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Victoria Sarapina: Ene meine muh – und raus bist du!
ENE, MENE, MUH – UND RAUS BIST DU!
9 »Schwarzdenker«-Beitrag: »Utopie der Kunst«
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von Victoria Sarapina
Demokratie soll transparent sein und will kommuniziert werden, und so vergibt die öffentliche Hand (Wo ist eigentlich der öffentliche Kopf?) ständig Designaufträge. Doch die Vergabepraxis ist mehr als enttäuschend. Den Bewerber/die Bewerberin erwartet Berge von Papier, praxisferne und oft widersprüchliche Anforderungen. Alles in allem ist es haarsträubend und skandalös. Der Einkauf von Kreativität findet zwischen der Bestellung von Büroartikeln und der Müllentsorgung statt. Wenn man jung und unerfahren ist, freut man sich über jede Anfrage. Und wenn eine von der öffentlichen Hand kommt, umso mehr. Da macht es auch nichts, dass die Anfrage in einem Dokument von über 80 Seiten formuliert ist und das Ausfüllen einen halben Tag in Anspruch nimmt. Man ist gewillt, mitzumachen. Man kämpft sich durch versicherungstechnische Anforderungen, überfliegt Fragen nach behinderten MitarbeiterInnen und Menschen mit Migrationshintergrund. Es wird viel abgefragt und viel abverlangt. Eine Menge Formalien, wenig Inhaltliches. Keine Fragen zu Eignung und Qualifikation. Die Kalkulation wird zu einer Nebensächlichkeit. Doch man nimmt das Prozedere gelassen und bleibt optimistisch. Irgendwann ist Schluss. Ernüchterung macht sich breit, nach jahrelangem Ausfüllen und Mitmachen. Mancher Kollege/manche Kollegin handelt radikal und nimmt nur teil, wenn er explizit und persönlich zur Angebotsabgabe eingeladen wird. Alles andere sei verlorene Mühe! Einem Kollegen platzte der Kragen, als er zu einer Angebotsabgabe in Form eines Pitches eingeladen wurde. Die ausschreibende Staatsbibliothek hatte sich bemüht, genauere Angaben zu den verlangten Leistungen zu machen, doch die MitarbeiterInnen hatten keine Ahnung von der Umsetzung derartiger Druckprojekte. Am Ende erschien die geforderte Leistung fast absurd: Man wollte ein Angebot für Druck und Gestaltung, mit der Option, sich später aus den gestalteten Seiten einzelne auszusuchen und nur diese zu vergüten. Dem Designer wurde bei Nichtgefallen eine »großzügige« Aufwandsentschädigung von 500 Euro in Aussicht gestellt.
Die Angebotsabgabe und wie wir als DesignerInnen damit umgehen, ist eine Seite der Medaille. Die andere ist die Entstehung solcher Anfragen. Haben Sie sich schon einmal gefragt, wer diese formuliert