Demo 3-2014

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Soziale Stadt

Einzelpreis 6,00 Euro | 66. JG. | A 02125

Was zusammengehรถrt, muss zusammenhalten

Mit Landes-SGK Extra


Ausschreibung

DEMO KOMMUNALFUCHS 2014 Zum neunten Mal werden in diesem Jahr die DEMO-Kommunalfüchse verliehen. Bundesweit suchen wir Beispiele für intelligente Kommunalpolitik. Kategorien des „DEMO-Kommunalfuchs 2014“: ✓ das beste kommunalpolitische Projekt einer Kommune, (Ober-)Bürgermeister/in oder Landrat/Landrätin ✓ die beste kommunalpolitische Strategie einer Fraktion ✓ kommunalpolitisches Engagement von/für Frauen Die Preise werden verliehen beim 9. DEMO-Kommunalkongress am 27. November 2014 im Willy-Brandt-Haus in Berlin.

Kandidatenvorschläge oder Eigenbewerbungen mit einer kurzen Projektbeschreibung (bitte max. zwei DIN A 4-Seiten) sowie eventuell weitere relevante Unterlagen bitte bis zum 17. Oktober 2014 an: Demokratische Gemeinde DEMO-Kommunalfuchs Stresemannstraße 30, 10963 Berlin Fax: 030/255 94-290, E-Mail: witzel@demo-online.de

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Inhalt

Titel Soziale Stadt 4

Foto: Dirk Bleicker

Liebe Leserin, lieber Leser,

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Ein Zuhause für alle | Interview mit Barbara Hendricks Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Auf die Nachbarschaft kommt es an | Mit Vielfalt gegen Vorurteile Schule auch für die Ärmsten | Entwicklungspolitik kommunal Eine Chance für alle | Willkommen für Flüchtlinge Tante Emma goes Yoga | Turnen, häkeln, klönen im Nachbarschaftstreff Heimliche Hauptstadt der Kinder | Gleiche Chancen in Monheim Görliwood lockt Weltstars | Görlitz – Filmmekka des Ostens Inklusion bedeutet strukturelle Veränderung | In Hamburg klappt‘s Krach, Pest und Schopenhauer | Gesund dank Lärmschutz SPD-Bundestagsfraktion | Riss durch`s Quartier der Städte

Ministerin Barbara Hendricks ist es gelungen, an das „Soziale Stadt“-Erfolgsmodell der SPD aus den Siebzigern anzudocken. Sie tut dies mit Stolz und Nachdruck wie im Interview auf den Seiten 4 bis 6 nachzulesen ist. Wir wussten es schon immer, aber jetzt hat es eine Untersuchung belegt. Menschen aus anderen Ländern, so genannte Fremde, verlieren ihren befremdlichen Schrecken, wenn man sie erst einmal kennt und sei es auch nur vom Hörensagen. Von den Wundern der Kommunikation steht viel auf Seite 7. Wie man in einer sozial ausgerichteten Stadt diesen Begriff mit Inhalt füllt, zeigen viele Kommunen. Schön: Die Damen vom Nachbarschaftstreff auf Seite 10. Was Gemeinden, BürgerInnen und andere User im Netz tun können, sagt uns der Report in diesem Heft. Viele versuchen Vieles, was am Ende nicht immer zum Besten der KonsumentInnen ist. Eine der rühmlichen Ausnahmen ist Köln mit seinen Offenen Daten. Hier werden BürgerInnen ernst genommen und nicht nur als Betroffene angesehen. Nachzulesen auf den Seiten 17 und 18. Genießen Sie den Frühling, im Mai kommen wir mit einer Ausgabe zur Grünen Stadt wieder vorbei.

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4 Report E-Governement und moderne Verwaltung 17 19 20 21 22 23 24

Offene Daten statt Verschwiegenheit | Köln beteiligt seine BürgerInnen Heimat vor der Haustür | Im Quartier liegt die Zukunft des Miteinanders Utopia für alle | Kreative in Wuppertal Achtung – fertig – digital | Chancen des E-Governement-Gesetzes Digital ist die moderne Verwaltung | Spezialsoftware für Kommunen Die smarte Stadt | Modebegriff oder ernstzunehmendes Konzept? Macht soviel Netz für den Bürger Sinn? | Internet im Wahlkampf

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21 Berichte

Barbara Behrends, Chefredakteurin

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Serie: Die Ratsfrau | Zurück auf die Schulbank Europa neu denken | Mehr Gestaltungshoheit für Städte und Gemeinden Bücher Menschen | Termine Das Letzte | Vorschau | Impressum

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Titel

Das beste Programm: Ein gutes Zuhause für alle Hinter dem Programm „Soziale Stadt“ steht nicht nur die überzeugte Ministerin Barbara Hendricks. Sie konnte an ein Programm anknüpfen, das 1971 von der damals regierenden SPD gestartet wurde und das bis heute äußerst erfolgreich läuft Interview Barbara Behrends

Worum geht es bei dem Programm „Soziale Stadt“? Das Programm „Soziale Stadt“ werden wir im Rahmen der Städtebauförderung als Leitprogramm der sozialen Integration weiterführen. Seit 1999 unterstützt der Bund mit dem Programm die städtebauliche Aufwertung und die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts in benachteiligten Stadt- und Ortsteilen. Es verknüpft bauliche Investitio-

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nen der Stadterneuerung mit Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensbedingungen im Stadtteil. Auf Bundesebene haben wir die Mittel im Haushaltsentwurf dafür in diesem Jahr von 40 auf 150 Millionen Euro aufgestockt. Identifiziert werden die Projekte von den Kommunen, die uns diese über die Länder zuleiten. Die zuständigen Landesministerien bilden unter all den Anträgen, die bei ihnen eingehen, eine Prioritätenliste und

nehmen eine fachliche Bewertung vor. Die vorgeschlagenen Projekte statten wir dann mit Bundesmitteln aus, in der Regel tragen Bund, Länder und Kommunen je ein Drittel. Ziel der Ko-Finanzierung durch die Kommunen ist, dass gemeinsame Verantwortung übernommen wird. Wir wollen auch, dass die Menschen mitwirken. Wir wollen das Leben im Quartier gemeinsam mit Ihnen gestalten. Deswegen werden auch Mittel für


Titel

Titel: Soziale Stadt

Foto: alphaspirit/Fotolia

das Quartiersmanagement bereitgestellt. Für die Beteiligung der Menschen und die Bündelung der Maßnahmen ist das von zentraler Bedeutung. Bei dem Programm „Soziale Stadt“ handelt es sich aber nur um ein Programm von mehreren mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen. Zur Städtebauförderung gehören auch der Stadtumbau, aber auch Denkmalschutzprogramme oder die Förderung kleinerer Städte und Gemeinden sowie der Zentren. Diese Mittel werden insgesamt von 455 auf 700 Millionen aufgestockt. Die Städtebauförderung gibt es schon seit 1971, eine typisch sozialdemokratische und höchst erfolgreiche Erfindung. Gibt es eine Vorausschau über die aktuelle Förderung in Zahlen und Jahren? Wir werden in dieser Legislaturperiode für die Städtebaufördermittel 700 Millionen Euro zur Verfügung haben. Da der Haushalt in diesem Jahr auf Grund der Bundestagswahl wohl erst im Juli in Kraft treten wird, sind wir jetzt schon dabei, mit den Ländern die Verwaltungsvereinbarung Städtebauförderung abzustimmen und vorzubereiten, so dass

diese fertig sind, wenn der Haushalt in Kraft tritt und wir dann keine Zeitverzögerung haben. Aktuell können natürlich bereits bewilligte Projekte aus dem vergangenen Jahr fortgeführt werden. Ein Problem für die Kommunen ist zunehmend die so genannte Armutszuwanderung. Innerhalb des Programms „Soziale Stadt“ werden wir auch die Städte unterstützen, in denen es durch eine verstärkte Zuwanderung zu Problemen in bestimmten Stadtteilen kommt. Wir gehen davon aus, dass das bundesweit etwa 15 bis maximal 20 Städte bzw. Stadtbezirke in Stadtstaaten sind. Die werden wir auch in besonderer Weise fördern können. Denkbar ist beispielsweise, dass der kommunale Anteil auf zehn Prozent gesenkt wird und Bund und Länder im Gegenzug jeweils 45 Prozent übernehmen. Der integrative Ansatz, mit dem wir Ressourcen und Know-How bündeln und den wir im Programm „Soziale Stadt“ schon von Beginn an verfolgt haben, gelingt uns jetzt noch mehr, indem wir zusätzliche Fördermittel

aus dem Bereich der Europäischen Sozialfonds und aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales einsetzen können. Wir sind auch in Verbindung mit dem Jugendministerium, weil es dort ein gut laufendes Programm gibt, das wir gemeinsam zu einem neuen Programm „Jugend stärken im Quartier“ weiterentwickeln wollen. Verschiedene Projekte aus verschiedenen Ressorts zusammenzudenken, ist eine Chance für die Arbeit im Quartier. Mit den ergänzenden nichtinvestiven Fördermittel aus den anderen Ressorts können wir unsere Städtebaufördermittel im investiven Bereich konzentrieren, ohne Nachteile für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort. Es gibt eine Untersuchung der Universität Oxford und der Fernuniversität Hagen, dass mehr Wissen, z. B. über Migranten und andere Minderheiten, zum Abbau von Vorurteilen führt. Das geht auch gar nicht anders. Wenn wir von Quartiersmanagement reden, brauchen wir aktive Bürgerinnen und Bürger. Das sind im Regelfall dort schon länger lebende Men-

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Barbara Hendricks (links) am Stand der Forschungsinitiative Zukunft Bau vor einem Modell der Effizienzhäuser Plus. Foto: BMUB/Michael Gottschalk, photothek.net

schen. Die Integration von weiteren Zuwanderern kann nur mit Hilfe derjenigen gelingen, die in dem Viertel schon zu Hause sind – unabhängig davon, welche Ursprungsnationalität sie haben. Deshalb brauchen wir mehr Begegnungsräume im öffentlichen Raum. Dass man Zusammenarbeitsstrukturen schafft, führt zum besseren Kennenlernen. Dies ist auch das Wesen von Quartiersmanagement. Schrottimmobilien – Abreißen und neu bauen: Ist das wirklich durchführbar? Im Einzelfall ja. Man darf aber nicht übertreiben. Die Schwierigkeit besteht darin, dass man Menschen, die über Jahre mit ihrer Immobilie gewuchert haben, nicht auch noch gutes Geld hinterherwerfen kann. Im Einzelfall kann es allerdings richtig sein, eine Immobilie abzureißen und wieder neu zu bauen; zum Beispiel wenn die Immobilie die Quartiersentwicklung behindert. Das ist im Rahmen der „Sozialen Stadt“ aber auch der anderen Städtebauförderungspro-

gramme möglich, darf aber wirklich nur das letzte Mittel sein. Eine andere Möglichkeit ist die Sanierung von Grund auf. Der Oberbürgermeister von Dortmund hat einen ganz interessanten Ansatz mir gegenüber vertreten. Ullrich Sierau hat gesagt, dass es auch Immobilien gebe, die in einem schlechten Zustand seien. In denen lebten viele Menschen, die erst vor kurzem zugewandert seien und die eigentlich von den Vermietern ausgebeutet würden. Wenn es uns gelänge, diejenigen, die dort leben einzusetzen und gleichzeitig zu qualifizieren, um die Immobilie zu renovieren, dann hätten wir zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Müssen wir, um Städte lebenswerter zu machen, umdenken, neu denken? Wir brauchen eine angepasste Stadtentwicklung. Viele junge Menschen wenden sich von dem Prinzip ab, Arbeit und Leben zu trennen. Sie möchten vielmehr genau da leben, wo auch die Arbeit ist. Kürzlich erzählte die

Städtebauförderung ist typisch sozialdemokratisch

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Hamburgische Senatorin Jutta Blankau von jungen Menschen, die ihren Latte Macchiato direkt auf der Straßenkreuzung trinken wollen – egal, wie viele Autos da vorbeifahren. Das ist eine andere Herangehensweise als wir das eigentlich in der Stadtplanung bisher immer für richtig gehalten haben. Darauf müssen wir reagieren. Was wir darüber hinaus auf jeden Fall brauchen, sind Grünflächen in den Städten. Wir müssen bei der Stadtentwicklung auch auf die Klimaverträglichkeit achten. Das bedeutet auch, dass zum Beispiel Riegelbauten nicht den Luftzug versperren dürfen. Und wir brauchen natürlich auch öffentliche Begegnungsorte – Plätze, Parks, oder gemeinsame Aktivitäten wie zum Beispiel gemeinsames Gärtnern. Die Wiederbelebung des Allmendegedankens, wenn man so will: Ein öffentlicher Raum, der von den Menschen des Quartiers gemeinsam angenommen wird. Dies bringt die Menschen zusammen, gleich welcher Generation oder Herkunft. Städte brauchen Räume, wo sich Menschen begegnen. Das habe ich eben bereits angesprochen, als ich über den Abbau von Vorurteilen sprach. Wird es in nächster Zeit Initiativen, Ideen zur Umsetzung geben, die die Kommunen betreffen? Der wesentliche Punkt ist in der Tat, dass wir gute Projekte voranbringen im Bereich Städtebauförderung- und nicht nur in den großen Städten, sondern auch im Ländlichen Raum und in kleineren Kommunen. Wir werden schon hier oder da auf die Städte angewiesen sein, um zum Beispiel beim Klimaschutz voranzukommen. Dazu gehört so etwas wie eine grüne Gestaltung in der Stadt, aber auch Kleinigkeiten wie die Ausweisung von kostenfreien Parkplätzen für Elektroautos. Darauf werden sich die Kommunen in der nahen Zukunft sicher einstellen. Zu den Initiativen, die die Kommunen betreffen, gehört aber auch das Bündnis für Wohnen, das wir gerade auf den Weg bringen. Dort werden wir die kommunalen Spitzenverbände und auch die Ländervertreter mit einbeziehen und selbstverständlich alle Fachleute und die entsprechenden Wirt-schaftsteilnehmer. Denn das ist etwas, was wir in allen Bereichen brauchen – bezahlbares Wohnen, aber auch bezahlbares Bauen und natürlich auch energetische Sanierung.


Titel

Auf die Nachbarschaft kommt es an Ethnische Vielfalt in der Wohnumgebung beeinflusst die eigenen Vorurteile Autor PD Dr. Oliver Christ, Institut für Psychologie der FernUniversität Hagen Deutschland ist ein Einwanderungsland wie der Migrationsbericht 2012 zeigt. Etwa 16,3 Millionen von insgesamt 81,9 Millionen Einwohnern in Deutschland hatten laut Mikrozensus in 2012 einen Migrationshintergrund. Die Zuwanderung und die zunehmende ethnische Vielfalt werden im gesellschaftlichen und politischen Diskurs immer wieder als Gefahr für das gesellschaftliche Zusammenleben in Deutschland gesehen (für eine kritische Bestandsaufnahme, s. Wolf, Wagner & Christ, 2005). Dagegen zeigt eine Vielzahl sozialwissenschaftlicher Studien die positive Wirkung von direkten Begegnungen zwischen Personen unterschiedlicher ethnischer und religiöser Herkunft auf tolerantere Einstellungen (Asbrock et al., 2012). Dieser vielleicht wenig überraschende Befund demonstriert bereits die Chancen einer zunehmenden ethnischen Vielfalt für ein toleranteres Miteinander. Nur wenn Möglichkeiten für Kontakte gegeben sind, kann es auch zu solchen Intergruppenkontakten kommen (vgl. Wagner, van Dick & Endrikat 2002).

Der Ethno-Mix bringt`s In einer aktuellen Untersuchung (Christ et al., 2014) können wir nun zeigen, dass es für die Vorurteile und Toleranz von Personen nicht alleine entscheidend ist, ob eigene Kontakterfahrungen mit Menschen anderer ethnischer Herkunft vorliegen. Vielmehr macht es einen Unterschied, wie groß die ethnische Vielfalt in dem eigenen Wohnumfeld ist. Basierend auf insgesamt sieben Umfragen, die zwischen 2002 und 2011 in Deutschland, England, Europa, den USA und Südafrika durchgeführt wurden, zeigen unsere Analysen, dass das Ausmaß ethnischer Vorurteile von Personen deutlich reduziert ist, wenn sie in Nachbarschaften leben, in denen es einen Mix an unterschiedlichen Ethnien gibt. Dieser Effekt ist auch dann zu

Das Fazit unserer Ergebnisse kann daher nur sein, dass die Politik mehr unternehmen sollte, um Kontakte zwischen unterschiedlichen ethnischen Gruppen zu fördern. Unsere Analysen zeigen, dass diese Kontakte nicht nur die Vorurteile von einzelnen Personen reduzieren, sondern dieser Effekt in der gesamten Nachbarschaft zu beobachten ist. Interventionen (Wagner, Christ & van Dick, 2002), die darauf abzielen, solche Intergruppenkontakte wahrscheinlicher zu machen, helfen mit hoher Wahrscheinlichkeit dabei, tolerantere Normen in der Gesellschaft zu etablieren. Auf längere Sicht sollte dies zu positiveren Intergruppenbeziehungen führen. Dr. Oliver Christ

Foto: privat

Literaturnachweise beobachten, wenn sie selbst keinen eigenen direkten Kontakt mit Minoritäten haben. Positive Kontakte zwischen Personen unterschiedlicher ethnischer Gruppen führen also insgesamt zu einer höheren Toleranz in Gesellschaften, da von diesen Kontakten auch solche Personen profitieren, die selbst keine positiven direkten Kontakte mit Personen anderer ethnischer Herkunft aufweisen. Statistisch gesehen entspricht dieser Effekt passiver Toleranz auf ethnische Vorurteile dem Effekt von passivem Rauchen auf das Risiko an Lungenkrebs zu erkranken. Eine mögliche alternative Erklärung für diesen Befund, nach der nur tolerantere Personen solche ethnisch gemischten Nachbarschaften aufsuchen, können wir mit den Ergebnissen von zwei längsschnittlichen Befragungen ausschließen: Selbst Personen mit extremen Vorurteilen, die keinerlei Kontakte mit Minderheiten aufweisen, werden toleranter, wenn sie in Nachbarschaften leben, in denen aber andere Personen Kontakte mit Minderheiten haben.

Asbrock, F., Kauff, M., Issmer, C., Christ, O., Pettigrew, T. F., & Wagner, U. (2012). Kontakt hilft – auch wenn die Politik es nicht immer leicht macht. In W. Heitmeyer (Hrsg.), Deutsche Zustände. Folge 10 (S. 199-219). Frankfurt: Suhrkamp. Christ, O., Schmid, K., Lolliot, S., Swart, H., Stolle, D., Tausch, N., Al Ramiah, A., Wagner, U., Vertovec, S., & Hewstone, M. (2014). Contextual effect of positive intergroup contact on outgroup prejudice. Proceedings of the National Academy of Sciences, 111, 3996-4000. Wagner, U., Christ, O. & van Dick, R. (2002). Die empirische Evaluation von Präventionsprogrammen gegen Fremdenfeindlichkeit. Journal für Konflikt- und Gewaltforschung, 4, 101-117. Wagner, U., Van Dick, R. & Endrikat, K. (2002). Kontakterfahrungen mit Minderheiten – Bezüge zu Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. In W. Heitmeyer (Hrsg.), Deutsche Zustände (S. 96109). Frankfurt: suhrkamp. Wolf, C., Wagner, U. & Christ, O. (2005). Die Belastungsgrenze ist nicht überschritten. Empirische Daten gegen die These vom vollen Boot. In W. Heitmeyer (Hrsg.), Deutsche Zustände. Folge 3 (S. 73-91). Frankfurt: Suhrkamp.

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Schule auch für die Ärmsten Freiburg und Wiwilí in Nicaragua verbindet ein ungewöhnliches Entwicklungsprojekt Autor Karl-Otto Sattler

Am Anfang standen tödliche Dramen. Während der Kriegsjahre nachdem die Sandinisten 1979 den nicaraguanischen Diktator Somoza gestürzt hatten, erschossen 1983 Contras in Wiwilí den aus Südbaden stammenden Arzt Tonio Pflaum. Er war dort für den Deutschen Entwicklungsdienst beim Aufbau einer Gesundheitsstation tätig. 1986 töteten Contras den Freiburger Maschinenschlosser Berndt Koberstein, der sich in der Bergregion um den Aufbau einer Trinkwasserversorgung kümmerte. Torpedieren konnten die Contras die Entwicklungshilfe für Wiwilí indes nicht. Ganz im Gegenteil: Aus der Bestürzung und dem Zorn über die zwei Toten erwuchs ein ungewöhnliches soziales Projekt, in dessen Rahmen das Rathaus, der örtliche WiwilíVerein und engagierte Bürger die Entwicklung der 75 000-Einwohner-Kommune bis heute finanziell, technisch und personell unterstützen. Eine formelle Partnerschaft

entstand zwischen Freiburg und Wiwilí nicht, aber eine überaus lebendige Städtefreundschaft, die 1988 der damals amtierende SPD-Oberbürgermeister Rolf Böhme und sein nicaraguanischen Kollege Javier Barahona vertraglich besiegelten. Baharona wurde später ebenfalls von Contras erschossen.

Abenteuerliche Reise Im vergangenen Herbst feierte man im Freiburger Rathaus das 25jährige Jubiläum dieser Verbindung, und jüngst reiste eine Delegation mit OB Dieter Salomon (Grüne), Sozialdezernent Ulrich von Kirchbach (SPD) und mehreren Gemeinderäten an den Rio Coco im Norden Nicaraguas. „Besonders berührend“ fand Salomon das Treffen mit über 40 Patenkindern aus armen Familien, denen Freiburger Bürger mit jeweils 360 Euro im Jahr den Schulbesuch ermöglichen. Die deutschen Gäste besichtigten auch eine Schule, die nach Freiburg benannt ist.

Eine typische Zwergschule auf dem Land in der Nähe von Wiwilí: 4 Klassen in einem Raum, gestampfter Lehmboden, Holzbau – und ein Schulweg von bis zu 1,5 Stunden. Foto: Wiwilí-Verein Freiburg

In Wiwilí sei das Geld aus der Breisgaustadt „gut angelegt“, bilanziert Kirchbach. Die Patenschaften für Kinder und die Hilfen für den Bau von Schulen wie für die Bezahlung von Lehrern machen nur einen Teil des vielfältigen Freiburger Engagements aus. Die meist in ärmlichen Verhältnissen lebenden Nicaraguaner benötigen diese Hilfen dringend. Viele Häuser wurden mit Lehm und Holz errichtet. Die Reise der Delegation gestaltete sich durchaus abenteuerlich: Wegen fehlender Brücken über den Rio Coco muss man den Fluss in Kanus überqueren.

Viele Spenden für eine gute Sache Aus dem Freiburger Etat floss bislang eine Million Euro nach Wiwilí, Bürger spendeten ebenfalls eine Million – beispielsweise wurden 1998 spontan 600 000 Euro gesammelt, nachdem ein Hurrican Teile Wiwilís zerstört hatte. Zudem steuerte die EU über die Jahre 500 000 Euro für die Freiburger Aktivitäten in Nicaragua bei. Unlängst schenkten Schüler, Lehrer und Eltern eines Freiburger Gymnasiums dem Wiwilí-Verein 6 000 Euro für eine neue Grundschule. Für den Ausbau der Trinkwassersysteme kamen nicaraguanische Arbeiter zur Ausbildung nach Freiburg. Mangels eines zentralen Versorgungssystems gibt es kein einwandfreies Wasser in Wohnhäusern und Schulen. Gefördert wurden ein Kulturzentrum, die Wiederaufforstung kahl geschlagener Waldflächen, der Aufbau einer ökologischen Landwirtschaft oder der Betrieb von Krankenstationen. Bald soll eine Kooperative in Wiwilí Kaffee nach Freiburg exportieren, den die Rathausdelegation schon mal probiert hat und der angesichts der südbadischen Solidarität mit Nicaragua viele Käufer finden dürfte.

Mehr über die Arbeit des Vereins www.wiwili.de

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tolina

Kita-Planer 2 Eine Chance für alle

Die Software für eine effiziente Platzvergabe und Kita-Verwaltung

Bewohner helfen Flüchtlingen in kleinen und mittleren Kommunen Autor Ulf Buschmann Aisha (Name geändert) sitzt im Foyer des Doku im Bremer Stadtteil Blumenthal. An der Seite der Neunjährigen eine ihrer deutschen Klassenkameradinnen und Gerd H. Die Drei machen zusammen Hausaufgaben, denn das kann Aisha noch nicht alleine. Erst vor wenigen Wochen ist sie zusammen mit ihren Eltern als Flüchtling aus Syrien gekommen. Aisha hat Glück, denn hier, im nördlichen Stadtbezirk, sind die Strukturen eher kleinstädtisch. Als bekannt wurde, dass hier einige Hundert Flüchtlinge aus Syrien eine neue Bleibe bekommen sollen, war die Empörung groß. Doch schnell fanden sich engagierte Leute, die sich in einer Willkommensinitiative unter der Führung der örtlichen Kirchengemeinden zusammenschlossen. Die neuen Mitbürger stellen kleine und mittlere Kommunen vor große Herausforderungen – personell, konzeptionell und finanziell. Oftmals fehlen schlichtweg Konzepte für die neuen Mitbürger, weil es bislang wenige Migranten im ländlichen Raum gibt. Aber die Menschen aus Syrien und Co. können auch eine Chance für Städte und Dörfer sein.

Vereinsleben als Integrationsmotor Das machte Gudrun Kirchhoff von der Schrage-Stiftung im Herbst vergangenen Jahres auf der Tagung „Immigra“ in Merzig im Saarland deutlich. Abgesehen von genügend Ressourcen, brauchen die Flüchtlinge politische Aufmerksamkeit, so Kirchhoff in ihrem Vortrag „Die Bedeutung kommunaler Integrationspolitik für Ausbildung und Beschäftigung im ländlichen Raum“. Die Chancen für Kommunen und Menschen sieht Kirchhoff in der ländlichen Struktur. Ihr Tenor: Flüchtlinge könnten über das rege Vereinsleben eingebunden werden. Positive Beispiele dafür gibt es nicht nur in Bremen. Auch die 10 000-Einwohner-Gemeinde Ammersbek in Schleswig-Holstein macht mit.

Dort hat sich ein „Freundeskreis“ gebildet, mit derzeit zwölf Mitgliedern. Weitere 30 Unterstützer stehen mit Spenden bereit. Der Freundeskreis wolle den Menschen „Mut machen, mit uns zu sprechen“, sagt Sprecherin Angelika Schmidt dem Nachrichtenportal „ahrensburg24“.

Welle der Hilfsbereitschaft Dass was Kirchhoff theoretisch skizzierte, ist in Ammersbek Praxis. Allein kommt die Gemeinde finanziell an ihre Grenzen. Das Schreckgespenst eines Containerdorfes machte klar, dass etwas passieren müsse. Auf dem Neujahrempfang der Gemeinde beschlossen einige Engagierte, die 20 Jahre alte Freundeskreis-Idee für Flüchtlinge aufzugreifen. 28 Betroffene aus Afghanistan und Syrien gibt es derzeit. „Wir möchten eine Willkommenskultur aufbauen“, betont Schmidt. Nach den ersten Aufrufen in den örtlichen Medien sei die erste Bürgervorsteherin der Gemeinde von einer Welle der Hilfsbereitschaft überschwemmt worden, erinnert sich die Freundeskreis-Sprecherin: „Da kann einem das Herz aufgehen.“ Die engagierten Menschen und die Gemeinde müssten jetzt erst einmal Wohnraum akquirieren. Ähnlich ist die Gemengelage im kleinen Bestensee in Brandenburg, wo sich unter anderem der Volleyballverein „Netzhoppers“ positiv hervortut. Dort wie in Ammersbek sind die Flüchtlinge eingeladen, am Sport teilzunehmen. Wer praktische Tipps benötigt, bekommt sie bei zahlreichen Einrichtungen. Beispiel Rheinland-Pfalz: Die Landeskirche und das Diakonische Werk haben eine gemeinsame Broschüre für Menschen aufgelegt, die Flüchtlingen helfen möchte, in der neuen Umgebung aus der Isolation herauszukommen. Ein guter Start: Die Betroffenen einladen und nach konkreter Hilfe fragen.

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Titel

Tante Emma goes Yoga Foto: canstockfoto /designfgb

Aus leerstehenden Läden werden Räume der Begegnung – wie eine Baugenossenschaft der Großstadtvereinsamung ein Schnippchen schlägt Autorin Susanne Dohrn

Noch ist die Tür wegen der Yoga-Stunde geschlossen. Doch vor der Fensterfront, über der mit großen Lettern „Nachbarschaftstreff“ steht, sammeln sich schon neue Gäste. Gleich ist Klönschnack mit Kaffee und Keksen. Einige der Strickerinnen wollen ihre Arbeiten zeigen. „Der Nachbarschaftstreff läuft supergut“, sagt Anne Katharina Groß. Sie ist bei der Hansa Baugenossenschaft in Hamburg zuständig für das Projekt am Hammer Steindamm. Wer Ende der 60er Jahre in die gepflegten Wohnblocks einzog, ist inzwischen im Rentenalter. Die Kinder Petra Beyersdorf, Bärbel Völsch, Elfi Kurschat und Christel Hagelweid (v. r.) vom Nachbarschaftstreff der Hansa. Foto: Dohrn

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sind aus dem Haus, viele Bewohner alleinstehend, Vereinsamung die Folge. Doch seit es den Nachbarschaftstreff gibt, hat sich vieles geändert. „Früher ist man aneinander vorbeigegangen, heute achtet man mehr aufeinander“, erzählen Christel Hagelweid und Petra Beyersdorf von der Handarbeitsgruppe. „Viele Bewohner blühen richtig auf, seit es den Treff gibt“, bestätigt Hansa-Mitarbeiterin Anne Katharina Groß. Man helfe sich gegenseitig, z. B. bei Einkäufen. Das freut auch die Genossenschaft: Die Bewohner sollen sich wohl fühlen und möglichst lange in den eigenen vier Wänden leben.

Ideenbörse und Freiwillige Begonnen hatte alles mit einer Umfrage und leerstehenden Gewerbeflächen. Pizzeria, Solarium, Fußpflege – die drei Läden hatten mangels Kundschaft längst geschlossen, die Räume standen leer, neue Mieter fand die Hansa nicht. Zur Debatte stand: Parkplätze schaffen, Wohnungen bauen oder einen Nachbarschaftstreff einrichten, in dem die Bewohner sich zwanglos treffen können. Mit einem solchen Konzept, unterstützt vom Programm Soziale Stadt, hatte die Baugenossenschaft im Hamburger Stadtteil Billstedt gute Erfahrungen gemacht. Um herauszufinden, ob am Hammer Steindamm ein solcher Treff gewünscht ist, befragten Auszubildende der Hansa 2011 im Umkreis von 800 Metern 679 Genossenschaftsmitglieder. Ergebnis: Das Interesse ist riesengroß. Im Mai 2012 begann der Umbau, im November 2012 konnten die Bewohner die Räume zum ersten Mal besichtigen. Anlass war eine Ideenbörse mit dem Motto: „Wir stellen die Räume – Sie die Ideen“. Über 120 Mitglieder folgten den Aufruf. Viele boten an, als Ehrenamtliche Verantwortung mit zu tragen.

Stricken für Frühgeborene Anpacken müssen auch die Teilnehmerinnen der Yoga-Stunde. Ruckzuck räumen sie vier große Tische und 20 Stühle zu einer großen Tafel zusammen, verteilen Teller und Tassen, Kaffeekannen und Kekse. Gleich beginnt der Klönschnack, der zweimal die Woche stattfindet. Auf dem Tisch liegen Zettel für die „Küchenparty“ im April. Das Thema ist „Fingerfood“. Es wird gemeinsam zubereitet. Auf dem Wochenprogramm stehen außerdem Englisch, Sport, Bingo, Malen und Spiele spielen. Regelmäßig veranstaltet die Buchhandlung Seitenweise aus Hamm Buchvorstellungen im Nachbarschaftstreff. Gerade hat Rudolf Nährig seine „Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg“ vorgestellt. Vor einem Jahr referierte der Fernsehjournalist Ulrich Tilgner über „Gewaltspiralen im Orient und die Probleme des Westens“. Auf einem Nebentisch liegen gestrickte Mützchen, Jäckchen, Schuhe – Spenden für Frühgeborenen-Stationen in Krankenhäusern. „So kleine Größen gibt es nicht zu kaufen“, sagt Christel Hagelweid, eine der 15 Strickerinnen. Zweimal im Monat treffen sich die Frauen, tauschen Ideen und Modelle aus und klönen. 80 Mützen und Socken haben die Frauen des Nachbarschaftstreffs schon gestrickt, dazu 36 Teddys, die Kinder im Notarztwagen trösten sollen.


Titel

Heimliche Hauptstadt der Kinder Weil im nordrhein-westfälischen Monheim alle Kinder die gleichen Chancen haben sollen, gilt nun die Devise: Prävention à la Mo.Ki Autorin Maicke Mackerodt „Mo.Ki“ steht in großen Buchstaben auf den bodentiefen Fensterscheiben. Das bedeutet Monheim für Kinder. Hinter den Scheiben stehen Kinderwagen und krabbeln Babys, während ihre Mütter frühstücken. Das „Café und mehr“ ist ein interkultureller Treffpunkt für Frauen und Teil des Mo.Ki-Projekts. Hier können sich die Mütter nicht nur darüber austauschen, wie man Kindergeld beantragt, hier können sie sich auch bei Bedarf amtliche Schreiben übersetzen lassen.

kostenlose Kurse in gesunder Ernährung und Babymassage. In einem Modellversuch wird „Soziale Kompetenz“ unterrichtet und seit vor Jahren ein Kind im Rhein ertrank, führt Mo.Ki Schwimmkurse durch, bietet muslimischen Müttern Führungen im städtischen Schwimmbad an. Die soziale Fürsorge ist politisch gewollt und wird entsprechend unterstützt. Monheim will selbst ernannte „Hauptstadt für Kinder“ werden. Das Ziel: Alle Kinder sollen die gleichen Zukunftsund Bildungschancen haben.

Hier woll´n sie alle hin Das Cafe ist Teil der gut funktionierenden Mo.Ki-Präventionskette. Mittlerweile schauen vier von zehn Monheimer Neueltern einmal oder regelmäßig vorbei – und zwar nicht nur sozial benachteiligte Eltern, deren Kinder von Armut bedroht sind. Präventionsketten sind das Geheimnis der Armutsbekämpfung in Monheim am Rhein. Ein Netzwerk von Stadt, Kirchen, Schulen und Vereinen unterstützt in Monheim Kinder aus sozialen Brennpunkten und deren Familien von Geburt an. Die 44 000-EinwohnerStadt zwischen Köln und Düsseldorf, geprägt von mittelständischen Unternehmen, gilt als Vorreiter der Armutsbekämpfung auf kommunaler Ebene. Rund 60 Träger arbeiten seit 2002 zusammen, von der Arbeiterwohlfahrt über das Gesundheitsamt bis zu Kitas. Vom ersten Lebenstag an bis zur Berufsausbildung werden besonders gefährdete Kinder und Jugendliche und deren Familien mit einem eng gefächerten Betreuungs- und Unterstützungsnetz begleitet. Dazu gehören der U-21-Treff für junge Mütter oder

Das rechnet sich Die Idee ist simpel: „Alle ziehen an einem Strang, bevor es zu spät ist, um die Benachteiligung von Kindern aus armen Familien aufzufangen“, sagt Jugendamtsleiterin Annette Berg. „Wir unterscheiden uns von anderen Kommunen, weil wir für jede Altersstufe individuelle Konzepte entwickelt haben, die ineinander übergreifen. Das ist unsere Stärke. Dabei schauen wir vor allem auf das Berliner Viertel.“ Ein sogenannter Problemstadtteil, in dem viele der 11 000 Einwohner von Sozialleistungen leben. „Wir besuchen jede Familie mit einem Neugeborenen und stellen unser Angebot vor.“ So sollen die negativen Folgen der Armut der Eltern – soziale Isolation, geringere Bildungschancen, schlechtere Gesundheit – bei den Kindern so früh wie möglich gemin-

dert werden. Die Stadt betreute 2013 etwa 500 Familien, hat für ihre Präventionskette zehn Extrakräfte angestellt und für 2014 zusätzliche 650 000 Euro eingestellt. Das ist erstaunlich: Als Monheim Mo.Ki 2002 beschloss, befand sich die überschuldete Kommune noch bis 2012 im Nothaushalt. Auslöser war die stark gestiegene Heimunterbringung. Ein Heimplatz kostet 4 500 Euro im Monat. „Wir überlegten, wie wir das Geld besser verwenden könnten“, sagt Andrea Berg. Ihr Team begann, in Kitas Beratung für benachteiligte Kinder anzubieten. Als nächstes wurde in der Grundschule ein engmaschiges Betreuungsangebot installiert: Lehrer, Sozialarbeiter und Sprachtherapeuten kümmern sich um die Kinder, helfen aber auch Eltern, besser Deutsch zu lernen. Vor zwei Jahren wurde das Programm auch auf die Etappe der Berufsausbildung ausgedehnt, damit es da keinen Bruch gibt. Die Prävention zahlt sich letztlich aus. Für die Kinder wie für den Haushalt. Die Stadt hat den NRW weiten Trend zum Anstieg der Heimunterbringung von Kindern aus zerrütteten Familien gebremst. In ganz NRW stiegen die Heimunterbringungen zuletzt um 30 Prozent, in Monheim nur um 20 Prozent. Und seit dem Start von Mo.Ki haben 25 Prozent mehr Kinder aus dem Berliner Viertel den Sprung auf das Gymnasium geschafft.

Macht ein Liegestuhl den Goldfisch fit fürs Gymnasium? Kinder betreffend eine rhetorische Frage. Zumal man weiß, dass die erfahrungsgemäß gut auf eine entsprechende Förderung reagieren. Foto: stockfoto-graf/Fotolia

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Görliwood lockt Weltstars Das sächsische Görlitz lieh seine Kulisse bereits New York, Paris und München. Mit seiner einzigartigen Altstadt bietet es offenbar alles, was die Filmindustrie als Kulisse für historische Streifen braucht Autor Harald Lachmann

hausturm jagten auch über das Görlitzer Kopfsteinpflaster, als Daniel Brühl in „Inglourious Basterds“ von Quentin Tarantino Jagd auf GI‘s machte.

Gedreht wurde 2013 wochenlang mit Stars wie Ralph Fiennes, Jude Law, Adrien Brody oder Jeff Goldblum. Jüngst holte der Film einen Silbernen Bären auf der Berlinale, nachdem er zuvor das Festival eröffnet hatte. Seit März ist „The Grand Budapest Hotel“ auch in den deutschen Kinos, doch zuvor sahen ihn die Görlitzer selbst. Denn bei einer Vorpremiere an der Neiße lief er für 700 Besucher in allen fünf Kinosälen des städtischen Kinos. Die Görlitzer fanden sich so einmal mehr in ihren Ruf als „Görliwood“ bestätigt. Denn eine ähnliche Voraufführung erlebten sie bereits 2009 mit dem Streifen „Der Vorleser“ – ebenfalls weitgehend mit großen Stars in Görlitz gedreht. Kate Winslet erhielt für ihre Rolle gar den Oscar. Mittlerweile wirbt die Kreisstadt ganz offiziell mit der Marke „Görliwood“. Und das ist wohl nicht überzogen. Denn zuvor erlebten die Görlitzer bereits andere Stars hautnah, etwa Jackie Chan und Arnold Schwarzenegger, die hier Szenen des Hollywoodstreifens „In 80 Tagen um die Welt“ drehten. Und Schüsse vom historischen Rat-

Mittlerweile wurden hier für nicht weniger als 29 Filme Szenen gedreht, die ersten bereits 1954. Jüngeren Datums sind „Monuments Man“ (2013) von George Clooney, „Der Turm“ und „Die Vermessung der Welt“ (beide 2011) sowie diverse Tatort- und Polizeiruf-Folgen. Und weitere Projekte stehen an: Noch 2014 will eine Münchener Firma

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Die Finanzen stimmen Es ist die einzigartige Altstadtkulisse der 56 000-Einwohner-Stadt, die Locationscouts und Regisseure aus aller Welt anzieht. Mit 4 000 Einzeldenkmalen gilt sie als größtes Flächendenkmal Deutschlands. Spätgotik trifft auf Renaissance, Barock auf Jugendstil. Auf wenigen hundert Metern lassen sich Schätze aus über einem halben Jahrtausend europäischer Architekturgeschichte ausmachen. So mutiert die Altstadt um Rathaus, Untermarkt, Tuchhallen und Flüsterbogen wahlweise zu New York, Berlin, Frankfurt/Main, Paris, Heidelberg oder München: Das wandelbare Görlitz hat sie als Drehort bereits alle verkörpert.

Görlitzer lieben große Filme

in Görlitz den Klassiker „Eine Weihnachtsgeschichte“ von Charles Dickens neu verfilmen. Und ab Herbst drehen die Produzenten von „Lola rennt“ und „Das weiße Band“ hier eine Neufassung von Hans Falladas „Jeder stirbt für sich allein“.

Viele weitere Gründe sprechen für Görlitz als authentischen Drehort, etwa geringe Kriegsschäden, eine Altstadt ohne Bausünden und Leuchtreklamen, kurze Wege und eine gute Infrastruktur, dennoch wenig Verkehr in der Altstadt und nicht zuletzt ein hoch kooperativen Rathaus.

Foto: Can Stock

Ein imposanter Lichthof, den eine farbige Glaskuppel krönt. Darunter eine freitragende Treppe, die in drei Etagen zu den großzügig umlaufenden Galerien hinaufführt. Eben jene Jugendstileleganz hatte US-Regisseur Wes Anderson gesucht, als er sein jüngstes Kinowerk „The Grand Budapest Hotel“ plante. Fündig wurde er weit im deutschen Osten – in der Grenzstadt Görlitz. Dessen 100 Jahre altes Kaufhaus geriet Anderson zur authentischen Kulisse für die abenteuerlich-schräge Geschichte über die Freundschaft zwischen einem Hotelconcierge und seinem Günstling.

So hat sich denn auch die Ve r w a l tu n g um Oberbürgermeister Siegfried Deinege (parteilos) längst ganz professionell auf die Filmteams eingestellt. Straßenschilder oder Neonröhren wurden etwa so konzipiert, dass sie sich während der Drehs schnell entfernen lassen. Natürlich zieht auch Görliwood seinen Nutzen aus dem Hype. Die Crews geben hier nicht wenig Geld aus, an Drehtagen ist kein Hotelbett mehr frei, Handwerker kommen zu Zusatzaufträgen und mancher Einwohner zu einem Job als Komparse.



Titel

Inklusion bedeutet strukturelle Veränderung Inklusion wir nicht immer und überall als gut angesehen. In Hamburg scheint der Ansatz aber besser zu klappen als anderswo Autor Lars Holster, schulpolitischer Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion in Hamburg

In einem parteienübergreifenden Konsens wurde 2009 die Inklusion an Hamburgs Schulen ab dem Schuljahr 2010/2011 eingeführt. Heute werden in Hamburg bis einschließlich Klasse 8 (nach den Sommerferien bis Klasse 9) Schülerinnen und Schüler mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf an Regelschulen gemeinsam unterrichtet. Damit besuchen rund 60 Prozent aller Jungen und Mädchen mit sonderpädagogischem Förderbedarf eine Regelschule. Das ist ein Erfolg, auf den alle Beteiligten stolz sein können. Gleichzeitig ist es aber auch Motor eines strukturellen Umstellungsprozesses, den unsere Grund- und Stadtteilschulen – denn faktisch findet Inklusion nur dort und nicht an den Gymnasien statt – seit Ende 2009 vollziehen. Schnell war klar, dass es ein umfassendes einheitliches Rahmen-

konzept zur inklusiven Bildung braucht. Das liegt seit Juni 2012 vor und sieht eine deutliche Erhöhung der Personalressourcen vor. Inklusion bedeutet jedoch nicht nur doppelt besetzte Unterrichtsstunden, sondern eine strukturelle Umstellung. Das klappt an vielen Grund- und Stadtteilschulen bereits gut. Ein wichtiger Baustein sind die speziell geschulten Förderkoordinatoren an jeder Grund- und Stadtteilschule, die Konzepte zur Inklusion an ihrer Schule erarbeiten und federführend für die Umsetzung zuständig sind. Zusätzlich gibt es ein umfassendes Fortbildungsprogramm für alle Schulen. Haltung, Motivation und Einsatz der Lehrerinnen und Lehrer können auf dem Weg zur inklusiven Schule gar nicht hoch genug bewertet werden.

Elternwille ist entscheidend Der schulpolitische Sprecher der Hamburger SPD Lars Holster Foto: Paul Schimweg

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Die Umstellungen betreffen aber nicht nur die Regelschulen. Die Zukunft der Sonderschulen – in Hamburg gegliedert in spezielle Sonderschulen und Förderschulen – musste neu gedacht werden. In Hamburg entscheidet der Elternwille darüber, wo ein Kind zur Schule geht. Als Folge der Inklusion fehlen vielen Förderschulen die nötigen Anmeldezahlen. Vor allem Kinder mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf in den Bereichen Lernen, Sprache oder emotionalsoziale Entwicklung (so genannter LSE-Bereich) fallen jetzt weg. Gleichzeitig gilt es den vorhandenen Wissenspool zu erhalten und allen Schulen zugänglich zu machen. Alle speziellen Sonderschulen blieben erhalten, die Förderschulen bilden zusammen mit den Regionalen Beratungsstellen (Rebus) die neuen Regionalen Bildungs- und Beratungszentren (ReBBZ) in jedem Bezirk. Damit bleibt trotz sinkender Anmeldezah-

len das Elternwahlrecht erhalten. Außerdem institutionalisieren die ReBBZ den regelmäßigen Austausch aller Sonder- und Sozialpädagogen der Regelschulen. Inklusion hat zu strukturellen Veränderungen der Beratungsund Unterstützungslandschaft geführt, von denen alle profitieren.

Gute Personallage in Hamburg Hamburg ist in der glücklichen Lage, sich eine weitaus höhere Personalausstattung leisten zu können als andere Bundesländer, in denen es nur eine oder 1,6 doppelt besetzte Unterrichtsstunden gibt. In Hamburg erhält eine Schule für jedes Kind mit einer speziellen Behinderung zusätzliche Pädagoginnen und Pädagogen für sieben doppelt besetzte Unterrichtsstunden pro Woche. Für Kinder mit LSE bekommt eine Schule zusätzliche Pädagoginnen und Pädagogen für 3,5 doppelt besetzte Unterrichtsstunden pro Woche. Die Kosten für die Inklusion sind auch in Hamburg bereits heute höher als veranschlagt. Dies liegt zu einem großen Teil daran, dass seit Einführung der Inklusion rund dreimal mehr Kinder mit sonderpä dagogischem Förderbedarf im LSE-Bereich gemeldet werden als die Förderschulen verlieren. Hier brauchen wir Lösungsansätze, die über die reine Geldfrage hinausgehen. Beispielsweise wollen wir einen effizienteren Einsatz der Schulbegleitungen erproben und die Diagnoseverfahren vereinheitlichen. Die Situation in Hamburg zeigt, dass Ressourcen zwar nötig, aber strukturelle Veränderungen der Schlüssel für eine gelingende Inklusion sind. Wir dürfen die vielen leisen Stimmen an den Schulen nicht überhören, die sagen, dass Inklusion hilfreich ist und vor allem funktioniert.


Foto: Eisenhans - Fotolia

Titel

Krach, Pest und Schopenhauer Dass Lärm nicht gesund sein kann, vermuten viele. Neue Erkenntnisse zur Lärmvermeidung könnten helfen Autor Peter H. Niederelz

Schon vor mehr als 150 Jahren schien den Menschen in den Städten der Lärm unerträglich. 1851 verfasste Schopenhauer seine Streitschrift „Über Lärm und Geräusche“. Und der Nobelpreisträger Robert Koch warnte: „Eines Tages wird der Mensch den Lärm ebenso unerbittlich bekämpfen müssen wie die Cholera und die Pest.“ In der Drosselgasse in Rüdesheim oder in Raunheim bei Frankfurt am Kaffeetisch, muss man warten, bis der Zug bzw. das Flugzeug sich entfernt und das Kaffeeservice aufgehört hat zu klappern, bevor man versuchen kann, sich wieder verständlich zu machen. Die Betroffenen brauchen zuweilen starke Nerven.

Lärm und Druck nehmen zu Die EU hat sich bereits 2002 auf einen Maßnahmenkatalog zur Verminderung schädlichen Umgebungslärms verständigt und die sogenannte Umgebungslärmrichtlinie (2002/49/EG) verabschiedet. Mit Verzögerungen folgten Umsetzungen in nationale Rechtsbestimmungen. Doch nach wie vor drängt das Problem. In vielen besonders betroffenen Städten und Gemeinden haben sich Bürgerinitiativen gebildet, die Druck machen, damit endlich etwas getan wird. Das hilft aber auch nur, wenn belastbare

Erkenntnisse über die Lärmwirkungen vorliegen. In den vielen Fällen, in denen dieser Lärm unbestreitbar gesundheitsschädigend für die Betroffenen ist, muss man über Kenntnisse zur Verhinderung oder mindestens Verminderung verfügen. CDU/CSU und SPD haben sich im Bund in ihrer Koalitionsvereinbarung in Kapitel 1.3 darauf geeinigt, in allen Bereichen des Verkehrslärms entscheidende Verbesserunge anzustreben. Sie haben sich dabei klare zeitliche Vorgaben gesetzt: Der Schienenlärm soll deutschlandweit bis 2020 halbiert werden. Bei Fluglärm setzt die Bundesregierung vorrangig auf die Reduzierung an der Quelle – eine bestmögliche Flächennutzung im Umfeld sowie auf lärmreduzierende flugbetriebliche Verfahren. Auch in den betroffenen Bundesländern haben die Regierungen besondere Lärmreduzierungsmaßnahmen zugesagt. Lärm- und Schadstoffminderungsziele sollen insbesondere auch mit technischen Innovationen erreicht werden. Die Forschung über Lärmwirkungen und Lärmvermeidungsmöglichkeiten läuft: Seit etwa 15 Jahren bereits fördert das Bundesministerium für Wirt-

schaft und Technologie den Forschungsverbund „Leiser Verkehr“ mit jährlich fünf Millionen Euro. Anfang Februar diesen Jahres fand im Rathaus in Wiesbaden eine Wissenschaftsdebatte über die bisherigen Ergebnisse statt. Eingeladen waren Experten zu den Themen Lärmwirkungsforschung, Straßenlärm, Bahnlärm und Fluglärm. Wiesbadens Bürgermeister Arno Goßmann (SPD) betonte das große Interesse an allen Daten und Fakten, die der Politik wirksame Möglichkeiten aufzeigen, wie die Lärmbelastungen der BürgerInnen wirksam bekämpft werden können.

Flüsterbremse muss her Dass Verkehrslärm zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führt, sei unstrittig, bekräftigte der Psychologe und Lärmwirkungsforscher Dirk Schreckenberg. Für viele Menschen im Rheintal beispielsweise ist der Bahnlärm mittlerweile zum Hauptproblem geworden. René Weinandy vom Umweltbundesamt trug vor, dass bis 2020 sämtliche Güterwaggons mit Flüsterbremsen ausgerüstet sein sollen. Die Bahn müsse zudem die Gleise häufiger schleifen. Außerdem müsse man über qualifizierte Nachtfahrverbote nachdenken. Wer in solchen Fällen indes zu hohe Kosten ins Feld führe, müsse die Kosten der Lärmfolgen – zum Beispiel für Krankenbehandlungen oder Immobilienwertverluste – bedenken. Die Kommunen benötigten finanzielle Unterstützung bei ihrer Realisierung von Lärmminderungsplänen, sagte Michael JäckerCüppers von der Deutschen Gesellschaft für Akustik. Auch könnte ein verändertes Individualverhalten zur Lärmminderung deutlich beitragen. Wegstrecken von unter zwei Kilometern kann der gesunde Mensch auch zu Fuß zurücklegen. Bis wirksame Mittel und Wege gefunden sind, wird auch weiterhin mit Demonstrationen zu rechnen sein: So wie angekündigt am 30. April gegen den Lärm des Frankfurter Flughafens.

Alle Vorträge der Debatte unter www.wissenschaftsdebatte.de

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Riss durch´s Quartier Soziale Schieflagen nehmen zu und manifestieren sich direkt vor unserer Haustür. Die Städteförderung muss dort ansetzen, wo der Zusammenhalt bedroht ist und wo Menschen in Not geraten „Ich fühle mich wieder als Akteur im Stadtteil und nicht mehr als Objekt von Diskussionen und das hat Auswirkungen auf meinen Alltag und den meiner Nachbarn. Ich habe zum ersten Mal das Gefühl, mein Leben selbstbestimmt in dieser Stadt gestalten zu können“, sagte ein Bewohner bei Gesprächen in einem „Soziale Stadt Quartier“.

Gestärktes Programm

Foto: Carlosgardel/Fotolia

Die langjährige Forderung der SPD-Bundestagsfraktion, die Bundesmittel der Städtebauförderung aufzustocken, passierte die erste Hürde in der Haushaltsgesetzgebung. Die Städtebauförderung wird auf 700 Milli-

onen Euro insgesamt angehoben. Ein gutes Signal für die Kommunen. Die „Soziale Stadt“ fördert nicht nur integrative Maßnahmen, sondern unterstützt Quartiere, die abzurutschen drohen. Stadtteile, die hohe Arbeitslosigkeit, Bildungsarmut, hohes soziales Konfliktpotential und vernachlässigte öffentliche Räumen zu beklagen haben und drohen, zum sozialen Brennpunkt zu werden, erhalten eine Chance auf wesentliche Verbesserungen. Wichtig ist, dass die Anwohner in den Prozess integriert sind, Nachbarschaft

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gestärkt und belebt wird. Trotz des Erfolges für die Städtebauförderung bleibt noch viel zu tun, um dem Auseinanderdriften der Städte in arme und reiche Kommunen entgegenzuwirken. Der Trend hin zu den Metropolen und Großstädten bleibt ungebrochen. Wo Arbeit ist, ziehen Menschen hin, Einnahmen über Steuern fließen, die Infrastruktur wird ausgebaut und Investitionen folgen. Diese Kommunen haben derzeit keine finanziellen Probleme, kämpfen eher mit zu starkem Mietenanstieg und partieller Verdrängung aus Quartieren. Die Mietpreisbremse und eine Stärkung des Wohnungsneubaus wie vom Bund vorgesehen, können hier wirkungsvolle Verbesserungen bringen. Bisher keine Lösung gibt es für die schrumpfenden Regionen. Bricht ein größerer regionaler Arbeitgeber ersatzlos weg, sinken die Einnahmen der betroffenen Kommunen. Es folgt verstärkte Arbeitslosigkeit sowie rasch steigende Sozialausgaben der Kommunen. Die Crux dieser Abwärtsentwicklung liegt in der sich selbst verstärkenden Wirkung. Kann die Kommune sich nicht frühzeitig aus dem Trend lösen, indem sie die Ansiedlung mehrerer mittlerer oder eines größeren Betriebes voranbringt, steigen die Sozialausgaben rasch an. Die oft gleichzeitig notwendigen Sparmaßnahmen der öffentlichen Hand, fehlende notwendige Investitionen in die kommunale Infrastruktur lassen diese Städte und Gemeinden unattraktiver im Gegensatz zu Gemeinden mit ausgeglichenen Haushalten werden. Abwanderungsbewegungen – gerade der gut ausgebildeten und jungen Bevölkerung – verstärken den negativen Trend. Die Kassenkredite dieser Kommunen werden nicht mehr für Investitionen genutzt, sondern zur Finanzierung alltäglicher kommunaler Aufgaben der Daseinsvorsorge. Seit Jahren steigen die kommunalen Ausgaben für soziale Leistungen, obwohl die Wirtschaft

boomt und die bundesweite Arbeitslosigkeit zurückgegangen ist. Die hohe Belastung der Kommunen durch die Sozialabgaben, wie „Kosten der Unterkunft“ und Eingliederungshilfe, ist bereits mehrfach mit Studien belegt. Ein deutliches Entlastungssignal des Bundes ist dringend notwendig, wenn viele Regionen in Deutschland nicht völlig abgehängt werden sollen.

Hilfe für Kommunen Mit der Aufwertung der Städtebauförderung und der deutlichen Besserstellung des Programms „Soziale Stadt“ ist ein wichtiger sozialdemokratischer Punkt des Koalitionsvertrages umgesetzt. Auch die Zusicherung, dass Kommunen in Haushaltsnotlagen mithilfe der Städtebauförderung entlastet werden, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Dennoch kann die Städtebauförderung langfristig nicht die Lösung kommunaler Haushaltsprobleme sein, allenfalls ein „Heftpflaster“ zur Linderung bereits bestehender Wunden. Schnelle und zielgerichtete Unterstützung der Kommunen bei den „Kosten der Unterkunft“ sowie bei der Eingliederungshilfe sind unerlässlich. Letztendlich werden wir eine Neuordnung des Bund-Länder-Finanzausgleichs insgesamt angehen müssen, um der Spaltung der Kommunen dauerhaft entgegenzuwirken.

Michael Groß, MdB baupolitischer Sprecher der SPD Bundestagsfraktion

V.i.S.d.P.: Petra Ernstberger, Parlamentarische Geschäftsführerin, Platz der Republik 1, 11011 Berlin, Tel.: (030) 227-744 20, petra.ernstberger@spdfraktion.de


Report

Report: E-Government und moderne Verwaltung

Foto: Warakorn/Fotolia

Offene Daten statt Verschwiegenheit Köln will seine Bürgerinnen und Bürger lieber zur Beteiligung befähigen statt sie bloß als Betroffene zu adressieren Autorin Maicke Mackerodt

Wenn früher Eltern vor der Schule ihrer Kinder eine rote Ampel haben wollten, war das Prozedere erprobt: Sie riefen eine Bürgerversammlung ein, druckten Handzettel, malten Plakate, informierten die Lokalpresse und versuchten so, die Entscheidung der Kölner Ratsmitglieder mit zu beeinflussen. Dieses System ist in Zeiten des Internets veraltet. Ob es um die Ampel vor der eigenen Haustür oder um das Schauspielhaus geht. Wenn Kölner Bürger aktiv an den Prozessen und Projekten der Verwaltung mitwirken möchten, dann kommt Open Government und Open Data ins Spiel. Denn die selbsternannte Internetstadt Köln ist dazu übergegangen, die Öffnung der Verwaltung gegenüber ihren Bürgern als relevante Fortentwicklung ihrer E-Government-Strategien zu verstehen.

Per Internet kann der mündige Bürger heute überall dabei sein Gemeint ist, wenn seit 2013 Ratssitzungen über Rats-TV via Livestream übertragen werden. Oder das Führungszeugnis online beantragt werden kann. Oder über den Facebook Account „Köln – unsere Stadt“ dis-

kutiert wird, was gerade anliegt. Die Rheinmetropole ist vorbildlich und nach Berlin die zweite Stadt, die sogar ihre Verkehrsdaten öffnet. „Wir posten, wo in der Innenstadt Staus und Baustellen sind, wo Blitzer stehen, die Belegung der Parkhäuser oder diskutieren aktuelle Lärmgebiete, versuchen so die Lebenswirklichkeit in die Verwaltung zu tragen“, sagt Sabine Möwes. Die Leiterin der Kölner Dienstelle E-Government und Online-Dienst will mit ihren 24 Mitarbeitern „bessere Grundlagen schaffen, damit sich engagierte Bürger bei komplexen Entscheidungen gut informieren können“. Hier musste die Stadt ihr System umstellen, was für Sabine Möwes und ihr Team schwer war, „weil fast alle Bedenken hatten.“ In Köln ist die „vernetzte Verwaltung“ trotzdem schon ein paar Jahre Realität. Sei es die einheitliche Behörden-Rufnummer 115, die Stadt-Info-App fürs Smartphone oder der Bürgerhaushalt der Stadt Köln – alles Beispiele für das E-Government im Rheinland. Lange Zeit galt Verwaltungsmitarbeitern Verschwiegenheit als oberster Grundsatz.

Mittlerweile sind sämtliche Verwaltungsdaten Kölns frei verfügbar unter stadt-koeln. de und auf der Plattform Offene-DatenKöln.de. Mit OpenData ist für die Bürger fast ein „Dialog auf Augenhöhe“ mit der rheinischen Kommune möglich.

Offenheit in allen Bereichen ist die neue Devise der Stadtverwaltung „Wir haben 700 000 Besucher im Monat. Das bedeutet, 20 000 Seiten mussten auffindbar gemacht werden“, so Sabine Möwes. Das Besondere: „40 Prozent gehen über Tablet oder Smartphone online. Seit März diesen Jahres ist die Homepage der Stadt auch mobil erreichbar, passt das Layout für mobile Endgeräte.“ Über die Köln-App „Sag‘s uns“ werden Fotos und GPS-Daten von wilden Müllkippen oder Schrottautos geschickt. Vorreiter ist Köln auch beim engen Austausch mit der Community. Sabine Möwes: „Wir agieren nicht im stillen Kämmerlein, sondern suchen den Kontakt zu Köln API, zu Datenjournalisten und dem zusätzlichen Online-Portal Offenes Köln. Dort bekommt

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Report

jeder Bürger seit 2012 einfachen Zugang zu Dokumenten des Kölner Stadtrates, die ihn persönlich interessieren. Das Portal gilt derzeit als einer der wichtigsten Vorstöße in Sachen OpenData, da es das teilweise unübersichtliche Ratsinformationssystem ausliest und für die Volltextsuche vorbereitet. Bürger können inzwischen auch viele

ihrer Behördengänge online erledigen – ausgenommen das Aufgebot bestellen oder den Umzug melden. „Durch offene Daten wird unser Alltag einfacher und mündiger“, weiß Julia Kloiber, die für die Open Knowledge Foundation aktiv ist. Kriminalitätsstatistiken, Vergabedaten für öffentliche Aufträge – in diesen Bereichen ist die Transparenz noch ausbaufähig. „Das wird

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sich ändern“, so Sabine Möwes. Im Bereich elektronische Beteiligungsverfahren gehört die Rheinmetropole Köln deutschlandweit zu den führenden Akteuren. Bereits zum vierten Mal konnten sich Kölner am Bürgerhaushalt beteiligen und angesichts des

weiter ausgebaut wird. 2013 nahmen fast 4 000 Bürger daran teil und brachten 623 Vorschläge, 45 482 Bewertungen wurden ausgesprochen. Die Ergebnisse der Umfrage fließen zwar in die Haushaltsberatung ein, sind aber nicht bindend. Sachentscheidungen werden erst gar nicht zugelassen. Viele bürokratische Hindernisse verhinderten die Idee des ehrenamtlichen

St adt winzer s Thomas Eichert, in Foto: Bloomua/Fotoliay Kölner Schulen Weinreben anzupflanzen. Fünf lange Jahre hat bedrohlichen Defizits in der Stadtkasse im es schließlich gedauert, bis der romantiInternet eigene Sparvorschläge einbrin- sche Vorschlag aus dem Bürgerhaushalt gen. Unter der etwas hochtrabenden Be- anwachsen konnte; im Wesentlichen blozeichnung Bürgerhaushalt debattierten ckierten bürokratische Fragen des VersiInteressierte, ob das Jüdische Museum cherungsschutzes das schöne Projekt.


Report

Heimat vor der Haustür Im Quartier liegt die Zukunft des Miteinanders Autor Michael Groschek, Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr NRW

Quartier, Veedel, Kiez oder Stadtteil – die Heimat vor der Haustür hat viele Namen. Hier ist der unmittelbare Lebensraum der Menschen. Hier gehen sie ins Café, auf den Bolzplatz, zum Hausarzt oder zum Kiosk um die Ecke und treffen Bekannte, Nachbarinnen und Nachbarn. Die Menschen – vor allem in den großen Städten – haben ein wachsendes Bedürfnis, sich mit ihrem Quartier zu identifizieren. In der Nachbarschaft können sie Stabilität und Geborgenheit in einer dynamischen und „unsicheren“ Welt finden.

Quartiere bieten viel Raum für die Umsetzung innovativer Ideen Und das Quartier ist der Ort, an dem sie sich engagieren können – für ein solidarisches Zusammenleben und die Lebensqualität vor der Haustür. Hier nämlich fallen soziale Probleme direkt ins Auge: Der demografische Wandel, Fremdenfeindlichkeit oder Armut bekommen in der Nachbarschaft ein Gesicht. Sehr vielen Menschen ist es nicht egal, was in ihrem Stadtteil passiert. Sie sehen hin und packen an: Sie bringen Jugendliche und ältere Menschen zusammen, die sich gegenseitig unterstützen. Sie verwandeln eine Brachfläche in einen interkulturellen Stadtgarten. Sie machen triste Fassaden zur Leinwand für junge Künstlerinnen und Künstler. Die Möglichkeiten, sich im Quartier zu engagieren, sind so vielfältig wie die Quartiere selbst. Wie können wir dieses Potenzial überall heben und stärker fördern? Das ist die zentrale

Michael Groschek (Mitte) beim „Quartiersrundgang“.

Frage hinter der Initiative „Heimat im Quartier – wie wollen wir leben?“. Seit November lädt die Landesregierung NordrheinWestfalen dazu Bürgerinnen und Bürger zum Erfahrungsaustausch ein. Auf der Online-Plattform www.heimat-im-quartier.de diskutieren wir mit allen Interessierten die aktuellen Fragen der Quartiersentwicklung: Kann die Nachbarschaft die Familie des Alters sein? Müssen wir Mobilität neu denken? Wie wird der Stadtteil grüner? Was lockt Kreative ins Quartier? Antworten auf diese und viele andere Fragen zum Leben im Quartier geben die Bürgerinnen und Bürger ganz konkret: Sie stellen ihre Quartiersprojekte vor und laden zum Nachmachen ein. Über 100 Projekte aus ganz Nordrhein-Westfalen sind auf diese Weise in wenigen Wochen schon zusammengekommen. Der Zuspruch zeigt: Die Menschen, die sich im Quartier engagieren, suchen einen Marktplatz der Ideen, eine Quelle zum Nachahmen. Das finden sie auf der Internetplattform.

Barbara Hendricks: Nah dran am Thema und dicht am Bürger Am 15. März haben wir den Dialog aus dem Internet ins reale Leben zurückgeholt. Gemeinsam mit Bundesbauministerin Dr. Barbara Hendricks und NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens habe ich auf dem UNESCO-Welterbe Zollverein in Essen mit rund 700 Bürgerinnen und Bürgern einige spannende Fragen aus unserem InternetForum diskutiert. In einem „Quartiersrund-

Foto: MBWSV NRW/Daniel Sadrowski

gang“ durch die Zechenhallen gab es anschließend Gelegenheit, 30 Quartiersprojekte kennenzulernen und mit den Menschen, die dahinter stehen, ins Gespräch zu kommen. Dabei aber bleiben wir nicht stehen: Wir werden dafür sorgen, dass sich die Bedeutung des Entwicklungsraums Quartier in den Förderprogrammen des Landes widerspiegelt. Bei der Wohnungsbauförderung ist uns das schon gelungen: Förderfähig sind nun auch Projekte der Quartiersentwicklung, zum Beispiel der Bau von Gemeinschaftsräumen. Damit setzen wir die Mittel der Wohnungsbauförderung nicht nur für bezahlbaren Wohnraum, sondern auch vor der Haustüre für lebendige und lebenswerte Quartiere ein.

Die Bürgerin und der Bürger sind immer dabei Die Anregungen aus dem laufenden Dialog „Heimat im Quartier“ werden wir in einem Bürgerbericht zusammenfassen, den wir online zur Diskussion stellen. Ich lade schon jetzt die Quartiersinitiativen ein, untereinander und mit der Landesregierung im Gespräch zu bleiben. Ihr Beitrag dient als Kompass für die weitere Quartierspolitik des Landes. Ihre Mitbestimmung ist die Voraussetzung für die Selbstbestimmung im Quartier.

Die Initiative im Netz www.heimat-im-quartier.de

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Report

Utopia für alle Reparaturcafé, Bürgerhaushalt, Designmarkt: Im Wuppertaler Bahnhof Mirke wird die Zukunft der Stadt ver- und behandelt. Autor Matthias Dohmen

Internet für alle: Eine kleine kreative Clique, um den Wuppertaler SPD-Stadtverordnete Bastian Pertz, hat den stillgelegten und zu neuem Leben erweckten Bahnhof Mirke zum Ausgangspunkt für Bürgerinitiativen jeder Art umgestaltet. Wie vielfältig der Informatiker und seine Freunde an ihre – ehrenamtliche – Arbeit gehen, sieht man an ihrer Website. „Das ist schon ganz schön abgedreht“, kommentiert der Geschäftsführer der sozialdemokratischen Ratsfraktion, Ulf Klebert, das Projekt.

Haushalt zum Gucken Eines der Ziele ist die „innovative und vernetzte Verwaltung“, die Gestalt annahm mit der Beteiligung der Bürger am Haushalt der Stadt für 2014. Der Beitrag der „Utopisten“ bestand darin, den Haushalt zu visualisieren, um ihn so verständlich und erlebbar zu machen. Diese Beteiligung zog sich im vergangenen Jahr über mehrere Phasen von Februar bis Anfang Oktober hin. Im November schließ-

lich entschied der Stadtrat über eine Vorlage mit den Top-50-Vorschlägen der Bürger. Die Bürger waren aufgefordert, die Schwerpunktsetzungen im Haushalt zu kommentieren sowie Ausgaben- und Sparvorschläge zu machen. 50 000 Euro investierte die Stadt, in den Dialog zwischen Bürgern Verwaltung und Politik. Auf einer Veranstaltung im Bahnhof Mirke zogen SPD, Grüne und Linke eine positive Bilanz, während CDU, FDP und die Gruppierung WfW sich dazu nicht hatten durchringen können, überhaupt zu erscheinen. Allerdings fiel das Fazit der Diskussion nicht allzu rosig aus, fühlten sich doch zahlreiche Wuppertaler, die Vorschläge gemacht hatten, eher brüskiert. Manch einer hatte den Eindruck, die Politik übernehme einfach die Verfahrensvorschläge der Verwaltung und unternehme nicht einmal den Versuch, Gestaltungsräume auszuloten. Zum Anspruch der Internetseite und des Projekts insgesamt betont Bastian Pertz:

„Unser Thema ist und bleibt Utopia. Wir arbeiten mit an der Zukunft unserer Stadt. Denkverbote und Berührungsängste gibt es bei uns nicht.“ Und so heißt es denn auch auf der Internetseite programmatisch: „Wir suchen Konzepte, Ideen, Programme und Utopien.“ Zeichnungen, Texte, Fotos, Bilder, Tanz, Film, Musik. „Laut und zurückhaltend, schnell und unsichtbar, wichtig und profan, winzig und großartig.“

Ideen für Utopiastadt Wer Ideen einbringen will, kann sie im – bereits vier Mal erschienenen – überregionalen Magazin „Utopiastadt“ vorstellen. Die Zeitschrift sieht sich als „Organ eines wuchernden Kreativklusters“. Durchaus zum Anfassen: Jeden ersten Sonntag im Monat ist ab 15 Uhr das „Reparaturcafé“ angesagt, bei dem Anwohner rund um den Bahnhof Mirke Elektrogeräte wie Bügeleisen, Lampen, Elektrosaxophone oder Radios mitbringen, die nicht mehr funktionieren, und Hilfe erhalten. Um Praktisches geht es auch beim „Kunstund Designmarkt“. Eine der Macherinnen, Vera Aldejohann, schreibt dazu: „ Es ist begeisternd, im Mikrokosmos von Designinnovationen, Leidenschaft zu Upcycling und Kitsch zu schwimmen. Kleinstauflagen von handgefertigten Objekten des Alltäglichen und außergewöhnliche Unnützlichkeiten kommen zum Needful Things Designmarkt zusammen. Immer ist ein Gestaltungswille, oft gepaart mit Gedanken an Nachhaltigkeit, die Triebfeder der Schreiner, Schneider, Illustratoren und Metallgestalter.“ Die Wuppertaler stehen nicht allein, sondern sind Teil des bundesweiten Großprojekts „Clownfisch“, das in vielen nordrheinwestfälischen Städten, aber auch in Berlin, Hamburg und Kassel Anhänger und Freunde hat. Und wächst und wächst...

„utopiastadt“ im Netz neu.clownfisch.eu/tag/utopiastadt. Das Beispiel in Wuppertal zeigt, was man so alles mit einem und in einem stillgelegten alten Bahnfof machen kann. Foto: Dohmen

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Foto: Silvano Rebai - Fotolia

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Achtung – fertig – digital Was bedeutet das E-Government-Gesetz für die Kommunen? Chancen und Nachbesserungsbedarf gibt es in jedem Fall Autor Rainer Christian Beutel, Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt)

Seit Sommer 2013 ist das E-GovernmentGesetz (EGovG) des Bundes in Kraft. Rechtsverbindliche Online-Prozesse können nun einfacher als bisher über das Internet durchgeführt werden. Verstärkt durch das EGovG haben Kommunen jetzt mehr Möglichkeiten, den Service für ihre Bürger, Kunden und für die Wirtschaft weiter zu verbessern und ihre Verwaltungsprozesse zu optimieren, was allerdings zunächst den verstärkten Einsatz ohnehin knapper personeller und finanzieller Ressourcen voraussetzt.

Reserven mobilisieren Kommunen müssen viele Herausforderungen meistern. Strukturelle Haushaltsdefizite, die Schuldenbremse ab dem Jahr 2020 und der demografische Wandel einschließlich des drohenden Fach- und Führungskräftemangels sind dabei sicherlich die prominentesten. Die Frage ist: Wie können Kommunen unter diesen Rahmenbedingungen für ihre Bürger und Kunden weiterhin öffentliche Aufgaben mit hoher Qualität erbringen? Die Antwort: Sie müssen alle noch vorhandenen Organisations- und Technikreserven nutzen. Beispielsweise bei der Optimierung und Standardisierung kommunaler Prozesse und dem Angebot von E-Government-Services für Bürger und Kunden, aber auch für Behörden

untereinander. Der KGSt-Bericht „Effizientes E-Government“ zeigt, dass mit einer Prozessoptimierung in Verbindung mit dem Einsatz von E-Government Prozesskosten um 20 bis 40 Prozent reduziert werden können. Das EGovG bietet hier eine Grundlage für eine effektive und effiziente Verwaltung und schafft die Voraussetzungen, um die elektronische Kommunikation zwischen Verwaltung, Bürger und Wirtschaft zu verbessern. Personalmangel kann zudem kompensiert werden. Das Gesetz gilt dann für Kommunen, wenn sie Aufgaben durchführen, die sich auf Bundesrecht stützen. Dieser Bereich ist mit über 1 600 Leistungen sehr groß, wie der EGovGKompass der KGSt zeigt. Verpflichtend müssen Kommunen insbesondere einen elektronischen Zugang eröffnen und eine elektronische Bezahlfunktion anbieten. Aber auch ohne eine gesetzliche Verpflichtung bietet das EGovG den Kommunen die Möglichkeit, elektronische Verwaltungsdienste einzuführen bzw. diese auszubauen. Dazu zählen z. B. die elektronische Akte und das ersetzende Scannen. Ein Schwerpunkt des EGovG beinhaltet die Möglichkeit, zwei neue schriftformersetzende Technologien einzusetzen. Bisher konnte

dafür nur die qualifizierte elektronische Signatur (qeS) genutzt werden. Deren geringer Durchdringungsgrad hat dazu geführt, dass es aktuell nur wenige E-Government-Services in Verwaltungsverfahren gibt. Dieses Defizit soll mit dem EGovG beseitigt werden. Artikel 3 EGovG ändert das Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes (VwVfG) und lässt mit der Neufassung des § 3a VwVfG neben der qeS das elektronische Identitätskennzeichen (eID) des neuen Personalausweises und die absenderbestätigte De-Mail zu, um eine elektronische Identität nachzuweisen und die Schriftform zu ersetzen.

Personalausweise in neuer Form Derzeit sind bereits etwa 22 Millionen neue Personalausweise mit eID-Funktion ausgegeben worden. Alle Verwaltungsebenen sind aufgerufen, gemeinsam am Ausbau sinnvoller eID-Angebote zu arbeiten. Kommunen sollten die Nutzung der eID-Funktion bei der Ausgabe von Personalausweisen mit dem Hinweis auf das EGovG intensiv bewerben. Um die notwendige Digitalisierung zügig voranzutreiben empfiehlt die KGSt den Kommunen damit zu beginnen, E-GovernmentProjekte strategisch zu planen und umzusetzen. Je nach örtlicher Situation müssen dafür die Prozesse ausgewählt werden, durch die das größte Potenzial an Servicequalität, Verwaltungsvereinfachung und Rationalisierung gehoben werden kann.

Rainer C. Beutel Foto: KGSt

Weitere Unterstützung für Kommunen Die Publikation „Was bedeutet das E-GovernmentGesetz des Bundes für die kommunale Praxis“ zeigt, welche organisatorischen und technischen Gestaltungsmöglichkeiten Kommunen haben – und was sie verpflichtend umsetzen müssen. Ansprechpartner Rainer.Beutel@kgst.de

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Report

Digital ist die moderne Verwaltung Prozesse in Regierung und Verwaltung werden permanent verbessert. Kommt noch Informations- und Kommunikationstechnik dazu, ist E-Governement geboren Autor Bertram Huke, Geschäftsführer der ekom21

Die kommunalen Verwaltungen sehen sich für die kommenden Jahre in immer kürzerer Abfolge großen Herausforderungen gegenüber. Der demografische Wandel, die angespannte Haushaltslage der öffentlichen Hand sowie die rasante Entwicklung der Kommunikationstechnologie sind auch

aus mehreren Modulen entwickelt, die auch unabhängig voneinander eingesetzt werden können. Dieser modulare Aufbau garantiert den Kommunen Flexibilität und Kostentransparenz. Weitere Module befinden sich derzeit in der Entwicklungsphase. Bei unserer E-Government-Strategie legen

grund der Alltagspraxis. Bei unseren Kunden werden die Antragsformulare aus dem Einwohnermeldewesen erzeugt, die zusammen mit Bild und Unterschrift des Antragstellers eingescannt sowie revisionssicher in einer elektronischen Akte abgelegt werden. Weitere DMS-Lösungen wurden auch für das Finanzwesen, die Ausländerbehörde und die elektronische Sammelakte im Personenstandsregister entwickelt. Unabhängig vom Einsatzbereich ist DMS ein wichtiger Schritt hin zu effektivem E-Government.

Effizienz per Automation Mit dem „Kommunalen Fallmanagement“ lassen sich Prozesse individuell auf die Bedürfnisse der jeweiligen Kommune anpassen. Nahezu alle Vorgänge in einer Verwaltung können so abgebildet werden – unabhängig davon, ob die Kontaktaufnahme zur Verwaltung persönlich, per eMail, Telefon oder Brief erfolgt.

Bürger ist wiedererkennbar Macht nicht nur in der Krise Sinn: Spezielle Software für Kommunen.

Antrieb einer fortschreitenden Verwaltungsmodernisierung. E-Government rückt vor diesem Hintergrund immer stärker als effektives und Kosten sparendes Instrument in den Fokus. Auch in Hessen. Hier bietet die ekom21 als größter IT-Dienstleister Kommunen ihre Dienste an.

Spezialsoftware für Kommunen Unter E-Government versteht man die Abwicklung von Prozessen in Regierung und Verwaltung unter Verwendung von Informations- und Kommunikationstechniken. Wir haben eine spezielle Suite „civento21“

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Foto: Can Stock/kgtoh

wir besonderes Augenmerk auf sogenannte Dokumentenmanagement-Systeme (DMS). Verknüpfungen mit den Fachverfahren können hier Zeit und Kosten einsparen. Im Personalwesen werden mit unserer Lösung personenbezogene Dokumente automatisch in digitalisierter Form übernommen und in einer elektronischen Akte des jeweiligen Mitarbeiters abgelegt. Die mühsame Einsortierung oder das zeitaufwendige Suchen von Papierakten entfällt. In Einwohnermeldeämtern oder Bürgerbüros stehen Anträge auf Ausweisdokumente im Vorder-

Dies führt zu einer spürbaren Optimierung der vor Ort verwendeten Fachverfahren. Darüber hinaus ist das Fallmanagement in der Lage, den Bürger automatisch „wieder zu erkennen“ und alle diese Person betreffenden Vorgänge anzuzeigen. Dies ermöglicht eine medienbruchfreie Kommunikation zwischen Bürger und Verwaltung über die eigentliche Antragstellung hinaus. Im Produktivbetrieb lässt sich bereits nach kurzer Zeit feststellen, dass sich mit der Nutzung von „civento21“ eine Produktivitätssteigerung in der Verwaltung ergibt. Die bisher erzielten Ergebnisse bei der Entwicklung unserer E-Government-Suite und die Rückmeldungen unserer Kunden bestärken uns, auf diesem Weg weiterzugehen.


Report

Die smarte Stadt „Smart City“ – ist das bloß ein neuer Modebegriff oder steckt dahinter ein ernstzunehmendes politisches Konzept? Autor Willi Kaczorowski

Folgt man der Definition der Wiener Stadtwerke, so bezeichnet der Begriff „Smart City“ eine Stadt, „in der systematisch Informations- und Kommunikationstechnologien sowie ressourcenschonende Technologien eingesetzt werden, um den Weg hin zu einer postfossilen Gesellschaft zu beschreiten, den Verbrauch von Ressourcen zu verringern, die Lebensqualität der BürgerInnen und die Wettbewerbsfähigkeit der ansässigen Wirtschaft zu erhöhen.“ Kurz, die Zukunftsfähigkeit der Stadt zu verbessern.

Echtzeit-Kommunalverwaltung Im Rahmen eines solchen politisch-strategischen Innovationsprogramms sollten die zentralen Handlungsfelder systematisch vernetzt werden. Auch Schnittstellen und Synergieeffekte können so wesentlich wirtschaftlicher und zielgenauer erzeugt werden. Bei Konzepten zur smarten Stadt steht häufig die Nutzung von vernetzter Hardund Software im Vordergrund. Sensoren und intelligente Messgeräte liefern über das

Internet Informationen in Echtzeit, sodass die Kommunalverwaltung mit intelligenter Datenanalyse vorbeugend tätig werden kann. Für die Kommunalpolitik sind City Cockpits wie das Smartphone wichtig. Missstände können per Foto registriert und an die Verwaltung gesendet werden. Über das Smartphone steuern Sie Ihren persönlichen ÖPNV oder nutzen soziale Netzwerke. Strategisch denkende BürgermeisterInnen wissen, dass der Digitale Wandel intelligent gestaltet werden muss. Das Paradigma der smarten Stadt kann das Drehbuch liefern.

Buchtipp Die smarte Stadt – Den digitalen Wandel intelligent gestalten, Boorberg Verlag Anzeige

Die Sieben der Zukunft Das Konzept der smarten Stadt greift vier wesentliche Herausforderungen auf, die sich unseren Städten in den nächsten Jahren stellen. Dazu gehören die Chancen und Probleme, die sich aus dem demografischen Wandel ergeben ebenso wie die Erfüllung der Forderungen nach ökologischer und finanzieller Nachhaltigkeit. Dazu kommen der Wandel des bürgerschaftlichen Partizipationsverhaltens und der Erhalt oder der Ausbau der Standortfähigkeit angesichts des schärfer werdenden internationalen Wettbewerbs. Die Entwicklung einer smarten Stadt ist ein politisch-strategisches Innovationsprogramm für die Kommune. Es kann dabei auf sieben technologische Großtrends der nächsten Jahre zurückgreifen. Zu diesen Megatrends gehören: die umfassende Verfügbarkeit von freiem schnellen WLAN, die systematische Nutzung sozialer Netzwerke und des Cloud Computing, mobile Government, Big Data und der Einsatz von Sensoren und anderen intelligenten Messgeräten im Rahmen des Internet sowie eine umfassende IT-Sicherheit bei der Nutzung intelligenter Netzwerke und Anwendungen.

gfo-Themenfokus 2014: Business Process Management (BPM): Vision oder Realität Die Gesellschaft für Organisation (gfo) hat zurzeit eine Studie über die Umsetzung und den Stand der Prozessorganisation und Implementierung in Deutschland in Auftrag gegeben. Über die Ergebnisse werden wir ausführlich in der zfo und auf den gfoManagement-Kongress in Oktober in Düsseldorf berichten. Weiter hierzu finden folgende Aktivitäten in diesem Jahr statt: r 9. Process Solutions Day am 14./15. Mai in Köln r 1. PSD im Gesundheitswesen am 4. Juli in Hannover r gfo-BPM-Fachtagung auf der DMS Expo in Stuttgart vom 07.–10. Oktober r gfo-Management-Kongress am 14/15. Oktober in Düsseldorf r Exklusive Zertifizierung zum CBPP (Certified Business Process Professional) r Internationale Zertifizierung CBAP (Certified Business Analyst Professional) r Veranstaltungen in 21 gfo-Regionalgruppen in Deutschland Unsere Mitglieder erhalten kostenlos die Zeitschrift für Organisation (ZfO) als Verbandsorgan. Zusätzlich gibt es große Preisnachlässe bei diesen Events für gfo-Mitglieder, weitere infos erhalten Sie unter info: www.gfo-web.de

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Report

Macht soviel Netz für den Bürger Sinn? Politiker können das Internet – mit Konzept – im Kommunalwahlkampf gut einsetzen Autor Martin Fuchs

viele Wähler noch nicht wahlentscheidend. Der Hightech-Verband BITKOM fand in einer Umfrage jedoch heraus, dass für ein Drittel der Deutschen wahlentscheidend ist, wie die Parteien das Internet nutzen. Nur wenige Kommunalpolitiker haben eine Internetpräsenz. Social Media spielt für viele der geschätzt über 250 000 Kandidaten bei den elf Kommunalwahlen im Jahr 2014 so gut wie keine Rolle. Der Bürger informiert sich im Internet über die lokale Politik vor Ort. Er diskutiert in Foren, twittert über Stadtratsbeschlüsse und editiert WikipediaArtikel von Kandidaten. Das heißt: Unabhängig davon, ob ein Politiker eigene Präsenzen im Netz besitzt und diese bespielt – es wird sowieso über ihn und seine Themen gesprochen. Die Frage ist heute also eher: Lasse ich über mich reden, oder rede ich mit?

Der Schlüssel zum (Wahl-)Erfolg liegt natürlich nicht im Internet und den sozialen Netzwerken. Aber die absolut notwendige Kommunikation und Information mit den Bürgerinnen und Bürgern wird auf digitalem Weg immer wichtiger. Foto: Maksim Kabakou/Fotolia

Bürgermeister bloggen, Lokaljournalisten recherchieren auf Twitter, lokale OnlinePetitionen erzeugen Druck, Städte eröffnen Open-Data-Portale, Bürgerinitiativen organisieren sich über soziale Medien, Parteien eröffnen virtuelle Ortsverbände und in mehr als 80 Prozent der größten deutschen Städte kommuniziert die Verwaltung bereits via Facebook mit den Bürgern.

Die Frage ist nicht mehr ob, sondern wie und was Knapp 80 Prozent der Deutschen sind online, 60 Prozent verfügen über einen Breitbandanschluss. Glaubt man der neuen Bundesregierung, sollen am Ende der Legislatur-

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periode alle Bürger Zugang zum schnellen Internet haben. Kein Wunder, dass inzwischen auch Politiker auf EU-, Bundes- und Landesebene das Internet wesentlich intensiver nutzen: Im Bundestag und den Landtagen haben fast alle Abgeordneten eine eigene Webseite, mehr als 95 Prozent der Bundestagsabgeordneten nutzen Social Media und neun von zehn Parlamentarier kommunizieren über Facebook. Die Zahlen zeigen, dass das Internet zum festen Bestandteil der politischen Kommunikation in Deutschland geworden ist. Experten sind sich allerdings einig: Das Internet war bei der letzten Bundestagswahl für

Die Strategie ist wichtiger als der Kanal Ein kontinuierliches Online-Monitoring sollte heute zum Standard in der Kommunalpolitik gehören. Das ist meines Erachtens fast wichtiger als auf verschiedenen Kanälen selbst präsent zu sein. Entscheidend ist, dass Sie wissen über was und wo vor Ort online diskutiert wird und welche Themen die Bürger Ihrer Kommune bewegen. Haben Sie das Ohr am Bürger. Bevor Sie mit der eigenen Kommunikation im Netz beginnen, sollten Sie wissen: Welche Ziele haben Sie? Welche Zielgruppen wollen Sie erreichen? Welche Ressourcen stehen Ihnen zur Verfügung? Erst wenn Sie diese Fragen geklärt haben, können Sie entscheiden, welche Instrumente für Sie und Ihren Wahlkampf relevant sind. Das müssen nicht zwingend Twitter, YouTube oder


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Lokalzeitungen und Amtsblätter werden immer weniger gelesen. Schaffen Sie einen eigenen Kommunikationskanal, um Ihre Politik direkt an die Bürger zu bringen.

Keine Angst vorm Bloggen

In der Zukunft wird die eigene Online-Community immer wichtiger. Nur wer es in der Zukunft schafft, einen eigenen mobilisierbaren Sympathisantenkreis im Netz aufzubauen, wird in den kommenden Jahren Wahlen gewinnen. Der persönliche Kontakt und die reale Vor-Ort-Präsenz sind in der Kommunalpolitik wichtiger als in der Bundes- oder Landespolitik. Eine weiter alternde Gesellschaft, immer größere berufliche Mobilität und das Abnehmen von klassischen Parteibindungen führen aber dazu, dass immer weniger Menschen Kontakt zu Ihnen suchen. Seien Sie also auch im Netz auffindbar und ansprechbar. Der Wille zum

Viele Mandatsträger sind ehrenamtlich aktiv, da fehlt Zeit und IT-Know-How. „Politik machen“ steht im Vordergrund, nicht über Politik reden. In den Wochen vor Wahlen steigt das Informationsbedürfnis der Bürger rasant an. Sie und Ihre Themen sollten dann auffindbar sein. Am einfachsten geht das – auch ohne großes technisches Wissen – mit Profilen in sozialen Netzwerken oder mit einem Blog. Sie sind schnell eingerichtet, ermöglichen Ihnen, sich und Ihre Themen umfassend darzustellen und werden von Suchmaschinen gut gefunden und dargestellt. Dies gilt auch für die Zeit nach den Wahlen.

Dialog bleibt auch in Zukunft bestehen. Nicht jeder Kommunalpolitiker braucht das Internet für seinen Wahlkampf, allerdings wäre es fahrlässig, nur noch offline präsent zu sein. Für immer mehr Bürger gehört das Netz zum Alltag. Nutzen Sie die Chancen: Hören Sie zu, seien Sie präsent und bieten Sie Dialogangebote – der Bürger wird es Ihnen danken. Martin Fuchs Lehrbeauftragter an der Universität Passau und Dozent für Social Media und Politik an weiteren Universitäten

Foto: privat

Facebook sein, vielleicht erreichen Sie Ihre Wähler besser über eine statische Webseite, eine App oder über das soziale Netzwerk Seniorbook.

Mehr vom Autor unter www.hamburger-wahlbeobachter.de Anzeige

WIR FÖRDERN KOMMUNALE KOMPETENZ Unter diesem Motto trifft sich die kommunale Welt vom 17. bis zum 19. September 2014 in Dresden auf dem KGSt ® -FORUM 2014, dem europaweit größten kommunalen Innovationskongress. In rund 80 Veranstaltungen präsentiert die KGSt gemeinsam mit kommunalen Experten und erfahrenen Praktikern Trends, Lösungswege und Praxisbeispiele zu acht wichtigen und aktuellen Themenfeldern: Innovative Kommune Nachhaltige Kommune Zukunftsfähige Kommune Bürgerkommune Soziale Kommune Vernetzte Kommune Konzern Kommune Mobile Kommune

Wir fördern professionelles Management, Führung und Wandel Wir fördern zukunfts- und generationsgerechtes Handeln Wir fördern langfristiges Denken und konsequentes Tun Wir fördern Teilhabe und Engagement der Bürger Wir fördern soziale Teilhabe und wirkungsorientierte Steuerung Wir fördern die Zusammenarbeit mit öffentlichen und privaten Partnern Wir fördern Strategie und Steuerung Wir fördern neue Wege für Services und Menschen

Das ausführliche Veranstaltungsprogramm und alle weiteren Informationen einschließlich der komfortablen Online-Anmeldung stehen unter www.kgst.de/kgst-forum-2014/ zur Verfügung. Eine schnelle Registrierung sichert die Teilnahme an zwei weiteren attraktiven Events des KGSt ® -FORUMS: am sportlich-kulturellen Abend der Stadt Dresden, am 17. September 2014 am KGSt® -Abend im Internationalen Congress Center Dresden, am 18. September 2014

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KGSt Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement Gereonstr. 18-32, 50670 Köln forum@kgst.de


Serie: Die Ratsfrau

Zurück auf die Schulbank 233 Folien und keine Immunität – ein Wochenende Weiterbildung mit beunruhigenden Informationen Autorin Susanne Dohrn uns die Vorstellung unheimlich, im Ehrenamt ein solches Risiko einzugehen. Der Rat des Referenten: Verschwiegenheitspflicht beachten, was im nicht-öffentlichen Teil von Sitzungen besprochen wird, für sich behalten und solche Akten zu Hause wegschließen. Zudem gilt frei nach Goethes Faust: „Die Entscheidung ist frei, danach bist du der Sklave.“ Was einmal genehmigt ist, lässt sich so leicht nicht rückgängig machen. Sollten wir Gemeindevertreter dennoch etwas Rechtswidriges beschließen, hat der Bürgermeister die Pflicht zu widersprechen. Darüber sollten wir uns als Gemeindevertreter dann auf keinen Fall hinwegsetzen.

Profit statt Denkmalschutz Kommunalpolitisches Rollenspiel: Was wird aus der historischen Villa mit Park? Fraktionen, Honoratioren und Vertreter der Stadt entwickeln ein Konzept. Foto: SGK Niedersachsen

Vor den Erfolg in der Kommunalpolitik hat die Sozialdemokratische Gemeinschaft für Kommunalpolitik (SGK) das Sitzfleisch gesetzt. Vom Kellersee scheint die Märzsonne in den Seminarraum der Gustav-Heinemann-Bildungsstätte, aber wir sitzen im Dunkeln und gucken Folien. Wir, das sind knapp 20 Kommunalpolitiker aus SchleswigHolstein, Alter zwischen 41 und 70. An diesem Wochenende sollen wir auf Einladung der SGK das Kommunalrecht in allen seinen Facetten kennenlernen. Das Rüstzeug für unsere Arbeit ist ein Buch mit 446 Seiten und Harald Rentsch, Experte für Gemeindeverfassungsrecht. Er hat sich vorgenommen, dass wir heute die wichtigsten Paragraphen kennenlernen sollen – auf 233 Folien. „Einführung in das Kommunalrecht“ heißt das Seminar und nach gefühlten 20 Stunden Frontalunterricht – es waren abzüglich der Pausen nur sieben – ist der Kopf so leer, als hätte jemand einen Stöpsel

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gezogen. Spannend wird es immer dann, wenn Fragen kommen, noch spannender, wenn es die falschen Fragen sind.

Von wegen Parlament In einer Frage fällt das Wort „Kommunalparlament“. Für den Referenten die Chance, uns einen Zahn sogleich zu ziehen: „Es gibt keine Kommunalparlamente und Sie sind, obwohl gewählt, keine Parlamentarier.“ Die Erklärung ist einfach: Ein Parlament erlässt Gesetze, wir auf kommunaler Ebene müssen die Gesetze nur ausführen. „Die Kommunen sind auch keine eigene staatliche Ebene sondern Teil der Länder“, sagt Rentsch und fügt noch eine beunruhigende Information hinzu: Wir genießen als gewählte kommunale Vertreter weder Immunität noch Indemnität, das heißt wir können für das was wir sagen und tun, haftbar gemacht werden. Ein Trost: In den meisten Fällen muss die Gemeinde den Schaden bezahlen, bzw. ihre Versicherung. Trotzdem findet mancher von

Am nächsten Tag wird es konkret. Es geht um einen Nachlass von 1,9 Millionen Euro, bestehend aus Barvermögen, einer historischen Villa und einem Park. Wir, die Kommunalpolitiker von „Neustadt“, dürfen in einem Rollenspiel das tun, was uns am liebsten ist: Geld ausgeben. Wir bilden Fraktionen – CDU, SPD und Grüne –, besprechen uns mit den Vertretern von Verbänden und örtlichen Honoratioren wie dem Kinderarzt, organisieren Mehrheiten für unsere Ziele und werben bei Bürgermeisterin und Kämmerer für unser Konzept. Am Ende siegt die CDU. Aus dem Projekt der SPD, die alte Villa zur Jugendherberge umzufunktionieren, wird nichts. Die CDU hat einen Unternehmer „an der Hand“, der sogar mehr als die 1,9 Millionen bietet. Damit ist die Villa weg und ein Stück kulturelles Erbe von „Neustadt“ verschwunden und Honoratioren, die damit nicht einverstanden sind, werden mit einem Sitz im Stiftungsbeirat geködert. Der Beirat soll das Geld aus dem Verkauf und das Barvermögen verwalten. Auch die lokale Presse hat ihre Schlagzeile: „Profit statt Denkmalschutz: Historische Villa wird abgerissen.“


Europa

Mit den Kommunen Europa neu denken Vorfahrt für eine bessere Gestaltungshoheit der Städte und Gemeinden Autor Peter Simon, MdEP

Ein starkes Europa braucht starke Kommunen. Um dies zu gewährleisten, wurde dem besonderen Stellenwert der kommunalen Ebene für Europa auch im Lissaboner Vertrag Rechnung getragen. Seit 2009 haben es die Kommunen deshalb schwarz auf weiß: Das Recht auf kommunale Selbstbestimmung ist in den europäischen Verträgen verankert und das Subsidiaritätsprinzip weiter gestärkt. Beste Voraussetzungen also dafür, dass die kommunale Gestaltungshoheit bei europäischen Maßnahmen in gebührender Weise berücksichtigt wird. Doch so mancher europäische Gesetzesvorschlag in der zu Ende gehenden Legislaturperiode hat zum Vorschein gebracht, dass dem Subsidiaritätsprinzip zwar stärker, aber offensichtlich noch nicht umfassend genug, Rechnung getragen wird.

Europa tickt für die Kommunen Ob z. B. bei der öffentlichen Auftragsvergabe, den Beihilfevorschriften oder der besonders umstrittenen Richtlinie für Dienstleistungskonzessionen – statt die Gestaltungsspielräume der Kommunen mit entsprechenden europäischen Rahmenbedingungen zu erweitern, war der Fokus bei den ursprünglichen Vorschlägen der Europäischen Kommission zunächst oft zu wettbewerbslastig. Solchen Tendenzen haben wir Sozialdemokraten im Europäischen Parlament aus Überzeugung eine klare Absage erteilt und die Gesetze im Sinne der kommunalen Ebene nachgebessert. Gegen eine mögliche Liberalisierung der bewährten kommunalen Wasserversorgung durch die Hintertür haben wir uns deshalb z. B. ebenso erfolgreich eingesetzt wie für die Ausnahme der Kommunalkredite oder der Rettungsdienste aus dem Anwendungsbereich der EU-Vergaberichtlinien.

Für uns Sozialdemokraten im Europäischen Parlament stand und steht außer Frage: Hochwertige öffentliche Dienstleistungen wie z. B. im Bereich der Bildungs- und Kultureinrichtungen oder auch Krankenhäuser und Pflegeheime sind ein grundlegender Pfeiler für das Funktionieren unseres Gesellschaftsmodells. Diese Güter müssen qualitativ hochwertig, für jedermann und jedefrau erschwinglich und überall zugänglich sein. Die Leistungen und damit auch die Form ihrer Erbringung müssen sich am Gemeinwohl orientieren. Dafür benötigen die Kommunen aber den notwendigen Gestaltungsspielraum. Wer jetzt wie so mancher mit der üblichen Kritik um die Ecke kommt, dass es den Kommunen doch nur um die Wahrung ihrer Besitzstände gehe, der hat die allein über 1,2 Millionen deutschen Unterstützerinnen und Unterstützer der europäischen Bürgerinitiative „right2water“ nicht komplett verstanden. Natürlich ging es ihnen erster Linie darum, einer möglichen Liberalisierung der kommunalen Wasserversorgung einen Riegel vorzuschieben. Doch die emotional geführte Diskussion hat noch eine weitere Botschaft klar zum Ausdruck gebracht: Hände weg von bewährten nationalen und kommunalen Modellen. Die sorgen für Sicherheit und soziale Teilhabe und gehören deshalb geschützt. Genau das haben wir Sozialdemokraten im Europäischen Parlament und Martin Schulz, unser Spitzenkandidat für das Amt des Präsidenten der Europäischen Kommission, uns auch auf die Fahne geschrieben: Bewährte Modelle müssen gesichert und dürfen nicht für den Wettbewerbsgedanken oder den Binnenmarkt aufs Spiel gesetzt werden. Im Mittelpunkt hat das Gemeinwohl der Bürgerinnen und Bürger zu stehen. Ein starkes Europa braucht starke Kommunen. Dafür müssen wir Eu-

Peter Simon

Foto: SPD-Parteivorstand

ropa auch in diesem Bereich neu denken: Kommunale Selbstverwaltung und Gestaltungsspielräume vor Ort schützen, Bürokratie abbauen.

Europa bringt Entlastung Europa kümmert sich um das, was nicht auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene besser geregelt werden kann. So sieht aus unserer Sicht gelebte Subsidiarität aus. Denn das würde unsere Kommunen entlasten und die notwendigen Rahmenbedingungen für noch stärkere Kommunen in Europa verbessern.

Peter Simon ist seit 2009 Mitglied des Europäischen Parlaments. Dort arbeitet er in den Ausschüssen für Wirtschaft und Währung und für Regionalentwicklung. Zudem ist er Vizepräsident der fraktionsübergreifenden parlamentarischen Arbeitsgruppen „Öffentliche Dienstleistungen“ und „Stadtentwicklung“.

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Bücher

Unvollendet: ein einiges Europa

Vergleichen macht klug

Was macht Europa heute aus und wie könnte es sich in der nahen und fernen Zukunft weiterentwickeln?

Ein Blick über den Tellerrand, der deutlich macht, wie man woanders „verwaltet“

Kein geringerer als Günter Verheugen, EU-Kommissar a. D. und Honorarprofessor an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder), hob das Buch im März in Berlin aus der Taufe. Dass Verheugen ein hohes Loblied auf Wilfried Loths EuropaGeschichte anstimmte, verleiht dem Band durchaus eine herausgehobene Stellung.

Der vorliegende Band ist das erste Lehrbuch zur vergleichenden Verwaltungswissenschaft in deutscher Sprache. Die Autoren gehen hier auf sechs Länder ein: Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien, Schweden und Ungarn. Dabei werden aktuelle Verwaltungsreformen nebeneinandergestellt und herausgearbeitet, inwieweit sich die verschiedenen Systeme angeglichen – oder auch ihre jeweiligen nationalen Ausprägungen beibehalten haben. Das Buch soll neben seiner Funktion für Studierende und Lehrende, auch ein nützlicher

Die Europäische Union erscheint in dieser Darstellung als das Ergebnis der Bemühungen, die demokratische Ordnung in Europa unter den Bedingungen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts (und darüber hinaus) zu sichern. Dass die Geschichte der europäischen Einigung letztlich eine Erfolgsgeschichte ist, das machte auch die Verleihung des Nobelpreises an die Europäische Union 2012 deutlich. Keine Krise und deren gab und gibt es immer noch mehr als genug, kann und konnte diese Sichtweise verhindern. Loth konnte für sein Buch interne Quellen der Mitgliedsländer einsehen, bearbeitete auf dieser Grundlage die Lancierung des Europarates und des Schumann-Plans im Kontext der Gründung der Bundesrepublik Deutschland bis zur derzeitigen Euro-Krise. Loth macht deutlich, welche Antriebskräfte hinter dem europäischen Integrationsprozess stehen und wie dieser Politik und Gesellschaft in Europa nachhaltig verändert hat. Anhand der Aufzeichnung der Entscheidungsprozesse so prominenter Akteure wie Konrad Adenauer, Charles de Gaulle,

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Willy Brandt, Valéry Giscard d`Estaing, Jaques Delors, Helmut Kohl und Angela Merkel kann man nachvollziehen, wie unsere heutige Europäische Union entstanden ist. Gezeigt wird auch, welche Alternativen es gab und warum diese nicht zum Zuge kamen. Die Kulisse dieser beeindruckenden historischen Bilanz lässt ahnen, welche Wege für die Europäische Union heute und in der Zukunft noch möglich sind. MIt diesem Buch legt Wilfried Loth die erste Gesamtdarstellung der europäischen Einigung vor, sie schärft den Blick für die Prozesse, die dazu nötig waren. Seien es nun die Krisen, die dargestelt werden oder die unzweifelhaft ebenfalls vorhandenen Erfolge. BB

Wilfried Loth Europas Einigung Campus Verlag, 2014, 512 Seiten, 39,90 Euro, ISBN 978-3-593-50077-5

Begleiter für Politiker, Verwaltungspraktiker, Journalisten und andere Interessierte sein. BB

Sabine Kuhlmann, Hellmut Wollmann Verwaltung und Verwaltungsreformen in Europa Springer Verlag, 2013, 323 Seiten, 26,99 Euro, ISBN 978-3-658-00172-5

Schnappt die Schuldenfalle zu? Strukturelle Mängel in der Mittelverteilung haben zu einer Finanzkrise der Städte geführt. Auswege in Sicht? Wenn das Geld knapp ist und die roten Zahlen bedrohlich zunehmen, dann schränkt das die Handlungsspielräume der Städte in beängstigender Weise ein. Gerade die Gestaltung sollte es ja sein, die unsere Räte und Bürgermeister zum Besten der Bürgerinnen und Bürger nutzen sollten. Oft ist das nicht mehr möglich. Der kommunalen Selbstverwaltung tut das natürlich nicht gut und besonders jedes zukunftsbezogene Denken wird mit dem deutlichen Hinweis auf die knappe Geldlage unterbunden. Im vorliegenden Buch untersuchen 16 Autoren die Ursachen der Krise, schauen auf die aktuellen Reaktionen in den Ländern, betrachten die Handlungsspielräume der Städte.

Wissenschaftliche Erkenntnisse gehen eine Verbindung mit praxisoreintierten Erfahrungsberichten der Städte ein. Eine lehrreiche Lektüre für alle, die einen Ausweg aus der Finanzkrise suchen. Die Bürgerinnen und Bürger hören gerne auch mal gute Nachrichten. BB

Kirsten Witte, René Geißler Städte in Not Bertelsmann Stiftung Verlag, 2013, 388 Seiten, 37,00 Euro, ISBN 978-3-86793-512


Menschen/Termine

Wahlen

Passau (64,7 Prozent), Kurt Seggewiß in Weiden i.d. OPf. (52,5 Prozent) und Jürgen Schröppel in Weißenburg (54,3 Prozent). Die CSU konnte in 16 Städten die Direktwahlen in der ersten Wahlrunde gewinnen.

Überraschungssieger Harry Mergel Foto: Wolfram Reiff

In Heilbronn schaffte der bisherige Sozial- und Bildungsbürgermeister Harry Mergel (SPD) eine Sensation: Er wurde im ersten Wahlgang mit über 55 Prozent der Stimmen zum neuen OB gewählt und ließ den von CDU und FDP nominierten Mitbewerber fast 25 Prozent hinter sich. Ebenfalls erfolgreich in BadenWürttemberg: Ralf Göck, seit 16 Jahren im Amt, wurde als Bürgermeister von Brühl bestätigt (61,38 Prozent) – die 3. Amtszeit. Mit 63 Prozent der Stimmen wird Ulf Kämpfer (SPD) Kiels neuer OB. CDU-Kandidat Stefan Kruber kam auf 28,3 Prozent. Kämpfer, Staatssekretär im Umweltministerium, folgt Susanne Gaschke (SPD) im Amt. Am 16. März 2014 fanden in 19 von 25 kreisfreien Städten sowie in 17 von 29 Großen Kreisstädten Direktwahlen zum Amt des OBs statt. Zeitgleich wurde in 58 der 71 Landkreise gewählt. Acht SPDKandidaten konnten sich im ersten Wahlgang zum Amt des OBs durchsetzen: Kay Blankenburg in Bad Kissingen (68,4 Prozent), Norbert Tessmer in Coburg (51,3 Prozent), Thomas Jung in Fürth (73,0 Prozent), Gerhard Jauernig in Günzburg (95,6 Prozent), Ulrich Maly in Nürnberg (67,1 Prozent), Jürgen Dupper in

In den 7 von SPD-Landräten geführten Kreisen konnten 2 im ersten Wahlgang wieder gewonnen werden: Coburg mit Landrat Michael Busch (62,7 Prozent) und Dingolfing-Landau mit Landrat Heinrich Trapp (91,3 Prozent). Die CSU setzte sich in 31 Landkreisen im ersten Wahlgang durch, Kandidaten der Freien Wähler in sieben. In 9 der 12 Städte, in denen am 30. März Stichwahlen zum Amt des OB stattfanden, traten Kandidaten der SPD an; in fünf Städten konnten sie sich in der Stichwahl durchsetzen. In München gewann Dieter Reiter (SPD) als Nachfolger des amtierenden OB Christian Ude (SPD) gegen den Kandidaten der CSU. In Regensburg (bisher OB Hans Schaidinger CSU) gewann Joachim Wolbergs (SPD) die OB-Wahl gegen den Kandidaten der CSU. In Dachau und Erlangen konnten sich Florian Hartmann (SPD) und Dr. Florian Janik (SPD) jeweils gegen den amtierenden OB der CSU durchsetzen. In Traunstein setzte sich Christian Kegel (SPD) gegen den am-

Hart gekämpft: Dieter Reiter. Foto: SPD München – Konrad Ferterer

Termine Tag der Kommunalwirtschaft 29. bis 30. April 2014, Hannover www.tagderkommunalwirtschaft Difu-Seminar: (Sozial-) Raumorientierung in der Kommunalverwaltung zwischen Jugendhilfe und integrierter Stadt(teil)entwicklung 05. bis 06. Mai 2014, Berlin www.difu.de/veranstaltungen Fachtagung (Difu/DST/Stadt Düsseldorf): Kommunen zwischen Energiemarktdesign und Klimaschutzgesetzgebung

tierenden OB Manfred Kösterke (Unabhängige Wähler) durch. In Würzburg trat der amtierende OB, Georg Rosenthal (SPD), nicht wieder an und der SPDKandidat konnte die Stichwahl nicht gewinnen. CSU-Kandidaten haben insgesamt in 7 Städten verloren und in 4 gewonnen. Kandidaten von Wählergruppen siegten in 3 Städten. Somit stellt die SPD insgesamt 18 OB/innen und damit zwei mehr als zuvor. Die CSU 26 OB/innen – ein Amt weniger. Unabhängige und von Wählergruppen unterstützte Kandidaten stellen wie bereits zuvor zehn OB/innen. In 7 der 18 Landkreise, in denen am 30. März 2014 Stichwahlen zum Amt des Landrates stattfanden, traten Kandidaten der SPD an. In keinem Landkreis konnten die Kandidaten/innen der SPD in der Stichwahl gewinnen. In Weilheim-Schongau verlor der amtierende Landrat Dr. Friedrich Zeller (SPD) gegen den Kandidaten der CSU. In den Landkreisen Erlangen-Höchstadt (bisher Landrat Eberhard Irlinger), Hof (bisher Landrat Bernd

15. Mai 2014, Düsseldorf www.difu.de/veranstaltungen SGK-Seminar: Mein Weg zur Bürgermeisterin – Frauen ins Rathaus 27. bis 28. Juni2014, Springe www.bundes-sgk.de/Veranstaltungen Erster Deutscher Kommunalradkongress 2014 03. Juli 2014, Siegburg www.dstgb.de DEMO-Kommunalkongress 2014 27. bis 28. November 2014, Berlin www.demo-kommunalkongress.de

Hering), München (bisher Landrätin Johanna Rumschöttel) sowie im Landkreis Schwandorf (bisher Landrat Volker Liedtke) traten die bisherigen Amtsinhaber von der SPD nicht wieder an; hier konnten die Kandidatinnen und Kandidaten der SPD die Stichwahl nicht gewinnen. Somit stellt die SPD in Bayern insgesamt 6 Landräte – 5 Landräte/ innen weniger als zuvor. Die CSU hat vier Ämter hinzugewonnen; sie stellt nun in 50 Landkreisen den Landrat. In 13 Landkreisen in Bayern haben Unabhängige und von Wählergruppen unterstützte Kandidaten das Amt des Landrats inne (bisher 14). Die Grünen stellen in zwei Landkreisen. Roland Eichmann, Landesgeschäftsführer der SGK Bayern, trat als gemeinsamer Kandidat von SPD und Parteifreien Bürgern zur Wahl an. Nachdem sein Gegenkandidat Thomas Kleist von der CSU in der ersten Runde in Führung lag, war die Freude umso größer: Neuer Bürgermeister von Friedberg (Kreis AichachFriedberg) wird Eichmann mit 55,5 Prozent der Stimmen.

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Das Letzte

Bavaria voran

es geschafft hat, den achtköpfigen Erhartinger Gemeinderat zu knacken.

Eine Frau revolutioniert die bayerische Provinz und lehrt gestandene Gemeinderäte das Fürchten

Zeigt Erharting, was eine Frau kann: Steffi Gansmeier

Die parlamentarische Geschichte von Erharting, einem 900-Seelen-Dorf in Bayern, das nicht einmal eine Seite im örtlichen Telefonbuch füllt, muss neu geschrieben werden. Stefanie Gansmeier (30), Mutter von zwei Kindern, Beruf Erzie-

Foto: Josef Enzinger

herin, enterte den Gemeinderat. Sie erhielt 639 Stimmen, so viele wie kein anderer Bewerber, der ausschließlich männlichen. Unter ihnen auch der amtierende Bürgermeister Georg Kobler mit nur 494 Stimmen. Stefanie Gansmeier ist die erste Frau, die

DEMO 4/2014 erscheint am 8.Mai 2014

Vor ihr versuchte es schon mal die eine oder andere Dame. Zuletzt war das die Lachner Berta vor 30 Jahren. Sie verlor jedoch knapp mit einer Stimme gegen den Schichtarbeiter Engelbrecht Karl. Damals wählten auch die Frauen nicht ihre Geschlechtsgenossinnen frei nach dem Motto: „Mit deinen fünf Kindern hast du genug zu tun.“ Gansmeier fürchtet sich nicht vor dem männerdominierten Rat. Von Platz fünf ihrer Liste der FWG/Wählergruppe führte sie ihre Partei zum Sieg: Fünf Sitze haben sie und ihre vier Kollegen erobert. Frischer Wind wird in jedem Fall wehen. Die junge Mutter will den Familien eine Stimme geben und vor allem für mehr Transparenz in der Politik und Information der Bürger sorgen. Das klingt, als ob die frisch gewählte Gemeinderätin bald auch viele ihrer neuen Ideen umsetzen wird. Bürgermeister Kobler und die Seinen müssen sich warm anziehen, auch wenn es jetzt langsam Sommer wird.

IMPRESSUM Demokratische Gemeinde, Fachorgan der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik (Bundes-SGK) Stresemannstraße 30, 10963 Berlin Postfach 61 03 22, 10925 Berlin Telefon: (030) 255 94-200 Telefax: (030) 255 94-290 ISDN: (030) 255 94-615 E-Mail: redaktion@demo-online.de Internet: www.demo-online.de Herausgeber: Norbert Bude (OB Mönchengladbach, Vorsitzender der Bundes-SGK) Redaktion: Barbara Behrends (Chefredakteurin), Nils Hilbert (Redakteur) Telefon: (030) 255 94-230 Layout/Sekretariat: Heidemarie Lehmann Telefon: (030) 255 94-200 Projektleitung: Henning Witzel Telefon: (030) 255 94-175 Verlag: Berliner vorwärts Verlagsgesellschaft mbH, Stresemannstraße 30, 10963 Berlin, Postfach 61 03 22, 10925 Berlin Telefon: (030) 255 94-100 Telefax: (030) 255 94-192 Verlagsleitung: Guido Schmitz Anzeigen: Nicole Stelzner (Anzeigenleiterin), Henning Witzel (Verkauf), Christine Kluge (Handling) Gültige Anzeigen-Preisliste: Nr. 30 vom 1. Januar 2014, Anzeigenschluss ist der 15. des Vormonats. Vertrieb: Stefanie Martin Telefon: (030) 255 94-130 Abonnementverwaltung: IPS Datenservice GmbH, Andreas Gruner, Carl-Zeiss-Str. 5, 53340 Meckenheim Telefon: (02225) 70 85-366 Telefax: (02225) 70 85-399 E-Mail: abo-vorwaerts@ips-d.de Einzelverkaufspreis: 6 € Jahres-Abonnement: 60 € (inkl. Versand und 7 % MwSt.); für Schüler und Studenten (Nachweis erforderlich) 40 € Jahres-Abonnement (Ausland): 60 € zzgl. Versandkosten Die Abonnements verlängern sich jeweils um ein Jahr, sofern nicht spätestens drei Monate vor Ablauf schriftlich gekündigt wird. Bankverbindung: SEB AG, BLZ: 100 101 11, Konto-Nr.: 1 748 136 900 Bei Nichterscheinen der Zeitung oder Nichtlieferung ohne Verschulden des Verlages und im Falle höherer Gewalt besteht kein Anspruch auf Leistung, Schadenersatz oder auf Minderung des Bezugspreises. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos wird keine Haftung übernommen. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Quellenangabe. Die Zeitung und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Litho: metagate Berlin, Litfaß-Platz 1, 10178 Berlin, Telefon: (030) 283 06 - 0

mit folgenden Themen: Im Titelthema geht es in der nächsten Ausgabe der DEMO um das Grüne in unseren Städten und Kommunen. Passend dazu kümmern wir uns beim Report um Umwelt und Nachhaltigkeit. Ein Erholungswert sollte allem zugrunde liegen. Foto: Can Stock/Artisticco

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DEMO 3 | 2014

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Wie heißt der Bürgermeister von Weeeeesel?

Ulrike Westkamp

Anschrift und Kontaktdaten von Frau Westkamp sowie anderen Bürgermeistern, Dezernenten, Fraktionsvorsitzenden und viele weitere kommunale Ansprechpartner finden Sie im neuen Deutschland Kommunal 2014.

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