38,5 h - on demand

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ins tal pe g r a fik,lam tiousik rfo k端 n rm nstlerb uch an ce embl emat zeichanung



38,5 H - AUF ABRUF Der KUHnst Turm Niederrhein ist ein gemeinnütziger Verein mit einem Wasserturm als „Zentrale“. Ein Biotop, ein Experimentierfeld für Kunstschaffende! Ein passendes Ansinnen kam von Pitt aus dem hohen Norden. Ihn und seine 3 Mitstreiter haben wir gerne eingeladen, eine Arbeitswoche im Wasserturm in Geldern zu verbringen. Sie sind gekommen. Gepäck im Auto. Gepäck im Kopf. 1

Und eine „Stechuhr“ zur Kontrolle. Das Programm: „38,5 h … Kunst auf Abruf“: Wie sieht die Arbeitswoche von Kreativen aus? 38,5 Arbeitsstunden? Es wurde/n viel mehr! Es wurde nachgedacht, diskutiert, gewerkelt, musiziert, vorgetragen, installiert, geklebt, weggeworfen, skizziert, fotografiert und regionaltypisch „volks“-gekocht. Die Arbeitswoche nahmen viele kunstinteressierte Besucher zum

Anlass für Gespräche und Diskussionen und gemeinsames „Volksküchenessen“. Wir haben für uns etwas Neues getroffen; auf jeden Fall war die Woche für uns ein persönlicher Mehrwert. Den Künstlern gilt unser Dank und wir sind gespannt, was noch folgt! Herzliche Grüße Peter Busch


WAHRNEHMUNGSWERKSTATT KÜCHE peter jenny fragt in seiner „wahrnehmungswerkstatt küche“, ob man kochrezepte mit kunstrezepten vermischen darf – und bejaht dies ausdrücklich. die ergebnisse, die er im weiteren vorstellt, sind eine art

grundvokabular der künstlerisch gestaltenden wahrnehmung. die küche des wasserturms geldern darf für die erste künstlerarbeitswoche „38,5 h - auf abruf“ noch erweiterter so gesehen werden. neben der organisation der alltagsabläufe und der begegnung und diskussion mit den

zahlreichen besuchern stellt sie die sozial-energetische keimzelle, aus der ganz ungeplant noch so einige kollaborative arbeiten entstehen. schon im vorfeld zeigt sich, dass da nicht 4 kursteilnehmer das thema work-life-balance hübsch garniert mit wohlfeilen flachwareergebnissen geil abliefern werden. das kommen und gehen, unparteiisch aufgezeichnet durch die begeistert begrüsste stechuhr, zählt am ende signifikant fast das doppelte des vereinbarten wochenzeitkontingents. jeder ernsthaft interessierte entrepreneur müsste die vier als berater zur verbesserung seiner betrieblichen sozialhygiene und ebenso zu steigerung des shareholder value beauftragen. wie kann das geschehen? so wenig reglementierungen wie möglich, absprachen wenn nötig. akzeptanz der individuellen arbeitsansätze im 2


eigenen raum. aber ebenso ein gegebenes umfeld und künstlerisches reizklima. ganz besonders aber die einbindung in der realen verbandskultur und ihrer anpackenden unterstützung der vorhaben ohne etwaige andernorts zu bedenkende schranken kommunaler repräsentationskultur – und letztlich sogar die aura der zwei umpflegten gänsegeronten. voilà.

den. so sind auf plg frieslaenders anregung dann gleich seine stempelauswahl des mobilen einsatzkoffers als gesammeltes werk in der gelben pennäleranmutung des literaturund deutungsdiscounters verfügbar und werden nach dem bedrucken in der küche seiner etage hinzugefügt.

in aneignung der selbstgewählten ordnungsmacht stechuhr für weitere zwecke geht nach bereits kurzer küchenarbeit ein beitrag an das australische field study projekt WIPE in den versand. immerhin stehen alle künstler auch über das mailart-netzwerk in verbindung.herr penschuck greift nach einem besorgungsgang ins stadtzentrum sehr dankbar die einladung des reclam-verlags auf, doch sein eigener klassiker zu wer-

an drei abenden laden die schichtkünstler zu performance-volksküchen in den wasserturm ein. vor und nach einem ungezwungenen essen mit sehr interessierten gesprächen – die holländische aalsuppe geht kulinarisch schon weit über das level volksküche hinaus –

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links: stempeluhr mit stechkarten und warnhinweis in der küche. rechts oben: plg frieslaender mit gesammelten werken von herrn penschuck rechts mitte: PLG frieslaenders antwort auf josef kosuth rechts unten: mailart-beitrag zur edition WIPE


links: add and pass tagebuch mit affensteaks mitte links: herr penschucks gesammelte werke in der reclam-edition. sämtliche stempel aus herr penschucks mobilem einsatzkoffer (MEK) mitte rechts: freiluftwerkstatt vor der küche mit langsaite rechts: ungenutztes objet trouvée, dekorativ verstaut

links: glocke am eingangsbereich des wasserturmgeländes. mitte links: ad breedveld, hyper-menschen 2011, künstlerbuch (in progress) mitte rechts: wandmalerei des projekts „the wall – kunst und knast“ rechts: projekt rosengarten des anstaltsleiters

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kann die jeweilige in-progresssituation der wasserturmetagen begangen werden. nach einem besuch des inzwischen abgeschlossenen wasserturmprojektes „the wall – kunst und knast“, das seit 1995 erfolgreich die beziehungen zwischen strafvollzug und öffentlichkeit bearbeitet, entsteht die idee, für urlaubsgeeignete insassen der jva geldern einen besuch im gefängnismuseum veenhuizen und der dortigen JVA zu organisieren. und kreative wiedereingliederungsstrategien in D/EU und NL/EU früher und jetzt miteinander zu vergleichen.

unten: ad breedveld, plg frieslaender und karl-friedrich hacker bei der arbeit am beitrag zum mail art-projekt WIPE 5


oben: getrockneter provinzhecht, aalsuppe beäugend unten: vorbereitungen zur lesung von karl-friedrich hackers „senknullen“-texten vor holländischer aalsuppe rechts unten: holländisches aalopfer an getrockneten provinzhecht

HOLLÄNDISCHE AALSUPPE.

LABSKAUS

1 kg Zwiebeln anbraten und mit 2 Liter Wasser löschen. 1 Pfund Buchstaben-Vermicelli (Pasta) dazu und 10 Minuten rühren und durchkochen. 1 kg NL-Paling-Wurst* (vom Schwein) aalartig zerschnitzeln, durchrühren, durchkochen. Kochendheiss servieren und synchron mit 1 kg goldgeräuchertem NL-Aal konsumieren. Wenn nötig mit Maggi auf Geschmack bringen. Ein Atlas-Import-Bier (12%) dazu.

mein LABSKAUS rehzept(bombi) :mann nehme noch mindenstens3 hinzu, schäle ausreichzent kartoffellen; proman 3-5, koche selbiege mit 1 lorbeerblatt & etwas seesalz (in ermanngelung des ozeans). pro 2 pers/mann 1 dose cornettbeef aus arggentinien, in pfanne anbraten mit gehackter zwibill, zehen vom knoblauch. oder dosen rindfleisch von sonzwo, oder die mixtur von beidem. alles je nach anzahl mitesser.....das, mit1glas(250ml)rote beete+saft in die gek. kartoffeln schmeissen, zerr stamfin&gut, warm halten. dieser so entstandene matsch=das grund element: das labskaus an sich! 1 geheimnis war der mit-&zerkochte wishlappen der woche(1 mal die woche erneuert, aufgekocht,aufgegessen. niemalz synn tee tick verwenden!)dazu: pro teller/nase/pers/mann/frau

Und während der ganzen Mahlzeit: 2 frische NL-Aale opfern an 1 Getrocknete-Provinzler-HechtKopf. -* “paling”, ndl. Aal; palingworst = eine ndl. Schweinewurst mit exquisitem Geräuchertem-AalErsatzgeschmack

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ROTE OLDENBURGER LINSENSUPPE 1 spiegelei, 1 saure gurke etw. petersilje, 1 rollmopps, 1 saurer brathering, 1 walfischsteak, 1 schillerlocke, matjesfilet-je nach jahreszeit &schiffsort &appetit/geschmack der leute. frischfang von möwe, trottellumme&altbartross wurde auch gern 1 mal alz appwexlung serviert meist aber in den polarmeeren. der seehund kam so auch auf den teller. dank greenpeace iszt das keiner mehr. her nach kam 1 kanne ersazz kaffe an deck, konjak zuweil & an windstillen tagen 1 zigarre an die rauch herrinnen unter uns, zwischen uns. ahoiP.S.:die reste werden gern abends, nach feierabend gegessen. oder anderntags hochkant ins bücherregal gestellt(so 1 da =)für späeter mahl....

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das rezept für linsensuppe wurde einem persischen schwarzarbeiter anfang der 90er jahre entlockt und dann um geheime indische zutaten erweitert. 1 grosse zwiebel, in ringen andünsten mit 2-3 zehen knoblauch 1/2 TL kreuzkümmel gemahlen 1-2 gewürznelken 1 stck. stangenzimt ca. 5 cm 1 TL tomatenmark hinzu mit etwas wasser geschmeidig halten 2 Tassen rote linsen hinzugeben, leicht andünsten, 1 liter wasser hinzu sowie bis zu 1 TL chili-pulver beigeben, 1 schote grünen chili hacken und dazugeben langsam garkochen, mehrmals umrühren mit 1 TL salz abschmecken zum schluss 2 EL koriandergrün

hacken und hinzufügen nach dem aufgeben mit 1 prise garam masala krönen.


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PLG FRIESLAENDERS PLAN B UND C GUT GESCHEITERT IST HALB GEWONNEN. neben dem improvisieren im stockwerk 3 des wasserturmes, welches ad, karl, pitt und herr p. zuvor 2010 zum erscheinen der ti*to-single im gemeinsamen line-up erprobt hatten, gibt es eigentlich nur wenige setzungen, die für die arbeitswoche getroffen sind – mal vom realzeitsystem stechuhr abgesehen. eigentlich hat PLG einen plan A. Der besteht darin, ein collagiertes und beschriebenes, nahezu endlos scheinendes leporello durch mehrere etagen des turmes zu ziehen. bei dem vorbereitungstreffen der vier turmarbeiter anfang mai in der kunstkolonie veenhuizen häuft sich bei den ersten 9

vorüberlegungen zwangsläufig allerdings eine leichte überbelegung der vorhaben fürs papiermetier, welches eo ipso in künstlerbüchern und mail art immerhin die verbundenheit der akteure ausmacht. ohne altvater beuys im juli 2011 über gebühr strapazieren zu wollen – zudem noch im vorbelasteten und gebeutelten niederrhein – aber eins hatte der gute derzeit mit der feststellung, jegliche kunstfehler begännen bereits mit dem erwerb von keilrahmen und leinwand, noch ausgelassen: die palette miteinzubeziehen. Die liste aller selbstportraits von künstlern mit jenem imagefördernden utensil der merkantilen kreativindustrie erscheint hier obsolet. plan B. Die dekonstruktion der produktionsmittel. Wie andernorts

mit einigen popwissenschaftlichen erfolgen in der theorieproduktion der 90er jahre bereits geleistet. Medienkunst nennt sich das in der praxis heuer. „warum sollen künstler nicht arm sein?“ titelt das umrissene vorhaben, das nach einem gestandenen konrad klapheck der kleinstskulptur verlangt, der günstigerweise von neun uhr bis mittags fleissig sammeln geht, um von 14 bis 17 h noch fleissiger hölzchen zu säubern und zu kleben: aus benutzten streichhölzern soll eine malerpalette entstehen, zu denen einwohner der region ihr karbonisiertes altholz beitragen kön-


nen. burn baby burn. zu dumm, dass niemand mehr diese einstmals in deutschland monopolisierte zündende industrie nennenswert zu nutzen scheint. plan B, der darauf baut, bereitwillige spenden leicht gebrauchter streichhölzer einzusetzen, überholt sich so zügig wie der ausstieg aus dem atomausstieg. plan C. die dinge so nehmen wie sind – und sich selbst erkennen. auf

jeden fall, dass plg nicht die gleichen konzeptprogrammatischen voraussetzungen beanspruchen kann wie die noch zu beerbende konzeptuelle künstlerin hanne darboven in ihrem lebenslangen schreibzeitgefängnis. einmal die woche freitags eine zigarre kann schlichtweg keiner kettenraucherin paroli bieten, die wohl letztlich nichtmal ihre anzünder aufgehoben hat. ganz zu schweigen von den blicken der kollegen, die öfter

die erste etage des turms passieren müssen als das durchgangszimmer einer wohngemeinschaft.

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am ende der woche zeigt sich ein aufgeräumter raum mit minimaler veränderung zum ausgangszustand. der arbeitstisch wird zum relikt des prozesses mit nahezu philosophischer quintessenz – für denjenigen, der augen hat und schnelle erklärungen wünscht. alle anderen blicken auf die poetische objektgleichung gegenüber, die nun mit der ergänzten schale der verbrannten streichhölzer neben einem an die wand gezeichneten 11


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links: kunst auf der durchreise und quartier im bauwagen rechts: arbeitstisch erste etage endzustand

gleichzeichen aufgelöst wird. wie man es auch deuten möchte, ob als hinweis auf gegenwärtige globale logistikprozesse, die in 20-fuss-containereinheiten mit ihrem prozessorkontrolierten mechanikballett zwar dem zuschauer den atem rauben und zugleich den preiswerten 1euro-schlüpfer bescheren, jegliche analoge seefahrt davor jedoch in ein rätsel zurückverwandeln, oder auch als energiegleichung der thermischen umwandlung von baumholz 13

in kohlenstoff inclusive der aktuellen implikationen – generell bleibt plg frieslaenders arbeit das, was umberto eco als offenes kunstwerk bezeichnet: ein ästhetisches system, dessen kombination von zeichenträgern (signifikanten) keine exklusive lesart vorschreibt. zuguterletzt beantwortet er aber zumindest die ungestellte frage danach, wo er steht ganz simpel mit einer geste, die da sagt: immer dort wo ich

gerade bin. recht pedantisch bestimmt er am letzten tag mit kompass sowie mit gps noch die nordachse des turmes, um sie mit einer gestrichelten linie auf den boden der etage zu stempeln. auf seinem arbeitstisch weist eine weitere achse mit einer helgolandflagge versehen in die richtung der hochseeinsel. ahoi polloi!


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NEUE EMBLAMATA SEMANTIKLABOR AD BREEDVELD offen im täglichen miteinander reden sie darüber nicht, obschon allein die mahlzeiten genug raum zulassen – auf der zweiten etage bahnt sich vom einräumen am ersten tag an so etwas wie eine metamorphose der dingund warenwelt an, die eigentlich alle im ersten moment fassungslos aber doch heiter staunen lässt. aus etlichen einkaufstaschen sticht da zunächst nur ein pandämonium der konsumverpackungen und werbedruckmedien wie auch zeitungsausschnitten hervor. kaum einen tag später türmen sich myriaden von gesammelten verpackungen und faltblättern zu einem scheiterhaufen der verklungenen botschaften und stellen das zentrum eines komplett struktu-

rierten raumes, der als solches schon den modus von breedvelds ansatz zur disposition stellen könnte. ein auf einem stock gepfähltes schildchen „jedes stück ein euro“ ist weniger ein ernstzunehmender appell als die lunte, mit der man mal einen riesigen wohlstands-potlatch veranstalten sollte. um das zentrale entropische meer mit semantischem rauschen herum zeigen sich an den wänden neu arrangierte artefakte aus früheren projekten. so das kollaborative künstlerbuch sinnepoppen, das über mehrere jahre mit mehreren künstlern die emblemata des amsterdamer kaufmannes roemer visscher überarbeitet, interpretiert und schicht für schicht kommentiert. übrigens – die designgeschichte sieht in den emblemata des 16. jh. mit ihrer struktur von motto – bild und erklärung bereits den prinzipiell unveränderten vorläu-

fer der heutigen werbeanzeige mit headline – foto – und copy-text. nach den abschliessenden fotos für diese dokumentation baut ad breedveld einen teil der recht raumgreifenden installation wieder zurück, der sofort nach der arbeitswoche mit dem rücktransport der materialien zur kunstkolonie veenhuizen transportiert werden soll. herr penschuck lächelt ihm zu, „mir war es schon fast zu viel – jetzt ist es perfekt.“ ad lächelt zurück, „ja, stimmt.“ und zwar auch, weil es darum nicht geht.

wasserturm 2. etage, endzustand 11.7.2011 17


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breedveld am „geklockten“ arbeitstisch. yes it hurts!

emblemata von roemer visscher, amsterdam 1614 (auch rechts) 19


anfang einer dokumentation der atelier-ausstellung (KKV, 2009) „91 NEUE DRENTHISCHE KÜNSTLER-SPRICHWÖRTER“, adhoc assemblagen aus fundstücken und konsummüll.

WASSERTURM GELDERN. ARBEITSWOCHE 3.-10. JULI 2011. 38.5 STUNDEN KUNST AUF ABRUF: 61,30 EURO PRO STUNDE? Einige Notizen von Ad Breedveld 1. Wir waren eingeladen von Peter Busch („KUHnst-Wasserturm

Geldern“) zu einer Arbeitswoche im Turm und in ZugWaggons, wo in einer kleinen Gruppe neue Kunstprojekte ausarbeiten werden konnten um einander besser kennen- und geniessen zu lernen. Das Thema 38,5 h – KUNST AUF ABRUF von Herr Penschuck, Pit Grosse, Karl-Friedrich Hacker

und Ad Breedveld (KollegenTRANCE-INDUSTRIALS seit 2008) war vom Vorstand akzeptiert worden. Unser Konzept bestand darin, unter strengsten Stechuhr-Bedingungen je ein eigenes Projekt auf je einer eigenen Etage des Turms weiter auszuarbeiten. Und am letzten 20


Sonntagmittag unsere Erfahrungen miteinander und mit Gelderner Interessierten zu teilen. Mit nachher denn noch einer Katalog mit viele Verantwortungen und Arbeits-Bilder “on demand”. 2. Im Vertrauen auf Stechuhr und Stempelkarte habe ich diese Woche 91,6 Stunden gearbeitet. 3. Und ich habe 8 neue Emblemata aus Geldern assembliert (ca. 100x200x100 cm) von Fundsstücken aus Geldern und Mitbringseln aus Veenhuizen (NL) mit einem Marktwert von je ca. 300,– EUR. Das macht also 2400,– Euro pro Woche Verdienst? 4. Eine Kauffrau und ein Lehrer aus Geldern rechneten mir vor, dass mein Stundenlohn denn 2400,- geteilt durch 38,5 war, also ungefähr 61,50 Euro Brutto pro zugelassener EUArbeitsstunde, was sie beiden nicht zu viel erachteten. (Und 21

denn auch nur noch, wenn ich alle Stücken verkaufen würde, was leider nicht der Fall war). 5. De fakto hatte ich bis Montag 11 juli kein einziges EMBLEMA AUS GELDERN verkauft! Aber gab ich mich doch sehr zufrieden mit unserem ProDeo ZusammenArbeitsGenuss, mit unserer eigenen ArbeitsSymphonie=Musik auf der 3. und 4. Etage, und mit Peter Buschs fabelhaftem Exkurs zum MENSCHENPARK-JVA-GELDERN-KUNST (gegr. 1995). 6. Peter Busch zeigte sich Montag 11. Juni auch zufrieden über die Arbeitsqualität unserer Woche. Und meinte, das im nächsten Jahr eine Arbeitswoche für Schauspieler, Musiker oder Literaten im Turm nicht undenkbar wäre.

rechts: breedveld am „geklockten“ arbeitstisch. yes it hurts! (profilansicht)


1. puik beste bildtstar. oder: gebackene luft.

2. vera kunova weltmeisterin 1988. oder: dessous wrestling ultimate surrender. 3. who ist mein vaters fahrrad? oder: habbe komt von haelde. oder: pisse van jonge haenen.

4. kunst auf abruf 1. oder: guter schlaf ist halbe miete 22


5. gutes kann so billig sein! oder: falsch gemacht vergisst es keiner. 6. aussen knusprig innen suppe. oder: die profite der feindbilder. oder: do geldersche wend.

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7. monteur ist bestellt. oder: wenn mama nervt ruf oma an. 8. kunst auf abruf 2. oder: knast zum wohnen. oder: kunst. news. actions. scenes. trends.


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HERR PENSCHUCKS SYMPHONIE DER ARBEIT RAUMINSTALLATION UND IMPROVISATIONSWERKSTATT

„synFonie der arbeit“, rauminstallation und klanglabor, endzustand 10.7.2011 wasserturm, 3. etage 25

manche rätsel werden nicht gelöst sondern transzendiert. gleich zu beginn der woche jenes um den willkürlichen ausruf „die pyramide von gizeh“, den ad breedveld in einen zurückliegenden gemeinsamen auftritt von ti*to einstreute. als frühes sinnbild menschlicher sklaverei beim bau der pyramiden wurde aus dem gedanken ein kleines objekt und ebenso das geräusch-instrument „pyramide-stein-klatscher“. eigentlich war es herr penschucks wunsch, am ende der woche mit seinen drei kollegen eine neue boygroup vorzustellen, die ausgangsbedingungen dafür waren hergestellt – dass es dann auch heissen würde, sich in aller konsequenz auf youtube, facebook und anderen probaten sozialnetzwerken zu entblössen, liess diesen wunsch dann doch im

keim ersticken. dafür wuchs über die woche etwas viel kostbareres heran, das still und leise die synFonie der arbeitswoche genannt werden kann. zu nicht abgesprochenen zeiten, meistens am abend, trafen sich alle vier schichtkünstler auf der dritten etage und führten ihre gespräche auf basis der sprache ihrer instrumente und fundstücke weiter. was zunächst als improvisation mit saxofon und sampler begann, bekam im weiteren verlauf eine orgelpfeife, eine gleisbausirene, schellenglocken wie auch kinderzither und eine selbstgebaute langsaite dazu. diese momente als solche liegen ausserhalb des organisierten musikindustriellen betriebs – sie sind weder reproduzierbar noch im sinne einer wertschöpfungskette zu nutzen. der schottische künstler und gründer der der inzwischen legendären kopyright liberation front


begegnungen in der wunderbaren und fast sakralen akustik des turmes erahnbar machen.

(KLF) bill drummond wies auf diese scheinbar verdrängte qualität von musik hin, als er vor ein paar jahren den chor THE 17 gründete, bei dessen auftritten weltweit keine bild- und tonaufnahmen entstehen. die performer erleben die auftritte im wissen um die intimität, die solch eine vorgabe erlaubt. wer da den altmeister walter benjamin inclusive seines auraverständnisses herantrapsen hört, liegt so falsch nicht. dermassen extrem wurde das vor ort nicht gehandhabt – es liegen mehrere mitschnitte vor, die die nichtsprachlichen

links: „rhapsody#079“, kugelschreiberzeichnung, folientasche rechts: rhapsody#078“, kugelschreiberzeichnung, stempel, folientasche

andere sätze der symphonie der arbeit komponierte herr penschuck nach geräuschaufnahmen in geldern, die besucher und einwohner der stadt als klang ihrer arbeit bestimmten oder bei der ausübung aufgenommen wurden. dazu entstanden „rhapsodien“ genannte kleinformatige kugelschreiberzeichnungen der klangquellen auf karton, die sukzessive an nylonschnüren der dritten etage im turm gehängt wurden. was als klang immateriell den raum durchdringt und somit erlebt werden muss, besitzt als zeichnung das semiotische potential des nicht mehr änderbaren. das jedoch beliebig oft gedeutet werden kann und auch zum asservat des prozesses gerechnet 26


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werden muss. nicht ohne ironie nennt herr penschuck seinen ansatz zudem barrierefrei. wer nicht hören will, muss halt sehen. und umgekehrt.

oben: gleisarbeitersirene, bestandteil der installation und performance-werkstatt rechts: arbeiten mit dem mobilen einsatzkoffer in der küche

sollte jene knallrote gleisarbeitersirene, die sich als klassische signalmusikerin im ruhestand des werkstattwaggons auf dem gelände anfand, zunächst lediglich als sample in den digitalen klangfundus der synFonie übergehen, so befand sie sich aber bereits kurz darauf selbst auf der dritten etage und prägte – wenn genutzt – für einige momente das akustische leben nachhaltig. allerdings kann auch im jahr 2011 festgestellt werden, dass besucher noch immer unter der durch den museumsbetrieb veursachten hemmung stehen, ein zur erkundung äusserst einladendes objekt wirklich im direktesten sinne zu begreifen.

in einer weiträumig gesperrten seitenstrasse des gelderner bahnhofs wird herr penschuck auf dem rückweg einer besorgung auf eine andere dankbare quelle der synFonie aufmerksam. ein noch recht junger mann in arbeitskleidung steht stolz neben seinem vermutlichen arbeitsgerät, einer art gabelstabler ohne gabel, aber dafür ausgestattet mit rotierenden besen an der unterseite und erklärt einem zweiten die wohl zu erwartenden reinigungsarbeiten, zeigt dabei auf einige dunkle stellen auf dem asphalt. auf dem parkplatz zur seite steht ein recht imposanter tieflader, der offensichtlich als transporter für das sonst verkehrsuntaugliche vehikel benötigt wird und allein schon eine mittelprächtige absperrung nötig rechtfertigt. nach späterer recherche stellt sich das im leerlauf pröttelnde gerät als sogenannte öl28


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oben: „rhapsody#079“, kugelschreiberzeichnung, folientasche rechts: wasserturm etage 3, linke ansicht mit langsaite und rhapsody

spurnassreinigungsmaschine heraus. sie macht mächtig eindruck, als der junge ölbeseitigungsscheich seinen bock besteigt, die lärmschutzmuscheln auf die ohren schnalzt und es wacker aufheulen lässt, dabei unter stetiger beobachtung des zweiten, dessen argusaugen über die ordnungsgemässe durchführung wachen, die peinlich genau nach dem merkblatt DWA-M 715* stattzufinden hat. dem habitus nach handelt es sich um den öffentlich-rechtlich bestellten vertreter jener behörde, die schliesslich auf der rechnung mit gestempelter perkussivität vermerken wird, dass alles sachlich und rechnerisch stimmt, bevor zur wohlfeilen bezahlung der massnahme in bürokratischer notation angewiesen wird. hier und nicht allein in den akademischen hörsälen der NEUEN MUSIK entstehen die motive der neuesten

musik – einer, die das leben schreibt, inclusive inhaltlicher dissonanzen. viva la musica.

-* regelwerk der Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. 30


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KLANGOLYMP IM RESTKESSEL KARL-FRIEDRICH HACKER ALS HANDSEISMOGRAPH EINER WOCHE

direkt nach der ankunft nach dem ersten gemeinsamen einkauf im nahegelegenen supermarkt – nennt man das hier bereits shopping mall? –, noch bevor die eigentliche ‚vertragskunstwoche‘ beginnt, passiert die kunst bereits ganz ungewollt – oder vielmehr das, was dann ihre logistische vorarbeit gewesen sein wird. 4,– Euro aus der manteltasche gezückt, bittet er sich und seine kollegen und freunde in den fotofix-automaten am fusse der langen rolltreppe neben dem parkhaus. das fressen in brechtscher manier in den plastiktaschen gebunkert, kommt unmittelbar das spiel. mit etwas glück könnte sogar noch ein moralischer mehrwert daraus entstehen. es sind die zwischenräume, in denen karl-friedrich hacker in seiner sonst zurückhaltenden und bescheidenen art den glanz seiner beobachtungs-

gabe strahlen lässt. und mit anderen teilt. in den achtzigern gründete hacker die edition bauwagen und nahm das ganz wörtlich: zog mit einem trecker trackend nach spanien, linoldruckend, landschaftsmalend. ‚landstreicherei‘ dieses eine mal ohne herabwertung gesprochen. in einem telefonat schon nach der abgeschlossenen arbeitswoche fällt das wort demut. diese alte unmodische tante, deren coolnessfaktor nicht eben hoch ist. es klingt nach wie das saxofon, mit dem er oft nachts und allein den kesselraum des turms bespielt. haben eigentlich schon andere gäste diese ausserordentlichen und nicht zwangsläufig im konfessionellen sinne sakralen qualitäten für sich entdeckt?

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DER ERSTE GELDERN TEXT (06.07.2011, 00.00 UHR)

DER ZWEITE TEXT (03.07.2011, 1.50 Uhr)

Senknullen mit Zungensperren garantiert bruchsicher im Hochleistungstrakt der JVA untergebracht. Stromstöße drei mal täglich unter Hubfliegengitter. Silikonfugensteiger in 6 Meter Höhe. Kamerarundumsicht. Fahrradkontrolle. Lebenswerte Umweltgestaltung bei Endstation Sehnsucht mit eisernen Möbeln neben dem Rosenhag. Wer drin sitzt sacht mal ne Klammer an, circa 5 Jahre. Jedoch das Geheimnis der Freiheit ist der Mut zum Leben, denn es ist leichter zu verachten und verstehen ist viel besser. So kommt es: das gute Urteilsvermögen kommt von Erfahrung, und die Erfahrung kommt von mangelndem Urteilsvermögen.

Die Dingwelt der Dinge die unbedingt zusammengefügt werden, und erst zusammen Zusammenhänge bilden, die ihnen aufgrund des Materials und der Farbe imanent sind offenbaren im Objektkasten ihre Bereitschaft über sich hinaus in Zusammenhang zu treten zum Reziprok oder Prokralept, Prokativ, oder auch Prokablem, dem sprichwörtlich gewordenen Gesamtausrufungszeichen emblematischer Aalglattheit. Göttlicher Aalgeleitetheit und Ungreifbarkeit bei theoretisch technischer Begreifbarkeit. Die Stechuhr als aalglattes Proklablem stiftet ein Gegenwartskontinuum in der zweidimensionalen Einwegschiene vom Hier und Jetzt zum nur noch nach dem Hammerschlag des vom ausgelösten Stempels der Stechuhr gebranntmarkten Gegenwartspartikel auf der Schwelle zur Vergangenheit. 36


DER DRITTE TEXT (03.07.2011, 1.60 UHR)

DER VIERTE TEXT (03.07.2011, 1.75 UHR)

Der frühe Vogel verschluckt sich am Wurm. Der Wurm wurde nicht gefragt. Dennoch war der Wurm da, bereit und zum Endschluck entschlossen. Danach ward er Vogelscheiße, gab noch zwei drei Flügelschläge her, da er wenig Nährwert besaß, aber zum Fliegenfang taugte. Die gefangene Fliege, ein fetter Brummer, der sich nur von Hämorrhoidalblut durchsetzter Scheiße genährt hatte, jedoch war grünschillernd von besonderem Nährwert. Ein Goldstück dem segelnden Gleiter, nützlich um hier und da weitere Klohäuser und Kuhfladen zu überfliegen und Leckerbissen zu erschnappen, die den Weiterflug ermöglichten, da sie vom Niederen zum höheren Organismus auf der karmatischen Leiter mit Leibeskräften der Vollkommenheit des Sonnenuntergangs entgegenflogen.

Beim Schlafen die Augen zu zu machen ist von doppeltem Nutzen, da man ja auch über zwei Augen verfügt. Die unverfugte Fuge zwischen den Liedern, die beim Blinzeln entsteht und die die erste Reaktion auf den neuen Tag ist, der sich vor der Dunkelheit entlang drückt immer auf dem Rückzug begriffen vor der Nacht will ja nur in seiner strahlenden Alltäglichkeit erscheinen, die bei geschlossenen Liedern in der Tiefe der Nacht in ungefugter Dunkelheit, fugloser Schwärze sein reziprokes Traumequivalent im synaptischen Zusammenspiel der Entspannung und spannungsgeladenen Entladung als Erdung der Nacht zurückfließt zum ideellen Spiegelbild geistiger Tagerschaffung in der Nacht des Traumes, der die Herrschaft des Lichts über die Schatten zum Liedschluss zwingt.

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ad breedveld, *1948 in nieuwveen / NL-west,;

PLG frieslaender, *1947 in bremen, bildhauer,

reihe edition bauwagen mit theo breuer als

betreibt seit 1992 mit der künstlerin marleen

objektkünstler, spurensicherer, grafiker und

herausgeber verlegt. seit 2004 footura black

van engelen die kunstkolonie veenhuizen.

auch kurator, der in seinen ausstellungen

edition lyrik und druckgrafik, buchkunst.

archäologische exkursionen und steinfrotta-

die idee der soziokultur für die gegenwart

gen u.a. in karelien, portugal. 1998 mitgründer

aufbereitet und weiter entwickelt.

des europäischen künsternetzwerkes

herr penschuck, *1966 in melbourne; freier und angewandter grafiker, betrieb in den

transindustriell, 2002 mitgründer von ti*to,

karl-friedrich hacker, *1954 in itzehoe

90er jahren die inzwischen historische

dem trance*industrial*toy*orchestra. Seit

1984 edition bauwagen gegründet, linol-

produzentengalerie karg in oldenburg mit, seit

2007 beschäftigung mit „Verbalem Recycling“

druckgrafik landschaftsmalerei, reisen nach

1999 entwickelt er ©livegrafik, ein crossover

– neubenennungen von fundstücken, die zu

spanien; 1988 aluminiumgussprojekte, allumi-

aus druckgrafischen techniken und kunst-

adhoc-collagen & assemblagen verarbeitet

nation; seit 1998 el mail tao, kunstgeschichte

performance. 2002 mitgründer von ti*to, dem

werden.

der gegenwart originalzeitschrift des mail art

trance*industrial toy orchestra.

netzes (seitdem ca. 65 ausgaben); lyrische

IMPRESSUM

DANKESCHÖN unser dank geht an den KUHnst Turm

©2011 a d breedveld, PLG frieslaender, karl-friedrich hacker, herr penschuck

Niederrhein e.V., der mit unkompliziertem interesse dieses pilotprojekt ermöglicht hat –

layout und produktion: daniel penschuck

mit allen, die uns bei wünschen, fragen und

fotos: d aniel penschuck

vorhaben unprätentiös zur seite gestanden

marleen van engelen (s.19, 20, 12, 23) text & r edaktion:

haben. ganz namentlich peter busch. und besonderen dank an artur, der uns in der

daniel penschuck (s.2–5,9–17,25–34)

zeit mehr als nur hausmeister und helfende

und die künstler

hand war.

www.wasserturm-geldern.de 40


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