Das prächtige Rathaus der Stadt Augsburg

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Salomon Kleiners Originalzeichnungen

aus den Jahren 1727/28 in der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg für die Edition der Kupferstichfolge des Augsburger Rathauses

Das prächtige Rathaus der Stadt Augsburg

Wir danken der Ernst von Siemens Kunststiftung, der Dr. Eugen Liedl Stiftung und der Stiftung Augsburger Wissenschaftsförderung für die großzügige Unterstützung bei der Finanzierung dieser Publikation.

Vorwort

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Das prächtige Rathaus der Stadt Augsburg rechte Seiten Originalzeichnungen, Staats- und Stadtbibliothek Augsburg, Graph 23/1 gegenüber jeweils Stichfolge, Staats- und Stadtbibliothek Augsburg, Graph 23/1c

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Salomon Kleiners Originalzeichnungen aus den Jahren 1727/28 in der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg für die Edition der Kupferstichfolge des Augsburger Rathauses – Einführung

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Die Zeichnungen und ihre Beschriftungen

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Inhalt
Quellenverzeichnis 51 Literaturverzeichnis

Vorwort

Augsburg entwickelte sich bereits kurz nach Beginn der Erfindung des Drucks mit beweglichen Lettern durch Johannes Gutenberg (Mainz um 1397–1468 Mainz) um 1454/55 zu einer der wichtigsten europäischen Druckermetropolen. Das erste gedruckte Augsburger Buch erscheint hier bei Günther Zainer (Reutlingen um 1430–1478 Augsburg) am 12.März 1468. Schon früh Zentrum für den Druck deutschsprachiger und religiöser Erbauungsliteratur im Heiligen Römischen Reich, blüht hier in der freien Reichsstadt am Lech bald die Herstellung gedruckter Flugblätter, Porträts, Andachtsbilder, Buchillustrationen und Kalender.

Spätestens mit dem Zuzug des aus Antwerpen stammenden Dominicus Custos (Antwerpen 1560–1616/17 Augsburg) und seinen bei ihm ausgebildeten Stiefsöhnen Lucas Kilian (Augsburg 1579–1637 Augsburg) und Wolfgang Kilian (Augsburg 1581–1663 Augsburg) mutiert Augsburg zur »Bilderfabrik Europas« (John Roger Paas). Für den Großteil des Kontinents werden Grafiken in der Technik des Kupferstichs in Augsburg gedruckt: Thesenblätter, Guckkastenblätter, Anamorphosen, topografische Ansichten. Ab dem Ende des 17. Jahrhunderts ist Augsburg europäisches Zentrum der Mezzotinto-Produktion, der Schabkunst, einer Kupferstich-Technik, die für die Wiedergabe großer Gemälde und ihrer feinen Schattierungen besonders geeignet ist.

In diese pulsierende Buch- und Druckgrafikmetropole wird am 4. März

1700 Salomon Kleiner geboren, der international bekannteste Augsburger Grafiker, der, vor allem durch seine Wiener Veduten, bis heute im kollektiven Gedächtnis fest verankert ist. Beim Augsburger Kupferstecher und Radierer Johann August Corvinus (Leipzig 1683–1738 Augsburg) in seiner Heimatstadt ausgebildet, ist Kleiner seit 1720/21 zwar in Wien, bleibt aber dem Augsburger Kunstmarkt zeitlebens verbunden. Seine berühmten Veduten von Klöstern, Kirchen, Profanbauten, Straßen und Plätzen Wiens fertigt er im Auftrag der Augsburger Kunstverleger Johann Andreas Pfeffel (Bischoffingen 1674–1748 Augsburg) und Jeremias Wolff (Augsburg 1663–1724 Augsburg) bzw. dessen Erben. Sie werden zwischen 1724 und 1737 hier in Augsburg herausgegeben.

Weniger berühmt ist die bedeutende, für ein internationales Publikum gedachte, mit deutschen und französischen Legenden beschriftete Stichfolge zum Augsburger Rathaus. 1732 bei Jeremias Wolffs Erben gedruckt, ist im darauf folgenden Jahr bereits eine zweite Auflage erschienen. Die Druckplatten zu diesem durch und durch Augsburger Projekt, gestochen von Johann Georg Pintz (auch Pinz oder Penz; Nürnberg 1697–1767/68 Augsburg), werden in der Grafischen Sammlung der Kunstsammlungen &

Museen Augsburg aufbewahrt. Die gezeichneten Vorlagen hierfür sind der Forschung zu Salomon Kleiner nahezu unbekannt geblieben. Eine Durchsicht der Grafischen Sammlung der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg im Zuge der für die Sanierungs- und Erweiterungsmaßnahme der Bibliothek notwendigen zeitweisen Auslagerung der Bestände brachte diese nun wieder ans Licht. Diese Entdeckung und weitere bisher nicht oder ungenügend bekannte Schätze unserer Bibliothek ermutigten die Staats- und Stadtbibliothek Augsburg dazu, neben der Reihe Cimeliensaal für Ausstellungskataloge und der Reihe Forum Staats- und Stadtbibliothek Augsburg

für wissenschaftliche Aufsätze zu Beständen der Bibliothek eine dritte Reihe, Schatzkiste. Preziosen der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg, ins Leben zu rufen, um bedeutende Bestände aus dem Hause nach wissenschaftlichen Standards in allgemein verständlichen Publikationen einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Als erster Band erscheinen nun in bibliophiler Aufmachung im Originalformat die Zeichnungen Salomon Kleiners zum Augsburger Rathausprojekt, gerade rechtzeitig zum 450. Geburtsjubiläum des Erbauers des Rathauses, Elias Holl (Augsburg 1573–1646 Augsburg), für das die Kunstsammlungen & Museen Augsburg 2023 eine größere Ausstellung planen.

Dass diese Publikation entstehen konnte, verdanken wir vielen. Zuerst bedanken darf ich mich bei den Förderern, ohne die dieses Buch nicht möglich gewesen wäre: Der Ernst von Siemens Kunststiftung mit ihrem Generalsekretär Dr. Martin Hoernes, die den größten Anteil der Fördermittel beigetragen hat, ferner der Dr. Eugen Liedl Stiftung mit ihrem Vorstand Prof. Dr Hans Frei und der Stiftung Augsburger Wissenschaftsförderung und ihrem Vorstand Volkmar Kuhne. Sie ermöglichen die Veröffentlichung eines der schönsten Zeugnisse des bürgerlichen Selbstverständnisses und Stolzes der Stadt Augsburg. Dank gebührt aber auch allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unseres Hauses, ohne die eine solche Publikation nicht machbar ist. Zuerst darf ich für ihre Mithilfe Dipl.-Bibl. Wolfgang Mayer und Dipl.-Bibl. Ursula Korber mit Manuela Baur und Michael Saur danken, ganz besonders aber Dipl.-Bibl. Uta Wolf für die wie immer vorbildliche Redaktion und die Layoutvorarbeiten. Besonders zu danken gilt es dem Studio für Fotografie Andreas Brücklmair für die hervorragenden Aufnahmen und den Kunstsammlungen & Museen Augsburg, hier Direktor Dr. Christof Trepesch sowie seinen wissenschaftlichen Mitarbeitern Dr. Christoph Nicht und Sarah Klein M.A. für die Bereitstellung und Ermöglichung der Abbildung einer Kupferplatte der Stichfolge, vor allem aber für die Übermittlung und Publikationsgenehmigung von Fotos der erhaltenen, auf den Zeichnungen von Salomon Kleiner dargestellten Gemälden aus dem Augsburger Rathaus, die so direkt mit diesen verglichen werden können.

Ganz besonderer Dank gilt auch Dr. Katja Richter, Editorial Director des Deutschen Kunstverlags | De Gruyter – Arts, mit Luzie Diekmann und Kerstin Protz, dann Edgar Endl vom booklab München für ihr außergewöhnliches Engagement für diese schöne, ungewöhnliche und wertvolle Buchpublikation, die nicht nur Augsburger Herzen höherschlagen lassen

wird. Dr. Karl-Georg Pfändtner Leiter der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg
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Abb. 1: Das 1723 bei Johann Jacob Lotter gedruckte Büchlein Curia Augustanæ Reipublicæ, Das ist: Ausführliche Beschreib= und Auslegung Aller Kunstreichen Gemähld / Stück und Tafeln / Welche In dem An. 1620. Neu=erbauten Hochansehnlichen Rathhauß Der weit=berühmten Kayserlichen Reichs=Stadt Augspurg zu sehen., Staats- und Stadtbibliothek Augsburg, 4 Aug 238 -1723

Die Zeichnungen und ihre Beschriftungen

Blatt Ir

Prospect des [ergänzt: schönen] Rath= Hauses zu Augspurg. / Vüe du Superbe Hotel dela Ville d’ Augsbourg.

Ansicht des Augsburger Rathauses mit St. Peter und dem Perlachturm sowie dem Augustusbrunnen. Im Vordergrund erkennt man rechts neben dem Rathaus die Herrentrinkstube, daneben das reich freskierte Haus der Kaufleutestube mit den Fresken der sieben freien Künste von Johann Georg

Blatt IIr

Zweÿ Profille des schönen Rath=Hausses zu Augstburg, daran man die eigentliche Disposition nach dem verjüngten Maass=Stab ausnehmen kan. / Deux Profils de l’Hotel dela Ville d’ Augsbourg par les quels on en peut Savoir par ce moyen del’ Echelle la Disposition. Profil nach der Länge, da die vordere Facciade weggebroche[n] wäre. / Profil en long com[m]e si la façade de devant étoit abattüè. – Profil nach der Breiten, ›als‹ wan[n] das Gebäude in der mitten durchgschnitten wäre. / Profil en large com[m]e si l’ Edifice au milieu ètoit coupé.

Blatt IIIr

Grund=Risse von dreÿen Etagen des Rath=Hausses zu Augspurg. / [kein französischer Text]

Die Grundrisse der drei Hauptetagen des Rathauses von links nach rechts: Der Untere Fletz mit Nebenräumen; der Obere Fletz mit Vorzimmer und Steuerstube, der Gerichtsstube, des Pflegamtes, der Baustube und der Ratsstube; die obere Etage mit dem Goldenen Saal und den Fürstenzimmern, jeweils mit Angaben zu den Säulen- und Pfeilerstärken.

Bergmüller (Türkheim 1688–1762 Augsburg).1 Neben den verschiedenen Läden und Geschäften sind Passanten, Kutschen und auch ein Lastenschlitten zu sehen.

Signiert und datiert: Salomon Kleiner Ingenieur Elect: Moguntinensis delin: A: 1728.

Bildmaße ohne Rahmen: 21,3 × 37,7 cm

Zwei Schnitte durch das Augsburger Rathaus. Links der Schnitt von vorne, rechts von der Seite. Die angeschnittenen Mauern sind, wie damals üblich für Architekturzeichnungen, rosa aquarelliert. Unten auch ein Maßstab in historischer Einheit Schuh.

Signiert: Sal. Kleiner Ingen: Elect: Mogunt. delin.

Bildmaße ohne Rahmen: 21,0 × 37,7 cm

Blatt IVr

Das untere Pfletschz. [ergänzt: oder Saal.] / Le Salon inferieur. Darstellung des Unteren Fletzes mit Kanonen und Wachen. Links und rechts erkennt man die Waffenkammern mit Waffen an den Wänden. An den Wänden des Unteren Fletzes die Bronze-Büsten römischer Kaiser von Wolfgang Neidhart (Ulm 1575–1632 Augsburg). Links von vorne nach hinten: Julius Caesar, Tiberius, im Medaillon Hadrian, anschließend Claudius; rechts von vorne nach hinten: Augustus, Caligula, im Medaillon Septimus Severus, gefolgt von Nero.

Signiert und datiert: Sal. Kleiner Ingen: El: Moguntinensis delineavit. 1727.

Bildmaße ohne Rahmen: 21,5 × 38,2 cm

Signiert und datiert: Salom: Kleiner Ing: El: Mogunt: del: A. 1728. Bildmaße ohne Rahmen: 20,6 × 38,0 cm

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Blatt Vr

Das obere Pfletschz. [ergänzt: oder Saal.] / Le Salon Superieur. Ansicht des Oberen Fletzes mit den dort hängenden vier 1620, 1621 und 1623 gefertigten Gemälden des Johann Freyberger (Wolfsberg in Kärnten 1571–1631/32 Augsburg). Links vorne: das Ratswesen (eine Sitzung der neun Archonten von Athen);2 links hinten erkennbar am Turm: das Bauwesen (König Hieron II. von Syrakus und sein Berater Archimedes);3 rechts

vorne das Gerichtswesen (Gerichtssitzung des Areopag in Athen);4 rechts hinten zu erahnen: das Steuerwesen mit seinen positiven und negativen Erscheinungsformen, dargestellt durch Concordia (Eintracht) und Discordia (Zwietracht).5

Signiert und datiert: Salom: Kleiner Ingen: Elect. Mogunt: delineavit. A. 1727. Bildmaße ohne Rahmen: 13,2 × 38,7 cm

Blatt VIr

Die Raths=Stuben. / L’ Apartement du Conseil. Ansicht der Ratsstube mit einer Sitzung von Stadtpflegern und Rat. An der linken Wand erkennt man das große, nach 1926 verschollene Gemälde von Johann Matthias Kager (München 1575–1634 Augsburg): Die Königin Isebel, die Frau des israelitischen Königs Ahab, die ihn vom rechten Glauben abbrachte und ihn dazu verführte, die phönizischen Götter zu verehren, wird auf dem Feld in der Flur Jesreels von Hunden gefressen (2 Kön 9,10

und 33–37).6 Von Johann Matthias Kager und Werkstatt stammen auch die kleineren, erhaltenen Gemälde mit den Büsten von Gesetzgebern: von links nach rechts: Lykurg (Sparta), Numa (Rom), Christus (Christentum), Mose (Judentum), Solon (Athen), Minos (Kreta).7 An der Wand hängt ein Augsburger Ratskalender des Jahres 1727.

Signiert und datiert: Salomon Kleiner Ing: Elect: Moguntinensis delin: A: 1727: Bildmaße ohne Rahmen: 21,2 × 38,2 cm

Das Ratswesen Das Gerichtswesen Das Bauwesen Das Steuerwesen Lykurg Christus Augsburger Ratskalender von 1727
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Solon Numa Mose Minos

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