ecoLife 5/09

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ecolife

bewusst schön leben

5 /09 www.eco-life.info

CHF 9.60

Freudentränen Wie man Trüffel im eigenen Garten zieht

Glücksmomente Es gibt immer einen guten Grund für etwas Schokolade

Jubelgeschrei Ein Jungunternehmen feiert Erfolge – dank Gewürz

Zapfenstreich

Junge Winzer und grosse Châteaux entdecken die Natürlichkeit


Helden der Natur. Monat Oktober.

«Ausgenützt, ausgelaugt und ausgesaugt.» Dieser April war wirklich aussergewöhnlich, wurde doch unser winterkalter Rebberg von einer schon fast sommerwarmen Sonne verwöhnt. Lange genug hatten wir Rebstöcke darauf warten müssen. Doch ganz ungetrübt war diese Freude nicht. In unsere frühlingsfrohe Stimmung mischte sich nämlich eine unerklärliche Unruhe. Kein Zweifel, meine lieben Nachbarn, diese jungen, starken Pflanzen mit ihren frischen, gesunden Trieben hatten Angst, das spürte ich. Aber nichts geschah. Was sollte auch passieren? Unser Bio-Winzer hegte und pflegte uns nach allen guten Regeln der BioWinzerkunst. Das natürliche, gesunde Erdreich unseres Rebbergs war für unsere Wurzeln das reinste Vergnügen. Und unsere kriechenden, krabbelnden und fliegenden Feinde wurden uns durch unsere kriechenden, krabbelnden und fliegenden Freunde vom Leib gehalten. Dennoch, diese seltsame Angst war einfach da. Aber nichts geschah. Bis im Juni Sommersonne und Sommerregen einander abwechselten, Blätter und Blüten ringsum aufgeregt und voller Furcht über lächerliche Geschichten von kleinen, weissen Monstern und deren schrecklichen Grausamkeiten flüsterten und tuschelten. Da war die Rede vom gnadenlosen Eindringen in unsere Blätter, von einem Flechtwerk in unserem Gewebe und von unerhörten Barbareien dieser

winzigen Ungeheuer. Ausgenützt, ausgelaugt und ausgesaugt würden wir alle bis zum bitteren Ende werden. Wir zitterten im lauen Sommerwind. Aber nichts geschah. Oder doch? Tatsächlich flüsterte die eine Rebe den anderen Reben dann doch etwas von leichten Verletzungen zu. Verletzungen, die aber in Wahrheit nur kleine Schönheitsflecken waren – eigentlich nichts. Und das hatte seinen guten Grund. Die kleinen Monster waren kein Hirngespinst, sondern brutale Realität. Zum Glück sind wir aber eine ganz spezielle Rebsorte. Eine nämlich, die widerstandsfähig ist gegen die grausamen Attacken dieses Ungeheuers, einem Horror-Pilz mit dem harmlosen Namen «Falscher Mehltau». Glück für uns. Glück für den Winzer. Jetzt hängen wir Bio-Rebstöcke alle voller Trauben mit fast völlig reifen Beeren. Bereit für die Weinlese. Bereit zum Genuss als Tafeltraube oder Traubensaft. Vor allem aber bereit für den Kellermeister, der den Saft liebevoll gären und klären lässt, der dann zum edlen Bio-Wein reift. Ausgezeichnet nicht nur mit der Knospe – häufig prämiert, ein Genuss, der seinesgleichen sucht. Besuchen Sie doch mal einen echten Schweizer BioWinzer, einen mit der Knospe. Einen, der voll und ganz biologisch wirtschaftet. Vom Pflanzen bis zur Lese, von der Gärung bis zur Flasche. Ohne Wenn und Aber. Oder informieren Sie sich einfach unter www.bio-suisse.ch


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5/09 ECOLIFE EDITORIAL

Wir sind halt keine Heiligen Als ich das vorliegende Heft mit dem Schwerpunkt «Essen und Trinken» plante, machte ich mir Gedanken darüber, wie denn mein eigenes Konsumverhalten aussieht und wie nachhaltig im ökologischen und sozialen Sinn es ist. Nun, wir sind eine dreiköpfige Familie. Manchmal der Mann und häufiger die Frau erledigen die alltäglichen Einkäufe. Die zweijährige Tochter macht sich da noch keine grossen Gedanken, ist aber bereits eine leidenschaftliche Köchin mit Teig­ waren aus Holz, Tomaten aus Filz und einem Kochherd in Form eines Klappstuhls. Als sportliches Paar war uns eine ausgewogene Ernährung schon immer wichtig. Das eigene Kind im Haushalt verstärkt den Willen, möglichst oft gesund zu kochen. Aber wir sind auch alle drei grosse Geniesser. Gesund muss bei uns also auch lecker, gluschtig, chüschtig sein. Und zwischendurch essen wir auch mal was, das nicht gesund ist, aber ungeheuer Spass macht. Auch als ich noch nicht Chefredaktor von ecoLife war, landeten bereits oft und gerne Bioprodukte im Einkaufskorb. Vielleicht ist es nur in meinem Kopf. Aber mir schmecken die einfach besser. Das Biojoghurt hat eindeutig mehr Geschmack als das herkömmliche. Früchte aus der Region zur passenden Jahreszeit schmecken danach, wonach sie aussehen. Glacé aus der Region und Fleisch vom glücklichen Lamm im Emmental bescheren mir wahre Glücksmomente. So sehe ich das. Deshalb kaufen wir fast jede Woche einmal direkt auf dem Märit in Bern ein. Salat, Käse, Zopf­ mehl, Fleisch und Fisch zum Beispiel. Kommt hinzu, dass es lauschig ist, am Samstagmorgen früh den Ständen entlang zu flanieren. Ab und zu kaufen wir direkt drüben beim Bauernhof. Erst vor ein paar Tagen etwa frisch gemachte Konfitüre. Sonst ist das Angebot leider etwas karg. Aber immerhin. Die Haupteinkäufe erledigen wir bei Coop und Migros. Weil die Auswahl optimal ist, die Qualität stimmt, beide Läden in Fussdistanz liegen und die Preise okay sind. Bio und Nichtbio mischen sich dann bunt, je nach Einkaufszettel, Lust, Laune und Bequemlichkeit. Wir sind, das ist mein Schluss aus diesem Hintersinnen, eine völlig gewöhnliche Familie mit einem pragmatischen Einkaufs- und Konsumverhalten, wenn auch mit offenen Augen und Ohren für gesunde, natürliche, biologische Produkte. Manchmal kommt allerdings die Birne aus Spanien und die Pizza vom undurchsichtigen Konzern. Wir sind halt keine Heiligen.

Reto Wüthrich, Chefredaktor ecoLife


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ECOLIFE 5/09 ECOTHEMEN

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ecoThemen 3 Editorial Wir sind halt keine Heiligen 8 Tofu Wir sollten besser auf die Menschen aus Asien hören. Diese finden Tofu schon lange cool.

14 Biowein (II) Hoch oben im Wallis produzieren Marion und Jacques Granges Wein nach biodynami­ scher Methode. Eine Plackerei für einen himmlischen Fendant.

10 Persönlich Heinzpeter Studer setzt sich beherzt für fair behandelten Fisch ein.

16 Hiltl In diesem Jahr feiert das Zürcher Haus Hiltl seinen 111. Geburtstag. Es war das erste vege­ tarische Restaurant Europas.

11 Biowein (I) Lange von Weinkennern verachtet, erobert der Biowein Marktanteile. Nicht nur junge Winzer steigen auf biologischen oder biodynamischen Weinbau um.

21 Bio Suisse Soeben hat Bio Suisse 32 Produkte mit dem neuen Label Gourmet-Knospe ausgezeichnet. Es sind Leckereien, die höchste sensorische Ansprüche erfüllen. 24 Kochbücher ecoLife stellt eine Reihe von Büchern vor, die Lust aufs Kochen und natürlich aufs Essen machen.


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5/09 ECOLIFE ECOTHEMEN

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8 Tofu: Nur Erbsenzähler sind immer noch der Meinung, Tofu sie gummig und habe keinen Geschmack. In Asien ist Tofu längst populär. Und auch in der Schweiz beginnt das Umdenken. Zum Beispiel dank Spezialitäten der Tofurei Noppa. 11 Biowein: Die Weinbranche entdeckt ein neues Zauberwort: Terroir. Der Ge­ schmack nach genau dem Stück Land, auf dem die Rebe steht. Vor allem mit Terroir erobern derzeit der «vin naturel» oder Biowein zusehends Marktanteile. 34 Trüffel: Die Sache mit den Trüffeln aus dem eigenen Garten ist ziemlich ein­ fach. Ein Hund wäre trotzdem gut. Oder eine Fliege.

8 28 Schokolade Schokolade schmeckt einfach zu gut, um darauf zu verzichten. Aber sind auch Bio- und Fair-Trade-Produkte zum Anbeissen?

40 Bier Immer mehr Schweizerinnen und Schweizer trinken Bier von regionalen Brauereien. Einige davon setzen mit viel Erfolg auf die Karte Bio.

30 Gewürze Sie sind jung, gescheit, raffiniert. Sie beschlies­ sen, ein eigenes Unternehmen zu gründen. Und dann das: Sie wollen Gewürze verkaufen.

44 Max Havelaar Seit vier Jahren leitet Martin Rohner die ­Geschäfte von Max Havelaar in der Schweiz. Der Boom bei Fair-Trade-Produkten scheint es ihm leicht zu machen. Wirklich?

34 Trüffel Ein Bäumchen pflanzen und dann Trüffel ern­ ten, bis man alt ist: Was klingt wie der Traum eines Gourmets, ist durchaus möglich. 36 Fast Food Fast Food? Da dreht sich vielen der Magen um. Gesundes Fast Food? Das gibt Fragezeichen auf. Eduard Hitzberger gings genauso. Doch der Spitzenkoch eröffnete trotzdem ein nach­ haltiges Schnellimbiss-Lokal.


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ECOLIFE 5/09 ECOTICKER

Gut zum Fuss, gut zur Umwelt Die spanische Schuhmarke Pretty Ballerinas aus dem Hause Mascaró richtet ihre ge­ samte Produktion nach ökologischen Gesichtspunkten aus. Alle Schuhe der Marke werden auf der Balearen-Insel Menorca, der Heimat der Familie Mascaró, entwi­ ckelt und produziert. Menorca wurde 1993 aufgrund seiner unberührten und typi­ schen Landschaften zum Unesco-Biosphären-Reservat ernannt, um die ursprüng­ liche Natur zu erhalten. Als Hersteller auf Menorca ist Mascaró an zahlrei­che gesetzliche ökologische Vorgaben gebunden. Daher hat sich Mascaró für den ge­ samten Produktionsprozess ein eigenes Mantra auferlegt: «Reduce, Reuse, Re­ cycle». Diesen Grundsätzen sind alle Produktionsschritte unterworfen, von der Entwicklung bis zur Versendung der gefertigten Schuhe. Die neueste Kol­lektion ist darüber hinaus aus Sanotan gefertigt. Diese spezielle Lederart ist eine Errun­ genschaft des 21. Jahrhunderts und wird mithilfe von Titan unter Auslassung von Chrom bearbeitet. Sanotan ist antiallergisch und biologisch abbaubar. Es schont die Umwelt, lässt aber auch eine bessere Luftzirkulation im Schuh zu und ist gleich­ zeitig wasser- und schmutzabweisend. www.prettyballerinas.com

Stuhl mit Enkeltauglichkeit Büromöbel am Ende des Lebenszyklus zu rezy­ klieren, ist eine Sache. Eine andere ist, bei der Herstellung auf intelligente und weiterverwert­ bare Werkstoffe zu setzen. Der Hersteller Steel­ case will deshalb aufzeigen, dass sich hohe öko­ logische Ansprüche mit qualitativ hochwertigen Produkten vertragen. Die Entwicklung nachhalti­ ger Produkte berücksichtigt hier alle Phasen des Lebenszyklus: Materialgewinnung, Produktion, Transport, Nutzung und Entsorgung. Das Holz stammt grösstenteils aus nachhaltiger Waldbe­ wirtschaftung, die daraus gewonnenen Spanplat­ ten enthalten weder Pflanzenschutzmittel noch verunreinigtes Altholz und die Oberflächenbe­ handlung erfolgt mit Wasserlacken. Die Chrom­ teile werden aus trivalentem Chrom angefertigt, so dass bei der Verarbeitung keine krebserregen­ den Stoffe entstehen. Alle metallischen Kompo­ nenten lassen sich zu 100 Prozent wiederverwer­ ten. Statt PVC kommen Kunststoffe zum Einsatz, die sich entweder vollständig rezyklieren oder wiederverwerten lassen. Steelcase kennzeichnet zudem alle Kunststoffteile, um das Wiederver­ werten zu vereinfachen. www.steelcase.com

Klicks für eine clevere Reise Für immer mehr Reisende spielen beim Entscheid des Trans­ portmittels neben Zeit und Geld auch die Auswirkungen ihrer Reise aufs Klima eine Rolle. Dabei hilft nun die ­routeRANK – eine Software für Reiseplanungen, die die gesamte Reiserou­ te berück­sichtigt, ­indem Luft-, Schienen- und Strassenverbin­ dungen der relevanten europäischen Flughäfen und Bahn­ höfe integriert werden. In nur einem Such­vorgang werden die möglichen Reiserouten gefunden, welche nach Preis, Dauer und CO2-Emissionen sortiert werden. Der Reisende kann so transparent wählen, ob die Reise möglichst schnell, günstig oder klimafreundlich sein soll. Die Reise kann anschliessend di­ rekt bei den entspre­chenden Anbietern gebucht werden. Mit der neuesten Ver­sion ist es nun auch möglich, über einen Link zu myclimate die CO2-Emissio­ nen der gewählten Reiseroute zu kompensieren. myclimate garan­ tiert, dass das Geld in hochwertige Klimaschutzprojekte weltweit fliesst. www.routerank.com, www.myclimate.ch


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5/09 ECOLIFE ECOTICKER

Jetzt einen Orang-Utan mieten

E-Bike-Markt boomt weiter 16 000 Elektrovelos sind im ersten Halbjahr 2009 in der Schweiz gekauft worden. In der Vorjahresperiode waren es erst 7000 Einheiten. In diesem Jahr ist bereits jedes zehnte verkaufte Fahr­rad mit einem Elektromotörchen ausgestattet. Die Elektro­velos haben sich also auf dem Markt etabliert. Der Schweizer Hersteller Flyer (Bild) ist nach wie vor Marktleader. Dahinter konnten sich weitere Anbieter erfolgreich in Szene setzen. Offensichtlich stellt die aktuelle Wirtschaftskrise kein Hindernis für den Markterfolg der E-Bikes dar. Kurt Schär, Geschäftsführer von Flyer, erstaunt dies nicht: «Elek­trovelos sind eine ge­ sunde, lustvolle und günstige Art der Mobilität. Ein E-Bike benötigt Strom für 20 Rappen auf 100 Kilometer. Dass sich Flyer seit Jahren konsequent darauf konzentriert hat, alle mög­lichen Arten von Fahrrädern elektrifiziert an zubieten und sich auf kundenspezifische Fertigung in der Schweiz spezialisiert hat, zahlt sich heute aus. »

«Retten Sie einen Orang-Utan!» Mit diesem Aufruf unterstützt die Borneo Orangutan Survival Association Schweiz die Rehabilitierung von OrangUtans in Indo­nesien. Durch Waldzerstörung, Jagd und illegalen Handel von Babys sind Orang-Utans heute akut vom Aussterben bedroht. Auf ihrer Auf­ fangstation in Borneo rehabilitiert Lone Dröscher-Nielsen 700 beschlag­ nahmte Jungtiere und bereitet sie drei bis sieben Jahre lang auf die Auswil­ derung vor. Diese findet mit Helikoptern in entfernt liegende Schutzgebie­ te statt – eine logistische H ­ erausforderung. Monatelang beobachten Mitar­ beitende die Tiere, bevor sie sich endgültig zurückziehen. In den letzten Jahren konnte Lone 200 Orang-Utans erfolgreich auswildern. BOS Schweiz unterstützt das wichtige Projekt und vergibt Patenschaften. Patinnen und Paten erhalten für 15 Franken im Mo­ nat eine Urkunde sowie regelmässige Updates und Fotos «ihres» OrangUtans. www.bos-schweiz.ch

ecoTicker

www.newride.ch

Ziegel für Wärme und Strom

Werdverlag, 208 Seiten, mit zahlreichen farbigen Abbildungen, 21 x 16,5 cm,

Ein Dachziegel, der gleichzeitig Strom und Wärme erzeugt und trotzdem gut aus­ sieht? Gibt es jetzt. In Rapperswil (BE) hat die Schweizer Unternehmung Panotron kürzlich ihr innovatives Produkt vorgestellt und auch gleich ein gegen 100 Quadratme­ ter grosses Testdach in Betrieb genom­ men. Das neuartige Solarenergiesystem besteht aus einem konventionellen Ton­ ziegel, der ein Photovoltaik-Modul trägt, und einer speziellen Aluminiumschiene, in der Wasser, Strom und Daten transportiert werden. Das System ist modular aufge­ baut. Das heisst: Wärmegewinnung und Stromerzeugung können unabhängig voneinander oder gleichzeitig installiert werden. Ergänzt wird das System durch eine Steuerungssoftware und Planungshil­ fen. Nach der Testphase soll im Frühjahr 2010 die Serienproduktion beginnen.

broschiert, ISBN 978-3-85932-631-6, 49.90 Franken

www.panotron.com

Räume als schützende Hüllen Gesunde Innenräume sind eine wichtige Voraussetzung, dass Menschen sich in ihren eigenen vier Wänden, bei der Arbeit oder in öffentlichen Gebäu­ den wohlfühlen. Im Buch «Innenraumklima» veranschaulicht der Autor Reto Coutali­des an Fallbeispielen aus der Praxis, wo Probleme liegen und Gefah­ ren lauern, und zeigt Wege auf, wie bei Neu- und Umbauten zertifizierte Ge­ bäude mit einem gesunden Innenraumklima entstehen. Dokumentiert wird dies anhand einer Auswahl prominenter Bauten privater und öffentlicher Hand. Zahlreiche Hinweise, Links, Wissenswertes über emissionsarme Bau­ materialien, Baustoff- und Gebäudelabels, Messmethoden und Beurteilungs­ systeme machen dieses Buch zu einem wichtigen Begleiter und Arbeitsins­ trument, wenn es ums Bauen und R ­ enovieren geht. Es richtet sich nicht nur an Profis, sondern bietet auch Laien wertvolle Tipps. www.raumlufthygiene.ch, www.werdverlag.ch. «Innenraumklima – Wege zu gesunden Bauten», Reto Coutalides,


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TOFU

Die Schweizer Fange­ meinde von Tofu wächst. Beliebt sind vor allem ver­ arbeitete Produkte. Die Tofurei Noppa profitiert mit ihren Fertigprodukten vom Trend nach mehr Ökologie und Nachhaltig­ keit. Und davon, dass Tofu inzwischen fast schon cool ist. David Eppenberger

Wird Tofu jetzt

cool?

Sanft gleiten die trockenen Sojakörner durch die Hände von Jörg Helbling von der Tofurei Noppa in Rüti (ZH). Kaum zu glauben: in wenigen Stunden macht er daraus weissen Tofu. «Hier steht unsere Milchkuh», sagt er und zeigt auf eine Maschine, an deren Anfang der Chromstahlbehälter mit Soja­ bohnen steht und am Ende die weisse Sojamilch ­herausfliesst.

Dazwischen kocht und dampft es: Die zuvor in Wasser aufgequellten Bohnen werden püriert und aufgekocht. Bis vor einem Jahr geschah das alles noch in Handarbeit. Die spezielle «Milchverarbei­ tungsmaschine» aus Japan arbeitet nun viel schnel­ ler und holt noch etwas mehr aus den Bohnen her­ aus. «Auf die Qualität von Tofu hat die maschinelle Verarbeitung aber keinen negativen Einfluss», be­ tont Helbling. Der nächste Schritt geschieht weiter­ hin von Hand: Im grossen Chromstahlkessel bringt ein Mitarbeiter die «Milch» mit Hilfe des Meersal­ zes Nigari zum Gerinnen. «Diese Phase entscheidet


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über die Qualität», sagt Helbling. Alles Weitere bleibt Geschäftsgeheimnis. Zum richtigen Zeitpunkt schreckt er die Masse mit kaltem Wasser ab. Eine Nacht bleibt dem Tofu nun zum Reifen. So entstehen aus einem Kilogramm Soja 1,6 Kilogramm Tofu. Beliebt wie noch nie    Weisse Masse, gummiartig

und ohne Geschmack. Die erste Begegnung mit Tofu ist vielen Leuten nicht in bester Erinnerung. Die Vegetarier-Szene erhob zudem viele Jahre quasi den alleinigen Besitzanspruch auf Tofu. Deshalb konnte er bis jetzt seine ihm zugeschriebene Rolle des reinen Fleischersatzes nicht abstreifen. Dabei wäre er eigentlich viel mehr als das. In Asien weiss das jeder. Dort wird Tofu in der Küche als Beilage oder in Saucen verwendet und das durchaus auf dem gleichen Teller mit Fleischgerichten. Obwohl immer noch ein Nischenprodukt, hat er aber in den letzten Jahren in der Schweiz mächtig Boden gutgemacht. Als Zugpferd wirkten Migros und Coop, die ihn mit trendigen Fer­ tigprodukten aus der etwas festgefah­ renen «Chörnlipicker»-Ecke heraus­ holten. In der Schweiz werden derzeit jedes Jahr schätzungsweise 500 Ton­ nen Tofu verspiesen. Tofu-Boom hält an    Die Tofurei Noppa aus Rüti ist in den letzten Jah­ ren schweizweit zur Nummer drei auf­ gestiegen – nach dem Migros-Verar­ beitungsbetrieb Elsa in Estavayer-leLac und der Tofurei Bernatur aus Mels. Der Umsatz mit den kreativen Noppa-Produkten ex­ plodierte im letzten Jahr geradezu, die Produktion verdoppelte sich. Trotz Wirtschaftskrise hält der Boom an. Neben Gastronomiebetrieben – darunter die vegetarische Gastronomiekette Tibits (siehe In­ terview mit Chef Rolf Hiltl in diesem ecoLife) –, Bio­ läden und Reformhäusern steht seit diesem Herbst auch ein Grossverteiler auf der Abnehmerliste. Für das Design der Produkte ist Noppa Helbling zuständig. Die Geschäftsführerin und Mit­inhaberin ist gebürtige Chinesin und hat Tofu sozusagen im Blut. Zusammen mit ihrem Ge­schäfts­partner und

Ehemann Jörg Helb­ling hat sie den Trend zu «ge­ sun­dem Fast Food» er­ kannt. Zwei Drittel der gesamten Menge ver­ar­ beiten die Helblings mit ihren vier Mit­arbei­ten­ den zu Fertiggerichten wie Tofuschnitzel-Mix mit Chilisauce, Gemüse­ medaillons oder TofuBällchen. Noppa Helbling hilft dabei das Wissen aus ihrer Heimat und sie trifft offenbar damit den Geschmack von immer mehr Menschen. Schweizer Biosoja bringts    1800 Kilogramm Tofu produziert die Tofurei Noppa zurzeit pro Woche in Rüti. Tendenz steigend. «Die Milchmaschine könn­ te das Vierfache produzieren», sagt Jörg Helbling. Er ist überzeugt, dass er seine Produktion weiter stei­ gern kann. Denn immer mehr Leute suchten Lebens­ mittel aus biologischer und nachhaltiger Produk­ tion. Und in dieses Schema passe Tofu gut hinein: «Soja ist eine anspruchslose Pflanze, die aus wenig Boden sehr viel herausholt», sagt Noppa Helbling. Soja enthält bis zu 50 Prozent Proteine und kann es daher locker mit Fleisch aufnehmen. Doch die Her­ stellung von tierischem Protein braucht viel mehr Energie. Vorteil für die Soja also, auch im Hinblick auf Diskussionen über Klimawandel und CO2. Rund die Hälfte des Tofus stellen die Helblings mit Soja von Schweizer Biobauern her. Die übrige Soja stammt aus Biobetrieben in Brasilien. «Damit verhelfen wir dort ein paar Kleinproduzenten zu ei­ nem anständigen Einkommen», so Jörg Helbling. Trotzdem setzt er auf die etwas teurere Schweizer Soja: «Ein Anteil von 70 Prozent ist das mittelfristige Ziel.» Geschmackvoll, gesund, sozial korrekt, öko­ logisch produziert und dazu noch regional: Die To­ fukreationen aus dem Zürcher Oberland schmecken sogar bisherigen Tofu-Muffeln.

In Asien weiss jeder, dass Tofu viel mehr ist als bloss Fleischersatz.

9TOFU


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ECOLIFE 5/09 PERSÖNLICH

Aufgezeichnet von Daniela Schwegler

«Aber es geht auch anders»

Heinzpeter Studer ... «Frei über meine Zeit zu verfügen und sie autonom einteilen zu können, ist mir wichtig. Freiheit ist für mich wie die Luft zum Atmen oder für einen Fisch das Was­ ser, in dem er sich bewegt. Womit wir beim Thema sind: den Fischen. Als Fachstellen­ leiter von fair-fish muss ich leider feststel­ len: Wenn wir weiterhin so viel Fisch essen wie heute, sind unsere Meere bald leer ge­ fischt. Aber es geht auch anders. Das wol­ len wir von fair-fish aufzeigen. Die Hälfte der Fischbestände wird heute bis an die Belastungsgrenze be­ fischt. Ein Viertel der Bestände ist sogar überfischt, die Fischpopulation kann sich kaum mehr erholen. Weltweit werden pro Kopf und Jahr sechs Kilo Fischfilets ver­ speist, in der meerfernen Schweiz sogar acht Kilo. Und der Appetit auf Fisch wächst – weltweit. Auf die Dauer kann das nicht gut gehen. In 40 Jahren sind die kommer­ ziell genutzten Fischarten ausgerottet, wie eine wissenschaftliche Studie warnt. Der Thunfisch im Mittelmeer zum Beispiel steht kurz vor dem Aussterben. Der Mensch isst die Meere leer. Gehen weniger Fische ins Netz, verle­ gen sich die Fischer auf invasivere Fang­ methoden wie Grundschleppnetze, die über den Meeresboden gezogen werden und dort radikal alles leer fegen. Im Netz landet weit mehr als erwünscht, über 30 Tonnen unerwünschter Beifang: Hundert­ tausende von Haien und Rochen, Aber­ tausende Tonnen von Korallen und mehr. Da «nutzlos», wird der Beifang einfach über Bord gespült. Die meisten Tiere überleben das nicht. Drum auf Zuchtfische ausweichen? Die Hälfte der Fische, die auf unseren Tel­ lern landen, stammt ja heute aus der Zucht. Doch diese verschärft das Problem zusätzlich. Die in Europa gefragtesten Zucht­f ische – Lachs und Forelle – ernäh­

­ ... ist 62 Jahre alt und Fachstellen­ leiter von fair-fish. Die Nonprofit­ organisation warnt: Fischen wir in dem Tempo weiter, sind die Meere bald leer gefischt. fair-fish postu­ liert darum strenge Befischungsstandards. Und geht mit leuchtendem Beispiel voran: mit «fai­ rem Fisch» aus Senegal. Mehr Informationen zum Fisch un­ter www.fair-fish.net, wo auch Be­ stellungen aufgegeben werden können.

ren sich von kleinen Fischen. In der Zucht verfüttert man ihnen Fischmehl: drei- bis viermal so viel Fisch, wie anschliessend auf dem Teller landet. Das heisst, mit je­ dem Zuchtfisch verkleinert sich der Fisch­ bestand insgesamt, da mehr Fisch verfüt­ tert wird als dabei rausschaut. Kommt dazu, dass auch in der Schweiz trotz seit 2008 verschärfter Tierschutzvor­ schriften die meisten Fische nicht artge­ recht gehalten werden: in zu engen, eintö­ nigen Becken ohne Rückzugsmöglichkei­ ten. Die Fische leben unter Dauerstress und müssen oft medikamentös behandelt werden. Dass dies die Fleischqualität min­ dert, ist klar. Nicht von ungefähr gilt unter Fischliebhabern Zuchtfisch gegenüber Wildfisch als minderwertig. Aber ich will niemandem den Appetit verderben. Und ein Fischessstopp ist auch nicht die Lösung. Vielmehr appelliere ich an den gesunden Menschenverstand. Kon­ sumentinnen und Konsumenten können durch ihren Einkauf das Angebot steuern. Weniger Fisch konsumieren, lautet meine Empfehlung. Und wenn, dann nur noch solchen aus nachhaltiger Zucht oder Fi­ scherei mit Gütesiegel: zum Beispiel MSC (Marine Stewardship Council), Friend of the Sea, Bio Suisse oder bald auch fair-fish. Mit fair-fish garantieren wir fairen Han­ del, schonenden Fang und Nachhaltigkeit. Ausserdem schmecken unsere Fische ein­ fach herrlich. Probieren Sie es aus.»


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BIOWEIN

Schmetterling flattert zurück in den Weinberg

Lange von Weinkennern verachtet, erobert der Bio­wein Marktanteile. Nicht nur junge Winzer steigen auf biologischen oder biodynamischen Weinbau um. Auch grosse Châteaux entdecken die neue alte Natür­ lichkeit. Markus Binder


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Biodynamisches Château Latour    Immer mehr

Bioweine haben bewiesen, dass sie mindestens so gut sind wie konventionell her­ gestellte Tropfen.

Restaurants bieten Biowein an, darunter auch Gour­ mettempel wie der «Lion d'Or» in Cologny am Gen­ fersee oder das «Baur au Lac» am Zürichsee. «Oft aller­dings ist der Biowein nicht angeschrieben, weil er bei der zahlungskräftigen Kundschaft noch im­ mer einen schlechten Ruf hat», sagt Malsan. Dann sind da die Weingüter, die auf Bio umstellen wollen, neben jungen Winzerinnen und Winzern auch ganz grosse Häuser. Château Latour, um nur das be­ rühmteste Beispiel zu nennen, lässt sich derzeit von Pierre Masson, Spezialist für biodynamischen Wein­ bau, beraten. Dritter Indikator ist der Handel. Delinat, der grösste Bioweinversand, verkauft laut eigenen An­ gaben jährlich drei Millionen Flaschen, mit zwei­ stelligem Umsatzwachstum. Coop bietet seit 1994 Bio­wein an, vier Prozent beträgt dessen Anteil am ge­samten Weinumsatz, mit «stetem Wachstum», wie ein Coop-Sprecher sagt. Ähnlich Mövenpick, das seit zehn Jahren Bioweine im Gestell hat und seit fünf Jahren selber biodynamischen Wein produ­ ziert. Laut Marketing­leiter Jens Kaufmann macht Biowein bereits 30 Prozent des Umsatzes aus, «Ten­ denz steigend». Bio neu definiert    Grund für die Zu­nah­me ist die

Vishnen Malsan dekantiert eine Flasche Rotwein, dann hält er seine Hand auf die Karaffe und schüt­ telt sie. Ja, er schüttelt tatsächlich den Wein, der nun ganz leicht schäumt. Es ist ein «vin naturel», herge­ stellt ganz ohne Zuchthefen und ganz ohne Schwe­ fel. Was vor zwanzig Jahren undenkbar schien und vor hundert Jahren normal war, ist heute wieder en vogue. Der 23-jährige gelernte Koch verkauft in der Altstadt von Carouge «vin naturel» aus Frankreich – mit Erfolg: «Viele Kunden haben genug von den immer gleichen konfektionierten, schweren Wei­ nen. Sie suchen etwas Neues, Frisches, sie suchen authentischen Wein mit Terroir.» Hier ist es, das Zauberwort der Weinbranche: Terroir, der Geschmack nach genau dem Stück Land, auf dem die Rebe steht. Vor allem mit Terroir erobern derzeit der «vin naturel», der Biowein und der biodynamische Wein (siehe Kasten) langsam, aber stetig ein Stück des Marktes. Offizielle Zahlen gibt es keine. Aber es gibt Indikatoren.

Qualität des Bioweines. An Concours haben die Bioweine längst bewiesen, dass sie mindestens so gut sind wie konventionell hergestellte Tropfen. Grund für die Zunahme ist aber auch ein neues Ver­ ständnis von «Bio». Hans-Peter Schmidt, der in Ar­ baz im Wallis zwei Hektaren Reben be­wirt­schaf­tet und das «Delinat-Institut für Ökologie und Kli­ mafarming» leitet, spricht von der «zweiten Biore­ volution». Dabei geht es nicht mehr darum, einfach die chemischen Produkte gegen Unkraut und Pilz­ krankheiten durch biologische Produkte zu erset­ zen: «Entscheidend ist die Biodiversität, man muss die Monokultur aufbrechen, das Bodenleben in Gang bringen und die Rebstöcke stärken.» Gepflegtes Unkraut    Das bedeutet, dass zwischen

den Rebstöcken «Unkraut» wächst, ja mitten im Wein­berg richtige «Hot Spots» mit Büschen, Bäu­ men und Kräutern geschaffen werden. Die Pflanze soll sich selber gegen Krankheiten wehren können und der Weinberg für viele Arten Platz bieten. Nir­ gendwo flattern so viele Schmetterlinge wie in Schmidts Bioweinberg. 47, seltene Arten gar.


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Franco Weibel vom Forschungsinstitut für biologi­ schen Landbau (FiBL) in Frick verfolgt Schmidts Untersuchungen interessiert. Er verteidigt aber auch jene Biobauern, die viel grössere Flächen biologisch bewirtschaften und nicht ganz so radikal vorgehen wollen wie Schmidt. Das Fibl setzt deshalb unter anderem auch auf die Züchtung pilzwiderstandsfä­ higer Sorten. Davon wiederum hält Schmidt wenig. Er hat für seine Form des Bioweinbaus eine «Charta für Weinberge mit hoher Biodiversität» verfasst. Die Domaine de Mythopia zieht viele Besucher an, nicht nur Winzer, auch Bundesrat Leuenberger hat sie kürzlich besucht und war begeistert. Hat der Biowein eine Chance?    Das Problem des Schweizer Bioweins sind die Menge, der Preis und das Klima. Viele Biowinzer produzieren auf ein paar wenigen Hektaren, für eine schweizweite Vermark­ tung braucht Coop aber mindestens 10 000 Fla­ schen. Zudem verteuert die Handarbeit den Wein empfindlich. Ab 15 Franken pro Flasche nimmt der Umsatz bei Delinat laut Sprecher Peter Kropf stark ab. Nicht nur deshalb kommt der Grossteil des Bio­ weins aus Frankreich und Spanien. In trockenen Gebieten ist es auch einfacher, Biowein zu produ­ zieren, weil der Mehltau kein Problem ist. Coop rechnet deshalb weiterhin nur mit einem langsa-­ men Wachstum beim Biowein. Baur au Lac Wein sieht dagegen für biologisch und bio­ dynamisch produzier­ te Weine laut Ver­ kaufsleiter Geri Thei­ ler «eine grosse Zu­ kunft». Optimistisch ist Marketingleiter Jens Kaufmann von Mövenpick: «Bio könnte schon in zehn Jahren Standard sein, denn wer will schon freiwillig viel Geld für Spritzmittel aus­ geb en.

Biowein-Knowhow «Vin naturel»    Kein geschützter Begriff. Er bezeichnet die Vini­f i­kation ohne Zuchthefen oder Bakterien, ohne Schö­ nungsmittel und ohne Zucker. Die Weine wer­den nicht gefil­ tert und mit nur wenig oder ganz ohne Schwefel stabilisiert. Meist handelt es sich um Biowein. www.lesvinsnaturels.org Biowein    Die Bioverordnungen der EU und der Schweiz be­ zogen sich bisher ausschliesslich auf den landwirtschaftlichen Anbau. Ende 2009 wird die EU-Regelung angepasst und die Verarbeitung des Weins miteinbezogen. Bio Suisse mit der Knospe als Label und Delinat regelten schon immer auch die Vinifikation, wobei Zuchthefen und Schwefel erlaubt sind. www.biosuisse.ch, www.delinat.com, www.fibl.ch

Biodynamischer Wein    Biologisch-dynamische Land­ wirtschaft folgt über den biologischen Anbau hinaus den an­ throposophischen Grundsätzen von Rudolf Steiner und sucht eine Balance der angepflanzten Kulturen mit der Umwelt. Ziel ist unter anderem, mit bestimmten Präparaten zum Beispiel aus Löwenzahn oder Brennesseln die Fruchtbarkeit des Bo­ dens oder die Pflanzenresistenz zu erhöhen. Aussaat und Ern­ te sollten auf Mondphasen und Tageszeiten abgestimmt wer­ den. Biodynamische Produkte werden unter der Marke Deme­ ter vertrieben. www.demeter.ch

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BIOWEIN


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Glück im Weinberg: Marion und Jacques Granges hoch über dem Wallis in ihrer Domaine de Beudon Bild: Markus Binder

Wein, der vom Himmel kommt

Hoch oben im Wallis, steil am Fels, wo kein Auto hinkommt, produzieren Marion und Jacques Granges Wein nach biodynamischer Methode. Eine Plackerei für einen himm­ lischen Fendant. Markus Binder

Normalerweise sässe Jacques Granges nicht einfach so am späten Morgen im Stubensessel, draussen vor dem Chalet im Schatten. Normalerweise stünde er in seinem Rebberg, wobei «Berg» hier wörtlich zu neh­men ist, denn es ist steil. Es ist so steil, dass auf den offiziell im Grundbuch eingetragenen fünf Hektaren Reben sechs Hektaren Platz haben, schräg eben. Wer zur Domaine de Beudon oberhalb von Ful­ ly will, kommt denn auch gewaltig ins Schwitzen. Nur ein Bergwanderweg führt auf die über 800 Me­ ter ü. M. gelegenen Alp, an mit Seilen gesicherten Felswänden vorbei und mit einem herrlichen Aus­ blick auf die Landwirtschaft im Tal – Reben und Obstbäume, wohlgeordnet aufgereiht. Ein privates Luftseilbähnchen würde auch nach oben führen, aber wer die Domaine besuchen will, muss sich erst mal anstrengen. Spekulanten verspekulierten sich    Immer an­

strengen muss sich, wer die Domaine bewirtschaftet, jeden Tag. Deshalb ruht Jacques Granges im Sessel, in einem rot-blau karierten Hemd, Jeans und Finken. Der Rücken des 63-jährigen Winzers will seit drei Tagen nicht mehr. Seit bald 40 Jahren bewirtschaf­ tet er diesen Ort. 1971 hat er den Weinberg gekauft, nachdem Spekulanten eingesehen hatten, dass sie auf diese Sonnenterasse nie und nimmer werden eine Strasse bauen können. «Nie und nimmer wirst du mit diesem Bart und an diesem Ort eine Frau fin­ den», hat ihm seine Tante damals gesagt, aber sein Vater hat ihn trotzdem unterstützt. Den Bart trägt Jacques Granges immer noch mit Stolz und die drei Töchter, die er zusammen mit seiner Frau Marion auf dem Flecken am Berg grossgezogen hat, sind mitt­lerweile ausgezogen, helfen aber weiterhin kräf­ tig mit. Im Weinberg geboren    Bereits 1974 hat Jacques

Granges begonnen, biologisch zu produzieren. Auf­ gewachsen ist er im Weinberg seines Vaters unweit von Beudon: «Es war für mich immer klar, dass ich auch Bauer werden wollte», sagt er. Aber der junge Bauernlehrling wollte nicht nur das. Deshalb hat er – ohne Matura – die Aufnahmeprüfung an die ETH gemacht und später als Agroingenieur doktoriert. Er


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hätte danach auch zum Leiter der Weinbauschule in Changins aufsteigen können, doch «Jacquy», wie seine Freunde ihn nennen, wollte kein «cravaté» werden. Die Kravattenträger sind für ihn weltfrem­ de Technokraten, die den Bauern sagen, wie sie ar­ beiten müssen, ohne sich die Hände schmutzig zu machen. Jacques Granges aber wollte selber die Re­ ben pflegen, seine eigenen Reben. Mit dem Forschen hat er dabei trotzdem nie aufgehört, denn Forschen heisst für ihn schlicht die Natur beobachten und verstehen, das Gleichgewicht suchen. Kampf gegen die Chemie    «Bauer sein ist grossar­

tig», sagt er, seine Augen leuchten, «vor allem an ei­ nem Ort wie Beudon, das ist das Paradies.» Zur bio­ logisch-dynamischen Methode (siehe Kasten) hat ihn seine Frau Marion gebracht, die aus einer Gärt­ nerfamilie stammt und sich an der Gartenbauschule in Hünibach in biodynamischem Anbau speziali­ siert hat. «Zuerst war ich nicht begeistert», sagt er. 1993 haben Marion und Jacques Granges umgestellt und sie bereuten es keine Minute. «Beudon verdient es, nicht mit Chemie kaputt gemacht zu werden», sagt sie. Er verheimlicht nicht, dass sie am Anfang Schwierigkeiten hatten: «Im biologischen Weinbau muss die Arbeit perfekt sein.» Auch wenn die Gran­ ges aus Überzeugung biodynamisch produzieren, am Schluss zählt das gute Produkt. Heute gilt ihr Weinberg als Vorbild und mancher junge Winzer ist schon nach Beudon gewandert, um von ihren Er­ fahrungen zu profitieren. Die Reben sind robust und und dienen einer Vielzahl von Pflanzen und Insek­ ten als Lebensraum. Der Moränen- und Lössboden bietet ideale Bedingungen, auch für Eiben, Mandel­ bäume und Flaum­eichen. Ein Dôle wie ein Burgunder    Während Jacques Granges draussen bedächtig seine Geschichte er­ zählt und immer wieder eine leuchtend grüne Grille, so gross wie ein Handteller, über seine Schulter spa­ ziert, weht ein Geruch von Tomaten aus der Küche. Marion kocht ein Ratatouille, natürlich mit Gemüse aus dem eigenen Garten, Büchsen sind bei ihr tabu. Immer wieder bringt sie eine Flasche Wein raus. Der Wein der Domaine de Beudon ist mehrfach prämiert, der Dôle hat den Körper eines Burgunders und der

Biowein in der BusinessClass

Text: Markus Binder, Bild: Daniel Winteregg

Jean-Daniel Schlaepfer und Gérard Pillon gehören zu den Aushängeschildern in der Schweizer Bioweinszene. 1982 haben Anwalt Schlaepfer und Spengler Pillon auf den Weinbau umgesattelt, von Anfang an biologisch. Heute produzieren die beiden alt 68er auf 25 Hektaren in Genf (Domaine des Balisiers) und auf 32 Hektaren in der Pro­ vence (Domaine de Lauzières) biodynamisch. Mit gros­ sem Erfolg: Der Wein wird in Dutzenden von Restaurants und bei Coop verkauft sowie in den Flugzeugen der Swiss ausgeschenkt. Die integrierte Produktion (IP) ist für sie keine Lösung: «IP ist die Antwort der Chemieindustrie auf Bio», sagt Schlaepfer. Die Weinbauschulen in Wädenswil und Changins kritisiert er heftig: «Das ist eine Katastro­ phe! Bioweinbau wird dort praktisch nicht gefördert.» Schlaepfer und Pillon forschen ständig und haben auch ihre Maschinen immer weiterentwickelt, die Entlaubungs­ maschine zum Beispiel wird mit Ultraschall gesteuert. Da­ neben lassen sie alte Techniken wieder aufleben, wie die Vinifizierung in der Amphore. Ginge es nach Schlaepfer, müssten alle Winzer, ja, alle Bauern biologisch produzie­ ren: «Nur so können wir die Erde retten.» www.balisiers.ch

Riesling eine umwerfende Fruchtigkeit, wobei sich die Jahrgänge unterscheiden. Mit ihrem Fendant beweisen die Granges, dass man mit der Chasselas-Traube auch etwas anderes machen kann als hektoliterweise süffigen Wein. Acht Jahre lang hat Coop den Fendant aus Beudon verkauft. Als Coop 2003 die Preise senken wollte, sind die Granges ausgestiegen. «Das war ein grosses Risiko», sagt Jacques Granges, «aber auch eine gros­ se Erleichterung.». Seither haben sie auf Zuchthefen und Filtration verzichten können. Wieder lacht er und hebt sein Glas: «Auf ein prächtiges Paket Natur.» www.beudon.ch

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BIOWEIN


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«Ich habe nichts gegen einen Sonntagsbraten einzuwenden» In diesem Jahr feiert das Zürcher Haus Hiltl seinen 111. Geburtstag. Es war das erste vegetarische Restaurant Europas. ecoLife hat sich mit Rolf Hiltl über indische Einflüsse, Bioquali­tät oder seinen Glauben unter­ halten. Rolf Hiltl leitet das Unternehmen in der vierten Gene­ration. Interview: Nadia Fernandez ecolife: Worin unterscheidet sich die Hiltl-Küche von der traditionellen fran­ zösischen Küche, die Sie als Koch gelernt haben? Rolf Hiltl: Für mich bildet die klassische französische Küche die Basis. Die Hiltl-Kü­ che unterscheidet sich im Grundsatz nicht gross davon, die Zubereitungsarten blei­ ben die gleichen. Es handelt sich aller­ dings bei uns um eine sehr frische Küche, mit viel Gemüse und Früchten, weil ja Fleisch und Fisch wegfallen. Ausserdem ach­ten wir darauf, dass sie leicht und be­ kömmlich ist. Auch haben wir asiatische, vor allem indische, Einflüsse integriert, da die vegetarischen Elemente in dieser Kul­ tur seit Jahrhunderten von grosser Bedeu­ tung sind. Wie sind die indischen Einflüsse in die Küche des Hiltls gekommen? Meine Grossmutter reiste in den 50er-Jah­ ren als Schweizer Delegierte des Welt­ vegetarier-Kongresses nach Indien und lernte dort die Kultur und das Essen des

Landes sehr zu schätzen. Nach einem Monat kehrte sie zurück mit einem Koffer voller Rezepte und Gewürze und wollte im Hiltl indische Küche anbieten. Ihre Idee kam allerdings beim Küchenchef nicht gut an, der sich weigerte, diese fremden, exotischen Gerichte zu kochen. Also be­ reitete sie die indischen Speisen in der Nacht in ihrer eigenen Küche zu und ser­ vierte sie am nächsten Tag ihren Gästen. Nach und nach konnte sie das Küchen­ personal für ihre Idee gewinnen und so fanden die indischen Gerichte doch noch ihren Platz im Hiltl. Heute machen sie den wichtigsten Teil unseres beliebten Buffets aus. Sie haben die Geschäftsführung des Hiltls vor 20 Jahren übernommen. Was hat sich in dieser Zeit besonders verändert? Jede Generation vor mir war schon inno­ vativ und sorgte dafür, dass das Haus Hiltl modern blieb und dem Zeitgeist ent­ sprach. Wir haben 111 Jahre lang dafür ge­ kämpft, dass vegetarisches Essen als lust­ voll wahrgenommen wird. Nach meinem Einstieg habe ich das Hiltl einem noch breiteren Publikum geöffnet. Dazu haben wir beispielsweise eine Bar mit über 30 ver­ schiedenen Wodka-Sorten eingerichtet und einen Club, in dem man freitags und samstags bis 4 oder 5 Uhr morgens Par­t ys feiern kann. Wir sind gegenüber mo­der­ nen Technologien sehr aufgeschlossen und waren eines der ersten Lokale, in de­ nen die Mitarbeitenden per Funk mitein­ ander kommunizieren und die Bestellun­ gen ebenfalls per Funk eingeben konnten. Auch unsere Website war uns von Anfang


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Rolf Hiltl sagt: «In unserem Leitbild steht, dass wir verantwortlich gegenüber Gott sind. Das bedeutet für mich auch Verantwortung gegenüber der Schöpfung, meinen Mitmenschen, der Natur und der Tierwelt.»

an sehr wichtig und wir waren eines der ersten Restaurants, bei denen man online einen Tisch reservieren konnte. Wir haben ein gutes Echo auf unseren FacebookAuftritt erhalten und sind neuerdings auch auf Twitter. Wer sind Ihre Gäste? Es sind Menschen aller Altersstufen. Von der Grossmutter bis zu ihrem kleinen En­ kel. Traditionell ist die Mehrheit unserer Gäste weiblich, denn Frauen fühlten sich bei uns schon immer sehr wohl, weil sie hier nicht angemacht werden und ihre Ruhe haben. Auch im Club hat es einen hohen Frauenanteil, was wiederum Män­ ner anzieht ... Mein Ziel ist es, einen Män­ neranteil von etwa 50 Prozent zu errei­ chen. Wir möchten das unter anderem mit der Ausstrahlung der Einrichtung und mit Gerichten wie Cordon Bleu und Zürcher Geschnetzeltes, die eher Männer anspre­ chen, erreichen. Übrigens sind weniger als zehn Prozent unserer Gäste konsequente Vegetarier, die weder Fisch noch Fleisch

essen. Die anderen sind sogenannte Teil­ zeit-Vegetarier, also Leute, die sich vorwie­ gend vegetarisch ernähren, aber nicht nur. Sind Sie selber Vegetarier? Auch ich bin Teilzeit-Vegetarier. Ich esse sehr gern vegetarisch – vor allem im Hiltl. Die vegetarische Küche ist gesund und man kann sehr genussvoll essen, schliess­ lich haben wir eine grössere Vielfalt an Früchten und Gemüsen als an Fleisch. Aber ich habe auch nichts gegen einen Sonntagsbraten einzuwenden. Wie wichtig sind Faktoren wie Bioqualität oder der Gedanke der Nachhaltigkeit für Sie? Wir arbeiten vorwiegend mit langjährigen Lieferanten, die zum Teil seit drei Genera­ tionen für uns den Einkauf machen. Die Herkunft aller unserer Produkte ist auf un­ serem Menü deklariert. Wann immer

möglich verwenden wir saiso­ nale Produkte aus dem Inland und aus dem nahen Europa. Alle Produkte tierischen Ur­ sprungs, also Milchprodukte und Eier, sind in Bioqualität, was für uns auch aus Grün­ den des Tierschutzes wichtig ist. Auch ein Teil des Gemüses, der Früchte und des Ge­ treides stammt aus biologischem Anbau. In erster Linie achten wir jedoch auf die Qualität der Produkte. Bei der Einrichtung des Restaurants haben wir bewusst auf natürliche Materialien gesetzt. Auch ver­ suchen wir unseren Abfall möglichst zu reduzieren und sauber zu trennen und die Speiseresten landen in einem KompogasSystem. Die vegetarische Küche ist an sich schon nachhaltig vom ökologischen Standpunkt her. Es braucht massiv weni­ ger Energie und Wasser, um ein Kilo Rüeb­ li herzustellen als ein Kilo Rindsfilet. Sie sind ein gläubiger Mensch. Inwiefern beeinflusst Ihr Glaube Ihr Verhalten im Geschäftsleben?

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111 Jahre Hiltl Von Ambrosius Hiltl 1898 gegründet, wurde das Restaurant Hiltl zu seinen Anfangs­ zeiten wegen seiner vegetarischen Küche noch belächelt. Heute ist es aus dem Zürcher Stadtbild nicht mehr wegzudenken. Vom Geschäftsmann bis zum Model, vom jungen Vater samt Baby bis zur Rentnerin verkehren alle im Hiltl. Das legen­ däre Buffet, das inzwischen über 100 verschiedene Gerichte umfasst, ist schweiz­ weit bekannt. Der gelernte Koch Rolf Hiltl (44) übernahm die Lei­ tung des Hauses vor 20 Jahren von seinem Vater und moderni­ sierte es weiter. Ohne Berührungsängste und völlig undogma­ tisch leitet er die Geschicke des Familienunternehmens und scheut sich nicht mit frecher Werbung zu provozieren. Heute ist das Restaurant nach den Worten des Besitzers ein Hybrid, der Take-away, Selbstbedienung und gediegener Service, Bar, Club Anz_105x148_AlainSutter_EcoLife_d_RZ:Anz_105x148_AlainSutter_EcoLif und Kochschule unter einem Dach vereint. Rolf Hiltl ist Mitbegründer der fünf Tibits-Restaurants, darun­ Alain Sutter gratuliert dem Haus Hiltl zum 111-Jahr-Jubiläum. ter eines in London, und Autor von zwei Kochbüchern, die beide Best­ seller geworden sind. Der sympa­ thische, kommunikative Geschäfts­ mann, dessen Leitsatz «Kein Tag ohne Verbesserung» lautet, strebt an, dass das Haus Hiltl auch nach 111 Jahren das führende vegetarische Restaurant Europas bleibt.

In unserem Leitbild steht, dass wir verant­ wortlich gegenüber Gott sind. Das bedeu­ tet für mich auch Verantwortung gegen­ über der Schöpfung, meinen Mitmen­ schen, der Natur und der Tierwelt. Jesus und sein Verhalten gegenüber den Men­ schen ist mein Vorbild und ich versuche, es so gut es geht zu kopieren. Liebe deinen Nächsten wie dich selbst – diese Gleich­ wertigkeit der Menschen ist für mich sehr wichtig. Jeder Tellerwäscher in der Küche ist genau gleich viel wert wie sein Chef. Was bedeutet Kochen und Essen für Sie persönlich? Ich koche privat sehr gerne mit meiner Frau und meinen Kindern. Man kann frem­

SEIT 1898

Restaurant, Bar, Club, Café, Conditorei, Kochschule, Laden, Catering, Take-away

de Kulturen sehr gut übers Essen kennen­ lernen, deshalb suche ich bei Auslandrei­ sen gerne Märkte auf. Wie beim Abend­ mahl in der Bibel ist Essen für mich ein ­Zusammenkommen und Teilen, etwas Wich­tiges und Schönes. Zum Schluss noch dies: Was ist Ihr Lieblingsgericht?

Ich liebe Tomaten und habe als Kind da­ von geträumt, in einer Tomatensuppe zu schwimmen. Ich kann einen Fünfgänger ab und zu durchaus geniessen, aber ei­ gentlich schätze ich eine einfache, ehrli­ che Küche, zum Beispiel Spaghetti mit To­ matensauce.


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Das «Bahn-Grounding» im 19. Jahrhundert – packend, lebendig, neu Neu ­ e rs ch ein u n g ’0 9 Att ra kt iv

er Bi ld ba nd m it 20 4 Seite n. D as idea le Wei hn acht sges chen k fü r Inte re ss ie rt e an de r schwei ze ris chen Ba hn- und Indu st rie ge schich te. Je tz t b es te ll en!

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Gourmet-Knospe dank überglücklichen Hühnern 32 Bioprodukte sind soeben von Bio Suisse mit dem neuen Label Gourmet-Knospe ausge­ zeichnet worden. Oder sollte man schreiben: geadelt? Auf jeden Fall erfüllen diese Leckereien höchste sensorische Ansprüche. Grund genug für ecoLife, vier Produzenten näher vorzustellen. Fabrice Müller


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Die Familie Unternährer in St. Niklausen (LU) darf unbescheiden als Pionierin in der Aufzucht von BioNatura-Beef bezeichnet werden. Unternährers be­ lieferten als einer der ersten Betriebe überhaupt Coop mit Fleisch für die Naturaplan-Linie. Vor sechs Jahren starteten sie mit ihrer eigenen Firma Ueli-Hof und begannen, Biofleisch zu erzeugen und zu vermarkten. Auch im Tierschutz engagiert sich das Team vom Ueli-Hof seit jeher stark, wie Ge­ schäftsführer Hansruedi Jung sagt. «Wir wollen die tiergerechte Haltung und Schlachtung fördern und mit unseren Bioerzeugnissen dafür sorgen, dass die Wertschöpfung in der Region bleibt.» Gleich sieben Erzeugnisse sind von Bio Suisse mit dem neuen Label, der Gourmet-Knospe, aus­ gezeichnet: Buureschüblig, Coppa, Lammtrocken­ fleisch, Landrauchschinken, Pastrami, Balsamico­ schinkli und Bresaolo (Carpaccio). Hansruedi Jung ist von der Bedeutung von Biofleisch überzeugt: «Die Nachfrage steigt. Viele Leute schätzen es, wenn sie wissen, woher ihre Lebensmittel stammen und wie sie hergestellt werden.»

Der Weg zur Gourmet-Knospe Die Organisation Bio Suisse vergibt neu die Auszeichnung Gourmet-Knospe für Produk­ te, die höchsten sensorischen Anforderun­ gen entsprechen. 121 Produkte wurden ge­ testet, 32 Köstlichkeiten aus den Bereichen Brot, Backwaren und Fleischprodukte prä­ miert. Die Prüfung der Produkte durch eine unabhängige Fachjury erfolgte nach vier Kri­ terien: Aussehen, Geruch, Geschmack, all­ gemeiner Eindruck. «Mit der GourmetKnospe zeichnen wir einerseits Produzen­ ten und Ver­arbeiter aus, andererseits spre­ chen wir jene Biokonsumenten an, denen Genuss und Geschmack besonders wichtig sind», so Jürg Schenkel, Marketingleiter von Bio Suisse. www.bio-suisse.ch

Fünf Grundpfeiler prägen die Philoso­ phie des Bio-Fleischverarbeiters Ueli-Hof: • Alle Produkte werden nur in Bioqualität hergestellt. • Der Ueli-Hof geht weiter als das Tierschutzgesetz und verzichtet etwa beim Schlachtvieh auf Sam­ meltransporte oder lange Warte­ zeiten vor dem Schlachten. • Regionalität wird gross geschrie­ ben, auch beim Transport. Vom Ueli-Hof aus werden vorwiegend Kunden aus der Zentralschweiz bedient. • Das Fleisch wird handwerklich bearbeitet. Auf unnötige Zusatz stoffe und Verfahren wird ver­zichtet. «Wir setzen nur Geräte ein, die uns die Arbeit erleichtern, aber nicht den Geschmack und die Na­türlichkeit des Flei­ sches ver­ändern», so Hans­ ruedi Jung.

Eine Frage der Philosophie

• Sämtliche Produktionsschritte vom Stall bis auf den Teller sind transparent und rückverfolgbar. Hunderte Personen nehmen pro Jahr an den Füh­ rungen durch den Hof teil. Demnächst soll auf dem Ueli-Hof ein neues Produktionsgebäude entste­ hen, das noch mehr Einblick in die Fleischverar­ beitung gewähren wird. Kruste aus Kräutersalz    Mit durchschnittlich 150

Schafen, 40 Hektaren Landwirtschaftsfläche, davon 13 Hektaren Vollweide, gehört der Hof von Daniel Ritler in Blatten (VS) zu den grossen Betrieben im Lötschental. Für seine geräucherte Lammhuft mit eigener Marinade und Kruste aus Kräutersalz erhielt er von Bio Suisse die Gourmet-Knospe. Der ganze Hof ist auf Bioproduktion ausgerichtet. Kunstdün­ ger wie auch gentechnisch oder chemisch veränder­ te Produkte sucht man bei Daniel Ritler vergebens. Auch die Tiere werden naturnah gehalten. Die Fleischprodukte werden zum einen direkt ab Hof verkauft, zum andern beziehen zahlreiche Gastronomiebetriebe und Dorfläden das Fleisch bei Ritler. «Wenn ein Gastwirt Biofleisch im Sortiment führen will, muss er hinter dem Konzept stehen. Nur so kann er gegenüber seinen Gästen den höheren Preis rechtfertigen», sagt Daniel Ritler. Die Kunden seien zunehmend sensibilisiert für biologisch herge­ stellte Produkte aus der Region. Dazu gehören so­ gar jene holländischen Feriengäste, die auf das Fleisch von Daniel Ritler schwören. Ein weiteres Standbein von Daniel Ritler sind spezielle Events, die er zusammen mit Partnern aus der Gastronomie und dem Tourismus auf die Beine stellt. Zum Beispiel das «Waldkulinarium», eine Wanderung mit sechs kulinarischen Stationen. Die­ sen Herbst soll eine eigene Wurst mit einer Marina­ de aus Lärchensprossen das Sortiment erweitern. Natürlicher Geschmack    Im Kanton Aargau gibt

es zurzeit drei gewerbliche Bäckereien, die Back­ waren in Bioqualität anbieten. Eine davon ist Schwab-Beck in Würenlos. Der 60-jährige Betrieb wird von Hans Schwab in der zweiten Generation geführt. «Wir haben vor zehn Jahren aus Marketing­ überlegungen mit sechs Biospezialbroten begonnen. Inzwischen schlägt unser Herz voll und ganz für Bio», erzählt Hans Schwab. Über 100 Backwaren werden in Bioqualität angeboten. Vier davon erhiel­ ten die Gourmet-Knospe; das Birnenbrot, das Nuss-


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Biobrot, das Olivenbaguette und der Speckzopf. Die Biobrote zeichnen sich durch eine lange Frisch­ haltung und einen natürlichen Geschmack aus. Die Rezepturen enthalten eine reduzierte Menge an Hefe, die durch eine lange Teigruhezeit (Lang­ zeitgärung) ausgeglichen wird. Der Wechsel auf Bio brachte einige Umstellun­ gen in der Produktion mit sich. Zusatz- und Halb­ fertigpräparate wurden aus der Backstube verbannt. Ob Butter, Eigelb oder Mehl – alle Zutaten stammen aus biologisch zertifizierten Produktionsbetrieben. «Die Umstellung auf Bio war am Anfang ein Wag­ nis», sagt Schwab. «Wir wussten nicht, ob wir auch ohne Zusatzstoffe und Halbfertigprodukte die glei­ che Qualität erreichen würden. Doch der Start ist gelungen. Die Qualität war von Anfang an hervor­ ragend, der Geschmack sogar noch besser.» Auch im eigenen Betrieb hat er die Leute inzwischen auf Bio eingeschwört. Zum Team gehören Ehefrau, Tochter, zwei Mitarbeiterinnen, drei Lehrlinge und vier Aushilfen. Verkauft werden die Backwaren von Schwab auf den Wochenmärkten in Wettingen, Baden, Zü­ rich-Altstätten, Brugg und Aarau. «Weil wir unsere Produkte ausschliesslich an unseren Marktständen anbieten, sparen wir die Kosten für die Ladenmiete. Dadurch können wir unsere Backwaren in Bioqua­ lität fast zu den gleichen Preisen anbieten wie kon­ ventionelle Bäcker», erklärt Hans Schwab. Er hat sich an den verschiedenen Marktorten eine treue Stammkundschaft aufgebaut. «Die Kundinnen und Kunden erwarten von uns, dass wir alle Produkte deklarieren und Auskunft geben über Inhaltsstoffe und Herstellung.»

lung von Produkten ohne Hefe und Glutamat, was unter anderem von Menschen mit entsprechenden Allergien geschätzt wird. Der Mehraufwand für ein biologisch hergestell­ tes Brot nach Manier der Eigenbrötler Backwerke beträgt zwischen 20 und 30 Prozent. In der Back­ stube werden am Abend die Vorteige für den nächs­ ten Morgen geknetet. Nur wenige Produkte werden eingekühlt und bei Bedarf aufgebacken. «Wir setzen auf tagesfrische Backwaren», so Amrein. Die Pro­ dukte werden auf Bestellung an einen treuen Kun­ denstamm geliefert und auf dem Markt in Luzern verkauft. Die Auslastung sei sehr hoch, betont der Geschäftsführer. «Unser Vorteil ist, dass wir in ge­ wissem Sinne einzigartig und nicht mit anderen ­Bäckereien vergleichbar sind. Dies ermöglicht uns Flexibilität in der Preisgestaltung und eine hohe Wirtschaftlichkeit.» Daniel Amrein glaubt an das Konzept der Biobä­ ckerei und möchte künftig das Sortiment aus­bauen. Da­zu gehört auch der Wunsch, einen Holzback­ ofen anzuschaffen und in einem Bauernhaus mit eige­ ner Besenwirtschaft zu pro­ duzieren. Und selber Ge­ treide anzupflanzen. www.eigenbroetler.info www.bio-schwab.ch www.danis-lamm.ch www.ueli­hof.ch

Die Eigenbrötler    Daniel Amrein und sein Team

machen ihrem Namen alle Ehre: Denn die Eigen­ brötler Backwerke in Wauwil (LU) gehen eigene Wege, indem sie in der Herstellung der Backwaren alles selber machen, von der Konfitüre bis zu diver­ sen Füllungen. Zu den prämierten Produkten gehö­ ren die Luzerner Sauerteigweggen sowie das UrKörner-Brot. Im Auftrag der Eigenbrötler Backwer­ ke pflanzen die Bauern alte Getreidesorten wie etwa das Einkorn an. Die Milch stammt von natur­ gerecht gehaltenen Kühen mit Hörnern, die Eier von glücklichen, nein: überglücklichen Hühnern. Eine lohnenswerte Nische fanden Geschäftsführer Amrein und sein 14-köpfiges Team mit der Herstel­

Wenn beim Hingucken das Wasser im Mund zusammenläuft, könnte eine Gourmet-Knospe im Spiel sein.


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Leseraktion! Exklusiv für Sie 10 % Rabatt beim Kauf eines der hier vorgegestellten Kochbücher. Bestellung: www.eco-life.info oder Telefon 043 488 18 42 (Büroöffnungszeiten).

Lektüre, die anmacht Egal, ob Sie bio oder klimaneutral, mit Wild­pflan­zen oder ohne Fleisch, gut schweizerisch oder exotisch, auf dem Gasherd oder im Solarofen kochen möchten: Die folgenden Bücher machen Lust aufs Kochen und natürlich aufs Essen. Nadia Fernandez

Natürliche Kraft Die in Küsnacht bei Zürich aufge­ wachsene Pfarrerin und Wildpflan­ zenfachfrau Gisula Tscharner hat sich als selbst ernannte Kräuterhexe mit ihrem ersten Buch «Hexentrank und Wiesenschmaus» in kochinteressierten Kreisen einen Namen geschaffen. Auf ihren Streifzügen durch die Natur sucht sie nicht nach möglichst ausge­ fallenen, sondern nach alltäglichen, un­spektakulären Pflanzen, die es aber dennoch in sich haben: Brennessel, Lö­wenzahn, Holunderbeeren. Aus die­­sen und anderen Gewächsen hat sie 150 neue Rezepte für ihr zweites Kochbuch entwickelt, die möglichst einfach in der Zubereitung sein soll­ ten. Die vielen stimmungsvollen Fotos von Ulla Mayer-Reichle zeigen, dass die Schönheit der Natur nicht nur in imposanten Landschaftsaufnahmen, sondern auch in den kleinen Details liegt. Ein Buch, das so richtig Lust macht, die verborgenen oder unbeach­ teten Kräuterschätze unserer Um­ge­ bung zu entdecken – und zu verspei­ sen! «Wald und Wiese auf dem Teller», Gisula Tscharner, AT Verlag, ISBN 978-3-03800-404-2, 40.90 Franken


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5/09 ECOLIFE KOCHBÜCHER

Bio – logisch!

Vegetarischer Genuss!

Die Kochbuchautorin und Referentin Erica Bänziger gehört zu den Schwei­ zer Pionieren der gesunden Küche. Ihr neuestes Werk «Das grosse 1 x 1 der Bio-Küche» ist nicht eine blosse Re­ zeptsammlung, sondern bietet auf 250 Seiten viel mehr. Es erklärt unter an­ derem auch, worin sich Nahrungsmit­ tel mit Biogütesiegel von herkömmli­ chen unterscheiden, wie man sie am schonendsten zubereitet und worin die Vorteile für uns als Konsumenten lie­ gen. Für Einsteigerinnen und Einstei­ ger ebenfalls besonders interessant sind die Kapitel zu den Themen Er­ nährungs- und Kochlehre mit vielen praktischen Informationen zur Waren­ kunde und Grundanleitungen, die dank Step-by-step-Fotoaufnahmen leicht nachzuvollziehen sind. Fortge­ schrittenere Köche und Köchinnen werden sich auch für die Porträts von Bioproduzenten und ihre Philosophie interessieren. Und wer einfach nur ge­ niessen möchte, hält sich an die Re­ zepte, die mit Tipps und Tricks verse­ hen sind, damit sie noch leichter ge­ lingen. «Das grosse 1 x 1 der Bio-Küche», Erica

Rechtzeitig zum 111. Geburtstag des ältesten vegetarischen Restaurants Europas ist das zweite Kochbuch aus dem Hause Hiltl erschienen. Es prä­ sentiert in schnörkelloser, moderner Optik 60 neue Gerichte, die bewei­ sen, wie abwechslungsreich und span­ nend die vegetarische Küche sein kann. Das Buch ist klar und über­ sichtlicht strukturiert, die Rezepte sind mehrheitlich leicht nachzuko­ chen und kommen ohne langfädige Erklärungen aus. Das Geheimnis der meisten Gerichte liegt in den verwen­ deten Gewürzen, die ihnen das ge­ wisse Etwas verleihen. Zwischen den Rezepten gibt es willkommene Erklä­ rungen zu Ingwer, Safran und Co., ih­ rer Herkunft und ihrer Verwendung in der Küche. Den Abschluss des Bu­ ches bildet ein Exkurs in die interes­ sante Geschichte dieses traditionsrei­ chen Restaurants, das sich vom eins­ tigen «Wurzelbunker» zum Genuss­ stempel gemausert hat. Ein Must für alle, die die typische Hiltl-Küche zu sich nach Hause holen möchten.

Bänziger, Fona Selection, ISBN 978-3-03780398-1, 35.80 Franken, erscheint Mitte ­Oktober 2009

Mit der Kraft der Sonne Die Texterin Renate Matthews und der Fotograf Markus Zuber sind zu ei­ ner kulinarischen Reise durch Mada­ gaskar aufgebrochen, um die Vielfalt der dortigen Küche zu entdecken, und sind mit einer grossen Sammlung von Rezepten zurückgekehrt. Bei ihrem Aufenthalt auf der Insel haben sie fest­ gestellt, dass Gas und Strom für weite Teile der Bevölkerung Madagaskars nicht verfügbar oder zu teuer sind. Sonnenkraft ist hingegen reichlich vor­­handen und bietet eine umweltge­ rechte, sichere und saubere Alternati­ ve. Ein mit Sonnenkraft betriebener Ofen ist ein Allround-Gerät, mit dem man kochen, backen, gratinieren, bra­ ten schmoren, niedrig­garen, dörren oder sterilisieren kann. Leider sind Solarofen in Madagaskar noch nicht weit verbreitet. Mit dem Kauf des Bu­ ches hilft man, sie auf der Insel be­ kannter zu machen. Um die Rezepte in diesem Buch nachzukochen, benö­ tigt man übrigens keinen Solarofen. Mit kleinen Anpassungen an die Gar­ zeit lassen sich die Gerichte ebenso gut in einem herkömmlichen Backofen oder auf dem Herd zubereiten. Und wen die Neugier doch gepackt hat, der findet im Buch Bezugsquellen für die sparsamen Kochgeräte. «Cuisine solaire – Madagaskar», Renate Matthews/Markus Z ­ uber, Edition Castell, ISBN 3-9522612-4-6, 33.90 Franken

«Hiltl. Vegetarisch. Die Welt zu Gast», Rolf Hiltl, Orell Füssli, ISBN 978-3-280-05342-3-404-2, 65 Franken


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ECOLIFE 5/09 KOCHBÜCHER

Global denken – lokal kochen

Magen- und klimaschonend

Die Luzerner Wochenmärkte diens­ tags und samstags und der Fischmarkt freitags blicken auf eine jahrhunderte­ lange Vergangenheit und sind weit über die Grenzen der Stadt bekannt. Während der Fotograf Markus Zuber das Angebot der Stände und das Ge­ schehen auf dem Markt festhielt, sam­ melte die Redaktorin Renate Matthews 60 Rezepte bei den Anbietern, den Kun­den und den Gastronomen, die hier ihre Waren ver- oder einkaufen. Mit ansprechenden Aufnahmen der Gerichte, aber auch des Marktes im Wandel der Jahreszeiten, bei Sonne, Regen und Schnee, ist eine eigentliche Liebeserklärung an alle Marktfahre­ rinnen und -fahrer entstanden, die Woche für Woche ihre Waren feilhal­ ten. In der Schweiz gibt es über 150 Wochenmärk­te – das Material für weitere Bücher wird der Autorin Re­ nate Matthews, übrigens eine gebür­ tige Luzernerin, also nicht so schnell ausgehen. «Luzerner Markt-Kochbuch», Re-

Rezepte, die cholesterinarm, vitamin­ reich und gleichzeitig den Kriterien der Umwelt- und Klimafreundlich­ keit entsprechen – das ist neu für ein Kochbuch. Die deutsche Autorin Bet­ tina Goldner ist Wissenschaftsjour­ nalistin, lebt mit ihrer Familie seit 20 Jahren vegetarisch und engagiert sich in der Umweltpolitik. Bei der Auswahl der beispielhaften Rezepte berücksich­ tigte sie die Menge der Treibhausgase, die bei der Erzeugung und Verarbei­ tung der verwendeten Lebensmittel entsteht. Trotz des ernsten Hinter­ grundes kommt das Buch nicht mora­ linsauer daher, sondern plädiert für ei­ nen intelligenten Genuss und zeigt mit Gerichten wie Hummus, Gazpacho, Falafeln oder Baklava auf, wie lecker und international die vegetarische Kü­ che sein kann. «Umweltfreundlich vegeta-

nate Matthews/Markus Zuber, Edition Castel, ISBN 978-3-9522612-8-6, 44 Franken

Back to the Roots Die Schweiz war ursprünglich ein Land von Bauern und Selbstversor­ gern. Entsprechend setzt ihre traditi­ onelle Küche auf einfache, aber ehrli­ che Lebensmittel. Dieses kleine Buch feiert anhand von 34 Rezepten die Vielfalt der Schweizer Küche, bei der jede Region ihre Eigenart beibehalten hat. Die ursprünglich recht deftigen Gerichte sind in ihrer Zusammenstel­ lung der heutigen Lebensweise ange­ passt worden, die nach einer kleineren Energiezufuhr verlangt. Und dennoch: Bei Gerichten wie Ochsenschwanz­ ragout, Bärlauchcremesuppe mit ver­ lorenem Ei und Johannisbeertorte fühlt man sich sofort an Grossmutters Tisch zurückversetzt. Und wer nicht weiss, was «Schnitz und Drunder» oder «Albeli» sind, erfährt es hier. Es­ sen ist im besten Fall nicht nur Nah­ rung für den Körper, sondern auch für die Seele. Diese Rezepte erinnern an unsere Wurzeln und sind ein Stück Heimatliebe, die durch den Magen geht. «Schweizer Küche», Fona Selection, ISBN 978-3-03780-292-2, 14 Franken

risch», Bettina Goldner, Walter Hädecke Verlag, ISBN 978-3-7750-0561-6, 26 Franken


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UMDENKEN


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ECOLIFE 5/09 SCHOKOLADE

Widerstand zwecklos Schokolade schmeckt einfach zu gut, um darauf zu verzichten. Aber sind auch Bio- und Fair-Trade-Produkte zum Anbeissen? Eine kleine Degustation zeigt: Es gibt einige Sorten, die wärms­ tens zu empfehlen sind. Vera Sohmer

Niemand auf der Welt erliegt der süssen Versu­ chung so häufig wie Herr und Frau Schweizer: Mehr als zwölf Kilogramm Schokolade verzehren wir pro Kopf und Jahr. Wir sind Spitzenreiter in der Statistik, wenn auch unterstützt von unseren aus­ ländischen Feriengästen und von Grenzgängern. Dennoch, es muss etwas dran sein am Ruf unserer Schokolade. Die beste sei es, von hoher und höchs­ ter Qualität. Erkennbar daran, dass es knackt beim Abbrechen, die Bruchkanten sauber sind und die Bruchflächen nicht bröckeln. Auch unsere Nase er­ kennt die Qualität: Voll und rund ist der Duft, aber nie aufdringlich. Im Mund schmilzt die Schokolade butterweich, ohne zu pappen oder am Gaumen zu kleben. Sie schmeckt fein und zart und sie hat kei­ nen Nachgeschmack. ecolife wollte wissen, ob auch Bio- und Fair-Trade-Schokolade diesen hohen Anforderungen genügen und biss sich hinein in die Materie – ganz und gar subjektiv. Ein Hauch von Vanille    Das Schokoladenregal in der Migros ist meterlang, die Auswahl riesen­ gross. Sucht man nach Bio- und Fair-Trade-Pro­ dukten, bleiben allerdings nur ein paar wenige Sorten übrig: Es gibt Zartbitter- und Milchscho­ kolade, beide mit Engagement-Label und dem Max-Havelaar-Zeichen für fairen Handel. Die Kostprobe zeigt: Die Schoggi ist okay, aber nicht gerade ein Hochgenuss. Immerhin aber schmeckt die Engagement-Milchschokalade noch akzeptabler als jene der Coop-Biomarke Naturaplan: diese ist pappig und klebt im Mund. Was eher zu überzeugen vermag: die extra dunkle Naturaplan-Sorte mit 70 Pro­ zent Kakao. Damit die herbe Note nicht zu heftig wird: kleine Stücke abbrechen und langsam im Mund zergehen lassen. Wer auf dunkle Schokolade steht, wird bei meh­ reren Herstellern fündig: Die Handelsgesellschaft


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5/09 ECOLIFE SCHOKOLADE

Original Food hat eine 73-Prozentige im Sortiment. Der Kakao dieser Rio-Napo-Grand-Cru-Schokola­ de stammt aus dem Regenwald Ecuadors – der Ge­ schmack ist rund und geheimnisvoll. «Ein Hauch von Kaffee und Vanille trifft auf eine feine Pfeffernote», heisst es in der Produktbeschreibung. Bei der Degus­ tation bleiben die Aromen undefinierbar, deswegen aber nicht weniger anregend. Dezent und harmo­ nisch schmeckt die Amarrú-Edelbitter-Schokolade des Schweizer Fair-Trade-Unternehmens Pronatec. Sie eignet sich hervorragend, um damit eine delika­ te Mousse au Chocolat anzurühren, schmeckt aber auch sonst lecker. Mit Pfefferminzkrokant    Experimentierfreudige

Gaumen werden bei claro fair trade fündig. Hier be­ finden sich zig Schoggivarianten im Sortiment. Bei­ spielsweise eine dunkle Schokolade mit Pfeffer­ minzkrokant. Wer schon einmal After Eight geges­ sen hat, dürfte geeicht sein und angenehm über­ rascht: Das Minzaroma hält sich hier vornehm zu­rück. Mecsa Osha heisst eine kleinformatige Schokolade, die in Peru produziert und von Claro in der Schweiz vertrieben wird. Sie steckt in einer grasgrünen Kartonhülle, ist kaum süss, ganz fest und sehr knackig. Sie schmeckt am besten, wenn man nur ein bisschen abbeisst. Dann im Mund lagern und warten, bis sie ihr leicht herbes Aroma freigibt. Ungewöhnliches bietet auch Karl Johannes Rechsteiner aus dem Emmental in seinem «Choco­ laden». Er erfindet und produziert alle Sorten selbst. Ganz nach seinem Gusto sind beispielsweise die in Mode gekommenen Chilischokoladen. Es gibt eine moderat-scharfe Variante in Tafelform und eine ex­ tra-scharfe aus dünnen Talern. Diese haben in der Tat einen heftigen Nachbrenner. Gewöhnungsbe­ dürftig, aber eine Versuchung wert: die handge­ schöpfte Zartbitterschokolade mit Zitronenextrakt. Sie duftet frisch und hinterlässt auch im Mund eine

kühle Frische. Wer Schokolade und das Aroma von Zitrusfrüchten mag, dem sei die Milchschokolade mit Orangenextrakt ans Herz gelegt: absolut feines Aroma, absolut zarter Schmelz. Nachteil: Hat man die Tafel erst einmal aus der königsblauen Folie ge­ wickelt, ist sie in null Komma nichts verputzt. Nur das Knistern fehlt    Was schade ist: Die In­

nenverpackung vieler Bioschokoladen besteht in­ zwischen aus rezyklierbarem Polypropylen. Es soll umweltfreundlicher sein als Alufolie. Ein gutes ­A rgument zwar, doch leider fehlt das verheissungs­ volle Knistern der hauchdünnen Silberfolio. Und das ist beim Schokoladenaschen halt einfach der halbe Genuss – und so gesehen vielleicht ab und zu eine Sünde wert. Beim Kauf empfiehlt sich ein Blick auf die Zu­ tatenliste. Um einen zarten Schmelz hinzubekom­ men, wird auch bei Bioprodukten oft Lecithin, ins­ besondere Sojalecithin, verwendet. Das verkürzt den langwierigen und teuren Prozess des Conchie­ rens. Puristen verzichten auf diese Emulgatoren; Kenner sagen, man schmecke halt den Unterschied. Andrea Hüsser, Sprecherin der Erklärung von Bern, empfiehlt zudem: aufs Fair-Trade-Label achten, das von einer externen Stelle kontrolliert wird, – bis heu­ te sei Max Havelaar leider das einzig verlässliche.


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ECOLIFE 5/09 GEWÜRZE

Sie sind jung, gescheit, raffiniert. Sie beschliessen, ein eigenes Unter­ nehmen zu gründen. Und dann das: Sie wollen Gewürze verkaufen. Warum Raffinessen trotzdem auf dem Weg zu einer Erfolgsgeschichte ist und ein bisschen Bequem­lich­keit manchmal ganz gut tut. Reto Wüthrich

Raffinierte Kompositionen Zuerst ein bisschen Geografie: Europa, das ist mit 10,5 Millionen Quadratkilometern der zweitkleins­ te Kontinent der Erde. Und trotzdem ist er viel­ schichtig und abwechslungsreich, von der norwegi­ sche Halbinsel Nordkinn als nördlichstem bis nach Punta de Tarifa in Spanien als südlichstem Punkt. Japan hingegen ist riesig und liegt im Pazifik. Eine Inselkette, die sich entlang der Ostküste Asiens er­ streckt und klimatisch irgendwo zwischen der kal­ ten Klimazone in Hokkaidō, mit kalten und schnee­ reichen Wintern, und den Subtropen in der Präfek­ tur Okinawa hin und her pendelt. Dann der Orient. Wir kennen ihn auch als Mor­ genland. Sofort beginnt im Kopf das Kino zu laufen, wenn wir die Namen sehen: Marokko, Indien, Pa­ kistan, Tunesien, Jemen, Oman, Syrien, Türkei, Iran und einige mehr gehören dazu. Und schliess­ lich die Karibik. Bestehend aus Inseln und viel Meer. Hier leben 35 Millionen Menschen afrikani­

scher und europäischer Herkunft, Kreolen, Inder, Chinesen, alle irgendwo verstreut auf Inseln und In­ selgruppen. Und alle diese Weltregionen – Europa, Japan, Orient, Karibik – versammeln sich schliesslich in ei­ nem freundlich ausgedrückt unauffälligen Büroge­ bäude in Muri bei Bern, oben unter dem Dach, wo gewöhnliche und mit Papier übersäte Bürotische ste­ hen, aber ungewöhnliche Menschen ein Unterneh­ men und die Marke «Raffinessen» lanciert haben. Ungewöhnliche Erlebnisse    Nun ist es immer

spannend, wenn junge Leute den Mut aufbringen, Unternehmer zu werden. Erst recht, wenn alle die­ se Kontinente im Spiel sind. Aber wer Raffinessen hört, hört nicht nur wegen des ausgesprochen schö­ nen Namens und diesem Hauch von Weltreise zwei Mal hin. Sondern auch, weil Markus Lehmann, Max Meister und Mathias Ruch Gewürze verkau­


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5/09 ECOLIFE GEWÜRZE

Debrecen (Europa) besteht u. a. aus Salz (50.4 %), Paprika, Zwiebel, Tomatenpulver, Pfeffer, Knoblauch, Koriander, Zucker und Senf (glutenfrei). Paprika als prägendes Element dieser Mischung und der Sauerrahm nehmen in der ungarischen Küche eine zentrale Rolle ein. Auch das Gulasch, ein Fleischeintopf mit Zwiebeln, Gemüsen und Kartoffeln, wird damit veredelt.

fen. Ausgerechnet Gewürze! Wer, bitte schön, hat auf ein neues Unternehmen gewartet, das die glor­ reiche Idee hat, Gewürze zu verkaufen? Niemand. Dass der Artikel an dieser Stelle trotzdem noch weitergeht, liegt daran, dass Raffinessen es ge­ schafft hat, das an und für sich profane Produkt ganz neu zu lancieren. Als «Kompositionen» näm­ lich, wie es Markus Lehmann beinahe schon poe­ tisch ausdrückt. Denn jedes Produkt, das in ausge­ wählten Delikatessenläden oder über den eigenen Online Shop verkauft wird, ist eine eigenständige, ungewöhnliche, bisher unbekannte Mischung, ein völlig neues Geschmackserlebnis. Bequemlichkeit als Basis    Dass es so etwas heute noch gibt, das liegt an Red Ernst. Sein Vater habe ihm den Spitzenkoch an irgendeinem Anlass vorge­ stellt, erzählt Markus Lehmann. Ein zufälliges Auf­ einandertreffen zweier Leute, die sich nicht lange mit ödem Small Talk aufhielten. Sondern bald schon über das eigenwillige Gewürzkonzept diskutierten, das sich Ernst für seine mit vielen Gault-MillauPunkten dekorierte Küche zurechtgelegt hatte. Wenn auch aus reiner Bequemlichkeit. Weil ihm das «mise en place» der Gewürze zu viel Zeit in An­ spruch nahm, er aber trotzdem höchsten Wert auf die perfekte Veredelung seiner Gerichte legte, stell­ te Ernst fixfertige Mischungen für den Eigenge­ brauch her. Und weil Ernst ein Spitzenkoch ist, sind es raffinierteste Mischungen. Lehmann war sofort be­ geistert. Von Ernst. Von des­ sen Umgang mit Gewürzen Baharat (Orient) besteht u. a. aus aller Welt. Und davon, aus Salz (43 %), Pfeffer, Sudass er zu 100 Prozent na­ mach, Knoblauch, Piment, Paprika, Zwiebel, Kreuzkümmel, türliche Zutaten verwendet, Basilikum und Zitronenschale. ohne Farbstoffe, ohne künst­ Es ist eine sehr kräftige Miliche Mittel, ohne Ge­ schung. Sie kann als Streuschmacksverstärker. Er frag­ gewürz eingesetzt werden, te den Spitzenkoch, ob er aber ihr volles Aroma können die Gewürze nur entwisich vorstellen könne, seine ckeln, wenn Sie ihnen etwas Mischungen aus der Gour­ Zeit geben. Marinieren Sie metküche in die Haus­halte Ihr Fleisch für mindestens zu bringen. Das kön­ne er, zwei Stunden und diese Miantwortete Red Ernst, bloss schung schenkt Ihnen ein orientalisch pikantes Gewisse er nicht, wie. schmackserlebnis.


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ECOLIFE 5/09 GEWÜRZE

Man kann sich gut vorstellen, wie in den Augen Lehmanns nun der Schalk aufblitzte, wie er ver­ schmitzt lächelte, wie in seinem Hinterkopf ein paar Rädchen schneller zu rotieren begannen. Denn als Verantwort­licher für Forschung und Entwicklung von Ski- und Velohelmen wusste er haar­genau, wie man Produkte zur Marktreife entwickelt. Sein Kumpel Max Meister ist Dozent für strategische Kommunikation an der Hochschule für Wirtschaft Zürich und Berater unter anderem im Bereich Mar­ kenführung. Und Mathias Ruch – Leiter von Rin­ gierTV und davor Mitgründer der TV-Produkti­ onsfirma FaroTV («Joya rennt», «Celebrations») – kannte sich im Umgang mit den Medien bestens aus. Alle drei sind zudem studierte Betriebswissen­ schaftler. Kurz: Hier versammelte sich exakt jenes Marketing-Knowhow, das Red Ernst brauchte, um die Gewürze dem breiten Publikum zugänglich zu machen. Anstiftung zum Experiment    Und nun also kann man sie kaufen: «Zermatt», «Portofino», «Yakitori», «Soja Nori», «Sandelholz», «Baharat», «Hibiskus», «Feurige Süsse» und wie sie alle heissen. Spannende Würze für den hauseigenen Küchenschrank, hübsch verpackt. Und für Leute, die von der ambitionierten Hobbyküche noch einige Schritte weiter entfernt sind, auch als Starter-Set aufbereitet, um einfach mal loszulegen. Auf der Internetseite von Raffines­ sen gibt es interessante Rezepte zur Anregung. An den Raffinessen-Kochevents, die auch mal auf Kräu­ tersuche in den nahegelegenen Wald oder ganz bo­ denständig auf den Grillplatz bei der Hornusserhüt­ te führen, kann das eine oder andere abgeschaut werden. «Falsch machen kann man allerdings kaum et­ was», betont Markus Lehmann. Im Gegenteil sei es eine Freude, von Kun­dinnen und Kun­ Yakitori (Japan) besteht den immer wieder zu u. a. aus Salz (32.7 %), hören oder in E-Mails Sesam weiss, Sesam schwarz, Zucker, Sojazu lesen, was sie mit sauce, Chili, Paprika, Zwieden gegenwärtig ins­ bel und Knoblauch. Es ist gesamt 21 Gewürz­ die japanische Variante kompositionen ange­ von gegrillten Spiessstellt haben. «Die chen mit Geflügel, Fisch, Fleisch oder Gemüse. Leute sollen sich da­ Das nussige Arome von inspirieren las­ des Sesams und eine sen und experimen­ leichte Currynote vertieren», so Lehmann. leihen den Zutaten einen köstlichen Ge-

Theoretisch sei es zum Beispiel möglich, eine Wo­ che lang Poulet­f leisch zu Abend zu essen, ohne ein langweiliges Maul zu bekommen. Denn wer das Poulet jeden Abend mit einer anderen Mischung würze, realisiere auf diese Weise Variationen mit ge­ hörigem Überraschungseffekt. Wen das skeptisch stimmt, kann immer noch die Raffinessen-Kräuter­ butter dazu geben. Die passenden Gewürzmühlen gibt es bei der Berner Jungunternehmung übrigens auch zu kaufen. Die unendliche Geschichte    Einen wesentlichen

Teil unseres Planeten haben die Macher von Raffi­ nessen nun also in kulinarische Welten aufgeteilt. Vielleicht gesellen sich bald China, Amerika oder Afrika hinzu. Um beim Start des Unternehmens – er erfolgte erst Anfang dieses Jahres – nicht Unüber­ sichtlichkeit zu riskieren, will Lehmann das Ange­ bot allerdings sachte ausbauen. Bei der Frage, ob denn noch genug dieser Kompositionen neu zu ent­ decken seien, ist dieser Schalk in den Augen wieder deutlich sichtbar. www.raffinessen.ch


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ECOLIFE 5/09 TRÜFFEL

Dort, wo Trüffel wachsen, wird das Gras schütter. Wie manchmal unter einem Nussbaum. Hie und da bilden sich auch Risse im Boden.

Der Schatz im eigenen Garten Ein Bäumchen pflanzen und dann Trüffel ernten, bis man alt ist: Was klingt wie der Traum eines Gourmets, ist durchaus möglich. Vorausgesetzt, man hat das richtige Fleckchen Erde – und Geduld. Vera Sohmer Denkt der Bieler Trüffelexperte Ueli Engel daran, was er neulich erlebt hat, blutet ihm noch jetzt das Herz. Ein Kunde zeigte ihm, was er beim Garten­ umgraben gefunden hatte: Bestimmt ein Kilo Trüf­ fel – «schwarze Diamanten» im Überfluss. Doch der Finder war nicht nur stolz, sondern auch beunru­ higt. Denn er vermisste, was die Delikatesse so un­ verwechselbar macht und so begehrt. Es fehlte der kräftige, nussige Duft. Ueli Engel erkannte das Mal­ heur sofort. Der Mann hatte den Schatz gehoben, bevor er reif war! Die Trüffel, die auf dem Markt gut und gerne 600 Franken gebracht hätten, landeten auf dem Kompost.

Dabei wäre sie eigentlich ganz einfach, die Sache mit den Trüffeln aus dem eigenen Garten, sagt Ueli Engel. Der unterirdisch wachsende Speisepilz ist aufs Zusammenleben mit einem Baum oder Strauch an­ gewiesen. Er gedeiht an den Wurzeln seines Sym­ biosepartners. Und dieser Partnerschaft helfen Züch­ ter inzwischen etwas nach. Sie impfen die Wur­zeln von jungen Linden, Eichen, Schwarzföhren, Hain­ buchen oder Haselstauden mit Trüffelsporen. Ist der Wurzelballen mit dem Trüffelmyzel durchdrungen, kommen die Bäumchen auf den Markt. Der künftige Eigenversorger kann sie für rund 40 Fran­ken das Stück erwerben und auf sein Grundstück pflanzen.


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pro Bäumchen lägen drin. Ein richtig gutes Jahr könne durchaus auch mal ein Kilo bringen. Doch die Erträge können von Jahr zu Jahr, von Baum zu Baum variieren, ergänzt Tony Pla. Erfahrungswer­ te gebe es aus Frankreich, wo Trüffelkulturen schon seit mehreren Jahren erfolgreich betrieben und gro­ sse Haine angelegt werden. Bei optimalen Bedin­ gungen gedeihen die Speisespilze bei mehr als 90 Prozent der geimpften Bäume. Hund im Auge behalten    Nicht alle Trüffelarten

Schütteres Gras suchen    Doch die Bodenquali­ tät muss stimmen. Trüffel lieben kalkreiche Erde und die gibt es längst nicht in allen Gärten; die meisten haben einen zu hohen Stickstoffgehalt. Ueli Engel empfiehlt deshalb eine Bodenanalyse. Passt der Muttergrund, kann man sich als Trüffel-Gärt­ ner versuchen. Es braucht aber acht Jahre Geduld. Ähnlich wie bei einem Fruchtbaum dauere es eben seine Zeit bis zum ersten Ertrag. Dann aber gilt es, eine ringförmige Zone um den Trüffelbaum herum im Auge zu behalten. Hinweise, dass sich unter der Erde etwas getan haben könnte, finden sich leicht. Dort, wo Trüffel wachsen, werde das Gras schütter, wie manchmal unter einem Nussbaum, erklärt der österreichische Trüffelsucher und -züchter Tony Pla. Hie und da bilden sich auch Risse im Boden. Eine Erntegarantie gibt es aber nicht. Auch wel­ che Menge man ernten kann, lasse sich nicht exakt voraussagen, sagt Ueli Engel. Zehn bis zwölf Trüffel

können gezüchtet werden: Bei der weissen Alba­ trüffel beispielsweise ist es bislang nicht gelungen. Die seltene Delikatesse wird teuer gehandelt. 100 Gramm können 1000 Franken oder mehr erzielen. Was in Zucht gut gedeiht, sind Périgordtrüffel. Bur­ gundertrüffel lassen sich ebenfalls kultivieren. Sie sind in der Schweiz auch wild wachsend zu finden, etwa am Jura-Südfuss. An welchen Stellen genau, wissen nur die Kenner. Wenn Ueli Engel auf die Su­ che geht, hat er seine ausgebildete Hündin dabei, eine Mischung aus Schweizer Sennenhund und La­ brador. Sie arbeite szuverlässig, «aber ich muss auf­ passen, dass sie die Trüffel nicht selber frisst.» Auch dem Hobby-Züchter ist zu empfehlen, sich beim Ernten seiner Köstlichkeiten auf die Nase eines geschulten Hundes zu verlassen. Der nämlich lässt unreife Exemplare dort, wo sie hingehören, un­ ter der Erde. Eine andere Möglichkeit ist, die Pilze mithilfe der Trüffelfliege aufzuspüren. Schwärme von ihr halten sich bevorzugt dort auf, wo reife Trüffel verborgen sind. Um sicherzugehen, scheucht man die Fliegen auf und wartet kurze Zeit, erklärt Tony Pla. Kehren die Fliegen an dieselbe Stelle zu­ rück, kann man dort mit dem Graben beginnen. Aber ganz vorsichtig, denn die Trüffel wachsen meist knapp unter der Bodenoberfläche. Und damit wäre man bei der nächsten Ernte6egel: Bloss nicht die ganze Erde umpflügen – damit würden auch im­ mer wieder natürliche Trüffelplätze zerstört, sagt Tony Pla. Jetzt ist es nicht mehr weit, bis zum herr­ lichen Genuss.

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TRÜFFEL


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ECOLIFE 5/09 FAST FOOD

Auf dem Weg zum Wrapstar Fast Food? Da dreht sich vielen der Magen um. Gesundes Fast Food? Das gibt Fragezeichen auf. Eduard Hitzberger gings genauso. Dann machte sich der Spitzenkoch selber ans Thema und eröffnete ein nachhaltiges SchnellimbissLokal. Es soll nicht das einzige bleiben. Andreas Güntert

18 Gault-Millau-Punkte, zwei Michelin-Ster­ ne: Wenn sich einer derart in den GastroOlymp hochgearbeitet hat, so ist zu vermu­ ten, hält er nichts von Fast Food. Genau so war es, als im April 2007 drei findige Jungun­ ternehmer mit einem Schnellverzehr-Konzept auf den Starkoch Eduard Hitzberger zuka­ men: «Fast Food? Gentlemen, da sind sie falsch bei mir», sagte der mehrfache Schwei­ zer Koch des Jahres, der im Restaurant La Bellezza in Ftan jahrelang Gourmets ver­ zückte. Doch so schnell gaben die Herren aus dem Unterland nicht auf: «Sie erwähnten noch etwas, das mich hellhörig machte», er­ innert sich Hitzberger. «Sie sprachen von ge­ sundem Fast Food. Da hat es Klick gemacht bei mir.» Fürs Auge, für die Hand    So kommt es,

dass der hochdekorierte Spitzenkoch, 54, heute den Begriff Fast Food ohne Augen­ verdrehen in den Mund nimmt. Wir treffen Hitzberger im Zürcher Shopping-Center Sihlcity, wo im April dieses Jahres das erste «Hitzberger»-Lokal mit der Affiche «fastfood natürlich» eröffnet hat. Zusammen mit der Er­nährungsberaterin Bea­trice Conrad ver­

leihte man der schnellen Verpflegung Nach­ haltigkeit. «Grundprodukte, die sinnvoll aus Bioproduktion oder aus Fair-Trade-Handel stammen, Ingredienzen und Rohstoffe aus der Region», zählt Hitzberger als erste Anfor­ derungen auf. Und weiter: «Gerichte mit ho­ hem Frucht- oder Gemüse-Anteil sowie eine Einrichtung, die zu diesem Denken passt.» Für das Lokal, das 70 Steh- und Sitzplät­ ze umfasst, heisst das: Besteck, Teller und Becher, die aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt und somit zu hundert Prozent biologisch abbaubar sind. Frisches Obst liegt bereit, Rüebli- oder Weizengras-Apfelsaft werden ausgeschenkt. Auf der Speisekarte stehen – obwohl das Wortspiel verführerisch gewesen wäre – keine «Hitzburger», sondern in erster Linie Salate, Suppen, Sandwiches und Wraps. Letztere faszinieren Hitzberger, der sich als «gastronomisches Gewissen» des Konzepts um Produktentwicklung und Qua­ litätssicherung kümmert, ganz besonders. Die Gäste offenbar auch: auf der Liste der bestverkauften Produkte nämlich stehen der Thai-Chicken-Wrap und der Chicken-Par­ mesan-Wrap auf dem ersten Platz. «To wrap» ist englisch und heisst einhüllen, einpacken.


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Schön im Schnitt    Die dünnen Teigschich­

ten, mit einer Füllung zu einer Art Fladen­ brot gewickelt, sind beliebt, «weil die Kun­ den von der Tex-Mex-Küche her, die heute allerorts verbreitet ist, schon mit Wraps be­ kannt sind», glaubt Hitzberger. Die Heraus­ forderung dabei: Den Wrap so zu konzipie­ ren, dass sich die Füllung im Querschnitt schön zeigt und beim Verzehr nicht auf alle Seiten herausquillt. In der gros­sen Ausfüh­ rung musste es zudem zu schaffen sein, dass das Wrap-Innenleben ein Fünf­­tel der täglich em­pfoh­lenen Menge an Früchten und Gemü­ sen enthält. Zehn Prozent mehr als im übli­ chen Fast-Food-Preisraster, glaubt man im heute achtköpfigen Betrieb, seien die Kun­ dinnen und Kunden bereit für gesunde Schnellnahrung zu bezahlen. Ein Recht auf Speed sollen sie haben: Man arbeitet nach der Devise, dass Gäste drei Minuten nach dem Bezahlen ihren Wrap, ihr Sandwich oder ihre Suppe in der Hand haben sollen. Wraps, spotten kritische Zeitgenos­ sen oft, seien auch deshalb be­ liebt, weil man sie mit einer Hand verzehren könne – der­ weil man mit der an­ deren Pranke am Handy zugange ist. Hitzberger lacht kurz mit. Dass man die Leute zu mehr Zeit beim Lunch erzie­ hen könne, glaubt er nicht: «Mit dem ho­ hen Leistungsdruck, der heute in der Gesell­ schaft herrscht, schrumpft auch die Zeit, die für das Mittagessen zur Verfügung steht. Viele Leute optimieren ihre Zeit, kürzen den Lunch und halten sich dafür mehr Zeit für den Abend bereit. Wie die Leute essen, kön­ nen wir nicht beeinflussen. Aber was sie es­ sen – das schon.»

Trotzdem: Wie kann einer, der früher in Ftan einen Sechsgänger für 220 Franken hingezaubert hat, nun plötzlich auch Spass daran haben, einen Wrap für keine acht Fran­ ken zu kreieren? Hitzberger sieht Gemein­ samkeiten: «Der Anspruch des Konsumen­ ten ist in beiden Situationen gleich: Sie wol­ len etwas Gutes in Relation zum Geld be­ kommen.» Und die Herausforderung, für 7.90 Franken etwas Gutes und Gesundes hin­ zukriegen, sei grösser, als wenn das Resultat über 200 kosten dürfe. «Bisher», sagt der Herd­künstler, «bekochte ich wenig Leute für viel Geld. Jetzt auch viele für wenig Geld.» Die beiden Gastro-Schienen hätten ihn zu­ neh­mend aufs gleiche Gleis geführt: «Letzt­ lich geht es einfach darum, mit guten Pro­ dukten zu arbeiten.» Auch eine Art nachhal­ tiges Denken. Zweigleis-Koch    Wobei sich auch Hitzber­

ger selber lange Jahre nicht gross um einen nachhaltigen Lebenswandel bemühte. «Bis mich meine Tochter einmal ermahnte, beim Zähneputzen nicht permanent das Wasser laufen zu lassen», erinnert sich der GastroOlympionike, «das hat mich dann auch auf andere Dinge im täglichen Leben aufmerksam gemacht.» Was beim sparsamen Wasserver­ brauch beginne, steigere das Bewusstsein – «und das kann sich zur Lawine auswirken.» So könnte es auch fürs Hitzberger ausse­ hen. Man denkt beim Jungunternehmen auf­ grund des erfolgreichen Starts an Expansion – auch wenn sich Hitzberger noch nicht ge­ nau in die Töpfe blicken lassen will. «2010», verrät der Neonachhaltige immerhin, «wird der zweite Betrieb öffnen, irgendwo im Gross­ raum Zürich.»


b boccafino

Eine neue RecyclingBewegung

boutique gourmande

Seit Anfang September können Kundinnen und Kun­ den in rund 300 Sammelstellen getragene Schuhe ­gegen Einkaufsgutscheine im Wert von einem Franken pro Paar eintauschen: Als erstes Schweizer Unterneh­ men nimmt die Karl Vögele AG ausgedientes Schuh­ werk von beliebigen Anbietern entgegen und belohnt dafür die Kundschaf. In Deutschland gibt es das inno­ vative Recyclingsystem, entwickelt vom Schweizer Unternehmen I:CO («I collect» = ich sammle), bereits seit Februar. Dort werden aktuell rund zwei Tonnen getragener Textilien und Schuhe pro Tag abgegeben. Beim Start in der Schweiz sind die Filialen von Vögele Shoes, Bingo Schuh-Discount und MAX Shoes beteiligt. In Kürze werden auch die Unternehmen Mister Minit und Reno zusammen über 100 Sammelstellen in der Schweiz eröffnen. Gemeinsam mit Industrie, Handel, führenden internationalen Recyclingunternehmen sowie Umweltorganisationen sieht sich I:CO als Spitze einer neuen Bewegung. «Nur wenn alles, was wir pro­ duzieren, wieder in einen neuen Kreislauf eingebracht werden kann, ist eine nachhaltige Verbesserung un­ serer Umwelt zu erreichen», sagt Stephan Wiegand, Verwaltungsrat der I:Collect AG. www.i-co.ag

Faire Sackmesser nachhaltig geniessen, mit Liebe, Lust und Leidenschaft just b o‘

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the fine art of cherishing body and soul

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Der Gewinner des Schweizer Fairness-Preises 2009 heisst: Victorinox. Das Schweizer Traditionsunternehmen aus Ibach (SZ) habe die Fach­ jury und das Publikum «mit seinem Modell der fairen Personalführung überzeugt», wie die Veranstalter schreiben. Victorinox verfüge über eine faire, soziale und innovative Integrationspolitik, eine innovative und faire Mitgestaltungs­ politik sowie eine aktive Sozialpolitik. Das Fami­ lienunternehmen feiert in diesem Jahr das 125-jährige Bestehen und wird von der dritten und vierten Generation der Familie


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Würziges aus dem Pro-Montagna-Land Jetzt kommen die Ökodrucker Unter dem Aspekt «Green IT» kommen derzeit neue Dru­ cker auf den Markt, die umweltfreundliche, hoch quali­ tative Druckmöglichkeiten zu einem erschwinglichen Preis bieten. So unterstreicht der Hersteller HP sein zunehmen­ des Umweltengagement etwa mit der Lancierung des ersten Deskjet-Druckers, welcher aus wiederverwerteten Materialen hergestellt wird. Der HP Deskjet D2660 kombi­ niert einen hohen Anteil an rezykliertem Plastik mit der Ein­ haltung der Energy-Star-Richtlinien. Die Lancierung dieses Druckers steht bei HP auch für das ambitionierte Ziel, bis 2011 insgesamt 46 Millionen Kilogramm wiederverwertetes Plastik in der Herstellung neuer Druckerprodukte zu ver­ wen­den. Zum Vergleich: Die Menge an rezykliertem Plastik ergibt ungefähr die Anzahl von 4 Milliarden Plastikflaschen. Der empfohlene Verkaufspreis für den HP Deskjet D2660 beträgt 79 Franken. Er ist ab sofort im Handel erhältlich.

In luftiger Höhe, umgeben von malerischen Landschaften und einer prächtigen Bergkulisse, gedeihen die frischen Pflanzen für die Pro-Montagna-Bio-Bergkräutermischungen, die ab sofort bei Coop erhältlich sind. Bergbauern – primär aus dem Berner Oberland und Oberemmental – kultivieren dort nach den stren­ gen Richtlinien von Bio Suisse Thymian (Bild), Schnittlauch, Mal­ ve und viele andere Kräuter. Die Kräuter zeichnen sich durch ein besonders intensives Aroma aus. Denn im Berggebiet wachsen sie langsamer als im Tal, die Sonneneinstrahlung ist konzentrier­ ter und die Böden sind besonders mineralstoffreich. Um diese Qualität zu erhalten, ernten die Bergbauern die Pflanzen erst dann von Hand, wenn sie ihr volles Aroma entfaltet haben. An­ schliessend liefern sie die frischen Kräuter an die Firma SAH Al­ penkräuter AG im Simmental im Berner Oberland. Sie verarbei­ tet die Pflanzen innert 24 Stun­ den nach der Ernte. www.promontagna.ch

oTicker E­ lsener geführt. Heute stellt Victorinox neben den bekannten und weltweit be­ liebten Schweizer Taschenmessern auch Haushalts- und Berufsmesser, Präzisions­ zeitmesser, modisch funktionelle Beklei­ dung, hochwertiges Reisege­ päck und Düfte her. Auf dem Siegerbild sind Robert Heinzer, Josiane Burkard, Veronika ­Elsener und CEO Carl Elsener von Victorinox zu sehen. www.fairnesspreis.ch www.victorinox.ch

Schluck für Schluck gesunden Veritee ist nach eigenen Angaben das erste Schweizer Getränk auf Basis reiner bioaktiver Substanzen, die zur Reinigung des Organis­ mus beitragen. Zudem ist dieses einzigartige, in Europa und den USA seit 2004 vertriebene Getränk aus der Schweiz reich an Vita­mi­ nen und Mineralstoffen. Veritee wurde von Forschern der Uni­ver­si­t­ ät Genf in Zusammenarbeit mit dem Pharmaunternehmen Roche entwickelt. Im Labor in Meyrin in der Nähe von Genf konnten die Forscher aus grünem Tee, Sternkieferrinde und Traubenkernen die bioaktiven Moleküle EGCG, Pinus Pinaster und Vitis Vinifera extra­ hieren. Die aktiven Wirkstoffe dieser drei gesundheitsfördernden Pflanzen werden in Basel gewonnen. Bei täglichem Genuss kräftigt Veritee gemäss dem Hersteller den Kreislauf, fördert das Gleich­ gewicht und verlangsamt die Alterung. www.veritee.ch/schweiz


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BIER

Immer mehr Brauereien Die Zahl der Brauereien in der Schweiz ist in den letz­ ten zehn Jahren massiv gewachsen, wie Ralf Schröder von der IG unabhängiger Klein- und Mittelbrauereien bestätigt. Die Organisation vertritt derzeit 22 Mitglie­ der. Insgesamt gibt es in der Schweiz schätzungsweise um die 200 Brauereien, darunter auch viele Kleinst- und Hobbybrauereien. Zum Vergleich: Vor 20 Jahren waren schweizweit nur etwa 30 Brauereien aktiv. www.bierig.ch


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Es braut sich etwas Gutes zusammen Sie heissen Wädi-Brau, Vollmond­ bier oder Trainingslager-Bier: Immer mehr Schweizerinnen und Schweizer trinken Bier von re­ gionalen Brauereien. Einige davon setzen auf die Karte Bio – und verbuchen schöne Erfolge damit. Fabrice Müller

Geht Wädi-Brau als Pionier durch? Aber ja doch: Denn die Wädi-Brau-Huus AG wurde vor 18 Jahren gegründet – und setzte vom ersten Tag an voll auf die Karte Bioproduktion. Das im Jahr nach der Grün­ dung 1992 in Wädenswil gebraute Bier war das ers­ te Schweizer Biobier überhaupt. Und das WädiBrau-Huus die erste Zürcher Gasthaus-Brauerei. «Wir verwenden ausschliesslich Rohstoffe aus ga­ rantiert biologischem Anbau und verzichten auf die heute üblichen Keller-Behandlungsmethoden wie Pasteurisation, thermische und chemische Stabili­ sierung sowie die Beschleunigung der Gärprozesse», sagt Geschäftsleiter Christian P. Weber. Dass ein Bier biologisch hergestellt wird, sei für ihn eine Selbst­ verständlichkeit. Doch Bio allein sei noch kein Ver­ kaufsargument: «Der Markt erwartet von uns her­ vorragende Produkte, ganz besonders, wenn sie als Biobiere deklariert sind.» Oftmals sei es jedoch schwierig, an die nötigen Rohstoffe in Bioqualität heranzukommen. Käsefondue mit Weizenbier    Zu den Spezialitäten

der Brauerei gehört beispielsweise das erste Weizen­ bier der Schweiz. 2002 wurde im Wädi-Brau-Huus zudem der erste Single-Malt-Whisky der Schweiz gebrannt. Und anlässlich der Destillata 2001 in Wien

gewann die Wädi-Brau mit ihrem Bier-Brand eine Goldmedaille und die Auszeichnung zum besten Edel-Brand Europas in der Schweiz; im Jahr 2002 er­folgte eine Auszeichnung mit zwei, und in den Jahren 2003 und 2004 mit je einer Goldmedaille. Neben den Bieren und anderen alkoholischen Innovationen bietet das Wädi-Brau-Huus auch ku­ linarische Spezialitäten auf dem Teller, oftmals kombiniert mit kulturellen Veranstaltungen. Au­ sserdem werden regelmässige Brauseminare durch­ geführt. «Unsere Kundschaft kommt vor allem aus der Region Zürichsee», so Christian P. Weber. Dazu gehören Privatpersonen, Gastronomen und auch der Detailhandel. Jüngst wurde die Brauerei mit dem Zertifikat «Aus der Region – für die Region» der Migros ausgezeichnet. Der Grossverteiler wird in Zusammenarbeit mit der Brauerei aus Wädenswil ein neues Produkt lancieren: Käsefondue mit Wei­ zenbier. «Wir arbeiten immer wieder an neuen Krea­tionen. Dabei setzen wir auf Vielfalt, nicht auf Volumen», so Weber. In Zu­ kunft soll die Brauerei für Spezialevents vergrössert werden. Bier aus dem Eichenfass

Auch im Appenzell wird Bier gebraut. Und was für eines. Man nehme ein altes überliefertes Rezept, braue nach jahrhundertealter Tradition und lagere das Ganze am Schluss während vier Mona­ ten in grossen Eichen­ fässern im Felsenkel­

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ler. Daraus ist ein Pro­dukt entstanden, das in den letzten Jahren fast vergessen ging, jedoch durch sei­ nen würzigen Geschmack besticht: das Appenzeller Holzfass-Bier der Brauerei Locher. Die eineinhalbjährige Entwicklung glich einem Hürdenlauf. Um nur ein Beispiel zu nennen: Ganz am Anfang stand die schwierige Suche nach alten Fässern, haben doch europaweit die meisten Brau­ ereien aus hygienetechnischen Gründen auf weni­ ger heikle Materialien wie Chromstahl und Alumi­ nium umgestellt. Nach altem Rezept wird nun für das Holzfass-Bier eine Mischung aus Pilsnermalz und Wienermalz verwendet. Die Atmung durch die Holzporen und der Austausch von Geschmacks­ stoffen mit dem Holz geben diesem Bier seinen be­ sonderen Charakter. Biologischer Vollmond    Über einen einzigartigen

Charakter verfügt auch das Vollmondbier, eine wei­ tere Spezialität der Brauerei Locher. Für das voll­ wertige Biobier kommen ausschliesslich Gersten­ malz und Hopfen aus kontrollierten ökologischen Landwirtschaftsbetrieben zum Einsatz. Die Schäd­ lingsbekämpfung erfolgt ohne chemische und syn­ thetische Dünge- und Pflanzenschutzmittel. Da­ durch fallen die Erträge zwar etwas geringer aus, die Qualität ist jedoch rein und frei von Schadstoffen. Seit über zehn Jahren arbeitet die Brauerei Lo­ cher mit biologischen Bieren. «Dies öffnete uns neue Kanäle zu Biopartnern in der ganzen Schweiz», so Geschäftsführer Raphael Locher. Seine Brauerei braut zum Beispiel die Naturperle von Coop. «Wir

IMPRESSUM ecoLife Das Schweizer Magazin für Nachhaltigkeit www.eco-life.info Verlag ProfilePublishing GmbH Pfadacher 5, 8623 Wetzikon Telefon 043 488 18 44 Fax 043 488 18 43 info@profilepublishing.ch Verlagsleiterin Karin Stich stich@profilepublishing.ch

Chefredaktor Reto Wüthrich +41 (0)79 414 69 48 reto.wuethrich@eco-life.info Mitarbeit an dieser Ausgabe Markus Binder David Eppenberger Nadia Fernandez Andreas Güntert Fabrice Müller Daniela Schwegler Vera Sohmer Patrizia Villiger (Lektorat) Illustration und Foto Maggi Wechsler Getty Images: Colin Anderson, Matt Armendariz, Jessica Boone,

sind in der glücklichen Lage, dass die Kunden zu uns kommen. Vor allem bei Gastro-Betrieben und Detaillisten, die bewusst auf «Bio» setzen, erfreuen sich unsere Biere einer grossen Nachfrage. Denn die Kunden sind heute bereit, für ein qualitativ hoch­ stehendes Bio-Bier auch etwas mehr zu bezahlen.» 210 Jahre Bierkultur    Die Brauerei Falken AG in

Schaffhausen gehört mit einem Getränkeverkauf von über zehn Millionen Litern zu den fünf grössten unabhängigen Schweizer Brauereien. Im Kanton Schaffhausen ist das Falkenbier seit bald 210 Jahren ein wichtiger Teil der regionalen Kultur. Mittler­ weile ist das Bier auch in den angrenzenden Regio­ nen Thurgau und Zürich etabliert. Die Brauerei be­ schäftigt 60 Mitarbeitende und wurde mit der BioKnospe sowie von «International Food Standard» (IFS) zertifiziert und erfüllt somit sämtliche Krite­ rien der Grossverteiler. So stellt die Brauerei Falken beispielsweise das Bio-Alkoholfrei-Bier von Coop Naturaplan her. «Wir sind stolz auf unsere Biobiere, auch wenn ihr Stellenwert für uns noch nicht so hoch ist», räumt Markus Höfler, der Marketing- und Verkaufsleiter, ein. Einen Namen hat sich die Brauerei unter ande­ rem mit dem «Trainingslager-Bier» während der Fussball-EM 2008 gemacht. Diese Erfolgsgeschich­ te soll nun mit einem Bier für die WM-Qualifikati­ on der Schweizer Nati fortgesetzt werden. «Wir wollen auf dem Biermarkt noch einiges bewegen. Die Ideen gehen uns sicher nicht aus.» www.falken.ch www.waedenswiler.ch, www.appenzellerbier.ch,

Foodcollection, Jupiterimages, Susan Seubert, Melanie Acevedo, Thomas Northcut, Roderick Chen, Christopher Stevenson, Foodcoll­ ection, Charles Schiller, Ellen Silverman, Sergio Pitamitz, Kate Whitaker, Koki Iino, Maren Caruso, De Agostini, EIGHTFISH, Alison Miksch, Stockbyte. Fotolia: unpict, Fotolia XI. iStockphoto: Tatiana Fuentes, Yulia Saponova, Leonid Nyshko, Snezana Negovanovic Inserate ProfileMedia AG Pfadacher 5, 8623 Wetzikon Tel. 043 488 18 55 Fax 043 488 18 43 admin@profilemedia.ch

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«Manchmal braucht es viel Sitzleder und gute Nerven» Dieser Mann sitzt auf einer Goldgrube: Seit vier ­Jahren leitet Martin Rohner die Geschäfte von ­ Max Havelaar in der Schweiz. In dieser Zeit erlebte der Markt mit Fair-Trade-Produkten einen Boom. Doch ganz reibungslos laufen die Geschäfte nicht. Rohner ortet noch viel Potenzial, das brachliegt. Interview: Reto Wüthrich

ecoLife: Seit kurzer Zeit gibt es im Internet Rezepte, die mehrheitlich mit Produkten mit Max-Havelaar-Label zubereitet werden können. Welches haben Sie schon ausprobiert? Martin Rohner: Am Wochenende habe ich das von Florina Manz kreierte HonigPouletbrüstchen mit Kartoffel-BananenGemüse ausprobiert. Es war lecker und einfacher zu kochen, als ich dachte. Kochen Sie gerne selber oder lassen Sie sich lieber bekochen? Eigentlich koche ich sehr gerne, wenn ich Zeit und Ruhe habe. Unter der Woche ist das leider nicht oft der Fall. Sind Sie dabei ein – entschuldigen Sie den Ausdruck – etwas pingeliger Esser, der exakt darüber wacht, dass auch wirklich nur Max-Havelaar- oder andere Fair-Trade-Produkte auf den Tisch kommen? Es ist tatsächlich so, dass ein Produkt mir besser schmeckt, wenn es auch fair ist. Und bei den Bananen gibt es für mich nichts anderes als die mit Max-HavelaarLabel. Sie leiten seit gut vier Jahren die Geschäfte von Max Havelaar. Welches sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Ent­wicklungen im Bereich «Fair Trade», die Sie in dieser Zeit allgemein beobachtet haben? Der Lohas-Trend, also Lifestyle of Health and Sustainability, ist nicht mehr aufzu­ halten. Immer mehr Konsumenten wün­ schen sich ein nachhaltiges Angebot. Ent­ sprechend springen immer mehr grosse internationale Firmen auf den Zug auf, etwa in diesem Jahr Cadbury oder Star­ bucks. Das ist gut, denn so können immer mehr Produzenten ihren Kakao oder ihren Kaffee zu fairen Preisen verkaufen und sind zudem in Fair-Trade-Kooperativen


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ein­gebunden, die ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen. Welches sehen Sie persönlich als Ihre wichtigsten Entscheidungen in diesen vier Jahren? International ist es mir gelungen, wichtige Impulse zur Stärkung des internationalen Fair-Trade-Systems zu geben. Schliesslich ist für unseren Erfolg nicht nur entschei­ dend, dass bei Max Havelaar alles gut läuft, sondern auch bei unserem Dachverband, der Fairtrade Labelling Organisation. Er setzt die Standards und unterstützt die Produzenten vor Ort. Und ihre Tochterge­ sellschaft FLO Cert ist für die unabhängige Kontrolle zuständig. In der Schweiz verfol­ gen wir seit einigen Jahren eine neue Markt­ strategie, die das bestehende Sortiment ausweiten und neue Kanäle erreichen will. Das ist einerseits ein Fokus auf Markenar­ tikel – in Ergänzung zu den bestehenden zahlreichen Eigenmarken – und auf den Bereich Gastronomie. Bei den Produkten wollen wir insbesondere bei den klassi­ schen Max-Havelaar-Produkten Kaffee und Kakao weiter wachsen. Hat sich Ihre Einstellung oder Wahrnehmung in Sachen Fair Trade in diesen vier Jahren bei Max Havelaar verändert? Ja. Ich habe viele Jahre in verschiedenen Bereichen der Entwicklungszusammen­ arbeit gearbeitet, aber kein Entwicklungs­ ansatz hat mich so überzeugt wie der faire Handel. Unser System ist extrem effizient und wirksam, da wir nicht mit grossen Strukturen und vielen ausländischen Be­ ratern vor Ort arbeiten. Bei Fair Trade ent­ scheiden die Produzenten selbst, denn sie wissen am besten, was sie für ihre Zukunft benötigen. Dieses Verhandeln auf Augen­ höhe motiviert sie und macht sie stolz, und das wiederum motiviert uns.

Als Sie Ihre Stelle antraten, wurden Sie als ausgewiesener Verhandlungs­ spezialist angekündigt. Wobei konnten Sie dieses Talent zuletzt ganz besonders einsetzen? In den letzten zwei Jahren war ich intensiv an der Strategic Review unserer Dachorga­ nisation FLO beteiligt. Ich bin auch Mitglied des Verwaltungsrates. FLO ist ein Verein, an dem zahlreiche Mitglieder beteiligt sind. Produzenten, Händler und Label-Initiati­ ven entscheiden gemeinsam über die nächsten Schritte. Das braucht manchmal viel Sitzleder und gute Nerven. Sind die Verhandlungen in der jüngsten Zeit – mit Seitenblick auf das grös­ sere Interesse an nachhaltigen Themen – einfacher geworden? Verhandlungen mit unseren Handelspart­ nern sind nie einfach, weil Fair Trade ein anspruchsvolles System ist und von allen Beteiligten viel verlangt. Oder anders aus­ gedrückt: Alle wollen alles, nur kosten darf es nichts. Da trennt sich die Spreu vom Weizen und man sieht schnell, welche ­F irmen es mit der Nachhaltigkeit ernst meinen. Anfang 2008 hat Max Havelaar ein neues Erscheinungsbild eingeführt, das auch die über 160 Handelspartner übernehmen mussten. Warum war dieser Schritt nötig? Weil der Handel zunehmend international läuft. Wir können von unseren internatio­ nalen Partnern nicht verlangen, dass sie extra für die Schweiz eigene Verpackun­ gen produzieren. Zudem vereinfacht es die Logistik bei den Frischwaren. Hat sich der Aufwand für die Einführung des neuen Logos bereits ausbezahlt? Ja, denn wir können uns nun zum Beispiel viel glaubwürdiger an Verhandlungen mit

internationalen Marktpartnern beteiligen. Wir sind auch glücklich und ein wenig stolz, dass sich das neue internationale Logo so rasch in den Köpfen der Schweizerinnen und Schweizer etablieren konnte. Sie sprechen den jüngst publizierten «Brand Asset Valutor» von Young & Rubicam an, der auswies, dass Max ­Havelaar zu den bekanntesten Marken­ namen der Schweiz zählt. Nur mit dem Logo allein lässt sich das aber kaum begründen. Wie erklären Sie sich zum Beispiel den hohen Bekanntheits­grad von fast 80 Prozent? Neben einer guten Kommunikationsstra­ tegie spielt eine grosse Rolle, dass Coop und Migros seit 17 Jahren auf das Max-Ha­ velaar-Label setzen und ihr Engagement auch kommunizieren. Dadurch haben wir eine enorme Breite erreicht. Und für ein Fair-Trade-Produkt noch wichtiger: Die Vertrauensrate liegt laut der Studie bei 83 Prozent. Welches sind die wichtigsten Eckpfeiler, um Vertrauen zu schaffen?

Martin Rohner ... ... ist seit Oktober 2005 Geschäftsleiter der Max Have­laar-Stiftung (Schweiz). Der 43-Jährige verfügte schon damals über langjährige Erfahrung in der wirt­ schaftlichen Entwicklungszusammen­ arbeit. Er leitete davor beim Staatsse­ kretariat für Wirtschaft (Seco) das Res­ sort multilaterale Finanzinstitutionen. Vorher war Rohner drei Jahre in Washing­ ton tätig, u. a. als Berater des Schweizer Exekutivdirektors der Weltbank. Zu Be­ ginn seiner Karriere arbeitete er wäh­ rend dreier Jahre als Projektmanager bei der Cross­air.


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Keine Skandale, eine glaubwürdige Kom­ munikation, ein glaubwürdiges Manage­ ment. Zufrieden mit 83 Prozent? Ja sehr. Allen kann man es schliesslich nie recht machen. Aber die Umsätze könnten besser sein ... Welches sind denn Ihre wichtigsten Umsatzträger? Bananen und Rosen, gefolgt von Oran­ gensaft und Kaffee. Detailhandel oder Gastronomie: Welcher Markt entwickelt sich aus Sicht von Max Havelaar besser? Im Moment wachsen wir stärker in der Gastronomie. Dies ist ein Markt, den wir erst seit ein paar Jahren aktiv bearbeiten. Im Detailhandel sind aber auch einige Pro­ jekte am Laufen. Was können Sie tun, um die Max-Have­ laar-Produkte noch besser zu po­sitio­ nieren oder zu vermarkten? Einerseits müssen wir unsere Dienstleis­ tungen noch besser auf die Bedürfnisse des Handels abstimmen, andrerseits wol­ len wir mit neuen Kommunikationsaktivi­

täten noch mehr Menschen erreichen. Aktionen wie «Fairtrade Breakfast» wer­ den nächstes Jahr ausgebaut. Der Markt mit Fair-Trade-Produkten wächst. Dass der Umsatz mit MaxHave­laar-Produkten wächst, ist also selbstverständlich. Oder nicht? Dies stimmt international, wo das Wachs­ tum 2008 bei 21 Prozent lag. In der Schweiz wachsen wir seit ein paar Jahren nur noch leicht. Wir sind aber überzeugt, dass auch in der Schweiz noch ein grosses Potenzial da wäre. Handel und Gastronomie müssen sich neu für Fair-Trade entscheiden und mit uns zusammen neue Schritte wagen. Welche Entwicklung erwarten Sie mit­ telfristig? Dies hängt sehr davon ab, wie sich die der­ zeit laufenden Projekte entwickeln. Je nach­dem kann es plötzlich schnell gehen. Prognosen sind aber sehr schwierig, da die Entscheide nicht von uns, sondern vom Handel gefällt werden. Der Handel bestimmt auch, in welcher Qualitätsspan­ ne ein Produkt auf den Markt kommt, wie die Verpackung aussieht oder wie das Pro­ dukt am Verkaufspunkt positioniert ist. Wer profitiert vom Umsatzwachstum am meisten? Vom steigenden Absatz von Fair-TradeArtikeln profitieren die Bauern und Arbei­ tenden in den Produktionsländern. Wenn sie mehr in den Fair-Trade-Kanal verkau­

fen können, bekommen sie in der Regel bessere Preise sowie eine Prämie für drin­ gend benötigte Investitionen etwa für Trinkwasser, Schulhäuser, medizinische Ver­sorgung oder Umweltprojekte. Wo sehen Sie mittelfristig die Schwerpunkte, allenfalls auch neue? Heute haben wir einen Marktanteil bei den Bananen und Schnittblumen von über 50 Prozent. Bei den entwicklungspo­ litisch wichtigen Produkten Kaffee, Kakao und Baumwolle sind wir teilweise noch weit unter 5 Prozent. Hier wollen wir Gas geben und unsere Marktpartner für die Rolle, die sie spielen könnten, sensibilisie­ ren. Schliesslich gibt es bei diesen Pro­ dukten auch eine interessante Marktlü­ cke zu füllen ... Geht die Wirtschaftskrise an Max ­Havelaar spurlos vorbei? Nein, leider nicht. Wir spüren einen Rück­ gang bei den Blumen, der aber auch sai­ sonbedingt ist. Grundsätzlich bin ich aber zuversichtlich, dass der Trend zu mehr Nachhaltigkeit weitergeht. Was werden Sie nach diesem Interview als Nächstes essen? (schmunzelt) Ich werde mir im Büro einen fairen Kaffee gönnen und vielleicht ein Max-Havelaar-zertifiziertes Schoggi-Bran­ chli dazu.


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