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Königl. Gymnasiums in Rottweil zum
fdjfaffe &es Jtfttfjofres 1871-72. i.
Der Cardinal Nicolaus von Cusa als Mathematiker von
Prof.-Verw. Dr. Schanz.
II.
^tod)rid)fm fißet bas #pma(lum t>om gdjuQaßt 1871-72 von Rektor JOr. SohiieidLerlialiii.
rottwtil. 38. glolß^tfbs 2Sud)t>ttt<fte«f. 1872.
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Zweimal hat die Mathematik im Alterthum ihre Blütezeit erreicht, beidemal in derselben Stadt. Die erste alexandrinische Schale hat den unsterblichen Euklid auf zuweisen, seinen Schüler Archimedes und den gleichfalls in Alexandrien gebildeten Apollonius von Pergä; die zweite alexandrinische Schule mit ihrer vorherrschend arithmetischen und astronomischen Richtung steht zwar weit hinter jener zurück, aber der Abnagest des Ptolemäus gibt einen schlagenden Beweis für das rege und eifrige Studium der Mathematik und Astronomie zu Alexandrien. Aber auch Alexan drien hörte auf, der Sitz der Musen zu sein. Pappus hatte gerade noch zur rechten Zeit die Früchte des griechischen Pleisses gesammelt, sonst wären sie mit vielem anderen im Strudel der hereinbrechenden Wogen untergegangen. Andere Factoren traten in den Vordergrund. Die Völkerwanderung hatte ein neues Ferment in den dem Untergang anheimfallenden römischen Koloss gebracht. Die neuen, alles be fruchtenden Ideen des Ohristenthums beschäftigten die Geister und drängten die mathematischen Studien in den Hinrergrund. Bei den Arabern allein hatte die Mathemathik Zuflucht und Pflege gefunden, um von ihnen auf die neuere Zeit vererbt zu werden. Denn bald wurden die "Werke der genannten griechischen Mathematiker aus dem Arabischen in das Lateinische übersetzt und so die griechische Mathematik, deren Sprache den Abendländern grösstentheils unbekannt war, auf abendländischen Boden versetzt. Man musste den seit 1000 Jahren abgerissenen Faden zuerst wieder anknüpfen, wieder bei den Griechen in die Schule gehen, bevor eine neue Forschung möglich war. „Daher hat man auch in der Mathematik bis zu Ende des 16. Jahr hunderts meistens : Bekanntmachung, Erläuterung, Anwendung dessen, was die Alten geleistet hatten."1) Die Morgenröthe der neu erwachten Wissenschaft hatte bald auch einige Strahlen auf den deutschen Boden gesandt. Manche folgten ihrer Richtung, um in Italien, wo mit den wieder erwachten alten Griechen auch der Stern der Mathematik zu leuchten begann, in die Wissenschaft eingeführt zu werden. Unter den Ersten be gegnet uns Nicolaus von Cusa. Er wurde im Jahre 1401 zu Cues, einem Dorfe am linken Moselufer unterhalb Trier, geboren.2) Seinen ersten Unterricht erhielt er in ') Kästner, Geschichte der Mathematik I, 26. ') Seharpff, der Cardinal und Bischof Nicolaus von Cusa.
1843 S. 11 ff.
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der Schule zu Deventer. Von da gieng er auf die Universität zu Padua. 1) Hier betrieb er besonders das Studium des Rechts, wie er denn auch schon im Alter Ton 23 Jahren das Doctorat der Rechte erhielt. Dass er sich aber auch anderen, nament lich mathematischen Studien hingab, geht aus seiner Freundschaft mit dem Physikus Paulus von Florenz hervor. In der Einleitung zu seiner Schrift de transmutationibus geometricis, die er dem sehr werthen und sehr gelehrten Paulus, der Naturwissen schaft Kundigen gewidmet und zur Beurtheilung übersandt hat, gibt er als Grund hiefür die intime Freundschaft an, durch welche er von Jugend und angehendem Mannesalter an mit ihm verbunden gewesen sei.2) Welcher Art diese Studien ge wesen sind, lässt sich, da weitere Nachrichten darüber fehlen, nur aus den Schriften Cusa's bestimmen. Die mathematischen Schriften bieten übrigens auch wenig An haltspunkte dafür. Sicher ist, dass er mit Euklids Elementen, die damals auf allen Universitäten tractirt wurden, wohl vertraut wurde, denn er citirt dieselben nicht nur wiederholt 3), sondern zeigt auch, dass er in den Geist der Euklid'schen Geometrie eingedrungen ist.4) Ebenso hat er die Schriften Archimeds schon frühe gelesen und später wieder studirt, denn er zeigt schon in seinen frühesten Schriften eine grosse Vertrautheit mit den Sätzen desselben5) und weist in der Schrift de mathematicis eomplementis wieder darauf hin. Er redet im Eingange den Papst Nicolaus V, dem er sie widme!, unter anderem mit folgenden Worten an: „Du hast aufs splendideste mit grosser Sorgfalt die Schriften aller Griechen und Römer, die sich auffinden liessen, zu unser aller Kenntniss gelangen lassen und dabei auch die Geometrie nicht ver nachlässigt, die unsre Vorfahren mit Recht in hohen Ehren gehalten haben. Du hast mir jüngst die geometrischen Schriften des grossen Archimedes, Dir in griechi scher Sprache vorgelegt und dureh Deine Veranlassung ins Lateinische übersetzt, zugesendet. Sie erschienen mir so merkwürdig, dass ich den grössten Fleiss auf ihr Studium verwendete."6) Hieraus darf übrigens, wie schon vorhin bemerkt wurde, ') Fiedler lässt ihn von Deventer ans auf mehrere Universitäten gehen und endlich zu Fadua Doctor der Rechte werden, sagt aber nicht, woher er die Nachricht hat, und da sonst nichts davon bekannt ist, muss sie wohl auf einem Irrthum boruhen (Peurbach und Begiomontan. Eine biographische Skizze. Gymnasialprogramm. Leobschütz 1870. S. 17.) ') Begiomontan sagt von Paulus: „Habes profeoto plenissimam geometrias cognitionem: habes expeditissimam numerorum peritiam, quibus absque rebus sicut compleri non potuerunt htec examina, ita neque limabuntnr :" „Si quisque est, quem . . . mathematicarum decus reternitati consecrare debuit . . unious es intor Italos . . Igitur Nicolao Cusano . . . viro in Omni bus 8cibilibus profundissimo hcBC tua ezsellentia adeo perspeeta est et probata, ut familiaritatis suee maximum participem te faceret (Joan. de Eegiomonte de Quadratura circuli. Nürn berg 1533 S. 29. 56). ') De mat. compl. S. 1005. 1006. 1024 u. s. w. (Basler Ausgabe). ') De conj. IT, 2. ') *. B. De arith. compl. S. 991. ') De math. compl. S. 1004. cf. Scharpff, der Cardinal u. Bischof Nicolaus v. Cusa 1871 S. 302.
- 3 — nicht geschlossen werden, dass er hier den Archimedes zum erstenmal in die Hand bekam und ebensowenig, dass er des Griechischen nicht mächtig war. Denn er sagt selbst das Gegentheil. Ja er bemerkt sogar, dass er griechische Schriften ins Latei nische übersetzte. 1) Seine schon früh verfasste Schrift de reparatione Calendarii zeugt von einer sehr grossen Belesenheit in der mathematischen und astronomischen Literatur und gibt uns ein zuverlässiges Bild seiner bezüglichen Universitätsstudien. Insbesondere beruft er sich oft auf den Almagest 2) des Ptolemäus und auf arabische Astronomen, wie z. B. Albatani u. a. 3) Aber nicht nur durch Leetüre und Studium förderte er seine mathematischen Kenntnisse, sondern auch durch den regen Verkehr, den er, wie auf der Universität, so im späteren Leben mit Mathematikern und Astronomen unterhielt. Seine Bezie hungen zum Physiker Paulus in Florenz wurden schon erwähnt. Welchen Einfluss sie auf den Cardinal ausübten, zeigt der Eingang der gleichfalls dem Paulus gewid meten Schrift de arithmeticis complementis 4) und der Dialog de quadratura circuli zwischen Nicolaus und Paulus, der also beginnt: „Bester Vater, da Du weisstj, dass ich von Jugend an die "Wahrheit gesucht habe, die in der Mathematik besonders hell leuchtet, und wie sehr ich die bis jetzt unbekannte Quadratur des Kreises wünsche, so bitte ich Dich, falls Dir seit der Uebersendung Deiner mir dunkeln und unsichern Bücher über die mathematischen Complemente ein sicherer Weg eingefallen ist, ihn mir mitzutheilen."5) Von nicht geringerer Bedeutung, wenigstens für die spätere Thätigkeit, dürfte das Verhältniss Cusas zu Peurbach und Regiomontan sein. Denn dass diese die Früchte ihrer Studien gegenseitig austauschten, geht unzweifelhaft aus der Schrift de quadratura circuli, welche dem Dialog angehängt ist, hervor, in welcher zweimal auf Peurbach'sche Beweise verwiesen wird6) und welche mit den Worten schliesst: „Man gebe dieses unserm ehrwürdigen, treuen und lieben Meister Georg Peurbach, Astronomen."7) Peurbach selbst rühmt den Cardinal als einen seiner vorzüglichsten Gönner, wohnte bei ihm als er auf seinen Reisen nach Rom kam und wurde nur ungern entlassen. „Peurbachs traetatus super propositiones Ptolemroi de ') De repar. lal. S. 1162. 1163. ') Es ist also nicht richtig, wenn Fiedler (1. c. 1 f.) die astronomischen Kenntnisse und Ein sichten des Cardinals wegen Mangels der Bekanntschaft mit den Werken des Alterthums tief unter denen des Hipparch, Eratosthenes und Ptolemäus stehen lässt. Der Grund liegt viel mehr im Mangel an Zeit für diese Studien. *) „Ex qua re evenit, non sit in ea Martii die hodie tequinoctium vernale, qua erat tempore Foelicis Philosophi, Abracis, Ptolemaei, Abategnii, Alpetragii Thebetis u. 8. w. S. 1155. •) 8. 991. *) S. 1095. „Quia me nosti a puero veritatem quaisivisse." *) Hcec ridetur declaratio undeeimee conolusionis vestree — erit enim illud quod in deeima tu» conclusione dixisti. S. 1100. ') 1. o.
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sinibus et chordis traf mit den gleichen Studien des Cardiuals zusammen und erhielt durch den letzteren wahrscheinlich Anregung und Richtung." 1) Eine Besprechung einer Quadratur des Gardinals beginnt Regiomontan mit den Worten: , Georg, mein gelehrter Lehrer der Mathematik, zeigte mir eine sehr kurze und leicht ausführbare Rectification, welcher er anfangs wegen des Ansehens des Erfinders grossen Glauben beimass."2) Auf dem Sterbebette empfahl Peurbach noch seinem Schüler Regio montan die Vollendung der von ihm begonnenen Bearbeitung des Almagest. Regio montan schreibt darüber: „Als ich den Dahinscheidenden in meinen Armen hielt, waren diess seine letzten Worte : Wenn bei Dir das Andenken deines Lehrers etwas vermag, so vollende das Werk über Ptolemäus, das ich unvollendet zurücklasse; dieses vermache ich Dir, Deine Treue wird mir gewähren, dass ich nach meinem Tode mit dem bessern Theile meines Selbst fortlebend, den Wünschen unsers besten und würdigsten Cardinals Genüge leiste." 3) Und Regiomontan erfüllte den Wunsch Beines sterbenden Lehrers. Er beschäftigte sich aber gleichfalls nicht wenig mit den Schriften des Gardinals. Denn der im Jahre 1533 zu Nürnberg, wo Regiomontan vor seiner Reise nach Italien seine Manuscripte zurückliess, erschienenen Schrift de triangulis ist eine Abhandlung angehängt, welche den Text mehrerer cusanischen Schriften nebst Regimontans Kritik enthält. Auch des letzern Verhältniss zum Physiker Paulus, den er „artium et medicinse celebratissimum et mathematicorum prsectantissimum doctorem" nennt, scheint durch den Cardinal hergestellt worden zu sein, wie auch der Dialeg des Gardinals den des Regiomontan: „De quadratura circuli secundum Nicolaum Cusensem dialogus Joan. de Monteregio" und eine dem Paulus gewidmete Schrift: „In editionem Domini Nicolse de Cusa Cardinalis S. Petri ad Vincula de quadratura circuli. Venetiis. 1464 hervorrief.4) Auffallend bleibt es jedoch, dass Regiomontan während seines Aufenthaltes in Italien nicht mit dem dort zu gleicher
') Soharpff, 1. o. S. 309 f. 5) 1. c. S. 51. J) Encyclopädie Ton Ersch und Gruber, Ar. Peurbach, Dttx, der deutsche Cardinal N. v. C. II. S. 441. ') Die Schrift hat den Titel: Joannes OermanuB Paulo Florentino artium et medicinee doctori celebratissimo ac mathematicorum preestantissimo. S. P. D. Es ist aber keineswegs ein Dialog über die Quadratur des Zirkels mit Rücksicht auf den gleichen Dialog Cusas , wie Scharpff (1. c S. 311 Anm. 1) nach Kästner annimmt, sondern eine Reihe während des Auf enthalts zu Venedig (1464) ausgearbeiteter Aufsätze über die Versuche des Cardinals (1. c 8. 29. 56). Die a. a. 0. citirte griechische Vorbemerkung findet sich S. 44, als Datum ist aber nicht der 29. Juni, sondern der 27. Juni angegeben. Die Daten sämmtlicher Aufsätze sind : 5. Juli, 27. Juni, 6., 8. Juli, 26. Juni, 9. Juli, 26. Juni. Der 29. Juni findet sich erst am Ende. Kästner hat offenbar alles in der Mitte Liegende überschlagen. Auch ist es unrichtig, dass Regiomontan eine leichtere Quadratur suohe, sondern seine Arbeit ist rein kritischer, beziehungsweise negativer Natur«
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Zeit anwesenden Cardinal zusammengetroffen zu sein scheint Wenigstens fand ich in seinen Schriften keine Andeutung davon Die übrigen Lebensverhältnisse des Cusaners stehen in keinem Zusammenhang mit dem Zwecke dieser Abhandlung, wesshalb ich nur zur Orientirung noch beifüge, dass er im Jahre 1448 von Nicolaus V. zur Würde eines Cardinalpresbyters erhoben und im Jahr 1450 zum Bischof von Brixen in Tyrol ernannt wurde. Er starb am 11. August 1864.1) Schon diese innige Beziehung, in welcher Cusa zu den grössten Astronomen und Mathematikern seiner Zeit, Peurbach und Regiomontan, gestanden ist, würden den Versuch einer Darstellung seiner mathematischen und astronomischen Leistungen rechtfertigen. Wenn Regiomontan sich der für die damalige Zeit grossen Mühe2) unterzog, die geometrischen Constructionen des Cardinals zu berechnen, so zeigt dies, dass er die Leistungen desselben nicht gering schätzte Der Cardinal eröffnet in der That die Beihe der grossen Mathematiker und Astronomen, welche die exacten Wissenschaften zu einer wunderbaren Höhe erhoben haben. In allen andern Gebieten hat er Würdigung und Anerkennung gefunden, wie die schon citirten trefflichen Schriften von Domkapitular Dr. Scharpff und von Dr. Düx zeigen, denen sich eine philosophische Abhandlung von Dr. Clemens3) anreiht. Was dagegen über seine mathematischen Schriften geschrieben wurde, ist vollständig unzureichend. Kästner4) kennt nicht einmal alle Schriften und nahm sich auch nicht die Mühe, die bekannten ganz zu lesen. Klügel5) dringt zwar in einigen Punkten tiefer ein, aber ist schon seinem Zwecke nach von einer eingehenden Besprechung weif entfernt. Als beson derer Mangel ist ausserdem bei beiden hervorzuheben, dass sie lediglich die einzelnen Schriften ohne Rücksicht auf das alle beherrschende Prinzip betrachten, wodurch der Werth derselben bedeutend heruntergesetzt wird. Eine Abhandlung von Prof. Dr. Mayr: „lieber das Studium der Mathematik in Süddeutschland im Verlaufe des 15. Jahrhunderts" in den bayerischen Annalen (3. Jahrgg. 1. Hälfte S. 111 ff.) konnte ich trotz mehrfacher Bemühungen nicht erhalten. Da aber Düx, obwohl er sie ge lesen hat, dennoch vollständig dem alten Kästner folgt, so kann sie für die Beurtheilung der cusanischen Mathematik nicht von Bedeutung sein. Die mathematischen Schriften sind der Zeit der Abfassung nach aufgezählt folgende :
') Scharpff, das Leben u. s. w. S. 15a 153. 380. ') Am Ende stehen die "Worte: ,t£Ao$ Toirrou it(>difpa.To<; tov 8vay.oK<oreirov'i 1. c. S. 93. *) Giordano Bruno und Nicolaus t. Cusa 1847. ') Geschichte der Mathematik I 8. 298 ff. 477 ff. 572 ff. •) Math. ■Wörterbuch TV, S. 80 ff. 1*
— 6 — 1) 2) 3) 4) 5) 6)
De geometricis transmutationibus. Sie wurde den 12. Juli 1450 zu Rieti beendigt.1) De arithmeticis complementis. 1450/51. 2) De mathematicis complementis. 1453/54. De quadratura circuli.3) 1457. De sinibus et chordis. 1457. . De quadratura circuli sammt einer declaratio rectilineationis curvse, qua ponitur in primo modo secuadi libelli de matb. compl. Peurbach gewidmet. 1457. 4) 7) Dialogus inter Cardinalem sancti Petri Episcopum Brixinensem et Paulum physicum Plorentinum, de circuli quadratura. 1457. 5) 8) De una recti curvique mensura. Etwa um dieselbe Zeit.6) 9) De mathematica perfectione. 1460. 7)
') Scharpff, der Cardinal S. 298. ') Dass diese vor der Schrift 3 geschrieben ist, setzt auch der Annotator öfter voraus, z. B. 3. 1064. *) Im Eingang bemerkt Cusa, dass ihn ernstere Geschäfte vom Studium der Geometrie abgehalten haben . Doch sei bei einer Unterhaltung zu seinem Vergnügen die Quadratur des Kreises sur Sprache gekommen. Daraus schliesst Scharpff (1. c. S. 307 Anm. 2), dass diese Schrift in die Zeit von 1451/52 falle, da Cusa in dieser Zeit eine Legation in Deutschland hatte und ohne Zweifel mit Peurbach in 'Wien sich über den genannten Gegenstand unterhalten habe. Inhalt lich berührt sie sich mit N. 3 und ist wahrscheinlich ein Auszug daraus. Für die spätere Ab fassung spricht ausserdem der Umstand, dass ihr in allen Ausgaben, auch in der genannten Nürnberger die Stelle unmittelbar vor dem Dialog angewiesen ist, und dass Regiomontan sie in dieser Reihenfolge bespricht und allen eine Quadratur aus der Schrift N. 3 vorangehen liisst. Auch spätere Mathematiker stellen die Schrift N. 3 und den Dialog sammt den annexen Abhandlungen in eine Reihe. Knifft (Inst. geom. sublim. Tubingee 1753 S. 121) entnimmt dem math. "Wörterbuch des Hieronymus, dass der Cardinal Cusa in seinem an Peurbach geschrie benen Buch eine doppelte Quadratur vortrage und nennt die aus N. 3 (S. 1080) und die aus dem Dialog. ') Der Inhalt hat wieder auffallende Aehnlichkeit mit N. 3 und spricht zugleich auch dafür, dass N. 4 an diese Stelle gehört. 4) Am Schlüsse der Basler Ausgabe steht: Finis Brixin» 1547, worin Scharpff einen Druckfehler statt 1457 vermuthete. Dass es sicher dieser Druckfehler ist, geht aus dem mehrfach genannten Werke Regiomontans hervor, welches am Schlüsse die Worte hat : Finis Brixin® 1457. *) Aus der Schrift Regiomontans geht hervor, dass diese sich unmittelbar an die vorhergehenden anschliesst. Inhaltlich steht sie dem Dialog am nächsten. Regiomontan spricht von ihr in einem uns erhaltenen Fragment und lobt Cusa, den „investigatorem diligentissimum rerum secretarum" , dass er „post multoB modos circumferentiam circuli aut ejus medietatem rectificandi, areamque suam quadrandi, sedulo conatus est tradere, quonam pacto arcui quantolibet sequalis reeta designaretur." Darauf folgt die „Aa^tcm? fie'$oo*os toü ev^etv evfbtXav larjv ti? toi; xvxkov Jre£t<p£g6»Gf" (1. c. S. 83). ') Scharpff, 1. c. Diese Schrift ist die letzte, weil vollendetste, da in den früheren wiederholt Zweifel aufgetaucht sind. Der Satz „Scientia quadratura circuli suum finem sortita existit" beweist übrigens nicht (Scharpff 1. c), dass die Schrift de quadratura circuli vorangegangen ist, da dieser Gegenstand in allen Schriften behandelt wird.
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Die astronomischen Schriften sind: 1) Beparatio Calendarii. 1436. J) 2) Correctio tabularum Alphonsi. 3) Stellas inerrantes ex Cardinalis Cusani, Niceni et Alliacensis observationibus supputatse. 4) Catalogus stellarum fixarum ex Cardinaliom Cusani, Niceni et Alliacensis observationibus. 2) Ausserdem findet sich für beide Gebiete noch vieles in den andern Schriften zer streut, wie ich an seinem Orte zeigen werde. Insbesondere ist zur rechten Würdi gung der mathematischen Anschauungen Cusas sein complementum theologicum von grosser Bedeutung. Vor allem soll nun das Prinzip und die Methode Cusas bespro chen werden. Das ganze Lebrsystem desselben in der Theologie und Philosophie wie in der Mathematik beruht auf ein und demselben Prinzip und die Mathematik musste für dasselbe die Beweise leihen, wie umgekehrt aus ihm eine eigenthümliche Behandlung der mathematischen Probleme resultirt. In der Mathematik ist die Wahr heit mehr als in irgend einer Wissenschaft zu finden. Das Abstracte, zu dem die Sätze der Mathematik gehören, hat grosse Festigkeit und Gewissheit. Niemand zweifelt daran, dass in der Mathematik die Wahrheit schneller erreicht werde als in den übrigen schönen Künsten, und desshalb sehen wir, dass diejenigen, welche die Geometrie einmal verkosten, ihr mit bewunderungswürdiger Liebe anhängen, weil eine gewisse Nahrung des intellectuellen Lebens in ihr reiner und einfacher enthalten ist. 3) Daher haben die berühmtesten älteren Philosophen schwierige Untersuchungen nie ohne Beiziehung der Mathematik unternommen. Boethius, Pythagoras, die Platoniker, Aristoteles u. s. w., sie alle kannten den Werth der Mathematik für die Philosophie.1) In der Schrift de conjecturis geht Cusa von der Zahl als der Ent faltung des menschlichen Verstandes aus, um Grosses und bisher Verborgenes daraus abzuleiten. 5) Die Mathematik bildet also die Grundlage und den Ausgangspunkt des ganzen cusanischen Systems und von diesem Gesichtspunkte aus können auch die mathematischen Schriften allein recht gewürdigt werden. Es sind zwar auch die ') In einer Handschrift der Bibliothek zu Wien (5266, 17) fand ich die Aufschrift de emendatione Calendarii. Auch hier fehlt Fiedler wenn er sagt: „Im Jahre 1433 überreichte er den ver sammelten Vätern zu Basel sein Werk: de Concordantia catholica, sowie jenes über die "Ver besserung des Kalenders" (1. c. S. 18). Denn die Schrift schliesst: Tractatus de reparatione Calendarii, recitati in Concilio Basiliensi, collecti anno 1436. Finis. Daraus folgt zwar nicht, dass sie 1436 vorgelesen wurde (Scharpff, Leben S. 10Ö Anm. 1), aber jedenfalls, dass sie erst in diesem Jahre eine einheitliche Schrift wurde. ») Unter diesem Titel sind der von uns citirten Basler Ausgabe zwei Tafeln angehängt. •) Compl. Sh. S. 1107. *) De doct. ignor. I, II. ') I, 4 ff.
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speciellen Resultate mancher derselben nicht zu unterschätzen, aber im ganzen System bekommt auch eine sonst unbedeutende Schrift einen höhern Werth. Der Eingang der Schrift de transm. geom. scheint wohl die Ansicht nahe zu legen, dass Cusa das philosophische Prinzip auf die Mathematik übertragen habe, aber es ist auch blosser Schein. Denn wenn er auch ausdrücklich sagt, dass sich ihm nach unzähligen frucht losen Versuchen der rechte Weg im Hinblick auf das Prinzip, das er in der Schrift über die Wissenschaft des Nichtwissens aufgestellt, geöffnet habe, so ist damit uur ausgesprochen, dass er jetzt jenes Prinzip auf die specielle Mathematik, auf bestimmte Probleme angewandt habe, das Prinzip selbst beweist er auch in der gelehrten Un wissenheit mathematisch und sagt mit klaren Worten, dass nur so ein festes Funda ment gewonnen werden könne. Wenn dieses gelegt sein wird, so wenden wir uns zu den Versuchen der Quadratur des Kreises, um schliesslich die Ansichten Cusas über Bogen und Sehnen zu besprechen.
I.
Prinzip und Methode
Das Prinzip einer jeden Erkenntniss ist für Cusa die Coincidenz der Gegensätze. Sie muss also auch der Leitstern in der Mathematik sein.1) Das Grösste und das Kleinste sind zwar für den Verstand Gegensätze, aber die Vernunft erfasst sie in ihrer höheren Einheit, in ihrer Coincidenz. Das Grösste ist was nicht mehr grösser sein kann und, da es das absolut Grösste ist, auch nicht kleiner. Das Kleinste ist was nicht mehr kleiner sein kann. Da das Grösste dasselbe ist, so eoincidiren beide. 2) Diese Coincidenz ist im Grössten und, wenn dies nicht bekannt ist, im Kleinsten.3) Seinem Begriffe nach ist das Grösste das Unendliche. Lässt man in einem Kreis den Durchmesser zunehmen, so nimmt die Krümmung in gleichem Verhältniss ab. Der grösste mögliche Kreis ist also gar nicht krumm, sondern ganz gerade ; es coineidirt das Kleinste (die kleinste Krümmung) mit dem Grössten (dem Geraden) im Unendlichen. Die unendliche gerade Linie und der Kreis mit unendlich grossem Halbmesser fallen zusammen.4) Der spitze und der stumpfe Winkel sind Gegen sätze ; construirt man aber den kleinsten spitzen und den grössten stumpfen Winkel, so fallen sie in der einfachen Linie zusammen, welche das Prinzip der Winkel ist. 5) So lang das Grösste und Kleinste zwei Dinge sind, hat man noch keineswegs im ') „Intentio est ex oppositorum eoincidentia mathematicam venari perfectionem" S. 1110. „Hrec. si maxime gcripserim, ut videatur potentia artig eoineidentiarum , per quam in omni facultate occulta penetrantnr.* S. 1095. ') De doeta ign. I, 4. *) De transmut. S. 940. ') De doct. ign. I, 13. *) De beryllo 8. 268.
— 9 — Grössten auch das Kleinste gesehen, denn das Grösste ist danu nicht das Grösste und das Kleinste nicht das Kleinste. Wenn also der spitze und der stumpfe Winkel zwei Winkel vorstellen, so sieht man im stumpfen nicht auch zugleich den spitzen. Erst in der einfachen Linie fallen sie zusammen , in ihr hat man nur noch einen Winkel, den grössten und kleinsten, der aber nicht gezeichnet werden kann (non est signabilis) 1) Ebenso fallen das grösste und kleinste Dreieck zusammen, wie aus der Betrachtung der Winkel hervorgeht. Denn man kann nicht sagen, zwei rechte Winkel seien grösser oder kleiner als der grösste und zugleich kleinste Winkel, da der Winkel, so lange er kleiner als zwei rechte ist, nicht der absolut grösste (maximus simpliciter) ist. Jedes Dreieck hat aber drei Winkel, die zusammen gleich zwei rechten sind. Das grösste und zugleich kleinste Dreieck fallen also mit der Linie zusammen.2) Dessgleichen müssen die schlechthin kleinste Sehne, kleiner als welche es keine gibt, und der schlechthin kleinste Bogen sich in einem gemeinsamen Gebiet begegnen, da sonst immer kleinere möglich sind, wie dies bei dem grössten Bogen und der grössten Linie der Fall war, dort haben wir das unendlich Kleine hier das unendlich Grosse. Das Kreisförmige und Gerade coincidiren im Unendlichen, jenes ist also dann selbst gerade. Centrum, Halbmesser und Peripherie sind unendlich. Und weil die Annahme von mehreren Unendlichen einen Widerspruch in sich birgt, so sind Centrum, Halb messer und Umfang ein Unendliches. Die gerade Richtung stellt dasselbe dar, weil sie nicht durch ein Quantum geschlossen wird. Also ist die absolut gerade Linie unendlich, das Krumme kann nicht unendlich sein.3) Von diesem Unendlichen muss man bei jeder Untersuchung ausgehen Denn es ist nicht möglich, im Endlichen eine vollkommene Gleichheit herzustellen. Die Qua dratur des Kreises z. B. ist für die sinnliche Auffassung unmöglich, da es kein ma terielles Quadrat gibt, das einem Kreise nicht ungleich wäre. Die Coincidenz muss daher mit dem Verstand in dem Kreis gesucht werden, der in jedem Polygon gleich ') De beryllo I, 8. a) 1. o. 38. ') Compl. theol. c. 7. Damit ist das Unendliche als dasjenige bezeichnet, was keine Grenzen hat. Freilich kennt der Mathematiker „an der Kreislinie und so vielen andern in sich zurück kehrenden Linien und Flächen" auch keine Grenze (Bolzano, Paradoxien S. 11), allein er kann eine Grenze willkürlich annehmen und von ihr aus die krumme Linie messen. Anfang und Ende fallen zusammen und desshalb eignet sich der begrenzte Kreis mehr zur Betrachtung des theologisch Unendlichen als die begrenzte gerade Linie, deren Anfang, Mitte und Ende von einander entfernt sind. Aus demselben Grund finden wir die Kreisform für schöner und vollkommener und erfreuen uns an derselben. (Compl. th. 7). Ebenso muss jeder Mathematiker zugeben , „dass die Lärge einer nur nach der einen Seite hin begrSnzten , nach der andern aber ins Unendliche fortlaufenden Geraden unendlich gross sei, und gleichwohl durch Zusätze nach der ersten Seite hin vergrössert werden könne" (S. 10 f.), aber die unendliche Linie darf auch diese Grenze nicht haben, sondern muss sich auf beiden Seiten ins Unendliche er strecken. 2
— 10 — ist. Man muss im Geiste zu dem Unendlichen aufsteigen, in dem die Gegensätze zusammenfallen. 1) Bekannter sind diese Sätze aus den Schriften von Giordano Bruno, der sie übri gens von dem Cusaner entlehnt hat, wie ein kurzer Ueberblick darthut: „Welchen grösseren Gegensatz kann es geben als zwischen der geraden Linie und dem Kreise, zwischen dem Geraden und Krummen, zwischen dem spitzen und stumpfen Winkel ? Und hat nicht Cusanus bewiesen, dass dennoch zwischen der kleinsten Sehne und dem kleinsten Bogen, zwischen dem unendlichen Kreise und der unendlichen Linie gar kein Unterschied bestehe? Ebenso fällt der unendlich spitze Winkel mit dem unendlich stumpfen in Eins zusammen."2) Clemens sieht sich diesen an und für sich paradox klingenden Sätzen des Cusaners gegenüber zu der Bemerkung veranlasst, dass bei der Erhebung ins Unend liche die Figuren und ihre Unterschiede nicht bestehen bleiben, so dass ein unend liches Dreieck u. s. w. unmöglich sei; und es zeige sich sogar, bemerkt er, dass auf der Unmöglichkeit des Heraustretens aus dem Endlichen für die Zahlen und Gestalten die ganze Mathematik beruhe , allein das Unendliche sei eben keine Linie und die mathematischen Beispiele sollen nur veranschaulichen, wie in dem Unendlichen alle Gegensätze, alle Figuren und Linien zusammenfallen. Zum Beweise dafür verweist er auf das 4. Kapitel des Complementum theol., aber mit Unrecht, denn dort zeigt der Cardinal nicht, dass er die mathematischen Figuren bloss als Beispiele brauchen wollte, sondern dass man sich von der Figur zum Verstandesbegriff, von den sensibilia zu den intellectualia erheben, dass man die Coincidenz nicht mit den Augen des Fleisches, sondern mit denen des Geistes anschauen müsse, um die Wahrheit zu erkennen. Es ist damit dasselbe ausgesprochen, was der Cardinal an einem andern Ort mit den Worten sagt: „Im Concreten ist dies unmöglich, aber übergetragen auf das höhere Gebiet), wo das Quantum aufbort, sehen wir die Notwendigkeit hievon ein."3) Zum Ueberflusse sagt er selbst, dass er dies auch als für die Mathematik giltig erachte.4), wie er es auch überall ausführt. Dem entspricht auch vollkommen der Weg, den er angibt, um zum Unendliohen zu gelangen. Man habe nichts zu thun, als die Grenze hinauszuschieben, so dass was einen bestimmten Begriff bildete, geistig als unendlich und unbestimmt geschaut werde5) oder, wie er es auch veran
') Compl. th. c. 4. ') De la Causa, princio et uno p. 228 bei Clemens 1. c. S. 35. Bruno nennt den „göttlichen Cu sanus den Erfinder der herrlichsten Geheimnisse der Geometrie" und seine mathematischen Er veise des Zusammenfallens der Gegensätze im Unendlichen „göttliche". 1. c. S. 134. •) Ce doct. ig. I, 14. *) Compl. th. 2. •) 1. c. c. 4.
— 11 — schaulicht, man lässt im Dreieck eine Seite fest und bewegt die gegenüberliegende Spitze ins Unendliche. Ueberträgt er dann auch, um für die Theologie aus der Ma thematik Nutzen zu ziehen, das Unendliche auf Gott, so schadet dies der mathe matischen Betrachtung durchaus nicht, denn so sehr auch das mathematische Unend liche und das theologische Unendliche besonders beim unendlich Grossen zusammenzufliessen scheinen, so darf man sie doch nioht ohne weiteres identificiren. In einem Brief an den Abt in Tegernsee schreibt der Cardinal: „Ich schrieb dieser Tage ein Buch de mathematicis complementis an unsern heiligen Vater, den Papst; es ist etwas ganz Rares (qui rarissimus est); denn alles bisher Unbekannte in der Mathematik wird hier offen dargelegt. Dieser Schrift fügte ich eine andere bei: de theologicis complementis, in welcher ich die mathematischen Figuren auf das theologisch Unend liche übertragen habe." 1) Das scheinbar Paradoxe löst sich somit einfach in die Grundsätze der neueren oder synthetischen Geometrie auf. Nach ihr sagt man von zwei parallelen Geraden, dass sie einen unendlich fernen Punkt, von zwei parallelen Ebenen, dass sie eine unendlich ferne Linie gemein haben, obwohl eine Construction unmöglich ist2), aber eine Vorstellung kann man sich davon machen und die Idee ist für die mathematische Entwicklung von grossem Werth. Von demselben Stand punkte aus sagt man auch, dass die Krümmung des Kreises verschwindet, wenn der Radius unendlich wird und der Kreis mit seiner Tangente zusammenfällt. Desshalb spricht man von Polen und Polaren, von harmonischen Punkten und Linien im Un endlichen. Ein Beschränkung gab Cusa seinem Begriff vom Unendlichen und nicht zu seinem Nachtheil. Er nimmt keine unendliche Zahl an. Jede Zahl ist ein Bestimmtes, jede Grösse hat Grenzen, die dem Unendlichen nicht zukommen können. Nimmt man auch die Zahl noch so gross, es gibt immer eine grössere, also ist keine unendlich. 3) Die unendliche Zahl oder die unendliche Grösse sind Begriffe, die einen Widerspruch in sich selbst haben. Im Bereiche der endlichen Grössen kommt man nie auf ein absolut Grösstes durch progressus oder regressus in infinitum. Zwischen dem End lichen und Unendlichen besteht kein proportionales Verhältniss. Wenn man nichts desto weniger von unendlich grossen Grössen und einer unendlichen Zeit spricht, so ist diese Ausdrucksweise zum mindesten ungenau und wir müssen Cusa recht geben, ') Soharpff, der Cardinal S. 302. *) Am einfachsten ist freilich die Erklärung : „Wenn man sagt, dass Parallellinien sich in einem unendlich fernen Punkte schneiden, so heisst es so viel als sie schneiden sich gar nicht." Reuschle, Ausland, 1872 Nr. 15 S. 340. s) „Si enim numerare possumus decem revolutiones (sc. solis) prateritas, et centum, et mille, et oninos : si qaig dixerit, non onmes esse numerabiles, sed prneessisse infinitas et dixerit unam futuram revolutionem in futuro anno, essent igitur tunc infinit» et una, quod est impossibile." Compl. th. c. 8.
— 12 — wenn er sagt:. „Aeternitas et inünitas motni convenire non posaunt, cujus mensura est tempus: sed ei motui tantuni, cujus mensura est «eternitas." J) In Wirklichkeit hat auch jeder Körper ein bestimmtes Mass, eine bestimmte Zahl. Die Theilbarkeit ins Unendliche ist unmöglich, es muss sowohl ein der That nach seiner Kleinheit wegen Untheilbares als in der Menge eine bestimmte Zahl geben, mag dieselbe uns auch unbekannt sein. Dieses Untheilbare ist das Atom, die Menge aller Dinge aber fallt unter eine bestimmte Zahl; es gibt also eine bestimmte Anzahl von Atomen. Gott hat alles in Zahl, Mass und Gewicht erschaffen. Die Zahl bezieht sich auf die Arithmetik, das Gewicht auf die Musik, das Mass auf die Geometrie. Die Zahl schliesst alles Proportionale in sich. Nicht bloss in der Quantität gilt die Zahl, son dern in allem, was wie immer als Substanz und Accidens zusammenstimmt oder differirt; wesshalb Pythagoras lehrte, alles werde durch die Zahl geordnet und er kannt. Ohne Zahl kann die Vielheit der Dinge nicht bestehen; denn ohne Zahl gibt es keine Unterscheidung, Ordnung, Proportion, Harmonie. Diese Harmonie hört aber sogleich auf, sobald wir die Zahl in aufsteigender oder absteigender Richtung als unendlich denken. Denn dass die Zahl unendlich und dass sie gar nicht ist, kommt auf Eines hinaus. Nach der Verstandesbetrachtung wird das Stätige (continuum) zwar immer wieder in Theilbares getheilt und die Menge wächst ins Unend liche, in Wirklichkeit kommt man aber zu einem untheilbaren Theil, dem Atom.2) Darnach ist auch das zu verstehen, was Cusa über die Zusammensetzung des Stätigen lehrt. Der mathematische Punkt ist untheilbar, aber seine Untheilbarkeit ist mit theilbar (communicabilis indivisibilitas) ; er ist untheilbar nach jeder Art des Seins und der Ausdehnung. Die Arten des Seins für das Stätige sind aber die Linie, die Oberfläche und der Körper. Die Linie participirt an der Untheilbarkeit des Punktes, weil sie nur nach Linien theilbar ist. Jede Linie, sie mag gross oder klein sein, wird in immer wieder theilbare Linien getheilt, ohne dass die Theilung zum Punkte gelangt. Die Oberfläche participirt an der Untheilbarkeit des Punktes, weil sie bloss in Oberflächen zerlegt werden kann. Der Körper endlich hat daran theil, weil er nur in Körper getheilt werden kann. In der Untheilbarkeit des Punktes sind also alle anderen inbegriffen (complicantur)* In diesen ist nichts zu suchen als eine Ent faltung (explicatio) jener. Was man im Körper findet, ist der Punkt oder dessen ') 1. c. "Wie ungenau dadurch die Ausdrucksweirfe wird, zeigt Beuschle, der zu der Behauptung Thomsons und seiner AnhSnger, dass einstens — in unendlicher Zeit — ein allgemeiner Still stand eintreten werde, die Bemerkung macht: „Was in einem unendlioh fernen Zeitpunkt ein tritt, tritt gar nicht ein." Ausland 1. c. ') Jdiota III. de mente o. 9. Diese Ausführung hat viel Aehnlichkeit mit der neueren Atomen hypothese. Er erklärt sich zwar gegen die Lehre der Epikuräerr von den Atomen und vom leeren Baume (de doct. ign I, 11) aber damit ist eine vernünftige atomistische Hypothese nicht ausgeschlossen, für die sich aus des Cusaners Schriften, besonders aus der de staticis experementis manches beibringen Hesse. De doct ign. DI, 13.
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Aehnlichkeit. 1) Dieser ist das innere Prinzip, welches die Untbeilbarkeit mittheilt und abgelöst vom Körper oder von der Oberfläche oder der Linie nicht bestehen kann. Wir haben also hier eine „methodum indivisibilium", von der die Worte Guldins gelten: „Plana illa Kepleriana cum in punctum omnia . . . coirent"2), die aber anderseits doch nicht hindert, alles aus kleinsten Elementen zusammengesetzt sein zu lassen. Es ist eine glückliche Verbindung des mathematischen Unendlichen mit dem philosophischen, der indivisibilia mit den divisilibus oder, wenn wir so sagen dürfen, des quantitativen mit dem qualitativen Unendlichen. Letzteres, das absolut Grösste, ist negativ, d. h. wahrhaft unendlich, das All kann nicht in verneinender Weise unendlich sein, obwohl es ohne Grenzen und desshalb privativ unendlich ist. Gott ist gross in einer Grösse, die alles ist, was sie sein kann, jeder endlichen Grösse Wahrheit und Mass. Daraus erhellt, wie weit Ousa über den Anschauungen seiner Zeit stand. Der Begriff des Unendlichen und Stätigen kommt zwar schon früher vor, aber die ganze Auffassung und Behandlung ist dem Cardinal eigentümlich. Die frühesten Spuren solcher Betrachtungen finden sich im 14. Jahrhundert. Bradwardin hat, wie eine neuerdings von Gymnasiallehrer Curtze in Thorn aufgefundene Hand schrift beweist, einen tractatus de continuo geschrieben3), in dem er die Definitionen gibt: „1. Infinitum cathetice et simpliciter est quantum sine fine. 2. Infinitum sinkathetice est secundum quid est quantum finitum et finitum majus isto et finitum majus isto majori et sic sine fine ultimo terminante et hoc est quantum et non tarnen contra majus." Zu deren Verständniss mögen noch die Sätze folgen: „Omnes scientias veras esse, ubi non supponitur continuam ex indivisibilibus componi. Omnia continua habere athoma infinita sed ex athomis non componi. Omnis reeta linea habet particulares lineas infinitas." Mehr Aehnlichkeit hat die cusanische Auffassung des continuum mit der von Bradwardin refüsirten Meinung: „Alii autem ex punetis et hi dupliciter quia Pytbagoras primus hujus seetae et Plato ac Waltherus modernus ponunt ipsum componi ex finitis indivisibilibus." Allein auch dagegen ist an das Wort des Idioten zu erinnern: „Nescio an Pythagoricus an alius sim, hoc scio, quod nullius auetoritas me ducit, etiam si me movere tentet. Arbitror autem viros Pythagoricos, qui, ut ais, per numerum de omnibus philosophantur, graves et acutos."4) Wie fruchtbar diese Idee für alle mathematischen und naturwissenschaftlichen ') De beryllo c. 17, de conj. II, 4. ') Kepler! opera IV, 2 S. 657. Des Cusaners Anschauungen sind Kepler überhaupt nicht unbe kannt, wie aus verschiedenen Stellen hervorgeht: „Et Cusanus infinitum circulum dixit esse lineam reetam." Kepleri opp. et Frisch II. B. 595. •) Zeitschrift für Mathematik und Physik von Schlömilch XIII. Snppl. S. 8« ff. Bradwardin starb 1349. *) Idiot» III. de mente 6. 2»
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Üi8ciplinen ist, darf in unscrn Tagen, in denen die Rechnung des Unendlichen sich vollständig eingebürgert hat, nicht mehr besonders hervorgehoben werden. Der ganz auf cusanischen Prinzipien stehende Bruno sagt: „Die Wurzel und der Grund aller Irrthümer sowohl in der Naturlehre als in der Mathematik, ist die Annahme der Theilbarkeit ins Unendliche, während die Wahrheit ist, dass gerade das Kleinste die Subs'anz aller Dinge ist." 1 ) Dies Kleinste oder das unendlich Kleine gehört aber in einer Weise zum Prinzip Cusa's, dass man ihn als den Erfinder der Analvsis des Unendlichen bezeichnen darf. Bekannt sind seine bezüglichen Sätze aus der Schrift de mathematica perfectione, welche bei der Kreisrechnung zur Anwendung kommen. „Necesse erit igitur me reeurrere ad visum intellectualem , qui videt minimam sed non assignabilem chordam cum minimo arcu coincidere" und „Minima igitur chorda, qua minor dari non potest, si assignabilis foret, non haberet sagittam, et ita etiam non foret minor arcusuo. Goincideret igitur ibi chorda et arcus, si ad minimam quantitatem in talibus deveniretur. Hoc probe videt intellectus necessarium, licet sciat, nee arcum nee chordara (cum sint quantitates) esse simpliciter minimas in actu et posse, cum cemtinuuni sit semper divisibile." -) Das unendlich Kleine ist ein wichtiges Hilfsmittel zur Auffindung der Geheimnisse der Mathematik. Wer sieht, dass das Grösste und Kleinste zusammenfallt, der sieht darin alles; er ist im Stande, sich die Kenntniss der Messung ganz entgegengesetzter Grössen, die bisher für incommensurabel galten, zu verschaffen 3) Adhuc alio »nigmate per doctrinam, ut ad minima respiciatnus, quando niaxiroa inquirimus." l „Simili modo in aliis curvis superficiebus ad minima respiciendo habitudines elice. Et quiequid scibile est humanitus in mathematicis mea sententia hac via requiritur." ■"') Dieser Schluss genannter Schrift ist in der That eine Empfehlung der Analysis des Unendlichen und der Cardinal machte auch für seine Zeit hinlänglich Gebrauch davon, wie er an demselben Orte beweist. Dadurch hat Cusa ein so gänzlich neues Fundament gelegt, dass ihn weder seine Zeitgenossen, noch die Späteren vollständig verstanden. Macht doch der Annotator in der 156a erschienenen Basler Ausgabe dazu die Anmerkung: „Quoties enim repetita fuerit minima linca simpliciter, non augetur sed eadem manet," c) die übrigens im Geiste der alten, nur an die Exhaustionsmethode gewöhnten Mathematiker richtig ist. 7) Aber ganz anders fasst es Cusa auf. Auch die linea simpliciter minima bleibt ') ') •) *) *) •) ')
Clemens 1. c. S. 26. S. 1120 f. 8. 1124. De ber. 17. 8. 1149. 8. 1150. „Sie (sc. die altun Geometer) würden den Satz, dass eine unendlich kleine Grösse, unendlich oft genommen, etwas endliches gibt, schwerlich sich haben gefallen lassen." Elügell. c. II S. 158.
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noch Linie für den Verstand, sie wird nicht zum (mathematischen) Punkt. Aus den Punkten freilich wird nichts zusammengesetzt. Punkt und Punkt addiren heisst nichts mit nichts verbinden. 1) Die kleinsten Linien dagegen geben in unendlicher Anzahl genommen, eine begrenzte Linie. So wird z. B. der Umfang und Inhalt des Kreises gefunden, indem man diesen als ein Polygon von unendlich vielen Seiten betrachtet, diese zu einer geraden Linie zusammensetzt und die unendlich vielen Dreiecke, deren Höhe der Radius ist. addirt. Cusa bedient sich zu diesem Zwecke sowohl des Archimed'Bcben als des später von Kepler gegebenen Beweises , denn zu dem bekannten Archimed'schen Satz von dem Kreisinhalt bemerkt er: „Hoc quidem sic esse necesse erat, si hoc censendum est esse «quäle, quod nec majus nec minus esse convincitur" 2) und sonst berechnet er den Inhalt mit Hilfe der Dreiecke : „Et sicut in quadrato, ita in omnibus polygoniis eodem modo constat: omnes enim in duplo plures triangulos orthogonios resolvuntur, quam laterahabeant."3) Dass ober der Kreis zu diesen Poly gonen gehöre, sagt er an vielen Stellen ausdrücklich. Der Kreis ist die obere Grenze, ein Polygon, in dem erste und zweite Linie4) zusammenfallen, das unendlich viele Seiten hat. Der Wichtigkeit der Sache wegen setze ich die Hauptstellen hierher: „PoBset adhuc nlia via idipsum ostendi et plures modi sunt diametros circulorum in8criptorum et circumscriptorum polygoniis isoperimetris datis circulis faciliter reperiendi ex scientia, quod capacissima polygonia infinitorum laterum coincidit cum circulo."5) „Videmus autem ex rectilineis polygonias constitui: erit igitur hic circulus infinitus, cum quo omnis polygonia eoincidit, infinitorum laterum."6) Quanto antem polygonia aequalium laterum plurium fuerit angulorum: tanto similior circulo; circulus enim si ad polygonias attendas, est infinitorum angulorum." *) Es handelt sich also hier nicht um eine zufällig ausgesprochene Notiz, sondern um ein Prinzip, aus welchem die ganze mathematische Wissenschaft abgeleitet werden soll. Es ist desshalb unrichtig, wenn Klügel8) in Stiefels Arithmetica integra (1544) die Idee des Unendlichen zuerst vorkommen lässt, denn die dort citirten Sätze finden sich sämmtlich bei Cusa und ebenso unrichtig, wenn er sagt, dass Kepler die erste Anwendung davon gemacht habe, denn für den Kreis hat dieser den Cardinal zum Vorgänger.9) ') De ludo globi I, S. 210. Idiot III. de mente. 9. •) 8. 1091. •) S. 1019. *) linea prima = Apotheme, linea seeunda = Radius des unbeschriebenen Kreises. •) S. 1098. •) Compl. th. 4. 0 1. o. 5. •) 1. c. V, 1 S. 507 f. ') Kepler dehnt diese Betrachtungsweise auch auf Körper aus cf. Kepleri opp. 1. c. S. 557 ff. Guldin macht dazu die Bemerkung: „Yult quidem Archimedea demonstratio idem concludere,
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Die Methode eines Descartes oder Leibnitz, durch welche die Analysis des Un endlichen zu einer überaus fruchtbaren wurde, stand freilich dem Cusaner nicht zu Gebot, obwohl er auch hier das Richtige ahnte. Denn er nimmt vom isoperimetrischen Dreieck bis zum isoperimetrischen Kreis einen continuirlichen Fortschritt an 1), der an den ersten und zweiten Linien gemessen werden kann. Nun bezeichnet er diesen Fortschritt durch die gerade Linie, welche die Endpunkte der ersten Linien des Dreiecks und des Kreises mit einander verbindet, so dass die ersten Linien alB Ordinaten und die Sagitten oder deren Differenz mit der ersten Linie des Dreiecks als Abscissen erscheinen. Jedoch ist hier zu bemerken, dass diese Methode schon vor ihm besser ausgebildet war, wie die Schrift: de latitudine formarum zeigt, welche in der schon oben genannten Thorner Handschrift befindlich den Nicolaus Oresmius (t 1382) zum "Verfasser hat.2) So durchgreifend das Prinzip ist, so vielfach lässt sich die absolute Giltigkeit der Resultate bestreiten. Da sich fast alle mathematischen Schriften mit dem Verhältniss des Durchmessers zur Kreisperipherie beschäftigen, so haben wir auch hier nur auf dieses Rücksicht zu nehmen. Cusa geht seinem Prinzip gemäss von dem Kleinsten aus und schreitet durch die unendlich vielen Mittelwerthe zum Grössten fort. Das isoperimetrische reguläre Dreieck ist das kleinste, der Kreis das grösste aller isoperimetrischen Polygone. Nun coincidirt das Kleinste mit dem Grössten, was also vom Grössten gilt, muss auch vom Kleinsten gelten und umgekehrt.3) Oder er folgert daraus, dass, was vom Grössten und Kleinsten gilt, auch von allen Mittelwerthen richtig sei.*) Im Dreieck ist der Ueberschuss der zweiten Linie über die erste am grössten, im Kreis am kleinsten, also findet ein all mählicher Uebergang statt. Wenn der Ueberschuss der Kreisfläche über den Inhalt des Dreiecks der Differenz von zweiter und erster Linie im Dreieck gleich gesetzt wird, so ist der Ueberschuss über den Inhalt eines andern Polygons ebenfalls der entsprechenden Differenz gleich zu nehmen. Um das Verhältniss von Bogen und Sehne zu finden, construirt Cusa ein rechtwinkliges Dreieck, dessen erste Seite gleich sed non per talia media qnibus Eeplerus sua deducit : quae est nova demonstrandi ratio, quam▼is, ut verum fatear, non omnino spernenda, licet non sit neque Archimedea neqne Euclidea" S. 647. In neuerer Zeit ist die Grenzbestimmung wieder gebräuchlicher, obwohl der Unter schied sachlich unbedeutend ist. Die Infinitesimalrechnung ist nicht nur ein künstlicher Calcfll, sondern der natürliche Ausdruck für die Erzeugungs weise physischer Grössen, welche durch Elemente wachsen, die kleiner sind als jede endliche Grösse. Desshalb kann man sagen, dass das unendlich Kleine in der Natur existirt und die Rechnung mit demselben der Natur der Dinge entspricht. cf. Cournot, traite 61. de la theorie des fonctions I p. 78 ff. ') Die Flächen der isoperimetrischen regulären Polygone bilden eine steigende, die Perimeter eine fallende Reihe. Baltzer II. S. 134. •) 1. c. S. 92 ff. *) De transm. S. 940. *) S. 1013. 1113.
— 17 — dem Radius des Kreises, dessen zweite und immer kleinste Seite die Halbseite eines eingeschriebenen regulären Polygons und dessen dritte Seite die Apotheme ist. Das grösste dieser Dreiecke ist das gleichschenklige, das kleinste jenes, dessen zweite Seite simpliciter minima ist und also mit dem Bogen zusammenfallt. Es muss nun nothwendig eine Linie geben, welche zur ersten und dritten Seite addirt dasselbe Verhältniss gibt wie das des Bogens zur Semichorde. Ausser Zweifel ist diess für das kleinste Dreieck, dann muss es aber auch im grössten und in allen solchen Drei ecken richtig sein.1) Es lässt sich gegen diese Methode gewiss manche Einwendung machen. Es sind, wenn man so sagen will, oft Räsonnements, aber es sind Syllogismen, die überraschen, den ungemeinen Scharfsinn des Cusaners bekunden, und nicht blosse Einfälle,2) sie basiren auf ein und demselben Prinzip und wollen nur die Anwendung desselben sein.3) Die Methode nähert sich der in der neueren Geometrie gebräuchlichen, welche von den metrischen Beziehungen Umgang nimmt. Aus diesem Prinzip folgt aber auch, dass die Methode ein um so genaueres Resultat liefert, je mehr man sich dem Unendlichen nach der einen oder andern Seite nähert. Diesen Punkt hätte aller dings Cusa mehr beachten sollen und seine Resultate wären viel genauer. Er hielt öfter sein Resultat für streng richtig, obgleich es nur ein Näherurigswerth ist. 4) Doch unterliess er die Prüfung seiner Resultate nicht, wie verschiedene Stellen zeigen, in denen er Zweifel an der Richtigkeit äussert.5) Wenn aber auch dem vorausgesetzten Prinzip gemäss und im bewussten Gegen satz gegen die Alten diese Methode von Cusa beliebt wurde, so würde man sich doch sehr täuschen, wollte man annehmen, dass er die streng mathematische Methode ganz verschmäht habe. Im Gegentheil ist sie ihm stets ein Hilfsmittel zum Beweise seiner Sätze. Schon in einer seiner früheren Schriften hat er die Euklid'sche Methode als die für die Mathematik allein anwendbare bezeichnet. "Wenn man dich fragt, sagt er, warum in allen Dreiecken die Summe zweier Seiten grösser ist als die Dritte oder warum das Quadrat der Hypotenuse gleich der Summe der Quadrate der beiden andern Seiten oder warum das Quadrat der Diagonale des Quadrats das Doppelte des Quadrats der Seite ist u. s. w., so antworte, dies müsse nach der Vernunft riess halb so sein, weil im andern Fall ein Widerspruch entstände (contradictionis coincidentia sequeretur). Die Kenntniss also, auf das Prinzip, den Widerspruch zu ver meiden, alles zurückzuführen, genügt für alle Künste, welche durch die Vernunft er •)B. 1122. *) Kästner 1. c. IV S. 575. *)S. 940. *)S. 947. 1004. 1013. •)8. 1027. 1100
— IS — forscht werden können. Denn in den Begriffen und in allen Beweisen Euklids oder wessen immer habe ich bei der Mannigfaltigkeit der Figuren einzig diesen Grund gefunden. Den Beweis führt er für den ersten obiger Sätze aber auffallenderweise nicht nach Euklid (I, 20), da die contradictio nicht zum Vorschein gekommen wäre. Er geht vielmehr von einer Folgerung aus dem Satze Euklids aus. Jede Sehne ist kleiner als ihr BogeD. "Wären die beiden Sehnen der halben Bögen der Sehne des ganzen Bogens gleich, so müssten Sehne und Bogen zusammenfallen.1) Das Ver sprechen, welches er an dieser Stelle gibt, bei Gelegenheit diese Grundlage der Ma thematik zu erklären — tentabo hanc mathematicse radicem (contradictionis coincidentiain vitandam) aliquando (vita comite) expücare, ut ipsam scientiam hac via ad sufficientiam quandam reducam — hat Cusa nicht erfüllt. Archimedes beweist, dass der Kreis grösser als jedes ein- und kleiner als jedes umgeschriebene Vieleck ist. So sagt auch Cusa, der Radius des dem Vieleek eingeschriebenen Kreises ist kleiner als der des isoperimetrischen Kreises, der des umgeschriebenen Kreises ist grösser, je mehr Seiten die Vielecke haben, um so mehr nähern sie sich dem Kreise. Weil er aber nicht wie die Griechen das Unendliche vermeidet, so schliesst er weiter, also ist der Radius des dem Polygon von unendlich vielen Seiten ein- und umgeschrie benen Kreises dem Radius des isoperimetrischen Kreises gleich2), es fallen alle drei Polygone oder Kreise zusammen. 3) Er beruft sich für seine Beweisführung auch auf Archimedes, indem er das Archimed'sche Verfahren anführt: Nam si ducitur semidiameter illius circuli isoperimetri in medietatem peripherise, oritur superficies quadrangularis, qua? nec major nec minor esse potest superficie circulari, ut Archimedes perfacilo ostendit." 4) Er führt sogar den Beweis, dass jedes umgeschriebene Vieleck grösser, jedes eingeschriebene kleiner als der Kreis ist und schliesst ganz richtig: qua; (sc. linea asqualis semiperipherise) erit major quam medietas peripherise cujuscunque polygonisc inscriptibilis. Ja das Argument mit dem nec plus nec minus ist dem Cusaner so geläufig, dass man es als ein wesentliches Moment seiner Beweis methode bezeichnen muss. „Et ut brevissime multa dicam nihil in mathematicis sciri poterit alia radice: omne quod demonstratur verum esse, ex eo est, quia nisi ita esset, oppositorum coincidentia subinferretur, et hoc esset rationem exire." (De conj. II, 1). Daraus sollte geschlossen werden dürfen, dass auch alle Resultate streng richtig seien, was aber in der That nicht der Fall ist. Der Grund liegt darin, dass er die erst genannte Method stets edamit verbindet und desshalb die Mittelwerthe zu wenig untersucht.5) ') J) J) 4) *)
De conj. II, 2. S. 947. Compl. th. 3. B. 1006. 1010. „A.t propter argumentum de plus et minus apparens et non existens, infertur qusedam propin
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II. Die Quadratur des Kreises. Die zwei Zielpunkte der früheren Geometrie waren die Quadratur des Kreises und die Verdopplung des Würfels. Noch Snellius sagt, dass diese Aufgaben die Klippen für den Ruf der Mathematiker seien.1) Auch Regiomontan würde den, welcher das „inexplicabile curvi et recti discrimen" 2) gelöst hätte, als den grössten Mathematiker erklärt haben. Dieses Suchen des dem Kreise gleichen Quadrats hatte übrigens noch den andern Zweck, das Verhältniss der Peripherie zum Durchmesser zu bestimmen. Dieser ist heutzutage vollständig weggefallen, da die Analysis leichte Mittel gewährt, die Verhältnisszahl bis zu einer beliebigen Genauigkeit zu berechnen. Zur Zeit Cusa's kannte man aber nur das Archimed'sche Verhältniss und es ist das Verdienst des Cardinals, ein genaueres gefunden, ja sogar den Weg gezeigt zu haben, auf dem »man die höchstmögliche Genauigkeit erreichen kann. Dieses Interesse scheint auch Regiomontan veranlasst zu haben, sich speciell mit den Quadraturen des Cusaners zu beschäftigen. Er Hess sich nicht wenig Mühe kosten , die cusanischen Constructionen zu berechnen. In der Nürnberger Ausgabe finden sich die genauen Rechnungen, selbst die Ausführung der Species fehlt nicht, aus der man sich zu gleich von der mühsamen Rechnungsmethode der damaligen Zeit überzeugen kann. 3) Es spricht aber diese Thatsache auch für die Wichtigkeit, welche Regiomontan solchen Untersuchungen beilegte und wäre die Rechnung, wie er wiederholt bemerkt, auch nur dazu unternommen, durch Nachweis der Fehlerhaftigkeit die Wahrheit zu vertheidigen. Als feststehend betrachtet Cusa, dass Archimedes die genauesten Grenzen ange geben hat. „Fuerunt viri diligentissimi , quorum princeps videtur Archimedes, qui ostenderunt circumferentiam circuli triplam in habitudine ad diametrum , additis plus decem septuagesimis primis ipsius diametri, et minus decem septuagesimis : 4) et hanc propinquitatem praecisiorem continue fieri posse ostenderunt."5) Auch sonst beruft quitas — non tarnen formaliter videtur sequi ex argumenta. Et ratio est, nam cum argumentamur per plus et minus ad tequalem conoludendum : necesse est quod fiat transitus a majore ad minus per omnia intermedia, quod in nullo istorum argumentorum observatur, ideo formalia non sunt." Ann. ot. S. 1132. ') ») ») *)
Cyclometrious Preefatio p. 1. 1. c. S. 53. 1. c. S. 22—93. Scharpff (1. c. S. 301) übersetzt: „Die Peripherie sei das Dreifache des Durchmessers mit Hin zufügung der ersten '%<> des Durchmessers minus "/„" überläsgt aber ausdrücklich die richtige üebersetzung den Sachverständigen. Es muss heissen: mit Hinzufügung von mehr als l0/7l und weniger als ,0/„a d. h. der Kreisumfang liegt zwischen 3'%! und 3'/,. S. 949. •) S. 992.
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sich Cusa auf den Näherungswerth des Archimedes. 1) Die Archimed'sche Spirale scheint ihm jedoch dem Zwecke nicht zu entsprechen. Denn weil das Verhältniss der Bewegung eines Zeichens (Punktes) vom Centrum durch den Halbmesser zu der Bewegung, in welcher zu gleicher Zeit ein anderes Zeichen (Punkt) sich durch den Umfang bewegt (ohne welche die Spirale nicht beschrieben werden kann), dem Verhältniss des Halbmessers zum Umfang gleich ist, während doch letzterer erst gesucht wird, so scheine eine petitio principii unterzulaufen.3) Darin stimmt ihm auch Regiomontan bei3) und Kästner4) ist derselben Ansicht. Jedenfalls ist die Construction der Spirale nur mechanisch durch Verzeichnung einzelner Punkte möglich. Es braucht aber kaum bemerkt zu werden, dass Archimedes zu seinem Näherungswerth auf andere Weise kam, was auch dem Cardinal durchaus nicht unbekannt ist. Cusa betrachtet es nun als seine Aufgabe, nicht bloss das genannte Verhältniss näher zu bestimmen, sondern auch zu zeigen, wo die der Zahl unerreichbare Präcision verborgen liege. Denn wenn auch die Sehne aus der Quadratzahl des Durch messers nicht berechnet werden könne, so gelange man doch zu einer Zahl, deren Wurzel, wenn sie gefunden werden könnte, die durch Zahlen unberechenbare Sehne gäbe. 5) Um über diesen Zweck kein Missverständniss aufkommen zu lassen , fügt der Annotator hinzu, es sei nicht 6) die Absicht Cusas, eine genaue Zahl unzählbarer Linien zu geben, sondern nur durch bekannte Linien zu zeigen, wo die Genauigkeit verborgen sei, damit sich der Verstand dabei beruhige. Es sei der Durchmesser zum Kreise incommensurabel, doch wolle Cusa die Grenze der Genauigkeit zeigen, nicht die absolute Präcision, sondern eine feine Näherung habe er im Auge. Man dürfe nicht glauben, dass Cusa die incommensurabeln Bogen und Sehnen auf die Zahl zu rückführen wolle, denn er habe sich nur vorgenommen, einen genauen Näherungs werth zu erreichen. Und damit glaubt der Annotator den Hauptgedanken des Buches (Arithmetica complementa) angegeben zu haben. 7) Wenn er nichts desto weniger am Schlüsse beifügt, dass dem Verfahren Cusa's vor allem vorgeworfen werde, dass Diameter und Kreisumfang, die ohne Zweifel incommensurabel seien, als commensurabel angenommen werden 8), so ist dies eben ein Widerspruch. Freilich findet sich ein solcher wenigstens in Worten mitunter auch bei Cusa, der bald den Kreis für
') S. 1124. •) S. 1004. 1091. 1124. *) 1. c. S. 60. *) 1. c. S. 403. •) S. 992. ') Das non ist offenbar zu ergänzen. S. 995. ') „Et in hoc tetigimus principalem libri intelligentiam." S. 995. •) S. 1003.
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vollständig quadrirbar zu halten scheint, bald wieder zweifelhaft wird. Aber er ver vollkommnete sich dadurch, und was er in der ersten Freude der Erfindung für un zweifelhaft ansah, prüfte er später wieder. Die letzte Lösung ist daher auch die beste. Schon aus diesen Bemerkungen geht hervor, dass Cusa nicht in die Reihe der jenigen zu stellen ist, welche um jeden Preis des Zirkels Viereck finden wollen. Er wollte die Ludolphine genauer als Archimedes bestimmen. Seine algebraischen Kennt nisse reichen allerdings nicht weit, wie die wenigen beigebrachten Zahlenbeispiele zeigen. Desshalb beschränkt er sioh in der Regel auf die Construction und eine An deutung für die Rechnung. 1) Dies wird aber evident dadurch bewiesen, dass er mit einer einzigen Ausnahme stets die Kreisperipherie sucht und dann erst nach dem bekannten Archimed'schen Satze den Inhalt bestimmt, wie auch später Snellius eine der Lösungen zu seiner Kreisberechnung benützt, ohne den Cardinal auch nur au nennen. 2) Man könnte dafür, dass sich Cusa in der Regel auf die geometrische Construction beschränkt, auch den Widerwillen der damaligen Mathematiker gegen die Anwendung der Algebra auf die Geometrie als Grund anführen. Muss sich doch Regiomontan deBshalb entschuldigen: „Utemur autem et nos pene simili ingenio numerorum in hoc nostro proposito, licentiam id faciendi ab Archimede sumentes. Neque turbabit nos unquam, quod plerisque visum est, ineptum sive impertinens linearum habitudines per numeros investigare." (1. c. S 38). Die vorhin angeführten Bemerkungen des Annotators könnten gleichfalls dafür geltend gemacht werden. Aber die Zahlenbeispiele, welche der Cardinal gibt, zeigen, dass er die Anwendung der Rechnung auf seine Constructionen nicht nur nicht perhorrescirte, sondern sogar wünschte. Das Resultat der Bemühungen Cnsas ist seinen Zeitgenossen und vielen der späteren Zeit unbekannt oder unverständlich geblieben. Wenn man nur Regiomontans ausführliche Berechnungen lesen würde, so käme man auch trotz der grossen und vielen Lobsprüche, die dem Cardinal ertheilt werden, doch zu der Ansicht, dass derselbe sich vergeblich abgemüht habe. Denn er bleibt dort, so nahe er auch der Wahrheit kommt, hinter Archimedes zurück, wesshalb nach Regiomontan dieser un übertroffen dasteht.3) Allein Regiomontan hat auffallender Weise nur einen kleinen Theil der cusanischen Schriften gelesen, nemlich die de quadratura sammt den damit zusammenhängenden und aus den math. Ergänzungen einen kleinen Ahschnitt. ') Die Algebra lag überhaupt im 15. Jahrhundert sehr darnieder. Regiomontan, dem selbst die Rechnung sauer wurde, bemerkt: „Paucis enim admodum artem Algebra- sive rei et cenrfus satis cognitum scio, qua quidem hoc in negocio usus snm" (1. c. S. 49) und „Rarissime enim artem rei et census, quam Algebram pleriqne nominant Arabico vocabulo, satis didicerunt." (S. 87). Beide Aeusserungen stammen aus dem J. 1464. ') Cyclometricus. 1621. S. 46. •) 1. c. S. 63. 3*
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Untersuchen wir die verschiedenen Vorschriften der Kreismessung, die zu sondern Kästner den Zeitaufwand scheute,1) näher, so finden wir manche sehr verwandt mit einander. Ich habe im ganzen 15 solcher Versuche notirt. Fast alle gehen von den Eigenschaften der isoperimetrischen regulären Vielecke aus, nur zwei machen davon eine Ausnahme , aber auch sie berühren sich mit (fen andern in dem Prinzip der Coincidenz. Cusa ist, wenn nicht der Einzige2), so doch der Erste, welcher dieses Verfahren wählte, ja er erklärt geradezu, das Krumme könne nicht anders in eine Gerade verwandelt werden als dadurch, dass mau zuerst eine Gerade in eine Curve verwandelt, und dies geschieht mit Hilfe der isoperimetrischen Polygone. Später schlug Descartes nicht zur Unehre des Cardinals unabhängig von ihm denselben Weg ein und Euler hielt es der Mühe werth, die Construction des Descartes einer genauen Rechnung zu unterziehen.3) Wenn man auf die Constructionen Cusa's dieselbe Me thode der Rechnung anwendet, so findet man die Ludolphine ebenso genau und ins besondere bei der letzten auf sehr leichtem und schnell zum Ziele führendem Wege. Die Lösungen des Cardinals können behufs leichterer Besprechung ihrer inneren Verwandtschaft nach in folgende Gruppen gebracht werden : 1) De transmutationibus geometricis. 2) De arithmet. compl. De math. compl. 8. 1020 ff.4) 8. 1071 ff. De quadrat. S. 1091 ff. De math. compl. S. 1022 ff. De sin. et ch. 8. 1095 ff. 3) Quadratur per lunulas. De math. compl. 8 1058 ff. 4) De una recti etc. S. 1101 ff. Dialogus 8. 1096 ff. De math. compl. S. 1080 ff. und bei Regiomontan S. 60 ff. 5) De math. perf. Ausserdem ist noch eine unmittelbare Quadratur 8. 1065 ff. beizufügen. Davon hat Regiomontun fünf besprochen und zwar ausser der schon genannten die aus dem Dialoge de math. compl. 8. 1080 und 1065 und de una recti eto. 1. Es soll eine Kreislinie gleich einer gegebenen geraden Linie gefunden werden. Von allen wird zugestanden, dass es eine krumme Linie gebe, welche weder grösser ') ') •) *)
1. c. S. 575. Kastner 1. c. S. 409. Klflgel I S. 67 «f. ' Dazu gibt er verschiedene sehr sinnreiche Anleitungen zur mechanischen ßectification. Man mache die eine Kathete eines rechten Winkels gleich dem Radius, die andere gleich dem halben Umfang und ziehe die Hypotenuse. Nun verfertige man sich eine solche Figur aus Holz oder Erz und lege sie, um einen beliebigen Kreis zu rectificiren, so auf denselben, dass die Kathete (r) auf den Durchmesser, die der andern Kathete gegenüberliegende Spitze auf die Peripherie zu liegen kommt, ziehe durch den Mittelpunkt eine Parallele zu der Kafhete bis zum Durchschnittspunkt mit der nötigenfalls verlängerten Hypotenuse, so hat man eine Linie gleich dem halben Kreisumfang.
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noch kleiner als eine gegebene Gerade ist. Es gibt also auch ein Polygon, welches weder grösser noch kleiner als ein Kreis, folglich demselben isoperimetrisch ist. Der Halbmesser des umgeschriebenen Kreises ist grösser, der des eingeschriebenen kleiner als der des isoperimetrischen Kreises. Geht man nun vom kleinsten Polygon, dem Dreiecke, aus, so lässt sich zeigen, dass man den Radius des isoperimetrischen Kreises erhält, wenn man die Dreiecksseite in vier gleiche Theile theilt, vom Centrum aus eine Linie durch den dritten Theilpunkt (e Fig. 1) zieht und sie um i/i ihrer Länge verlängert; ah ist der Radius des gesuchten Kreises. Der Beweis wird folgendermassen geführt. Da af jedenfalls kleiner und ab grösser als der Radius ist, so muss der Durchschnittspunkt zwischen b und f liegen. Nun kann er aber nicht in i liegen, so dass ai : ik — bc : if, noch auch etwa in 1, so dass al : Im — bc : If, da ak zu klein und am zu gross wäre, denn der Radius des isoperimetrischen Kreises ist grösser als alle Radien der ein- und kleiner als die der umgeschriebenen Kreise. Diese Folgerung kann freilich nur daraus gezogen werden, dass, da ak dem kleinsten und al dem grössten Radius am nächsten liegt, das Grösste und Kleinste in der Mitte zusammenfallen, oder auch daraus, dass im andern Fall die Archimedschen Grenzen überschritten würden, worauf auch der Annotator aufmerksam macht. 1) Streng richtig ist der Beweis nicht, denn wohl muss es einen Punkt geben zwischen i und 1, der die verlangte Eigenschaft hat, aber für e spricht bloss die Wahrscheinlichkeit. Ausser dem müsste zuvor bewiesen sein, dass das Verhältnis se : he = bc : ef für alle Mittelwerthe constant bleibt. Die Rechnung mit Logarithmen gibt: ■* = 3,14232 also etwas genauer als das Archimed'sche 3Vr>2) 2. Die folgenden, nach allen möglichen Weisen durchgeführten Quadraturen sind gleichfalls aus dem Verhältniss der isoperimetrischen Figuren zu einander abgeleitet. Der Inhalt dieser Vielecke werde durch die erste Linie bestimmt. Nimmt diese zu, so nimmt die zweite ab. Im Dreieck ist die erste Linie am kleinsten, die zweite am grössten, im Kreise fallen beide zusammen. Je kleiner die Differenz zwischen beiden in einem Polygon ist, um so grösser ist der Ueberschuss seiner Prim über die des Dreiecks. Weil im Kreis beide zusammenfallen, so ist der Ueberschuss am grössten. Desshalb übertrifft der Inhalt des Kreises den des Dreiecks am meisten. Daraus folgt, dass, wenn man den Ueberschuss des Kreisinhalts über den des Dreiecks gleich ') S. 949. ') Diese Quadratur wurde vielfach zur Bestimmung von it benfitzt. Ludolph selbst führt sie an in seinem Tractat de figurarum transmutatione et sectione p. 119 und noch Kraut in seinen institutiones bespricht dieselbe, ohne übrigens Cusa's Werke gelesen zu haben, denn er ent nimmt sie den delictis mathematicis von D. Schwenterus. Er findet ir = 3,14234 „qute satis bene cum Ludolphiana convenit" (S. 120). Wenn Kästner diese Quadratur als eine besondere zu betrachten scheint (S. 480), so zeigt er wieder, wie flüchtig er des Cardinals Schriften ge lesen hat.
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der Differenz der beiden Linien im Dreieck annimmt, der Ueberschuss desselben ober den des Vierecks der Differenz beider Linien im Viereck gleich ist. Streng folgt dies freilich, wie vorhin, nur wenn man das Prinzip der Coincidenz zn Hilfe nimmt, demgemäss was vom grössten Polygon, dem Kreise, gilt, auch für das kleinste, das Dreieck, und für alle unendlich vielen J) Zwischenwerthe Geltung hat. Aber auch in diesem Falle ist es nothwendig, nahe bei einander liegende Vielecke mit grosser Seitenzahl zu berechnen. Dass diese Idee geistreich und fruchtbar ist, muss jeder anerkennen2) und ist schon dadurch anerkannt, dass Descartes dieselbe zum gleichen Zwecke anwandte. Zur wirklichen Berechnung aber benützen wir am besten eine der verschiedenen vom Cardinal gegebenen ebenso richtigen als einfachen Constructionen. Er construirt aus der Prim (erster Linie) des Dreiecks ein Quadrat a c e f (Fig. 2), zieht eine Parallele zu ac, Im = der Prim des Vierecks, in der Entfernung ci = der Differenz der Prim des Dreiecks und der Sagitte des Vierecks, zieht cm und verlängert sie bis zum Durchschnittspunkt h. fh ist der Radius des isoperimetrischen Kreises. ce — Prim des Dreiecks = 0,096225 ct = ce — te = 0,0444488 mt = Prim des Vierecks — Prim des Dreiecks = 0,028775 he : mt = ce : ct he : 0,028775 = 0,096225 : 0,0444488 he = 0,0622936 ef = 0,096225 hf = 0,1585186 3r = 3,15419 Nimmt man das Sechseck und Achteck, so erhält man: n = 3,14245 Beim 24eck und 48eck : « = 3,1415. Eine algebraische Formel ergibt sich leicht aus der nach dem Text gebildeten Proportion : V2 pr — 1/a pn : i/2 pr — V2 Pn' — m — n : m' — n' ? m der m und o Sec. und Prim des Dreiecks, m' und n' die des andern Vielecks sind. Daraus ergibt sich m*n — mn' n — n' + m' — m. Auf demselben Verfahren beruht die Construction und Rechnung in der Schrift de arith. compl. Man sucht zwei Zahlen x und y, die in gleichem Verhältnis! zu den Sagitten zweier Vielecke stehen und die von der Summe aus der Secunde und Sagitte derselben subtrahirt Differenzen gleich dem Radius des isoperimetrischen ') De math. compl. S. 1011 f. ') cf. z. B. Klügel 1. 0. S. 78.
— 25 — Kreises geben. Nimmt man das Sechseck und Achteck, so findet man : n = 3,14235. "Wählt man das 24eck und 48eck, so lauten die Gleichungen : X : 0,001365 = y : 0,00034 0,160975 — x = 0,159608 — y x = 0,0018204 n = 3,1415. Es ist bemerkenswerth, dass dieses Resultat in der Grenze der Genauigkeit mit dem vorigen vollkommen übereinstimmt. Denn daraus erhellt, dass die einmal erfasste Idee in allen Versuchen , wenn auch in den verschiedensten Formen zur An wendung kam und uns nicht willkürliche Einfälle , sondern innerlich zusammenhän gende Lösungsversuche des in Rede stehenden Problems vorliegen. 3. Die Quadratur per lunulas berühre ich nur um darauf aufmerksam zu machen, dass Cusa die Arbeiten der Alten wohl kannte und auf ihnen weiter baute. Wie er in den andern Fällen an Archimedes anknüpfte, so wurde er hier von Hippokrates angelegt, worauf schon der Annotator aufmerksam macht1) und was Regiomontan wiederholt bemerkt. 2) Aber auch der Cardinal hatte mit diesem Versuch kein Glück, denn der Werth, welchen die Rechnung dafür gibt, bleibt bedeutend hinter den oben genannten zurück. Es ist -x = 3,123. 4. Auch bei diesen Quadraturen will ich nicht länger verweilen. Im Dialog wird dem Paulus von Florenz, dem die mathematischen Complemente zu dunkel vorkommen 3), eine andere Ausführung gezeigt, die sehr einfach, aber nicht sehr genau ist. Ob Cusa mit Rücksicht auf jene Eigenschaft diese vernachlässigte , läsat sich nicht ent scheiden, wird aber dadurch wahrscheinlich, dass er die analoge Quadratur in einer andern Schrift4) ausdrücklich als eine propinqua bezeichnet. Die Construction ist einfach. Man zieht im Kreis eine Quadrantensehne und addirt sie zum Halbmesser, so hat man den Durchmesser des -dem isoperimetrischen Dreieck umschriebenen Kreises. Regiomontan fand dafür die Grenzen 3114 und 3120 , während die Archimed'schen 3122 und 3124 sind.5)' it ist = 3,13615. Aehnlich ist die Con struction in der Schrift de math. compl.6) Beschreibe mit dem Radius gleich der Seite des dem zu quadrirenden Kreise eingeschriebenen gleichseitigen Dreiecks einen Bogen, welcher den Kreis aussen berührt und dessen Mittelpunkt auf dem ») S. 1061. *) 1. o. B. 22. 89. *) „Si igitur post mihi missoB tuoe de mathematicis complementis , utiquc mihi obscuros atque incertos libello3 alius certior modus incidit, rogo communicee." S. 1095. *) S. 1080. *) S. 22. 59. •) S. 63. 55. 4
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durch den Berührungspunkt gehenden Durchmesser liegt, so ist das von dem auf letzterm senkrecht stehenden Durchmesser abgeschnittene Stück gleich dem Halbkreis. Regiomontan berechnet die Grenzen 15602 und 15604. Die Archimed'schen sind 15610 und 15620. w ist = 3,13949. 5. Die weitaus vollendetste und bequemste Methode der Berechnung ist in der letzten mathematischen Schrift, der mathematischen Vollendung, gegeben, wesshalb ich auf sie etwas näher eingehen will. Die Schrift ist einem Cardinal Antonius ge widmet und, wie die Vorrede sagt, in zwei Tagen vollendet. 1) Wenn man ein recht winkliges Dreieck construirt, dessen Hypotenuse gleich dem Radius — prima linea —, dessen eine Kathete gleich der halben Sehne eines Polygons — secunda linea — und dessen andere Kathete die Apotheme — tertia linea — ist, so sind mit Rück sicht auf die Coincidenz jene Fälle ins Auge zu fassen, in denen die zweite Linie die kleinste ist. Das grösste Dreieck entsteht, wenn die dritte Linie gleich der zweiten ist. In diesem Fall ist jeder Winkel an der ersten Linie 45u. Das kleinste Dreieck erhält man durch Annahme einer „simpliciter minima" zweiten Linie. Es ist nun möglich, dass irgend eine Linie zu der ersten Linie ac (Fig. 3) und zu der zweiten ab addirt ein Verhältniss beider Linien herstelle, das dem Verhältniss des Bogens hc zur Halbsehne gleich ist.2) Die Möglichkeit betrachtet Cusa als unbe stritten ; da es solche Linien gibt, welche das Verhältniss grösser oder kleiner machen, so muss es auch eine geben, welche das gesuchte Verhältniss bewirkt, ob Chorde und Bogen commensurabel seien oder nicht. Wie immer diese Linie beschaffen sein möge, die Annahme hat, wenn dieselbe im kleinsten Dreieck addirt wird, stets ihre Richtigkeit, da hier Bogen und Sehne zusammenfallen. Lässt sich also für das grösste Dreieck eine solche Linie auffinden, so genügt sie auch für das kleinste Dreieck, überhaupt für alle Dreiecke. Damit habe ich die Wurzel dieser Wissen schaft bloss gelegt.3) Wenn ich eine Linie fin<)e, die ich im Dreieck addire, dessen zweite Linie halbe Quadrantensehne ist, und ebenso im Dreieck, dessen zweite Linie die halbe Sechseckseite ist, deren Halbsehnen das Verhältniss der Halbbögen 3 : 2 haben, und wenn die so gefundenen Linien dasselbe Verhältniss zu den ersten Linien der Dreiecke haben, so ist klar, dass ich die in allen Dreiecken zu addirende Linie gefunden habe — et hoc est indubitatum. 4) ') „Et quoniam nie a palatio pea morbidus excusavit, biduo domi sedens, mathematicam perfectionem quam mitto consoripsi, quatenus virtutem coincidentiarum experimento ignotarum hactenus in iheologicis inquisitionibus, commendarem." S. 1120. *) S. 1121. *) „Et beec est radix hujus seiend»" S. 1122. *) Kästner bemerkt hiezu: „ Unbez weife] t ist wenigstens, dass der Cardinal sich sehr unverstBndlich ausdrückt" (S. 414). . Allein er hat den Unterschied zwischen Quadrat and Sechseck ganz fibersehen. Dass es bei Berücksichtigung desselben wirklich eine solche Linie gibt, hat schon
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Dies lässt sich so zeigen. Es ist möglich, dass die Linie, welche die Summe der dritten und doppelten ersten ist, sich zu der Linie, welche durch Addition der ersten und vierfachen zweiten Linie erhalten wird, irgendwo wie der Halbbogen zur Halbsehne verhalte. Denn es gibt ein plus und ein minus, also auch ein nec plus nec minus. Wo das immer der Fall ist, da muss zur ersten und dritten Linie gleich viel addirt werden. Zur dritten wird aber die doppelte erste addirt, also muss diese auch zur ersten addirt werden. Zu diesem Schluss, der etwas paradox erscheint, ist wohl zu bemerken, dass der Cardinal das Dreieck aus dem regulären Sechseck im Auge hat. In diesem steht die zweite Linie in rationalem Verhältniss zur ersten, sie ist gleich der halben ersten und aus diesem Grunde hat er wahrscheinlich vor stehendes Beispiel zum Beweise gewählt. Es lässt sich nun nicht bestreiten, dass es ein plus und minus gibt, man muss auch das nec plus nec minus zugeben, aber daraus folgt noch nicht, dass es im Sechseck gefunden ist. Streng würde dies nur dann folgen, wenn unbestritten wäre, dass zur ersten und dritten Linie ein gleiches Stück addirt werden muss, was beim kleinsten Dreieck ausser Zweifel steht, denn viermal die zweite Linie des Sechsecks ist gleich zweimal die erste und daraus er hellt die Richtigkeit des Satzes. Ein anderer Beweis ist der folgende. Man beschreibt zwei Bögen , den einen mit der ersten Linie als Radius, den andern, von demselben Mittelpunkte aus, mit der um die doppelte erste verlängerten dritten Linie als Radius, so muss — das Sechs eck vorausgesetzt — der grössere Bogen gleich der dreifachen ersten Linie sein, während die Sehne gleich der Summe aus der dritten und doppelten ersten ist. Denn der Bogen kann seine Sehne entweder um mehr oder um weniger als seine Sagitte übertreffen, also muss er sie irgendwo um diese übertreffen. Wo dies der Fall ist, muss sich der Bogen zur Sehne wie die dreifache erste Linie zur Summe aus der dritten und doppelten ersten verhalten. Es muss die Summe aller Grössen irgendwo gleich Bogen und Sehne zusammen sein, also entweder da, wo der Bogen die Sehne um die Sagitte übertrifft, oder unterhalb oder oberhalb; wenn unterhalb, so ist die Sehne grösser als in der Mitte, so dass der kleinere Bogen eine grössere Sehne hätte, wenn oberhalb, so fände das Umgekehrte statt, also kann es nur in der Mitte
KlOgel nachgewiesen. Er setzt die Linien der Reihe nach gleich n, b, c, den Winkel gleich <p ; dann ist b = a sin$ , o = a cosß , x die gesuchte Linie , also : a <f> : b =^ iji : sin$. Nun ist nach der Angabe Cusas: atx:c + x = a<p:b also: <£ : ain<p = 1 + x : x -J- cos<p; für *=-g- =30»: -£-*: -^ = l+x:i+yFT;^= — = 45. : _ * : _
i VT = 1 + * : x + __ VT] + cos$. 1. o. S. 81.
2 VT— 3 * = o irä--IT~4= 1.913—,slso: «: sin$ = 2,913 : 1,918
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sein.1) Hier hat aber Cusa übersehen, dass Bogen und Sehne in gleichem Verhältniss wachsen und abnehmen, wesshalb auch dieser Beweis nicht stringent ist. Zuletzt bringt Cusa einen Beweis mit Zahlen. Nach dem Naherungswerth des Archimedes sei ac (Fig. 3) = 7 und ab ungef. = 5 = bc; dann ist hc = 5i/%. Also: hc : bc 573 :.5 = 11 : 10 ; ac — ab ungef. = 2. 2 ac (14) : ac + ab (12) > 11 : 10 und 4 ac (28) : 3 ac + ab (26) < 11 : 10. Daher muss die Linie, von der a c ein aliquoter Theil sein muss, grösser als 2 a c und kleiner als 4 a c also 3 ac sein. ac muss ein aliquoter Theil sein, da in allen Dreiecken dieselbe Linie zu addiren ist und nur ac in allen sich gleich bleibt.2) Auch hier bleibt ein dunkler Punkt. Denn der ,letzte Grund ist anfechtbar Je näher man aber dem kleinsten Dreieck kommt, um so richtiger wird er, desshalb kann der Beweis für die andern Fälle unmöglich genügen, er führt uns stets zu dem Fall, in welchem dritte und erste Linie am wenigsten düTeriren, wenn sie ganz zusammenfallen ist er vollkommen richtig. Snellius hat, wie schon früher bemerkt wurde, diesen Satz Cusas adoptirt und zur Berechnung von -x benützt. Er hat selbst die vom Annotator etwas veränderte, be quemere Construction (Fig. 4) nicht verschmäht, schickt aber einen Beweis voraus, welcher zeigt, dass auf diese Weise die untere Grenze erhalten wird. Verlängert man den Durchmesser eines Kreises um den Radius und zieht von dem einen End punkt eine Tangente an den Kreis bis zum Durchschnitt mit der im andern Endpunkt errichteten Tangente, so ist das von der letztern abgeschnittene Stück die Seite eines gleichseitigen Dreiecks, dessen zweite Seite die zum eingeschlossenen Bogen gehörige Sehne ist. Wie diese muss also auch jene kleiner als der Bogen sein, dic Gleichheit wird nur erreicht, wenn das Stück unendlich klein wird, welchen Ausdruck jedoch Snellius vermeidet „sed eequalitas ista in unicum punctum evanescit." 3) Beginnen wir die Berechnung mit dem grössten möglichen Fehler, der sich bei einem Winkel von 45° ergeben muss. Wir haben die Proportion (Fig. 3): hc:bc 3ac:2ac + ab oder. a : sina = 3:2 + cosa 3 sin 45° 2,1213204 = ." = 2 + cos 45° ~ 2,7071068 ~~ °'783611 it — 3,134444. 3 sin 15° 0,776457 Für a = 15° B _ - - - = ^^ = 0,261793 ■k = 3,141516. Für « -
1°
a=
3 sin 1° 2 + 008 1°
0,0523572 = 2^998477 = °'0174533
w = 3,141592. ') S. 1123.
•) S. 1124.
•) 1. c. 8. 42.
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Snellius stellt die Propositio auf: „Rationem diametri ad suam peripheriam secundum expositos limites tarn accurate quam cuique collibitum erit definire." 1) Die Seite des eingeschriebenen Sechsecks setzt er gleich 100000, also die dritte Linie (Snellius sagt sinus complementi) 86602 (genauer 86602,5). Also nach Cosa's Satz: hc : 50000 = 300000 : 286G02 15000000000 hc= 286602 = 104674 w = 3,14022. Figur 4 zeigt, wie auf diesem Wege leicht jeder Bogen in eine gerade Linie verwandelt und numerisch berechnet werden kann. dq ist=dp, dm = dk, do=dn. Uebrigens sind grosse Bögen zu vermeiden. Man theilt sie in kleine und rectificirt diese. dq : dp = df : lf; do : dn = df : hf. Snellius thut sich nicht wenig zu gut auf seine Berechnung, indem er seine Grenzen mit den Archimed'schen vergleicht. 2) Beim 48eck findet er 3141592 08966848. Die Bestimmung der obern Grenze ist diesem Satz ganz analog. Der Unterschied besteht nur darin, dass vom Endpunkt des Durchmessers ein Bogen gleich i/3 des zu rectificirenden Bogens abgeschnitten und durch den Durchschnittspunkt und den End punkt der Sehne eine Gerade bis zum Durchschnitt mit dem verlängerten Durch messer und der Tangente gezogen wird. Darnach findet er das von der Tangente abgeschnittene Stück = 2 sin 1/s <p + tg y3 <p und beim Sechseck n = 3,14160, beim 48eck n = 3,1415926848.
III. Bögen und Sehnen. Wie sich aus dem Vorhergehenden schon schliessen lässt, blieb Cusa nicht beir Rectification des ganzen Kreisumfangs stehen , sondern er wollte auch jeden belie bigen Bogen in eine gerade Linie verwandeln, überhaupt das Verhältniss des Krummen zum Geraden, des Bogens zur Sehne näher bestimmen. Bei ihm findet man bereits die Ausdrücke sagitta und sinus, welche wenn auch nicht, wie Kästner meint, von ihm zuerst gebraucht, so doch aus dem Arabischen eingeführt wurden.3) Was zunächst das Verhältniss der geraden zur krummen Linie betrifft, so scheint nach dem Bisherigen kaum mehr bemerkt werden zu dürfen, dass Cusa beide für commensurabel hielt. Aber dennoch ist diese Annahme nicht sicher. Denn abge ') S. 46. ') „Atque ad illam vicinitatem , quam nos ab initio Rtatim ex ipso sexangulo derivamus, demum per inscriptionem polygoni 96, et circumscriptinnpin polygoni 192 laterum potuit (sc. Archimedes) pertingere." S. 48. *) 1. o. S. 408. Nach Baltzer kommt das Wort ginn» ?nm erstenmal in einer Uebersetzung ans dem 18. Jahrhundert Tor. Elem. d. M. n. S. 271 Anm.
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sehen davon, dass er noch in der letzten Schrift dem Satz über das Verhältniss des Bogens zur Sehne behutsam beifügt „sive chorda sit arcui commensurabilis sive non," so bemerkt er an einem andern Ort ausdrücklich: „Commensurari autem curvum et rectum dico, quando una mensura mensurantur: puta quod recta linea tot pedes habet rectos, quot arcus curvos." Regiomontan macht ihm desshalb einen Vorwurf, da Krumm und Gerade nicht speciflsch voneinander verschieden seien. Aber seltsamer Weise gibt er einen Beweis für seine Behauptung, den Cusa, wenn auch zu einem andern Zweck, in seinen mathematischen Ergänzungen selbst anführt. Er leitet alle geometrischen Gebilde vom Punkte ab.1) Ganz bestimmt spricht Cusa hierüber seine Ansicht aus, wenn er sagt: „Inter quse (sc. curvum et rectum) cum nulla rationalis proportio cadat. oportet in quadam coincidentia extremoruin latcrc hoc secretum. 2) Die Uebereinstimmung dieses Satzes mit den wirklich ausgeführten Quadraturen lässt sich leicht durch die Bemerkung herstellen, dass die dort angenommene Coincidenz nur für den Verstand vorhanden ist. Mit den Hilfsmitteln , die jetzt dem Mathe matiker zu Gebote stehen, ist es leicht, verschiedene Uurven zu quadriren und zu rectificiren, eine mechanische Quadratur hat man aber nicht einmal für den Kreis, obwohl die Unmöglichkeit nicht bewiesen ist. Die Sinus und Bögen von beliebigen Graden zu bestimmen verspricht der Car dinal an vielen Stellen und sagt auch wiederholt, dass er sie bestimmt habe. Aber in Zahlen hat er sie nicht berechnet, eine Tafel hat er nicht angelegt, obwohl ihm der Almagest bekannt war. Der Grund davon ist im Mangel an Zeit und in dem unvollkommenen Zustand seiner Rechenkunst zu suchen. Er macht wiederholt den Versuch , die Rechnung einzuführen , allein er bewegt sich zwischen ziemlich weiten Grenzen, die nicht einmal auf Hundertstel genau sind. Dass er übrigens nur Näherungswertho geben wollc, bcmerkt er ausdrücklich. Vs2"/lt — Pia ist ihm etwas über 2, während diese Differenz = -,0932667 ist; fi96»/n — ^165V„ setzt er etwas höher als 1; der wahre Werth ist 1,1401799. Genauer ist die Rechnung in dem Satz: „Valor trium diametrorum circuli ad suam circumferentiam est ut radix de 4 cum radice de 36 et de 12 ad 12," denn bei zu Grundlegung des Sechsecks der cusanischen Con6truction finden wir w = 3,14023. Snellius hat 3,1402?. Cusa bemerkt aber desshalb auch wiederholt, dass er die Rechnung nicht ausführen, sondern andern den Weg zu beliebiger Genauigkeit zeigen wolle. Die Verwandlung des Bogens in eine Gerade geschieht am leichtesten mittelst 3 sin 45° Figur 4. Berechnet man darnach den Sinus, so erhält man arc 45u = o + c s 45°
•) 1. c. 8. 37. 83. S. 1034. ') 8. 940. Peurbacb sagt , zwischen sinus und portio sei eigentlich kein "Verhältniss „eo quod rectum et curvum non sunt ejusdem dpeciei." Kästner 542.
— 31 — = 0,78361. Der wahre Werth ist 0,7853981, also muss der grösste mögliche Fehler für die damalige Zeit verhältnissmässig klein genannt werden^ arc 1° = 0,00174533. Der wahre Werth ist 0,001745329. Also ist Cusa's Werth bis auf 8 Stellen genau und damit Iässt sich wohl die Behauptung entschuldigen , dass nun die Berechnung der Bögen und Sehnen erreicht sei. Mit Leichtigkeit lässt sich diese Rechnung auf beliebige Bögen anwenden. Diesen Sätzen dienen je eine Reihe von Propositionen zur Voraussetzung und eine Menge Folgerungen schliesst sich an. Es war damals und noch lang nachher üblich, in der Form von Sätzen, die allgemeinere mathe matische Wahrheiten aussprechen, sich den Grund für den eigentlichen Beweis zu legen. So behandelt Cnsa 11 propositiones , ehe er zu der beabsichtigten Kreis messung schreitet und grösstentheils solche, die noch bei Späteren, z. B. bei Snellius, wiederholt vorkommen und hier finden wir einen strengeren mathematischen Beweis. Schliesslich füge ich nur noch weniges über die Verwandlung der Flächen und Körper bei. Schon in seiner ersten mathematischen Schrift hat Cnsa diesen Gegen stand ins Auge gefasst. Das 2. Buch der Transmutationen handelt von der Umwand lung der Oberflächen und das 3. von der Verwandlung der Körper; in den mathe matischen Complementen kommt er wieder darauf zu sprechen und den letzten Theil t der mathematischen Perfectio widmet er demselben Gegenstand. Das schon Bekannte schliesst er aus dem Kreise seiner Betrachtung aus. Dass man ein Dreieck in meh rere Dreiecke theilen, jedes in ein Quadrat verwandeln, mehrere Quadrate in eines und ein Dreieck in mehrere gleichwinklige und das Dreieck wie das Quadrat und alle gleichseitige und nicht gleichseitige Polygone in andere Figuren verwandeln kann, „hroc omnia ex elementis geometricis et proportione circulorum et quadratorum tibi nota relinquo, cum intendam adjicere scitis, non replicare trita." 1) Er stellt sich nun die Aufgaben, die Kreisfläche in eine geradlinige Figur zu verwandeln, Sectoren und Segmente zu berechnen. Sie beruhen alle auf dem Satz von der Quadratur und da die Methode in der letzten Schrift das bequemste Mittel bietet, jeden Bogen in eine Gerade und umgekehrt zu verwandeln, so finden wir auch dort die meisten derartigen Aufgaben. Bei den Körpern handelt es sich um Verwandlung der Säulen, des Würfels in eine Kugel, mehrerer Würfel in einen, der Kugel in eine Pyramide, zweier Kugeln in eine u. s. w. Es sind bei der Lösung insbesonders die Archimed'schen Sätze be nützt; indessen ist trotzdem manchmal eine Unsicherheit zu bemerken. Dies gilt namentlich von der delischen Aufgabe, der Verdopplung des Würfels. Cusa beruft sich dabei auf eine Prämisse, in welcher zu zwei gegebenen geraden Linien zwei mittlere stätige Proportionalen (medise continue proportionales) gesucht werden. Er construirt folgendermassen. Beide Linien schneiden sich unter einem rechten Winkel. ') S. 969 ff. Daraus geht hervor, dass Cusa die Euklid'sohe Geometrie kannte.
— 32 — Ich beschreibe über beiden Halbkreise, die sich auf den beiden Schenkeln eines der rechten Winkel schneiden. Nach dem Euklid'schen Satz über die mittlere Pro portionale finden sich daraus die verlangten Linien. Es seien x und y die beiden Proportionalen, so erhält man aus dem ersten Halbkreis die Proportion a : x = x : y und aus dem zweiten x : y = y : b, also y3 =b2a; aber die Mittelpunkte der Halb kreise sind schwer zu bestimmen. Es war ursprünglich die Absicht des Verfassers wie von den mathematischen so von den astronomischen Leistungen des Cusaners ein Bild zu entwerfen. Da er in manchen Beziehungen ein Vorläufer des Copernicus genannt werden kann, so ver dient er auch nach dieser Seite unsere Aufmerksamkeit. Es musste aber dieser Theil für eine spätere Gelegenheit zurückgelegt werden.
Mfcl.
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SCH UL-NACHRICHTEN. I.
Behandelte Lehrpensen. A.
dkwg^aiiMtinu X. Klasse (IV. Curs.) 1. Religionslehre, 2 Standen. Christl. Sittenlehre, nach Martin. Prof. Gaisser. 2. Lateinische Sprache , 7 Stunden. a) Tacitus Germania, Annal. I, 1—38. II, 69—88. b) Horaz, Satiren I, 1. 6. 9. 10. II, 1. 6. 8. c) Correktur der lat. Compositionen und Expositionen. d) Römische Archäologie, wö chentlich eine Stunde. Rektor Dr. Schneiderhahn. 3. Griechische Sprache, 5 Stunden. a) Plato: Apologie und Protagoras, b) Sophokles: Philoktet und Elektra. c) Correktur der griechischen Compo sitionen und Expositionen. Gaisser. 4. Hebräische Sprache, 2 St. Psalmen 8—5t Jes. 7. 11. 12. 53. 61 und 62. Repetition der Formenlehre. Compositionen u. Expositionen in der Schule. Prof. Dr. M. Ott. 5( Deutsche Sprache, 2 St. Geschichte der altdeutschen Literatur (11.—14. Jahrhundert). Proben nach Scholl, „Geschichte der altdeutschen Lit." — Correktur der Aufsätze. Prof. Joh. Ott. 5
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6. Französische Sprache, 2 St. a) Montesquieu Considerations (zur Hälfte). Racine, Athalie. b) Repetitionen aus der Syntax nach Plötz. c) Correktur der schriftlichen Compositionen. Prof. Gaisser. 7. Mathematik, 2 St. Im Wintersemester: ebene Trigonometrie u. Stereometrie. Im Sommersemester: Repetition der Algebra und Planimetrie; Uebungen in der Lösung algebraischer und geometrischer Aufgaben. Prof.-Verw. Dr. Srhanz. 8. Physik, 2 St. Nach Koppe's Handbuch. Derselbe. 9. Geographie, 1 Stunde. Mathematische Geographie nach Raumers Handbuch. Derselbe. 10. Geschichte, 2 St. Geschichte der neueren und neuesten Zeit; mit Zugrundlegung des Pütz'jächen Handbuchs. Schneiderhahn. 11. Philosophie, 2 Stunden im Winterseraester. Psychologie und Logik, nach Beck's Handbuch . Gaisser. 12 Turnen, 3 St. Nach der neuen Turnordnung. Ober-Reallehrer Oechsner. 13. Zeichnen, 1 St. Freihandzeichnen. Prof. Holder. 14. Singen, 2 St. Musikdirector Heim.
IX. Klasse (III. Gnrs.) 1. Religionslehre, 2 St. Christliche Glaubenslehre, begonnen mit der Lehre von der Person Jesu Schneiderhahn. 2. Lateinische Sprache, 8 St. a) Cicero de officiis I. H. III., 1—6. b) Cor rektur der mündlichen und schriftlichen Compositionen. Prof. Dr. M. 0 1 1. c) Horaz, ausgewählte Episteln und Oden. Gaisser. 3. Griechische Sprache, 5 St. a) Homer, Ilias 3. 4. 6. 9 18 u. 19. b) Demosthenes: die 3 olynthischen, die erste philippische und die Rede über den Frieden. c) Correktur der griechischen Compositionen und Exposi tionen. d) Athenische Staatsalterthümer. Prof. Dr. Ott. 4. Hebräische Sprache, 2 St. Genesiscap. 2— 14. Exodus 1— 15. Repetition und Abschluss der Formenlehre, Correktur der schriftlichen Arbeiten. Derselbe. 5. Deutsche Sprache, 2 St. Deutsche Grammatik, gothische u. althochdeutsche Sprachproben nach Scholl. Correktur der Aufsätze. Prof. Joh. Ott. 6. Französische Sprache, 2 St. Gemeinschaftlich mit der 10. Klasse. 7. Mathematik, 2 St. Progressionen, Rentenrechnungen, Combinationslehre. In der Geometrie Nagel Buch 5—7. Haus- und Schularbeiten. Schanz. 8. Geographie, 2 St. Allgemeine Geographie. Schneiderhahn. 9. Geschichte, 2 St. Gemeinschaftlich mit der 10. Klasse.
— 35 — 10. Turnen, 3 St. Ebenso. 11. Zeichnen, 1 St. Freihandzeichnen. Holder. 12. Singen, 2 St. Heim
VIII. Klasse (II. Curs.) 1. Religio nalehre, 2 St. Im Wintersemester Kirchengeschichte, im SommerSemester Glaubenslehre bis zur Lehre von der Erlösung, nach Martins Handbuch. Repetent Zell er. 2. Lateinische Sprache, 7 St. a) Cicero's Reden gegen Catilina. b) Virgil VII. u. VIII. c) Correktur der Compositionen u. Expositionen. Prof. Schmid. 3. Griechische Sprache, 5 St. a) Herodot lib. VI, Isokrates Areopagitikus und Philippus. b) Homer Odyssee, lib. VI. X. XH u. XVI. c) Correktur der schriftlichen Arbeiten. Derselbe. 4. Hebräische Sprache, 3 8t. Fortsetzung und Repetition der Formenlehre nach Gesenius. Syntax nach demselben. Mündliche Uebersetzungsübungen nach Brückners Hilfsbuch. Genesis cp. 1 und 2. Correktur der schrift lichen Compositionen. Prof. Dr. Ott. 5. Deutsche Sprache, 2 St. Rhetorik nach Schleiniger. Correktur der Auf sätze. Schmid. 7, Französische Sprache, 2 St. Chrestomathie nach Wildermuth (H. Curs). Grammatik nach Plötz. Correktur der schriftlichen Arbeiten. Derselbe. 7. Mathematik, 3 St. Gleichungen des 2. Grades mit einer und mehreren Unbe kannten. In der Geometrie Nagel Buch 1 —4. Correktur der Hausauf gaben. Schanz. 8. Naturgeschichte, 2 St. Zoologie nach Leunis' analytischem Leitfaden. Demonstrationen aus der Rottweiler Fauna. Derselbe. 9. Geschichte, 2 St. Römische Geschichte nach Pütz. Gaisser. 10. Turnen, 3 St. Oechsner. 11. Zeichnen, 1 St. Holder. 12. Singen, 2 St. Heim.
VII. Klasse (I. Curs.) 1. Religionslehre, 2 St. Geschichte der vorchristlichen und christlichen Offen barung, und die Lehre von der Kirche, nach Martins Religionshandbuch. Repetent Stiegele. 2. Lateinische Sprache, 8 St. a) Livius VH. und VIEL b) Ovids Metamor phosen nach der Auswahl von Siebelis. c) Mündliche Composition nach Berger. d) Correktur der Hebdomadarien. Prof. Joh. Ott.
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3. Griechische Sprache, 6 St. Xenophons Anabasis I—IV. Jacobs Attika. Repetition der Formenlehre. Mündliche Composition nach Holzer, Rieckher und Bäumlein. Correktur der schriftlichen Compositionen. Derselbe. 4. Hebräische Sprache, 3 St. a) Einübung der Formenlehre nach Mezgers. Uebungsbuch und Gesenius Grammatik. b) Korrektur schriftlicher Arbeiten. S c h m i d. 5. Deutsche Sprache, 2 St. Aufsatzlehre und Stilistik. Mündliche und schrift liche Disponirübungen. Kurzer Abriss der Poetik. Lektüre von Schillers Tell. Correktur der Aufsätze. Schanz. 6. Französische Sprache, 2 St. Chrestomathie von Grüner I. Curs. Repe tition der unregelmässigen Verba und mündliche Compositionen nach der Grammatik von Plötz. Correktur der schriftlichen Arbeiten. Prof. Kalis. 7. Mathematik, 3 St. Allgemeine Arithmetik nach dem Handbuch von Spitz. Gleichungen vom ersten Grad mit einer und mehreren Unbekannten. Cor rektur der Haus- und Schularbeiten. Schanz. 8. Naturgeschichte, 2 St. Gemeinschaftlich mit der VIII. Klasse. 9. Geschichte, 2 St. Ebenso. 10. Turnen, 3 St. Oechsner. 11. Zeichnen, 1 St. Holder. 12. Singen, 2 St. Heim.
B.
V. und VI. Klasse. 1. Religions lehre, 2 St. Drittes und viertes Hauptstück des Diöcesankatechismus. Repetent Zeller. Evangelische Religionslehre, obere Abtheilung, 2 St. Apostelgeschichte und ältere KirchengeBchichte. Stadtpfarrer Dr. Wolff. 2. Lateinische Sprache, 11 St. a) Exposition: Csesar de bello gallico I—IV. Jordan, ausgewählte Stücke ausjüicero. Ovids Metamorphosen, ed. Feld bausch. b) Composition: Holzer, H. Theil. — Repetition der lat. Gram matik. c) Correktur der Hebdomadarien. Prof. Kalis. 3) Griechische Sprache, 6 St. Repetition der Verba von den liquidis an. Grammatik nach Bäumlein in Verbindung". mit den mündlichen Composi-
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tionen aus den Materialien von Gaupp und Holzer. Griechische Chresto mathie Ton Mezger und Schmid. Correktur griechischer Hehdomadarien. Derselbe. Deutsche Sprache, 2 St. Sach- und Spracherklärung der im Lesebuch für die Latein- und Realschulen 3. Band gelesenen Stücke. Memoriren und Vortrag von Gedichten. Correktur der Aufsätze. Derselbe. Französische Sprache, 2 St. Leseübungen; Elementargrammatik nach Plötz. Schriftliche Uebungen und Correkturen. Derselbe. Geographie: im Wintersemester 1, im Sommersemester 2 Stunden. Deutsch land mit Berücksichtigung seiner Geschichte nach Pütz. Derselbe. Geschichte, im "Wintersem. 2, im Sommersem. 1 Stunde. Nach den vorge schriebenen Tabellen: von der Völkerwanderung bis zur Reformation. Derselbe. Arithmetik, 2 St. Repetition der gemeinen und Decimalbrüche ; das metrische System; Schluss- und Kopfrechnen. Derselbe. Kalligraphie, 1 St. Vorschriften des Lehrers an der Wandtafel nach dem Normalalphabet. Controle der einzelnen Schriften. Präc. Dr. Eble. Turnen, 3 St. Turnlehrer Küfer. Zeichnen, 2 St. Freihandzeichnen. Prof. Holder. Singen, 2 St. Lehrer Gass.
III. und IV. Klasse. 1. Religionslehre, 2 St. Drittes und viertes Hauptstück des Diöcesankatechismus. Erklärung mehrerer Kirchenlieder aus dem Diöcesangesangbuch. Repetent Z e 1 1 e r. 2. Lateinische Sprache, 12 St. a) Exposition 4. Klasse: Cornelius Nepos, 3. Klasse: Lhomond viri illustres. b) Composition mündlich: Holzer und Gröbel. Grammatik nach Englmann. Correktur der Hehdomadarien. Präc. Dr. v. Bagnato. 3. Griechische Sprache, 8 St. Formenlehre nach Kühner. In beiden Klassen mündliche und schriftliche Compositionsübungen. Derselbe. 4. Deutsche Sprache, 2 St. Lesen mit sachlicher und sprachlicher Erklärung und DispositionsübuDgen ausgewählter Abschnitte des Lesebuchs für Lateinund Realschulen II. Band. Memoriren und Vortrag von Gedichten. Cor rektur der Aufsätze. Derselbe. 5. Geographie, im Winter 1, im Sommer 2 Stunden. Deutschland und Italien, nach Pütz „Erdbeschreibung" u. s. w. Derselbe. 6. Geschichte, im Winter 2, im Sommer 1 Stunde. Römische Geschichte bis 5*
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Endo der Republik nach Pütz „Grundriss der Geschichte" und den vor geschriebenen Zeittafeln. Derselbe. Arithmetik, 3 St. Kopfrechnen. Einübung der gemeinen und der Decimalbrüche und des metrischen Systems. Schlussrechnen nach Sterns Aufgaben sammlung. Präc. Dr. Eble. Kalligraphie, 2 St. Vorschriften nach Hartmanns kalligraphischen Vorlagen. Kontrole der Schriften. Derselbe. Turnen, 3 St. Gemeinschaftlich mit der 5. und 6. Klasse. Zeichnen, 2 St. Freihandzeichnen. Holder. Singen, 2 St. Gass.
I. und II. Klasse 1. Religionslehre, 2 St. Geschichte des alten Testaments nach der „Biblischen Geschichte" von Dr. Schuster. Lehre von dem Buss-Sakrament und der hl. Messe. Repetent Stiegele. Evangelische Religio nslehre, 2 St. Untere Abtheilung: Glaubenslehre und Pfiichtenlehrc mit Lesung des ersten Evangeliums und der Apostel geschichte. Stadtpfarrer Dr. Wolff. 2. Lateinische Sprache, 12 St. I. Klasse : Die Elementar- und Formenlehre nach Middendorf-Grüters Schulgrammatik. Memoriren der Vocabeln, münd liches und schriftliches Exponiren und Componiren nach dem Uebungsbuche von Spiess. II. Klasse : Repetition und Fortsetzung der Formenlehre nach Middendorf. Syntax. Mündliche und schriftliche Compositionen aus Gröbel. Correktur der Hebdomadarien. Präc. Dr. Eble. 3. Deutsche Sprache, 5 St. Lesebuch I. Theil. Leseübungen und orthogra phische Uebungen. Sachliche und grammatische Erklärung des Gelesenen. Memoriren und Vortrag poetischer und prosaischer Stücke. Correktur der Aufsätze. Derselbe. 4. Geographie, 2 St. Die geographischen Vorbegriffe. Europa, Deutschland im allgemeinen , Württemberg im besondern. Chartographische Uebungen. Derselbe 5. Arithmetik, 3 St. Kopfrechnen. Die 4 Species mit unbenannten und benannten ganzen Zahlen. Decimalbrüche und Einübung des metrischen Systems. Derselbe. 6. Kalligraphie, 3 St. wie in Klasse 3 und 4. Derselbe. 7. Turnen, 3 St. Küfer. 8. Zeichnen, 2 St. Holder. 9. Singen, 2 St. Gass.
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II.
Lehrerpersonal. Repetent Hepp trat im Oktober v.J. in das Präparanden-Institut zu Tübingen; zu seinem Nachfolger wurde vom bischöflichen Ordinariate der bisherige Vicar Alexan der Zeller in Mieterkingen ernannt, welcher seine hiesige Stelle am 4. November antrat. Weitere Veränderungen kamen während des Schuljahrs nicht vor.
III.
Visitationen. Vom 29. Juli bis 3. August wurde die vorschriftmässige, alle drei Jahre statt findende Gymnasiums-Visitation von dem Direktor der Kultministerial-Abtheilung für die Gelehrten und Realschulen, Herrn Dr. v. Binder vorgenommen. Am 23. August wurde dem Gymnasium die hohe Ehre des Besuchs Sr. Majestät des Königs zu Theil. Höchstdieselben geruhten, Sich sämmtliche Lehrer vorstellen und die Schullokale, sowie das Alterthumskabinet zeigen zu lassen und Sich nach der Schülerzahl und den persönlichen Verhältnissen der Lehrer huld vollst zu erkundigen. Nach dem Gymnasium hatte sich auch das Konvikt dieses hohen Besuchs zu erfreuen.
IV.
Schiüerzahl. Dieselbe betrug im Wintersemester am Obergymnasium am Untergymnasium
95 69 164 im Sommersemester am Obergymnasium 81 am Untergymnasium 69 150
In Folge der im März d. J. zu Stuttgart und im Sept. d. J. zu Rottweil vorgenommenen Maturitätsprüfung wurden 2 Zöglinge zum akademischen Studium
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der Medicin, 16 zum Stadium der Theologie legitimirt und in das Wilholms stift aufgenommen. Zwei Zöglinge des Obergymnasiums sind während des "Wintersemesters in der Heimat gestorben; zwei traten in ein Kloster, 4 wurden theils wegen wissenschaftlicher, theils wegen moralischer ünbrauchbarkeit ausgewiesen.
V.
Bemerkungen. Das Schuljahr 1872/73 beginnt am 15. Oktober. Rottweil den 11. September 1872.
K. Rektorat. Dr. Schneiderhahn.
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