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Viel Freude, Musik und Jubiläen – endlich wieder zusammen! S

Viel Freude, Musik und Jubiläen – endlich wieder zusammen!

Jana Orlowski vom Generalkonsulat in Breslau übergab Steffi Wróbel die Dankurkunde der Deutschen Botschaft. Auch Leopold Stępowski (l.) und Janina Naskręt (r.) von der DSKG Waldenburg waren der Einladung nach Breslau gefolgt.

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Am Samstag, den 21. Mai, veranstaltete die Deutsche Sozial-Kulturelle Gesellschaft Breslau den alljährlich stattfindenden „Maikranz“. Die Mitglieder und ihre Gäste kamen im Garten des Sitzes der DSKG zusammen, um gemeinsam den Frühling zu begrüßen. Außerdem standen wichtige Jubiläen sowie musikalische Leckerbissen auf dem Programm.

Das Zusammensein und der hautnahe Austausch mit anderen Menschen sind zuletzt wegen der Covid-19-Pandemie zu kurz gekommen. Daher war es kaum verwunderlich, dass die DSKG-Mitglieder und ihre Gäste die Einladungen gerne annahmen und äußerst zahlreich erschienen. Im Rahmen der Veranstaltung fanden auch Feierlichkeiten anlässlich zweier Jubiläen statt: Zum einen besteht die Gesangsgruppe „Heimatsänger“ in diesem Jahr 30 Jahre, zum anderen kann die DSKG Breslau auf eine 65-jährige Geschichte zurückblicken.

Einen Höhepunkt des „Maikranzes“ gab es bereits zu Beginn, als das langjährige DSKG-Mitglied und Gründerin der „Heimatsänger“ Steffi Wróbel für ihre Tätigkeit für die deutsche Minderheit in Polen und ihre Bemühungen für die deutsch-polnische Verständigung im Namen der Deutschen Botschaft durch Jana Orlowski vom Generalkonsulat in Breslau geehrt wurde. In ihrer kurzen, aber bewegenden Rede erinnerte Steffi Wróbel an die Anfänge der Gesangsgruppe vor 30 Jahren im Jahr 1992. Anfangs hatten sie mit lediglich 17 Mitgliedern gesungen, ein Jahr später waren es schon über 30. Die Freude am Singen sei dabei das Wichtigste gewesen und Anderen davon etwas von der schlesischen Kultur weiterzugeben. Zwar seien die „Heimatsänger“ während der 30 Jahre durch Höhen und kleine Tiefen gegangen, das allwöchentliche Treffen hätte den Anwesenden aber stets Schwung gegeben. Dabei standen sie anfangs noch ohne Gesangsbüchlein da und konnten nur die alten Volkslieder singen, die sie noch in Erinnerung hatten. Begleitet wurde die Gruppe dabei stets auf dem Klavier durch Steffi Wróbels Tochter Jadwiga oder durch Steffi selbst auf ihrem alten Akkordeon. Erst mit der Zeit bekamen die Heimatsänger einige Gesangsbücher mit Noten. Seit 1992 war die Gruppe ein fester Bestandteil der Versammlungen der DSKG Breslau und begleitete auch andere Treffen mit ihrem Gesang. Sogar nach Deutschland sind wurden die Heimatsänger eingeladen und konnten dort schlesische Volkslieder präsentieren. Vielen Anwesenden stand die Rührung durch die Worte von Frau Orlowski und im Besonderen von Steffi Wróbel ins Gesicht geschrieben. Anschließend blickten die DSKG Vorsitzende Krystyna Kadlewicz und der ehemalige Vorsitzende Friedrich Petrach auf 65 Jahre Geschichte der DSKG Breslau zurück. Auch unser Gast Leopold Stępowski von der DSKG Waldenburg informierte die Anwesenden über die Anfänge unseres Vereins im Jahr 1957, die eben dort – in Waldenburg – liegen. Mehr über den Beginn der Organisation der deutschen Minderheit in Breslau ist in einem gesonderten Artikel auf Seite X in diesem Heft zu finden.

Zwischen den einzelnen Programmpunkten begeisterten drei junge Musikerinnen mit ihrer Geige das Publikum. Das Repertoire war dabei sehr vielfältig. Während Julia Garbera den Walzer von Johann Baptist Cramer spielte, zeigte Urszula Karch eine Interpretation einiger Stücke von Hans Zimmer aus den Filmen „Piraten der Karibik“. Dann präsentierte Karolina Świerczek zunächst das Gedicht „Wün-

Viel Freude, Musik und Jubiläen – endlich wieder zusammen!

Für das leibliche Wohl der Mitglieder und Gäste war gesorgt.

Der Vorstand der DSKG begrüßte neue Mitglieder. Jung und alt hießen zusammen den Frühling willkommen.

Kinder aus den Sprachkursen sorgten für gute Stimmung.

schelrute“ von Eichendorff und sorgte dann zusammen mit ihrem Vater Waldemar für ordentlich Stimmung. Die beiden waren extra aus Ratibor in Oberschlesien nach Breslau gekommen. Auch die Kinder aus dem Sprachunterricht sangen zusammen mit der Deutschlehrerin Aleksandra Rozum einige Lieder und sorgten für gute Laune. Da zudem für das leibliche Wohl der Mitglieder und Gäste gesorgt war, wurde bei sonnigem Wetter trotz einiger Windböen viel miteinander gesprochen und gelacht. Es war deutlich zu sehen, dass vielen Mitgliedern und Gästen eben dieses Miteinander zuletzt gefehlt hatte und sie glücklich darüber waren, sich endlich wieder persönlich gegenüber zu sitzen. Julian Schorr

65 Jahre DSKG – Erinnerungen zum Jubiläum

Anlässlich der Feierlichkeiten zum 30. Jahrestag der Registrierung der DSKG Breslau sind bereits Artikel über die Geschichte der Organisation in den letzten Ausgaben der Niederschlesischen Informationen (NI 1/2021 + 2/2021) erschienen. Der Fokus lag dabei allerdings vor allem auf den Aktivitäten des Vereins ab 1991. Daher soll an dieser Stelle – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – ein Blick auf die Anfänge der organisierten Tätigkeit der deutschen Minderheit in Breslau und Niederschlesien geworfen werden.

Wenn man sich mit den Anfängen einer organisierten Aktivität der deutschen Minderheit in Niederschlesien auseinandersetzt, muss man als allererstes nicht auf Breslau, sondern auf Waldenburg blicken. Denn dort wurde 1957 die erste Deutsche Sozial-Kulturelle Gesellschaft in Niederschlesien gegründet. Warum Waldenburg? Der Grund liegt darin, dass dort auch nach den Zwangsausweisungen der deutschen Bevölkerung aus der Volksrepublik Polen zwischen 1946 und 1948 noch ca. 30.000 Deutsche verblieben waren. Sie wurden gebraucht, um den Betrieb in den Berg- und Industriewerken aufrechtzuerhalten. Alte und sogenannte „nicht produktive“ Deutsche wurden dagegen ausgewiesen. In den Fabriken durften die deutschen Arbeiter eigene Gewerkschaften bilden, die sich dafür einsetzten, die Verhältnisse für die deutsche Bevölkerung zu verbessern. Schon 1950, nach der Unterzeichnung des Grenzvertrages zwischen der Volksrepublik Polen und der DDR, nahmen in Niederschlesien Schulen mit Deutsch als Unterrichtssprache den Betrieb auf. Diese waren allerdings nur bis 1959 in Betrieb, nachdem zwischen 1956 und 1959 zahlreiche Deutsche aus Polen ausgereist waren. Mit der Eröffnung der ersten deutschen Schulen ging auch eine dynamischere Entwicklung auf kultureller Eben einher. Es entstanden Chöre, Theatergruppen und sogar Zeitungen.

Unser Klavier hat bewegte Zeiten mitgemacht und ist stummer Zeuge der langen DSKG-Geschichte gewesen.

Fotos: DSKG

Als 1956 das politische Klima in Polen milder wurde, versuchten Mitglieder des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Waldenburg, eine Organisation der deutschen Minderheit zu legalisieren. Dieser Versuch war schließlich nach mehreren Treffen zwischen Vertretern der Deutschen sowie des polnischen Staats von Erfolg gekrönt und mündete in die Eintragung der Deutschen Sozial-Kulturellen Gesellschaft mit Sitz in Waldenburg beim Gericht in Schweidnitz. Es war die erste und einzige Organisation der Deutschen Minderheit, die ganz offiziell in der Volksrepublik Polen zugelassen wurde. Erster Vorsitzender wurde Richard Riedel, eines der Mitglieder des Deutschen Gewerkschaftsbundes. In der Folge entstanden dann weitere regionale Ortsgruppen der Deutschen Sozial-Kulturellen Gesellschaft in anderen Orten Niederschlesiens, unter anderem auch in Breslau.

Der langjährige Vorsitzende der DSKG Breslau Friedrich Petrach, der die Anfänge der Organisation der deutschen Minderheit miterlebt und mitgestaltet hat, weist darauf hin, dass in Niederschlesien eine andere, wesentlicher tolerantere Atmosphäre geherrscht habe als etwa in Oberschlesien, wo der polnische Staat repressiver gegen die deutsche Minderheit vorging. Die DSKG war jedoch in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt. Jede Versammlung musste vorher genehmigt, Texte der Referate vorgelegt werden. Friedrich Petrach erinnert sich daran, dass bei Versammlungen der Ortgruppe in Breslau stets ein Vertreter der Partei und des Sicherheitsdienstes anwesend sein mussten.

In der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre konnten im Zuge von „Familienzusammenführungen“ vermehrt Deutsche aus der Volksrepublik in die DDR und in die Bundesrepublik ausreisen. Das war eine Erleichterung für viele deutsche Familien in Polen, bedeutete aber auch, dass die Anzahl der Deutschen in der Volksrepublik erheblich sank. Die Posten der nun ausgereisten Deutschen übernahmen meist polnische Bergarbeiter, die aus Frankreich und Belgien nach Polen zurückkehrten. Bis 1959 verließen hunderttausende Deutsche die ehemaligen Ostgebiete. Die Zahl der Mitglieder der 1957 registrierten Deutschen Sozial-Kulturellen Gesellschaft fiel innerhalb nur eines Jahres von 4000 auf 800 und sank danach stetig weiter. Auch die Vorsitzenden Riedel und Treiber reisten nach Deutschland aus. Ende der 50er Jahre mussten die meisten deutschen Schulen wegen Schülermangels schließen, die letzten 1961 in Breslau und Liegnitz. Viele deutsche Kulturgruppen lösten sich ebenfalls auf, ein Großteil der Mitglieder war schlicht nicht mehr da.

Dennoch bestanden die Deutsche Sozial-Kulturelle Gesellschaft mit Sitz Waldenburg und die Ortsgruppen auch in den 60er und 70er Jahren weiter. Erst die Ausrufung des Kriegsrechts in der Volksrepublik Polen brachten Aktivitäten – zumindest zwischenzeitlich – zum Erliegen. Sämtlicher Besitz und Unterlagen wurden konfisziert und in den meisten Fällen auch nicht wieder herausgegeben. Daher gibt es bei der Dokumentation über die Tätigkeiten der DSKG und ihrer Ortsgruppen oft Lücken. Friedrich Petrach merkt an, dass einzig das Klavier schließlich den Weg zurück zur DSKG fand. Warum gerade das Klavier, das konnte er sich aber auch nicht erklären.

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