Flieger, Filmemacher, Musiker und Entertainer
Fliegen bestimmt sein Leben. 42 Jahre davon widmete er dem DHV, 25 Jahre führte er dessen Vorsitz. Jetzt gibt er sein Amt weiter. Ein Porträt über Charlie Jöst von Benedikt Liebermeister. FOTOS: CHARLIE JÖST „Dann habe ich abgehoben. Es waren nur 5 Sekunden. Aber die bis dahin schönsten 5 Sekunden meines Lebens. Während des Laufens scheppert der Drachen und liegt mir schwer auf den Schultern. Und plötzlich wird‘s ruhig, ganz ruhig und ein sanftes Rauschen beginnt. So muss es Lilienthal gegangen sein. Der hat bestimmt geweint. Ich hätt‘ auch fast geweint“, beschreibt Charlie seinen ersten Drachenflug. Charlie geht den klassischen Weg eines Flugbesessenen. Als Kind liest er den Struwwelpeter. „Die Geschichte vom fliegenden Robert“ fasziniert ihn am meisten. Aus dem Kopf rezitiert er die ersten Strophen des Gedichts: Wenn der Regen niederbraust, Wenn der Sturm das Feld durchsaust, Bleiben Mädchen oder Buben Hübsch daheim in ihren Stuben. Robert aber dachte: Nein! Das muss draußen herrlich sein! – Der Sturmwind erfasst Robert samt Regenschirm und bläst ihn zu den Wolken empor. Das imponiert dem jungen Charlie. Da will er auch hin. Wo der Wind sie hingetragen, Ja! das weiß kein Mensch zu sagen. Die Moral von der Geschicht‘ interessiert ihn nicht. Beim nächsten Sturm packt er Opas Regenschirm und eilt nach draußen. Weit kommt er nicht, die erste Böe stülpt den Schirm komplett um und bricht mehrere Speichen. Das anschließende Donnerwetter ist groß. Die Sehnsucht bleibt. Modellflieger lösen ausgefeilte Papierflieger ab. Eine wahre Meisterschaft erringt er beim Drachen-Steigenlassen. Der persönli-
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↑↑ Charlie 1990 im Drachen über dem Landeplatz von Greifenburg. Das alte Winter Variometer von 1976, erkannbar am weißen Ausgleichsgefäß, leistet immer noch gute Dienste. ↑ 1968, nach dem ersten Alleinflug mit dem Segelflugzeug neben Fluglehrer Ali Lenz. Der Blumenstrauß aus Feldblumen ist Tradition bei den Segelfliegern.
che Höhenrekord liegt bei 700 – 800 Metern, das Gewicht der Schnur wird von 6 in Reihe hängenden Drachen getragen. Die herbeigerufene Polizeistreife groundet das Unternehmen, der oberste Drachen berührt bereits den kontrollierten Luftraum. Schließlich landet er beim Segelflug, verbringt seine Jugend beim Verein auf dem Flugplatz. Vereinstätigkeit stört ihn nicht, er schätzt die Kameradschaft und das Ausleben der gemeinsamen Leidenschaft. Die Herausforderung ist der Flug in die Wolken. Immer wieder, ein paar Sekunden lang. Scheinbar kein Problem. Als er nach einigen Versuchen die Wolke verlässt und aus dem Cockpit blickt, steht die Sonne unter ihm. Er kann‘s nicht fassen, bisher hat er immer auf die Erde geblickt, das Po-Gefühl in der www.dhv.de