Gut und Böse Aus AnthroWiki Gut und Böse sind keine absoluten Größen, sondern bestimmen sich durch ihre Relation zueinander und zum Entwicklungsgrad der Menschheit insgesamt. Die menschliche Entwicklung, individuell und menschheitlich insgesamt, bedarf des Bösen als notwendigem Gegengewicht zum Guten; nur durch den Ausgleich beider kann das Weltenziel erreicht werden, den Menschen zur Freiheit zu führen, die die Voraussetzung dafür ist, dass der Mensch die Liebe zu entwickeln vermag, was das eigentliche Ziel der Erdentwicklung ist. Der Sündenfall, wie er in der Bibel imaginativ geschildert wird, ist demgemäß nicht nur als Verfehlung des Menschen zu sehen, sondern gibt ihm erst die zur Entfaltung seiner Freiheit notwendige Erkennnis des Guten und des Bösen. Was auf einem Gebiet gut ist, kann auf einem anderen Gebiet böse werden. Kulturspezifische Moralregeln können darum auch nicht beliebig verallgemeinert werden. Für den Menschen kommt es darauf an, dass er bewusst die dem jeweiligen Entwicklungszustand gemäße Wahl trifft - und diese Wahl muss zunehmend eine ganz individuelle sein, entsprechend der von Rudolf Steiner schon in seinem philosophischen Hauptwerk beschriebenen moralischen Intuition als Grundlage für einen wirklichen ethischen Individualismus. So wird der kosmische Kampf zwischen dem Guten und dem Bösen nach und nach zu einer Frage der bewussten menschlichen Verantwortung. Das Böse, nach Rudolf Steiner das fünfte der sogenannten sieben Lebensgeheimnisse, ist ein ursprünglich Gutes, das, anstatt sich weiterzuentwickeln, in seiner unveränderten früheren Gestalt in einem späteren Zeitalter nachwirkt. Böses kann aber auch dadurch entstehen, dass etwas, das erst in einem späteren Zeitalter wirksam werden soll, in unreifer Form zu früh auftritt. Das Böse ist ein zeitversetztes Gutes. Um das Böse zu ermöglichen, mussten gewisse geistige Wesenheiten zum Heil der Gesamtentwicklung das Opfer bringen, in ihrer regelrechten Entwicklung zurückzubleiben. Sie werden dadurch zu Widersachermächten, die aber eben durch ihren Widerstand die Entwicklung insgesamt fördern. So erfolgt die Entwicklung auf Erden stets durch den Zusammenklang des im guten und richtigen Sinn Fortschreitenden mit seiner eigenen Hemmung. Tatsächlich ist die Sache noch etwas komplizierter, denn es gibt nicht nur eine, sondern zwei Arten von Widersachermächten: die luziferischen Wesenheiten wollen den Menschen frühzeitig und noch unreif wieder zur Vergeistigung führen, wodurch aber seine Entwicklung zur vollen Freiheit abgeschnitten würde. Die ahrimanischen Widersacher hingegen wollen den Menschen an das materielle Dasein fesseln und dadurch seine weitere geistige Entwicklung verhindern. Beide sind unverzichtbare Mächte für das Leben des Menschen auf Erden. Er kann und soll sie nicht fliehen, muss aber durch sein Ich bewusst das richtige Gleichgewicht zwischen beiden herstellen. Dazu bedarf er der Hilfe des Christus, der durch sein Ich wirken kann, ohne ihn in seiner Freiheit zu beschneiden, im Sinne des paulinischen Wortes: Nicht ich, sondern der Christus in mir! „Wie müssen wir uns das Zusammenwirken des Guten und des Bösen vorstellen? Wir müssen es uns aus dem Zusammenklingen von Leben und Form erklären. Wodurch wird das Leben zur Form? Dadurch, daß es einen Widerstand findet; daß es sich nicht auf einmal - in einer Gestalt - zum Ausdruck bringt. Beachten Sie einmal, wie das Leben in einer Pflanze, sagen wir der Lilie, von Form zu Form eilt. Das Leben der Lilie hat eine Lilienform aufgebaut, ausgestaltet. Wenn diese Form ausgestaltet ist, überwindet das Leben die Form, geht in den Keim über, um später als dasselbe Leben in einer neuen Form wiedergeboren zu werden. Und so schreitet das Leben von Form zu Form. Das Leben selbst ist gestaltlos und würde sich nicht in sich selbst wahrnehmbar ausleben können. Das Leben der Lilie zum Beispiel ist in der ersten Lilie, schreitet weiter zur zweiten, dritten, vierten, fünften. Überall ist dasselbe Leben, das in einer begrenzten Form erscheint, webend ausgebreitet. Daß es in begrenzter Form erscheint, das ist eine Hemmung dieses allgemein flutenden Lebens. Es würde keine Form geben, wenn das Leben nicht gehemmt, wenn es nicht aufgehalten würde in seiner nach allen Seiten hin strömenden Kraft. Gerade von dem, was zurückgeblieben ist, was ihm auf höherer Stufe stehend wie eine Fessel erscheint, gerade aus dem erwächst im großen Kosmos die Form.