Delfabro interview jürgen deibel

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INTERVIEW

Klare Meinung bevorzugt: Jürgen Deibel in seinem Element.

Wir werden eine weitere Polarisierung erleben Jürgen Deibel gilt als einziger hauptberuflicher Spirituosenberater Deutschlands. Für einen Ausblick auf die Trends der Barwelt war der Hannoveraner daher erste Wahl – und enttäuschte nicht: Mit Rafael Topf sprach der „SpirituosenProfessor“ über Hybrid-Spirituosen und weshalb Controller keinen Whisky machen sollten.

Del Fabro: Herr Deibel, welche Spirituosen-Trends erwarten uns 2016? Deibel: Persönlich ist meine größte Hoffnung, dass wir wieder Seriosität in den Gin-Markt bekommen. Dabei habe ich nichts gegen Gin an und für sich. Aber jeder versucht ja heute, Gin zu machen und kratzt dabei die Regularien an. Für einen „Compound Gin“ reicht es schon, neutralen Alkohol und die Botanicals anzukaufen. Vor allem gehört auch wieder eine gewisse Nachhaltigkeit hinein – ich meine, was ist ein „Munich Gin“? Wie schmeckt ein „Hamburg Gin“? Der Konsument im Supermarkt steht vor immer größeren Regalen. Selbst wenn ihm gefällt, was er für früher unvorstellbare 33euro bekommt, wird er es kaum wieder kaufen. Denn er hat vor lauter Neuheiten Angst, etwas zu verpassen. Potenzial sehe ich bei „Aged Gin“, also im Fass gereiften Qualitäten. Das hat interessante Aspekte, wie wir schon bei einem halben oder ganzen Jahr Lagerung sehen. Womit wir beim Kern der Frage nach den Trends wären. Ich habe schon vor fünf Jahren gesagt, dass Hybrid-Spirituosen kommen werden. Damals wusste keiner so recht, was das heißt. Auch aus Verbrauchersicht halte ich diese Entwicklung für gut, denn man schaut dem Konsumenten quasi „aufs Maul“ und produziert, was ihm schmeckt.

US-Whiskey in jeder Form, bis hin zum „White Dog“, kommt!

Del Fabro: Bislang scheint die Kombination zweier Gattungen, z. B. Wodka-Tequila, vor allem ein US-Markttreiber zu sein. Warum ist Europa hier so zaghaft?

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Jürgen Deibel: Wir werden eine weitere Polarisierung erleben

Gemeinsamer Blick in die Glaskugel: Welche Spiritousen-Trends prägen 2016?

Aufwind haben lokale Spirituosen wie Fruchtbrände.

Deibel: Bei den vielen Hybriden mit Tequila spielt natürlich die Nähe zu Mexiko eine Rolle. Da stehen auf der einen Seite das Segment der fassgereiften Añejos, was Mexiko seit der Prohibition gut bedient, auf der anderen Seite aber das Segment „Flavoured Tequila“. Bei uns hat das kaum Anhänger, da die europäische Tradition der natürlichen Fruchtaromen ganz anders ist. Wir denken da an den Geschmack frischer Säfte und Früchte, während viele künstlich aromatisierte „Raspberry“-Spirituosen aus den USA für uns eher nach Kaugummi schmecken.

hinweisen, dass Spirituosen ein Kulturgut des Menschen sind. Ich sage dazu immer „Nicht Wirkungstrinken, sondern Genusstrinken“. Das muss man den jungen Menschen vorleben und ihnen zeigen, dass es auch ohne die Effekte des Wirkungstrinken geht. In Deutschland hat der Bundesverband der Spirituosen-Industrie (BDI) lange versucht, pauschal den großen Zeigefinger zu heben, so nach dem Motto „Pass auf,…“. Erst in den letzten Jahren wurden daraus

Del Fabro: Ein Revival der Weinaperitifs sehen Sie nicht? Deibel: Aufwind haben lokale und regionale Spirituosen, da denke ich an Fruchtbrände für die Bar, aber auch an deutschen Korn oder Wermut. Das ist sicher eher ein Thema als die Weinaperitifs. Und „American Whiskey“ wird in jeder Form kommen, von Rye bis zu „White Dog“, also die nicht im Fass gelagerten Getreidebrände. Denn der Boom bei den amerikanischen Craft Distilleries hält an, etliche davon sind groß genug, um auch international aktiv zu werden. Del Fabro: Wie wird sich Ihrer Meinung nach die Debatte um Werbeverbote und Warnhinweise auf Spirituosen entwickeln? Deibel: Im Grunde ist das ja nichts Neues, wir beobachten das in der Zigaretten- und Zigarrenindustrie seit Langem. Das wird nicht zu verhindern sein, aber mehr Aufklärung wäre wichtig. Man sollte darauf

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differenzierte Kampagnen. Das bedeutet etwa in der Bar, nicht selbst der beste Kunde zu sein. Oder auch dem Gast, der ohnehin schon „over the top“ ist, nicht auch noch den letzten Hunderter aus der Tasche zu ziehen. Wenn ihm dann nämlich am nächsten Tag mies ist, wird er nicht wiederkommen. Del Fabro: Welche Märkte boomen derzeit weltweit?

Potenzial sehe ich bei „Aged Gin“ und Hybrid-Spirituosen.

Deibel: International wird vor allem Lateinamerika inklusive der Karibik bei Whiskey zulegen, da dort eine starke Mittelschicht heranwächst, die den entsprechenden Lebensstil


Jürgen Deibel: Wir werden eine weitere Polarisierung erleben

Bierernst? Nicht mit dem Spirituosen-Professor!

sucht. Am asiatischen Markt wird sich China, wo das staatliche Geschenke-Verbot für Beamte 25% Einbuße allein bei Cognac brachte, wieder erholen. In Zukunft wird auch Südostasien wichtiger, also Vietnam, Thailand und allmählich durch die politische Öffnung auch Myanmar.

Denn man musste entscheiden, ob man seinen 15-jährigen Malt weiterhin in einen „jüngeren“ Whiskey gibt oder gleich als „15 years“ abfüllt. Heute haben wir daher das, was ich „True age-Whiskeys“ nenne: Der „12 years“ ist eben mehrheitlich wirklich 12 Jahre alt.

Del Fabro: Stichwort Whiskey: Können die Single Malts ohne Altersangabe, sogenannte NAS-Whiskeys, (No Age Statement) bei weiblichen und jüngeren Gästen punkten, die fassgelagerte Spirits eher für teuer und altmodisch halten?

Del Fabro: Da geht es aber immer noch nicht um Stile, sondern ums Alter.

Deibel: Da muss ich widersprechen. Denn das mit den „Female Style-Whiskeys“ haben wir ja schon gehabt, etwa mit den „leichten Iren“, mit denen auch Jameson zum Beispiel schon großen Erfolg hatte. Zum Thema NAS-Whiskey kommt aber etwas ganz anderes dazu, nämlich dass wir es nun mit echten Stilen statt der Altersangabe zu tun haben. Dazu muss man aber ausholen: Vor 20 Jahren war ein schottischer Single Malt mit „8 years“ am Etikett im Schnitt ja ein 15 Jahre alter Whiskey und nur der jüngste Teil eben acht Jahre alt. Da gab es keinen anderen Stil als den des Hauses. Sie hatten eine Abfüllung, die so schmeckte und das war es. Durch die Entwicklungen im Marketing wurde daraus allmählich eine ganze „Range“; die wurde immer größer mit einem „15 years“, „18 years“ etc., aber halt auch immer enger.

Del Fabro: Wie weiß der Kunde aber dann, was seinem Geschmack entgegenkommt? Deibel: Der Konsument muss wieder mehr auf WhiskyMessen gehen und auch Tastings besuchen. Vor allem muss er aber lernen, dass man ihn nicht über den Tisch ziehen will. Mir ist dabei nur eines wichtig: Dass der Whisky-Maker die Entscheidungen trifft, was in die Flasche kommt, und nicht der Controller!

Der Whisky-Maker soll die Entscheidung treffen und nicht der Controller!

Deibel: Das stimmt, aber parallel verstand man auch immer besser, was bei der Fasslagerung passiert. Was aber mache ich, wenn mein 11-jähriger Whisky eigentlich besser schmeckt als das Standardprodukt „12 years“? Denn die Reifung im Fass erfolgt ja nicht linear, die Entwicklung „knickt“ auch immer wieder. Ein früherer „15 years“ glich solche „ups and downs“ aus. Heute hofft man eher, dass der „True Age“Whiskey gerade am Plateau der Reife ist – und nicht auf dem absteigenden Ast. Dazu kommt, dass fast alle Destillerien einen „Master of Wood“ haben, der sich nur um die Fasshölzer kümmert und deren Provenienz bestens kennt. Somit lassen sich auch „jüngere“ Fässer aus idealem Holz einsetzen. Somit lässt sich heute am Geschmacksprofil, also dem Stil des Whiskeys arbeiten. Dem Konsumenten aber nimmt man mit

Spirituosen sind ein Kulturgut des Menschen.

NAS eine Sicherheit weg. „Je älter, je besser“ gilt nicht mehr, man müsste sagen: „je älter, je anders“.

Del Fabro: Wie sehen Sie generell die Preisentwicklung der Zukunft, vor allem im Premium-Segment? Deibel: Teilweise wird einfach ausgelotet, wie weit man kommt, das gilt etwa für Whisky. Allerdings ist das eine reine Sache von Angebot und Nachfrage und damit als klassische Marktfrage nicht weiter problematisch. Wir werden aber schon sehen, dass wir eine weitere Polarisierung erleben, was den massenkompatiblen Bereich betrifft. Also auf der einen Seite Spirituosen, die sich bewusst im unteren Preisbereich platzieren, und auf der anderen Seite die Flasche Wodka mit dem Diamantbesatz. Nur, dort geht es nicht mehr um den Inhalt, sondern um das Prestige.

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