b – N° 7 / Das Magazin des Balletts am Rhein

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MAGAZIN DES BALLETTS AM RHEIN SPIELZEIT 2016  / 17

VERDOPPLUNG DER KRÄFTE: MARTIN SCHLÄPFER UND REMUS ŞUCHEANĂ IM GESPRÄCH – VOM ELEVEN ZUM BALLETTDIREKTOR – EIN SONNTAGMITTAG ANNO 1864 IN DER RUE MONCEY 12 – „ICH CHOREOGRAPHIERE AUS MEINEM HERZEN …“: NATALIA HORECNA – IMPRESSIONEN: b.25 - b.28 – JOYSANNE SIDIMUS: ERINNERUNGEN AN MR.    B. – SAUL STEINBERG: „THE AMERICANS“ – YOUNG MOVES: SECHS CHOREOGRAPHEN BLICKEN ZURÜCK – DAS BALLETT AM RHEIN: RÜCKBLICK / AUSBLICK / NEUES



Editorial Ein Abend im Theater: Was wir zu sehen bekommen, ist eine möglichst perfekte Aufführung. Choreographie, Musik, Besetzung, Bühne, Kostüme, Licht, Maske, die Gesamtkomposition eines Programms – alles sollte stimmen. Voraussetzung dafür sind nicht nur intensive Proben, sondern Spuren, die oft schon Jahre im Voraus gelegt wurden: in Ausbildungen, künstlerischen Entwicklungen und Gedanken, die nicht nur zur Konzeption einer einzelnen Aufführung, sondern zur gesamten Ausrichtung eines Ensembles führen können. Die Tanzkunst, so flüchtig sie ist, lebt nicht aus dem Augenblick und der Spontanität – sie braucht auch Zeit. Seit 2009 leitet Martin Schläpfer das Ballett am Rhein Düsseldorf Duisburg und hat das Ensemble seither zu einer der bedeutendsten Compagnien geformt: mit einem eigenen Profil aus vielfältigen Tänzerpersönlichkeiten, aber doch der Basis der klassischen Danse d’école verpflichtet, mit einem Spielplan, der immer wieder Brücken baut zwischen der Vergangenheit und Gegenwart, das Erbe uns lebendig vor Augen führt und zugleich auf intensive Weise erleben lässt, welche Relevanz der Tanz als zeitgenössische Kunstform für unsere Gesellschaft hat. Mit Remus Şucheană hat sich Martin Schläpfer nun einen Ballettdirektor an die Seite gestellt, um u.a. mehr Freiräume für sein eigenes Choreographieren zu gewinnen, ohne sein groß­ angelegtes Projekt eines „Balletts für das 21. Jahrhundert“ fallen zu lassen. Vielmehr geht es um eine Verdopplung der Kräfte, um das weitere Setzen neuer Impulse, ein permanentes Weiterdenken dieser großartigen Tradition des Tanzes hinein in die Zukunft. Welche Gedanken, künstlerischen Ansätze und Energien die beiden Direktoren in die neue Spielzeit mitbringen – davon handelt unser zweiteiliges Leitthema: ein Interview über ihre Arbeit und Pläne und ein Porträt, das uns Remus Şucheană vorstellt. Einblicke in die „Werkstatt“ einer Direktion sind dies, Einblicke in die Arbeit „hinter den Kulissen“ geben aber auch die übrigen Beiträge dieser Ausgabe: Der renommierte Musikjournalist Volker Hagedorn nimmt uns mit auf eine Zeitreise hinein in einen bestimmten Tag im Paris des 19. Jahrhunderts: den 13. März 1864, an dem Gioacchino Rossini seine Petite Messe solennelle uraufführte – eine gar nicht „kleine“ Messe, zu der Martin Schläpfer in b.32 ein neues abendfüllendes Ballett vorstellt. In ihre innersten Gedanken über das Kreieren für den Tanz gewährt uns die Choreographin Natalia Horecna Einblick. Joysanne Sidimus, Ex-Ballerina des New York City Ballets und enge Mitarbeiterin von George Balanchine, lässt uns dagegen durch ihre Augen auf eine der fruchtbarsten und wegweisendsten Epochen des Tanzes im 20. Jahrhundert schauen. In der neuen Plattform Choreographie Young Moves haben sich in der vergangenen Spielzeit sechs Tänzerinnen und Tänzer des Ensembles erstmals als Choreographen präsentiert. Auf bewusst offenherzige Weise berichten sie von ihren Erfahrungen. Seit der ersten Ausgabe Tradition hat der Rückblick auf die vergangene Spielzeit in Fotografien von Gert Weigelt – schöne Erinnerung und wertvolle Dokumentation der Programme b.25 bis b.28. Wir wünschen Ihnen eine inspirierende Lektüre und viele großartige Aufführungen mit dem Ballett am Rhein in der Spielzeit 2016/17. ballettamrhein.de

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Inhalt

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Inhalt 06

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Verdopplung der Kräfte

Saul Steinberg — The Americans

Martin Schläpfer und Remus Şucheană im Gespräch

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Young Moves – Plattform Choreographie

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Vom Eleven zum Ballettdirektor

Sechs Choreographen blicken zurück

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Ein Sonntagmittag anno 1864 in der Rue Moncey 12

Das Ballett am Rhein Düsseldorf Duisburg

Volker Hagedorn über Gioacchino Rossinis Petite Messe solennelle

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Das Ballett am Rhein unterwegs in Europa

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„Ich choreographiere aus meinem Herzen – und aus denen der anderen“

Die Gastspiele 2016/17

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Rückblick / Ausblick / Neues

Ein Gespräch mit Natalia Horecna

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b.25 — b.28 Impressionen aus der Spielzeit 2015/16

Künstlerisches Team / Impressum

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Erinnerungen an Mr. B. Joysanne Sidimus über George Balanchine

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Interview

Verdopplu der Kräfte M A R T IN S C HL Ä P F ER U ND R EM U S Ş U C HE A N Ă IM G ES P R ÄC H Ü B ER D IE L EI T U N G D ES B A L L E T T S A M R HEIN

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Martin Schläpfer – Remus Şucheană

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IN T ER V IE W A NNE D O PAÇ O & C A EC IL I A B R ENNINK ME Y ER

FOTOS S U S A NNE D IE S NER

Zur Spielzeit 2016/17 hat Martin Schläpfer sich zu einer neuen Struktur in der Leitung des Balletts am Rhein entschieden und die Position des Ballettdirektors an seinen ehemaligen Tänzer Remus Şucheană übertragen. Er selbst gewinnt als Chefchoreograph und Künstlerischer Direktor mehr Freiraum für seine, das Ballett am Rhein so stark prägende, künstlerische Arbeit. —— 7


Interview

mehr, dass ich mehr choreographieren, mehr Choreograph sein will. Und ich möchte mich nicht mehr permanent bügeln, permanent kontrollieren, ob ich aus der Perspektive des Direktors und nicht des Künstlers für alle immer den richtigen Bogen finde. Als Direktor muss man unterdrücken, wer man wirklich ist, welche Emotionen man wirklich hat. Als Künstler kann ich damit ganz anders umgehen und arbeiten. So ist es doch vernünftig, nicht einfach hinzuschmeißen, sondern rechtzeitig bestimmte Aufgaben abzugeben, neue Wege zu gehen und nicht zuletzt ja auch die Kraft zu nutzen, die ein so junger Mensch wie Remus Şucheană für eine solche Position mitbringt.

Anne do Paço  Martin, du bist seit 22 Jahren als Ballettdirektor und Choreograph tätig und hast mit großem Erfolg drei Com­ pagnien aufgebaut bzw. neu formiert. Nun gehst du mit Remus Şucheană als Direktor an der Seite neue Wege. Was hat dich zu diesem Schritt bewogen?

MARTIN SCHLÄPFER  In der Doppelfunktion als Ballettdirektor

und Chefchoreograph die Balance zu finden und über so viele Jahre nicht zu stagnieren, sich nicht festzusetzen und einzutrocknen, sondern permanent am Leuchten, Brennen – lebendig – zu bleiben, ist eine unglaubliche Herausforderung. Tag für Tag muss man die richtigen Impulse geben, damit der Tanz und die Tänzerinnen und Tänzer blühen können und sich auch über einen längeren Zeitraum weiterentwickeln. Tag für Tag muss man aber auch mit gewissen Déjà-vu-Erlebnissen im Direktionsbereich umgehen und Probleme und Druck in einer Weise aushalten, die nicht gerade stimulierend auf die eigene Kreativität wirkt. Man wird aggressiv, ungeduldig, was für die Sache evt. sogar noch gut ist, aber für die Menschen, die direkt mit einem arbeiten, unerträglich werden kann. Wenn ich mich umschaue und mit Kollegen spreche, die nicht einfach nur einen Job machen, sondern im Tanz kreativ sind und froh, ein gutes Ensemble zu leiten, so berichten die meisten, dass man irgendwann an den Punkt kommt, an dem man sich wünscht, alles hinzuwerfen. Und auch für mich wurde klar: Wenn es so weiter geht, bin ich 2019 nicht mehr hier. Aber: I’m hungry! Ich spüre in letzter Zeit immer

Caecilia Brenninkmeyer  Wann hat sich für dich, Remus, ab­ gezeichnet, dass dich die Position des Ballettdirektors im Anschluss an deine Tänzerkarriere interessieren könnte?

REMUS ŞUCHEANĂ  Die Idee begann seit meiner zweiten oder dritten

Spielzeit beim Ballett am Rhein in mir zu reifen. Ich hatte mich am Fuß verletzt. Nach einer OP konnte ich für etwa ein Jahr erneut tanzen, doch dann begannen die Schmerzen wieder – überall. Ich hatte einfach zu viele alte Verletzungen, war nicht mehr fit und wollte aber auch nicht weniger geben, denn im Tanz gibt es für mich nur alles oder gar nichts. Ich musste aufhören und dachte schon länger daran, mit Martin darüber zu sprechen, doch dann kam er mir zuvor und bot mir an, sein Co-Direktor zu werden und die Leitung der Ballettschule zu übernehmen.

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Martin Schläpfer – Remus Şucheană MARTIN SCHLÄPFER  Remus war kein Tänzer, der nach dem Effekt

immer wieder faszinierenden Gespür, wann es richtig ist, in einen Prozess mit voller Kraft einzusteigen oder doch noch abzuwarten, um ihn in die richtigen Wege zu lenken.

haschte. Er war ein wirklich großer Tänzer, einer, der das, was er bekam, nahm und auf seine Weise aufs Wunderbarste verwandelte. Für mich war er eine männliche Muse. Wenn jemand als Künstler noch blühen will und kann, ist es natürlich absurd, aufzuhören. Doch nach dieser Reihe von Verletzungen, war es für Remus an der Zeit. Ich spürte: „The guy is ready.“ Meine Entscheidung, ihm die Ballettdirektion nach zwei Jahren als mein Co-Direktor anzubieten, war ein sehr kalkulierter Schritt. Aus der jahrelangen Beobachtung heraus bin ich sicher, dass er für diese Aufgabe bestens geeignet ist. Schon als Tänzer dachte er immer mit, respektierte aber zugleich meine Entscheidungen – auch wenn ich vielleicht in seinen Augen nicht recht zu haben schien. Ich hatte ihn immer an meiner Seite, er unterstützte mich, so dass unsere Zusammenarbeit ein sehr starkes Rückgrat hatte. Als Direktor ist es so wichtig, dass man immer „funktioniert“, auch wenn es einem gerade gar nicht danach ist. Bei Remus kommt für mich aber noch eine andere Komponente hinzu: Er war nie einer, der mir „auf dem Schoß“ zu hocken versuchte, sondern immer mit einer gewissen Distanz sehr professionell arbeitete. Wir wissen vieles voneinander und vieles gar nicht, kennen uns fast nur durch die Arbeit, was mich unglaublich frei macht. In all diesen vielen Jahren gab es in unserer Zusammenarbeit nie eine „Verklebung“. Und dann hat er dieses unglaublich sympathische Wesen, ein ganz eigenes Understatement – gepaart mit einem mich

Caecilia Brenninkmeyer  Der aktive Impuls, Direktor zu wer­ den, ging also gar nicht von dir aus, sondern es war das Ange­ bot Martins?

REMUS ŞUCHEANĂ  Ja, so war es, und zunächst konnte ich mir

einen solchen Weg nicht vorstellen, hatte überhaupt keine Ahnung, was da auf mich zukommen würde. Für mich war immer nur ganz klar, dass ich unterrichten möchte … MARTIN SCHLÄPFER  … was absolut richtig ist, denn Remus gibt –

und das verblüfft mich immer wieder – wie aus der Natur heraus und zugleich mit sehr viel Wissen ein ausgezeichnetes Training.

Anne do Paço  Unterrichtet hattest du ja bereits in der Schule des Balletts am Rhein, die du dann als Direktor auch über­ nommen hast und zugleich wurdest du für zwei Jahre Martins Co-Direktor – eine Zeit, die du intensiv nutzen konntest, dich auf deine neue Position vorzubereiten, ohne gleich die volle Verantwortung übernehmen zu müssen.

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Interview

REMUS ŞUCHEANĂ  Ja, das war mir ganz wichtig, denn meine Tänzerausbildung befähigte mich ja nicht dazu, eine Compagnie zu leiten. Natürlich habe ich Martin sehr genau bei der Arbeit beobachtet, aber die Perspektive als Tänzer auf einen Direktor ist letztlich doch sehr beschränkt, von vielen Aufgabenbereichen ahnt man gar nichts. So konnte ich die zwei Jahre nicht nur nutzen, um mein Wissen in den administrativen Bereichen zu erweitern, sondern auch um das Gespür für all die Feinheiten zu entwickeln, wie man ein Ensemble lenkt – ein Prozess, an dem man sein Leben lang weiterarbeitet und lernt. Die Zusammenarbeit mit den Ballettmeistern ist mir sehr sehr wichtig, aber auch mit unserem ganzen Team, das genaue Hinschauen, wo etwas nicht stimmt, was wir verbessern können und wo ich v. a. Martin wirklich entlasten kann …

MARTIN SCHLÄPFER  Nachdem ich mich bewusst entschieden hatte,

aus Heinz Spoerlis Basler Ballett auszuscheiden, fühlte ich mich im Leben ziemlich verloren. Ich meine das gar nicht dramatisch. Mal arbeitete ich doch wieder als Tänzer, dann habe ich mich irgendwo in einer Wohnung verkrochen, schließlich habe ich meine Basler Ballettschule Dance Place gegründet, diese dann aber an Amanda Bennett delegiert, um schließlich doch wieder zurückzukehren … 1990/91 tanzte ich in der Berner Compagnie unter François Klaus. Ich war gerade vier Monate in New York gewesen, hatte dort intensiv trainiert und war wieder in Top-Form, zugleich war ich aber auch schon ein sehr erfahrener und unorthodoxer Lehrer, was François und seine Frau Robyn, aber auch meine Tänzerkollegen, die ich in dieser Zeit auch regelmäßig trainierte, sehr genau wussten. Man spürte, dass ich etwas im Ballettsaal auslösen kann. Als die Position von François Klaus schließlich vakant wurde, drang die Frage an mich durch: „Wouldn’t you want to direct us?“ Ich konnte mir das in der Tat vorstellen und schickte ein Papier an den Intendanten Eike Gramss. So begannen die ersten Gespräche – und schließlich wurde ich Ballettdirektor. Es war ein Anfang und es war exciting. Meine Berufung war ein echtes Beben in der Schweizer Presselandschaft. Viele Journalisten nahmen mich zunächst nicht ernst. Es hieß, ich sei zu sensibel und zu unstet. Aber das hat sich dann sehr schnell verändert. Ich hatte noch nie choreographiert und da ich nicht wusste, ob ich als Choreograph gut genug sein kann, habe ich zunächst v.a. Gäste eingeladen. Doch ich hatte kaum einen Etat, so dass ich am Ende zu dem winzigen Budget von 40.000 Franken jede Menge privates Geld zugeschossen habe, um überhaupt etwas aufbauen zu können. Ich hatte nur ein einziges, sehr kleines Studio für die Proben. Außerdem musste ich alles abdecken – auch Operetten und Opern choreographieren –, denn das Berner Theater definierte sich ganz klar als Opernhaus. Zugleich stand ich mit meiner Compagnie aber auch einer recht komplexen, sehr lebendigen und gut geförderten freien Berner Tanzszene gegenüber. Mein Start als Ballettdirektor war wirklich eine harte Schule! Aber ich wusste relativ

MARTIN SCHLÄPFER  … ein Miteinander, das natürlich von einer Gegenseitigkeit geprägt ist, denn wenn Remus dann für b.30 sein erstes Ballett choreographiert, werde ich in gewissen Bereichen präsenter sein, um ihm den Rücken freizuhalten, so wie er das nun für mich tut. Anne do Paço  Im Tanzbereich ist die Transition-Frage ein großes Thema, die Frage, welche Wege sich nach der aktiven Tänzerkarriere für einen weiteren beruflichen Werdegang und natürlich damit auch verbunden eine gesicherte Lebensbasis ergeben. Die Art und Weise, wie du Remus die Möglichkeit eröffnet hast, in eine derart wichtige leitende Position hineinzuwachsen, ist – ohne weitere von außen zugeschossene Förderung – auch eine geradezu vorbildliche Transition-Maß­ nahme innerhalb eines Betriebes wie der Deutschen Oper am Rhein. Dein Weg zum Ballettdirektor stellte sich ganz an­ ders dar.

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Martin Schläpfer – Remus Şucheană

schnell, dass ich eine Compagnie leiten kann und ein guter Lehrer bin. Aber Choreograph? Nach einigen Jahren kam Jochen Schmidt zu meinem Ballett Vespers in die Französische Kirche nach Bern und plötzlich begann man auch jenseits der Schweiz auf meine Arbeit zu schauen.

Caecilia Brenninkmeyer  Georges Delnon wurde dann Inten­ dant in Basel. War es für dich keine Option mit ihm dorthin zu wechseln?

MARTIN SCHLÄPFER  Er fragte mich natürlich, ob ich mitgehen würde. Doch dies ging nicht. Basel war ja der Ort, wo ich viele Jahre in Heinz Spoerlis Compagnie getanzt hatte. Seit seinem Weggang nach Zürich hatte sich das Ensemble sehr verändert und war v. a. von 40 auf 20 Tänzerstellen geschrumpft. Für mich als Schläpfer kam es nicht in Frage, mich zu den gleichen Bedingungen wie ich sie in Mainz schon hatte, neben Spoerlis Zürcher Compagnie, die mit allem ausgestattet war, was sie brauchte, zu stellen. Das war ein kulturpolitisches „No go“! Man hätte auf mindestens 30 Stellen wieder aufstocken müssen, was Georges Delnon aber natürlich nicht durchkämpfen konnte. So entschied ich mich gegen Basel und später dann für die Kündigung in Mainz – wieder ohne zu wissen, wie es weiter geht. Dieses Schema ist immer ein bisschen das gleiche, weil ich letztlich keine Angst um mich habe. Als die FAZ meine Kün­ digung als Meldung brachte, rief mich nur wenige Stunden später Hans-Georg Lohe an. Und als schließlich auch feststand, dass Christoph Meyer Generalintendant der Deutschen Oper am Rhein wird und für meine Ideen für ein neues Ballett am Rhein nicht nur offen war, sondern sie voll unterstützte, entschied ich mich, 2009 die Compagnie zu übernehmen. Wir haben mit dem Ballett am Rhein sehr viel erreicht. Nun wünsche ich mir, dass es mit Remus an meiner Seite zu einer Verdopplung der Kräfte kommt und dass es mich persönlich vielleicht wieder ein bisschen in ein Leben hinausschleudert, das nicht ausschließlich der Compagnie dient. Zugleich wünsche ich mir aber auch, mehr Freund und zugleich auch noch ehrlicherer Kritiker der Tänzer sein zu können, als immer nur ihr Boss.

Anne do Paço  Nach fünf Jahren hast du dich entschieden, Bern zu verlassen, ohne zunächst genau zu wissen, wie es weiter geht.

MARTIN SCHLÄPFER  Die Möglichkeiten des Berner Balletts wurden

mir schnell zu limitiert, so dass ich kündigte. Ich hatte in dieser Zeit für das Koblenzer Ballett mit Stabat Mater und Divertimento zwei Choreographien kreiert, die ein sehr großes Echo fanden, und schließlich fragte mich Georges Delnon, der von Koblenz als Intendant ans Staatstheater Mainz wechselte, ob ich sein Ballettdirektor werden wolle. Ich war sehr lange unschlüssig, ob der Leitungs- und der kreative Druck, den diese Position für eine Persönlichkeit wie mich mit sich bringt, nicht zu groß sind. Aber Georges war raffiniert. Er lud mich nach Mainz ein. Es war ein sehr sehr schöner Tag und er zeigte mir nur die allerschönsten Seiten der Stadt, so dass ich schließlich Ja sagte. Als ich später Mainz wirklich kennenlernte, merkte ich schon, wie clever er das eingefädelt hatte. Zugleich hat er sich aber wirklich sehr ernsthaft um mich bemüht und ist auf meine Forderungen für ein neues ballettmainz voll eingestiegen. Er zählt zu den wenigen Intendanten, die dem Tanz auch eine Position geben wollen und spüren, wie wichtig er als zeitgenössische Kunstform für unsere Gesellschaft ist. So kam ich nach Mainz und hatte dort eine sehr gute Zeit, die Compagnie blühte und ich konnte, da ich meinen Vertrag immer nur relativ kurz verlängerte, relativ viel für das Ensemble herausschlagen. Zugleich darf man aber nicht vergessen, dass ich dort wie ein Irrer gearbeitet habe, immer bis spät in die Nächte hinein – auch wenn ich ein wunderbares Team hatte. Eine derartige Arbeit könnte ich heute gar nicht mehr leisten.

REMUS ŞUCHEANĂ  Dass Martin mir hier die Chance gibt, all das, was er aufgebaut hat, in Zukunft mit ihm zusammen zu gestalten, ist für mich ein ganz großes Glück.

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Porträt

TEX T C A EC IL I A B R ENNINK ME Y ER

FOTOS S U S A NNE D IE S NER

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Remus Şucheană

Vom Eleven zum Ballettdirektor R EM U S Ş U C HE A N Ă IM P O R T R ÄT

Das Tanzen schien Remus Şucheană von Anfang an im Blut zu liegen. Aufgewachsen in Vatra-Dornei, einem kleinen Kurort im nördlichen Teil der Ostkarpaten, tanzte er schon als kleiner Junge bei jeder Gelegenheit, berichtet er. Es muss eine sehr idyllische Kindheit gewesen sein. Die Berge und dichten Tannenwälder waren nah, um dort in völliger Einsamkeit die Natur zu genießen und Abenteuer zu bestehen. Sich an seine ersten Tanzschritte zurückerinnernd, sagt er: „Es gab nichts, was mich dazu gebracht hat, es kam einfach aus mir heraus.“ Folklore und Volkstänze beeindruckten ihn schon von klein auf, Ballett sah er einmal im Fernsehen und war fasziniert. Und auch im Elternhaus war die Begeisterung für das Tanzen schon angelegt.

Der Vater wollte selbst als Heranwachsender gerne Tänzer werden und bekam auch die Chance in eine große Ballettschule aufgenommen zu werden. Für die Großmutter war es jedoch ein zu großer Schritt, ihren Sohn gehen zu lassen, sodass er diese Laufbahn nie einschlagen konnte. Von dieser Erfahrung seines Vaters hörte Remus Şucheană erst, nachdem er selbst schon eine professionelle Tänzerlaufbahn eingeschlagen hatte. Als die Entscheidung fiel, das Kind auf eine Ballettschule in der weit entfernten Großstadt zu schicken, fiel es auch seiner Mutter schwer. Er hatte körperlich nicht die besten Voraussetzungen, um ein Balletttänzer zu werden. „Ich war klein und robust, nicht so dünn und fein mit langen Beinen, wie die anderen Kinder in

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meinem Alter, die an dieser berühmten Ballettschule aufgenommen werden wollten.“ Vielleicht fürchtete die Mutter eine Enttäuschung für den begeisterten Sohn. Aber der Wille des Jungen war stärker als die Skepsis. Die Familie fuhr in die 250 km entfernt liegende Stadt Cluj-Napoca, damit er dort an der Aufnahmeprüfung der staatlichen Ballettschule teilnehmen konnte. „Es gab damals nur zwei Ballettschulen in Rumänien. An ihnen sammelten sich alle Kinder des Landes, die tanzen wollten.“ Nur knapp bestand Remus Şucheană die Aufnahmeprüfung und durfte fortan im Internat der Schule wohnen und lernen. Auf den üblichen Schulunterricht folgten die Ballettstunden. Er war


Porträt damals neun Jahre alt und in einer neuen, aufregenden Stadt, die ihm eine Ahnung davon gab, was das Leben für Möglichkeiten bereithalten konnte. „Ich vermisste meine Familie, aber der Drang zu tanzen war stärker als mein Heimweh, so habe ich durchgehalten.“ Neben ihm gab es noch etwa 20 andere Jungen und man stand gemeinsam den strengen Unterricht durch. „Ballett fordert schon von Anfang an ein Maximum an Disziplin. Wenn man Tänzer werden möchte, hat man keine Kindheit mehr. Man lernt schnell, dass man nur weiterkommt, wenn man das verstanden hat und bereit ist, diesen harten Weg zu gehen. Es waren damals aber auch andere

möglich war.“ Erst später kam zum klassischen Unterricht auch Folklore und Modern Dance dazu. „Den Rhythmus und das Physische im Folkloretanz habe ich geliebt.“ „Vielleicht war es ein großes Glück, vielleicht Zufall oder Schicksal“, sagt Remus Şucheană, wenn man ihn nach der nächsten großen Wendung in seinem Leben 1997, kurz vor dem Abitur und der Ballett-Abschlussprüfung, befragt. Eine rumänische Ballettcompagnie die bei einer Deutschlandtournee in der Nähe von Mannheim auftrat, kam damals in Kontakt mit der von Birgit Keil geleiteten Aka­ demie des Tanzes. Man plante gemeinsam,

weiteren Jahr an verschiedenen Theatern erste professionelle Bühnenerfahrung zu sammeln. Für Remus Şucheană ergaben sich daraus erste Auftritte im Nationaltheater Mannheim. Aber auch die erste Begegnung mit Martin Schläpfer kam in Mannheim zustande. „Ich wusste damals nicht, wer dieser ‚Martin Schläpfer aus Bern‘ war, den Birgit Keil nach Mannheim einlud, um Ausschnitte aus seinem Ballett Vespers mit uns einzustudieren.“ Mit leuchtenden Augen beschreibt er die erste Zusammenarbeit mit dem Choreographen und seine sofortige Faszination für den

»Remus war noch so jung, als wir uns in Mainz kennenlernten. Ich erinnere mich noch genau an unseren kurzen Pas de deux in Martin Schläpfers Divertimento. Er war sehr wach, hat alles sofort begriffen und auf jede kleinste Berührung direkt reagiert, ich konnte mich komplett auf ihn verlassen. Ich selber habe auch erst mit dieser Kreation gelernt, dass man sich als Ballerina auch animalisch und sehr energetisch bewegen kann und nicht immer alles schwebend, fließend sein muss. So haben wir vieles zusammen ausprobieren können und er hatte von Anfang an ein sensibles Gespür für Martins einzigartigen Stil. Er hat alles von Martin aufgesaugt und sich zu Eigen gemacht, z.B. auch später in seinem genialen Solo in den Appenzeller Tänzen. Dort konnte man alle seine Charaktereigenschaften aus seinem Tanz herauslesen, es kam ganz natürlich aus ihm.« YUKO KATO, TÄNZERIN Zeiten“, gibt der heutige Pädagoge zu. Einen Mittelweg kann es für ihn als Direktor der Ballettschule des Balletts am Rhein – eine Position, die er seit 2014 innehat – grundsätzlich geben. „Für ein Kind ist es schwer zu verstehen, was es bedeutet, ein Profitänzer zu sein. Disziplin ist natürlich eine der wichtigsten Eigenschaften für diese Laufbahn. Aber für mich ist die Freude am Tanzen genauso essentiell.“ Für ihn, der als kleiner Junge einfach nur Spaß hatte, sich rhythmisch zu bewegen und zu tanzen, war es eine herbe Enttäuschung, als er in der Schule bemerkte, dass Ballettunterricht erstmal nur das tagtägliche Wiederholen von Technik, Positionen, Schritten und Sprüngen bedeutete. Für ihn hatte der klassische Unterricht nicht viel mit Tanzen zu tun. „Ich hatte ganz andere Erwartungen. Ich wollte sofort ins Rampenlicht und langweilte mich zunächst im Ballettsaal.“ Der Hunger nach der Bühne wurde durch Filmaufnahmen gestillt, die ab und zu aus Russland kamen. „Damals war Rumänien noch kommunistisch, daher bekamen wir keine Informationen aus dem Westen. Wir haben uns diese Aufnahmen stundenlang angesehen, um wirklich alles davon zu lernen, was

einem jungen Eleven aus Rumänien die Möglichkeit zu geben, in Mannheim eine profes­ sionelle Tänzerausbildung zu machen. „Die Wahl fiel auf mich. Ich konnte mein Glück lange nicht fassen. In den Westen zu kommen, war für uns damals das Größte, eine einmalige Chance. Außer ‚Guten Morgen‘ und ‚Hallo‘ konnte ich kein Wort Deutsch und hatte keine Vorstellungen, wie es dort ist. Das war sehr aufregend für mich“, berichtet Remus Şucheană. Von einem eher unauffälligen Anfänger hatte er sich längst zu einem der Besten der Schule entwickelt. „In Rumänien hatte ich einige wenige Gelegenheiten, bei Aufführungen im Theater mitzuwirken und Erfahrungen auf der Bühne zu sammeln. Ich war technisch schon sehr weit, aber ich wusste, dass ich in Deutschland ganz andere Möglichkeiten bekommen würde.“ Der Stundenplan an der Akademie in Mannheim sah neben dem klassischen Training täglich mehrere Stunden Modern Dance vor, was den jungen Tänzer viele neue Bewegungsarten lehrte und ihn neu herausforderte. Im Anschluss an eine dreijährige Ausbildung zum professionellen Tänzer haben die Studenten der Akademie die Möglichkeit, in einem

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Künstler. „Er gab uns ein Training und ich war total verblüfft: Er hatte eine ähnliche Statur wie ich, aber ich war im Vergleich zu ihm langsam in meinen Bewegungen, konnte nicht begreifen, wie man sich so schnell und dennoch präzise bewegen kann.“ Sofort war für Remus Şucheană klar, dass er von diesem Lehrer und Choreographen lernen möchte. „Ich war Feuer und Flamme.“ Und offenbar genügte auch für Martin Schläpfer diese eine Begegnung mit dem jungen Tänzer, um ihn in sein neu formiertes ballettmainz zu engagieren. Eine seiner ersten Tanzpartnerinnen der Mainzer Zeit war Yuko Kato, bis heute eine Ausnahmekünstlerin im Ensemble Martin Schläpfers. „Sie war so flink und federleicht als wir gemeinsam in Martins Divertimento tanzten, ich merkte schnell, dass ich noch sehr viel lernen und trainieren musste, aber wir passten vom ersten Moment an zusammen.“ Die Faszination blieb über die kommenden Jahre, in denen Remus Şucheană unter Martin Schläpfer tanzte, erhalten. Der Choreograph schaffte es, den Tänzer immer weiter zu fördern und zu begeistern, so dass er einer


Erinnerungen an die Studienzeit in Mannheim, darunter auch eine Szene aus Martin Schläpfers „Vespers“, getanzt von Remus Şucheană.

Remus Şucheană

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Porträt der herausragenden Solisten in seiner Compagnie werden konnte. „Irgendwann kennt man die Art des Arbeitens eines Choreographen, aber Martin hat eine unerschöpfliche Kreativität. Es gab immer etwas Neues zu entdecken und er kreierte für mich sehr anspruchsvolle Partien, was mir unglaublich viel Spaß machte.“ Martin Schläpfers Umzug von Mainz nach Düsseldorf war somit kein Grund für Remus Şucheană, sich nach einem neuen Ballettdirektor und einer anderen Compagnie umzusehen. Er gehörte längst zum essentiellen Kreis um Martin Schläpfer und war einer seiner markanten Solisten, die man durch ihren Charakter und eine besondere Ausstrahlung sofort erkennen konnte. Und er war eine Muse für den Choreographen. Instinktiv wusste er, was Martin Schläpfer von ihm sehen wollte, wenn er für ihn kreierte. „Ich habe immer gespürt, ob ich richtig lag oder nicht. Wir hatten eine sehr schnelle Art zu arbeiten.“ Auch in zahlreichen Uraufführungen und Choreographien von Gastchoreographen war Remus Şucheană als Tänzer zu sehen, dabei waren es oft seine Vielseitigkeit und die gegensätzlichen Facetten seines Charakters, die ihn herausstechen ließen. „Die Kreationen von Nils Christe habe ich geliebt. Sein Stil hat etwas physisch Herausforderndes, was mich auch an meine kindliche Faszination und die Lust am Tanzen erinnerte. Es ist rhythmisch alles klar strukturiert, aber darin stecken so unglaublich anspruchsvolle Bewegungen. Es war wirklich eine Zusammenarbeit, Nils schöpfte aus uns Tänzern Inspiration und gab sie uns mit seinen Schritten dreifach zurück.“ Der Schritt zum Co-Direktor der Compagnie, in der Remus Şucheană selbst so lange Tänzer war, kam für ihn nicht unvermittelt. Schon früh hatte Martin Schläpfer ihn gefragt, ob er dazu bereit wäre. Aber erst nachdem er nach einer Verletzung als Tänzer nicht mehr die hundert Prozent geben konnte, die er sich selber zum Maßstab gesetzt hatte, entschloss er sich zu diesem Schritt. Der Umgang mit der Ballettwelt hat sich von da an für ihn grundlegend geändert. Nun prägt seinen Arbeitsalltag ein Verantwortungsgefühl, das sich nicht nach den Stunden im Büro abschalten lässt: „Man überlegt ständig, wie man mit der Compagnie weiterkommen kann, was man verbessern kann. Ganz besonders wichtig ist die Disziplin und der Respekt für einander“, sagt er. Für den Schritt vom Compagnie-Mitglied zur leitenden Rolle desselben Ensembles gehört Mut: „Ich kenne die meisten Tänzer sehr gut. Einige von ihnen wie Yuko Kato, Camille Andriot, Julie Thirault

oder Marlúcia do Amaral begleiten mich seit meinen ersten Tagen bei Martin. Aber ich war immer gerne für mich und eher ein Einzelgänger. Es war mir nicht so wichtig, zu allen eine dicke Freundschaft aufzubauen.“ Dagegen stand für ihn an erster Stelle, mit den Kollegen gut zusammenzuarbeiten und gemeinsam Kunst zu schaffen. Und daran hat sich auch jetzt nichts geändert. „Ich kann mir jetzt überlegen, wohin ich sie führen möchte, damit sie das vollbringen können.“ Ein besonders wichtiger Teil seiner Arbeit als Ballettdirektor liegt im täglichen Training der Tänzer. So kann er die Compagnie formen, sehen, wo Schwächen liegen und bestimmte Fähigkeiten der einzelnen Ensemblemitglieder fördern. Und nun versucht er gemeinsam mit Martin Schläpfer, Persönlichkeiten herauszuschälen, die der Compagnie ein unverwechselbares Gesicht geben. Auch im Choreographieren sieht er eine Möglichkeit, im engen Kontakt mit den Tänzern zu stehen und will nun erstmals ein eigenes Ballett kreieren. „Jetzt stelle ich mir die Frage, wie ich die Tänzer motivieren und inspirieren kann. Sie müssen es von sich aus wollen, aber man muss immer wieder Herausforderungen für sie finden.“ In seinen Trainingsstunden versucht er bewusst, durch simple Übungen den Körper und den Kopf gleichermaßen zu trainieren und spricht darüber aus eigener Erfahrung: „Es ist wie eine Droge, wenn dein Körper mit der Musik perfekt harmoniert. Die Musikalität der Tänzer zu trainieren, ist mir besonders wichtig. Um das Bewusstsein für richtiges Timing zu schärfen, versuche ich z.B. Bewegungen auch manchmal knapp vor oder nach dem Schlag zu positionieren. Das kann wunderbar musikalisch sein, wenn es klappt.“ Auch die Stimmung der Tänzer ist ihm enorm wichtig. „Wenn man müde ist, muss man trotzdem auf der Bühne alles geben und darf sich nicht gehen lassen. Man darf nicht jedem kleinen Schmerz nachgeben. Man hat nur eine einzige Möglichkeit, sein Solo zu zeigen, und es muss perfekt sein. Diese Einstellung verlange ich auch von unseren Tänzern.“ Dabei gehört für den neuen Direktor an Martin Schläpfers Seite zum Erfolg auch Demut und Bescheidenheit. „Stolz macht dich nachlässig, ist rückwärtsgewandt und bringt dich nicht weiter.“ ———

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Remus Şucheană

»Creating and rehearsing with Remus as a dancer was easy and exciting. Easy because he showed an immediate sense of the style, musicality, humor and modesty as a person and last but not least great artistry. Exciting because his dance technique and virtuosity triggered and challenged me as a choreographer. I am sure, he has all the qualities to be a ‚human‘ director and an inspiration for his dancers.« NILS CHRISTE, CHOREOGRAPH

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Volker Hagedorn

Ein Sonntagmittag anno 1864

in der Rue Moncey 12 Z W IS C HEN K L EINER B ES E T Z U N G U ND G R O S S ER O P ER: D IE U R AU F F Ü HR U N G V O N G I OAC C HIN O R O S S INIS PE TI TE MES S E S O L ENNEL L E IN EINEM PA R IS ER S TA DT PA L A IS

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Petite Messe solennelle

Gioacchino Rossinis PETITE MESSE SOLENNELLE ist die musikalische Basis für das neueste abendfüllende Werk von Martin Schläpfer – eine Kreation, bei deren Uraufführung in Programm b.32 neben dem Ballett am Rhein auch Solisten und der Chor der Deutschen Oper am Rhein unter der Leitung von Axel Kober mitwirken werden. Einen Einblick in den Tag der Uraufführung von Rossinis Komposition im Paris des Jahres 1864 gibt der renommierte Musikjournalist Volker Hagedorn. ——

TEX T V O L K ER H AG ED O R N

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Interview

IN T ER V IE W A NNE D O PAÇ O

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Natalia Horecna

„Ich choreographiere aus meinem Herzen – und aus denen der anderen“ EIN G ES P R ÄC H MI T N ATA L I A H O R EC N A

Die aus Bratislava stammende Choreographin NATALIA HORECNA zählt derzeit zu den interessantesten Stimmen in der europäischen Tanzlandschaft. Sie war SOLISTIN in JOHN NEUMEIERS HAMBURG BALLETT, tanzte im Scapino Ballet Rotterdam und NEDERLANDS DANS THEATER. Beim Taglioni – European Ballet Award 2014 wurde sie als „BESTE NACHWUCHSCHOREOGRAPHIN“ für ein Œuvre ausgezeichnet, das für renommierte Ensembles wie u.a. das NDT, Hamburg Ballett, Wiener Staatsballett, Finnische Nationalballett, Königlich Dänische Ballett, Les Ballets de Monte Carlo, Slowakische Nationalballett und Bundesjugendballett entstand. Mit WOUNDED ANGEL kreiert sie für das Programm b.30 ihr erstes Werk für das Ballett am Rhein. —— 31


Interview

vieler anderer wunderbarer Choreographen studieren zu dürfen. Gleichzeitig hatte ich aber immer auch jede Menge eigene Fantasien und Schritte in meinem Kopf und Körper und konnte diese oft auch den Choreographen anbieten. In diesen Zusammenarbeiten durfte ich viele wunderbare Stunden erleben – und bald schon eröffneten sich auch Gelegenheiten, selbst zu choreographieren.

Anne do Paço   Wie bist du zum Tanz gekommen?

NATALIA HORECNA   Ehrlich gesagt weiß ich nicht, was mir in den

Sinn kam, als uns eine Lehrerin fragte: „Wer möchte Ballett machen?“ Ich war damals fünf Jahre alt und rief spontan: „Ich!“ Danach rannte ich zu meinen Eltern und bat sie, mir Ballettstunden zu bezahlen … Ich war sofort verliebt in das Tanzen, es wurde mir zu einem großartigen Raum, um all meine Fantasien und Geschichten herauszulassen. Wenn ich zurückschaue, bin ich sehr glücklich über diese plötz­ liche Intuition. Tanz muss etwas sein, das schon immer in mir gewesen ist.

Anne do Paço  Gibt es Menschen – Künstler, Choreographen, Musiker, Tänzer etc. –, die dich besonders beeinflusst haben oder inspirieren?

NATALIA HORECNA  Ja, sicher! Alles entwickelt sich doch aus etwas, was bereits existiert. Wir sind alle beeinflusst durch diejenigen, die wir lieben oder denen wir uns, auf welcher Ebene auch immer, verbunden fühlen. Schon als Kind führte mich mein Vater Pavel in die Biographien zahlreicher Künstler ein, die dann alle auch starken Einfluss auf mein Schaffen nahmen: Auguste Rodin, Paul Cézanne, Frida Kahlo, Francis Bacon, viele viele Maler, aber auch Musiker wie u.a. Terry Riley. Mein Vater war Kameramann und er zeigte mir auch die Filme von Andrej Tarkowskij, Federico Fellini, Pier Paolo Pasolini, Emir Kusturica – unser Haus war bis unters Dach gefüllt mit Filmkunst. Darüber hinaus sind all die Choreographen, mit denen ich arbeiten konnte, bis heute meine „künstlerischen Väter“ und haben mich auf verschiedensten Ebenen immer wieder maßgeblich unterstützt.

Anne do Paço  Du hast u.a. in John Neumeiers Hamburg Ballett und dem Nederlands Dans Theater getanzt. Welche Erfahrun­ gen hast du in diesen beiden Ensembles gesammelt?

NATALIA HORECNA  Diese Compagnien waren für mich großartige Plattformen, um in den Tanz hineinzuwachsen und zu lernen, was diese so kostbare Kunstform des Balletts bedeutet: den Fokus, den diese Arbeit braucht, und die Mission, die nicht nur im Tanz liegt, sondern in jeder Kunstform, in jedem menschlichen Wesen. Die Möglichkeiten, was ein Körper uns durch Bewegung sagen kann, zu erforschen. Dieses Wissen versuche ich in mir immer mehr zu vertiefen. Anne do Paço  Was waren die Highlights deiner Tänzerkarriere?

NATALIA HORECNA  Die Zusammenarbeit mit so großen Meistern wie John Neumeier, Jiří Kylián, Mats Ek, Paul Lightfoot, Wayne McGregor, Amanda Miller – und die Möglichkeit, die Sprachen so

Anne do Paço  Wann hast du dich entschieden, Choreographin zu werden? Hattest du einen Lehrer oder Mentor, der dich dazu ermutigt hat?

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Natalia Horecna NATALIA HORECNA  Ja! Zuallererst möchte ich hier auch wieder

auch meine Kritik. Wir können nichts verändern, was wir nicht würdigen. Wir sind im Jahr 2016. Wann beginnen wir, uns selbst zu umarmen und uns so zu lieben, dass wir den Rest der Welt umarmen können? Es finden 2016 Kriege statt!!! Kinder werden getötet, Homosexuelle, Transgenders … – jeden Tag gibt es Gewalt, unvorstellbare Gewalt, gegenüber allem, was existiert. Ich habe Ballette über die Themen Krieg und Geistesmissbrauch kreiert. Und die Bilder, die ich gezeigt habe, entstanden nicht, weil ich provozieren wollte. Aber ich muss ehrlich gegenüber dem sein, was ich als Künstler zu sagen habe. Was meine Pflicht ist. Ich kreiere Ballette nicht für mich selbst. Und ehrlich gesagt achte ich auch nicht darauf, ob sie „richtig“ sind. Aber ich achte darauf, dass all das, was ich in sie reingebe von der Ehrlichkeit geprägt ist, die sie verdienen.

meinen Vater nennen. Er glaubte an mich und sagte mir immer wieder, dass ich choreographieren solle. Aber bis zu meinem 30. Lebensjahr wollte ich das nicht wirklich. Ich glaubte, nicht genug zu sagen zu haben. Ich hatte zuvor bereits einige kleinere Stücke kreiert und John Neumeier sagte zu mir: „I really look forward to see what you have done.“ Ich war ungefähr 23. Das Stück war ein Flop und ich choreographierte vorerst nichts mehr. Heute kommen John Neumeier und Kevin Haigen zu meinen Premieren und Proben mit dem Bundesjugendballett, für das ich regelmäßig kreiere, und schenken mir große Freiheit, Raum und wertvolle Feedbacks zu meinen Werken. Ich bin ihnen unendlich dankbar dafür. Als ich nach Hamburg kam, war ich 17 Jahre alt, heute bin ich 40. Und die beiden unterstützen mich nach wie vor, sind an meiner Seite. Nicht zuletzt bin ich aber auch all den Ballettdirektoren, die mich in ihre Compagnien eingeladen haben, extrem dankbar. Auch sie zählen zu meinen Mentoren, und ich bin immer wieder sehr berührt, zu spüren und zu sehen, wie sie mir die Freiheit schenken, all das, was ich fühle, auszudrücken. Zugleich lerne ich viel von ihnen. Nur durch ein derartiges gegenseitiges Vertrauen und den Respekt voreinander sind wir fähig, das Beste zu schaffen und jedem Beteiligten Freude zu bereiten. Wirklich jedem!

Anne do Paço  Was steht für dich am Anfang eines neuen Wer­ kes? Was inspiriert dich?

NATALIA HORECNA  Wir Menschen. Ich liebe uns Menschen! Aber

auch Tiere inspirieren mich. Wir können sehr viel von ihnen lernen. Deshalb müssen wir sie respektieren und schützen. Aber auch die Pflanzen, die Bäume, die Natur geben mir eine innere Ruhe … – Tische, Stühle, die Gebäude, in denen wir leben und arbeiten, ihre Mauern … All das atmet und spricht zu mir. Wir müssen nur die Stille suchen und schon hören wir mehr, als wir uns je vorstellen konnten. Also: Am Anfang steht für mich die Stille. Und dann die Frage: „Was willst du erzählen?“

Anne do Paço  In einem anderen Interview hast du deinen Stil einmal als „schmutzige Neoklassik“ bezeichnet. Wie würdest du deine Tanzsprache beschreiben? Arbeitest du mit einer be­ stimmten Technik?

NATALIA HORECNA  Meine Tanzsprache folgt meist dem Prinzip: „a word by word by word“. Und sie ist emotional. Ich schaue nicht nach neuen Bewegungen. Perfekte Linien interessieren mich nicht, genauso wenig wie die Gymnastik-Einflüsse, die das Ballett von heute so oft zeigt. Mich interessieren die Seelen der Menschen, die Sensitivität und das, woraus für mich die „energy books“ bestehen. Meine Tänzerinnen und Tänzer, meine Künstler, sollen sich selbst ausleben, all das befreien, was tief in ihnen verborgen ist. Menschen, die zu meinen Aufführungen kommen, verdienen diese Ehrlichkeit. Mein Anliegen hinter all dem ist, zu erkennen, dass wir schlussendlich alle eines sind: „The One“. Dass wir das Talent, das uns geschenkt wurde, nicht eigensüchtig nur für uns bewahren. Ich choreographiere aus meinem Herzen – und aus denen der anderen. Das ist der einzige Stil, die einzige Sprache, die für mich in Frage kommen. Anne do Paço  Deine Stücke sind keine klassischen Handlungsballette und doch erzählst du mit ihnen von etwas, das über abstrakte Bewegung hinausweist. Welche Themen sind es, die dich interessieren?

NATALIA HORECNA  Die schwerwiegende Trennung von unserem Herzen, an der wir auf diesem so schönen Planeten leiden. Die meiste Zeit leben wir in Kummer über Vergangenes und Angst vor der Zukunft. Das „Jetzt“ ist völlig in Vergessenheit geraten, genauso wie die Formen und Wahrheiten des Herzens. Das Ego ist unser bester Freund geworden, und der Verstand leitet uns bei unseren Entscheidungen anstelle des Herzens. Aber auch die Selbstliebe, und damit meine ich nicht die narzisstische, ist uns zu einem Fremden geworden. Die Schönheit des täglichen Lebens und unseres Seins ist unsichtbar geworden. Wir haben verlernt, Liebe zu verschenken und wissen auch nicht mehr wirklich, wie man sie empfängt. Unsere Leben sind mit dem Glauben angefüllt, dass wir nicht perfekt sind, statt zu sehen, wie göttlich und außergewöhnlich wir sind. Und verstehen („under-stand“) wir wirklich, was die Essenz der Liebe ist? Ich urteile nicht. Ich frage nur und arbeite täglich an mir. Aber dennoch ist dies

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Interview Anne do Paço  Wie arbeitest du mit den Tänzerinnen und Tän­ zern und was erwartest du von ihnen während der Kreation eines neuen Werkes?

Anne do Paço  Gyan Riley und Timba Harris musizieren seit mehreren Jahren gemeinsam als Duo Probosci. Wie bist du auf die Idee gekommen, mit diesen beiden Musikern zusammen­ zuarbeiten?

NATALIA HORECNA  Ich liebe die Künstler! Und sie lieben in der Regel, was ich tue. Diese Situation lasse ich die meiste Zeit frei atmen. Was meine Konzepte und Schritte angeht, bin ich der Boss. Aber die Tänzer schenken mir ihre Interpretation meiner Bewegungen, auch wenn ich eine klare Vision habe, wo ich sie – und mich selbst – hinführen möchte. Ich kreiere alles im Raum, direkt auf sie, wie eine neue Kleidung, die sie aber bereits kennen, als wäre es eine Erinnerung. Ich versuche zu spüren, wonach die Seele sich sehnt. Und nach all dem stehen wir nackt da. Erst dann tritt die Freiheit ein. Für mich muss der echte Künstler in der Lage sein, sein Ego hinter den Türen des Studios und der Bühne zu lassen. Studio und Bühne sind heilig, geweihte Orte.

NATALIA HORECNA  Mein sehr lieber Herzenskomponist Terry Riley hat diesen so erstaunlich musikalischen und talentierten Sohn Gyan. Ich bin mit Terry Riley seit vielen Jahren in Kontakt, habe mehr als zehn Ballette zu seiner kosmischen Musik kreiert. Ich treffe ihn, wann immer ich kann, auch in seinen Konzerten mit Gyan. Als ich die Werke von Gyan und Timba erstmals hörte, war mir sofort klar, dass ich meine Hände über diese absolut fantastische Musik legen muss. Ich, ja wir, sind sehr glücklich, dass wir in Düsseldorf die Möglichkeit bekommen, zusammenzuarbeiten. Anne do Paço  Denkst du während der Kreation eines Balletts an dein Publikum? Und: Wie sollte man als Zuschauer deine Werke anschauen?

Anne do Paço  Wounded Angel wird dein erstes Stück für das Ballett am Rhein sein. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?

NATALIA HORECNA  Das Publikum ist immer in meinem Herzen. Alles, was wir tun, tun wir für den Zuschauer. Menschen. So empfinde ich es zumindest von meiner Seite. So sehr ich an den Zuschauer denke, so sehr stürze ich mich selbst aber auch in das von mir gewählte Thema hinein. Und wie soll man meine Stücke anschauen oder fühlen? Dazu kann und will ich nichts sagen. Jeder hat die Freiheit, all das, was auf der Bühne zu sehen ist, in seiner Weise zu lesen, wahrund aufzunehmen. Natürlich wünsche ich mir, dass es dem Publikum gefällt und bin sehr dankbar für sein Interesse. Ich kann es nur wiederholen: Alles, was wir tun, tun wir für den Zuschauer.

NATALIA HORECNA  Ich kenne Martin Schläpfers Werke und seinen

Namen seit vielen Jahren. Wegen meines sehr dichten Arbeitspensums bin ich nicht immer in der Lage, Vorstellungen live anzuschauen. Aber ich habe DVDs und Trailer auf Social Media-Kanälen gesehen. Mir sind Martins Ballette sehr nah. Seine Verbindung einer starken klassischen Sprache mit Zeitgenössischem, die nie die Bedeutung – Worte, sollte ich sagen – hinter all den Schritten vergisst, liebe ich sehr. Die Compagnie ist sehr stark. Solide wie ein Felsen. Wunderbare Künstler. Das Leben brachte Martin und mich 2014 in Berlin zusammen, wo wir beide mit einem Taglioni-Award ausgezeichnet wurden. Ulrike Schmidt, John Neumeiers Betriebsdirektorin und Stellvertreterin, machte uns miteinander bekannt. Sein Gesicht, seine Stimme, sein freundliches, stilles Wesen schienen mir so vertraut. Dieses Treffen war für mich von großer Bedeutung, ein Segen. Für mich ist Martin Schläpfer in künstlerischer wie menschlicher Hinsicht einer der größten Choreographen da draußen. Als er mich dann einlud, ein Ballett für sein Ensemble zu kreieren, habe ich mich sehr gefreut.

Anne do Paço  Gerade hast du unter dem Titel Romeo and Juliet / As undistant as yesterday eine eigene Version von Romeo und Julia zu Sergej Prokofjews Musik für das Finnische National­ ballett kreiert. Wie war dein Zugang zu dieser berühmten Ge­ schichte?

NATALIA HORECNA  Über das Genie Shakespeare und das Genie Pro-

kofjew. Beide wussten, wovon sie sprechen. Und ich wollte dies weiterdenken. Warum nur wollen wir nicht glücklich sein? So eine ein­ fache Frage? „Wollen wir glücklich sein?“ Und dann: Wie gelingt uns das? Warum und wie wurden Zuneigung, Verbundenheit, Herzenswärme, ja Liebe zu einer beängstigenden, nicht vertrauenswürdigen Geste? Warum und wann wurde es so ungewöhnlich, dass jemand freundlich zu uns ist und vorsichtig unsere Hand, unser Haar, unser Wesen streichelt? Warum nehmen wir heute in unserem Leben alles als selbstverständlich? Selbst die Luft, die wir atmen?! Warum meinen wir, Strafe zu verdienen, statt zu glauben, dass wir in dem Moment, in dem wir morgens aufwachen, geliebt werden? Die Kriege in uns sind Projektionen nach außen. Die Formen der Angst stülpen sich über uns. Die Angst ist unser Feind, anders als unser großer Freund, der einfach kommt, an unsere Tür klopft und schaut, wie wir leben. Diesen Freund einzuladen, ihm in die Augen zu schauen – könnte dies etwas ändern? Die Angst herauslassen und das vom Verstand kreierte Negative? Eine Bewegung in die Freiheit. Innen und außen. Kriege würden 2016 nicht mehr stattfinden. Wir alle müssen viel mehr nach der Liebe in uns selbst schauen. ———

Anne do Paço  Worum geht es in deinem Ballett Wounded Angel?

NATALIA HORECNA  Wounded Angel ist ein Ballett über den kleinen Wunder-Engel in uns. Es handelt davon, das Vertrauen zu leben und das Vertrauen zu uns selbst zu finden, die Liebe zu treffen. Und davon, dass es nie zu spät ist. Es handelt von der nötigen Veränderung unseres Denkens, die wir brauchen, wenn wir wirklich glücklich sein wollen. Unsere Leben sind meist schön. Ich möchte, dass wir alle zu Engeln werden, um dies zu erkennen. Ich möchte, dass ich dies sehe. Das klingt einfach? Oder schwierig? Wir pflanzen einen positiven Samen und dann werden wir sehen … Anne do Paço  Als musikalische Basis hast du sehr unter­ schiedliche Orchester- und Kammermusikwerke der Kompo­ nisten Alban Berg, Denys Bouliane und Béla Bartók gewählt, außerdem wirst du mit dem Gitarristen Gyan Riley und dem Geiger Timba Harris auf der Bühne arbeiten…

NATALIA HORECNA  … ich habe das Konzept mit dem Dirigenten Jean-Michaël Lavoie erarbeitet. Wir sind Seelenverwandte. Er hat mir all diese Musik vorgeschlagen, abgesehen von den Stücken, die Gyan Riley und Timba Harris spielen werden.

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Natalia Horecna

»Wounded Angel ist ein Ballett über den kleinen Wunder-Engel in uns. Es handelt davon, das Vertrauen zu leben und das Vertrauen zu uns selbst zu finden, die Liebe zu treffen. Und davon, dass es nie zu spät ist. Es handelt von der nötigen Veränderung unseres Denkens, die wir brauchen, wenn wir wirklich glücklich sein wollen.« NATALIA HORECNA 35


Rückblick

b.25 — b.28 Ein Rückblick in Fotografien von Gert Weigelt auf die Spielzeit 2015/16 mit einem Repertoire aus über 170 Jahren Tanz: URAUFFÜHRUNGEN von Nils Christe, Hubert Essakow, Terence Kohler und Martin Schläpfer standen neben HISTORISCHEN MEISTERWERKEN von August Bournonville, Kurt Jooss und Antony Tudor. George Balanchine war mit seinem DUO CONCERTANT ebenso vertreten wie Hans van Manen mit TWO GOLD VARIATIONS. Neue Akzente im Repertoire des Balletts am Rhein setzten dagegen Arbeiten von William Forsythe und Paul Taylor. —— 36


b.25 / WORKWITHINWORK —— WILLIAM FORSYTHE Odsuren Dagva, Yuko Kato



b.25 / WORKWITHINWORK —— WILLIAM FORSYTHE Virginia Segarra Vidal, Sonny Locsin LINKS Alban Pinet, Camille Andriot, Elisabeta Stanculescu

RECHTS



b.25 / SYMPHONIC VARIATIONS —— FREDERICK ASHTON Doris Becker, Claudine Schoch, Marcos Menha, Ann-Kathrin Adam Ann-Kathrin Adam, Marcos Menha RECHTS

LINKS OBEN UND UNTEN


b.25 / TWO GOLD VARIATIONS —— HANS VAN MANEN Alexandre Simões, Marlúcia do Amaral LINKS UND

RECHTS



b.26 / BOURNONVILLE DIVERTISSEMENT   —— AUGUST BOURNONVILLE Julie Thirault, Philip Handschin, Feline van Dijken, Nathalie Guth, Alexandra Inculet Philip Handschin, Julie Thirault (vorne), Nathalie Guth RECHTS

LINKS




b.26 / DARK ELEGIES —— ANTONY TUDOR © THE ANTONY TUDOR BALLET TRUST Virginia Segarra Vidal, Marcos Menha LINKS OBEN Virginia Segarra Vidal, Michael Foster, Marcos Menha, Boris Randzio Anne Marchand, Michael Foster, Nathalie Guth RECHTS

LINKS UNTEN


b.26 / ONE —— TERENCE KOHLER Ensemble



b.27 / VARIATIONEN UND PARTITEN —— MARTIN SCHLÄPFER Vincent Hoffman, Sonia Dvorak, Brice Asnar




b.27 / DER GRÜNE TISCH —— KURT JOOSS © THE JOOSS ESTATE Chidozie Nzerem (Der Tod), Yuko Kato (Die alte Mutter) LINKS OBEN Bruno Narnhammer (Soldat), Friedrich Pohl (Der Fahnenträger) vorne; Brice Asnar (Der junge Soldat), Andriy Boyetskyy (Der alte Soldat), Michael Foster, Alban Pinet (Soldaten) LINKS UNTEN Andriy Boyetskyy (Der alte Soldat), Chidozie Nzerem (Der Tod) RECHTS



b.28 / ESPLANADE —— PAUL TAYLOR Vincent Hoffman, Doris Becker, Bruno Narnhammer, Camille Andriot, Alexandre Simões, Asuka Morgenstern LINKS Wun Sze Chan, Alexandre Simões, Doris Becker, Vincent Hoffman, Camille Andriot, Bruno Narnhammer LINKS UNTEN Camille Andriot RECHTS

OBEN


b.28 / TENEBRE —— HUBERT ESSAKOW So-Yeon Kim, Yuko Kato, Marlúcia do Amaral




b.28 / DIFFERENT DIALOGUES —— NILS CHRISTE Wun Sze Chan, Rashaen Arts LINKS Doris Becker, Andriy Boyetskyy RECHTS


Interview

Erinnerungen an

MR. EIN G ES P R ÄC H MI T J OYS A NNE S ID IM U S

IN T ER V IE W C A EC IL I A B R ENNINK ME Y ER

FOTOS M A R T H A S W O P E U ND F R ED F EHL

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Joysanne Sidimus

B. 73


Interview

Das Erbe eines Choreographen zu bewahren und weiter am Leben zu erhalten, ist Aufgabe der Ballettrepetiteure. Insgesamt 17 Werke George Balanchines hat Joysanne Sidimus in ihrem Repertoire und erarbeitet diese seit vielen Jahren mit Compagnien weltweit. Beim Ballett am Rhein ist sie nun für die Einstudierung von MOZARTIANA aus dem Jahre 1981 zu Gast – eine Choreographie, die für sie in ihrer Virtuosität und Eleganz einen Höhepunkt des Balanchine-Œuvres bildet. In einem Gespräch mit Caecilia Brenninkmeyer teilt Joysanne Sidimus ihre kostbaren Erinnerungen an den legendären Künstler des neoklassischen Tanzes. ——

JOYSANNE SIDIMUS  Seine Art zu unterrichten war hochkonzen-

Caecilia Brenninkmeyer  Sie lernten George Balanchine be­ reits als junges Mädchen kennen. Sie waren damals Elevin an der School of American Ballet. Was sind Ihre frühesten Erin­ nerungen an den Choreographen?

triert. Er konnte sich stundenlang auf ein Detail fokussieren, das seines Erachtens noch nicht gut genug erarbeitet war. Es passierte z.B., dass er fasziniert war von einem Port de bras oder der Art, wie man den Fuß präsentierte. Darauf fixierte er sich dann für den Rest der Trainingszeit. Da wir also oft in der morgendlichen Class minimale Bewegungen oder Haltungen trainierten, mussten wir uns selber aufwärmen. So entstand in seiner Compagnie ein neues WarmUp früh morgens vor der offiziellen Class. Anders hätten wir die intensiven Probentage oder Auftritte nicht leisten können. Er war sehr still, er wurde nie laut, regte sich nie auf.

JOYSANNE SIDIMUS  Ich war acht Jahre alt, als ich an der School of American Ballet anfing. George Balanchine kam ab und zu in unseren Unterricht und übernahm auch selbst manchmal das Training. Für uns Kinder war das sehr aufregend. Er hatte eine spielerische Art, uns herauszufordern und zu testen. Er trainierte beispielsweise so etwas wie „fünf gegen vier“: Wir sollten eine Schrittfolge in fünf Schlägen machen, während der Repetitor am Klavier eine Melodie im Viervierteltakt spielte. Er hat damit nicht nur unsere Musikalität geschult, sondern auch unseren Respekt für die Musiker geformt. Für ihn war der Pianist nicht nur für die Begleitung der Trainingsstunden und Proben zuständig, sondern er nahm die Musiker immer als einen wichtigen Teil des künstlerisch-kreativen Prozesses wahr. Diesen Respekt vermittelte er uns von klein auf. Es war ihm sehr wichtig, dass seine Tänzer auch musikalisch unterrichtet wurden, und entsprechend nahmen auch viele von uns Instrumentalunterricht.

Caecilia Brenninkmeyer  Sie waren insgesamt fünf Jahre lang Tänzerin beim New York City Ballet. Es war die Zeit, in der Balanchine u.a. seine Ballette Monumentum pro Gesualdo und Electronics schuf. Wie kreierte er ein neues Ballett?

JOYSANNE SIDIMUS  Er wusste immer genau, was er wollte, und wir

verstanden sofort, was er von uns verlangte. Er brauchte keine großen Erklärungen, denn die meisten seiner Tänzer waren wie ich von klein auf in seinem Stil geschult und haben schon sehr jung in der Compagnie angefangen. In den Proben hat er manches in Metaphern erklärt. Als er Monumentum pro Gesualdo zu einer Partitur von Igor Strawinsky kreierte, der sich wiederum auf Musik des italienischen Renaissancekomponisten Carlo Gesualdo bezog, sprach er immer wieder von mittelalterlichen Gemälden. Er wollte, dass wir die dort dargestellten Figuren mit unseren Körpern nachahmen. Genauso war es bei den Proben zum Feuervogel. Er wunderte sich über unsere Kopfhaltung und schickte uns ins Metropolitan Museum, damit

Caecilia Brenninkmeyer  1958 wurden Sie als Tänzerin ins Corps de ballet des New York City Ballet engagiert und waren von da an täglich mit George Balanchine in Kontakt. Wie kann man sich den Unterricht bei ihm vorstellen?

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Joysanne Sidimus wir dort Anne die dorussischen Paço   WieIkonen bist dustudierten. zum Tanz gekommen? Wir erkannten, dass der Kopf der Madonna immer in einer ganz bestimmten Art geneigt war. Nach NATALIA unserem HORECNA Museumsbesuch    Ehrlich gesagt schaute weiß er uns ich noch nicht,einmal was mir beiineiner den Probe Sinn kam, zu. Er alsschaute uns einesich Lehrerin um, lächelte fragte: „Wer und verließ möchteden Ballett Raum. machen?“ Das Ich war’s. war Erdamals hat niefünf etwas Jahre erklärt. alt und Wenn riefman spontan: ihn direkt „Ich!“etwas Danach zu seinen rannte ich zu meinen Eltern und bat Schritten sie, mir Ballettstunden zu bezahlen Stücken oder zu bestimmten und Posen fragte, sagte er… Ich nur:war „Schau sofort hin!“ verliebt Das hat in das er bei Tanzen, SergejesDiaghilew wurde mirgelernt, zu einem dergroßarihn in tigen Paris Raum, in den umLouvre all meine undFantasien andere Galerien und Geschichten schickte. Als herauszulasBalanchine fragte, sen. Wenn nachich was zurückschaue, er dort denn bin suchen ich sehr sollte, glücklich sagte Diaghilew für diesezu plötz­ ihm: „Stell liche dich Intuition. einfach Tanz vormuss ein Gemälde, etwas sein, dann daswirst schon duimmer es herausfinden.“ in mir geUnd wesengenau ist. das war später Balanchines eigene Herangehensweise. Seiner Meinung nach spricht ein Kunstwerk immer für sich selbst. Er reagierte Anne dogeradezu Paço  Duallergisch hast u.a. in aufJohn Leute, Neumeiers die versuchten, Hamburg seine Ballett Ballette und zu erklären. dem Nederlands Es sei alles Dans zu sehen, Theater was getanzt. man wissen Welche muss, Erfahrun­ man gen hast du in diesen beiden Ensembles gesammelt? müsse nur genau beobachten, es sei wie bei einer wunderschönen Blumenwiese: Wie kann man diese erklären? Was gibt es darüber zu NATALIA sagen, wenn HORECNA man sie  selber Diesegesehen Compagnien hat? waren für mich großartige Plattformen, um in den Tanz hineinzuwachsen und zu lernen, was dieseCaecilia so kostbare Brenninkmeyer  Kunstform des Können Balletts Siebedeutet: sagen, was dendie Fokus, Ausgangsden diesebasis Arbeit seiner braucht, Ballette und war? die Mission, die nicht nur im Tanz liegt, sondern in jeder Kunstform, in jedem menschlichen Wesen. Die MögJOYSANNE lichkeiten, was SIDIMUS ein Körper   Es ist uns diedurch Musik. Bewegung Es war sein sagen dringendster kann, zu erWunsch, forschen. dass Dieses dieWissen Musik versuche wirklich ich so gespielt in mir immer wird, wie mehr siezu vom vertiefen. Komponisten erdacht war. Sie hatte für ihn immer Anne absoluten do Paço  Vorrang. Was waren Wirdie mussten High­ uns stets lights nach deiner derTänzerkarriere? Musik richten, was dazu führte, dass wir oft viel schneller NATALIA oder viel langsamer HORECNAtanzen   Die Zusammenmussten, arbeit als es eigentlich mit so großen bequem Meistern gewesen wiewäre. John Balanchines Neumeier, Jiří Technik Kylian,basiert Mats Ek, aufPaul der Fähigkeit, Lightfoot, Wayne sich sehr schnell und sehr McGregor, langsam bewegen Amanda zuMiller können. – und Er ent­ die Möglichkeit, wickelte daraus dieeine Sprachen Ästhetik, so die vieler vorher anderer nicht existierte. wunderbarer Auch Choreographen hatte er eine ganz studieren bestimmte zu dürfen. Zählweise, Gleichzeitig die ein hatte ganzes ich Stück aber immer nicht im auch selben jede Menge Tempoeigene durchFantasien zählt, sondern und Schritte stark variiert. in meinem In einem Kopf Viervierteltakt und Körper und kann konnte mandiese z.B. mehrmals oft auch den schnell Choreographen bis acht zählen, anbieten. oder man In diesen unterZusammenarbeiten teilt diesen Takt nurdurfte in zwei ichSchläge. viele Ich wunderbare habe ihn Stunden einmal gefragt, erlebenwarum – und bald wir überhaupt schon eröffneten alles zählen sich auch undGelegenheier sagte: „Wenn ten, selbst Menschen zu choreographieren. die Musik hören, hören sie sie mit ihren eigenen Ohren. Wenn wir dazu Annebeim do Paço  Tanzen Gibt zählen, es Menschen hören sie– sie mit Künstler, meinenChoreographen, Ohren.“ Und natürlich Musiker, waren Tänzer seine etc. Ohren –, die sehrdich gebildet. besonders Der beeinflusst haben oder Zählrhythmus war nie so, wieinspirie­ man ihn erwartete. ren? Man denkt vielleicht: Ein Walzer ist ein Walzer – bei Balanchine konnte ein Dreiertakt auch stur ignoriert werden. Aber auch der Körperbau, der ihm gefiel, war besonders: Er liebte Frauen und Männer mit sehr langen Beinen, langen Hälsen und Armen und wunderschön gestreckten Füßen. Er mochte attraktive Menschen, aber sie mussten vor allem beweglich sein. Er präferierte einen athletischen Körperbau, der aber dennoch nicht zu muskulös war. Die Muskeln wurden nur für die Energie und Schnelligkeit gebraucht, man sollte sie nicht sehen. Er suchte die Natürlichkeit in den Tänzerkörpern – eine Natürlichkeit, wie man sie auf den Straßen von New York studieren konnte.

Caecilia Brenninkmeyer  Für diesen besonderen Körperbau ist NATALIA auch HORECNA Suzanne Farrell   Ja, sicher! berühmt. AllesSie entwickelt war einesich vondoch Balanchines aus etwas, was bereits Musenexistiert. und er schrieb Wir sind ihralle 1981 beeinflusst das Ballett durch Mozartiana diejenigen, aufdie den wir lieben Leib. Dieses oder denen Werkwir ist ein uns,schönes auf welcher Beispiel Ebene fürauch diese immer, ganz spe­ verbunden zielle fühlen. Natürlichkeit Schon alsim Kind Ausdruck führte sowie mich mein die unglaublich Vater Pavel feine in die Biographien zahlreicher Künstler die ein,Sie dieansprechen. dann alle auch starken und luftige Art des Tanzens,

Einfluss auf mein Schaffen nahmen: Auguste Rodin, Paul Cézanne, Frida JOYSANNE Kahlo,SIDIMUS Francis Bacon,   Gerade viele die viele Eröffnung Maler,von aberMozartiana auch Musiker zeigtwie das u.a. andere Terry Riley. Ende Mein des Spektrums Vater warder Kameramann Ästhetik Balanchines. und er zeigte Dasmir Stück auch beginnt diefast Filme religiös, von Andrej wie einTarkowskij, Gebet mit einem Federico kurzen Fellini, Entrée Pier für Paolo Pasolini, eine Solistin Emir und Kusturica vier junge – unser Mädchen. HausWenn war bisman unters denDach Anfang gefüllt dieser Choreographie mit Filmkunst. sieht, Darüber muss hinaus man sind im Hinterkopf all die Choreographen, haben, dass Balanmit dechine nen ich einarbeiten religiöser konnte, Mannbiswar, heute er war meine russisch-orthodox. „künstlerischen Väter“ Der Hauptund haben teil desmich Balletts auf–verschiedensten die Variationen Ebenen für die Solotänzerin immer wieder und maßgeblich ihren Partunterstützt. ner und natürlich die Gigue – ist sehr schwer zu tanzen. Mozartiana ist für mich eine der kreativsten und schönsten Choreographien, die Balanchine Anne do geschaffen Paço  Wann hat.hast Er war du höchst dich entschieden, erfinderischChoreographin und inspiriert durchzuSuzanne werden? Farrell. Hattest Kein duSchritt einen Lehrer ist zu viel oder oder Mentor, zu wenig der in dich diesem da­ Ballett. rinMan unterstützt spürt, dass hat? es nur diese eine, „richtige“ Art gab. NATALIA Caecilia HORECNA Brenninkmeyer    Ja! Zuallererst Nach fünf möchte Jahren ich bei hierBalanchine auch wieder ha­ meinen benVater Sie vorübergehend nennen. Er glaubte dem New an mich Yorkund Citysagte Ballet mir den immer Rücken wieder, gekehrt. dass ich Siechoreographieren tanzten beim London solle.Festival Aber bisBallet, zu meinem im Natio­ 30. Lebensjahr nal Ballet inwollte Kanada ich und das nicht Pennsylvania wirklich. Ich Ballet, glaubte, bevornicht Sie zu genug Balanchine zu sagenzurück­ zu hakehrten, ben. Ich hatte um seine zuvorWerke bereitsaus einige einer kleinere neuen Stücke Perspektive kreiert und kennen Johnzu Neumeier lernen. Wie sagtekam zu mir: es dazu? „I really look forward to

see what you have done.“ Ich war unge-

JOYSANNE fähr 23. DasSIDIMUS Stück war   Im einGrunde Flop und ge-ich

choreographierte nommen war ich nichts eine dramatische mehr. Heute Tänzerin kommen John und wusste, Neumeier dassund ichKevin in BalanHaigen chines Choreographien zu meinen Premieren nie eineund HauptProrolle ben mit tanzen demwürde. Bundesjugendballett, Ich ging also zu für ihm das undich sagte regelmäßig ihm, wie sehr kreiere, ich seine und schenArbeit ken bewunderte, mir großeaber Freiheit, dass ich Raum mich und nach wertvolle dramatischen FeedbacksRollen zu meinen sehnte. Werken. Er warIch sehr bin ihnen verständnisvoll unendlich dankbar und ermutigte dafür. Als ich mich nach zu diesem Hamburg Schritt. kam, Zugleich war ich 17sagte Jahre er aber alt,auch, heutedass binseine ich 40. Tür Und immer die beiden offenunterstützen sei, falls ich mich zurückkommen nach wie vor, wolle. Er sind war aneinfach meiner fantastisch. Seite. Nicht Nach zuletztmeibin ich ner aber Zeit beim auch all National den Ballettdirektoren, Ballet in Kanada die undmich beimin Pennsylvania ihre Compagnien Ballet kam eingelaich den tatsächlich haben, zurück extrem und dankbar. saß dann Auchneun sie zählen sehr intensive zu meinen Monate Mentoren, lang Tag und einich Tag aus bin neben immerihm: wieder während sehr berührt, der Class, zuwähspüren sehen,und Vorstellungen – rendund der zu Proben schließlich war ich bereit, seine Werke mit anderen Compagnien in seinem Sinne einzustudieren. Caecilia Brenninkmeyer  Was fasziniert Sie an dieser Aufgabe?

JOYSANNE SIDIMUS  Ich mache das jetzt schon eine sehr lange Zeit.

Es ist ein Privileg und eine Ehre, eine große Verantwortung und Freude – alles gleichzeitig. Es ist eine Arbeit, von der ich nie genug bekommen kann. Ich habe etwa 17 Ballette in meinem Repertoire, die ich schon hunderte Male mit Compagnien weltweit einstudiert habe, und ich kann immer noch neue Dinge darin entdecken. Die Ballette verändern sich natürlich jedes Mal durch die Tänzer. Wenn sie erfahren genug sind, ist es eine sehr schöne Arbeit. Ich gebe ihnen

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Young Moves — Plattform Choreographie

Young FOTOS G ER T W EI G ELT

Sie stellen an sich und ihre Werke die höchsten Erwartungen und sind zugleich sich selbst die größten Kritiker. Im Rahmen der in der Spielzeit 2015/16 erstmals realisierten PLATTFORM CHOREOGRAPHIE BALLETT AM RHEIN – YOUNG MOVES hatten sechs Tänzerinnen und Tänzer des Balletts am Rhein die Gelegenheit, eigene Choreographien zu kreieren. 82


Sechs Choreographen blicken zurück

Moves Zwischen der Bewerbung zur Teilnahme an diesem Ballettabend und der Premiere lagen etwa eineinhalb Jahre – eine Zeitspanne, die jeder der sechs unterschiedlich eingeteilt und genutzt hat und in der jeder individuelle Erfahrungen machte. ——

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Young Moves — Plattform Choreographie

ODNALRO

Alban Pinet

zwei Tänzern kreiert hatte. Diese Atmosphäre hat mich so berührt, dass ich etwas übermütig wurde und diese Szene dann für mehrere Tänzer anlegte. Erst im Nachhinein habe ich begriffen, dass meine ursprüngliche Idee doch wirkungsvoller gewesen wäre. Ich weiß jetzt, dass ich meiner Intuition mehr vertrauen kann. Auf mich selbst zu hören und mich nicht zu stark von außen beeinflussen zu lassen, muss ich noch lernen. Ich muss mich aber auch davon lösen, alle Ideen in einer einzigen kurzen Choreographie zeigen zu wollen. Es wird hoffentlich noch andere Gelegenheiten geben, mich und meine Kreativität auszuprobieren. Man muss das, was man im Inneren trägt, nach außen bringen, und das ist ein sehr privater Vorgang. Ich glaube, jeder Mensch kann Kunst schaffen, wenn es ihm gelingt, in sich zu gehen und sich auszudrücken. In manchen Momenten ist mir das geglückt, in anderen nicht.

Mit meiner Choreographie ODNALRO habe ich das erste Mal versucht, etwas für mich ganz Neues und sehr Persönliches zu machen. Als ich mich mit meiner Idee zu diesem Ballett beworben habe, hatte ich noch völlig andere Vorstellungen. Es sollte ein eher abstraktes Stück werden, die Tänzerinnen sollten Spitzenschuhe tragen. Während der ersten Proben habe ich jedoch gemerkt, dass ich doch etwas wollte, das mehr Richtung Tanztheater ging und ich bin sehr froh, dass ich diesen Schritt gewagt habe. Es war gut, mir die Freiheit zu lassen, bis zum Ende flexibel zu bleiben, um so auch vieles noch im Laufe der Entstehung über Bord werfen zu können. Aber es gibt auch im finalen Stück Dinge, die mich stören, die nicht so funktionieren, wie ich es mir vorgestellt habe. Es gab z.B. wunderschöne Momente in den Proben, die ich mit nur

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Ich habe viel darüber gelernt, wie wichtig es ist, in der Arbeit mit den Tänzern die richtigen Worte zu wählen. Die Tänzer nehmen jedes Wort in sich auf. So hat jede Bewegung eine Geschichte und auch das, was einem vielleicht in einem hastigen Moment unüberlegt über die Lippen kommt, gehört dann zu dieser Bewegung. Du kannst etwas, das einmal ausgesprochen ist, nicht mehr rückgängig machen. Auch in ihrer Negation spielt eine Assoziation immer eine Rolle. Es ist unglaublich schwer, zwischen Theatralität und Natürlichkeit die richtige Balance zu finden. Natürlichkeit allein geht auf der Bühne schnell unter, also muss alles doch einen gewissen Grad an Thea­ tralität haben, um zu wirken. Beim Tanztheater ist dieses Gleichgewicht eine große Kunst: Einerseits sind die Bewegungen nur sehr sparsam eingesetzt, andererseits muss man mit wenig Material trotzdem eine Spannung halten. Es gibt viel, woran ich bei dieser Choreographie weiterarbeiten möchte, und sie kann auf diese Weise weiterwachsen. Eine endgültige Fassung ist für mich nicht das Ziel. Wie Martha Graham sagte: Die grundsätzliche Unzufriedenheit ist die Essenz des Künstlerseins. ———


Sechs Choreographen blicken zurück

It is passing by Darin lag aber auch die größte Herausforderung. Während der Vorstellungen im Publikum sitzend möchte man eigentlich nur genießen, aber gleichzeitig versucht man sich auch an alles zu erinnern, um den Tänzern ein Feedback und Korrekturen für die nächste Vorstellung geben zu können. Nach der Premiere wusste ich erst mal nicht, wie ich weiterproben sollte. Es war nur noch eine Frage, wie die Tänzer sich zueinander verhalten, und dabei kommt es eigentlich nur auf den Moment auf der Bühne an. Als Tänzer weiß man in den meisten Fällen selbst am besten, was nicht gut geklappt hat. Wenn man nicht unmittelbar dabei war, kann man nicht wissen, was wirklich in diesem Moment zu einer Situation geführt hat, die nicht durch die Choreographie festgelegt war. Man bleibt als Choreograph außen vor. Es war schwer, zu kommunizieren und herauszukriegen, was die Tänzer von mir brauchen. Zu viele Informationen können sich auch negativ auswirken. Ich musste lernen, den Tänzern zu vertrauen und die Kontrolle über das Stück abzugeben, dennoch wollte ich sie weiter inspirieren. Meine Choreographie It is passing by bei der Premiere zu sehen, hat mich sehr glücklich gemacht. Nach einem langen und anstrengenden Prozess des Kreierens und Probens war es ein tolles Gefühl, zu erleben, wie meine Ideen im Tanz, der Bühne, dem Licht und den Kostümen zusammenkommen. Es hat mich so gefreut, zu sehen, wie das Stück entsteht, wie die Tänzer es übernehmen und präsentieren. Die Tänzer wurden auf der Bühne sie selbst, sie haben sich selbstständig darin positioniert und Verantwortung für das Stück übernommen. Es ging dann nicht mehr um mich.

Wun Sze Chan

Ich weiß noch nicht, ob meine Choreographie wirklich das geworden ist, was ich mir vorgestellt hatte. Dafür brauche ich vielleicht noch mehr Abstand. Ich werde auch in Zukunft an der Kommunikation mit den Tänzern arbeiten, das erscheint mir als das Wichtigste in diesem gesamten Prozess. Ich möchte einen noch intensiveren Kontakt zu ihnen aufbauen, um meine Gedanken so direkt wie möglich weitergeben zu können. ———

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B A L L E T T

A M

R H E I N

SPIELZEIT 2016/17 — P L AT T F O R M C H O R E O G R A P H I E BALLET T AM RHEIN

PREMIEREN

b.26

b.30

b.31

YOUNG MOVES

BOURNONVILLE DIVERTISSEMENT AUGUST BOURNONVILLE

CONCERTO GROSSO NR. 1 URAUFFÜHRUNG REMUS ȘUCHEANĂ

OBELISCO MARTIN SCHLÄPFER

EDGE OF REASON URAUFFÜHRUNG CHIDOZIE NZEREM

DARK ELEGIES ANTONY TUDOR

LONESOME GEORGE MARCO GOECKE

ONE TERENCE KOHLER —

WOUNDED ANGEL URAUFFÜHRUNG NATALIA HORECNA —

16.09.2016 ↗

Opernhaus Düsseldorf

14.01.2017 ↗

ADAGIO HAMMERKLAVIER HANS VAN MANEN SH-BOOM! SOL LEÓN & PAUL LIGHTFOOT — 01.04.2017 ↗ 13.05.2017 ↗

Opernhaus Düsseldorf

Theater Duisburg

ANDANTE SOSTENUTO URAUFFÜHRUNG BORIS RANDZIO

b.32

MOZARTIANA GEORGE BALANCHINE

PETITE MESSE SOLENNELLE URAUFFÜHRUNG MARTIN SCHLÄPFER —

THE CONCERT JEROME ROBBINS — 28.10.2016 ↗

Theater Duisburg

INFOS & K ARTEN

Düsseldorf: Tel. + 49 (0) 211. 89 25 211 Duisburg: Tel. + 49 (0) 203 . 283 62 100

ballettamrhein.de

49 URAUFFÜHRUNG SO-YEON KIM

Opernhaus Düsseldorf

b.29

KONZERT FÜR ORCHESTER URAUFFÜHRUNG MARTIN SCHLÄPFER

FOURMIS URAUFFÜHRUNG SONNY LOCSIN

02.06.2017 ↗

Opernhaus Düsseldorf

EAST COASTING URAUFFÜHRUNG MICHAEL FOSTER NO DESTINATION URAUFFÜHRUNG WUN SZE CHAN — 04.07.2017 ↗

Opernhaus Düsseldorf


Ballett am Rhein Düsseldorf Duisburg Das Ballett am Rhein Düsseldorf Duisburg zählt seit seiner Neugründung durch den Schweizer Direktor und Chefchoreographen Martin Schläpfer in der Spielzeit 2009/10 zu den führenden Ballettcompagnien weltweit. Die Zeitschrift tanz kürte in ihrer internationalen Kritikerumfrage Martin Schläpfer zum „Choreographen des Jahres 2010“ und das Ballett am Rhein dreimal in Folge 2013, 2014 und 2015 zur „Besten Kompanie“. Seit der Spielzeit 2016/17 leitet Remus Şucheană als Ballettdirektor an der Seite von Martin Schläpfer die Compagnie. 45 Tänzerinnen und Tänzer aus 16 Nationen sind in dem ausschließlich aus Solistinnen und Solisten bestehenden Ensemble vertreten, das nicht nur auf den beiden Bühnen der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf und Duisburg, sondern auch auf internationalen Gastspielen zu erleben ist – darunter Auftritte beim Edinburgh International Festival, im Théâtre de la Ville Paris, Het Muziektheater Amsterdam, Gran Teatre del Liceu Barcelona, Stanislawski- und Nemirowitsch-Dantschenko-Musiktheater Moskau, Royal Opera House Muscat (Oman), in der Israeli Opera Tel Aviv, im Festspielhaus St. Pölten, bei der Ballettfestwoche des Bayerischen Staatsballetts München, in Köln, Gütersloh, Bonn, Hannover und Ludwigshafen, bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen, beim Festival Musica Sacra Maastricht, bei den Maifestspielen Wiesbaden sowie 2016/17 u.a. in Berlin, Bilbao, Den Haag und Genf. Die Choreographien Martin Schläpfers, der heute zu den wichtigsten zeitgenössischen Choreographen zählt, bilden eine zentrale Säule im Repertoire des Balletts am Rhein. Werke der Ballettgeschichte auf höchstem Niveau zu zeigen und in Beziehung zu zeitgenössischen Arbeiten zu setzen – darunter in jeder Saison auch zahlreiche Uraufführungen –, ist ein weiterer Schwerpunkt der Spielplangestaltung. Der Bogen spannt sich dabei von Frederick Ashton, George Balanchine, August Bournonville, Kurt Jooss, Jerome Robbins und Antony Tudor bis zu Merce Cunningham, William Forsythe, Paul Taylor und Twyla Tharp. Choreographen wie Nils Christe, Mats Ek, Marco Goecke, Jiří Kylián, Sol León und Paul Lightfoot oder Amanda Miller arbeiten ebenso mit dem Ballett am Rhein wie Natalia Horecna, Young Soon Hue, Brigitta Luisa Merki, Terence Kohler oder Remus Şucheană. Darüber hinaus zählt das Ensemble zu den wichtigsten Interpreten Hans van Manens, der der Compagnie bisher neun seiner Werke anvertraute und ihr 2014 mit dem Ballett Alltag auch eine Uraufführung schenkte. Eine wichtige Plattform für die Förderung des choreographischen Nachwuchses ist seit 2016 das Programm Young Moves, in dem Tänzerinnen und Tänzer des Balletts am Rhein eigene Choreographien erarbeiten. Als musikalische Partner stehen dem Ballett am Rhein mit den Düsseldorfer Symphonikern und Duisburger Philharmonikern zwei hochkarätige Klangkörper zur Seite. 2014 kam es im Rahmen von DEEP FIELD zu einer Zusammenarbeit mit dem WDR Rundfunkchor Köln. Auf Gastspielen wurde das Ballett am Rhein u.a. vom Royal Scottish National Orchestra, Orchester des Stanislawski-Theaters Moskau, der Württembergischen Kammerphilharmonie und dem Tonkünstler-Orchester Niederösterreich begleitet. ——

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Die Tänzerinnen und Tänzer des Balletts am Rhein mit den Direktoren Martin Schläpfer und Remus Şucheană. Foto: Gert Weigelt

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Gastspiele

„Das Teatro Arriaga lädt seit vielen Jahren die besten Ballett­ ensembles nach Bilbao ein, und so ist es uns eine große Freude, dass wir unserem Publikum nun zum ersten Mal mit dem Ballett am Rhein eine der ausgezeichnetsten Compagnien im euro­ päischen Raum präsentieren können. Martin Schläpfers Choreographie 7 zur 7. Sinfonie von Gustav Mahler verheißt einen großartigen, unvergesslichen Abend.“ José Ignacio Malaina Sánchez / Geschäftsführer Teatro Arriaga Bilbao

Martin Schläpfer: 7 11. und 12.11.2016 www.teatroarriaga.com

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Foto: Samuel Rubio

„Einander zeigen wie man ist, wie man denkt und fühlt, sich zur Welt und zur Kunst verhält“ – Gastspiele präsentieren nicht nur Martin Schläpfers gefeierte Tanzkunst und sein Ensemble auf internationalen und nationalen Tanzbühnen, sondern sind auch ein wichtiger Dialog mit dem Publikum und den Ensembles vor Ort. In der Spielzeit 2016/17 sind Martin Schläpfers Choreographien 7 und Ein Deutsches Requiem erstmals in Bilbao, Berlin, Den Haag und Genf zu erleben. Zum wiederholten Male folgt eine Einladung nach Friedrichs­hafen, eine längere Tradition haben bereits die Auftritte des Balletts am Rhein bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen, die Martin Schläpfers allerneueste Kreation Petite Messe solennelle zeigen.

Foto: Pedro J. Pacheco

Das Ballett am Rhein unterwegs in Europa

„Wir freuen uns sehr, dass die Deutsche Oper am Rhein mit Martin Schläpfer und seinem hervorragenden Ballett am Rhein in dieser Spielzeit unsere Ein­ ladung annehmen konnte und nun in der Opéra des Nations des Grand Théâtre de Genève Ein Deutsches Requiem von Johannes Brahms als Ballett zeigen wird. Die großartige Arbeit von Martin Schläpfer, einem der bedeutendsten Schweizer Choreographen, und seiner Compagnie wird vom Genfer Publikum mit großer Spannung erwartet und zählt sicher zu den Höhepunkten unserer Ballettsaison.“ Prof. Tobias Richter / Intendant Grand Théâtre de Genève

Martin Schläpfer: Ein Deutsches Requiem L’Opéra des Nations: 10., 11. und 12.02.2017 www.geneveopera.ch

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„Im Frühjahr 2017 wird Martin Schläpfer mit seiner ganzen Compagnie nach Den Haag kommen und seine wunderbare Choreographie Ein Deutsches Requiem zur bewegenden Musik von Johannes Brahms präsentieren. Den Haag ist weltberühmt für das Nederlands Dans Theater und die weltweit führenden Tanzcompagnien hierhin einzuladen, gehört zu unserer festen Tradition. Die Vorstellung des Balletts am Rhein wird dabei ein absolutes Highlight in unserem Programm sein. Wir sind sehr stolz, dieses Werk, die Compagnie und den Choreographen Martin Schläpfer hier erleben zu können. Das Publikum in Düsseldorf und Duisburg lade ich gerne ein, uns in unserem Theater am Strand von Den Haag / Scheveningen zu besuchen. Nach nur zwei Stunden Autofahrt haben Sie die Gelegenheit, das Meisterwerk von Martin Schläpfer mit neuen Augen zu sehen.“ Henk Scholten / Intendant Stichting Dans- en Muziekcentrum Den Haag

Martin Schläpfer: Ein Deutsches Requiem Zuiderstrandtheater: 09. und 10.03.2017 www.zuiderstrandtheater.nl

„Das Staatsballett Berlin freut sich sehr, das mehrfach als ‚Kompanie des Jahres‘ ausgezeichnete Ballett am Rhein nach Berlin an die Spree einzuladen und dieses erstmalig in der Hauptstadt präsentieren und willkommen heißen zu dürfen. Gustav Mahlers 7. Sinfonie in der Choreographie 7 von Martin Schläpfer auf der Bühne der Staatsoper im Schillertheater sehen zu können, wird für das ballett- und tanzbegeisterte Berliner Publikum ein wahres Osterfest werden. Darüber hinaus freuen wir uns aber auch auf die Begegnungen und den Austausch der Düsseldorfer und Berliner Tänzer, wie auf das MiteinanderTrainieren unserer Ensembles in den Studios des Staatsballetts Berlin. Das Credo Martin Schläpfers: ‚Einander zu zeigen, wie man ist, wie man denkt und fühlt, sich zur Welt und zur Kunst verhält‘‚ gilt ja für Publikum und Tänzer gleichermaßen.“ Dr. Christiane Theobald / Stellvertretende Intendantin Zu Gast beim Staatsballett Berlin

Martin Schläpfer: 7 Staatsoper im Schillertheater: 11., 12. und 15.04.2017 www.staatsballett-berlin.de

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Foto: Dietrich Krieger

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Foto: Maurice Haak

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„Mit seinen internationalen Ballett-Gastspielen hat sich Friedrichshafen einen hervorragenden Ruf in der Tanzszene erworben. Die wichtigsten Compagnien waren hier zu Gast und mit Martin Schläpfer verbindet uns eine lange Beziehung. Bereits als Tänzer unter dem Choreographen und Ballettdirektor Heinz Spoerli war er oft auf der Bühne des Graf-Zeppelin-Hauses zu erleben. Wir sind glücklich, dass er als Direktor und Choreograph mit seinem Ballett am Rhein Düsseldorf Duisburg nach einem Gastspiel im Jahr 2011 nun mit einem so gewichtigen Werk wie dem Deutschen Requiem von Johannes Brahms zu uns zurückkehrt. Für uns ist das Gastspiel des Balletts am Rhein das herausragende Ballettereignis in der Spielzeit 2016/17.“ Winfried Neumann / Amtsleitung Kulturbüro Friedrichshafen Friedrichshafen

Martin Schläpfer: Ein Deutsches Requiem Graf-Zeppelin-Haus: 29.04.2017 www.gzh.de

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Foto: Schlossfestspiele

Foto: Thomas Bartilla

Gastspiele

„Als ‚harmlos‘ wurde sie beiseitegelegt, bestenfalls hält man sie für ‚charmant‘. Die kleine, feierliche Messe des einzigartigen Herrn Rossini aus Pesaro wurde von ihm selbst kokett als ‚kleine Gelegenheitsarbeit‘ abgetan; auf welch’ einen Holzweg hat er uns damit geführt! Die Petite Messe mäandert in bis dahin unerhörten Zwischenwelten: Mal ist es ein übermütiges Trinklied auf den Tod, mal ein melancholischer Gruß an die eigene Jugend, ein ziemlich gewagtes Zwiegespräch mit Gott und natürlich eine Ode an das pralle Leben, die Menschen – und die gute Küche. Derzeit gibt es keinen Künstler, dessen Lesart dieses unterschätzten Meisterwerks mich mehr interessiert: Martin Schläpfer, diesen faszinierenden Choreographen des Zwiespalts, diesen großartigen Entdecker musikalischer Linien – er wird uns Rossinis letzte Kostbarkeit neu entdecken lassen.“ Thomas Wördehoff / Intendant und Geschäftsführer Ludwigsburger Schlossfestspiele

Martin Schläpfer: Petite Messe solennelle Forum am Schlosspark: 21.06.2017 www.schlossfestspiele.de


Rückblick / Ausblick / Neues

„Mahlers Kunst ist für den Tanz geschaffen“ Dirigent Kenneth Woods über Martin Schläpfers Ballett 7 beim Colorado MahlerFest auch dem Publikum eine linear erzählte Geschichte zur Grundlage gegeben. Mahlers 7. Sinfonie ist dagegen eine 80-minütige absolute Musik, voller gewaltiger und komplexer Strukturen und musikalischer Herausforderungen für die Interpretation – allein die Tempowechsel im letzten Satz der Sinfonie zählen zu den schwierigsten Aufgaben im gesamten Repertoire eines Dirigenten.

Foto: Benjamin Ealovega

Kann ein derart bombastisches Werk die Basis für ein Ballett bieten? Den Kritiken nach zu urteilen, die nach dem Gastspiel des Balletts am Rhein beim Edinburgh International Festival erschienen waren, musste die Antwort eindeutig „Ja“ lauten. Nun war mein Fieber für das Ballett endgültig geweckt und auf meine Anfrage an Martin Schläpfer und sein Team erhielt ich sofort eine sehr aufgeschlossene Rückmeldung. Allerdings kam ich mit meiner Einladung für einen Gastauftritt zu spät – die Planungen des Balletts am Rhein für 2015/16 waren längst abgeschlossen. Da es jedoch Filmaufnahmen von der Uraufführung dieser wunderbaren Choreographie gab, kam uns die Idee, das Ballett wenigstens als Film mit einer Einführung des Choreographen zu seinem Werk in unser Programm aufzunehmen, sind Filmvorführungen – meist Dokumentationen über Gustav Mahlers Leben und seine Musik – doch seit vielen Jahren ein Teil des Festivalprogramms.

Zu einer besonderen Begegnung zwischen Musik und Tanz kam es im Rahmen des 29. Colorado MahlerFests am 20. Mai 2016 im Boedecker Theater im amerikanischen Boulder: In einer Filmaufzeichnung des Düsseldorfer Filmemachers Ralph Goertz war erstmals in den USA mit dem Gustav Mahler-Ballett 7 eine Choreographie Martin Schläpfers zu erleben. Initiiert hatte die Filmvorführung Kenneth Woods, künstlerischer Direktor und Dirigent des renommierten Mahler-Festivals, der uns im Nachhinein verbunden mit seinem Dank einen kleinen Bericht schickte, aus dem wir hier einige Auszüge wiedergeben:

Beim 29. MahlerFest kam es auf diese Weise nun also zu einer besonderen Premiere: der amerikanischen „Erstaufführung“ von Martin Schläpfers inspirierender und gewagter choreographischer Interpretation von Mahlers anspruchsvollstem und kontroversestem Werk. Das Publikum des MahlerFests – intellektuelle Musikliebhaber aus der Region, Kulturfreunde, aber auch Mahler-Fans und -Experten aus der gesamten Welt – ist höchst anspruchsvoll. Und natürlich war ich gespannt, wie es meine Idee, erstmals im Rahmen des MahlerFests auch Ballett zu zeigen, aufnehmen und auf die Kunst Martin Schläpfers reagieren würde. Meine Idee war ein großer Erfolg! Sie war neu im Programm und der Höhepunkt unserer mehrmonatigen Vorbereitung der Veranstaltung in Zusammenarbeit mit Martin Schläpfer und seinem wunderbaren Team.

„Im Sommer 2015 wurde ich zum neuen künstlerischen Direktor des jährlich stattfindenden MahlerFests in Colorado ernannt. Für mich bedeutete dies eine neue Herausforderung, denn es gilt das Festival, welches schon seit vielen Jahren erfolgreich stattfindet, in einer innovativen und lebendigen Art weiterzuführen. Zunächst stand fest, dass sich das MahlerFest in seiner 29. Saison um Mahlers 7. Sinfonie drehen sollte. Man kann sich vorstellen, wie überrascht und erfreut ich war, als mich ein Kollege auf eine Choreographie zu Mahlers 7. Sinfonie mit dem Titel 7 aufmerksam machte, die zu dieser Zeit beim Edinburgh International Festival auf dem Programm stand. Mahler ist kein Komponist, den man direkt mit Tanz assoziiert, obwohl seine Musik geradezu durchtränkt ist mit Tanzrhythmen und Melodien, die eindeutig von Bewegung inspiriert sind. Walzer, Ländler, Polkas und alle Arten von Märschen bieten eine große Vielfalt an choreographischen Umsetzungsmöglichkeiten, die es für einen neugierigen und kreativen Künstler zu erforschen gilt. Zugleich ist Mahlers Musik aber auch abstrakt und höchst komplex in der Überlagerung mehrerer Strukturen. Abstraktion ist im Ballett nichts Neues – man denke nur an die Choreographien von George Balanchine –, aber die großen Ballettmusiken unseres Repertoires sind für Handlungsballette wie Romeo und Julia von Sergej Prokofjew oder Schwanensee und Der Nussknacker von Peter I. Tschaikowsky komponiert. Bei diesen Werken haben die Komponisten und Librettisten nicht nur dem Choreographen, sondern

Unser Dank gilt Ihnen allen dafür, dass Sie uns bei diesem großen amerikanischen Mahler-Festival gezeigt haben, dass Mahlers Kunst auch für den Tanz geschaffen ist.“  ——— Kenneth Woods Künstlerischer Direktor und Dirigent des Colorado MahlerFest sowie Chefdirigent des English Symphony Orchestra

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Rückblick / Ausblick / Neues

Fernsehpremiere und DVD Feuer bewahren – nicht Asche anbeten „Großartige Kunst für Kopf, Augen und das Herz“, schrieb Günter H. Jekubizek in den Filmtabs über Annette von Wangenheims Filmporträt Feuer bewahren – nicht Asche anbeten. Der Choreograf Martin Schläpfer, und Ulrich Kriest urteilte im Filmdienst: „Ein Künstlerporträt und zugleich ein Glücksfall von Kunstvermittlung, dabei aber ein ganz und gar eigenständiges Werk. Famos!“

7. Oktober schließlich erschien Feuer bewahren – nicht Asche anbeten in der Kinofassung auf DVD – in deutscher Sprache, optional mit eng­ lischen Untertiteln und ergänzt mit exklusivem Bonusmaterial.  ———

Nach einer festlichen Preview im November 2015 im Opernhaus Düsseldorf und Präsentationen in über 45 Kinos in Deutschland und der Schweiz, darunter auch mehrere Dokumentarfilmfestivals, erlebte das zwischen April 2014 und Juni 2015 entstandene Choreographenporträt in einer Fernsehfassung am 18. September 2016 nun auch seine Premiere in der Sendung Sternstunde Kunst des Schweizer Fernsehens SRF sowie eine Woche später am 26. September im deutsch-französischen Kultursender arte. Von der ARD wurde der Film in der Kategorie „Performing Arts“ für den renommierten Prix Italia nominiert. Am

Eine 7T1 Media Produktion in Zusammenarbeit mit arte, WDR und SRF 85 Minuten + 25 Minuten Bonusmaterial Sprache: deutsch, mit englischen Untertiteln Booklet in deutsch-englisch Bild: 16:9, Ton: 5.1, FSK: 0 Label: good!movies Erscheinungstermin: 7. Oktober 2016 Empfohlener Verkaufspreis: 17,90 €

DVD Feuer bewahren – nicht Asche anbeten. Der Choreograf Martin Schläpfer

Fotos: Gert Weigelt

DEEP FIELD auf arte concert

Im Rahmen der Filmaufnahmen zu Feuer bewahren – nicht Asche anbeten entstand ebenfalls in der Fernsehregie von Annette von Wangenheim und produziert von 7T1 Media eine vollständige Bühnenaufzeichnung der Uraufführung DEEP FIELD, die bis zum 23. Dezember 2016 online auf arte concert zu sehen ist.

vergeben hatte. Entstanden ist eine aufwändige Tanz-Produktion, an der nicht nur 42 Tänzerinnen und Tänzer des Balletts am Rhein und die Düsseldorfer Symphoniker unter der Leitung von Wen-Pin Chien ergänzt durch ein Ensemble an Gästen mitwirkten, sondern es erstmals zu einer Kooperation der Deutschen Oper am Rhein mit dem WDR Rundfunkchor Köln unter der Leitung von Denis Comtet kam. Die Stuttgarter Künstlerin rosalie entwarf für die Bühne eine MedienLicht-Skulptur und die Kostüme, Otto Kränzler war für die Klangregie verantwortlich.  ———

„Es ist ein so gewaltiges Theaterereignis, wie man’s im deutschen Tanz vielleicht noch nie erlebt hat“, schrieb Marieluise Jeitschko nach der Uraufführung dieses Tanzabends, für dessen Musik Martin Schläpfer einen abendfüllenden Auftrag an die Komponistin Adriana Hölszky

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Impressum Künstlerisches Team 2016/17

Tänzerinnen

Betriebsdirektor

Ann-Kathrin Adam, Marlúcia do Amaral, Camille Andriot, Doris Becker, Wun Sze Chan, Sabrina Delafield, Mariana Dias, Feline van Dijken, Sonia Dvorak, Nathalie Guth, Alexandra Inculet, Christine Jaroszewski, Yuko Kato, So-Yeon Kim, Helen Clare Kinney, Norma Magalhães, Anne Marchand, Asuka Morgenstern, Claudine Schoch, Virginia Segarra Vidal, Elisabeta Stanculescu, Julie Thirault, Irene Vaqueiro

Leitende Dramaturgin

Tänzer

Chefchoreograph und Künstlerischer Direktor

Martin Schläpfer Ballettdirektor

Remus Şucheană

Persönliche Referentin der Ballettdirektion

Daniela Matys

Oliver Königsfeld Anne do Paço

Tom Hackbarth

Rashaen Arts, Brice Asnar, Yoav Bosidan, Rubén Cabaleiro Campo, Odsuren Dagva, Michael Foster, Filipe Frederico, Philip Handschin, Vincent Hoffman, Richard Jones, Sonny Locsin, Marcos Menha, Tomoaki Nakanome, Bruno Narnhammer, Chidozie Nzerem, Marcus Pei, Alban Pinet, Friedrich Pohl, Boris Randzio, Alexandre Simões, Arthur Stashak, Eric White

Ballettmeister

Dirigenten

Dramaturgie / Produktion

Caecilia Brenninkmeyer

Technische Koordination

Barbara Stute Sekretariat

Sabine Chaumet, Sabine Dollnik FSJ-Kultur

Kerstin Feig, Callum Hastie, Antoinette Laurent, Uwe Schröter Gasttrainingsleiter

Sylviane Bayard, Johnny Eliasen, Young Soon Hue, Monique Janotta, Sighilt Pahl, Louisa Rachedi, Christiana Stefanou Repetitoren

Eduardo Boechat, Christian Feiler, Christian Grifa Choreographen

George Balanchine, August Bournonville, Wun Sze Chan, Michael Foster, Marco Goecke, Natalia Horecna, So-Yeon Kim, Terence Kohler, Sol León, Paul Lightfoot, Sonny Locsin, Hans van Manen, Chidozie Nzerem, Boris Randzio, Jerome Robbins, Martin Schläpfer, Remus Şucheană, Antony Tudor Choreographische Einstudierung

Johnny Eliasen, John Gardner, Ben Huys, Igone de Jongh, Amanda McKerrow, Valentina Scaglia, Joysanne Sidimus, Bastien Zorzetto Bühnen- und Kostümbildner

Florian Etti, Louise Flanagan, Verena Hemmerlein, Natalia Horecna, Mario Ilsanker, Sol León, Paul Lightfoot, Darko Petrovic, Maja Ravn, Irene Sharaff, Michaela Springer, Saul Steinberg, Rouben Ter-Arutunian, Jean-Paul Vroom, Thomas Ziegler Licht

Tom Bevoort, Kévin Briard, Thomas Diek, Udo Haberland, Jan Hofstra, Franz-Xaver Schaffer, Jennifer Tipton, Volker Weinhart

Wen-Pin Chien, Axel Kober, Jean-Michaël Lavoie, Gerhard Michalski Gesangs- und Instrumentalsolisten

Patrick Francis Chestnut (Harmonium), Wolfgang Esch (Klarinette), Morenike Fadayomi (Sopran), Franziska Früh (Violine), Christian Grifa (Klavier), Timba Harris (Violine), David Jerusalem (Bass), Katarzyna Kuncio (Alt), Dragos Manza (Violine), Matan Porat (Klavier), Gyan Riley (Gitarre), Nicole Schrumpf (Klarinette), Dagmar Thelen (Klavier), Dmitri Vargin (Bariton), Corby Welch (Tenor), Wolfgang Wiechert (Klavier) Chor

Chor der Deutschen Oper am Rhein Orchester

Düsseldorfer Symphoniker Duisburger Philharmoniker Ballettschule des Balletts am Rhein Direktion

Spielzeit 2016/17 Herausgeber

Deutsche Oper am Rhein Theatergemeinschaft Düsseldorf Duisburg gGmbH Generalintendant

Prof. Christoph Meyer

Geschäftsführende Direktorin

Alexandra Stampler-Brown Chefchoreograph und Künstlerischer Direktor

Martin Schläpfer Ballettdirektor

Remus Şucheană Redaktion

Anne do Paço (verantwortlich), Caecilia Brenninkmeyer, Daniela Matys (Mitarbeit) Anzeigenbetreuung

actori GmbH, Stefani Schmoll Corporate Design und Gestaltung

Markwald Neusitzer Identity www.mnidentity.de Lithographie und Druck

Griebsch & Rochol Druck GmbH Redaktionsschluss

4. Oktober 2016 — Änderungen vorbehalten! Alle Texte sind Originalbeiträge für dieses Magazin. Nachdruck nur nach vorheriger Einwilligung. Alle Rechte vorbehalten. Urheber, die nicht zu erreichen waren, werden zwecks nachträglicher Rechtsabgleichung um Nachricht gebeten. Umschlag: Two Gold Variations – Hans van Manen Marlúcia do Amaral, Alexandre Simões (außen) workwithinwork – William Forsythe Odsuren Dagva, Yuko Kato (innen vorne) Fotos: Gert Weigelt

Remus Şucheană Pädagogen

Young Soon Hue, Carlos Sampaio, Remus Şucheană, Eva Zamazalová Repetitoren

Eduardo Boechat, Christian Feiler, Christian Grifa, Yuko Moriya, Igor Tetelbaum

Fotograf

Gert Weigelt

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Kulturpartner



#ballettamrhein

ballettamrhein.de

Sponsor Deutsche Oper am Rhein & Ballett am Rhein


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