast. Niemals spielt Kräuter-Bombe „Gin Mare“ oder dem florader eine den anderen selbstsüchtig an die len „G Vine“ auf Traubendestillat-Basis verWand. Meist handelt es sich bei den Usual bunden wird, hat längst die internationale Suspects um eine Mischung aus Orangen- und Brennerszene erfasst. Die darstellerische Zitronenschalen, in jüngster Zeit kommt auch Lukas Wesselich, Del Fabro Bandbreite reicht von der unverkennbaren Grapefruit zum Einsatz – so etwa bei BeefeaPreiselbeer-Note des „Monkey 47“ aus dem ters Premiumversion „24“ oder beim „East London Gin“. Für Bombay Sapphires „Star of Bombay“ wiederum Schwarzwald, die aus den 47 Botanicals herausragt, bis zur Mitkommt die aus dem Earl Grey-Tee bekannte Bergamotte in den telmeerpflanze Zistrose, die dem ebenfalls deutschen „Gin Sul“ Brennkessel in Laverstoke. Ebenfalls erweitert wird die illustre seine Eigenart verleiht. Mittlerweile ist das Casting neuer Kräu-

In der Barszene ist Gin nicht alles. Aber ohne Gin ist alles nichts.

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Der Unterschied ist dramatisch

François, für mich einen Sommerspritzer und für die Dame einen Swimming Pool. Wären unter diesen Vorzeichen Romy Schneider und Alain Delon damals auch privat ein Paar geworden?

ter-Ensembles so weit professionalisiert, dass man bereits von Regional-Gins spricht.

dere als die mit Zitrusfrüchten erzeugte – schließlich wollte Poli auch das „Aroma eines Waldspaziergangs“ einfangen.

Speziell die Traumfabrik Italien erlebt ein Revival. Während der friulanische „Fred Yerbis“ den Großteil der Kräuter in der Provinz Udine entdeckt, hat sich der auf das Grappa-Fach spezialisierte Produzent Jacopo Poli in die Wälder begeben. Sein „Marconi 46“ führt besonders vielschichtige Figuren in den Credits an: Zirbe, Minze, Koriander, Kardamom, Bergfichte und Muskattraube. „Beim Grappa spricht hauptsächlich die Rebsorte ein gewichtiges Wort bei der Rahmenhandlung mit, im Fall des Gins kann ich als Destillateur größere Kreativität einbringen“, schwärmt sein Bruder Andrea Poli, der mit einem spielerischen Zugang hier Regie führte. Die Frische der harzig-waldigen Nuancen ist eine gänzlich an-

Ähnlich ging es Andreas Sederl an, der Flieder und Lavendel ebenfalls in der Original-Location seines heimischen Gartens gecasted hat. Das Wasser aus dem Schneeberg-Gebiet gibt dem „Kaiser-Gin“ (Kaiser Karl VI. soll die Quelle entdeckt haben) nicht nur den Namen, es sorgt auch für den lokalen Touch. Denn egal, welche Botancials in Szene gesetzt werden, in der Post Production muss die Trinkstärke mit Wasser herabgesetzt werden. 37,5 % sind das Alkohol-Minimum, doch auch hier lässt sich der Gin nicht einfach auf einen Wert festlegen. Kräftigere Abfüllungen bis zu 49 % (etwa beim belgischen „Uppercut“) sind keine Seltenheit. Sie folgen einer Dramaturgie, in der er vielfach als Longdrink serviert

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- Zwei Gin Tonics. - Und dann spiel’s noch mal, Sam. Casablanca (USA/AUT 2016): Reinhard Pohorec (Rick), Stephanie Cuder, Kolerik&Leeb (Ilsa), Rafael Topf, Del Fabro (Sam, Pianist), Heinz Kaiser, Dinos (The Bartender)

wird und somit „verwässert“. Der deutsche „Windspiel“ etwa, der auf einem Kartoffel-Destillat aus der Eifel basiert, erreicht 47%. Und auch Ernst Wallner, der für seinen burgenländischen „Neptun“ zwei Jahre lang am Script getüftelt hat, entschied sich bewusst für eine Gradation von 47 % in seinen Bio-Gin aus Gols. Zudem sei „bei kräftigeren Gins auch ein süßeres Tonic ein spannender Gegenpart“, enthüllt er.

Prickelnde Dialoge mit kongenialen Partnern

keit nicht scheut, ja sogar als „erwachsenen“ Geschmack besonders schätzt. Dass moderne Cocktailkarten daher nicht nur zumindest ein Dutzend Gins, sondern immer auch mehrere Tonic Waters anführen, ist die logische Folge eines gut informierten Publikums.

Das Repertoire von Del Fabro umfasst 252 Gins und ein Ende des Gin Booms ist nicht abzusehen.

„Ich trinke nichts stärkeres als Gin vor dem Frühstück“, scherzte der US-Komiker W. C. Fields hintergründig. Denn als Longdrink kommt der klassische Gin & Tonic lediglich auf den gleichen Alkoholgehalt wie ein Weißer Spritzer. Nicht bloß für Wacholder-Fans macht es also durchaus Gin, sich mehr als einen zu gönnen – idealerweise Produktionen, die sie noch nicht kennen.

Dramatische Unterschiede erzeugt auch die Vielseitigkeit beliebter Kollegen aus dem benachbarten Genre: „Mediterrane“ Tonics, die seit den letzten Jahren zum Einsatz Rafael Topf, Del Fabro kommen, stellen eine bewusste Reaktion auf den neuen Gin-Stil dar. Doch auch die trockeneren Exponenten, die sich nicht immer „Dry“ nennen müssen wie bei Schwep- Wie man mit einer Serie von Regional-Gins und Tonics einen pes, haben sich einer Publikumsgeneration angepasst, die Bitter- Knüller landet, zeigte zuletzt die Hotelkette Motel One. Nicht nur

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Der Unterschied ist dramatisch

Nochmal zwei Screwdriver – und ein Limoncello für Sam. Hätte bei diesem Script Ingrid Bergman 1942 eine ihrer besten Rollen an Bogarts Seite angenommen?

in Deutschland geht sich eine eigene Karte lokaler Varianten aus. „Brandstifter“ aus Berlin oder der im Bierland Bayern natürlich mit Hopfen als Botanical versehene „Duke’s“ aus München – sie alle finden sich auf der G&T-Karte der Hotelbars. In Österreich steht dann der Wien-Gin im Kostüm einer Jugendstil-Flasche neben dem internationalen Klassiker „Blue Gin“ des Oberösterreichers Hans Reisetbauer oder der Vorarlberger Wacholder-Inszenierung von Harry Keckeis. Als Brenner-Land mit Tradition haben auch regionale Produktionen aus Österreich in den letzten Jahren nicht bloß den hiesigen Gin-Boom weiter angeheizt. Die liebevolle Inszenierung eines Plots mit unterschiedlichen Charakteren, die in gelungenen Dialogen dem Publikum wohl dosierte Hinweise liefern, können also die zugkräftige Machart einer Gin-Karte sein, wie sie etwa in Spanien meist schon Standard ist. Doch auch die Storyboards der heimischen

Barszene enthalten immer mehr gintelligent gemachte Spannungsmomente.

Kassenschlager mit Happy Open End Die führenden Repräsentanten der Szene wissen genau: Gin ist nicht alles. Aber ohne Gin ist alles nichts. Für elaborierte Gin Drinks ist das Publikum nämlich bereit, vergleichsweise tiefer in die Brieftasche zu greifen. Zielgruppen mit einem Faible für herbe, vielschichtige Charaktere fühlen sich damit ebenso angesprochen wie solche mit einer Vorliebe für „die süßen Jungen von nebenan“. Beim Gin gilt: Für alle(s) ist ein Kraut gewachsen. Vielfalt schafft schließlich Abwechslung und Abwechslung sorgt für höhere Einspielergebnisse. Das facettenreiche Repertoire des talentierten Mr. Gin macht in der Barszene eben den dramatischen Unterschied. — THE END —

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