Maschinenraum der Götter

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MASCHINENRAUM DER GÖTTER. WIE UNSERE ZUKUNFT ERFUNDEN WURDE

Inhalt 8 Grußwort Karin Wolff 9 Vorwort Philipp Demandt 14 Wie unsere Zukunft erfunden wurde. Eine Einführung in die Frankfurter Ausstellung Maschinenraum der Götter Vinzenz Brinkmann 24 ÄGYPTEN UND MESOPOTAMIEN 30 Das gelehrte Ägypten – ein kurzer Überblick Vinzenz Brinkmann 34 Die Anfänge der Astronomie in Mesopotamien Lis Brack-Bernsen 42 Wissenschaft und Technik im Mythos Mesopotamiens Shiyanthi Thavapalan 48 DIE GRIECHISCHEN MYTHEN 62 Das Imaginieren von Automaten in der Antike – mythische Vordenker Adrienne Mayor 76 Liebe macht erfinderisch – die Wandmalereien in der Casa dei Vettii in Pompeji Jakob Salzmann 82 GRIECHENLAND UND ROM 90 Astrophysik und Polytheismus bei Aristoteles Oliver Primavesi 108 Die Automaten der griechischen und römischen Antike Vinzenz Brinkmann 122 Neros Cenatio Rotunda Françoise Villedieu

134 Über oxos, evros und pharmaka metallica: Das Verständnis von Biotechnologie und Pharmazie im antiken Griechenland (5.– 3. Jahrhundert v. Chr.)

Effie Photos-Jones

142 SPHAIRA

146 Sphaira. Die Welt als Kugel

Vinzenz Brinkmann

156 Eine Statue der Jagdgöttin als statisches Planetarium?

Vinzenz Brinkmann, Ulrike Koch-Brinkmann

168 DER MECHANISMUS VON ANTIKYTHERA

174 Der erstaunliche Mechanismus von Antikythera – die Entschlüsselung der Geheimnisse einer antiken griechischen Rechenmaschine

Tony Freeth

202 ARABISCH-ISLAMISCHER KULTURRAUM UND ASIEN

214 Das goldene Zeitalter der Wissenschaften in der Blütezeit des Islam einschließlich der timuridischen Renaissance – eine kurze Einführung

Vinzenz Brinkmann

220 Die Übertragung des griechischen Erbes ins Arabische und die Entwicklung einer arabischen Wissenschaftssprache

Roshdi Rashed

230 Automaten in der islamischen Welt (8.–13. Jahrhundert)

Martina Müller-Wiener

242 Das Wissen im alten Asien – ein knapper Einblick

Vinzenz Brinkmann

246 EUROPÄISCHE NEUZEIT

252 Die Vermessung der Welt während der europäischen Neuzeit in ihrer Abhängigkeit von der Antike und vom arabisch-islamischen Kulturraum – ein knapper Exkurs

Vinzenz Brinkmann

266 Werkliste 284 Bibliografie 294 Abbildungsverweis 295 Impressum

Marmorstatue der Göttin Athena, römische Wiederholung nach einem griechischen Bronzeoriginal des Bildhauers Myron, Marmor, 1. Jh. n. Chr. Athena war die Göttin

der Künste und der Wissenschaft und verkörpert somit unmittelbar den griechischen Begriff techne, der Kunst und Technologie gleichermaßen bezeichnet. (Kat. 029)

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Eine Einführung in die Frankfurter

Ausstellung Maschinenraum der Götter

Es gibt offensichtlich einiges nachzuholen. Die Bedeutung von Naturwissenschaften (exact sciences) und Technologie (engineering) für die Kunst war den Menschen offensichtlich zu allen Zeiten bewusst, außer … im 20. Jahrhundert. Bis in die letzten Jahre des 19. Jahrhunderts wurden bahnbrechende Publikationen zur Geschichte der Naturwissenschaften und ihrer Bedeutung für die Kunst vorgelegt. Niemand störte sich an der Engführung von Technik und Ästhetik, die beispielsweise im antiken Orient, im antiken Griechenland und im goldenen Zeitalter des Islam als selbstverständlich galt. Das griechische Wort techne und das arabische Wort ṣināʿa stehen sich nahe und vereinen beide Aspekte nahtlos.

Im 20. Jahrhundert wurde die immer als Einheit verstandene techne irrtümlich aufgespalten. Diesen Graben gilt es nun wieder zu schließen, um der Kunst und ihrer Geschichte gerecht zu werden.

Der deutsche Kunsthistoriker Horst Bredekamp hat nicht als einziger, jedoch bereits vor 40 Jahren, diesen Weg der Versöhnung im Kontext einer Aktivität der Liebieghaus Skulpturensammlung gefordert.1 2012 verleiht er seiner Überzeugung Nachdruck: „In Bezug auf die Technikgeschichte gilt dasselbe wie für die Kunstgeschichte: In der Isolierung müssen die Disziplinen ihre Konturen schärfen, aber wenn sie in ihr verbleiben, werden sie verkümmern wie in Einzelhaft.“ 2

Während die Überlegungen Bredekamps, die einen Befreiungsschlag markieren, auf die europäische Neuzeit und hier insbesondere auf den Aspekt der Kunstkammer beschränkt bleiben, spannt das Frankfurter Ausstellungsprojekt Maschinenraum der Götter einen größeren Bogen und ist sich bewusst, dass dieser umfassende Blick aufgrund der notwendigen Kürze nicht ohne Auslassungen und Vereinfachungen stattfinden kann.

Unter dem Titel „Aristoteles, Lehrer des Abendlandes“ erschien vor wenigen Jahren beim Münchner Beck Verlag eine wichtige Publikation über Leben und Wirken des griechischen Philosophen und Naturwissenschaftlers.3 Der Untertitel „Lehrer des Abendlandes“ ist pathetisch und beschneidet die globale Bedeutung des Aristoteles, einer Persönlichkeit, die durch das Denken und Forschen des antiken Orients geprägt worden war und die ihrerseits über Jahrhunderte insbesondere in den arabischen und persischen Raum hinein außerordentlich stark vor allem als Naturwissenschaftler gewirkt hat. Im eher wissenschaftsfeind-

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Wie unsere Zukunft erfunden wurde.

Figur des Ptah-SokarOsiris mit reicher Bemalung, Holz, Ägypten, Spätzeit. Die Statue zeigt eine Verschmelzung des Schöpfergottes Ptah mit dem memphiti-

schen Nekropolengott Sokar und dem Jenseitsherrscher Osiris. (Kat. 008)

Sargdeckel der AmunPriesterin Takait, Holz mit Stuck und Farbe, Ägypten 13. Jh. v. Chr. Mittig ist die geflügelte Göttin Nut dargestellt. Sie bittet um ewiges Leben und die

Aufnahme unter den Sternen. Das in einem komplexen chemischen Prozess gewonnene künstliche Pigment „Ägyptisch Blau“ bildet die dominante Farbe. (Kat. 013)

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Vinzenz Brinkmann

lichen christlichen Westen ist die aufklärerische und naturwissenschaftliche Seite des Aristoteles beschnitten worden, ja noch im 13. Jahrhundert wurden Professoren der Pariser Sorbonne, die diese Seite des Aristoteles gelehrt hatten, verurteilt und exkommuniziert („Pariser Verurteilungen“).4

Der Fall Aristoteles macht nachdenklich und lässt womöglich die These als attraktiv erscheinen, dass die intellektuellen Errungenschaften des antiken Griechenlands weniger als ein „europäisches Erbe“, denn als ein Teil der orientalischen Welt und als ein „globales Erbe“ zu verstehen sind, auf deren Fundamenten diese entstanden war und die nach dem Untergang der antiken griechischen Welt in der arabisch-islamischen Forschung absorbiert und mit Macht fortgeführt wurden.

Der Maschinenraum der Götter in der Frankfurter Liebieghaus Skulpturensammlung

Die Frankfurter Ausstellung bettet die Beschäftigung mit ihren drei Aspekten, also a) der fiktiven Technologie in der antiken Mythologie, b) der internationalen Wissenschaftsgeschichte über fünf Jahrtausende hinweg und c) der mechanischen Animation in der antiken, islamischen und europäischen Kunst in die bestehende Sammlung des Liebieghauses ein, die ja ebenfalls eine fünftausendjährige Geschichte abdeckt, und profitiert von den sich ganz zwangsläufig ergebenden Dialogen.

Eine Frankfurter polychrome Statuette zeigt Ptah (Abb. 3), den memphitischen Schöpfergott und Vorläufer des Hephaistos bzw. des Vulcanus; die berühmten Sarkophagdeckel der Takait (Abb. 4) andererseits weisen reiche Reste an „Ägyptisch Blau“ auf, einem außerordentlich erfolgreichen synthetischen Produkt der ägyptischen chemischen Forschung.

Die berühmte römische Marmorkopie der Athena aus der Hand des Bronzebildhauers Myron, der neben seinen formalen Leistungen auch für die Entwicklung einer speziellen Legierung berühmt war, zeigt die Göttin, die wie keine andere Persönlichkeit in der griechischen Mythologie für Aufklärung, Forschung, Kunst und Technologie stand, in einem Augenblick, als sie den Diaulos, ein musiktechnologisch komplexes doppeltes Blattrohrinstrument, das sie selbst entworfen hatte, fortwirft (Abb. 2).

Das Liebieghaus beherbergt das einzige erhaltene großformatige Porträt Alexanders des Großen, das in einer griechischen Werkstatt entstanden ist (Abb. 5). Es stammt aus Ägypten, ist aus lokalem Alabaster gearbeitet und zeigt eine Persönlichkeit, die in ihrem Machtstreben allgemein von Wissenschaft und im Besonderen von ihrem Lehrer Aristoteles profitierte. In diesem Geiste wurde bald nach der Beisetzung Alexanders in der von ihm gegründeten Stadt Alexandria die epochemachende Forschungsanstalt „Bibliothek von Alexandria“ gegründet. Übrigens dringt die historische Figur Alexanders des Großen als eine positive

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narrative Referenz in das kollektive Gedächtnis des westlichen wie des östlichen Kulturraums (arab.: al-Iskandar al-kebir, türk.: Büyük İskender) ein.

Wie der deutsche Papst Benedikt XVI ., ein ausgewiesener Religionsforscher, wohl treffend beschreibt, war der junge christliche Glaube genährt von den ethischen Überzeugungen der griechischen Denker. So sehen sich die – zuweilen mit den vorchristlichen Philosophen und Intellektuellen vertrauten – großen Kirchenväter, von denen das Liebieghaus eindrucksvolle spätmittelalterliche „Porträts“ besitzt (Abb. 6), vor einem tiefen Zerwürfnis. Augustinus von Hippo (353–430 n. Chr.) beispielsweise, der vor seinem Glaubenswandel den Schriften des römischen Rechtsgelehrten und Historikers Cicero (106–43 v. Chr.) und des römischen Neuplatonikers Plotin (205–270 n. Chr.) zugewandt war, bemühte sich um einen Wahrheits- und einen Zeitbegriff und äußerte sich als ausgeprägter Antijudaist und Antisemit (Tractatus adversus Judaeos), nannte Juden in seinen Schriften „Sünder“ oder „aufgerührten Schmutz“, forderte eine körperfeindliche Sexualethik und endlose Strafe in der Hölle, legte so die Grundlagen für die „Erbsündenlehre“ und „Fegefeuerlehre“.

In der Liebieghaus Skulpturensammlung des europäischen Mittelalters findet sich schließlich das spektakuläre Marmorporträt Friedrich II . des Staufers (Abb. 225, S. 252). Sein Bemühen, sich der arabischen Welt in Sprache und Forschung anzunähern, veranschaulicht das kulturelle und intellektuelle Gefälle zwischen der Spätzeit des „goldenen Zeitalters“ im arabisch-islamischen Raum und dem sich dem freien Denken über Jahrhunderte verschließenden Europa.

Mit der Schwächung des byzantinischen Weltreichs und des arabischen Andalusiens dringt das Wissen der Antike und des Islam vermehrt in den christlichen Westen ein. Die italienische Renaissance sucht im 15. Jahrhundert einen unmittelbaren Anschluss an die griechische Antike. So legt der Bildhauer Pier Jacopo Alari Bonacolsi, genannt Antico (1460–1528), in der Form einer Bronzestatuette, die sich im Frankfurter Liebieghaus befindet, seine Sicht auf das antike Bild des Gottes Apollon vor (Abb. 7).

Anticos Zeitgenosse Leonardo da Vinci (1452–1519) war allein als Maler ausgebildet, bemühte sich trotzdem um eine Art „Reenactment“ des Universalgelehrten, wie wir ihm in der Antike und im Islam begegnen. Bedenkt man also, dass es Leonardo um die äußere Erscheinung ging, wird verständlich, dass viele seiner „technischen Zeichnungen“, denen er ja auch keine erklärenden Texte beigegeben hat, nicht umsetzbar sind. Vielmehr sind diese Bilder als konzeptuelle Entwürfe zu werten, die weit über das Machbare seiner Zeit hinausweisen. Es hat zuweilen den Anschein, als ob er in der Zeit seiner eigenen Lebensspanne das ganze naturwissenschaftliche Wissen der Antike und des Islam für sich ganz persönlich und für das zurückgefallene Europa als Ganzes nachholen und hierfür weitere praktische, im Einzelfall visionäre, Anwendungen entwickeln wollte. So

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Vinzenz Brinkmann

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Porträt von Alexander dem Großen, ägyptischer Alabaster, Ägypten 150–50 v. Chr. Als Kind war Alexander vielleicht von Aristoteles, dem wichtigsten griechischen Universal gelehrten, unterrichtet worden.

Alexander schuf ein Großreich, das sich vom Indus bis an die Adriaküste erstreckte. Dies gelang auch durch die Bereitschaft, die zahlreichen Kulturen des Reichsgebietes einzubinden.

(Kat. 031)

Porträt des Augustinus von Hippo (354–430 n. Chr.), Lindenholz, Worms 1489–1496. Augustinus war einer der vier großen Kirchenväter des westlichen Christentums. Seine Schriften, die

von der Suche nach Wahrheit, aber auch von der Erbsünde berichten und eine antisemitische Haltung belegen, sollten den Gläubigen als Leitfaden dienen.

(Kat. 072)

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Wie unsere Zukunft erfunden wurde

Apoll vom Belvedere, Pier Jacopo Alari Bonacolsi, Italien

1497–1498, H. 41,3 cm, B. 22 cm, Frankfurt am Main, Liebieghaus Skulpturensammlung,

Inv. 1286. Diese Bronzestatuette – teilvergoldet und mit Silbereinlagen in den Augen versehen – ist (zusammen mit weiteren Versionen) nach dem

Vorbild einer antiken Marmorskulptur, dem berühmten Apoll aus dem vatikanischen Belvedere, angefertigt worden.

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Vinzenz Brinkmann

ist in seinen Tagebüchern die technische Zeichnung eines sich selbst bewegenden Wagens erhalten,5 der als eine vereinfachte Variante des antiken selbstfahrenden Theaters des Heron von Alexandria, das ja sogar automatisch wechselnde, um 90 Grad versetzte Achsen vorsah, gelten mag. Vor wenigen Jahren gelang der Liebieghaus Skulpturensammlung der spektakuläre Ankauf einer Porträtbüste des Universalgelehrten Jean-Jacques Rousseau (1712–1778), die vom Pariser Bildhauer Jean-Antoine Houdon (1741–1818) gefertigt worden war (Abb. 8). Rousseau hatte in der Tradition der antiken griechischen Philosophie die Rolle des Menschen in der Gemeinschaft beleuchtet und gilt heute als ein Wegbereiter der Französischen Revolution, die dem rationalen naturwissenschaftlichen Verständnis der Welt im Sinne der Antike, des „Hauses der Weisheit“ in Bagdad als Beispiel für das Goldene Zeitalter des Islam und der italienischen Renaissance einen neuen Handlungsraum eröffnet hat.

Die aktuellen Aktivitäten

Die Ausstellung Maschinenraum der Götter. Wie unsere Zukunft erfunden wurde profitiert – dank der Bereitschaft zahlreicher Kollegen und Künstler zur Zusammenarbeit – außerordentlich von den neuesten wissenschaftlichen und künstlerischen Leistungen im Bereich der Wissenschaftsgeschichte. Nur so ist es zu verstehen, dass in Frankfurt die spektakulären Ergebnisse der französischen Grabungen an der Domus Aurea, also der extravaganten römischen Palastanlage des Nero mit seinem großen und luxuriösen Bankettsaal, der durch einen wiederentdeckten gewaltigen Mechanismus wie eine Art Drehbühne unter einem künstlichen Sternenhimmel angetrieben wurde, gezeigt werden können. Oder dass die mechanischen Wunderwerke, die vom griechischen Autor Heron detailliert beschrieben wurden, in der Ausstellung zu neuem Leben erweckt werden. Hierzu zählt das vollautomatische Theater, das einen tragischen Sagenstoff in mehreren Aufzügen mit Licht- und Geräuscheffekten vorführt oder das düsengetriebene Figurenkarussell, das offensichtlich mit filmähnlichen visuellen Effekten arbeitet. Zwei außerordentlich detailreich gearbeitete Bronzestatuen eines Kindes, das ein Rebhuhn jagt, können so versuchsweise als Elemente eines solchen kinematografischen Wunderrades rekonstruiert werden.

Als Weltpremiere darf der Beitrag zum Mechanismus von Antikythera gewertet werden; er wurde von Tony Freeth selbst kuratiert und ihm sind drei eigene Räume gewidmet. Die Erforschung des hochkomplexen Apparats machte in den letzten Jahren enorme Fortschritte, daher kann das jetzt erreichte annähernd vollständige Verständnis in Frankfurt zum ersten Mal auf der Basis einer aufwendigen medialen Vermittlung nachvollzogen werden.

Dank der enormen Leistungen des Frankfurter Forschungsinstituts zur Geschichte der arabisch-islamischen Wissenschaften unter der Leitung Fuat Sezgins können im Liebieghaus verschiedene Modelle und Nachbauten der wis-

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Wie unsere Zukunft erfunden wurde

Bronzebüste des JeanJacques Rousseau, Jean-Antoine Houdon, Frankreich 1780. Der Gelehrte Rousseau (1712–1778) sah den von ihm diagnosti-

zierten Niedergang der Menschheit im zivilisatorischen und technischen „Fortschritt“ begründet. (Kat. 083)

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Vinzenz Brinkmann

senschaftlichen Instrumente gezeigt werden, die die fabelhaften Fortschritte der Forschungsarbeiten im goldenen Zeitalter des Islam veranschaulichen. Diese Errungenschaften werden in den Räumen des Liebieghauses gezeigt, in denen Skulpturen des europäischen Mittelalters aufgestellt sind, um einen Dialog zwischen der eher wissenschaftsfeindlichen christlichen und der eher wissenschaftsaffinen islamischen Welt zu evozieren.

Eine weitere Premiere stellt die Arbeit von Jeff Koons mit Titel Apollo Kithara dar, die zum einen ganz bewusst einzelne Aspekte der Forschungsarbeiten der Liebieghaus Skulpturensammlung zur antiken Statuenpolychromie aufgreift, zum anderen aber auch eine zeitgenössische Antwort bietet auf die Sehnsucht der Antike und des Islam, der Skulptur durch roboterhafte Bewegung Leben einzuhauchen. Auch zu diesem letzten Aspekt hat zwischen Koons und dem Forschungsteam des Liebieghauses ein Austausch stattgefunden.

Das Narrativ und die vom Atelier Markgraph realisierte Ausstellungsgrafik

Vor dem Hintergrund der oben beschriebenen Matrix treten die wichtigsten Elemente des Ausstellungskonzepts in Erscheinung: Leihgaben aus Frankfurt, Deutschland, Italien, Frankreich, Griechenland, USA usw., die die Substanz des Erzählstrangs darstellen.

Aber erst ein dichtes Gewebe aus Grafik und medialen Komponenten, das durch das Frankfurter Atelier Markgraph entwickelt wurde, verbindet die isolierten Stränge, klärt die Abhängigkeiten und schärft den Blick für die in der Ausstellung entwickelten Thesen.

1 Bredekamp 1993 und Bredekamp 1982, S. 507–559. Bredekamp übergeht die Frage, inwiefern die europäische Renaissance und das europäische Barock die Schriften des Philon von Byzanz und Heron von Alexandria berücksichtigt. Nur so kann er einen Gegensatz zwischen statischer antiker Skulptur und

animierten Automaten konstruieren, der wohl in dieser Form nie existiert hat.

2 Bredekamp 2012, S. 104.

3 Flashar 2015.

4 Grabher 2015.

5 Codex Atlanticus fol. 812r (Mailand, Biblioteca Ambrosiana).

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Wie unsere Zukunft
erfunden wurde

ÄGYPTEN UND MESOPOTAMIEN

Der ägyptische Gelehrte Imhotep, Bronzefigur, um 600 v. Chr. Imhotep war hoher Beamter unter Pharao Djoser (reg. um 2592 – um 2566

v. Chr.) und Baumeister der Pyramidenanlagen von Sakkara. Seine wissenschaftlichen und technologischen Fähigkeiten wurden so hoch ein­

geschätzt, dass er in der ägyptischen Spätzeit vergöttlicht wurde. (Kat. 014)

26 9

Der ägyptische Gott Ptah, Bronzefigur, 722–650 v. Chr. Ptah war das ägyptische Äquivalent zum griechischen Gott Hephaistos. Zuerst war

er Stadtgott von Memphis (Ägypten); seine Verehrung breitete sich jedoch rasch weit über die Stadt hinaus aus. (Kat. 006)

27 10

Ägyptische Statuette des ibisköpfigen

Gottes Thot, Fayencefigur, 400–200 v. Chr. Thot war der Gott des Wissens und der Schreiber. Sein Planet

war der Mond, sein heiliges Tier war neben dem Pavian der Ibis. (Kat. 004)

28 11

Zweisprachige lexikalische Keilschrifttafel mit sumerischen und akkadischen Einträgen, spätes 1. Jt. v. Chr. Die Tontafel stammt aus der spätbabylonischen Zeit und belegt

die wissenschaftlichen Bemühungen, die zwischenzeitlich ausgestorbenen Sprachen Mesopotamiens zu dokumentieren. Der Text enthält in der linken Spalte die alten

sumerischen Begriffe und in der rechten Spalte die Entsprechungen im damals gesprochenen Akkadisch. (Kat. 003)

29 12

Turmbau zu Babel, Pieter Bruegel d. Ä., 1563, Öl auf Eichenholz, H. 114 cm, B. 155 cm, Wien, KHM -Museumsverband, Inv. 1026.

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Wissenschaft und Technik im Mythos Mesopotamiens

Shiyanthi Thavapalan

Schier unlösbare Denkaufgaben oder wie Helden entstehen

Sich etwas auszudenken und es dann auch umzusetzen sind Prozesse, die eng mit dem Erfahrungshintergrund der Beteiligten und ihrer Vorstellungskraft verknüpft sind. Eine der frühesten Betrachtungen zum Wesen des Erfindergeists und zur Bedeutung der Technologie stammt aus dem antiken Mesopotamien, und zwar aus dem sumerischen Mythos von Enmerkara und dem Herrn von Arata.1 Das Epos spielt in einer glorreichen und fernen Vergangenheit, zu einer Zeit, als die Geschichte selbst ihren Anfang nimmt: König Enmerkara baut die erste Stadt, Uruk. Sein ewiger Widersacher ist der namenlose Herr des gebirgigen Königreichs Arata, das irgendwo weit im Osten angesiedelt ist. Um die Gunst der Göttin Inanna zu gewinnen und die Überlegenheit ihrer jeweiligen Städte zu beweisen, fordern Enmerkara und der Herr von Arata sich gegenseitig immer wieder heraus, und zwar in Form von eigentlich unlösbaren Rätselaufgaben, etwa: Wie kann Enmerkara Getreide in grobmaschigen Netzen nach Arata transportieren oder ein Zepter aus einem nicht bekannten Material anfertigen? Wie kann er einen Hund in einer Farbe erscheinen lassen, die noch nie zuvor gesehen wurde? Der geschickte Held aus Uruk findet für jede Aufgabe eine Lösung und zeigt auf diese Weise, dass der Genius, der der Technik und der Handwerkskunst innewohnt, den Menschen nicht nur Lösungen für scheinbar unlösbare Szenarien anbietet, sondern sie auch befähigt, Dinge zu ersinnen, die in der Natur ohne Vorbild sind. Dieses Streben, etwas zu erfinden und zu erschaffen, das alles Existierende übertrifft, ist ein Motiv, das nicht nur in den Mythen immer wieder aufgegriffen wird, sondern sich auch in Inschriften babylonischer und assyrischer Könige späterer Epochen findet.

Wissen vor Ort: Pläne und ihre Umsetzung

Heute wissen wir, dass die Schrift in Mesopotamien entwickelt wurde, und von hier stammen auch die frühesten Werke über Pharmakologie, Astronomie, Chemie, Mathematik und Kartografie. Die Art und Weise allerdings, in der Gelehrsamkeit und praktische Überlieferung zusammenwirkten, ist keineswegs hinreichend erforscht. Wie wurde beispielsweise die Zikkurat (Tempelturm)

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DIE GRIECHISCHEN MYTHEN

Die Rückführung des Gottes Hephaistos in den Olymp, Darstellung auf einem antiken Gefäß aus der etruskischen Stadt Caere, 525 v. Chr. Hephaistos

ist mit verkrüppelten Füßen dargestellt. Diese unheilbaren Verletzungen zog er sich bei dem Sturz vom Olymp zu. (Kat. 018)

50 30

Die Rückführung des Gottes Hephaistos in den Olymp, Darstellung auf einem Athener Gefäß aus der Zeit um 450–400 v. Chr. In der Mitte sieht man

Hephaistos, der wegen seiner Verletzungen gestützt wird. (Kat. 019)

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Thetis empfängt in der Werkstatt des Hephaistos die neuen Waffen für Achill, Fresko aus der Casa IX , 1, 7 in Pompeji, 1. Jh. n. Chr. Hephaistos, Gott der Handwerker und der Schmiedekunst formt die Rüs­

tung aus Gold, dem göttlichen und unvergänglichen Material. Er trägt den Pileus, die charakteristische Kopfbedeckung der Handwerker. Zu seinen Füßen ist ein Gehilfe mit der Verzierung des Helms

beschäftigt. Im Kampf um Troja hatte Achill seine Waffen an Patroklos ausgeliehen. Hektor tötet Patroklos und behält die Rüstung des Achill. Thetis, die Mutter des Achill, gibt bei Hephaistos neue Waffen in Auftrag und

besucht die Werkstatt. Auf dem Gemälde sieht man am Rande des Schildes Tierkreiszeichen, wie sie bei Homer beschrieben werden. (Kat. 020)

52 32
53 33
Darstellung vom Tod des riesigen Roboters Talos, rotfiguriger Krater, gefertigt um 450–400 v. Chr. in Athen, Montesarchio, Museo Archeologico Nazionale del Sannio Caudino.

34

Römische Statue des Ikaros, Marmor, 1. Jh. n. Chr. Die Figur zeigt den Sohn des genialen mythischen Erfinders

Daidalos, der den von seinem Vater entwickelten Flugapparat

anlegt. Vater und Sohn können so der Gefangenschaft auf Kreta entfliehen, Ikaros kommt der Sonne jedoch zu nah und stürzt in den Tod. (Kat. 028)

54

35

Das minoische Labyrinth auf einer Silbermünze aus Knossos, 200–76 v. Chr. In dem von Daidalos entworfenen Labyrinth auf der griechischen Insel Kreta lebte der Minotauros, das Geschöpf

aus der Verbindung der Königin Pasiphae mit dem kretischen Stier. (Kat. 025)

36 Minos (?), der mythische König von Kreta, auf einer Silbermünze aus Knossos, 200–76 v. Chr. Minos beauftragte den genialen Daidalos, das Labyrinth zu bauen, um den zerstörerischen

Stiermenschen Minotauros darin einzusperren. In der Gefangenschaft wurden der Bestie Töchter und Söhne der Stadt Athen geopfert und zum Fraß vorgeworfen. (Kat. 025)

37

Prometheus formt den Menschen, römische Gemme, 1. Jh. v. Chr. Der sitzend dargestellte Prometheus fügt den rechten Arm an das menschliche Skelett an. Das Bild

verkörpert die Auffassung, dass der Mensch wie eine Maschine zusammengesetzt wird. (Kat. 022)

55

Darstellung des am Kaukasus gefesselten Prometheus, schwarzfigurige Schale, gefertigt um 560–550 v. Chr. in Sparta. Unter anderem dafür, dass

Prometheus den Menschen das Feuer brachte, wurde er von Zeus bestraft. Die Strafe sah vor, dass er an einen Berg gefesselt wurde und ein Adler täglich

vorbeikam, um von seiner stets nachwachsenden Leber zu fressen. (Kat. 023)

56 38

Römische Statue des Titanen Prometheus, der vom Schmiedegott Hephaistos an die Felsen des Kaukasus gekettet wurde, Marmor, frühes 2. Jh. n. Chr. Die Gesichts­

züge berichten von großen Schmerzen und die ungepflegten Haare bezeugen, dass er sich schon geraume Zeit in dieser misslichen Lage befindet.

(Kat. 024)

57 39

Römische Statue des Ixion, der wegen seiner Vergehen vom Schmiedegott Hephaistos an ein radförmiges Raumschiff montiert

wird und auf ewig durch das Weltall irrt, Marmor, frühes 2. Jh. n. Chr. (Kat. 021)

58 40

Das Wandgemälde zeigt die Bestrafung des Ixion, Fresko auf der Ostwand des sogenannten IxionRaums in der Casa dei Vettii in Pompeji, 1. Jh. n. Chr.

59 41

Daidalos präsentiert der Pasiphae die künstliche Kuh aus Holz, Fresko auf der Nordwand des sogenannten Ixion­Raums in der Casa dei Vettii in Pompeji, 1. Jh. n. Chr.

60 42
61 43 Dionysos betrachtet die schlafende Ariadne auf Naxos, Fresko auf der Südwand des sogenannten IxionRaums in der Casa dei Vettii in Pompeji, 1. Jh. n. Chr.
209
194 Schale mit Schriftband aus Nischapur (heute Iran), Ton 10. Jh. Diese Gefäße wurden häufig mit Leitsprüchen versehen. Der Spruch auf dieser Schale lautet: „Freigiebigkeit zählt zu den Eigenschaften der Bewohner des Paradieses – Wohlergehen …“ (Kat. 058) 195 Große Schale mit grüner Glasur und schwarzer Bemalung, Umkreis von Amol (heute Iran), 11. Jh. (Kat. 059)

196

Schale aus Kaschan (heute Iran), Anfang 13. Jh. Die fein gearbeitete kleine Schale ziert am Innenboden eine Gazelle und ein Vogel (Rebhuhn?). Auf dem mittleren und äußeren Feld sind kalligrafische Inschriften (Naschī) wiedergegeben. (Kat. 060)

197

Schale aus Kaschan (heute Iran), Anfang 13. Jh. Diese Schale mit durchscheinender blauer Glasur ist am Innenboden mit einer Rosette sowie auf insgesamt drei Bändern mit Ranken und kalligrafischen Schriftzügen (Naschī) dekoriert. (Kat. 061)

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Fliesen in Lüstertechnik, Kaschan (heute Iran), Ende 13. Jh. Ranken umschließen Schriftzeichen, die Textstellen aus dem Koran wiedergeben. Die Inschrift ist in Relief gearbeitet und blau angelegt. (Kat. 063, 062)

211
198 + 199 200 Fliese in Lüstertechnik, Kaschan (heute Iran), Ende 13. Jh. (Kat. 064)

Nachbau der berühmten Becheruhr, entworfen vom Ingenieur und AutomataSpezialisten al­Ǧazarī, Institut für Geschichte der Arabisch­Islamischen Wissenschaften, Frankfurt am Main 1990–2003. Das exakt

vermessene, konisch verjüngte Gefäß gewährleistet einen präzisen Ausfluss des Wassers, der wiederum die Drehung der Schreiberfigur mit seinem Zeiger auslöst. Die komplexe Stundenskala auf der

Oberseite erlaubt die Anzeige der Sonnenstunden, deren Länge ja bekanntlich von der Jahreszeit abhängt und jeden Tag einen eigenen Wert besitzt. (Kat. 071)

212 201

Nachbau der „Waage der Weisheit“, entworfen von ʿAbdarraḥmān al­Ḥāzinī (12. Jh.), Modell des Instituts für Geschichte der Arabisch­Islamischen Wissenschaften, Frankfurt am Main 1990–2003. Die Waa ­

ge, deren Balken an Seidenfäden aufgehängt wurde, bietet aufgrund der ausgeklügelten Konstruktion eine außerordentliche Präzision –vergleichbar einer modernen Goldwaage.

(Kat. 049)

213 202

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Historische Darstellung der berühmten Elefantenuhr von al­Ǧazarī, Abschrift von Farrukh ibn ‘Abd al­Latif, Papier, 1315 n. Chr. Die durch einen komplexen hydraulischen Hebemechanismus, der sich im Inneren des Elefanten

befand, angetriebene Uhr signalisierte 48 Intervalle à 30 Minuten und bildete so einen Tag von 24 Stunden ab. Ein „Schreiber“ auf dem Rücken des Elefanten verschob hierfür seine Schreibfeder über eine kreisförmige Skala. Eine

weitere Figur im Turm hob den Arm, während eine Metallkugel in den Rachen einer nach unten kippenden Schlange rollte; die Schlange hob hebelartig den Mechanismus im Inneren des Elefanten von Neuem an. (Kat. 070)

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