Holz 201306 first01 issuu

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Bauen und leben mit Holz

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Symbiosen am Bau Holzbauten des Japaners Shigeru Ban


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Die längste freigespannte Holzbogenbrücke der Schweiz verbindet ab Sommer 2013 Burgdorf mit Kirchberg. Sie dient aber auch als Zugang zum Festgelände des Eidgenössischen Schwing- und Älplerfestes.

WohnKultur

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Irgendwie fremd und doch passt sich der Kubus ins Landschaftsbild ein. Das Chalet «Haus Bergfrieden», von Prix Lignum 2012 mit einer Anerkennung ausgezeichnet, begeistert als Spannungsfeld in Stil und Form.

lebenSrAum

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Japans Stararchitekt, Shigeru Ban, baut überall spektakuläre Bauten wie das Centre Pompidou im französischen Metz (Titelbild). Auch in Zürich mit dem Neubau des Medienkonzerns Tamedia. Und schon plant er das nächste Schweizer Grossprojekt. Für Swatch in Biel. Wieder mit Holz.

Stil.Form

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Der Werkstoff Holz bietet wie kaum ein anderes Naturmaterial fast unbegrenzte Anwendungs- und Verarbeitungsmöglichkeiten. Von Schönheiten und Skurrilitäten: eine Entdeckungsreise.

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Im aargauischen Mellingen entsteht die grösste nachhaltige Siedlung der Schweiz. «Neugrüen» wird komplett in Holzbauweise erstellt.

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Federico Pagnamenta aus dem Tessin ist Holzbauer durch und durch. Das Unternehmen seiner Familie wurde kürzlich mit dem Holzbau-Plus-Label ausgezeichnet.

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Liebe Leserinnen und Leser Symbiose (griech. syn / sym, zusammen; bios, Leben) bezeichnet die Vergesellschaftung von Individuen unterschiedlicher Arten, die für beide Partner vorteilhaft ist. Für mich persönlich steht Symbiose dafür, den Menschen mit dem wertvollen und einfach zu gewinnenden Baustoff Holz zusammenzubringen. Aus ihm können wir fast alles für ein ganz persönliches Wohlfühlen herstellen. Als lebendiger Baustoff ist und bleibt Holz einer der robustesten und langlebigsten überhaupt. Er kann mit Wasser, Feuer, Wind und Kälte besser umgehen als fast jeder andere «tote» Baustoff. Symbiose ist für mich aber vor allem auch die Zusammenführung von Mensch und Holz zu einer harmonischen Lebens- und Wohlfühlatmosphäre. Passend für das Zeitalter des Energiesparens bietet Holz entscheidende Werkstoffvorteile. Lassen Sie sich auf den folgenden Seiten von der enormen Vielfältigkeit im Holzbau überraschen und begeistern.

Hans Rupli, Verband Holzbau Schweiz


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Natur mit Struktur Ein Holz-Hybridbausystem für mehrgeschossige Gebäude mit bis zu 30 Stockwerken und 100 Metern Höhe, welches einen minimierten Ressourcen- und Energieeinsatz im gesamten Lebenszyklus garantiert: Das ist das LCT-System. Das erste Ergebnis aus dieser Idee der individuellen Industriali­sierung ist der LifeCycle Tower in Dornbirn, Vorarlberg. In einem Life­Cycle Tower sind bereits wesentliche Elemente der Haustechnik enthalten. Da das System über keine tragenden Trennwände verfügt, ist es sehr flexibel und erlaubt eine individuelle Raumaufteilung. Darüber hinaus können die LCTSystemkomponenten von vielen Unternehmen hergestellt ­werden und bieten beste Chancen für das regionale Handwerk und die Holzwirtschaft. creebyrhomberg.com

Käpt’n Ahoi Die absolute Hingucker-Wanne des niederländischen Designers Thomas Linssen eignet sich für alle schöngeistigen Badewannenkapitäne. Der Gestalter – ein Absolvent der Designschmiede von Eindhoven – schuf ein Objekt, das weit über den Charakter einer Wanne hinausgeht, man könnte auch sagen, er designte ­ einen Thron für Wasserratten. In den Rahmen von «Bathtub» aus amerikanischer Eiche wird ein Verbundstoff aus Marmor und Polyester gegossen. Beim Befüllen des schiffähnlichen Objekts mit Wasser formt sich dieser entsprechend dem ­Wasserdruck und härtet an die Streben gelehnt aus. Die Wanne misst 188 × 87 × 84 cm. studiothol.nl

Schutzholz Alle, die es gern ein bisschen exklusiver haben und auf Holz stehen, können sich mit dem ­Cover «Mk2» von Miniot aus Holland abheben. Der Anschluss ans Pad funktioniert magnetisch, Wach- und Schlafmodus des Geräts werden beim Abdecken aktiviert, und eingerollt verhilft das «Mk2» dem Tablet zu guter Standfestigkeit, indem es ihm den Rücken stützt. Das Cover, auf Wunsch auch mit Gravur erhältlich, gibt es in verschiedenen Holzarten, jedes Stück ist ein Unikat und beim Holzeinkauf geht man behutsam mit den Quellen um. miniot.com

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RUNDHERUM Alle 30 Sekunden wird auf diesem Planeten ein Buch publiziert. Von jedem werden im Schnitt 5000 Stück gedruckt. Grund genug für den Architekten David A. Garcia, sich mit der Gattung des Bücherregals auseinanderzusetzen. «Archive II», das Ergebnis seiner Überlegungen, ist ein Regal, das einem riesigen Rad gleicht und dazu einlädt, sich zum Zwecke der Lektüre in sein Rund zu legen. davidgarciastudio.blogspot.com

Zauberhaftes Walserdorf Mit seinen dunklen Holzhäusern passt das Tessiner Dorf Bosco Gurin, in dem ein deutscher Dialekt gesprochen wird, gar nicht ins Bild der typischen ­Dörfer dieser Region. Der Grund: Im Mittelalter siedelten sich hier Walser an. Sie möchten mehr erfahren? Folgen Sie ihren Spuren auf dem Sentiere di Pietra, dem einstündigen Rundgang durch das Dorf. bosco-gurin.ch/de

Weltweit höchster AUSSICHTSTURM AUS HOLZ Der rekordhohe Holzturm auf dem 851 Meter hohen Pyramidenkogel steht dem Publikum ab sofort offen. Er soll künftig jedes Jahr mehr als 100  0 00 Besuchern einen einmaligen Blick über Kärntens Seen und Berge ermöglichen. Die vom Klagenfurter ­Architektenbüro Klaura Kaden & Partner entwickelte Turmkonstruktion besteht aus 16 mächtigen, elliptisch angeordneten Lärchen-Leimholzstützen, ausgesteift durch zehn elliptische Stahlringe und 80 Diagonalstreben, und schraubt sich spiralförmig in den Himmel über dem Wörthersee. pyramidenkogel.info


BAUWERK

SHIGERU BAN – JAPANS BESTER Mitten in Zürich ein Gebäude aus Holz. Darf man das? «Passt nicht», sagen die einen. «Zu wenig urban», warnen die andern. Weil alle glauben, dass alle so denken, versucht es niemand. Doch dann kommt plötzlich einer von draussen, von sehr weit draussen. Er heisst Shigeru Ban, führt Architekturbüros in ...

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... Tokio, New York und Paris und zählt zu den Stararchitekten der Welt. Shigeru Ban schlägt also dem Medienkonzern Tamedia in Zürich einen Holzbau vor, überzeugt den Bauherrn, dann die Baubehörden und schliesslich sogar die Feuerpolizei. Und jetzt ist es da – das Wunder von Zürich. Text Urs Thaler

Das Verlagshaus Tamedia hat seinen Stammsitz mitten in Zürich. Das Areal, auf dem sich die vielen Gebäude des Unternehmens befinden, bildet ein Dreieck, das von der Werdstrasse, Stauffacherstrasse und der Sihl umschlossen wird. An der Nordspitze des Areals befinden sich drei Gebäude, die ursprünglich einmal Wohnhäuser waren. Doch aus den Wohnungen sind längst Büros geworden – verwinkelte und eher kleine Büros allerdings, die den heutigen Bedürfnissen eines Medienhauses nicht mehr genügten. Also entschieden die Verantwortlichen der Tamedia, die drei Gebäude abzu­brechen. Drei Ziele peilte Verwaltungsratspräsident Pietro Supino mit dem Neubau an: erstens attraktive Arbeitsplätze schaffen, wo sich die Mitarbeitenden wohlfühlen; zweitens ein nachhaltiges Konzept für das neue Gebäude entwickeln, welches das gesamte Areal aufwertet; und drittens trotz hoher qualitativer Anforderungen den Neubau mit vernünftigem Mitteleinsatz realisieren. War’s das? Nein, natürlich nicht. Supino hatte noch ein wei­teres Ziel: Er wollte den Architekten Shigeru Ban erstmals in der Schweiz bauen lassen. Dem Zürcher Verleger war ein Haus aufgefallen, das der Japaner in New York auf Long Island gebaut hatte – das Sagaponac House. Es gehört in die Reihe der so genannten Furniture Houses, die Shigeru Ban bislang vor allem in Japan gebaut hat. Der Architekt hatte bei den häufigen Erdbeben in seinem Heimatland festgestellt, dass immer wieder Menschen durch umstürzende Möbelstücke schwer verletzt oder gar getötet wurden. Also machte er die Möbel zu konstruktiven Elementen des Hauses und verankerte sie fest in die tragenden Wände. Damit war die Gefahr herumfliegender Schränke und Gestelle gebannt. Man sieht: Der Japaner ist ein praktisch veranlagter Mensch.

ANDERS ALS DIE ANDERENN Und Shigeru Ban ist wie viele Japaner auch ein zurückhaltender Mann, ruhig, höflich, bescheiden. Er ist einer, der aus den kleinen Er-

fahrungen des Lebens Grosses entstehen lassen kann. Ban erzählt aus seiner Kindheit in Tokio: «Meine Eltern bauten ihr Haus mehrmals um, und so kam es mir vor, als wäre ständig ein Schreiner im Haus. Als Kind habe ich dann die Holzabfälle gesammelt, um daraus etwas zu basteln, eine Spielzeugeisenbahn oder ein Haus.» Diese simplen Erfahrungen lehrten den Japaner, dass sich auch mit Reststoffen und Abfällen etwas Sinnvolles machen lässt – sofern man kreativ genug ist. Bans Architektur ist ohne Zweifel kreativ und ungewöhnlich. Sie zeichnet sich durch eine unprätentiöse Nachhaltigkeit aus, die sich bei ihm ganz ungezwungen einstellt. Sie wirkt so, als sei sie schon immer da gewesen, aber irgendwann bei vielen Menschen einfach vergessen gegangen. Doch Shigeru Ban holt das Vergessene und Verlorene wieder hervor, indem er auf ungewöhnliche Baumaterialien wie Lehm, Karton, Papier und Textilien setzt. Oder auf unterschätzte Baumaterialien wie Holz, das er dann jedoch wagemutiger einsetzt als alle andern Architekten. Fast alle Architekturkritiker und Journalisten halten den Japaner für einen umweltbewussten Architekten, der mit der Verwendung von

Papier und Karton für temporäre Bauten und von Holz für langlebige Gebäude eine «grüne Strategie» verfolge. Shigeru Ban lächelt nur über solche Interpretationen. Er verspürt als Architekt keinerlei politische Sendung. «Ich habe einfach Interesse an unbehandelten, kostengünstigen Materialien», sagt er. Und Holz liebe er für seine Schönheit: «Es riecht so wunderbar. Als ich ein Kind war, wollte ich Schreiner werden.»

EIN STARKES DUO Christoph Zimmer, der bei Tamedia Projektleiter für den Neubau verantwortlich ist, erzählt, dass der Medienkonzern dem Japaner keinerlei Vorgaben über die Baumaterialien gemacht habe: «Es ist nicht so, dass wir uns explizit einen Holzbau gewünscht haben.» Solange Ban innerhalb des Budgets blieb, hätte er auch einen Bau aus Backstein, Beton, Glas oder Stahl vorschlagen können. Doch rasch zeigte sich, worauf der Japaner hinauswollte. Denn bereits bei der ersten Präsentation seines Entwurfes brachte er einen Schweizer mit – Hermann Blumer aus Herisau. Mit diesem erfahrenen ETH-Ingenieur hatte der Japaner schon Holzbauprojekte verwirklicht, die unter Baufachleuten schlicht als unrealisierbar galten. So etwa im französischen Metz.

Zahlen und Fakten zum Tamedia-Holzhaus Siebengeschossiges Bürogebäude mit rund 440 Arbeitsplätzen für Verlag und Redaktion (inkl. Teilprojekt Aufstockung Stauffacherquai 8) Nutzfläche: 10 255 m 2 (Bruttogeschossfläche inkl. Teilprojekt Aufstockung Stauffacherquai 8) Baukosten: rund 50 Mio. Franken (inkl. Teilprojekt Aufstockung Stauffacherquai 8) Bauzeit: Februar 2011 bis Mai 2013 Verbaute Holzmenge: 3600 Fichten mit einem Gesamtgewicht von 2800 Tonnen (diese Holzmenge wächst in den Schweizer Wäldern in einem Tag nach) Tragwerk aus 1400 vorgefertigten Holzbauelementen, die in Rahmenbauweise erstellt und zusammengesteckt wurden (von hinten nach vorn und nicht von unten nach oben) Jeder der insgesamt acht Holzrahmen wiegt 18 Tonnen und hat fast 25 Meter hohe Stützen, die vom Erdgeschoss bis zum Dachgeschoss durchlaufen. Fast ausschliesslich Holz-Holz-Verbindungen ohne Metallverstärkungen

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Mehr dazu in der aktuellen Ausgabe.


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