2 minute read

Berichte vom Horn von Afrika

Seit Sommer 2020 berichtet Mariel Müller aus Nairobi, Kenia. In der Weltzeit spricht die Ostafrika-Korrespondentin der DW über ermutigende Begegnungen, ihre Neugier und vermeintliche Hoffnungsträger.

Text Ivana Drmić, DW-Redakteurin

Advertisement

Soziale Ungerechtigkeit kennt Mariel Müller von Verwandtenbesuchen in Peru in Kindheitstagen. Die Ungleichheit im Land weckte in ihr den Wunsch, beruflich etwas zu machen, „das weniger privilegierte Menschen stärkt“. Sie entschied sich für ein Studium der Ethnologie, Sprache, Kultur und Literatur in München. 2013 drehte sie in Istanbul mit zwei Kommilitonen einen Dokumentarfilm, zufällig kurz vor den Gezi-Park-Protesten. „Diese ersten Gehversuche mit Kamera, Editing und Storytelling machten mir viel Spaß und regelrecht , süchtig‘.“ Auf einem kleinen Filmfestival gab es dafür sogar eine Auszeichnung. „So falsch kann ich mit meinem Berufswunsch nicht liegen“, dachte sich Mariel Müller damals.

Nach einer zweijährigen journalistischen Ausbildung bei einem Studierendenradio erhielt sie ein Stipendium im Bereich Video journalismus. Danach folgten Praktika unter anderem bei der Süddeutschen Zeitung, im ZDF-Studio in Nairobi und bei der DW in Washington. Die damalige und jetzige Washington-Korrespondentin Ines Pohl ermunterte sie damals, sich auf das Volontariat zu bewerben.

Mariel Müller bei den UN-Friedenstruppen in Beni im Osten der Demokratischen Republik Kongo, Februar 2021. In der Region kommt es regelmäßig zu Angriffen von bewaffneten Milizen auf die Bevölkerung.

© DW/M. Müller

Seit September 2020 berichtet Mariel Müller für die DW aus Kenia und deckt die gesamte Region Ostafrika ab. So berichtete sie im Rahmen des Tigray-Konflikts in Äthiopien über die Zustände von Geflüchteten in überfüllten Flüchtlingscamps an der sudanesisch-äthiopischen Grenze. „Abstand halten ist dort unmöglich. Trotzdem war es wichtig, die Geschichten der Geflüchteten, den einzigen Augenzeugen des Konflikts, zu denen wir Zugang hatten, zu hören und hörbar zu machen. Aus Tigray ist nichts nach außen gedrungen. Die äthiopische Regierung hat Telefonverbindungen und das Internet gekappt, ausländischen Journalisten wurden Presseakkreditierungen verweigert“, so Müller.

Die zunehmende Einschränkung der Pressefreiheit sowie die Gewalt an Journalistinnen und Journalisten sei die größte Herausforderung in der Region, so Müller. „Sehr restriktiver oder manchmal gar kein Zugang für Journalistinnen und Journalisten bei Ereignissen wie den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen vergangenen Oktober in Tansania erschweren unsere Arbeit massiv.“ Dazu komme die Gewalt gegen Medienschaffende. Ein Beispiel: „In Uganda hatte ein Polizeichef vor der Präsidentschaftswahl in einem Interview offen zugegeben, dass Polizisten Journalisten verprügeln würden, angeblich, um sie davor zu bewahren, an gefährliche Orte zu gehen.“

Es ist wichtig, die Geschichten von Geflüchteten, häufig die einzigen Augenzeugen eines Konflikts, zu hören und hörbar zu machen.

Die größte politische Veränderung, die Mariel Müller in den vergangenen fünf Monaten erlebt hat, sei der Wandel des äthiopischen Premierminister Abiy Ahmed vom gefeierten Friedensnobelpreisträger zum Kriegsherrn gewesen. „Äthiopien hat sich vom Stabilitätsanker und Hoffnungsträger am Horn von Afrika zum Schauplatz eines Konflikts entwickelt, der Tausende Opfer gefordert und laut Hilfsorganisationen über zwei Millionen Menschen in die Flucht getrieben hat. Jetzt droht auch noch eine Hungersnot. Das sollte die internationale Gemeinschaft mit Blick auf die Hungerkatastrophe von 1984 nun mit allen Mitteln verhindern.“

Die vielen inspirierenden Begegnungen erweitern immer wieder Mariel Müllers Pers pektive. Besonders in Erinnerung geblieben ist ihr eine Begegnung in einem Flüchtlingscamp im Sudan: „Ich traf eine Lehrerin, die gemeinsam mit einem siebenjährigen Schüler geflohen war. Seine Mutter hatte die Pädagogin darum gebeten, das Leben des Jungen zu schützen. Die Mutter selbst blieb in Tigray zurück, weil sie ihre anderen Kinder suchen wollte. Die Lehrerin nahm den Jungen auf, als wäre er ihr eigener Sohn. „Begegnungen wie diese zeigen, wie wichtig Zusammenhalt und Menschlichkeit in solchen traumatischen Extremsituationen sind.“

This article is from: