VERSO SUD 20 Festival des italienischen Films 29.11. bis 10.12.2014
Deutsches Filmmuseum Frankfurt am Main
Impressum
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MIELE ≥ S. 20
BAARÌA ≥ S. 30
Veranstalter Deutsches Filminstitut, Frankfurt Made in Italy, Rom
I T KAM I T CAN Improve your business
Förderer Ministero dei Beni e delle Attività Culturali e del Turismo Direzione Generale per il Cinema, Rom Unterstützer Consolato Generale d‘Italia, Frankfurt Istituto Italiano di Cultura, Köln Camera di Commercio Italiana per la Germania, Frankfurt Italian Quality Experience und Casa di Cultura e.V., Frankfurt
Programmheft Deutsches Filminstitut, Frankfurt Made in Italy, Rom Redaktion Monika Haas, Frauke Hass
in Zusammenarbeit mit Buena Onda, Rom DocLab, Rom Doc & Film, Paris Fandango, Rom Intra Movies, Rom Istituto Luce Cinecittà, Rom Kairos Filmverleih, Göttingen Movienet Filmverleih, München MissingFilms, Berlin PFA Films, Rom Rai Com, Rom Rise and Shine, Berlin Saietta Film, Tricase Trigon-Film, Wettigen
Veranstaltungsort / Kartenreservierung Deutsches Filmmuseum Schaumainkai 41 60596 Frankfurt Tel: 069 – 961220 220
Texte Piero Spila, Giovanni Maria Rossi, Monika Haas Übersetzungen Adriana Enslin, Katharina Gewehr Gestaltung Optik – Jens Müller www.optik-studios.de
Weitere Informationen Deutsches Filmmuseum www.deutsches-filmmuseum.de Made in Italy www.associazionemadeinitaly.org
mit Dank an Christos Acrivulis Pier Francesco Aiello Wilfried Arnold Celeste Casciaro Mary Condotta Paola Corvino Antonio Cuccuzzella Rosemary Desiati Cristina Di Giorgio Daniela Elstner Marina Grones Lucio Izzo Ottavia Nicolini Claudia Oettrich Birgit Otten Petra Palmer Catia Rossi Walter Ruggle Eva Salomon Michele Santoriello Helge Schweckendiek Giuseppe Tornatore Maria Laura Vacca Marco Visalberghi Edoardo Winspeare
Verso Sud 20 Festival des italienischen Films
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FILMPROGRAMM 29.11. bis 10.12.2014 Samstag, 29.11.
Mittwoch, 03.12.
Sonntag, 07.12.
16:00 Uhr
LA MIGLIORE OFFERTA ≥ S. 29 The Best Offer – Das höchste Gebot IT 2013. Giuseppe Tornatore. 124 Min. engl.OmU
18:00 Uhr
L’INTREPIDO ≥ S. 19 Der Furchtlose IT 2013. Gianni Amelio. 104 Min. OmU
11:30 Uhr
20:30 Uhr 19:00 Uhr
Eröffnung Verso Sud 20 NUOVO CINEMA PARADISO ≥ S. 34 Cinema Paradiso IT/FR 1988. Giuseppe Tornatore. 123 Min. OmeU Zu Gast: Giuseppe Tornatore
SPAGHETTI STORY ≥ S. 23 IT 2013. Ciro de Caro. 82 Min. OmU
LA LEGGENDA DEL PIANISTA SULL’OCEANO ≥ S. 32 Die Legende vom Ozeanpianisten IT 1998. Giuseppe Tornatore. 165 Min. OF mit engl/frz. UT
17:00 Uhr
LA DEUTSCHE VITA ≥ S. 17 D 2014. Alessandsro Cassigoli, Tania Masi. 61 Min. OmU
19:00 Uhr
SACRO GRA ≥ S. 22 Das andere Rom IT 2013. Gianfranco Rosi. 93 Min. OmU Vorfilm: Tanti futuri possibili Zu Gast: Ottavia Nicolini
Donnerstag, 04.12. 20:30 Uhr
Sonntag, 30.11. 11:30 Uhr
17:00 Uhr
19:00 Uhr
BAARÌA ≥ S. 30 Baarìa – Eine italienische Familiengeschichte IT 2009. Giuseppe Tornatore. 150 Min. OmU MIELE ≥ S. 20 Honig IT 2013. Valeria Golino. 93 Min. OmU IN GRAZIA DI DIO ≥ S. 15 Ein neues Leben IT 2014. Edoardo Winspeare. 127 Min. OmU Zu Gast: E. Winspeare, Celeste Casciaro
Freitag, 05.12. 18:00 Uhr
20:30 Uhr
22:30 Uhr
Montag, 01.12. 18:00 Uhr
SPAGHETTI STORY ≥ S. 23 IT 2013. Ciro de Caro. 82 Min. OmU
20:30 Uhr
MIELE ≥ S. 20 Honig IT 2013. Valeria Golino. 93 Min. OmU
18:00 Uhr
IN GRAZIA DI DIO ≥ S. 15 Ein neues Leben IT 2014. Edoardo Winspeare. 127 Min. OmU
TUTTI CONTRO TUTTI ≥ S. 24 Jeder gegen Jeden IT 2013, Rolando Ravello. 90 Min. OmU LA MAFIA UCCIDE SOLO D’ESTATE ≥ S. 18 Die Mafia tötet nur im Sommer IT 2013. Pierfrancesco Diliberto. 90 Min. OmU LA SCONOSCIUTA ≥ S. 31 Die Unbekannte IT 2006. Giuseppe Tornatore. 118 Min. OF mit engl/frz. UT
Montag, 08.12. 18:00 Uhr
Piccola Patria ≥ S. 21 Kleines Vaterland IT 2014. Alessandro Rossetto. 111 Min. OmeU
20:30 Uhr
L’UOMO DELLE STELLE ≥ S. 33 Der Mann, der die Sterne macht IT 1995. Giuseppe Tornatore. 110 Min. OmU
Mittwoch, 10.12. 18:00 Uhr
IO STO CON LA SPOSA ≥ S. 16 Auf der Seite der Braut IT 2014. Antonio Augugliaro, Gabriele Del Grande, Khaled Soliman Al Nassiry. 98 Min. OmeU
20:30 Uhr
IL CAPITALE UMANO ≥ S. 14 Human Capital - Die süsse Gier IT 2013. Paolo Virzì. 110 Min. OmU.
Samstag, 06.12. 16:00 Uhr
Dienstag, 02.12.
L’INTREPIDO ≥ S. 19 Der Furchtlose IT 2013. Gianni Amelio. 104 Min. OmU
IO STO CON LA SPOSA ≥ S. 16 Auf der Seite der Braut IT 2014. Antonio Augugliaro, Gabriele Del Grande, Khaled Soliman Al Nassiry. 98 Min. OmeU
18:00 Uhr
Piccola Patria ≥ S. 21 Kleines Vaterland IT 2014. Alessandro Rossetto. 111 Min. OmeU
20:00 Uhr
NUOVO CINEMA PARADISO ≥ S. 34 Cinema Paradiso IT/FR 1988. Giuseppe Tornatore. 123 Min. OmeU Mit Vorfilm
22:30 Uhr
TUTTI CONTRO TUTTI ≥ S. 24 Jeder gegen Jeden IT 2013, Rolando Ravello. 90 Min. OmU
Neues italienisches Kino ≥ S. 10 Hommage Giuseppe Tornatore ≥ S. 25
Grußwort Consolato Generale d’Italia Frankfurt
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Saluto Grußwort
VERSO SUD feiert seine 20. Ausgabe. Das Festival des italienischen Films in Frankfurt, entstanden 1995 durch einen glücklichen Einfall der Casa di Cultura, hat sich in der kulturellen Szene dieser Stadt als wichtiger Termin etabliert. Die Idee eines Festivals für italienische Filme erwies sich als so erfolgreich, dass sie nur drei Jahre nach der Gründung von VERSO SUD auch in andere Städte exportiert wurde und das Tournee-Festival Cinema! Italia! daraus entstand. Alljährlich schickt es aktuelle italienische Filme auf eine Tour durch eine wachsende Zahl von Städten in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Organisiert wird Cinema! Italia! von Made in Italy und dem Kairos Filmverleih, mit einem Beitrag des Ministero dei Beni e delle Attività Culturali e del Turismo sowie der Unterstützung des ICE (Istituto Nazionale per il Commercio Estero), der Italienischen Botschaft und der in Deutschland, Österreich und der Schweiz ansässigen Italienischen Kulturinstitute und Generalkonsulate. In den 20 Jahren seines Bestehens hat VERSO SUD seine Identität behalten: Neben aktuellen italienischen Filmen hat das Publikum in Frankfurt die Gelegenheit, seine Kenntnisse über bedeutende Werke zahlreicher Regisseure und Schauspieler zu vertiefen,
denen seit der vierten Ausgabe von VERSO SUD jedes Jahr eine Hommage gewidmet ist. Viele bedeutende Filmschaffende wurden in Frankfurt geehrt: Gianni Amelio, die Brüder Taviani, Gillo Pontecorvo, Vittorio de Sica, Giuliano Montaldo, Gabriele Salvatores, Pupi Avati, Pier Paolo Pasolini, Sergio Castellito, Michelangelo Antonioni, Sergio Rubini, Paolo Virzì, Ferzan Ozpetek, Liliana Cavani, Luigi Lo Casio und Giuseppe Piccioni. Giuseppe Tornatore wird der Hommagegast der Jubiläumsausgabe von VERSO SUD sein. Nicht zuletzt dank ihres Erfolgs bei VERSO SUD sind zahlreiche italienische Filme anschließend ebenso erfolgreich in deutschen Kinos gezeigt worden, sei es in der Originalsprache mit Untertiteln oder in synchronisierten deutschen Fassungen. Und nicht nur das, auch dank des Interesses vieler deutscher Verleiher konnten immer wieder die neuesten italienischen Filme vor dem deutschen Kinostart bei VERSO SUD gezeigt werden: Dieses Jahr haben Sie die Gelegenheit, Paolo Virzìs Film IL CAPITALE UMANO als Preview zu sehen, der Italiens Vorschlag für den Oscar 2015 ist. Für alle bei den ersten zwanzig Festivalausgaben erzielten Erfolge möchte ich jenen danken, die VERSO SUD
unterstützt und getragen haben: das Deutsche Filmmuseum, Made in Italy, das Istituto Italiano di Cultura und die Casa di Cultura, verbunden mit dem Wunsch, auch in den kommenden Jahrzehnten mit der Präsentation italienischen Qualitätskinos hier in Frankfurt fortzufahren.
Cristiano Cottafavi Italienischer Generalkonsul in Frankfurt
Grußwort Istituto Italiano di Cultura Köln
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Saluto Grußwort
Es freut mich sehr, Sie zur 20. Ausgabe von VERSO SUD begrüßen zu können, einem Filmfestival, das inzwischen schon Tradition hat und nicht nur von den Zuschauern in Frankfurt freudig erwartet wird. Ehrengast in diesem Jahr ist Giuseppe Tornatore, der sowohl einen Oscar für den Film NUOVO CINEMA PARADISO als auch eine ganze Reihe von internationalen Auszeichnungen erhalten hat. In Frankfurt stellt Tornatore seinen neuesten Film LA MIGLIORE OFFERTA sowie fünf weitere seiner Filme vor, die ihn zu einem der weltweit bedeutendsten Regisseure gemacht haben. Es wird sicher eine außergewöhnliche Gelegenheit für das Publikum sein, ihn zu treffen und mit ihm über Themen, Figuren und Ausdrucksformen seiner Werke zu diskutieren.
In grazia di Dio ≥ S. 15
Ein anderer bedeutender Gast bei VERSO SUD wird in diesem Jahr Edoardo Winspeare sein, ein tief in Apulien verwurzelter Regisseur, der aufgrund seiner Familiengeschichte und vor allem seiner Ausbildung dennoch ein Kosmopolit ist. Auch Winspeare stellt sich nach der Vorführung seines neuesten Films den Fragen des Publikums. Wie in vielen seiner Werke beschreibt und analysiert er auch in IN GRAZIA DI DIO, den er mit Laiendarstellern gedreht hat, die aktuellen gesellschaftlichen Probleme in seiner Heimat, die Widersprüche, aber auch die möglichen Perspektiven für einen Ausweg aus der gegenwärtigen
Krise. Das diesjährige Programm von VERSO SUD vervollständigen zehn weitere Filme, die aus den neuesten und überzeugendsten Kinoproduktionen Italiens ausgewählt wurden, und die unter Regisseuren wie Paolo Virzì, Gianni Amelio, Gianfranco Rosi, Valeria Golino, Alessandro Rossetto, Antonio und Marco Manetti, Ciro De Caro, Pif, Antonio Augugliaro, Gabriele Del Grande, Khaled Soliman und Al Nassiry entstanden sind. Diese Werke, darunter auch einige Dokumentarfilme, blicken auf die Gegenwart und setzen sich mit Themen auseinander, die die europäische Gesellschaft grundlegend betreffen, angefangen von der Emigration über die Integration bis zur Wirtschaftskrise und zum Werteverfall. Sie zeigen uns nicht nur ein oft schwer zu verstehendes Bild von Italien und Europa heute, sondern auch Anregungen für Veränderungen und einen Neubeginn. Mein Dank gilt allen Partnerinstitutionen, die wie jedes Jahr VERSO SUD ermöglicht haben: dem Deutschen Filmmuseum Frankfurt, dem Verein Made in Italy Rom, dem Kairos Filmverleih Göttingen und dem Italienischen Ministerium für Kulturgüter und kulturelle Aktivitäten. Ich wünsche VERSO SUD ein langes Bestehen und dem zahlreichen Publikum gute Unterhaltung.
Lucio Izzo Direktor Istituto Italiano di Cultura Köln
Grußwort Casa di Cultura e.V., Frankfurt
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Saluto Grußwort
Ich freue mich sehr darüber, im Namen des italienischen Kulturvereins, Casa di Cultura, zum 20. Jubiläum von VERSO SUD ein Grußwort an die Festivalbesucher zu richten. Der Tradition unseres Vereins folgend, einen Ort der Begegnung mit dem neuen italienischen Kino zu ermöglichen, initiierte Casa di Cultura mit dem Kulturdirektor Stefano Scarlatti das italienische Filmfestival VERSO SUD. Im damaligen Kommunalen Kino, heute: Kino des Deutschen Filmmuseums, fanden wir einen hervorragenden Partner, wie auch den idealen Austragungsort. Die Kinoleiterin, Dr. Kitty Vincke, die in unseren Erinnerungen sehr präsent ist, nahm unseren Vorschlag begeistert auf und zeigte an neun Tagen unbekannte Filme aus Italien – in der Originalfassung mit meist englischen Untertiteln, da es deutsche Untertitel noch nicht gab. Menschen aus vielen Kulturkreisen haben italienische Filme in den vergangenen 19 Jahren gesehen und mit uns über sie gelacht und geweint, über die Inhalte diskutiert und Kritik geübt. Jedes Jahr haben wir zusammen die Regisseure und Regisseurinnen, die aus Italien nach Frankfurt gekommen sind, wie gute Freunde willkommen geheißen. Mit der seit der vierten Festivalausgabe veranstalteten Hommage gab es zudem die Möglichkeit, bedeutende Vertreter
des italienischen Films aus nächster Nähe im Kino zu erleben und ihre Werke, die oftmals bis dahin nur Filmexperten und Filmwissenschaftlern bekannt waren, auf der großen Kinoleinwand zu sehen. Inzwischen wird das Festivalprogramm von unserem Projektpartner Made in Italy aus Rom, gemeinsam mit dem Deutschen Filmmuseum gestaltet und organisiert. Und jedes Jahr aufs Neue gewährt uns das Programm von VERSO SUD einen Einblick in neue Filme aus Italien, die uns auf ganz unterschiedliche Weise anrühren. Ich wünsche allen: »Buona visione«!
Mary Condotta Vorsitzende der Casa di Cultura e.V.
Jubiläum Verso Sud 20
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Giuseppe Piccioni
Sergio Castellitto
VERSO SUD Hommagen Sergio Rubini
Paolo Virzì
Franco Montini, Francesco Bruni, Luigi Lo Cascio
1998 Gianni Amelio 1999 Paolo und Vittorio Taviani 2000 Gillo Pontecorvo 2001 Vittorio De Sica 2002 Giuliano Montaldo 2003 Gabriele Salvatores 2004 Pupi Avati 2005 Pier Paolo Pasolini 2006 Sergio Castellitto 2007 Michelangelo Antonioni 2008 Sergio Rubini 2009 Paolo Virzì 2010 Ferzan Ozpetek 2011 Liliana Cavani 2012 Luigi Lo Cascio 2013 Giuseppe Piccioni
Grußwort Deutsches Filminstitut / Deutsches Filmmuseum, Frankfurt Made in Italy, Rom
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Saluto Grußwort
In diesem Jahr findet VERSO SUD, das Festival des italienischen Films, zum 20. Mal statt – ein Grund zum Feiern! Was im Jahr 1995 als kleines Festival begann, hat sich in der Zwischenzeit, alljährlich im Dezember, zu einer festen Größe im Festivalkalender Frankfurts und der Region, mit einer jährlich wachsenden Besucherzahl etabliert. Das haben wir vor allem Ihnen, unserem überaus interessierten und treuen Publikum zu verdanken. Dass der italienische Film im In- und Ausland erfolgreicher denn je ist, das war in den vergangenen zwei Jahren zu beobachten: angefangen mit den Auszeichnungen für Paolo Sorrentinos Film LA GRANDE BELLEZZA (La grande bellezza – Die große Schönheit, IT 2013) als bester fremdsprachiger Film bei der Oscarverleihung 2013 und als bester europäischer Film bei der Verleihung der Europäischen Filmpreise 2013. Aber auch auf den drei großen europäischen Filmfestivals in Cannes, Rom und Venedig wurden italienische Filme ausgezeichnet: Alice Rohrwachers Film LE MERAVIGLIE (Land der Wunder, IT 2013) beim Filmfestival in Cannes 2013, Alberto Fasulos Film TIR (IT/Kroatien 2014) beim Rom Filmfestival 2013 und nicht zu vergessen Gianfranco Rosis Dokumentarfilm SACRO GRA (IT 2013), der als erster Dokumentarfilm überhaupt mit dem großen Preis der Jury beim Filmfestival Venedig 2013 ausgezeichnet wurde und den wir am Sonntag, 7. Dezember, im diesjährigen VERSO-SUD-Programm zeigen.
Dass der italienische Film nicht nur erfolgreich, sondern auch aktuell und innovativ ist, das zeigen auch die Filme des diesjährigen Programms: Viele sind von einem dokumentarischen Ansatz geprägt wie IN GRAZIA DI DIO (Ein neues Leben, IT 2013) von Edoardo Winspeare, der seinen Film am Sonntag, 30. November, persönlich vorstellen wird, über SPAGHETTI STORY von Ciro de Caro und L’INTREPIDO von Gianni Amelio bis zu PICCOLA PATRIA von Alessandro Rossetto. Wir freuen uns sehr, dass wir mit IO STO CON LA SPOSA, LA DEUTSCHE VITA und SACRO GRA gleich drei Dokumentarfilme im Programm präsentieren können.
PICCOLA PATRIA ≥ S. 21
Eine große Ehre ist es, Giuseppe Tornatore die diesjährige Hommage zu widmen. Er ist einer der erfolgreichsten, vielseitigsten und international bekanntesten italienischen Regisseure seiner Generation, der im Laufe seiner Karriere mit vielen, auch international bekannten Stars zusammengearbeitet hat. Wir freuen uns sehr, dass er zur Festivaleröffnung am Samstag, 29. November, nach Frankfurt kommen und seinen von so vielen geliebten, oscarprämierten Film NUOVO CINEMA PARADISO (Cinema Paradiso, IT/FR 1988) vorstellen und im Anschluss mit dem Publikum diskutieren wird. Wir danken all unseren Förderern und Kooperationspartnern für ihre langjährige Unterstützung und ihr Engagement – ohne sie könnte VERSO SUD nicht statt-
Grußwort Deutsches Filminstitut / Deutsches Filmmuseum, Frankfurt Made in Italy, Rom
finden: dem Ministero dei Beni e delle Attività Culturali e del Turismo, der Direzione Generale per il Cinema (Rom), dem Consolato Generale d’Italia (Frankfurt), dem Istituto Italiano di Cultura (Frankfurt und Köln), der Casa di Cultura (Frankfurt), der Camera di Commercio Italiana per la Germania (Frankfurt), dem Kairos Filmverleih (Göttingen) und allen Verleihern und Produzenten, die es uns ermöglichen, Ihnen auch in diesem Jahr wieder ein interessantes und abwechslungsreiches Programm zu präsentieren. Unser Dank gilt aber nicht zuletzt den Filmemachern, die ihre Filme persönlich in Frankfurt vorstellen werden und mit Ihnen, dem Publikum, über ihre Filme sprechen werden. Danke für Ihr Vertrauen. Wir wünschen Ihnen, dem VERSO SUDPublikum, spannende Festivaltage, interessante Begegnungen mit unseren Gästen und uns, dass Sie uns auch in den nächsten Jahren treu bleiben. Es gibt viel zu entdecken. Benvenuti e buona visione!
Monika Haas Deutsches Filminstitut / Deutsches Filmmuseum Francesco Bono Franco Montini Piero Spila Made in Italy
LA MIGLIORE OFFERTA ≥ S. 29
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Einleitung Neues italienisches Kino
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Das italienische Kino erzählt von der großen Krise Piero Spila »Stein auf Stein entsteht eine Mauer«, sagt voller Überzeugung eine der Protagonistinnen von IN GRAZIA DI DIO, dem bezaubernden neuen Film von Edoardo Winspeare. Und dieser Satz könnte auch als Slogan von VERSO SUD 20 dienen. Denn das diesjährige Festival zeigt Filme, die auf ganz unterschiedliche Weise wichtige Themen unseres Alltags behandeln – Wohnen, Arbeit, die Lebenswelten von jungen Menschen, die Wirtschaftskrise, aber auch die Sterbehilfe – ohne dabei schon Lösungsansätze mitzuliefern, die auch gar nicht so einfach zu finden wären. Stattdessen erzählen die Filme ganz einfach vom Leben – von den täglichen Anstrengung des Alltags, von Entbehrungen und drängenden Entscheidungen – von Menschen, die trotz aller Schwierigkeiten, die das Leben immer wieder bereithält, noch nicht resigniert haben, sondern weiterkämpfen. Die vier Protagonistinnen von IN GRAZIA DI DIO (Ein neues Leben, IT 2014) gehören drei Generationen einer Familie an. Nachdem ihr kleiner Handwerksbetrieb durch die ausländische Konkurrenz in den Ruin getrieben wurde, müssen sie sich eine neue Existenz aufbauen und kehren in ihr altes Haus auf dem Land zurück. Die Rückkehr bedeutet für sie auch eine Wiederentdeckung ganz ursprünglicher Werte: der Verbundenheit mit der Heimat und des Gemeinschaftssinns. Sogar den Tauschhandel entdecken sie wieder: Ware gegen Ware, Hilfe als Gegenleis-
tung für Hilfe, und so entstehen ein ganz neues Solidaritätsgefühl, Aufmerksamkeit den anderen gegenüber, Austausch und Nähe. Alles schien verloren, aber etwas anderes kann – »Stein auf Stein« – neu beginnen. Winspeares Film spielt im Herzen des Mezzogiorno, eines Landstrichs, dessen Bewohner stets für ihren Wagemut und ihre Risikobereitschaft bekannt waren. Auch der Blick nach Norden zeigt, dass die Auswirkungen der Wirtschaftskrise nicht nur in Italien, sondern in ganz Europa zu spüren sind. IL CAPITALE UMANO (Human Capital, IT 2013) von Paolo Virzì spielt in Brianza, einer von Villen und deren wohlhabenden Bewohnern geprägten Gegend in der Lombardei. Doch das soziale Klima in dieser scheinbar sorglosen Welt der Reichen, das zeigt der Film, ist geprägt von gegenseitiger Täuschung, Unsicherheit und Desillusionierung. Erneut gelingt es Virzì meisterhaft, eine komplexe und ernste Geschichte mit Leichtigkeit zu erzählen, aber auch mit Ernüchterung und einer Spur Verbitterung. Das titelgebende »menschliche Kapital« geht auf eine algebraische Formel zurück, mit der Versicherungsgesellschaften berechnen, wie Opfer von Autounfällen entschädigt werden sollen. Ebenfalls in Norditalien spielt PICCOLA PATRIA (Kleines Vaterland, IT 2013), das Spielfilmdebüt des anerkannten Dokumentarfilmers Alessandro Rossetto. Er
erzählt darin die Geschichte zweier junger Frauen und ihrer Sehnsucht, ihr kleines norditalienisches Dorf Richtung China zu verlassen. Denn in ihrer von sozialen Widersprüchen und Zukunftsängsten geprägten Heimat fühlen sich alle bedroht von einer so nahen wie ungewissen Zukunft und den Veränderungen, die diese mit sich bringt. Dieser Welt wollen die beiden entkommen, auch auf die Gefahr hin, dabei ihre eigenen Wurzeln zu verlieren. Auch L‘INTREPIDO (Der Furchtlose, IT 2013) von Gianni Amelio erzählt von den Auswirkungen der Wirtschaftskrise. Der Protagonist ist ein arbeitsloser Mann mittleren Alters, der, von seiner Frau verlassen, alleine lebt. Aber anstatt sich dem Pessimismus und der Passivität hinzugeben, bemüht er sich jeden Tag um neue Lösungen: Wenn es keinen Job gibt, dann erfindet er eben einen. Zum Beispiel, indem er für diejenigen einspringt, die ihre Arbeit für einige Stunden verlassen müssen. Er ist bescheiden, auf den ersten Blick wirkt er schwach, aber er schlägt sich mit Optimismus und dem Mut eines modernen Charlie Chaplin durchs Leben. Trotz seiner Schwächen ist er ein Vorbild für die Jugend. Am Ende des Films sehen wir ihn als »seitenverkehrten« Migranten: als Italiener geht er in Albanien auf Arbeitssuche. Denn das Rad der Geschichte dreht sich weiter und Länder, die einst zu den ärmeren gehörten, erleben heute einen neuen Aufschwung.
Einleitung Neues italienisches Kino
LA MAFIA UCCIDE SOLO D’ESTATE ≥ S. 18
L’INTREPIDO ≥ S. 19
Um die prekäre Lebenssituation junger Menschen geht es in SPAGHETTI STORY (IT 2013), dem Erstlingswerk von Ciro De Caro, einer der größten filmischen Überraschungen des vergangenen Jahres. Ein unabhängig produzierter Low-Budget-Film wie er im Buche steht, mit 15.000 Euro Gesamtkosten und elf Drehtagen, dem es mit Effizienz und Authentizität gelingt, die bereits seit längerem problematische soziale Situation der Generation der Jugendlichen und jungen Erwachsenen darzustellen. Die Figuren des Films sind alle um die 30, und das Erschreckende sind nicht etwa Apathie oder Zynismus, sondern die Tatsache, dass sie keine Perspektiven haben. Ihre einzige Ressource ist ihre Lebenslust, die der Film mit Zuneigung und Humor in den Mittelpunkt stellt. Jung ist auch der Protagonist und Erzähler aus LA MAFIA UCCIDE SOLO D’ESTATE (Die Mafia tötet nur im Sommer, IT 2013) von Pif, der als einer der wichtigsten und einflussreichsten Vertreter der neuen italienischen Mediengeneration gelten darf. Aus der Perspektive eines Kindes erzählt der Film von den Massakern der Mafia, die Italien in den 1970er und 1990er Jahre auf dramatische Weise geprägt haben. Der Film, in Italien ein großer Erfolg an den Kinokassen wie bei den Filmkritikern, ist eine echte Herausforderung für die Zuschauer, denn er zeigt, dass es möglich ist, auch mit Humor von der Mafia zu erzählen. Und dass
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man sich auch in einer Stadt verlieben kann, die »unter Belagerung« steht. Die Protagonisten in SACRO GRA (Das andere Rom, IT 2013) – für den Regisseur Gianfranco Rosi beim Filmfestival in Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet wurde – scheinen sich aus freien Stücken dafür entschieden zu haben, ausgeschlossen und isoliert zu leben. Diese Männer und Frauen wohnen direkt an Roms großem Autobahnring, dem Grande Raccordo Anulare, kurz GRA, der die italienische Hauptstadt mit einer Länge von 70 Kilometern umkreist und auf dem der Verkehr täglich 24 Stunden fließt. In ihrer Gesamtheit aber formen sie mit ihren Geschichten, ihren Manien, ihren kleinen Wünschen und vorgezeichneten Schicksalen einen vielschichtigen Ausschnitt der Gesellschaft, mit dem man sich auseinandersetzen sollte. Der lediglich beobachtende Blick des Regisseurs stellt die Persönlichkeiten und Erzählungen seiner Protagonisten in den Mittelpunkt des Films: so begleitet er einen Aalfischer, einen verarmten Adeligen, einen Botaniker oder einen Transsexuellen, ohne jede Wertung. Es ist eine Momentaufnahme, der schlaglichtartige Ausdruck eines ebenso konkreten wie imaginären Nicht-Ortes. Eine magische Aufhebung der Zeit, während nur wenige Meter entfernt der Verkehrsfluss unaufhörlich vorbeirauscht. Risis Umgang mit dem Thema ist charakteristisch für das neue italienische Kino: Er vermischt
Das italienische Kino erzählt von der großen Krise
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Il capitale umano ≥ S. 14
SACRO GRA ≥ S. 22
Einleitung Neues italienisches Kino
Dokumentation und Fiktion, er kreuzt die Wahrhaftigkeit der Beobachtung mit der Phantasie des Fiktionalen. Ein weiteres Beispiel für dieses neue Kino liefert IO STO CON LA SPOSA (Auf der Seite der Braut, IT/Palästina 2014), ein semidokumentarischer Film von Antonio Augugliaro, Gabriele Del Grande und Khaled Soliman Al Nassiry. In Mailand treffen ein palästinensischer Lyriker und ein italienischer Journalist auf eine Gruppe palästinensischer und syrischer Flüchtlinge, die auf der Flucht vor dem Krieg in Syrien über die italienische Insel Lampedusa nach Europa eingereist sind. Die beiden entscheiden sich, der Gruppe bei ihrer Weiterreise nach Schweden zu helfen. Sie inszenieren eine fiktive Hochzeit, bitten eine Freundin, sich als Braut, und weitere Freunde, sich als Gäste zu verkleiden. Auf diese Weise überquert eine gefälschte Hochzeitsgesellschaft Grenzen und durchquert Staaten, bis alle endlich ihr Ziel, Stockholm, erreichen. Indem und wie sie sich über Immigrationsgesetze und Bürokratie hinwegsetzen, zeigen sie ein transnationales, solidarisches und nomadisches Europa. Von Migration, Identität und Globalisierung handelt auch LA DEUTSCHE VITA (DE, 2013) der beiden in Berlin lebenden italienischen Filmemacher Alessandro Cassigoli und Tania Masi, der auf sehr unterhaltsame Weise und mit einem Augenzwinkern von den gängigen und
genussvoll zelebrierten Klischees über Italiener und Deutsche und ganz konkret von den in Deutschland lebenden Italienern erzählt, die in Berlin mittlerweile zur drittgrößten Einwanderergruppe zählen. Die sicherlich erstaunlichste, extremste und menschlich ergreifendste Figur ist aber die der jungen Darstellerin von MIELE (Honig, IT 2013), dem Regiedebüt der italienischen Schauspielerin Valeria Golino. Die Titelfigur der Geschichte hat in der Sterbehilfe einen sinnvollen Lebensinhalt und ein riskantes Auskommen gefunden: Sie tötet nicht, sie hilft Menschen, deren Tage gezählt sind und die das schmerzhafte Warten auf den Tod verkürzen wollen, beim Sterben. Auf ihre Weise vertritt Irene (Deckname: Miele) einen ethischen Standpunkt und glaubt, ihrer moralischen Verantwortung zu entsprechen. In Wahrheit bewegt sie sich in einem fragwürdigen und schmerzhaften Grenzbereich der geltenden Moral, und es erfordert nicht viel, um sie in eine Krise zu stürzen. Irene scheint auf den ersten Blick unsensibel, kühl und gefühlsarm zu sein, in Wahrheit aber ist sie selbst tief verletzt und fügt sich durch ihre Tätigkeit immer weitere Verletzungen zu. Denn sie ist ständig mit dem Tod konfrontiert, obwohl sie eigentlich voller Lebenslust steckt – wie auch das bezaubernd-magische Finale zeigt, das in einer Istanbuler Moschee gedreht wurde. MIELE ist ein harter, formal strenger und fast hermetisch geschlossener Film, gleichzeitig
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aber auch modern und couragiert in der Art und Weise, wie er ein gesellschaftlich wichtiges Thema behandelt. Ob beschwingte Komödie, unterhaltsames Drama oder beunruhigende Reflexion: das vereinende Element der Filme des diesjährigen Jubiläumsprogramms von VERSO SUD ist die Entscheidung und der Wille der Filmemacher, sich mit der sozialen Realitäten auseinanderzusetzen. So ist SACRO GRA ein Dokumentarfilm, der die Abbildung einer bestimmten Lebenssituation als Projekt verfolgt, aber interessanterweise scheinen auch die anderen Filme des Programms vor allem darauf abzuzielen, bestimmte soziale, moralische oder wirtschaftliche Situationen und Probleme möglichst objektiv und fast schon dokumentarisch darzustellen und dabei die traditionellen Erzählmuster außer Acht zu lassen. Die Bauern in IN GRAZIA DI DIO, der Stundenlöhner in L‘INTREPIDO, die kritischen und rebellischen jungen Menschen in SPAGHETTI STORY und IO STO CON LA SPOSA: Sie alle setzen auf ihre Weise »Stein auf Stein« und repräsentieren ein Kino, das sich – in Italien ebenso wie im Rest Europas – angesichts der Komplexität unserer Zeit entschlossen hat, das Leben so zu zeigen, wie es eben ist: in all seiner Härte, seiner Undurchsichtigkeit und seinen Widersprüchen. Ein Kino, das nicht versucht, auf tröstliche Weise zu vereinfachen oder die Erwartung eines »Happy End« zu erfüllen.
Mittwoch, 10.12. 20:30 Uhr
Preview
Neues italienisches Kino
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IL CAPITALE UMANO Human Capital – Die süße Gier Italien 2013 · 110 Minuten · OmU Regie: Paolo Virzì Drehbuch: Francesco Bruni, Francesco Piccolo, Paolo Virzì, basierend auf einem Roman von Stephen Amidon Kamera: Jerome Almeras Schnitt: Cecilia Zanuso Ausstattung: Mauro Radaelli Musik: Carlo Virzì Produktion: Fabrizio Donvito, Benedetto Habib, Marco Cohen für Indiana Darsteller: Valeria Bruni Tedeschi (Carla Bernaschi), Fabrizio Bentivoglio (Dino Ossola), Valeria Golino (Roberta Morelli), Fabrizio Gifuni (Giovanni Bernaschi), Luigi Lo Cascio (Donato Russomanno), Giovanni Anzaldo, Matilde Gioli, Guglielmo Pinelli, Gigio Alberti
INHALT Durch einen mysteriösen Autounfall kreuzen sich in einer norditalienischen Provinzstadt an Heiligabend die Wege zweier Familien, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Dank kluger Finanzspekulationen führen Giovanni und Carla Bernaschi gemeinsam mit ihrem Sohn Massimiliano ein luxuriöses Leben. Ganz anders sieht es bei den Ossolas aus: Während Ehemann Dino zwar sehr bemüht, aber doch erfolgslos als Immobilienmakler arbeitet, ist seine Frau Roberta mit Zwillingen schwanger, und die Familie steht kurz vor dem Bankrott. Der Einkauf in den Hedgefonds der Bernaschis könnte ihre finanziellen Sorgen mit einem Schlag beseitigen – doch es kommt anders als erhofft.
PAOLO VIRZÌ ÜBER IL CAPITALE UMANO Der Ursprung meines Films geht auf einen Blitzschlag zurück, der mich traf, als ich Stephen Amidons Roman »Human Capital« las, der zu Beginn des neuen Millenniums in einem Villenvorort von Connecticut spielt. Die Figuren und Ereignisse erschienen mir emblematisch für unsere gegenwärtige Lage, auch die in Italien: Reichtum, der nicht mehr durch Arbeit sondern durch immer skrupellosere Finanzspekulationen angehäuft wird, verborgene Hoffnungen, und eine Jugendgeneration, die gezwungen ist, einen hohen Preis für die Fehler ihrer Eltern zu bezahlen. Im Film habe ich dieses Mosaik an Geschichten und Figuren in das
zwischen Reichtum und Verzweiflung pendelnde Italien von heute versetzt. Ich habe die Struktur der Ereignisse wie in einem Thriller angeordnet, mit einem Toten gleich zu Beginn. Der gesamte Film zeigt anhand der verschiedenen Figuren nach und nach, was der Preis des Erfolges ist. Aber vor allem berichtet er davon, wie das Geld und das Verlangen, es zu multiplizieren, die Furcht davor es zu verlieren, das Gefühlsleben und den Wert der Menschen bestimmt.
wo der Roman von Stephen Amidon spielt, der den Film inspiriert hat. Ausgehend von einem alltäglichen Unfall und anhand der Geschichte zweier Familien, zeichnet Virzì ein facettenreiches Bild des heutigen Italiens. IL CAPITALE UMANO ist der erste dramatische Film von Paolo Virzì und zusammen mit TUTTI LA VITA DAVANTI und LA PRIMA COSA BELLA ist es auch sein schönster Film. — Alberto Crespi, L‘Unità
Pressestimmen Ein ambitionierter Film, der die italienische Kinolandschaft aufrüttelt. Paolo Virzì erzählt darin vom heutigen Italien. Die Geschichte ist um einen Autounfall und eine vergessene Leiche herum aufgebaut und entwickelt sich schon nach kurzer Zeit zu einem komplexen Handlungsgeflecht mit einer Vielzahl von Figuren und Perspektiven. Durch jeden Perspektivwechsel werden nicht nur neue Aspekte beleuchtet und erzählt, sondern jeder Perspektivwechsel macht die Geschichte noch komplexer und spannender. Denn natürlich ist in diesem Drama um Liebe und Verrat nicht alles so, wie es auf den ersten Blick scheint. — Fabio Ferzetti, Il Messaggero IL CAPITALE UMANO ist ein bemerkenswerter Film. Paolo Virzì erzählt darin eine Geschichte, die überall passieren könnte, in Italien oder in Connecticut,
PAOLO VIRZÌ (1964, Livorno) studierte Film am Centro Sperimentale di Cinematografia in Rom, wo er Furio Scarpelli begegnete, einem Altmeister der italienischen Komödie. Als Drehbuchautor arbeitete Virzì u.a. mit Giuliano Montaldo bei TEMPO DI UCCIDERE (1989) und mit Gabriele Salvatores bei TURNÉ (1990) zusammen, bevor er 1994 mit LA BELLA VITA sein Debüt als Regisseur gab. Weitere Filme: FERIE D’AGOSTO (1996), OVOSODO (1997), BACI E ABBRACCI (1998), MY NAME IS TANINO (2001), CATERINA VA IN CITTÀ (2003), N – IO E NAPOLEONE (2006), TUTTA LA VITA DAVANTI (Das ganze Leben liegt vor Dir, 2008), LA PRIMA COSA BELLA (2010), TUTTI I SANTI GIORNI (2012) – die meisten davon waren bei Verso Sud zu sehen. IL CAPITALE UMANO (2014) ist sein neuester Film.
Sonntag, 30.11. 19:00 Uhr
Am 30.11. zu Gast: Edoardo Winspeare und Celeste Casciaro
Dienstag, 02.12. 18:00 Uhr
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sehr stark und ich wollte in IN GRAZIA DI DIO verschiedene Frauentypen zeigen: Die Generation der Großmutter, die sich der Religion anvertraut, Adele, die zwar nicht gläubig ist, aber von einem starken Verantwortungsgefühl getrieben wird und schließlich die Generation der Tochter Ina, eine konsumbegeisterte junge Frau, die in den Tag hineinlebt, um ihre Gefühlsleere auszugleichen. Aber mit den Schicksalsschlägen finden alle drei Generationen schließlich ein neues harmonisches Miteinander.
sind die Hauptdarsteller von Edoardo Winspeares neuem Film IN GRAZIA DI DIO, eine Liebeserklärung an die Familie und das Matriarchat. Winspeare hat fast all seine Filme in diesem abgelegenen Teil Apuliens gedreht, mit technischem Können und emotionaler Intensität: die Landschaft mit ihren riesigen Oliven- und Zitrusbäumen, den Kakteen, der Felsküste im Hintergrund, den Steinmauern, den kleinen Dörfern, den leuchtenden und gedeckten Farben wird zu einem unabdingbaren Teil der Geschichte. In diesem Film sieht man keine Schauspieler, nur Einheimische, und der Charme von IN GRAZIA DI DIO liegt auch in der tiefen Wahrhaftigkeit ihrer Darsteller. — Natalia Aspesi, la Repubblica
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IN GRAZIA DI DIO Ein neues Leben Italien 2014 · 127 Minuten · OmU Regie: Edoardo Winspeare Drehbuch: Edoardo Winspeare, Alessandro Valenti Kamera: Michele D’Attanasio Schnitt: Alberto Facchini Ausstattung: Sabrina Balestra Musik: Giuseppe D’Amato Produktion: Edoardo Winspeare, Gustsavo Caputo, Alessandro Contessa für Saietta Film Darsteller: Celeste Casciaro (Adele), Laura Lichetta (Ina), Gustavo Caputo (Stefano), Anna Boccadamo (Salvatrice), Barbara de Matteis (Maria Concetta), Amerigo Russo, Angelico Ferrarese, Antonio Carluccio
INHALT Salento, Süditalien: Vier Frauen einer Familie – Großmutter, Mutter, Schwester und Tochter – sehen sich gezwungen, in ein altes Bauernhaus auf dem Land umzuziehen. Die Wirtschaftskrise hat ihr kleines Textilunternehmen in den Bankrott getrieben, weshalb schließlich auch das Haus, in dem sie bis dahin gewohnt und gearbeitet haben, gepfändet wurde. Alles scheint verloren, auch das menschliche Miteinander. Die einzige Möglichkeit, das tägliche Überleben zu sichern, liegt in der Feldarbeit und der Rückkehr zu einfachen Tauschgeschäften. Und genau das ist der Beginn eines Weges, auf dem die vier Frauen das Leben und vor allem ihre Zuneigung zueinander ganz neu erfahren.
EDOARDO WINSPEARE ÜBER IN GRAZIA DI DIO In diesem Film steckt viel Wahrheit. Die Geschichte ist zwar frei erfunden, aber ich habe mich am Leben meines Schwagers, dem Bruder meiner Frau Celeste, orientiert. Er ist ein »Fasionista«, so nennt man hier bei uns die Leute, die im Akkord großen Modehäusern, wie Prada, Stefanel oder Benetton, zuarbeiten. Mit der Konkurrenz aus China ist es für sie sehr schwer geworden. Die aktuelle Wirtschaftskrise ist wirklich eine schwierige Zeit, sie gibt uns aber auch Gelegenheit, uns neu zu erfinden und zu erkennen, was im Leben wirklich wichtig ist: der Gemeinschaftssinn und die Familie. So geht es auch den vier Protagonistinnen in meinem Film. Die süditalienischen Frauen sind
Pressestimmen IN GRAZIA DI DIO ist ein einfühlsamer Film, der lange im Gedächtnis bleibt. Edoardo Winspeare kehrt damit zum Dialekt, den rauen Tönen und dem Lokalkolorit zurück, der auch seine besten Filme auszeichnet. Wieder hat er überwiegend mit Laiendarstellern gearbeitet, unter ihnen seine Frau Celeste Casciaro, die die willensstarke Adele verkörpert und die mit ihrer intensiven Darstellung das Zentrum des Films bildet. Herausgekommen ist ein ungewöhnlicher »Salento-Western«, voller Symbolik und gleichzeitig getragen von einer großen Natürlichkeit. Winspeare hat uns wertvolle Augenblicke geschenkt, wie man sie nur selten findet: Momente der Einfachheit. — Fabio Ferzetti, Il Messaggero Vier Frauen aus drei Generationen und der Salent, ein Ort antiker Magie,
EDOARDO WINSPEARE (1965, Klagenfurt,
Österreich) studierte Literaturwissenschaft und Fotografie und machte schließlich seinen Abschluss im Fach Regie an der HFF in München. Nach verschiedenen Kurzfilmen gab er 1995 mit PIZZICATA sein Spielfilmdebüt. Weitere Filme: SANGUE VIVO (2000), IL MIRACOLO (2004), GALANTUOMINI (2008). Daneben drehte er auch Dokumentarfilme, darunter SOTTO IL CELIO AZZURRO (2009), und gehört zu den Gründern der Musikgruppe Officina Zoé. IN GRAZIA DI DIO (2014) ist sein neuester Spielfilm.
Samstag, 06.12. 16:00 Uhr
Mittwoch, 10.12. 18:00 Uhr
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IO STO CON LA SPOSA Auf der Seite der Braut Italien 2014 · 98 Minuten · OmeU Dokumentarfilm Regie und Drehbuch: Antonio Augugliaro, Gabriele Del Grande, Khaled Soliman Al Nassiry Kamera: Gianni Bonardi Schnitt: Antonio Augugliaro Musik: Tommaso Barbaro Produktion: Gina Films Mitwirkende: Tasneem Fared, Abdallah Sallam, MC Manar, Alaa Bjermi, Ahmed Abed, Mona Al Ghabr, Gabriele Del Grande, Khaled Solima Al Nassiry, Tareq Al Jabr, Marta Bellingreri, Rachele Masci
INHALT Ein palästinensischer Lyriker und ein italienischer Journalist treffen in Mailand auf fünf Palästinenser und Syrer, die auf der Flucht vor dem Krieg in Syrien über die italienische Insel Lampedusa nach Europa eingereist sind. Die beiden entscheiden, die Flüchtlinge auf ihrer illegalen Weiterreise nach Schweden zu unterstützen. Zur Verschleierung ihres Vorhabens beschließen sie, eine Hochzeit zu inszenieren. Mit der Hilfe einer palästinensischen Freundin, die sich als Braut verkleidet und zehn italienischen und syrischen Freunden durchqueren sie, getarnt als Hochzeitsgesellschaft, in den darauffolgenden vier Tagen halb Europa und legen eine Strecke von 3.000 Kilometern zurück. Es ist eine Reise voller Emotionen und Hoffnungen, die nichts anderes ist als eine live gedrehte reale Geschichte, die sich zwischen dem 14. und 18. November 2013 auf den Straßen zwischen Mailand und Stockholm zugetragen hat.
DIE FILMEMACHER ÜBER IO STO CON LA SPOSA Unser Film ist ein Dokumentarfilm, aber auch eine politische Aktion, eine wahre Geschichte, aber auch eine fantastische – IO STO CON LA SPOSA ist alles zugleich. Dieser hybride Charakter unseres Films verlangte von Anfang an nach klaren Entscheidungen. Wir haben weder Dialoge noch Figuren erfunden, aber wir haben die Reise so organisiert, dass wir einige Szenen voraussehen konnten.
ausgereisten Palästinenser aus Syrien und den beiden Italienern, und nachdem sie durch Crowdfunding innerhalb von zwei Monaten 100.000 Euro gesammelt hatten, erforderte die tatsächliche Reise viel Mut, denn es ging um nichts weniger als darum, die europäischen Immigrationsgesetze zu umgehen. Alle am Film Beteiligten haben dabei viel riskiert. — Paolo D‘Agostini, la Repubblica Gleichzeitig haben wir immer die Erfordernisse der politischen Aktion im Auge behalten. Denn wir mussten wirklich in Schweden ankommen, nicht nur, um unseren Film zu einem Abschluss zu bringen. Und wir mussten Schweden in der kürzest möglichen Zeit erreichen. Das hat knallharte Arbeitsrhythmen mit sich gebracht. Wir alle haben ein großes Risiko und einen großen Traum geteilt, das hat uns vereint. Diese Erfahrung der gemeinsamen Reise hat auch unseren Blick auf die Realität verändert und uns dabei geholfen, eine neue Sprache zu finden, die es uns ermöglichte, die Dämonen unserer Ängste in die Helden unserer Träume zu verwandeln, das Hässliche in das Schöne, die abstrakten Zahlen in Namen und Menschen.
Pressestimmen Obwohl es sich um einen realen filmischen Bericht handelt, durchströmt IO STO CON LA SPOSA eine fast märchenhafte Atmosphäre. Dank der Kraftanstrengungen, vor allem der beiden schon
ANTONIO AUGUGLIARO (1978, Mailand) Cutter
und Regisseur, begann seine Arbeit im Bereich Videokunst für Studio Azzurro. Gegenwärtig arbeitet er für die Fernsehsender Sky und Discovery Channel und engagiert sich in der unabhängigen Filmszene Mailands.
GABRIELE DEL GRANDE (1982, Lucca) Schrift-
steller und Journalist, gründete 2006 die Organisation Fortress Europe und den damit verbundenen Blog, in dem er über die Toten und Schiffbrüchigen berichtet, die in den europäischen und maghrebinischen Medien seit 1988 verzeichnet worden sind. Seit 2011 verfolgt er als Journalist den Arabischen Frühling und die Kriege in Libyen und Syrien.
KHALED SOLIMAN AL NASSIRY (1979, Damaskus)
Lyriker, Literaturkritiker und Zeichner lebt seit 2009 in Mailand, wo er als Verlagsdirektor und graphischer Zeichner für den Verlag Noon arbeitet.
Sonntag, 07.12. 17:00 Uhr
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LA DEUTSCHE VITA
lebenden Italienern wollten wir in LA DEUTSCHE VITA erzählen. Bevor wir mit unserem Film angefangen haben, haben wir uns andere Dokumentationen über das gleiche Thema angesehen und festgestellt, dass diese meist sehr ernst sind und eher die sozialen Aspekte oder die Familiengeschichte betonen. Doch darüber hinaus gibt es noch mehr zu erzählen und es war uns daher wichtig, auch die komischen Seiten der Italiener zu zeigen. Denn die Italiener, die sich ins Berliner Ambiente eingefügt haben, sind regelrecht Außerirdische. Zwei weit voneinander entfernte Galaxien treffen hier aufeinander, auf der einen Seite die lärmenden und etwas nachlässigen Italiener, auf der anderen die sich einordnenden und genauen Deutschen. Und genau diese Widersprüche haben uns interessiert.
Deutschland 2014 · 61 Minuten · OmU Dokumentarfilm Regie und Drehbuch: Alessandro Cassigoli, Tania Masi Kamera: William Chicarelli Filho Schnitt: Kathrin Dietzel Musik: Kapaikos, Deacon Dunlop Ton: Alberto Sanchez Nué, Luciana Bass Produktion: Alessandro Cassigoli, Tania Masi Mitwirkende: Massimiliano Balestri, Daniela Benedetti, Luisa Bez, Emidio Ciabattoni, Mauro Paglia, Giovanni Pane, Nicola Pascale, Gino Puddu, Ruth Stirati
INHALT Berlin ist ein Magnet für Menschen, die mit wenig Geld etwas erreichen wollen. So geht es derzeit etlichen Italienern, die, enttäuscht und desillusioniert von der Politik ihres eigenen Landes, ihr Glück in der deutschen Hauptstadt suchen. Doch ihre Hoffnungen und Sehnsüchte werden hier nur bedingt erfüllt: Zu kalt sind die Berliner Winter, zu unerbittlich ist die Bürokratie. So geht es auch den beiden Regisseuren Alessandro Cassigoli und Tania Masi, die beide seit Jahren in Berlin leben, und die nun das Heimweh packt. Denn so gern sie die Stadt auch mögen, Heimat wird sie nie sein. Um ihre aufkommende Melancholie zu bekämpfen, beginnen sie damit, Landsmänner und -Frauen in ihrem so vertrauten wie zuweilen merkwürdigen Alltag mit der Kamera zu begleiten. Denn dass die Deutschen und das Leben von in Deutschland wohnenden Italienern seltsam sein können, erfahren viele am eigenen Leib: Unerhört ist vieles, etwa, dass man sie oft für Russen hält, die Art und Weise wie in Deutschland Mozzarella produziert wird oder dass die Pizzeria nebenan einem Bosnier gehört.
DIE FILMEMACHER ÜBER LA DEUTSCHE VITA In einigen Berliner Stadtvierteln, die vorher nur von Türken, Libanesen oder Palästinensern bewohnt wurden, sieht man jetzt zum großen Teil Italiener auf der Straße. Von diesen in Berlin
Pressestimmen Warum zieht es so viele Italiener nach Berlin? Alessandro Cassigoli und Tania Masi haben mit ihrem Film versucht, auf diese Frage eine sehr persönliche Antwort zu geben. LA DEUTSCHE VITA ist ein unterhaltsamer Film über die inzwischen drittgrößte ausländische Community in Berlin: Mehr als 20.000
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Italiener leben mittlerweile offiziell in der deutschen Hauptstadt. Den beiden Regisseuren ist es gelungen, erstaunliche Geschichten aufzuspüren und auf sehr unterhaltsame Art von verschiedenen in Berlin lebenden Italienern zu berichten. Mit einem schönen Ergebnis. — Tonia Mastrobuoni, La Stampa
ALESSANDRO CASSIGOLI (1976, Florenz) arbei-
tete zunächst als Regieassistent ehe er gemeinsam mit Dalia Castel die Dokumentarfilme IN THE BUBBLE (2002) und GOOD TIMES (2004) drehte. Seit 2005 lebt er in Berlin. Er ist Autor und Regisseur verschiedener Dokumentationen für Arte, darunter THE FACES OF ROME (2007), A TREEHOUSE IN COSTA RICA (2009), FLORENCE FOOTBALL (2011) und MARMOR (2012).
TANIA MASI (1976, Bagno a Ripoli bei
Florenz) studierte zunächst Film in New York ehe sie nach Berlin zog, wo sie als Journalistin, unter anderem für die Rai, arbeitete. Zur gleichen Zeit folgte sie ihrer Kinoleidenschaft und arbeitete für die Filmproduktionsgesellschaft Studio City Pictures. LA DEUTSCHE VITA (2014) ist ihr erster Dokumentarfilm.
Freitag, 05.12. 20:30 Uhr
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LA MAFIA UCCIDE SOLO D’ESTATE Die Mafia tötet nur im Sommer Italien 2013 · 90 Minuten · OmU Regie: Pif (Pierfrancesco Diliberto) Drehbuch: Michele Astori, Pierfrancesco Diliberto, Marco Martani Kamera: Roberto Forza Schnitt: Cristiano Travaglioli Musik: Santi Pulvirenti Ausstattung: Marcello Di Carlo Produktion: Mario Gianani, Lorenzo Mieli für Wildside Media Darsteller: Cristiana Capotondi (Flora), Pif (Arturo), Ginevra Antona (Flora als Kind), Alex Bisconti (Arturo als Kind), Claudio Gioè, Ninni Bruschetta, Barbara Tabita, Rosario LIsma, Teresa Mannino
INHALT Palermo 1970: Am Tag, an dem der bekannte Mafioso Vito Ciancimino zum Bürgermeister von Palermo gewählt wird, kommt Arturo zur Welt, und dieses Zusammentreffen hat weit mehr Konsequenzen für Arturos Leben, als zunächst angenommen. Denn der heranwachsende Arturo hat zwei Obsessionen, von denen ihn jede vollständig einnimmt: seine unglückliche Liebe zu seiner Banknachbarin Flora, die er seit der Grundschule anbetet und seine fixe Idee von den beängstigenden Beziehungen zwischen seiner Heimatstadt und der Mafia. Diese zweite Obsession isoliert ihn von seiner Umwelt, Flora mit eingeschlossen, bis ihm unglücklicherweise die Ereignisse Recht geben. Vor dem Hintergrund der tragischen, mit der Mafia verbundenen Ereignisse die sich zwischen den 1970er und 1990er Jahren in Sizilien zutragen, entwickelt sich die zarte und äußerst unterhaltsame éducation sentimentale eines kleinen Jungen.
PIERFRANCESCO DILIBERTO ÜBER LA MAFIA UCCIDE SOLO D’ESTATE Palermo ist die Stadt in der ich geboren und aufgewachsen bin. Als ich eines Tages innegehalten und nachgedacht habe, tauchte die Frage auf: Wie ist es möglich, dass die Mafia in Palermo so vorherrschend im Leben der Menschen ist und so Wenige etwas dagegen sagen? Mit der Zeit wird man nüchterner und distanzierter und beginnt zu verstehen, welch absurde Kompromisse die Menschen
eingehen, um vorwärts zu kommen: Indem sie so tun, als ob alles in Ordnung wäre. Weil es schwer ist, ein Verhaltensmuster aufzugeben. Weil es, so bitter es auch sein mag, sich im Augenblick besser lebt, wenn man den Kopf in den Sand steckt und abwartet, was passiert. Also empfiehlt es sich, manchmal ein Kind zu sein und mit einem kindlichen Blick auf die Welt zu schauen. Das Problem beginnt erst, wenn das Kind eines Tages versteht, dass die Mafia nicht nur im Sommer tötet.
Kann man von zwanzig Jahren Mafia erzählen, mit einem Lächeln auf den Lippen? Und kann man mit einer Komödie die großen Helden des Antimafiakampfes ehren, die ihren Mut mit dem Leben bezahlt haben? LA MAFIA UCCIDE SOLO D’ESTATE ist einer der gelungensten und intelligentesten Filme, die das italienische Kino in den vergangenen Jahren hervorgebracht hat. Das Verdienst gebührt ganz Pif, der seinen Erfolgen als Autor und Moderator von Fernsehsendungen jetzt auch dieses bemerkenswerte Debüt als Kinoregisseur hinzufügen kann. Ein Film, auf den man stolz sein kann. — Maurizio Acerbi, Il Giornale
Pressestimmen Blaue Augen, von denen man sich unmöglich losreißen kann, und ein sizilianisches mit allen Wassern gewaschenes Lausbubenlächeln: Pierfrancesco Diliberto, genannt Pif, hat etwas gewagt, was vor ihm noch keiner geschafft hat: Einen Film über die Mafia zu drehen und sich darin über sie lustig zu machen. LA MAFIA UCCIDE SOLO D’ESTATE, Pifs Regiedebüt, ist zugleich Autobiographie, poetische Zeitgeschichte und eine Erinnerung an die durch die Mafia getöteten Helden. Ein mutiger Film mit einem mitreißenden Finale. Ein kleiner großer Film. — Anna Maria Pasetti, Il Fatto Quotidiano
PIERFRANCESCO DILIBERTO (1972, Palermo)
Sohn des Regisseurs Maurizio Diliberto, hat sich schon früh dem Kino verschrieben: Nach einem Studium in London assistierte er zunächst Marco Tullio Giordana bei dessen Film I CENTO PASSI (100 Schritte, 2000). Bekannt wurde Pif mit der Fernsehserie LE LENE, für die er als Co-Autor und Co-Moderator tätig war. 2007 startete er seine eigenen Sendung IL TESTIMONE, die seither sehr erfolgreich im italienischen Fernsehen läuft. LA MAFIA UCCIDE SOLO D’ESTATE (2013) ist sein Debüt als Regisseur.
Mittwoch, 03.12. 18:00 Uhr
Donnerstag, 04.12. 20:30 Uhr
Pressestimmen
L’INTREPIDO Der Furchtlose Italien 2013 · 104 Minuten · OmU Regie: Gianni Amelio Drehbuch: Gianni Amelio, Davide Lantieri Kamera: Luca Bigazzi Schnitt: Simona Paggi Ausstattung: Giancarlo Basili Musik: Franco Piersanti Produktion: Carlo Degli Esposti für Palomar Darsteller: Antonio Albanese (Antonio Pane), Livia Rossi, Gabriele Rendina, Alfonso Santagata, Sandra Ceccarelli
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INHALT Antonio Pane ist ein besonderer Mann. Er lebt in Mailand und ist eigentlich arbeitslos. Um morgens nicht ziel- und planlos aufstehen zu müssen, hat er sich etwas Außergewöhnliches ausgedacht: Er ist Ersatzmann. Jeden Tag ersetzt er, manchmal nur für wenige Stunden, Arbeiter jeder erdenklichen Profession. Möchte jemand mal kurz von der Arbeit weg, Antonio übernimmt: Er mauert, lenkt die Straßenbahn, fährt Pizza aus oder bügelt. Er nimmt jeden Job an und gibt niemals auf. Und trotz alledem schafft er es auch noch, seinen Mitmenschen zu helfen, immer mit einem Lächeln auf den Lippen.
GIANNI AMELIO ÜBER L’INTREPIDO Mit L‘INTREPIDO erzähle ich von der heutigen Realität, die hart und schwierig ist, voller Unsicherheiten für die Zukunft. Aber ich versuche, es mit Leichtigkeit anzugehen. Mehr als auf die italienische Komödie beziehe ich mich dabei auf den Stummfilm, auf Charlie Chaplin und Buster Keaton. In der Brust meines Protagonisten Antonio schlummern zwei Seelen: Wenn er die Arbeit eines anderen übernimmt, ist er fröhlich, unbeschwert und unverzagt; in seiner Gefühlswelt jedoch ist er zerbrechlich und schutzlos. Doch mein Film schreit geradezu nach einem glücklichen Ausgang, weil ich glaube, dass es heutzutage gerade ein Muss ist, positiv und furchtlos zu sein.
In L‘INTREPIDO erzählt Gianni Amelio von Krise und Arbeitslosigkeit in Mailand, also in der Stadt, die sich seit jeher mit der Arbeits- und Geschäftswelt identifiziert hat. In seiner Figur des Antonio Pane lässt er zahlreiche Facetten der Unsicherheit lebendig werden. Er lässt ihn diverse Situationen durchleben, denen er stets mit der gleichen Geduld und Genügsamkeit begegnet. Selbst gegenüber den offensichtlichsten Demütigungen gelingt es ihm, seine Wut – die er wahrscheinlich in sich trägt – in Resignation und Abkehr zu verwandeln. Dabei regt Amelio den Zuschauer immer wieder zum Nachdenken an. Um Arbeit zu finden, muss Antonio nach Albanien auswandern und somit die in Amelios Film LAMERICA erzählte Geschichte in entgegengesetzter Richtung wiederholen. Im Vergleich mit den beiden jüngeren Protagonisten scheint Antonio über mehr Kräfte zu verfügen, um mit den Schicksalsschlägen des Lebens fertig zu werden. Aber er vermeidet es, nach einer Lösung zu suchen oder wirklich über die Situation nachzudenken. Er kann nur lächeln. Aber ist das genug? — Paolo Mereghetti, Corriere della Sera L’INTREPIDO von Gianni Amelio erzählt uns eine Geschichte, die trotz ihres beinah glücklichen Endes, und obwohl sie dem Zuschauer hier und da ein Lächeln entlockt, doch auch sehr schmerzvoll und bitter ist. Denn trotz aller Gutmütigkeit
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und trotz seines Optimismus trägt die Hauptfigur Antonio Pane eine große Traurigkeit in sich, was sich in der letzten Szene erahnen lässt. Ein Schluss, der an Filme von Chaplin erinnert. Und wie könnte man nicht an Chaplin denken, wenn man den großen Antonio Albanese als Antonio sieht, der in jeder Szene unzählige Nuancen seiner großartigen Schauspielkunst zeigt. — Gian Luigi Rondi, Il Tempo
GIANNI AMELIO (1945, San Pietro Magi-
sano) arbeitete nach einem Philosophiestudium in den 1960er Jahren zunächst als Regieassistent. Sein Regiedebüt gab er 1970 mit dem TV-Film LA FINE DEL GIOCO. Nach LA CITTÀ DEL SOLE (1973) und LA MORTE AL LAVORO (1978) etablierte er sich mit seinen Filmen COLPIRE AL CUORE (Ins Herz getroffen, 1982), I RAGAZZI DI VIA PANISPERNA (Enrico Fermi – Sein Weg zum Ruhm, 1988), PORTE APERTE (Offene Türen, 1989), IL LADRO DI BAMBINI (Gestohlene Kinder, 1992), LAMERICA (1994) und COSI RIDEVANO (So haben wir gelacht, 1998) als einer der bedeutendsten italienischen Regisseure der Gegenwart. Weitere Filme: LE CHIAVI DI CASA (Die Hausschlüssel, 2004), LA STELLA CHE NON C’È (2006), IL PRIMO UOMO (2011). L’INTREPIDO (2013) ist sein neuester Film.
Sonntag, 30.11. 17:00 Uhr
Montag, 01.12. 20:30 Uhr
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MIELE Honig Italien 2013 · 93 Minuten · OmU Regie: Valeria Golino Drehbuch: Francesca Marciano, Valeria Golino, Valia Santella, nach dem Roman »A nome tuo« von Mauro Covacich Kamera: Gergely Poharnok Schnitt: Giogiò Franchini Ausstattung: Paolo Bonfini Produktion: Riccardo Scamarcio, Viola Prestieri für Buena Onda Darsteller: Jasmine Trinca (Miele), Carlo Cecchi (Carlo Grimaldi), Libero De Rienzo, Vinicio Marchioni, Iaia Forte, Roberto De Francesco, Barbara Ronchi
INHALT Die 30-jährige Irene hat ihr Leben in den Dienst Schwerkranker gestellt, die ihrem Leiden ein Ende setzen wollen. Unter dem Decknamen »Miele« arbeitet sie heimlich als Sterbehelferin und fliegt Monat für Monat nach Mexiko, um dort das Schlafmittel Lampudal zu beschaffen. Sie macht das nicht aus ideologischen oder humanitären Gründen, auch nicht als Wiedergutmachung für den qualvollen Krankheitstod ihrer Mutter. Für sie ist es lediglich ein riskanter und illegaler, aber gut bezahlter Job. Dennoch hat sie bestimmte Prinzipien, die ihr wichtig sind. Als sie eines Tages der eigentlich kerngesunde 70-jährige Ingenieur Carlo Grimaldi mit seinem Sterbewunsch konfrontiert, werden ihre Ansichten und Arbeitsprinzipien auf eine harte Probe gestellt.
VALERIA GOLINO ÜBER MIELE Irene ist eine ganz normale Frau aus der heutigen Zeit. Es ist schwierig, sich in den verschiedenen Aspekten eines ethischen Problems zu bewegen, für das wir keine wirkliche Lösung kennen, das uns im Einzelfall zur Verzweiflung treibt – und dennoch habe ich mir die Freiheit genommen, keine Stellung zu beziehen. Bei der Arbeit am Film habe ich mich selbst sehr in Frage gestellt. Denn angesichts eines derartigen Themas erscheint es sogar oberflächlich, Erschütterung zu verlangen. Gleichzeitig geht es um komplexe Sachverhalte, bei denen es nicht gelingt, kühl und gleichgültig zu bleiben.
Pressestimmen MIELE, das Regiedebüt der Schauspielerin Valeria Golino, ist von dem Roman »A nome tuo« (In deinem Namen) des Journalisten Mauro Covacich inspiriert. Eine echte Mutprobe, sowohl was die Thematik als auch die beachtlichen Schwierigkeiten der Darstellung anbelangt. Die ebenso schöne wie schroffe Jasmine Trinca spielt die 30-jährige Irene, genannt Miele, die Todkranken beim Sterben hilft. Der Film ist jedoch nicht im Bereich des sozialkritischen Kinos anzusiedeln, das den Zuschauer zu einem Pro oder Contra Sterbehilfe zwingen würde. Golino interessiert sich vielmehr dafür, die verborgenen Winkel der Psyche einer jungen Frau auszuleuchten, die aufgrund ihrer Arbeit als Sterbehelferin ihr eigenes Leben in einem Zustand der Beklemmung und Kälte verbringt. Der Zuschauer muss selbst auf die Frage antworten, die der Film indirekt stellt: Wie geht man mit dem Tabu der Sterbehilfe um? — Valerio Caprara, Il Mattino Das italienische Kino hat eine neue Regisseurin: Valeria Golinos Debüt ist nicht nur aufgrund der Aktualität und Relevanz seines Themas hervorzuheben, sondern auch aufgrund seiner filmischen Qualitäten: Ein fast minimalistisches Drehbuch von Valia Santella und Francesca Marciano, dessen erzählerische Spannung zu keinem Zeitpunkt nachlässt, eine nüchtern-solide Regie,
große darstellerische Leistungen vor allem der beiden Hauptfiguren, dargestellt von Jasmine Trinca und Carlo Cecchi in Bestform und eine kluge Wahl von bewusst anonymen Drehorten, die unterschwellig von einem kleinbürgerlichen Italien auf der verzweifelten Suche nach Werten erzählen. Ein Film, der also gar nicht wie ein Erstlingswerk wirkt. Das wiederholt man immer wieder, wenn ein Debüt überzeugt. Und Valeria Golino hat mit MIELE einen wahrlich mutigen Film gedreht, der überzeugt. — Alberto Crespi, l‘Unità
VALERIA GOLINO (Neapel, 1966) debütierte
mit 16 Jahren als Schauspielerin in Lina Wertmüllers SCHERZO DEL DESTINO IN AGGUATO DIETRO L’ANGELO COME UN BRIGANTE DA STRADA (1983). Für ihre Rolle in STORIA D’AMORE (1986) von Citto Maselli wurde sie auf dem Filmfestival von Venedig als beste Schauspielerin ausgezeichnet. 1988 spielte sie an der Seite von Dustin Hoffman und Tom Cruise in Barry Levinsons Film RAIN MAN. In Amerika arbeitete sie auch mit Sean Penn und John Carpenter, in Italien u.a. mit Antonio Capuano, Ferzan Ozpetek, Giuseppe Piccioni, Gabriele Salvatores und Silvio Soldini. Ihr Regiedebüt gab sie 2011 mit dem Kurzfilm ARMANDINO E IL MADRE. MIELE (2013) ist ihr erster abendfüllender Spielfilm.
Samstag, 06.12. 18:00 Uhr
Montag, 08.12. 18:00 Uhr
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PICCOLA PATRIA Kleines Vaterland Italien 2014 · 111 Minuten · OmeU Regie: Alessandro Rossetto Drehbuch: Caterina Serra, Alessandro Rossetto Kamera: Daniel Mazza Schnitt: Jacopo Quadri Musik: Paolo Segat, Alessandro Cellai, Maria Roveran Ausstattung: Fenza Mara Calabrese Produktion: Gianpaolo Smiraglia, Luigi Pepe für Arsenali Medicei, Jump Cut Darsteller: Maria Roveran (Luisa), Roberta Da Soller (Renata), Vladimir Doda (Bilal), Diego Ribon, Lucia Mascino, Mirko Artuso, Nicoletta Maragno, Matteo Cili, Giulio Grogi, Drival Hajdaraj
INHALT Luisa und Renata leben in einem kleinen Dorf im Nordosten Italiens. Die lebhafte, ungehemmte und unkonventionelle Luisa hat eine Beziehung mit dem Albaner Bilal; Renata ist unsicher und liebesbedürftig, aber auch zornig und rachsüchtig. Beide träumen davon, aus der kleinen Gemeinde, in der sie aufgewachsen sind, auszubrechen. Sie wollen ihr bisheriges Leben, umgeben von frustrierten Familien und einer neuen Generation von Migranten, Richtung China verlassen. Doch dafür brauchen sie Geld – und sie versuchen, durch Erpressung an das nötige Startkapital für ihr neues Leben zu gelangen. Eine Entscheidung, die eine Tragödie auslöst, die das Leben aller zu ruinieren droht.
ALESSANDRO ROSSETTTO ÜBER PICCOLA PATRIA Mein Film könnte überall in Italien spielen, aber ich habe meine Geschichten im Nordosten Italiens gesucht und gefunden. Hier liegen die Atmosphäre, die Sprache, die Gesichter und die Charaktere begründet. Mein Ansatz war äußerlich, angefangen mit einem Drehbuch, das jederzeit über den Haufen geworfen werden konnte. Ich habe mich der Improvisation und Beobachtung geöffnet und so die Figuren in PICCOLA PATRIA gestaltet. Der darin erzählte Konflikt liegt zwischen zwei Welten: die der lebendigen, sinnlichen, freien der beiden Mädchen, und die der bewegungslosen, resignierten, doppelzüngigen Welt der
Erwachsenen. Und dennoch verbindet beide Welten etwas, es ist ein dunkler Bereich, eine Erinnerung, die die Körper der Mädchen gezeichnet hat und die unausgesprochen bleibt.
Pressestimmen Wer bislang über das Fehlen von Realität im italienischen Kino klagte, wird nun seine Meinung ändern müssen. Auch wenn nach wie vor Komödien gedreht werden, erzählen derzeit viele aktuelle Filme von Krisen, Arbeitslosigkeit und sozialen Notlagen. Es ist ein erschreckendes Bild des Nordostens, das Alessandro Rossetto in seinem ersten Spielfilm zeichnet, häufig mittels Luftaufnahmen, die ein trostloses Bild der Landschaft und der Natur zeigen. Doch auch die menschliche Natur, von der er in seinem Film erzählt, ist genauso schlimm: Zwischen der sonntäglichen Messe und fremdenfeindlichen Versammlungen ist die einzige Sache die zählt das Geld. Mit PICCOLA PATRIA hat Alessandro Rossetto einen glaubwürdigen und beunruhigenden Film gedreht. — Roberto Nepoti, la Repubblica
Mit PICCOLA PATRIA gelingt es Alessandro Rossetto, der bislang Dokumentarfilme gedreht hat, die feinen Risse in unserem Land zu erforschen. Er führt uns in einen Nordosten mit unbestimmten Grenzen, in dem Land und Stadt aufeinander prallen. Und Alessandro Rossetto weiß, wohin er seinen Blick lenken muss um Geschichten zu finden, die von der Wirtschaftskrise, der krampfhaften Suche nach einem Schuldigen für die gegenwärtige Lage, aber auch von Träumen erzählen. — Cristina Piccino, Il Manifesto
ALESSANDRO ROSSETTO (1963, Padua) studier-
te Film und Anthropologie in Bologna und Paris. 1997 drehte er seinen ersten Dokumentarfilm IL FUOCO DI NAPOLI, es folgten BIBIONE BYE BYE ONE (1999), CHIUSURA (2002), FELTRINELLI (2006) und RAUL (2007). 2010 widmete ihm das New York Documentary Film Festival eine Retrospektive. PICCOLA PATRIA (2014) ist sein erster abendfüllender Spielfilm.
Sonntag, 07.12. 19:00 Uhr
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Zu Gast: Ottavia Nicolini
SACRO GRA Das andere Rom
nur wenige Meter neben den vorbeirasenden Autos. Welten in Bewegung, die sich kreuzen, ohne voneinander etwas zu ahnen. Bevor ich mit dem Filmen begann, gab es einen langsamen Prozess der Annäherung an die Menschen und ihre Geschichten. Es dauerte Monate, die richtige Distanz zwischen Subjekt und Kamera auszuloten, herauszufinden, aus welchem Winkel man filmt, wie die Einstellung sein muss. Wenn ich dann endlich mit dem Drehen beginne, lösen sich alle Zweifel in Luft auf. In diesem Moment gibt es nur mich und die Wirklichkeit, selbst die Kamera scheint in meinen Händen zu verschwinden.
+ VORFILM TANTI FUTURI POSSIBILI. CON RENATO NICOLINI Die ewige Zukunft
Italien 2013 · 93 Minuten · OmU Dokumentarfilm Regie: Gianfranco Rosi Drehbuch: Gianfranco Rosi, nach einer Idee von Nicolò Bassetti Kamera und Ton: Gianfranco Rosi Schnitt: Jacopo Quadri Produktion: Marco Visalberghi für DocLab
INFO Beim Filmfestival von Venedig 2013 wurde SACRO GRA, als erster Dokumentarfilm überhaupt, mit dem Goldenen Löwen als Bester Film ausgezeichnet.
INHALT Es gibt das Rom der Paläste, Gärten und historischen Sehenswürdigkeiten. Und es gibt ein ganz anderes Rom, abseits vom Zentrum und allen Touristenattraktionen, das Rom der Vororte, entlang des riesigen Autobahnrings, des »Grande Raccordo Anulare« (GRA), der die italienische Hauptstadt auf 70 Kilometern Länge umgibt. Entlang dieser Tangente macht sich Gianfranco Rosi auf die Suche nach den Menschen und erzählt ihre Geschichten. Der Biologe Francesco führt einen verzweifelten Kampf gegen gefräßige Käfer, die Italiens Palmenhaine bedrohen. Zwei ältere Prostituierte warten an der Autobahn unverdrossen auf Kundschaft. Der Fischer Cesare sorgt sich um die Zukunft der einheimischen Aale. Ein Rettungssanitäter birgt täglich neue Unfallopfer. Und dann ist da der verarmte Adelige Paolo, der mit seiner erwachsenen Tochter auf engstem Raum in einem Hochhaus lebt und uns durch seine kauzige Art umgehend ans Herz wächst.
GIANFRANCO ROSI ÜBER SACRO GRA Der GRA, dieser niemals abschwellende Strom aus Autos und seine Anwohner sind eine Realität, die förmlich danach schreit, gesehen und erkundet zu werden. Sie enthüllt Widersprüche, bei denen der Zuschauer vor Staunen mit offenem Mund dasitzt: Ein Franziskanermönch fotografiert auf dem Seitenstreifen den Himmel; Schafsherden grasen
Pressestimmen Die Autos rasen vorbei, die Jahreszeiten wechseln. Sacro GRA ist ein einzigartiger Film, sowohl vom Aufbau als auch von der Umsetzung. Stellenweise scheint er gar das Gegenstück zu Paolo Sorrentinos LA GRANDE BELLEZZA zu sein. Als wären die Feste, die Terrassen, Toni Servillos Irrfahrten durch Rom in diesem urbanen Mosaik ohne Mittelpunkt, ohne Bewusstsein, ohne Grenzen aufgegangen. Als wäre der GRA inzwischen auf tragische Weise endgültig zur Via Veneto unserer Zeit geworden. SACRO GRA ist mehr als ein Film, es ist ein Epos der Bilder. Ein Epos, in dem Fetzen von Geschichten auftauchen, Bruchstücke von Existenzen, deren Profil wir niemals wirklich erfassen werden. — Fabio Ferzetti, Il Messaggero
GIANFRANCO ROSI (1964, Asmara/Eritrea),
studierte Film an der New York University Film School. Nach einigen Kurzfilmen entstand 1993 sein mehrfach prämierter Dokumentarfilm BOATMAN, gefolgt von BELOW SEA LEVEL (Unter dem Meeresspiegel, 2008) und EL SICARIO – ROOM 164 (2010), das Aufsehen erregende Porträt eines Auftragskillers. Für SACRO GRA (2013) wurde er beim Filmfestival von Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet.
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Italien 2012 · 33 Minuten · OmeU Dokumentarfilm · Regie und Kamera: Gianfranco Rosi · Schnitt: Jacopo Quadri · Produktion: Doclab e La Femme Endormie, unter Beteiligung von Rai Movie · Mitwirkende: Renato Nicolini
INHALT Ein später Sommernachmittag im Jahr 2011: Renato Nicolini sitzt in Gianfranco Rosis Minivan, den der Regisseur für seine Aufnahmen benutzt, und fährt auf der römischen Ringstraße Grande Raccordo Anulare. Hinter seinem Rücken zieht der Verkehr in einem unaufhörlichen Fluss vorbei, so wie die plötzlich aufsteigenden Gedanken und Beobachtungen, denen Nicolini in freier Assoziation folgt.
HINTERGRUND Aus Gianfranco Rosis Vorbereitungen für seinen Film SACRO GRA entstand ein kurzer Film, der Renato Nicolini, Architekt und Kulturdezernent der Stadt Rom von 1976 bis 1985, gewidmet ist. TANTI FUTURI POSSIBILI erzählt von Nicolinis Reise auf dem GRA, diesem unendlichen Straßenring, der die ewige Stadt umgibt. Wie ein Charon, ein mythologischer Fährmann, lässt Nicolini während seiner Fahrt die Geschichte und Auswirkungen des Baus dieser gigantischen Straße an sich vorüberziehen.
Montag, 01.12. 18:00 Uhr
Mittwoch, 03.12. 20:30 Uhr
Neues italienisches Kino
nisches Gericht bezieht: Spaghetti sind einfach, günstig, ein Arme-Leute-Essen, wenn man so will. Aber genau aus diesem Grund voller Kreativität, Geschmack und Leidenschaft.
SPAGHETTI STORY
Pressestimmen
Italien 2013 · 82 Minuten · OmU Regie: Ciro De Caro Drehbuch: Ciro De Caro, Rossella D’Andrea Kamera: Davide Manca Schnitt: Alessandro Cerquetti Ausstattung: Rocco Reida Musik: Francesco D’Andrea Produktion: Pier Francesco Aiello, Andrea De Liberato für PFA Films, Enjoy Movies Darsteller: Valerio Di Benedetto (Valerio), Cristian Di Sante (Scheggia), Sara Tosti (Serena), Rossella D’Andrea (Giovanna), Deng Xueying, Tsang Wei Min
INHALT Die vier Freunde Valerio, Scheggia, Serena und Giovanna brennen darauf, etwas aus ihrem Leben zu machen. Valerio hält sich für einen guten Schauspieler, muss sich aber mit kleinen Rollen über Wasser halten. Scheggia lebt noch bei seiner Großmutter, strebt jedoch eine »höhere Position« an. Serena ist Studentin, will aber eigentlich mit Valerio eine Familie gründen. Giovanna ist Masseurin, träumt aber von einer Karriere als Chefköchin. Sie alle hoffen auf den großen Durchbruch, doch der lässt auf sich warten. Dann tritt Mei Mei in ihr Leben, eine junge chinesische Prostituierte, die in Schwierigkeiten steckt, und plötzlich verändert sich alles.
CIRO DE CARO ÜBER SPAGHETTI STORY In SPAGHETTI STORY wollte ich meine eigene Generation darstellen. Es ist ein Low-Budget-Film über junge Leute, deren Horizont begrenzt ist, die in ihrem Inneren aber voller Lebenslust stecken und alles andere als Spießer sind. Obwohl sie in Probleme verstrickt werden, die größer sind als sie selbst, kommen sie denjenigen zu Hilfe, die sich in Not befinden. SPAGHETTI STORY repräsentiert meine Generation nicht nur über die Handlung, sondern vor allem auch über seine Machart. Es ist ein einfacher Film, gedreht in nur elf Tagen, mit Schwierigkeiten und unvorhergesehen Zwischenfällen, und mit Equipment, das im Kofferraum eines normalen Autos Platz findet. Es ist kein Zufall, dass der Titel sich auf ein uritalie-
Wer eine Alternative zu den üblichen oberflächlichen Komödien sucht, wer das italienische Kino und vor allem seine Independent-Produktionen liebt, wird in SPAGHETTI STORY ganz auf seine Kosten kommen. Ein kleiner autarker Film, eine gleichzeitig ironische und feinfühlige Komödie des römischen Regisseurs Ciro De Caro, Jahrgang 1975. Sein Spielfilmdebüt ist ein Porträt der Generation der heute Dreißigjährigen, die in Zeiten der Unsicherheit und Krise leben. Ein vielversprechender Erstling. — Gabriella Gallozzi, l‘Unità Eine ebenso authentische wie unterhaltsame Komödie. Ciro De Caro beschreibt die Jugend äußerst realistisch, beginnend bei vielen Alltagsdetails und den fehlenden Berufsaussichten einer ganzen Generation. Treffsicher stellt De Caro
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die Mischung aus Erniedrigung und Apathie dar. Wir sehen die Folgen einer für ein ganzes Land surrealen und befremdenden Situation. Denn Valerio und Scheggia sind, ebenso wie Serena und Giovanna, anständige Menschen, die so gut wie eben möglich auf die Ungerechtigkeiten ihrer Lebensumstände reagieren. Niemand in SPAGHETTI STORY hat einfach nur Recht, alle tasten sich irgendwie vorwärts, so wie der Großteil der Italiener angesichts der Krise. Es ist das Alter der Protagonisten, das dieses perspektivlose Umherirren so dramatisch macht. Denn, so erinnert sich Valerio: »Mein Vater hatte mit 29 schon zwei Kinder und eine sichere Arbeit.« — Paola Casella, MyMovies
CIRO DE CARO (1975, Rom) drehte nach
seinem Abschluss in Kommunikationswissenschaften verschiedene Kurzfilme und Musikvideos und führte Regie bei zahlreichen Werbespots. Mit der Komödie SPAGHETTI STORY (2013) gibt er sein Debüt als Spielfilmregisseur.
Freitag, 05.12. 18:00 Uhr
Samstag, 06.12. 22:30 Uhr
Neues italienisches Kino
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TUTTI CONTRO TUTTI Jeder gegen Jeden Italien 2013 · 90 Minuten · OmU Regie: Rolando Ravello Drehbuch: Massimiliano Bruno Rolando Ravello nach einem Theaterstück von Massimiliano Bruno Kamera: Paolo Carnera Schnitt: Clelio Benevento Ausstattung: Alessandro Vannucci Musik: Alessandro Mannarino Tony Brundo Produktion: Domenico Procacci für Fandango Darsteller: Rolando Ravello (Agostino), Kasia Smutniak (Anna), Marco Giallini (Sergio), Stefano Altieri (Opa Rocco), Raffaele Iorio (Lorenzo), Agnese Chinassi (Erica), Lidia Vitale (Romana), Flavio Bonacci, Antonio Gerardi
INHALT Der Arbeiter Agostino lebt mit seiner Frau Anna, seinen Kindern Erica und Lorenzo, seinem Schwager Sergio, dessen Frau Romana, deren Kindern und dem griesgrämigen Großvater Rocco in einem kleinen Haus am Stadtrand Roms. Als die ganze Familie eines Tages von der Erstkommunionsfeier Lorenzos nach Hause zurückkommt, muss sie feststellen, dass ihr Haus besetzt ist. Kurzentschlossen zieht die Familie auf den Treppenabsatz vor der Wohnung – ein erbitterter Kampf um das Recht auf ein Dach über dem Kopf beginnt.
Rolando Ravello Über tutti Contro tutti Das Projekt entstand vor sieben Jahren, als der echte Agostino mich anrief und berichtete, dass man ihm sein Zuhause gestohlen hatte. Gemeinsam mit Massimiliano Bruno dachte ich sofort an eine Komödie über die Schlachten, die man in der heutigen Zeit auszutragen hat. Unser Ziel war es, die Realität so darzustellen, dass man über sie lachen kann, mit Ironie, wie wir Italiener es am besten können. TUTTI CONTRO TUTTI erzählt von Dingen, die mir wirklich am Herzen liegen. Ich mag Leute, die vom Pech verfolgt sind. Irgendwie kann ich mich in sie hinein fühlen. Es hat sechs Jahre gedauert, diesen Film zu drehen, aber ich glaube, es war die Mühe wert.
Pressestimmen TUTTI CONTRO TUTTI behandelt ein dramatisches Problem: das Recht auf ein Dach über dem Kopf. In einem Land, in dem die Wohnungsmieten – ganz zu schweigen von den Kaufpreisen – für viele unerschwinglich sind, gibt es darauf bei weitem keine Garantie. Rolando Ravellos Komödie berührt den Kern dieses Missstandes mit zurückhaltendem Humor und einem liebevollen Blick auf die kleine Welt ihrer gutherzigen Protagonisten, die durch den zunehmenden sozialen Verfall ihrer Umgebung in Schwierigkeiten geraten. — Alessandra Levantesi, La Stampa TUTTI CONTRO TUTTI ist das Regiedebüt des Schauspielers Ravello, den wir aus vielen Filmen Ettore Scolas kennen. Dieses Debüt hat eine Geschichte. Anfangs handelte es sich um ein von einem realen Fall inspiriertes Theaterstück von Massimiliano Bruno, der auch das spätere Drehbuch für den Film geschrieben hat. Es trug den Titel »Agostino«, den Namen des Protagonisten, der von Ravello selbst gespielt wurde. Danach drehte Ravello einen Dokumentarfilm über das gleiche Thema. Es ist faszinie-
rend, mit einem Abstand von mehr als 60 Jahren erneut TOTÒ CERCA CASA anzusehen, der die Wohnungsnot nach dem Krieg thematisierte. Auch deshalb, weil in TUTTI CONTRO TUTTI die Stilmittel der Komödie nur sparsam eingesetzt sind, scheint der Film uns zu sagen: »Ich will euch unterhalten und zum Lachen bringen und gebe mir auch wirklich alle Mühe, aber leider gibt es wenig zu lachen.« Vor allem diejenigen, die selbst von sozialen Problemen betroffen sind, erleben eine Situation wie in einem Schützengraben, in dem nur die gegenseitige Hilfe und der Zusammenschluss verloren gegangen sind. Hier heißt es, jeder für sich und gegen alle anderen. — Paolo D‘Agostini, la Repubblica
Rolando Ravello (1969, Rom) begann sei-
ne Karriere als Moderator von Kindersendungen, bevor er in Ettore Scolas Filmen ROMANZO DI UN GIOVANE POVERO (1995) und LA CENA (1998) sein Kinodebüt feierte. 2006 spielte er die Hauptrolle in der TV-Verfilmung IL PIRATA: MARCO PANTANI. Zwischen 2008 und 2011 war er einer der Protagonisten der Serie LA SQUADRA, parallel arbeitete er am Theater. TUTTI CONTRO TUTTI (2013) ist sein Debüt als Regisseur.
Einführung Hommage Giuseppe Tornatore
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Blicke, Bildausschnitte, Visionen: Giuseppe Tornatore Giovanni Maria Rossi Giuseppe Tornatore vertraut sein Kino sowohl den individuellen als auch den kollektiven Fragmenten der Erinnerung an, um die Zeit anzuhalten und filmisch aufzuzeichnen. Er konstruiert einen »Bildteppich«, in dem sich »Geruch, Licht, Empfindungen, Episoden, Gesichter, Klänge, Sätze, Handlungen« mischen, aber die filmische Erzählung wird der eigenen Masse an Geschichten und Erfahrungen aus der Distanz entnommen – in Tornatores Fall der in Sizilien verbrachten Kindheit und Jugend und den Geschichten derer, die ihm in der ersten Hälfte des Jahrhunderts vorausgegangen sind. Eine Rückkehr auf die Insel jedoch ist unmöglich oder zu schmerzhaft geworden.
Giuseppe Tornatore bei den Dreharbeiten zu BAARÌA ≥ S. 30
Die Zeit wiederzufinden ist nicht immer synonym mit der Versöhnung mit den eigenen Wurzeln oder der Sehnsucht, eine untergegangene Welt wieder auszugraben. Die Rückkehr des erwachsenen »Odysseus« Salvatore in das Dorf seiner Kindheit in NUOVO CINEMA PARADISO (Cinema Paradiso, IT/FR 1988) bedeutet nur, dass der Untröstliche mit dem Tod und der Vergänglichkeit konfrontiert wird, während der Betrüger Joe Morelli in L’UOMO DELLE STELLE (Der Mann, der die Sterne macht, IT 1995), der kein Sizilianer ist, von dort eine Sammlung gestohlener Porträts, Gesichter, Gesten, Geständnisse und unerzählter Lieben, aber auch Geld und eine uneingestandene Schuld mitbringt. Und Peppino Torrenuova in BAARÌA (Baarìa – Eine
italienische Familiengeschichte, IT/FR 2009) erfährt in dem unendlichen Zeitraum, in dem ein Junge eine Packung Zigaretten holt, wie Jahrzehnte vergangener Geschichte und kleinstädtische Erzählungen wieder lebendig werden, nur um bei seiner Rückkehr aus dem Exil festzustellen, dass niemand seine Abwesenheit bemerkt hat. Die Zeit auf Sizilien ist nicht (mehr) verloren, sie ist zum Stillstand gekommen. Obwohl sich das Gedächtnis und die Erinnerungen seiner filmischen Charaktere von seinen eigenen unterscheiden, setzt Tornatore auch visuelle Prozesse in Gang, die zu einem Schlüssel für die Interpretation seiner filmischen Erzählungen werden. Wenn beispielsweise der Schriftsteller Onoff in UNA PURA FORMALITÀ (IT 1994) bei einem Polizeiverhör in die Zange genommen wird, werden in seiner Erinnerung die Bilder einer möglichen Tat wiederbelebt. Max Tooney, Trompeter der Bordkappelle des Ozeandampfers »Virginia«, in LA LEGGENDA DEL PIANISTA SULL’OCEANO (Die Legende vom Ozeanpianisten, IT 1998) ist der Erzähler und einzige Zeuge der mythischen Geschichte von Novecento und dessen unnachahmlicher Musik. Mit seinen Erinnerungen führt er uns durch die filmischen Bilder und entwirrt das Rätsel, das sie zunächst darstellen. Es ist eine wie in Kreisen erzählte Geschichte, wie eine beschädigte Schallplatte, auf der die Nadel immer wieder an den Anfang einer Melodie
Blicke, Bildausschnitte, Visionen: Giuseppe Tornatore
springt, der Melodie einer Aufnahme, die in einem alten Musikalienladen wiedergefunden wurde: Eine Madeleine aus Schellack, die die Erinnerung wieder zum Leben erweckt. Die Ukrainerin Irena in LA SCONOSCIUTA (Die Unbekannte, IT/FR 2006), die einen riskanten Neuanfang in einem fremden und abweisenden Land wagt, wird von beängstigenden Erinnerungsbildern aus ihrer Vergangenheit heimgesucht, die zerstörerisch, mysteriös und unfassbar zugleich sind. Und der nicht mehr junge Virgil Oldman in LA MIGLIORE OFFERTA (The Best Offer – Das höchste Gebot, IT 2013), der sein Leben in Einsamkeit verbracht hat, um in der Kunst das Echte vom Falschen unterscheiden zu können, wird Opfer eines teuflischen Betrugs und verliert auf einen Schlag sein gesamtes Vermögen sowie seine Selbstachtung. Nach einem Nervenzusammenbruch klammert er sich an einen Satz von Claire, der Frau, die er bloßgestellt hat: »Was auch immer geschieht, meine Liebe ist wahr«. Und an den Namen eines Prager Restaurants, »Night and Day«, das er aufsuchen wird, um dort auf seine große Liebe zu warten und ihr das letzte Kunstwerk zu übergeben, das ihm geblieben ist: das falsche Porträt von ihr. Aber die Erinnerung alleine erzählt keine Geschichten und dreht keine Filme. Es braucht noch eine weitere grundlegende Zutat: den Blick. Schon Ende der
1950er Jahre berauschte sich der kleine Giuseppe Tornatore an den Filmen, die er auf der »magischen Leinwand« des zwei Schritte von seinem Elternhaus entfernten Supercinema sah. Aber seine weit geöffneten, neugierigen Augen gingen auch gerne jenseits der Leinwand flanieren, hinaus auf die verschlungenen Straßen und kleinen Plätze von Bagheria, wo er mit seinem Fotoapparat Jagd auf reale Lebewesen machte. Die Fotografie, die ihn im Laufe seiner beruflichen Karriere stets begleiten würde, war für Tornatore der erste Schritt auf einer Entdeckungsreise in die Realität. Doch diese frühen unbeweglichen Fotografien sollten lebendig werden und die Geschichten, Farben und Klänge einer Erzählung oder eines Märchens annehmen. So musste er sie in Bewegung setzen. Anfang der 1970er Jahre gelang es dem jungen Tornatore, der schon ein erfahrener Filmvorführer war, seinen Traum zu verwirklichen und auf den Straßen von Bagheria mit einer Super 8 Kamera zu filmen. Es war der offizielle Eintritt in das betörende Reich des Kinos, und wenn es stimmt, was der erwachsene Tornatore behauptet, dass der Beginn der Arbeit an jedem Film immer noch den Zauber, die Gefühle, die Ängste und die Überraschungen jenes »ersten Mals« in sich trägt, überrascht es nicht, dass sich Tornatore dieses Staunen und die Reinheit des ursprünglichen Blicks bewahrt hat, und seine Filme lediglich technisch elaborierter, aufwändiger und gehaltvoller geworden sind.
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Giuseppe Tornatore bei den Dreharbeiten zu LA SCONOSCIUTA ≥ S. 31
Einführung Hommage Giuseppe Tornatore
Auch die Protagonisten seiner Geschichten, seien sie distanzierte Reflexionen über persönlich Erlebtes oder autonome Wesen, lernen für die Dauer des Films und auch darüber hinaus »die Welt zu sehen«, oft indem sich der subtile Voyeurismus des Kinozuschauers mit dem expliziteren der Figuren (wie denen in NUOVO CINEMA PARADISO, L’UOMO DELLE STELLE, MALÈNA, LA SCONO SCIUTA, oder BAARÌA) in einem endlosen Spiel aus Spiegelungen überlagert. Für diesen Teil von Tornatores Kino kann sich das Auge als geradezu überflüssig erweisen, da es sich alles Sichtbare schon angeeignet hat. Symptomatisch dafür ist der Ausspruch des Filmvorführers Alfredo in NUOVO CINEMA PARADISO: Da er zwei Drittel seines Lebens im Vorführraum verbracht hat und das wenige, das er von der Welt weiß, der doppeldeutigen Weisheit der Filme entnommen hat, kann er sagen: »Jetzt, wo ich das Augenlicht verloren habe, sehe ich mehr.« In LA LEGGENDA DEL PIANISTA SULL’OCEANO, einem Film, der eine sehr passende Metapher für die Imagination des Menschen ist, fluktuieren die Blicke aller Passagiere in der Luft, sie durchstechen Glasfenster, Mauern aus Wasser und selbst dicke Nebelschichten, die den unwirklichen Umriss der Freiheitsstatue trüben, aber niemand kann sich einen wirklichen Eindruck davon machen, was jenseits der Grenzen des Schiffes vor sich geht. Es ist die kollektive Sehnsucht der
Emigranten und Reisenden erster Klasse, die die Silhouette der New Yorker Skyline vor ihnen erstehen lässt, beinahe wie in einem Akt des Glaubens. Nur Novecento, der sich sein Leben Tag für Tag und Nacht für Nacht im Inneren des stählernen Walfischs eingerichtet hat, vertraut seinem eigenen Blick nicht mehr. Denn als der Augenblick gekommen ist, zwischen Dunkelheit und Licht zu wählen, zwischen der schwimmenden Insel oder dem Festland, der Einsamkeit oder dem flüchtigen Glück der Welt sagt er: »Nicht das, was ich sah, ließ mich innehalten, sondern das, was ich nicht sah.« Und er wählt den Tod. Vielleicht hat auch Giuseppe Tornatore nach und nach erkannt, dass das Auge eines im 21. Jahrhundert lebenden Menschen nicht mehr das von Leonardo Da Vinci ist, der es als »Fenster zur Seele« bezeichnet hat. Das müde umherziehende Auge, getrübt vom Lichterglanz des Großstadtdschungels und von hell erleuchteten Kinos, ist, trotz Sehhilfen, nicht mehr in der Lage, die Konturen und Details der Körper und deren Dissonanz zum Bewusstsein zu fokussieren. Es braucht beständige Pflege und Übung und andere Totòs, Alfredos, Matteos, Amletos, Onoffs, Joes, Dannys, Renatos, Irenas, Peppinos, Virgils und all diejenigen, die gelernt haben, ihren Blick ins Innere zu richten, und dadurch in der Lage sind, auch mit geschlossenen Augen und im Dunkeln zu uns zu sprechen.
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Aus: L’uomo dei sogni. Il cinema di Giuseppe Tornatore, Hrsg.: Marco Luceri und Luigi Nepi, Gruppo Toscano del Sindacato Nazionale Critici Cinematografici Italiani, Edizioni ETS, Pisa 2014.
L’UOMO DELLE STELLE ≥ S. 33
Blicke, Bildausschnitte, Visionen: Giuseppe Tornatore
Giuseppe Tornatore (1956, Bagheria bei Pa-
lermo) arbeitete in Jugendjahren bereits als Fotograf. Seine ersten filmischen Arbeiten waren Dokumentarfilme, daraus resultierte Ende der 1970er Jahre die Zusammenarbeit mit dem Fernsehsender Rai, für den er verschiedene Dokumentationen über Sizilien und bedeutende sizilianische Persönlichkeiten drehte: DIARIO DI GUTTUSO, RITRATTO DI UN RAPINATORE, SCRITTORI SICILIANI E CINEMA: VERGA, PIRANDELLO, BRANCATI, SCIASCIA. 1984 war er an der Realisation von Giuseppe Ferraras Film CENTRO GIORNI A PALERMO (Die hundert Tage von Palermo) beteiligt, zwei Jahre später drehte er mit I CAMORRISTA sein Spielfilmdebüt. Einem internationalen Publikum bekannt wurde er mit NUOVO CINEMA PARADISO (Cinema Paradiso, 1988), der neben vielen anderen Preisen mit dem Oscar als bester fremdsprachiger Film ausgezeichnet wurde. Es folgten die Filme: STANNO TUTTI BENE (Allen geht’s gut, 1989), UNA PURA FORMALITÀ (Eine reine Formalität, 1994), L’UOMO DELLE STELLE (Der Mann, der die Sterne macht, 1995), LA LEGGENDA DEL PIANISTA SULL’OCEANO (DIE LEGENDE VOM OZEANPIANISTEN, 1998), MALÈNA (DER ZAUBER VON MALÈNA, 2000). Nach einer längeren Pause als Regisseur realisierte er 2006 mit LA SCONOSCIUTA (Die Unbekannte) wieder einen Spielfilm und eröffnet 2009 mit BAARÌA (BAARÌA – Eine italienische Familiengeschichte) die 66. Filmfestspiele von Venedig. LA MIGLIORE OFFERTA (The Best Offer – Das höchste Gebot, 2013) ist sein neuester Film.
Giuseppe Tornatore bei den Dreharbeiten zu LA MIGLIORE OFFERTA ≥ S. 29
LA SCONOSCIUTA ≥ S. 31
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Samstag, 29.11. 19:00 Uhr
Hommage Giuseppe Tornatore
LA MIGLIORE OFFERTA The Best Offer – Das höchste Gebot Italien 2013 · 124 Minuten · engl. OmU Regie und Drehbuch: Giuseppe Tornatore Kamera: Fabio Zamarion Schnitt: Massimo Quaglia Musik: Ennio Morricone Ausstattung: Maurizio Sabatini Produktion: Isabella Cocuzza, Arturo Paglia für Paco Cinematografica Darsteller: Geoffrey Rush (Virgil Oldman), Jim Sturgess (Robert), Sylvia Hoeks (Claire), Donald Sutherland (Billy Whistler), Philip Jackson, Dermot Crowley, Liya Kebede
INHALT Der 60-jährige exzentrische Virgil Oldman ist ein genialer und weltweit geschätzter Kunstexperte und Auktionator. Er führt ein ebenso luxuriöses wie einsames Leben. Noch nie ist er eine engere Beziehung zu einem anderen Menschen eingegangen, denn seine ganze Leidenschaft gilt der Kunst. Eines Tages erhält er einen telefonischen Auftrag von Claire, einer jungen Erbin aus reicher Familie, die ihn beauftragt, ihre Sammlung kostbarer Kunstwerke zu schätzen. Beim Besuch in ihrer Villa spricht sie, die an einer mysteriösen Krankheit leidet, jedoch nur durch ein Loch in der Wand eines Zimmers mit ihm. Schon nach kurzer Zeit wird Virgil von einer unstillbaren Leidenschaft für Claire gepackt, die ihn nicht mehr loslässt, und die sein Leben grundlegend auf den Kopf stellt.
GIUSEPPE TORNATORE ÜBER LA MIGLIORE OFFERTA Was mich an LA MIGLIORE OFFERTA am meisten fasziniert hat, ist die Figur des Protagonisten. Anfangs tritt er als ein fast unanständiger Charakter in Erscheinung, um dann allmählich eine Metamorphose zu durchleben, die ihn am Ende zu einem völlig anderen Menschen werden lässt, für den man ein tiefes Mitgefühl, wenn auch kein Mitleid empfinden kann. Der Virgil Oldman, den wir am Ende sehen, ist uns nicht etwa sympathisch, weil er besiegt ist. Denn in Wirklichkeit hat er gewonnen, weil er etwas entdeckt hat, was er vorher nicht
kannte: Er hat zu lieben gelernt. Ja, er hat betrogen, aber er hat etwas viel Wichtigeres und Schöneres kennengelernt. Diese Verwandlung gefällt mir und zugleich hat mich die Herausforderung gereizt, alles aus seinem Blickwinkel zu erzählen.
Pressestimmen Ebenso wie in seinen vorherigen Filmen UNA PURA FORMALITÀ und LA SCONOSCIUTA kehrt Giuseppe Tornatore mit LA MIGLIORE OFFERTA zu dem von ihm geschätzten Genre des psychologisch-metaphysischen Thrillers zurück. Tornatore entwirft in einer ungenannten mitteleuropäischen Stadt (in Wirklichkeit Triest) eine faszinierende Liebesgeschichte zwischen dem neurotischen Virgil Oldman, einem berühmten Auktionator, und einer jungen Frau, die aufgrund einer schweren Agoraphobie eingeschlossen in einer verfallenen Villa voller alter Raritäten lebt. Giuseppe Tornatore erzählt die von der Musik Ennio Morricones wunderbar in Szene gesetzte Geschichte gekonnt und raffiniert wie einen Drahtseilakt voller Suspense – und hält die Spannung bis zum Schluss. Und Geoffrey Rushs Darstellung eines Mannes, der auf dem
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Gipfel seiner Einsamkeit in die Spirale einer unheimlichen Liebesobsession gerät, ist einfach einzigartig. — Alessandra Levantesi, La Stampa LA MIGLIORE OFFERTA ist ein ambitionierter Film, dem es gelingt, die Zuschauer mitzureißen und in die Geschichte hineinzuziehen. Und er zeigt erneut das Können des Regisseurs Giuseppe Tornatore, dem es gelingt, einen klassischen Thriller zu drehen, der seine Spannung bis zum Schluss hält. Wie aber gelingt es ihm, auf einen so leidenschaftlichen und ursprünglichen Film wie BAARÌA scheinbar mühelos einen derart abstrakten Film folgen zu lassen? Wie gelingt ihm die Verbindung zwischen seinen autobiographisch geprägten Autorenfilmen und seinen klassischen Genrefilmen? Es ist sein Wille zur stetigen Veränderung, in jedem Film nach einer Originalität und Wahrheit zu suchen, die er höher schätzt als sich darüber Gedanken zu machen, ob es sich um einen »anspruchsvollen«, »unterhaltenden«, »persönlichen« oder »genrehaften« Film handelt. — Paolo Mereghetti, Corriere della Sera
Sonntag, 30.12. 11:30 Uhr
Hommage Giuseppe Tornatore
BAARÌA Baarìa – Eine italienische Familiengeschichte
von sizilianischen Schwächen verseucht wird. Ich hatte also genügend Zeit, sie alle aufzusaugen. Allen voran sicherlich die Vorstellung, dass der Ort deiner Geburt der Mittelpunkt der Welt ist, noch mehr: die Welt selbst. Und schließlich, aber nicht weniger ernsthaft, die kurzlebige Flucht in deine Erinnerungen, sobald du erkennst, dass die Welt in Wirklichkeit immer woanders war und sich auch ohne dich gedreht hat. Nun, um jene Unschuld zurückzuerobern, die ich an dem Tag verlor, als ich das Schiff aus Sizilien verließ, oder noch schlimmer, um in meinen Schwächen, die ich als Baariòto habe, 20 Jahre lang konsequent zu bleiben, habe ich darüber nachgedacht, einen Film über diese einzigartige und zeitlose Phase meines Lebens zu machen. Die Zeit, als das Universum in der Via Gioacchino Guttuso 114 begann, sich vom Piazza Madrice entlang der Allee des Corso Umberto entfaltete und am Kreisverkehr von Palagonia endete. Es sind alles in allem nur ein paar Hundert Meter. Aber wenn du sie jahrelang auf- und abgehst, kannst du Dinge lernen, die dich die ganze Welt niemals lehren wird.
Italien 2009 · 150 Minuten · OmU Regie und Drehbuch: Giuseppe Tornatore Kamera: Enrico Lucidi Schnitt: Massimo Quaglia Musik: Ennio Morricone Ausstattung: Maurizio Sabatini Produktion: Marina Berlusconi, Tarak Ben Ammar für Medusa Film, Quinta Communications, Exon Film Darsteller: Francesco Scianna (Peppino), Margareth Madè (Mannina), Angela Molina (Sarina) Nicole Grimaudo (Sarina als Jugendliche), Lina Sastri (Die Bettlerin), Salvo Ficarra (Nino), Valentino Picone (Luigi), Gaetano Aronica (Ciccio), Alfio Sorbello (Ciccio als Jugendlicher), Luigi Lo Cascio, Enrico Lo Verso, Nino Frassica, Laura Chiatti, Michele Placido
INHALT BAARÌA erzählt die Geschichte einer sizilianischen Familie über drei Generationen hinweg – vom Stammvater Ciccio, über den Sohn Peppino, bis zum Enkel Pietro – und zugleich fünfzig Jahre italienische Geschichte, ausgehend von der Zeit des Faschismus: Der bescheidene Schäfer Ciccio widmet sich mit Hingabe der Lektüre von Ritterromanen. Während das Land in der Nachkriegszeit in Hunger und Elend versinkt, entdeckt Ciccios Sohn Peppino, dass die Welt voller Ungerechtigkeit ist, er wird glühender Kommunist und engagiert sich in der Politik. Als Peppino der schönen Mannina begegnet und sich in sie verliebt, wird ihre Beziehung aufgrund seiner politischen Tätigkeit von allen bekämpft. Aber manchmal überwinden ein entschlossener Wille und die Liebe alle Hindernisse.
GIUSEPPE TORNATORE ÜBER BAARÌA Laut einer der unzähligen gängigen Etymologien stammt Bagheria von Bab el gherid ab, was auf Arabisch so viel wie »Das Tor des Windes« bedeutet. Doch seit alters her haben wir es immer Baarìa genannt. Baarìa in der Provinz Palermo ist die Stadt, in der ich geboren wurde und bis zu meinem 28. Lebensjahr gelebt habe. Nach Don Fabrizio Salina, dem Prinzen in Lampedusas Roman »Der Leopard«, war ich damit zu alt. Er behauptete, dass junge Männer Sizilien verlassen sollten, bevor sie 17 werden, um zu verhindern, dass ihr Charakter
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Pressestimmen Trotz der vielfach geäußerten Polemik über die hohen Kosten und über die Tatsache, dass Silvio Berlusconi den Film finanziert hat: BAARÌA ist ein schöner Film! Seine Schönheit liegt in seiner erzählerischen Kraft, in seiner Kombination aus monumentalem Minimalismus oder, wie Tornatore es ausgedrückt hat: in seiner epischen Komödienhaftigkeit. BAARÌA erzählt eine große, kollektive und epochale Geschichte, die Geschichte eines Landes und einer Familie. Vor allem aber erzählt BAARÌA die Geschichte der kommunistischen Utopie, anhand der Auswirkungen der Politik auf das Leben einer Familie. — Paolo D’Agostini, la Repubblica BAARÌA ist vermutlich nicht der kostspieligste Film in der Geschichte des italienischen Kinos, aber mit Sicherheit einer der ehrgeizigsten. Das liegt nicht so sehr an der Geschichte, die beinahe fünfzig Jahre, von den 1930er bis in die 1980er Jahre und das Leben zweier Generationen einer Familie umspannt, sondern an Tornatores Willen, das Kino wieder als poetischen Apparat zu begreifen, als Lunte, die zugleich die Fantasie und das Staunen entfacht und das Kino als Ort der kulturellen Vermittlung begreift. Ein beinahe epischer Ehrgeiz, der aber glücklicherweise, ohne Heroismus und leichtfertige Nostalgie daherkommt. Die Inszenierung, die ohne rhetorische Ausschmückungen auskommt und die großartige Regie finden in der Erzählung der Geschichte eines Landes und einer Familie, soziologischen Betrachtungen und Momenten der Zeitgeschichte, realen und erfundenen Ereignissen, Erinnerungen und Reflexionen aufs wunderbarste zusammen. Und am Ende des Films hat der Zuschauer einen Blick in das sizilianische Leben erhascht, gerade so, als wäre er für eine Weile ein Teil davon geworden. — Paolo Mereghetti, Corriere della Sera
Freitag, 05.12. 22:30 Uhr
Hommage Giuseppe Tornatore
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LA SCONOSCIUTA Die Unbekannte Italien 2006 · 118 Minuten · OF mit engl./frz. UT Regie und Drehbuch: Giuseppe Tornatore Kamera: Fabio Zamarion Schnitt: Massimo Quaglia Musik: Ennio Morricone Ausstattung: Tonino Zera Produktion: Medusa, Manigolda Films Darsteller: Xenija Rappoport (Irena), Michele Placido (Muffa), Claudia Gerini (Valeria), Piera Degli Esposti (Gina), Alessandro Haber (Matteo), Clara Dossena (Tea), Angela Molina, Margherita Buy, Pierfrancesco Favino, Nicola Di Pinto, Simona Nobili, Paolo Elmo, Gabriella Barbuti
INHALT
GIUSEPPE TORNATORE ÜBER LA SCONOSCIUTA
wichtiges Thema, über das auch in den Medien sehr viel berichtet wird. Aber in LA SCONOSCIUTA geht es nicht nur darum, sondern auch um den illegalen Handel mit Kindern. Meiner Meinung nach müsste dieses Thema sehr viel mehr Öffentlichkeit bekommen – und vielleicht sorgt ja mein Film dafür. Anfangs habe ich verschiedene Möglichkeiten ausprobiert, diese Geschichte zu erzählen, und mich dann entschlossen, es in Form eines Krimis zu machen. Ich war überzeugt, dass das Geheimnisvolle am besten zum Film passen und es leichter machen würde, sich mit dieser ernsten Problematik auseinander zu setzen. Was die Musik betrifft: Ennio Morricone und ich sind seit mehr als 20 Jahren befreundet. Es macht mich sehr stolz, dass er immer wieder gerne mit mir zusammenarbeitet. Für mich ist es in der Zwischenzeit die natürlichste Sache der Welt, ein Projekt, das ich ins Auge fasse, zunächst mit Ennio zu besprechen.
Fast alle meiner bisherigen Filme waren von einer gewissen Leichtigkeit getragen. Dennoch wechsle ich auch gerne das Genre und die Stilelemente und versuche, andere Erzählweisen zu finden. Solche Veränderungen halten mich wach – und jung. Und gerade in diesem Fall hatte ich das Gefühl, dass die Geschichte eine gewisse Schwere und Ernsthaftigkeit erfordert. Sexuelle Gewalt gegen Frauen ist natürlich ein
Mit LA SCONOSCIUTA hat Giuseppe Tornatore sechs Jahre nach MALÈNA einen Film Noir mit Thriller-Elementen gedreht. Die Erzählperspektive wird bestimmt von einer unheimlichen Atmosphäre in der die unterschwellige Gewalt in jeder Einstellung zu spüren ist. Die zumeist dunklen Bilder werden darüber hinaus unterstrichen durch die
Vor einigen Jahren ist die aus der Ukraine stammende Irena mit einem Koffer voller Geld in einer norditalienischen Stadt angekommen, hat sich eine eigentlich viel zu teure Wohnung gemietet und sich im gegenüberliegenden Haus um eine Arbeit als Haushälterin bemüht – mit Erfolg. Bald schon hat Irena sich in der Familie Adacher unentbehrlich gemacht, doch dann wird klar, dass mit Irena irgendetwas nicht stimmt. Sie entwickelt ein rätselhaftes Interesse an den Familienmitgliedern, vor allem aber an der kleinen Tea, mit der sie sich nach anfänglichen Schwierigkeiten anfreundet. Dass auf Irenas Vergangenheit ein dunkler Schatten lastet, wird umso deutlicher, als eines Tages der finstere Zuhälter Muffa in der Stadt auftaucht und damit eine Spirale von Gewalt und Lügen in Gang setzt, die sich nicht mehr stoppen lässt.
Pressestimmen
fesselnde Musik von Ennio Morricone, der es wie immer meisterhaft vermag, die Anspannung und die Angst der Protagonisten durch an Alpträume und Halluzinationen erinnernden Klangfarben noch zu intensivieren. Die Leistung des gesamten Schauspielerensembles ist fulminant, aber an erster Stelle ist die der russischen Theaterschauspielerin Xenija Rappoport zu nennen, die die Figur der Irena bis ins Innerste erforscht und deren doppeldeutigen Charakter zeigt. Ihr Peiniger wird von Michele Placido verkörpert, der in der Rolle eines Bösewichts brilliert. Insgesamt ist es Tornatore bestens gelungen, seine Darsteller zu Höchstleistungen anzuregen. — Gian Luigi Rondi, Il Tempo LA SCONOSCIUTA ist zugleich psychologischer Krimi und femininer Film noir. Giuseppe Tornatore, einer der begabtesten und vielseitigsten Regisseure seiner Generation, schlägt mit diesem Film eine atemberaubend alptraumhafte Tonart an, die sich in den Augen, Gesten und Handlungen der Protagonisten zeigt, die an zweideutige und unheimliche Wesen auf den Spuren Hitchcocks und Polanskis erinnern. Damit schafft er Verbindungen und Verzweigungen in einer spannenden filmischen Erzählung, die mitunter grausam und hart ist – aber auch daran zeigt sich das visionäre Talent Tornatores in all seinen Facetten. — Valerio Caprara, Il Mattino
Sonntag, 07.12. 11:30 Uhr
Hommage Giuseppe Tornatore
LA LEGGENDA DEL PIANISTA SULL’OCEANO Die Legende vom Ozeanpianisten
gisseur geworden wäre, hätte auch ich mich nur mit Musik beschäftigt. Für Novecento ist Musik eine Möglichkeit, um in Verbindung zu treten, sich den festen Boden, auf den er nie einen Fuß setzen wird, neu zu erfinden. Sein Leben wird so zu einer Allegorie auf die Unsicherheit des Lebens. Vielleicht kommt jeder von uns von einem Schiff, das er eigentlich nie verlassen hat.
Italien 1998 · 165 Minuten · OF mit engl./frz. UT Regie: Giuseppe Tornatore Drehbuch: Giuseppe Tornatore, nach einem Stück von Alessandro Baricco Kamera: Lajos Koltai Schnitt: Massimo Quaglia Musik: Ennio Morricone Ausstattung: Francesco Frigeri Produktion: Francesco Tornatore für Medusa Film, Sciarlò Darsteller: Tim Roth (Novecento), Pruitt Taylor Vince (Max), Bill Nunn (David Boodman), Clarence Williams III (‚Jelly Roll‘ Morton), Mélanie Thierry (Das Mädchen), Gabriele Lavia, Peter Vaughan, Niall O’Brien, Alberto Vazquez, Luigi De Luca
INHALT Am Neujahrsmorgen des Jahres 1900 wird an Bord eines zwischen Europa und Amerika pendelnden Ozeandampfers ein Neugeborenes ausgesetzt. Der Heizer des Schiffs, der den Säugling findet und sich seiner annimmt, gibt ihm den Namen Novecento, zu Ehren des neuen Jahrhunderts, das gerade begonnen hat. Novecento bleibt an Bord und nach dem Tod seines Adoptivvaters wird er von der gesamten Schiffsmannschaft gemeinsam erzogen. Tagtäglich beobachtet Novecento die bunte Welt der Passagiere, die reichen Herrschaften in der ersten Klasse, die Emigranten, die von einem neuen Leben in Amerika träumen und er verliert sich beim Betrachten der Weite des Ozeans. Als er größer wird, entdeckt er seine Liebe zur Musik: Er wird der begnadete und gefeierte Pianist der Bordkapelle und freundet sich mit dem Trompeter Max an. Doch niemals verlässt er das Schiff, das seine Heimat geworden ist.
GIUSEPPE TORNATORE ÜBER LA LEGGENDA DEL PIANISTA SULL’OCEANO Mir hat Alessandro Bariccos Geschichte von Novecento, der als Säugling in einem Korb auf dem Klavier in der ersten Klasse eines Ozeandampfers ausgesetzt wird und dann ausschließlich auf dem Schiff aufwächst, sofort gefallen. Novecento kann weder Noten lesen noch schreiben, aber er spielt auf eine Weise Klavier, wie sie noch keiner gehört hat. Er ist buchstäblich von Musik fasziniert. Wenn ich nicht Re-
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und dessen Meister Fellini war. Von all diesen Momenten finden sich viele in Tornatores Film und man könnte fast von einer Hommage an Fellini sprechen. Mit diesem Film bestätigt Tornatore, dass er ein Regisseur der Ideen und Empfindungen ist, der zugleich von einer Vision des Kinos getrieben wird, das aus Gefühlen, aber auch gestalterischem Willen besteht. — Irene Bignardi, la Repubblica
Pressestimmen Mit LA LEGGENDA DEL PIANISTA SULL’OCEANO stellt sich das Wunder des Kinos ein, wie es stets bei großen Filmen der Fall ist. Nicht allein wegen der gelungenen Inszenierung, vielmehr deswegen, weil dieser Film an die Tradition eines Kinos anknüpft, das es heutzutage kaum mehr gibt: Ein fantastisches, visionäres, wagemutiges, ambitioniertes Kino, das lange Zeit Teil unserer Kultur
Im Grunde erzählt jeder Film von Tornatore von einer großen Obsession. Seine wahrhaftigsten Charaktere haben immer eins gemeinsam: Es sind vom Leben gezeichnete, einsame Menschen, die nicht aus eigenem Antrieb handeln, sondern sich wie Figuren auf einem Schachbrett bewegen. Einer der interessantesten dieser TornatoreCharaktere ist die Figur des Pianisten Novecento. Er sieht, wie das Leben an ihm vorbeizieht, ist aber unfähig, realen Boden zu betreten. Man kann auch sagen, dass Tornatores Film ein Film über Geister ist. LA LEGGENDA DEL PIANISTA SULL’OCEANO ist aber auch ein Film über die Unmöglichkeit zu lieben und zu leben. — Emanuela Martini, Cineforum
Montag, 08.12. 20:30 Uhr
Hommage Giuseppe Tornatore
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L’UOMO DELLE STELLE Der Mann, der die Sterne macht Italien 1995 · 110 Minuten · OmU Regie: Giuseppe Tornatore Drehbuch: Fabio Rinaudo, Giuseppe Tornatore Kamera: Dante Spinotti Schnitt: Massimo Quaglia Musik: Ennio Morricone Ausstattung: Francesco Bronzi Produktion: Rita Cecchi Gori, Vittorio Cecchi Gori für Cecchi Gori Group Darsteller: Sergio Castellitto (Joe Morelli), Tiziana Lodato (Beata), Leopoldo Trieste (Der Stumme), Leo Gullotta (Vito), Franco Scaldati (Wachtmeister Mastropaolo), Nicola Di Pinto (Gemeindebeamter), Tony Sperandeo, Tano Cimarosa, Simona Merito, Clelia Rondinella
INHALT Mit einem klapprigen Kleinlaster und einer Filmkamera zieht Joe Morelli Anfang der 1950er Jahre durch Sizilien und lässt die naiven Dorfbewohner glauben, er sei ein Talent-Scout der Universal Filmstudios in Rom, der Probeaufnahmen für einen geplanten Film machen will – in Wahrheit ist die Kamera leer und Morelli ein Betrüger, der sich lediglich bereichern will und die Gutgläubigkeit der Menschen ausnutzt. So wechseln sich vor seiner leeren Kamera für 1.500 Lire vertrauensvolle Bauern, Kinder, Hausfrauen, Polizisten und Verkäufer ab, immer voller Hoffnung »entdeckt« zu werden. Erst durch die Begegnung mit der schönen Beata beginnt Morelli sein skrupelloses Handeln zu überdenken, doch die Polizei ist ihm bereits auf die Schliche gekommen.
GIUSEPPE TORNATORE ÜBER L‘UOMO DELLE STELLE Sizilien ist die Welt, die ich in mir trage, und die mich inspiriert, denn diese Welt kenne ich am besten und darin kann ich mich wiedererkennen. Wir Sizilianer sind im Grunde alle Träumer und haben etwas, was Luigi Pirandello bereits erkannt hatte: den Mut unsere Gefühle bis ins Extreme zu steigern. Daher nimmt Sizilien in all meinen Filmen eine wichtige Rolle ein, auch in denen, die gar nicht vor sizilianischer Kulisse spielen. Das ist normal. Der Ort, an dem wir geboren und aufgewachsen sind, beeinflusst unsere Art, die Welt zu
schwemmt. Mit diesem Film beschreitet Giuseppe Tornatore einen neuen Weg in seiner Karriere: Er erzählt nicht nur eine einfache Geschichte, sondern zugleich eine gesellschaftspolitische Parabel über Illusionen und den von Wenigen fortwährend begangenen Betrug: »Es muss uns nur einer Reichtum und Erfolg versprechen und wir fallen alle darauf herein.« — Lietta Tornabuoni, La Stampa
sehen. Jeder verdankt dem Ort, an dem er geboren ist und in den ersten Jahren seines Lebens gelebt hat, viel.
Pressestimmen L’UOMO DELLE STELLE erzählt vom Vordringen des Kinos in Landstriche, in denen die Bewohner ganzer Gemeinden die Dialoge aus GONE WITH THE WIND (Vom Winde verweht, 1939) üben, um sich auf ein Vorsprechen vorzubereiten. Wenn sie von sich selbst und ihrem Leben erzählen, wird die Leinwand von einer ergreifenden Flut aus Leidenschaften, unerfüllten Sehnsüchten, Lebensschmerz, Eitelkeit, Buffonerie und dem Bedürfnis, das karge Leben hinter sich zu lassen, über-
L’UOMO DELLE STELLE ist scheinbar eng mit NUOVO CINEMA PARADISO verwandt. In beiden Filmen spielt das Kino eine zentrale Rolle. Aber wo die Geschichte von NUOVO CINEMA PARADISO noch nah am Bildungsroman und dem Melodram angesiedelt ist, beschreitet L’UOMO DELLE STELLE einen ganz anderen Weg und erzählt vom Kino als einem Ort der Sehnsucht – und zeichnet zugleich das Porträt eines »Mannes mit der Kamera«, der dennoch unfähig ist, zu sehen, was direkt vor seinen Augen passiert. Das Sizilien in L’UOMO DELLE STELLE ist nicht nostalgisch, sondern dekadent, nicht sonnig, sondern erdrückend heiß und wirkt fast wie ein Ort des Todes. Auch die Filmausrüstung ist kein Fetisch mehr, sondern ein Sinnbild für das Scheitern sowohl der Hauptfigur, als auch des Kinos, das seine eigentliche Bestimmung längst verraten hat. — Francesco Falaschi, Segnocinema
Samstag, 29.11. 19:00 Uhr
Eröffnung Verso Sud 20
Am 29.11. zu Gast: Giuseppe Tornatore
NUOVO CINEMA PARADISO Cinema Paradiso
Samstag, 06.12. 20:00 Uhr
Hommage Giuseppe Tornatore
Am 06.12.
+ VORFILM LA FLAMME Frankreich 2000. Regie: Ron Dyens. 2 Min. o.D.
Italien/Frankreich 1988 · 123 Minuten · OmeU Regie: Giuseppe Tornatore Drehbuch: Giuseppe Tornatore, Vanna Paoli Kamera: Blasco Giurato Schnitt: Mario Morra Musik: Ennio Morricone Ausstattung: Andrea Crisanti Produktion: Franco Cristaldi für Cristaldi Film Darsteller: Philippe Noiret (Alfredo), Salvatore Cascio (Totò), Jacques Perrin (Totò als Erwachsener), Leopoldo Trieste (Don Adelfio), Agnese Nano (Elena), Pupella Maggio (Maria, die Mutter von Totò), Marco Leonardi (Totò als Kind), Antonella Attili, Enzo Cannavale, Isa Danieli, Leo Gullotta
INHALT Zwei Jahre nach Kriegsende ist in dem sizilianischen Dorf Giancaldo das Kino die einzige Möglichkeit der Unterhaltung. Der alte Filmvorführer Alfredo weiht den zehnjährigen Totò, einen fanatischen Kinogänger und Sohn eines im Krieg Vermissten, in die Geheimnisse des Kinos ein. Als eines Tages Projektor und Film Feuer fangen und Alfredo daraufhin das Augenlicht verliert, übernimmt Totò dessen Arbeit. Totò wird älter und verliebt sich in Elena, doch er erhält einen Einberufungsbefehl und die zahlreichen Briefe, die er an Elena schreibt, bleiben unbeantwortet. Dreißig Jahre später: Totò, der nie wieder in sein Heimatdorf zurückgekehrt ist, ist ein bekannter Regisseur geworden. Eines Tages erhält er die Nachricht vom Tod seines alten Freundes Alfredo und er kehrt heim. Doch er findet alles verändert vor. Sogar das inzwischen baufällige Kino soll abgerissen werden.
GIUSEPPE TORNATORE ÜBER NUOVO CINEMA PARADISO Ich bin 1956 geboren, also rechtzeitig genug, um mitzuerleben, wie die Kinos erfüllt von lärmenden, ausgelassenen Menschen waren. Eine Zeit also, in der der Kinobesuch für alle ein Fest war. In meinem Heimatdorf Bagheria gab es eine Art Nuovo Cinema Paradiso und ich erinnere mich an viele Nachmittage, die ich an der Seite der etwas ignoranten, aber ihren Beruf liebenden Filmvor-
führer im Vorführraum verbracht habe. Diese Vorführer waren es auch, die mich in die Geheimnisse des Films eingeführt haben. Es war herrlich. Kino ist meine Leidenschaft geblieben. Ich habe darüber gelesen, es studiert und von anderen geklaut. Als Kind bin ich den Leuten nachgeschlichen, habe sie ausspioniert und mir fantastische Geschichten über ihre Gesichter ausgedacht. Federico Fellini hat mir einmal gesagt, dass NUOVO CINEMA PARADISO der Film eines 60-jährigen zu sein scheint. Ich habe nie verstanden, ob das ein Kompliment oder ein Vorwurf ist, aber ich weiß ganz sicher, dass in NUOVO CINEMA PARADISO meine ganze Liebe und Leidenschaft für das Kino steckt.
Pressestimmen NUOVO CINEMA PARADISO ist nach IL CAMORRISTA der zweite Film des 32-jährigen Giuseppe Tornatore, der sowohl das Drehbuch geschrieben als auch Regie geführt hat. Entstanden ist ein bemerkenswerter und in weiten Strecken autobiographischer Film, mit dem Tornatore sein Talent als begabter
junger Regisseur beweist. Mit dieser sehr persönlichen filmischen Erzählung erfindet Tornatore die Geschichte des Kinos neu, er feiert darin dessen Mythos und erzählt gleichzeitig voller ironischer und zärtlicher Melancholie von einer großen Freundschaft. Neben den wunderschönen Bildern und einem perfekten Erzähltempo besticht NUOVO CINEMA PARADISO auch durch seine großartigen Schauspieler, allen voran Philippe Noiret in seiner Rolle als Alfredo. — Giovanni Grazzini, Corriere della Sera NUOVO CINEMA PARADISO ist ein exemplarischer und erhellender Film, getragen von einer realistischen und zugleich melodramatischen Geschichte und den Erinnerungen Tornatores an die magischen Orte seiner Kindheit. Somit ist der Film auch eine sehr persönliche Hommage Tornatores an eine Epoche, an Sizilien und an das Kino. Das Gesicht des großartigen Philippe Noiret ist zugleich ein Andenken an eine längst vergangene Zeit, der mythischen Epoche des Kinos. — Sauro Borelli, L’Unità
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Lecture & Film Oktober 2014 bis Juli 2015 im Kino des Deutschen Filmmuseums, Frankfurt
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Die Revolution findet trotzdem statt Das Kino von Pier Paolo Pasolini Das Die von findet trotzdem statt:
Programm November 2014 bis Juli 2015:
Revolution 30.10. Vinzenz Hediger / Frankfurt 06.11.
Rembert Hüser / Frankfurt
20.11.
Klaus Theweleit / Freiburg
18.12.
Toni Hildebrandt / Bern
15.01.
Massimo Fusillo / L’Aquila
22.01.
Luca Caminati / Montreal
05.02.
Thomas Waugh / Montreal
Kino Pier Paolo Pasolini 16.04.
Regine Prange / Frankfurt
30.04.
Bernhard Groß / Braunschweig
07.05.
Veronica Pravadelli / Rom
21.05.
Angela Keppler / Mannheim
11.06.
Hervé Joubert-Laurencin / Paris
25.06.
Ursula Frohne / Köln
09.07.
Cesare Casarino / Minneapolis Beginn jeweils 20:15 Uhr
Gestaltung: Erik Stein, c--y.net/grafik/
Lecture & Film Kino des Deutschen Filmmuseums Frankfurt am Main
Oktober 2014 bis Juli 2015
www.pier-paolo-pasolini.de Die Veranstaltungen finden im Deutschen Filmmuseum, Schaumainkai 41, Frankfurt am Main statt, und bestehen aus Vortrag, Filmvorführung und anschließender Diskussion. Das Lecture-Programm wird ergänzt durch eine Filmreihe mit Werken von Regisseuren, die Pasolini beeinflusst haben, oder die seine Themen aufgriffen – jeweils mittwochs und samstags um 18 Uhr am gleichen Ort. Eine Veranstaltungsreihe der Goethe-Universität (Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft; Institut für Kunstgeschichte; Institut für romanische Sprachen und Literaturen) und des Kinos des Deutschen Filmmuseums im Rahmen der hFMA und in Kooperation mit der b3 – Biennale des Bewegtbildes.
STADT
FRANKFURT AM MAIN
In der Reihe Lecture & Film gehen namhafte internationale Experten der Ansteckungskraft von Pier Paolo Pasolinis Kino auf den Grund und setzten sich in Vorträgen, in Diskussionen und anhand ausgewählter Filme mit Pasolinis Werk auseinander. Das Lecture-Programm wird ergänzt durch eine Filmreihe mit Werken von Regisseuren, die Pasolini beeinflusst, oder die seine Themen aufgegriffen haben – jeweils mittwochs und samstags um 18.00 Uhr im Kino des Deutschen Filmmuseums. Eine Veranstaltungsreihe der GoetheUniversität (Institut für Theater-, Filmund Medienwissenschaft; Institut für Kunstgeschichte; Institut für romanische Sprachen und Literaturen) und des Kinos des Deutschen Filmmuseums im Rahmen der Hessischen Film und Medienakademie und in Kooperation mit b3 – Biennale des bewegten Bildes. www.pier-paolo-pasolini.de
Do 20.11.2014 · 20:15 Uhr Lecture: Klaus Theweleit – Der andalusische Hund von Saló Film: Salò o le 120 giornate di Sodoma (Italien 1975, 145 Min. Omfdu) Do 18.12.2014 · 20:15 Uhr Lecture: Toni Hildebrandt – La sequenza di fiore di carta – Das Subjekt in der Plansequenz und die Allegorie politischer Unschuld Filmprogramm: La sequenza del fiore di carta (Italien 1969, 12 Min. OmeU) Il Vangelo secondo Matteo (Italien 1964, 131 Min. OmeU) Do 15.01.2015 · 20:15 Uhr Lecture: Massimo Fusillo – Mythos und Kino. Über Pasolinis Griechenland Film: Medea (Italien 1969, 110 Min. OmeU) Do 22.01.2015 · 20:15 Uhr Lecture: Luca Caminati – Pasolinis Dritte Welt Filmprogramm: Sopralluoghi in Palestina (Italien 1965, 55 Min. OmU) Le Mura di Sana’a (Italien 1971, 16 Min. OF) Appunti per un film sull’India (Italien 1968, 35 Min. OF) Do 05.02.2015 · 20:15 Uhr Lecture: Thomas Waugh – Queer Pasolini? Film: Teorema (Italien 1968, 105 min. OmeU) Do 16.04.2015 · 20:15 Uhr Lecture: Regine Prange – Das blinde Sehen. Geschichte und Mythos in Edipo Re Film: Edipo Re (Italien 1967, 119 Min. OmeU)
Do 30.04.2015 · 20:15 Uhr Lecture: Bernhard Groß – PPP & MGM. Genre und Serialität bei Pasolini am Beispiel des Decamerone und der ‚Trilogie des Lebens’ Film: Decamerone (Italien 1971, 106 Min. OmeU) Do 07.05.2015 · 20:15 Uhr Lecture: Veronica Pravadelli – Jenseits der Sprache, zwischen den Medien. Über Pasolinis Kurzfilme Filmprogramm: La ricotta (Italien 1962, 40 Min. OF) Che cosa sono le nuvole (Italien 1967 OmeU) La terra vista dalle nuvole (Italien 1967 OmeU) La sequenza del fiore di carta (Italien 1969 OmeU) Do 21.05.2015 · 20:15 Uhr Lecture: Angela Keppler – Reden und sehen lassen. Pasolinis filmische Ethnografie in Comizi d’Amore Film: Comizi d’Amore (Italien 1965, 92 Min. OmU) Do 11.06.2015 · 20:15 Uhr Lecture: Hervé Joubert-Laurencin – Accatone, Bettler des Lebens Film: Accatone (Italien 1961, 116 Min. OmfdU) Do 25.06.2015 · 20:15 Uhr Lecture: Ursula Frohne – La rabbia (1963). Pasolinis Zorn über den Stand der modernen Welt Film: La Rabbia di Pasolini (Italien 1963/2008, 104 Min. OmeU) Do 09.07.2015 · 20:15 Uhr Lecture: Cesare Casarino – Nation, Pigs, and Cha-cha-cha in Pasolinis Mamma Roma Film: Mamma Roma (Italien 1962, 106 Min. OmeU)
Deutsches Filminstitut Deutsches Filmmuseum Schaumainkai 41 60596 Frankfurt am Main www.deutsches-filmmuseum.de
Made in Italy, Rom Ministero dei Beni e delle AttivitĂ Culturali e del Turismo, Rom Istituto Italiano di Cultura, KĂśln