Typographie: Sütterlin und Deutsche Kurrent

Page 1

d

nt

K u r e h r c s e t eu

1


2


Typografie Wintersemester 2011 Dank an meine GroĂ&#x;mutter Helga Diller, meine Eltern Uli und Ulrike und meinen Bruder Johannes


4


photography by valea diller

Die deutsche Kurrentschrift Die deutsche Kurrentschrift (lat. currere „laufen“) ist eine Laufschrift; sie war etwa seit Beginn der Neuzeit bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts die allgemeine Verkehrsschrift im gesamten deutschen Sprachraum. Typografisch gehört sie zu den gebrochenen Schriften. Umgangssprachlich werden fälschlicherweise oft alle deutschen Schreibschriften als Sütterlinschrift bezeichnet.

5


Die deutsche Kurrentschrift unterscheidet sich durch spitze Winkel („Spitzschrift“) von der runden, „lateinischen“ Schrift. Mit geringen Abwandlungen wurde sie auch in Skandinavien – in Dänemark und Norwegen als Gotisk skrift bezeichnet – bis 1875 verwendet. Die deutsche Kurrentschrift war lange Zeit die übliche Verkehrsschrift im gesamten deutschen Sprachraum. In Österreich etablierte sich Kurrent auch als Amts- und Protokollschrift. Bis 1952 gab es noch die „Schulschrift Kurrent, schöne Schreibschrift, mit Feder“ parallel zu erlernen. Die entscheidende Veränderung im Kurrent wurde in Preußen durch den Grafiker Ludwig Sütterlin eingeleitet. Er entwickelte 1911 eine sehr ähnliche, aber eigenständige Schriftart. Diese Neuerung zog in Deutschlands Schulen ein, doch in Österreich konnte Kurrent lange Zeit überleben. Die deutsche Schreibschrift von Sütterlin wurde in Deutschland sehr forciert (weil sie technisch viel einfacher zu schreiben ist als die vorher übliche Variante der deutschen Kurrentschrift) und bald kam der Begriff Kurrent außer Gebrauch. 1941 kam es durch den Normalschrift-Erlass dazu, dass im großdeutschen Reich beide deutschen Schriften zugunsten einer einheitlichen lateinischen Schrift, der „deutschen Normalschrift“, abgeschafft wurden. Durch Martin Bormanns Erlass vom 3. Januar 1941 wurden zunächst nur die gebrochenen Druckschriften verboten. Mit einem zweiten Rundschreiben vom 1. September 1941 wurde auch die Verwendung der deutschen Schreibschriften untersagt. Damit war auch die bis dahin übliche deutsche Kurrentschrift sowie die erst in den 1920er Jahren eingeführte deutsche Sütterlinschrift verboten. Seit Beginn des Schuljahres 1941/42 durfte an den deutschen Schulen nur noch die so genannte „deutsche Normalschrift“ verwendet und gelehrt werden (die ebenfalls auf einen Entwurf von Ludwig Sütterlin zurückgeht), während bis dahin die „lateinische Schrift“ zusätzlich zur Sütterlinschrift unterrichtet worden war. In der Schweiz wurde die deutsche Kurrentschrift während des 19. Jahrhunderts als Verkehrs-, Amts- und Protokollschrift gebraucht. Die Kurrent-Kleinbuchstaben wurden noch bis ins späte 20. Jahrhundert gerne in der Mathematik zur Bezeichnung von Vektoren verwendet. Schreibschrift, Kurrentschrift (von lateinisch currere = laufen), Kursive oder Laufschrift ist Handschrift im Unterschied zu Druckschrift. Heute gibt es auch Schriftarten, mit denen man Handschrift nachahmt. Kurrentschriften sind handgeschriebene Schriften, die dazu neigen, Buchstaben zu verbinden, und bei denen die Schnelligkeit des Schreibens oft zu Lasten der Schön-

6

heit bzw. Genauigkeit der Buchstaben erhöht wird. Oft kommt es dabei zur Verschlaufung von Ober- und Unterlängen, die die Lesbarkeit wieder erhöhen soll. Bekannte Vertreter dieser Schriftform sind die deutsche Kurrentschrift und die arabische Schrift. Auch die griechische Schrift und das Kyrillische verfügen über eine Kurrentschrift. In der hebräischen Schrift gibt es zwar auch eine Kurrentschrift, jedoch ist die Verbindung der einzelnen Buchstaben noch nicht sehr weit fortgeschritten. Die neuzeitlichen Formen der arabischen Schrift sind sämtlich Kurrentschriften, wobei es in der gedruckten Form eine Entwicklung weg von zu sehr verbundenen Formen und Ligaturen gibt. In der Paläografie werden diese Schriften als „Kursive“ bezeichnet. In Deutschland hatte sich nach der Karolingischen Minuskel (9.–12. Jahrhundert) eine Schriftform durchgesetzt, die an die gotische Kursive (ab dem 14. Jahrhundert) – eine im alltäglichen Gebrauch stehende Kursivform der Gotischen Schrift (ab dem 12. Jahrhundert) – anknüpfte. Diese Entwicklung führte der Nürnberger Schreibmeister Johann Neudörffer (1497–1563) fort, der auch maßgeblich an der Schöpfung der Fraktur beteiligt gewesen war. In seinem Schreibbuch „Eine gute Ordnung und kurze unterricht…“ (Nürnberg, 1538) schuf er eine Stileinheit der Buchstaben der deutschen Schreibschriften – genauer deutschen Kurrentschriften – die lange erhalten blieb. Mit Ausbreitung des Schulwesens seit dem 16. Jahrhundert wurde das Lesen und Schreiben Gemeingut immer breiterer Schichten. Erstmals 1714 wurde in Preußen durch einen Erlass eine Normschrift eingeführt, deren spitze, nach rechts geneigte Formen sich auch in anderen deutschen Territorien einbürgerten und charakteristisch für die deutschen Kurrentschriften wurden. Ludwig Sütterlin (1865–1917) änderte diesen typischen Duktus der deutschen Kurrentschrift. Er entwickelte – neben einer lateinischen – die Deutsche Sütterlinschrift, die nun senkrecht auf der Zeile stand und Kringel ausbildete und nicht mehr spitz gestaltet war. Diese Schrift wurde 1924 in preußischen Schulen und erst 1930 in den meisten anderen deutschen Ländern als Schulausgangsschrift verwendet. Die in den 1930er Jahren von Maximilian Schlegl entwickelte Stäbchenschrift etablierte sich nicht. 1941 wurden per Normalschrifterlass im Auftrag von Adolf Hitler alle gebrochenen Schriften, darunter auch die „Deutsche Sütterlinschrift“, abgeschafft und die auf Grundlage der lateinischen Sütterlinschrift entwickelte Deutsche Normalschrift als Ausgangsschrift an den Schulen verwendet.


7


Deutsche Kurrentschrift A a B b C c D d A

a

B

b

C

c

D

d

I i J j K k L l I

i

J

j

K

k

L

l

R r S s T t U u R

r

S

s

T

t

U

u

Z z Ä ä Ü ü Ö ö Z

8

z

Ä

ä

Ü

ü

Ö

ö


E e F f G g H h E

e

F

f

G

g

H

h

M m N n O o Q q M m

N

n

O

o

Q

q

V v W w X x Y y V

1

v

W w

2 3 4

5

X

x

Y

y

6 7 8 9 0

! ? ( ) . / : „“ $ 9


Stterlin A a

B b

C c

D d

A

B

C

D

a

c

d

I i

J j

K k

L l

I

J

K

L

i

j

k

l

R r

S s

T t

U u

R

S

T

U

r

Z z Z

10

b

z

s

 

Ä

ä

t



Ü

ü

u

 

Ö

ö


E e

F f

G g

H h

E

F

G

H

e

f

g

h

M m

N n

O o

Q q

M m

N

O

Q

V v

W w

X x

Y y

V

W w

X

Y

v

n

o

x

q

y

7 8 9 0 1 2 3 4 5 6 ! . ? : , () ' ‑

11


12


13


14


Was ist „Kurrentschrift“? Die deutsche Kurrentschrift ist eine zügig geschriebene Schreibschrift, eine so genannte Laufschrift (lat.: currere = laufen). Im 19. und frühen 20. Jahrhundert war sie die gebräuchliche Verkehrsschrift in Deutschland. Sie zeichnet sich aus durch spitze Winkel ("Spitzschrift") und veränderliche Strichstärke ("Schwellzüge"). In dieser Form wurde sie über 100 Jahre an Schulen gelehrt. Die deutsche Kurrent ist nur eine von mehreren so genannten deutschen Schriften. Die Sütterlinschrift bezeichnet eine reformierte Schreibweise der deutschen Kurrent, die 1911 vom Grafiker und Pädagogen Ludwig Sütterlin im Auftrage des preußischen Kultusministeriums entwickelt wurde und sich in den 1920ern als Schulausgangsschrift durchsetzte. Die umgangssprachliche Bezeichnung "deutsche Schrift" grenzt sie gegenüber der "lateinischen Schrift" ab, die lange Zeit als Zweitschrift parallel zur deutschen Kurrentschrift gelehrt wurde. 1941 wurde die deutsche Kurrentschrift - in Form der Sütterlinschrift - als Schulausgangsschrift zugunsten der lateinischen Schrift abgeschafft. Was ist „Kurrentschrift“? Die deutsche Kurrentschrift ist eine zügig geschriebene Schreibschrift, eine so genannte Laufschrift (lat.: currere = laufen). Im 19. und frühen 20. Jahrhundert war sie die gebräuchliche Verkehrsschrift in Deutschland. Sie zeichnet sich aus durch spitze Winkel („Spitzschrift“) und veränderliche Strichstärke („Schwellzüge“). In dieser Form wurde sie über 100 Jahre an Schulen gelehrt. Die deutsche Kurrent ist nur eine von mehreren so genannten deutschen Schriften. Die Sütterlinschrift bezeichnet eine reformierte Schreibweise der deutschen Kurrent, die 1911 vom Grafiker und Pädagogen Ludwig Sütterlin im Auftrage des preußischen Kultusministeriums entwickelt wurde und sich in den 1920ern als Schulausgangsschrift durchsetzte. Die umgangssprachliche Bezeichnung „deutsche Schrift“ grenzt sie gegenüber der „lateinischen Schrift“ ab, die lange Zeit als Zweitschrift parallel zur deutschen Kurrentschrift gelehrt wurde. 1941 wurde die deutsche Kurrentschrift - in Form der Sütterlinschrift - als Schulausgangsschrift zugunsten der lateinischen Schrift abgeschafft.

15


Gebrochene Schrift

Gebrochene Schrift ist eine Sammelbezeichnung für eine Reihe lateinischer Schriftarten, bei denen die Bögen, aus denen die Grapheme der Buchstaben zusammengesetzt sind, ganz oder teilweise gebrochen sind, d. h., dass die Bögen der Buchstaben aus einer Schreibbewegung entstehen, in der ein oder mehrere erkennbare, abrupte Richtungswechsel in der Strichführung einen sichtbaren Knick in dem Bogen hinterlassen. Im Gegensatz dazu stehen die runden, nicht gebrochenen Schriftarten wie die Antiqua, bei denen die Bögen beim Schreiben aus einer gleichmäßig geschwungenen Bewegung entstehen.

16


Unterschiede bei Bรถgen bei gebrochenen und runden Schriftarten

17


18


19


20


21


22


23


a 24


25


26

m


o

27


E 28


Ludwig Sütterlin (* 15. Juli 1865 in Lahr im Schwarzwald; † 20. November 1917 in Berlin) war Grafiker, Pädagoge und Schöpfer der Sütterlinschriften. Leben [Bearbeiten] Sütterlin war Schüler von Emil Döpler und Max Friedrich Koch. Er schuf Entwürfe für Plakate (u. a. das „Hammerplakat“ der Berliner Gewerbeausstellung 1896), Gläser und Lederarbeiten. Die von ihm entworfene „Sütterlin-Schrift“ war die Grundlage der ab 1935 an den deutschen Schulen als Ausgangsschrift eingeführten „Deutschen Schreibschrift“. Sütterlin gab Fachunterricht für Buchdrucker an der Handwerksschule in Berlin. Sütterlin lehrte an der „Unterrichtsanstalt des Königlichen Kunstgewerbemuseums zu Berlin“, den späteren Vereinigten Staatsschulen für freie und angewandte Kunst, wo er auch Lehrgänge in künstlerischer Schrift abhielt. 1911 entwickelte Ludwig Sütterlin im Auftrag des preußischen Kultusministeriums eine deutsche und eine lateinische Schulausgangsschrift. Diese wurden ab 1915 zunächst in Preußen, später auch in anderen deutschen Ländern eingeführt und bis zum zeitweiligen Verbot der gebrochenen Schriften durch den Schrifterlass 1941 in den Schulen verwendet – in der Bundesrepublik Deutschland (z. B. im Saarland) bis in die 1950er, in der DDR (z. B. in Thüringen) bis in die 1960er-Jahre als Eingangsschrift für Schulanfänger. Abgelöst wurde sie ab 1953 durch die Lateinische Ausgangsschrift (LA), die vom Iserlohner Schreibkreis aus der Deutschen Normalschrift entwickelt wurde, welche wiederum auf Sütterlins Lateinische Ausgangsschrift zurückgeht.

29


0 30


31


Z 32


33


34


S 35


q 36


37


38


39


40


41


42


43


44


45


46


47


48


Links: Vorfahre aus unserer Familie Rechts: Schreibschrift meines Bruders November 2011

49


Helga

Diller 2011

Rechts: Vorfahrin aus unserer Familie Links: Handschrift meiner GroĂ&#x;mutter November 2011

50


51


52


Links: Vorfahrin aus unserer Familie Rechts: Handschrift meiner Mutter November 2011

53


Rechts: Vorfahre aus unserer Familie Links: Handschrift meines Vaters November 2011

54


Heinrich Weidemann





Impressum Hochschule fßr Angewandte Wissenschaften Hamburg Department Design Typografie 2011 Von A bis Z - Faszination Schrift Saca Valea Diller Betreuung Prof. Veljović



Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.