ICT 01/2010

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Nr. 1 I März 2010 4. Jahrgang CHF 9.60

CYBERKRIMINALITÄT –
 Wie Datenklau verhindert werden kann Seite 8 DER CIO ALS TRANSFORMATIONSMANAGER – Mehr Leistung trotz gekürztem Budget Seite 10 RISIKOMANAGEMENT –
 Brutale Schwachstellen beheben Seite 28 WEB 2.0 BEI BANKEN UND VERSICHERUNGEN –
 Viele sind dem mobilen Trend auf der Spur Seite 33


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Inhaltsverzeichnis

8

Menschen verursachen Datenklau

28

Finanzkrise, Risikomanagement und ICT

5 Editorial

TITELSTORY 8 Schlüsselfaktor HR-Management I In Krisenzeiten nehmen die Wirtschaftsdelikte zu

ICT Management 10 Herausforderungen als Chancen nutzen I Der Chief Information Officer muss zwischen Business und IT vermitteln können 12 Agieren statt Reagieren I Die Budgets sind gekürzt worden, der CIO muss aber mehr liefern. Hilft konsequentes IT-Planning? 14 Die richtigen Spezialisten rekrutieren! I Datensicherheit und Reputation hängen entscheidend von der Rekrutierung der richtigen Leute ab

banking & insurance 15 ICT Verbessert den Kundenservice I Im Zeitalter der Performance after Tax gilt es die Kundenbindung zu erhöhen

10

Der CIO als BusinessExperte

15

ICT zur besseren Kundenpflege einsetzen!

33

Sozioökonomischer Marktplatz «Web 2.0»

34

Dubai. ein Minenfeld für Software-Anbieter?

18 Mass Customization ist Trumpf I Das Internet und Web 2.0 lösen Gegensätze auf und ermöglichen die Individualisierung des Retailkunden 20 Schutz gegen Debitorenverluste I Ein Frühwarnsystem soll CashflowProbleme bei Kunden anzeigen

financeforum 22 Dringender Handlungsbedarf I Die Finanzindustrie droht in der Datenflut zu ersticken

@ Analyse 28 Brutale Schwachstellen I Spitzenbanker wollen aus den schmerzlichen Erfahrungen Lehren ziehen

TECHNOLOGY REPORT 30 Mobile Apps: Chance zur Differenzierung I Das Handy bietet für die Assekuranz ein enormes Potenzial 31 Offert-Tools für Prämienrechner? I Schweizer Versicherungen tun sich schwer mit dem Online-Marketing

32 Umdenken! I Viele sind dem mobilen Trend bereits auf der Spur 33 Web 2.0 im Private Banking I Die Auswirkungen moderner Internetdienste auf den Beratungsprozess

Business Solutions 34 Minenfeld Dubai I Kernbankensoftware-Anbieter am Persischen Golf 36 Scharia-konforme IT-Architektur I Interview mit dem Chief Information Officer der Dubai Bank

short News 6 Top 6 I Wichtige Firmennews kurz zusammengefasst 7 Top 6 I Interessante Wechsel im Management 38 AdvoCatus Diaboli I Ein CIO mit unternehmerischem Denken? 38 Impressum

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Nutzen Sie das grenzübergreifende Networkingkonzept Treffpunkt der Finanzelite

Finance Forum Germany – Wiesbaden

8./9. Juni 2010 Finance Summit – Genf

28. September 2010 Finance Forum – Zürich

2./3. November 2010

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EDITORIAL

Das Zeitalter der leistungsorientierten «Per­formance after Tax» ist angebrochen: Jetzt geht es darum, die Anlagerenditen für die Kunden zu steigern. Dies ist ohne moderne Beratungstools nicht mehr zu bewältigen. Das Internet und Web 2.0 haben einen Kulturwandel eingeleitet, der nicht mehr aufzuhalten ist. Web 2.0 wird die Finanzwirtschaft revolutionieren: Die Web-Benutzer und damit auch die Kundschaft von Banken und Ver­ sicherungen erstellen und bearbeiten Inhalte in quantitativ und qualitativ entschei­ dendem Masse selbst. Dies bietet ein enormes Potenzial für die Verbesserung der Kundenpflege. Repräsentative Kundenumfragen und -rückmeldungen werden zur kostengünstigen Routine. Dies wie­derum wird die Beratungsqualität deutlich steigern.

Brigitte Strebel-Aerni

AUS DER NOT EINE TUGEND MACHEN Krisenzeiten führen zu Frustrationen, wenn Restrukturierungen unvermeidlich gewor­ den sind. Frustriertes Personal ist anfällig auf Datenklau. Andererseits gilt: Je motivierter die Mitarbeiter und je höher die Corporate Identity, desto geringer die kriminelle Energie. Zweifellos ist in schwierigen Zeiten die Unternehmens- und die Personalführung gefordert. Es geht auch um den verantwortungsvollen bewussten Umgang mit den Unternehmensinformationen. Datensicherheit und Reputation hängen entscheidend von der Rekrutierung der richtigen Leute ab. Solange die moderne ICT von Menschen eingesetzt wird, bleiben Bankgeheimnis und Schutz der Privatsphäre verwundbar. Weil neben dem Kapital die mo­derne Informationstechnologie zum wichtigsten Produktionsfaktor der Finanzindustrie ge­ worden ist, kann niemand mehr auf deren

Einsatz verzichten. Also gilt es vorwärts zu blicken und die neuen Möglichkeiten der ICT zu nutzen. Und diese Möglichkeiten sind enorm. Der rasante technologische Wandel fordert die Finanzindustrie noch stärker als bisher. Der Chief Information Officer mutiert zum eigentlichen Business-Experten und Transaktionsmanager. Seine Position wird matchentscheidend, wenn es darum geht, einerseits die Datenflut zu kanalisieren, rechtzeitig und richtig auszuwerten und andererseits ein Höchstmass an Privacy zu bewahren. Und dies in Zeiten gekürzter Budgets und steigender Leistungsansprüche! Je stärker das Bankgeheimnis gelockert wird, desto wichtiger wird der Einsatz der ICT im Dienste des Customer Relationship und des Client Retention Management.

Vielleicht ist es wirklich besser, den direk­ ten Zugang zum EU-Raum durch ein neues Dienstleistungsabkommen zu verbessern, statt auf einem restriktiven Bank­­kundengeheimnis zu beharren. Denn dieses könnte sich in Zukunft womöglich gar als Hindernis und Bumerang in der Bearbeitung ausländischer Märkte erwei­ sen. Die rasante Entwicklung internetbasierter Informations- und Kommunikationssysteme hat nämlich weit reichende politische, gesellschaftliche und wirt­ schaft­liche Auswirkungen. Interaktive und kollaborative Nutzungsarten des World Wide Web erzwingen die Anwendung neuer Geschäftsmodelle. Also gilt es aus der gegenwärtigen Not eine Tugend zu machen!

Brigitte Strebel-Aerni Chefredaktorin

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short News

Top 6 Die am häufigsten angeklickten Firmennews auf Moneycab.com Avaloq gewinnt LGT Deutschland und Singapur

Avaloq-CEO Francisco Fernandez

Avaloq tritt in den deutschen Markt ein: Seit dem 1. Januar setzt die international tätige Wealth und Asset Management Gruppe LGT das Avaloq Banking System als erste Bank überhaupt in Deutschland ein. Zudem kommt die Soft­ware des Schweizer Marktführers neu auch in Singapur zum Einsatz. Francisco Fernandez, CEO der Avaloq Evolution AG, erklärt dazu: «Die LGT Group setzt als erste Bank in Deutschland auf eines der innovativsten Systeme im Umfeld der Bankensoftware.»

Center of Excellence für Informationssicherheit Teradata hat ein eigenes Zentrum für die Gewährleistung der Datensicherheit und des Datenschutzes eingerichtet. Das Information Security Center of Excellence (InfoSec COE) hilft Unternehmen, diejenigen Risiken zu bewältigen, die aus der Speicherung sensibler Daten, wachsen­den Datenmengen und strengeren Compliance-Vorgaben erwachsen. «Bei den Kunden wächst das Sicher­heits­bewusst­sein», sagt Hermann Wimmer, President, Europe, Middle East and Africa, Teradata.

Centrum Bank AG setzt auf Appway Numcom Software AG, ein stark ex­pan­ dieren­des Schweizer Softwareunternehmen und An­bie­ter von Appway hat die Centrum Bank (Schweiz) AG als Kunden gewinnen können. Als erste Applikation konnte 3 Monate nach Auftragserteilung die prozessorientierte Prospect/CRMAp­pli­kation live gehen. Anfang Januar 2010 wurde der geführte Neukunden-Eröffnungsprozess und die darin eingeschlossene, automatisierte Vertragserstellung in Betrieb genommen. Zu den wei­teren geplanten Prozessen gehören: jährlicher PEP-Check, Zahlungsverkehrsanweisungen und HR-Prozesse. Appway ermöglicht der Centrum Bank (Schweiz) AG, ihren über 20 Mitarbeitern individuelle Front Office-Prozesse auf standardisierte Backoffice-Systeme von Finaclear anzubieten. Die Lösung wird im ASPHosting von Finaclear betrieben.

Hermann Wimmer, President, Europe, Middle East and Africa, Teradata

Finter Bank wechselt von Isys auf SunGard Apsys SunGard hat seinem Genfer Konkurrenten Isys Bank­ing Software einen Kunden weg­ geschnappt. Die SunGard-CEO Finter Bank Zürich Cristobal Conde hat die Migration auf SunGards «Ambit Apsys»-Privatbankensoftware durchgeführt. Sie benötigte eine neue Lösung, die sich für mehrere Niederlassungen einigte und ein einheitliches Management der Kunden erlaubte. Als Folge der Übernahme der Bank Hugo Kahn musste man zudem mehrere Systeme konsolidieren. Die Finter Bank hatte sich das Ziel gesetzt, die neue Software in sechs bis sieben Monaten zu implementieren, was offensichtlich gelungen ist.

Saxo Bank (Schweiz) AG wählt green.ch Saxo Bank (Schweiz) AG, die global tätige Schweizer Online-Trading-Bank, hat green.ch als Operator ihres Schweizer IT-Datacenters gewählt. Die Wahl des Spezialisten für Online-Wertpapierhandel und Investments fiel vor allem deshalb auf green.ch, weil das Brugger Unternehmen Zuverlässigkeit, Flexibilität und «time to market» anbieten und dabei die volle Breite an Datacenter Services auf höchstem professionellem Niveau (u. a. Zertifizierungen Iso 27001 und FINMA) garantieren konnte.

Franz Grüter, CEO von green.ch

Korrigenda: Verwechselte Fotos Leider hat sich in Ausgabe «ICT in Finance» Nr. 4/2009 ein Fehler eingeschlichen. Das Foto von Matthias Heubi, CEO UPTIME services AG wurde mit jenem von Ralph Lewin, Verwaltungsratspräsident der Bank Coop ver­wechselt. Die Redaktion entschuldigt sich dafür.

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Ralph Lewin neuer VRP Bank Coop

Matthias Heubi CEO UPTIME services AG


short News

Top 6 Die am häufigsten angeklickten Personen auf Moneycab.com Roger Hofstetter neuer CEO der Genotec AG

Roger Hofstetter

Simon Jenny, langjähriger Partner und Mitbegründer des Internet-Service-Providers Genotec AG, übergibt seine Position als Chief Executive Officer an COO Roger Hofstet­ter. Dieser übernimmt ab sofort die alleinige operative Leitung des Unternehmens. Durch die Veränderungen an der Spitze soll die nächste Runde der Unternehmensexpansion eingeleitet werden. Simon Jenny wird weiter als Verwaltungsratsmitglied tätig sein und sich zukünftig neuen Aufgabe zuwenden, die im strategischen Bereich positioniert sind.

Chief Talent, Branding and communictions officer Die Credit Suisse (CS) hat mit Pamela Thomas-Graham einen Chief Talent, Branding and Communications Officer ernannt. In dieser neu geschaffenen Position wird sie bei der CS weltweit verantwortlich sein für das Personalwesen, die Unternehmenskommunikation, die Markenführung und die Werbung. Pamela Thomas-Graham wird zudem Mitglied der Geschäftsleitung der Credit Suisse Group und der Credit Suisse. Sie nahm ihre Arbeit am 11. Januar 2010 auf und rapportiert an Brady Dougan, Chief Executive Officer.

Adolf Real neuer Präsident beim Liechtensteinischen Bankenverband Der Liechtensteinische Bankenverband hat Adolf Real, früherer Chef der VP Bank, zum Prä- Adolf Real, sidenten ernannt. neuer Präsident Liechtensteinischer Eine ausserordent- Bankenverband liche Generalversammlung wählte ihn zum Nachfolger von Thomas Piske, der den Verband ad interim präsidierte. Mit Real ist erstmals ein Präsident an der Spitze des Verbandes, der nicht einer Mitgliedsbank vorsteht. Bisher hatten jeweils die Chefs der drei grossen Banken im Rotationsprinzip die Präsidentschaft inne. Das Amt des Vizepräsidenten wird wie bisher im Rotationsprinzip von einem Banken-CEO ausgeübt.

Pamela ThomasGraham, neues GL-Mitglied bei Credit Suisse

IBM Schweiz: Isabelle Welton neuer Country General Manager Isabelle Welton hat als Country General Manager den Vorsitz der Geschäftsleitung der IBM Schweiz übernommen. Die 46Übernimmt die Jährige leitete bis Leitung von IBM zu ihrer Berufung Schweiz: Isabelle die Marketing- und Welton Kommunikationsabteilungen der IBM in der Schweiz und in Österreich. Schon zuvor hatte sie verschiedene Führungspositionen in der Europaorganisation der IBM inne und war von 2004 bis 2007 Mitglied der Geschäftsleitung der IBM Schweiz. Zuvor arbeitete sie bei Zurich Financial Services als Mitglied der Direktion für die weltweite externe Kommunikation

Swiss Life: neuer Chief Risk Officer Die Swiss Life Holding AG hat Matthias Aellig zum neuen Chief Risk Officer der Gruppe ernannt. Er wird für das Risikomanagement, die Compliance und das Aktuariat der Gruppe verantwortlich zeichnen und an den CFO der Gruppe rapportieren. Aellig, der das Amt im zweiten Quartal 2010 übernehmen wird, ist 38 Jahre alt und von Hause aus promovierter Physiker. Er arbeitete unter anderem als Berater bei McKinsey & Company, als Chefaktuar Leben der Winterthur Group und zuletzt als Chefaktuar bei Zurich Leben.

Matthias Aellig, CRO Swiss Life

solidinvest mit neuer geschäftsleitung

Walter Thoma

Walter Thoma übernimmt von Robert Lebrecht die Geschäftsführung von Solidinvest. Er war von 2003 bis 2009 als Mitglied der Gruppenleitung für das Private Banking der Vontobel Gruppe verantwortlich. Zuvor bekleidete er Führungspositionen auf Direktionsebene bei Julius Bär und Clariden Leu. Solidinvest will mit diesem Schritt neue Marktchancen nutzen und im Heimmarkt Schweiz sowie ausgewählten Märkten in Europa und Südamerika ihr gesundes und stabiles Wachstum fortsetzen.

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TITELSTORY

Was tun gegen Cyber-Kriminalität?

Schlüsselfaktor HR-Management Text Beat Hochuli*

In Krisenzeiten nehmen die Wirtschaftsdelikte zu – generell, via Internet, aber auch über die unternehmensinterne Informatik. Vor allem die Finanzdienstleister sind davon betroffen.

Bei einem globalen Wirtschaftsabschwung leiden zahlreiche Unternehmen unter einer Verschlechterung ihrer finanziellen Situation. In der Schweiz waren 2009 56 Prozent der Firmen davon betroffen. Dies geht aus der jüngsten Studie des Marktforschungsunternehmens PricewaterhouseCoopers hervor. Laut dem «Global Economic Crime Survey 2009» führt diese Situation dazu, dass die Firmen schwierige Entscheidungen treffen müssen, «zum Beispiel Kündigungen aussprechen, um eine kurzfristige Erholung und Stabilisierung herbeizuführen und ihr mittelfristiges Wachstum zu sichern. Diese Entwicklung führt zu Veränderungen in den Unternehmen selber sowie zur Destabilisierung des Umfelds, was eine Zunahme von Wirtschaftskriminalität mit sich bringen kann», wie PricewaterhouseCoopers in ihrem Bericht schreibt. Hohe Dunkelziffer Dass vor allem die Finanzdienstleister ver­ mehrt Betrugsaktivitäten und -versuchen ausgesetzt sind, geht auch aus dem «Annual Global Fraud Report» des Risikoberatungsunternehmens Kroll hervor. Während die gesamtwirtschaftlichen Einbussen aufgrund von Betrugsaktivitäten im vergangenen Jahr laut Kroll in etwa kon­ stant blieben, mussten die Finanzdienstleister über die letzten drei Jahre hinweg einen massiven Anstieg auf durch­schnitt­ lich rund 15,2 Millionen Dollar pro Unternehmen hinnehmen. Dabei ist davon aus-

zugehen, dass die Dunkelziffer erheblich ist. Dies bestätigt auch der Bericht von PricewaterhouseCoopers, in dem fest­ge­ halten wird: «Wir sind der Ansicht, dass die von den befragten Unternehmen ange­ ge­benen Betrugsfälle nur die Spitze des Eisbergs darstellen. Wahrscheinlich bleiben etliche Betrugsfälle in Schweizer Unternehmen unentdeckt (...). Zusätzlich haben viele Unternehmen aufgrund der Wirtschaftskrise ihre Budgets für Compliance- und andere interne Betriebsaufgaben reduziert. Das könnte ein Faktor sein, der für die niedrige Anzahl aufgedeckter Betrugsfälle verantwortlich ist.» Diese den Unternehmen gegenüber reichlich konziliante Formulierung ver­ deut­licht, wie schwierig es für Markt­for­ schungsspezialisten ist, Detailaus­künfte und somit genaue Zahlen zu erhalten. Das trifft bekanntlich insbesondere für die Finanzdienstleistungs-Branche mit ihrer Geheimhaltungspflicht zu. Denn obwohl auch PricewaterhouseCoopers schreibt, dass «die meisten Unternehmen, die von Wirtschaftskriminalität betroffen sind, aus der Finanzdienstleistungsbranche stammen» und diese in der Regel über die «notwendigen Risikoerkennungs- und Kon­trollsysteme» verfüge, ist auch hier nur die Spitze des Eisbergs sichtbar. Dies umso mehr, als in diesem Umfeld die Cyber-Kriminalität in ihren unterschiedlichen Ausprägungen stetig zunimmt, weil sich die Betrüger via Computersysteme am schnellsten und relativ einfach bereichern

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können. In der Tat stimmt es nachdenklich, wenn der Direktor des FBI, Robert Mueller, öffentlich erklärt, er werde inskünftig aufs Online-Banking verzichten. Als Grund führt er an, «bloss einige Klicks vor dem Fall in eine klassische InternetPhishing-Falle entfernt» gewesen zu sein. Maultiere und «Social Networking» Wie raffiniert Cyber-Betrüger diesbezüglich mittlerweile vorgehen, zeigt der jüngs­ te «Cybercrime Intelligence Report» des Finjan Malicious Code Research Center. Am Beispiel einer offenbar aus der Ukraine gesteuerten Attacke auf einen deutschen Finanzdienstleister wird demons­ triert, wie «benutzerfreundlich» – für die Betrüger – mittlerweile die im Internet für wenig Geld erhältlichen Software-Tools zur Herstellung «hoch effizienter» Trojaner oder Spionageprogramme sind. Der Clou am Finjan-Bericht besteht aber darin, dass die Cyber-Kriminellen unbescholtene und ahnungslose Kontoinhaber als sogenannte Mules (Maultiere; Lastesel) in ihre Aktivitäten einbauen, über deren Konten die durch Phishing abgesogenen Beträge geschleust werden. Die «Mules» müssen zwar aktiv angeworben werden, damit sie ihr Konto als Zwischenstation zur Verfügung stellen. In der Regel haben sie aber keine Ahnung davon, welchen Zwecken sie dienen – oder sie wollen davon keine Ahnung haben, weil sie ja eine Provision dafür bekommen. Interessant ist


TITELSTORY

das Finjan-Beispiel vor allem deshalb, weil es zeigt, dass die sogenannte Social-Net­ working-Methode eine immer wichtigere Rolle in der gesamten Cyber-Kriminalität spielt. Während eines wirtschaftlichen Ab­ schwungs oder in einer länger dauernden ökonomischen Krise gilt dies erst recht, da der Lebensstandard ganzer Bevölkerungsgruppen sinkt und die Betroffenen gegenüber Versprechungen und «kleinen Hilfsdiensten» oder «schnellem Geld» anfälliger werden. Raffinierte Social-Net­ work­ing-Betrüger-Betrüger haben in einer derartigen Situation leichtes Spiel. So kommt auch Finjan zum Schluss, dass sich die Cyber-Kriminalität immer mehr auszahlt – und dass die Finanzdienstleistern dabei die Hauptzielscheibe abgeben. Anwender von Online-Banking sollten daher immer alert sein und sicherstellen, dass ihre Internet-Sicherheitsprogramme jeweils auf dem neusten Stand sind. Den Finanzdienstleistern selber em­ pfiehlt Finjan als beste Verteidigung eine vereinheitlichte Web-Sicherheits­lösung mit einer Echtzeit-InhaltsinspektionsFunk­tion. «Eine derartige Lösung un­ter­ sucht jedes Stückchen des ein- und ausgehenden Web-Inhalts», schreibt Finjan. Damit sei es möglich, bösartigen Code zu blockieren, bevor er die Möglichkeit hat, aktiv zu werden. Das bedeute auch, dass die heute raffiniertesten Trojaner daran gehindert würden, ihre Daten­beute an den «Heim-Server» zu schicken. PC umgehen – Betriebskultur verbessern Doch nicht nur FBI-Direktor Mueller leidet unter einem Vertrauensverlust ins heutige Online-Banking – auch die Finanzdienstleister selber zeigen sich äusserst interessiert an einer Umgehung der gegenwär­ tigen endemischen Risiken. Zwar könnten sie es sich nicht mehr leisten, auf E-Bank­ ing-Angebote zu verzichten. Aber mit soge­ nannten gehärteten Hardware/SoftwareKombinationen zeichnen sich Lösungen ab, mit denen der eigentliche PC und vor allem die Schwachstelle Browser umgangen werden können. USB-Geräte, die im Prinzip hochspezialisierte abgeschottete E-Banking-Computer sind, werden heute angeboten und dürften das Online-Bank­ ing via herkömmliche Browser ablösen.

Allerdings wird auch damit eine der Hauptquellen der Wirtschaftskriminalität im Allgemeinen und des Cyber-Betrugs im Speziellen noch nicht versiegen. Denn wie PricewaterhouseCoopers in ihrem «Global Economic Crime Survey» schreibt, geht aus ihrer Umfrage bei 129 Schweizer Führungskräften hervor, dass satte «46 Prozent aller Wirtschaftsdelikte von Personen innerhalb der eigenen Unternehmung verübt wurden. Davon gehörten 50 Prozent dem mittleren und weitere 20 Prozent dem oberen Kader an, d. h., 70 Prozent der Täter innerhalb der Firma kamen aus dem Management – eine Tatsache, die nicht ignoriert werden sollte.» In der Tat, kann man da nur sagen. Vor allem, wenn die vom Management begangenen Wirtschaftsdelikte – mit Hilfe oder ohne Computer – zunehmen, wie PricewaterhouseCoopers bestätigt: «Der Anstieg der betrügerischen Machenschaften auf Managementebene gegenüber

unserer vorhergehenden Studie (70 Prozent gegenüber 50 Prozent in Jahr 2007) ist bedenklich.» Interessant ist diesbezüglich auch, dass 60 Prozent der Befragten angaben, «dass eine variable, leistungsabhängige Komponente in der Lohnstruktur ihrer Geschäftsleitung besteht. Solche Anreize erhöhen den Leistungsdruck im Hinblick auf die Unternehmensergebnisse und können dazu verleiten, diese mit Hilfe betrügerischer Machenschaften erreichen zu wollen.» Fazit: Cyber-Kriminalität in Unternehmen wird oft auch von innen begangen. Kontrollen – vor allem technische – sind notwendig, reichen aber nicht aus. Gerade in Krisenzeiten ist eine transparente und kommunikativ offene Unternehmenskultur Bedingung Nummer eins für die erfolgreiche Eindämmung interner Betrügereien. *Beat Hochuli ist freischaffender ICT-Journalist und lebt in Kota Kinabalu, Malaysia.

Frustrierte Mitarbeiter sind das grösste Sicherheitsrisiko.

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ICT Management

Der CIO als Business-Experte und Transformationsmanager (1)

Herausforderungen als Chancen nutzen Text Christian Huber*

Wer die Verantwortung für die IT übernimmt, zeigt Bereitschaft, sich zu exponieren. Der CIO muss seine Kritiker wirkungsvoll überzeugen können. Im Spannungsfeld zwischen Business und IT hat er die Chance, sich als tatkräftige Leaderfigur zu profilieren. Voraussetzungen ­dafür sind Business-Expertise und die Anwendung von geeigneten Modellen, die ihm erlauben, die IT zu steuern statt nur zu verwalten.

Die Praxis und die Diskussion mit IT-Verantwortlichen zeigen es deutlich: Der CIO (Chief Information Officer) nimmt in den meisten Unternehmen eine schier unlösbare Aufgabe wahr. Gefangen im Spannungsfeld zwischen Business und IT kann er den vielschichtigen und oft gegenläufigen Anforderungen der Stakeholder kaum gerecht werden. Die Herausforderungen lauten: Beherrschen der Komplexität, Ge­ währleisten von Serviceorientierung und Agilität, Sicherstellen der Kostentransparenz und Kosteneffizienz, Umsetzen und Einhalten von regulatorischen Vorgaben und viele andere mehr. Heute zeigt sich mit­unter, dass das Führen der IT auf der Basis von Kennzahlen operativ zwar wirkungsvoll ist, die strategischen Herausforderungen der IT jedoch fast gänzlich ausblendet. Kennzahlen widerspiegeln die gegenwärtige Situation, indem die unmittelbar zurückliegende Periode bewertet wird. Die Ausrichtung auf die zukünftigen Geschäftsanforderungen ist damit aber noch nicht gewährleistet. Beherrschen der Sprache des Business Neben den gewiss grossen Herausforderungen bietet sich dem CIO die spannende Chance, sich als starke Leaderfigur im Unternehmen zu positionieren und sich

als «Veränderer» zu profilieren. Voraussetz­ ung dafür ist eine konsequente Ausrichtung des IT-Leistungsportfolios auf die künftigen Anforderungen des Business und der Märkte, in denen das Unternehmen erfolgreich sein will. Dies bedeutet, dass der CIO ein Business-Experte sein muss, der sich mit seinen Leistungsabneh­ mern mindestens auf gleicher Augenhöhe befindet. Der CIO muss die Sprache des Business sprechen und für die Übersetzung in die für die IT verständliche Sprache sorgen. Der CIO ist damit in der Lage, Markt- und Geschäftsveränderungen früh­ zeitig zu erkennen und den Einfluss auf die aktuelle und künftige IT-Leistungserbringung zu identifizieren. Mit der Verantwortung für die IT und damit für die Unter­ stützung der Business-Prozesse steuert der CIO die Transformation des Unterneh­ mens massgebend mit. Abhängigkeiten visualisieren Damit der CIO seiner Aufgabe gewachsen ist, benötigt er Grundlagen, welche ihn be­ fähigen, die Geschäftsentwicklungen erfolgreich zu antizipieren. In der Praxis hat sich dabei ein Modell bewährt, das konse­ quent auf das Business ausgerichtet ist, gleichzeitig aber die Ausgangslage der IT mit in die Konzeption einbezieht. Das Modell basiert auf einer eigens entwickelten,

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sogenannten Smart IT Map. Es umfasst ein strukturiertes Vorgehen, integrale Ana­­lyse­instrumente, Visualisierungsmethoden sowie Grundsätze zur Portfoliobewertung. Zentraler Bestandteil des Modells ist dabei die Business / IT Roadmap, welche die Abhängigkeiten zwischen den künftigen Geschäftsveränderungen und dem IT-Leistungs- und Projektportfolio über eine definierte Zeitperiode von drei bis fünf Jahren visualisiert. Die Entwicklung der Roadmap setzt voraus, dass auf der Basis von sogenannten Business-Maps der mittelfristige Veränderungsbedarf im Unternehmen identifiziert wird. Es stellen sich Fragen nach künftigen Marktleistungen und Produkten, nach strategischen Ge­schäftsentwicklungen, aber auch nach aktuellem Handlungsbedarf der IT-Leis­ tungs­­erbringung aus Business-Sicht oder nach Sourcing-Absichten in den Ge­ schäfts­feldern. Die visualisierten Abhängigkeiten über verschiedene Ebenen von Business und IT lassen erkennen, dass Veränderungen in der Regel grosse Auswirkungen auf die Unternehmensarchitektur haben. Es ist essentiell, diese Auswirkungen zu identifizieren, zu analysieren und visuell darzustellen, denn darin liegt die Komplexität, welche es bei einer Trans­ formation zu beherrschen gilt.


ICT Management

Handlungsbedarf bewerten Aus der Business / IT-Roadmap lässt sich der Anpassungsbedarf für die IT un­mit­tel­ ­bar ableiten. Als wichtiger Bestandteil der Smart IT Map hat sich die Portfoliobewer­ tung etabliert. Diese umfasst die Dimen­ sionen Marktdifferenzierung und Ver­än­ de­rungsdynamik, strategischer IT-Beitrag, Kompetenz, Lifecycle, Qualität und Kosten. Die identifizierten Anpassun­gen der IT-Leis­tungen werden auf der Basis der sechs Portfoliobewertungselemente ganz­ heitlich beurteilt, so dass der eigentliche Handlungsbedarf für die in Veränderung begriffenen IT-Leistungen festgelegt wer­ den kann.

In der Praxis hat sich gezeigt, dass die Portfoliobewertung an ­hand von wenigen Workshops sehr rasch überzeugende und konsistente Resultate hervorzu­ bringen ver­mag. Wichtige Grundlage für die Portfoliobewertung sind mitunter die Kenn­zah­len, welche massgebende Aus­kunft über Kosten, Qualität oder Kompetenz ge­ben. Die bewerteten Handlungs­ optionen wiede­­rum dienen als Grundlage für das Verifizie­ren der in der Business/ IT-Roadmap ab­zubildenden IT-ProjektRoad­map. Die Smart IT Map baut somit stark auf einem iterativen Vorgehensprozess auf. Alle Zwischenresultate sollen immer wieder ge­gen­über den Business­ anforderungen sowie ge­genüber der Aus­ gangslage verifiziert und allenfalls angepasst werden. Das Modell der von Intercai entwickelten Smart IT Map umfasst ein strukturiertes Vorgehen auf der Basis von inte­gralen Analyseinstrumenten, Visua­li­ sierungsmethoden und Bewertungsgrund­ lagen. Mit Unterstützung der Business

Map ist eine konsequente Busi­nessOrien­­tierung der IT garantiert. Zentrale Bestandteile der Smart IT Map sind Road­ map, Kennzahlensystem sowie Portfoliobewertung. Das Führen der IT muss zu Recht als Herkulesaufgabe betrachtet werden. Der CIO ist gefordert, strategisch wie operativ, gegenüber den Leistungsabnehmern nach­haltigen Nutzen der IT zu erzeugen und unter Beweis zu stellen. Zu diesem Zweck benötigt er Werkzeuge und Modelle wie die hier vorgestellte Smart IT Map, die ihm erlauben, die Businessperspektiven, den mittelfristigen Veränderungs­be­ darf, die Abhängigkeiten und Auswirkungen sowie die Handlungsoptionen der IT zusammenzuführen und als Konzentrat zu visualisieren. Nur so kann der Nutzen der IT für das Business überzeugend dargelegt werden. Denn der CIO ist zuallererst Partner und Enabler für das Business. Christian Huber, Business Consultant und Partner Intercai (Schweiz) AG, El. Ing. HTL, MBA HSG

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ICT Management

Der CIO als Business-Experte und Transformationsmanager (2)

Agieren statt Reagieren Text Brigitte Strebel-Aerni

Die Zeiten sind hart. Der Chief Information Officer, CIO, ist gefordert. Die Budgets sind gekürzt worden. Er muss mehr liefern. Dies mit weniger Kosten. Wer kann das schon ohne zu zaubern? Oder doch: Bieten konsequentes IT-Planning, Virtualization und Outsourcing den Ausweg aus diesem Dilemma? Das Image der Vereinigten Staaten als Wirtschaftsmacht hat gelitten. Eines aber gilt immer noch: Nichts ist unmöglich in dieser Nation. Dies zeigt das Beispiel der Multimillionärin Mrs. Winchester, die sich an ihrer Villa jeden Spleen erfüllt hat. Da liess sie jahrelang um- und anbauen, bis jede Übersicht verloren ging. Mit dem ent­ sprechenden Resultat: Treppen führten ins Nichts, an irgendeine Wand. Fenster wurden unmöglich platziert, so dass kein einziger Sonnenstrahl mehr in ein Zim­ mer zu dringen vermochte. Dieses typische Beispiel improvisierter Fehlplanung zeigt deutlich: Wer die Effizienz einer Organisation verbessern will, der muss klare Strukturen in Form einer konsequenten Organisation entwickeln. Dies trifft bei vielen Unternehmen für die ICT-Infrastruktur zu: Jede Abteilung installiert ihre eigene Software. Der so erzeugte Wirrwarr von Applikationen erfordert einen zusätzlichen Support. Und das wiederum verursacht horrende Kosten, die sinnvoller für wirklich dringende und produktive Innovationen genutzt werden könnten. Die Infrastruktur wird unübersichtlich und die Kosten ufern aus. Heute stecken viele Unternehmen mitten in der Krise. Harte Entscheidungen sind gefragt: Welche Investitionsprogramme müssen unbedingt weitergeführt, gestoppt oder verschoben werden, damit man erstens im verschärften Wettbewerb mit Kon­

Effizientere Kundenfokussierung Seit Sommer 2008 setzt Zurich Financial Services ein ITplanning Tool ein. «In einer Versicherung werden Applikationen um die Produkte herum gebaut», erklärt Kurt Lermann, Chief Enter­prise Architect bei Zurich Financial Services. Auslöser für den Einsatz von ITplanning war das steigende Datenvolumen, das immer schwieriger zu managen war, denn es ging darum, meh­rere Personen und Stellen mit denselben Datensätzen zu versor­­gen. Excel Sheets genügten diesen Anforderungen schlichtweg nicht mehr. Wichtig war gemäss Lermann das Committment des Top-Managements bei der Transformation der Organisation zu globalen Prozessen, die dann auch den Einsatz globaler Tools erfordern. Die Aussicht auf bessere Entscheidungsgrundlagen hatte das Management überzeugt. Dabei wurde auch geprüft, weshalb verschiedene Claims-Systeme im Einsatz waren, und ob hier nicht eine Vereinheitlichung möglich wäre. «Dies bedeutete konkret, dass zuerst Standards für eine einheitliche Datenerfassung und Auswertung gesetzt werden mussten. Nur so können innert nützlicher Frist die richtigen Informationen abgeleitet werden. Es ging aber auch darum, die Zahl der Applikationen und deren Kosten zu reduzieren. Wir produzieren quartalsmässige Reports, die aufzeigen, wie viele Applikationen wir sparen können.» Innerhalb der verschiedenen Strategien der Zurich Financial Services spielt die Customer Centricity oder die Fokussierung auf den Kunden eine wichtige Rolle, weil der Kunde unser wichtigster Stakeholder ist. Dazu gibt Kurt Lermann ein konkretes Beispiel: «Wenn Sie bei Zurich Connected eine Autoversicherung abschliessen und von unterwegs wegen eines Problems den Zurich Help Point anrufen, dann ist es wichtig, dass diese beiden Stellen über dieselben Daten verfügen. Kurt Lermann, Chief EnterGleichzeitig muss der zuständige Agent zwecks prise Architect bei ZFS späterer Kundenpflege informiert werden.»

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ICT Management

«Windows of Opportunities» nutzen! Ingrid Walter hat in Informatik promoviert und ist langjährige Mitarbeiterin der Münchner Rück. Angefangen hat sie als Business Architect in der Produktentwicklung, bevor sie sich mit Strategieentwicklung und der eigentlichen Enterprise Architecture befasste. «Insofern kenne ich sowohl die Business- als auch die IT-Infrastrukturseite des Unternehmens», erklärt sie. Das ist ein eigentlicher Glücksfall für die Münchner Rück. Ingrid Walter versteht ihren Job auch als Vermittlerin zwischen Business- und der IT-Seite des global aktiven Rückversicherers. Daneben aber geht es immer wieder um die Optimierung der Geschäftsprozesse, die sich ja dauernd wieder verändern. Sie liefert aber auch wichtige Entscheidungsgrundlagen an das Management, wenn es darum geht, Entwicklungen weiterzuverfolgen oder zu stoppen. Vor allem soll eigentlicher Wildwuchs in der IT vermieden und für eine klare und effiziente IT-Architektur gesorgt werden. Das ist einfacher gesagt als getan, denn in jedem Unternehmen ist das Beharrungsver­mögen gross und dementsprechend ist mit Rigiditäten und Widerständen zu rechnen. Deshalb gilt es, so­ge­nann­te Windows of Opportunities zu nutzen. Da­ mit meint Ingrid Walter neue Rahmen­bedingungen, die einen ver­stärkten Druck von aus­­sen auf das Unternehmen ausüben. Ein solches Fenster öffnete sich anläss­lich der Ingrid Walter, Münchner Rück: «Wildwüchse in Jahr­tausend­wende, als es der IT vermeiden» galt, die IT-Infrastruktur millen­ niumtauglichzu machen. Dakurrenten bestehen kann und zweitens für die Zeit des Aufschwungs gerüstet ist? Die Geschäftsmodelle von Banken und Versicherungen basieren immer stärker auf der modernen Informations- und Kommunikationstechnologie. Neben Kapital und Human Resources ist die technologische Infrastruktur zum wichtigen Produktionsfaktor geworden. Die moderne Informatik liefert nicht nur wichtige Entscheidungsgrundlagen, sie beschleunigt auch die Geschäfts- und Entscheidungsprozesse. Entscheide über Unternehmenszukäufe, die Entwicklung neuer Märkte, die Etablierung neuer Dienstleistungen und Produkte müssen in immer kürzeren Sequenzen gefällt werden. Die Umsetzung strategischer Entscheide wer­

mals hatte die IT-Abteilung den vollen Support des Top-Managements und damit auch die finanziellen Mittel, als es galt, neue Technologien und Applikationen einzuführen. Diesen Rahmen hat Ingrid Walter voll ausgeschöpft, und zwar zum langfristigen Nutzen der Münchner Rück: «Das Überdenken der Enterprise Architecture fördert nicht nur die Transparenz im Unternehmen. Es zwingt uns auch zur Standort- und Zielbestimmung, zur konsequenten Planung. Das wiederum legt Schwachstellen offen und fördert dadurch die Effizienz.» Dadurch wurden auch die Verantwortlichkeiten klarer geregelt. «Bisher wurde die Verantwortung generell der IT-Abteilung zugewiesen. Dadurch wurde diese gezwungen, Entscheide zu treffen, die eigentlich in die Kompetenz des Business gehörten. Dabei ging vergessen, dass bei Problemlösungen der einzelnen Geschäftsbereiche (das sind die sogenannten Business Owner) diese auch die Verantwortung übernehmen müssen. Denn die IT hat hier lediglich Unterstützungsfunktion.» Stark vereinfacht heisst dies: Früher veränderte die IT das Business, heute verändert das Business die IT. «Es gibt aber auch neue Technologien, wie das Handy, die dann in das Business einfliessen und dieses entscheidend verändern», präzisiert Ingrid Walter, «aber die eigentliche Zielvision sollte definitiv aus dem Business kommen.» Das bedeutet aber eine intensive Kommunikation und Zusammenarbeit des Business mit der IT, damit sich kein Flickwerk bildet. «Die Globalisierung zwingt uns, den Fokus auf das Unternehmen als Ganzes zu legen und weniger auf die einzelnen Geschäftsbereiche.» Damit wird auch die Verzahnung zwischen IT und Business viel gelebt und Entscheide werden sachgerechter getroffen. werden. Seit 2007 setzt die Münchner Rück konsequent das planningIT Tool ein.

den immer stärker durch Legacy-Probleme der ICT-Infrastruktur gebremst. Dessen war sich das Top-Management lange Zeit zu wenig bewusst. In Zeiten schwindender Margen muss gespart werden. Aber am richtigen Ort! Wer kurzfristig und engstirnig bei der ICTInfrastruktur spart, der verbaut sich mittel- und langfristige Marktchancen. Das heisst aber nicht, dass gerade die ICTInfrastruktur ein grosses Potenzial birgt, wenn man am richtigen Ort spart. Oft werden Unternehmen, die besonders tief in der Krise stecken, dazu gezwungen, die richtigen und harten Fragen bezüglich ihrer Legacy und ihrer Projekte zu stellen. Beispiele wie die Münchner Rück und die Zurich Financial Services belegen, wer

frühzeitig die konsequente und richtige Überprüfung und Planung seiner ICT vorge­nommen hat, der meistert Krisen besser als die Konkurrenz. Oft sind es Krisen, die eine Änderung der Unternehmensstrategie erfordern. Dies erzwingt nicht nur eine Analyse und Veränderungen in der Enterprise Architecture und ITPlanung, sondern auch eine klare Verantwortlichkeits-Struktur, wenn es um ICTInvestitionsentscheide geht. Dies belegen die Referate der beiden Chief Enterprise Architects Ingrid Walter von der Münchner Rück und Kurt Lermann von Zurich Financial Services anlässlich der von alfabet AG organisierten Tagung «planningIT eXchange 2009» in Berlin (siehe Kasten).

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ICT Management

Restrukturierungen, Downsizing sowie Merger & Acquisitions schütteln die Finanz­ industrie gegenwärtig tüchtig durch. Diese Aktivitäten prägen auch die jeweilige Infrastruktur der betroffenen Unternehmen. Sich mit den vorhandenen Tools Klarheit und einen Überblick über die bestehenden Ressourcen zu verschaffen, ist das eine. Aber spätestens, wenn der Planungsmechanismus in Gang gekommen ist, werden Grundsatzentscheide erforder­ lich. Solche betreffen zum Beispiel das Outtasking oder Outsourcing von IT-Infra­ strukturen. Beim Outsourcing wird die

Ver­arbeitung physisch an einen spezialisierten Anbieter – zum Beispiel an eine Transaktionsbank oder einen IT-Provider – ausgelagert. Beim Outtasking kommt das sogenannte Cloud Computing zum Zuge. Hier werden Teile der Infrastruktur auf eine virtuelle Plattform in ein Rechenzentrum verlagert. Es handelt sich um eine webbasierte Infrastruktur auf «on demandBasis». Diese neue Technologie muss die CIOs der Finanzindustrie bezüglich ihrer Verlässlichkeit, Sicherheit und punkto Datenschutz überzeugen. Denn gerade hier gilt es, das Vertrauen und die Bezie-

hung zum Kunden aufzubauen und zu verbessern. Eigentlich ist Cloud Computing eine Art Hosting-Problem und der Betreiber ein «Trusted Advisor für Hosting Services». Hier zeichnet sich eine Zusammenarbeit zwischen traditionellen Outsour­ cing-Anbietern und Out­tasking-Anbietern wie zum Beispiel Swisscom IT-Services, T-Systems und Colt ab. Letztere betreut über ein pan­europäisches Glasfasernetz einen spe­ziellen Internetservice im B2BBereich an. Sozusagen als effiziente und sichere Datenautobahn mit einer zusätzlichen Maut­gebühr.

Mario Kaufmann, Direktor Hays (Schweiz) AG

Die richtigen Spezialisten rekrutieren! interview Brigitte Strebel-Aerni

Für das Gelingen der Implementierung eines IT-Projektes gilt es, Spezialisten zu finden, die sowohl fachlich als auch punkto Sozialkompetenz den hohen Anforderungen entsprechen. Die Datensicherheit und die Reputation hängen entscheidend von der Rekrutierung der richtigen Leute ab. ICT: Werden vermehrt Projekt-Teams zur Senkung von IT-Kosten im Unternehmen eingesetzt? Mario Kaufmann: Grundsätzlich lässt sich sagen, dass ein Projekt mit klaren Terminen wie Projektbeginn, Meilensteine, Fris­ ten und Übergabe straffer organisiert und überprüft wird. Die Ressourcen können dadurch gezielter und besser terminiert eingesetzt werden, einzelne Mitarbeiter kön­nen auch parallel in mehrere Projekte eingebunden sein. Der Nutzen einer Projektorganisation besteht neben den tieferen Kosten eben auch in einer schnelleren Umsetzung und besseren Möglichkeiten zur Erfolgsmessung. ICT: Nach welchen Gesichtspunkten wer­ den diese Teams zusammengesetzt? Mario Kaufmann: Zum einen sind Kenntnisse der kundenspezifischen Umgebung erforderlich. Zum andern braucht es Erfah­ rung in der Umsetzung ähnlicher Projekte und natürlich technisches Wissen auf dem allerneusten Stand. Beides ist teil-

Mario Kaufmann, Hays AG: «Externe Spezialisten gegen Betriebsblindheit»

weise intern vorhanden. Externe Mitarbeiter gehören aber gerade bei kritischen oder grösseren Projekten zum Alltag. ICT: Wann werden externe Spezialisten eingesetzt? Mario Kaufmann: Externe Fachkräfte werden in der Regel dann hinzugezogen, wenn

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das Spezialisten-Know-how fehlt, wenn es gewisse Spitzen zu brechen gilt oder wenn ein Mitarbeiter nur für die Dauer des Projektes beschäftigt werden kann. ICT: Welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich dabei? Mario Kaufmann: Die Verzahnung von internen und externen Mitarbeitern ist sowohl Herausforderung als auch Chance. Der Blickwinkel eines nicht «vorbelas­ teten» Mitarbeiters, der in seiner Eigenschaft als externer Spezialist immer wieder neue Projektaufträge und Situationen antrifft und sich dabei zurechtfindet, kann für ein Projekt von unermesslichem Gewinn sein. Die Praxis zeigt auch, dass diese Zusammenführung von internen und externen Mitarbeitern auf Zeit gerade in der IT gang und gäbe ist. Erfolgskritisch in Bezug auf das Gelingen von Projekten ist neben einer realistischen Auftragserteilung und guter Kommunikation ganz einfach die Rekrutierung der richtigen Spezialisten.


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Abgeltungssteuer für Auslandsguthaben würde länderspezifische Lösungen erfordern

ICT verbessert den Kundenservice Text Brigitte Strebel-Aerni Foto MARKUS HÄSSIG

Wie kann eine mittelgrosse Bank die Tools der modernen Informations- und Kommunikationstechnologie (ICT) effizient einsetzen, um ihre Kunden optimal zu bedienen? Darüber diskutieren Peter Gertsch, Chief Information Officer der Basler Kantonalbank, und Martin Janssen, Professor an der Universität Zürich und Leiter der ECOFIN-Gruppe in Zürich. ICT in Finance: Fordert oder überfordert die moderne Informationstechnologie mit ihrem hohen Innovationsrhythmus die Finanzindustrie? Peter Gertsch: Die Basler Kantonalbank gehört zu den mittelgrossen Schweizer Re­tail­banken. Wir sind übersichtlich und ha­ben keinen globalen Auftritt. Deshalb sind wir von der ICT nicht derart gefordert. Und was die Produkte in­novation betrifft, so haben sich in der Vergangenheit traditionelle Finanzinstru­mente wie Hypothekarkredite oder Sparkonti kaum verändert. Das Wertschriften- und Kapitalanlagegeschäft wird natürlich viel stärker von den Veränderungen in der modernen Informationstechnologie getrieben. Professor Martin Janssen: Eigentlich sollte das Bankgeschäft der Treiber für die Innovationstätigkeit sein. Die moderne Informationstechnologie sollte eine ausführende Funktion übernehmen und auf die Bedürfnisse der Fachbereiche eingehen. Die ICT könnte viel mehr ermöglichen als heute effektiv gefordert wird. Man könnte analog zur Automobilindustrie sehr viele Prozesse automatisieren. ICT in Finance: Weshalb wollen die Fach­ bereiche dies nicht? Hier liegt doch ein enormes Ra­tiona­lisierungs- und Kundenbindungspotenzial? Peter Gertsch: Letztlich steuern die Anforderungen unserer Kunden die Aktivitäten im IT-Bereich.

Professor Martin Janssen, Uni ZH und Peter Gertsch, Basler KB (rechts): ICT vermehrt zur besseren Kundenpflege und -bindung einsetzen!

ICT in Finance: Werden diese immer sofort an die IT-Abteilung weitergegeben? Peter Gertsch: Natürlich gibt es auch Kommunikationsprobleme. In der IT haben traditionsgemäss die Ingenieure mit ihrem strukturierten Denken das Sagen, während im klassischen Banking wiederum der intuitive Umgang mit den Kunden im Vordergrund steht. Da kann es durchaus

zu Missverständnissen oder unterschiedlichen Ansichten kommen. Aber ganz allgemein kommt die ICT bei mittleren Banken unserer Grössenordnung vor allem bei gut standardisierten Produkten mit hohen Transaktionsvolumina zum Tragen. Sobald die Volumen kleiner und die Vielfalt der Produkte und Prozesse grösser werden, dann nimmt auch der Einsatz der ICT ab.

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banking & insurance

Professor Dr. Martin Janssen: «Vor 10 bis 20 Jahren wäre es undenk­bar gewesen, dass Staaten gestohlene Daten kaufen.»

Hier sind wir daran zu prüfen, ob Dank Standardisierungen, wie sie in der Au­to­ mo­bil­industrie üblich sind, nach dem Lego-Prinzip individualisierte Produkte und Dienst­leistungen angeboten werden können. Es gibt noch viel Potenzial für unsere Fachabteilungen wenn es darum geht, für die Kunden aus standardisierten Bestand­ teilen Einzelanfertigungen anzubieten. ICT in Finance: Mit Swisscanto verfügen die Kantonalbanken ja über eine eigentliche Fondsfabrik. Bieten Sie auch Fonds anderer Anbieter an? Peter Gertsch: Darüber entscheidet der Kunde. Professor Martin Janssen: Jeder der zum Arzt geht, will ein spezifisch seinen Bedürf­ nissen entsprechendes Heilmittel mit der entsprechenden individuellen Behandlung. Einen ähnlichen Service sollten die Banken ihren Kunden anbieten können. ICT in Finance: Die moderne Internettechnologie hat Gegensätze wie lokal und global sowie Masse und Individuum aufgelöst. Heute ist es doch möglich, lokal einen globalen individuellen Service für den Massenkunden anzubieten. Peter Gertsch: Das tönt schön. Aber im grossen und ganzen hält sich die Angebotspalette für den Retailkunden doch in Grenzen. Der hat ein Konto und das kann man mit Attributen versehen und auf verschiedene Arten bezeichnen.

ICT in Finance: Aber auch der Retailkunde bewegt sich auf der Lebensachse. Diese Begleitung ist aufwendig. Liegt hier kein Rationalisierungspotenzial drin? Peter Gertsch: Automatisierung birgt die Gefahr der Distanz zum Kunden. Vor zehn Jahren hatte man die Bankfilialen abgeschrieben. Heute verfügt die Basler Kantonalbank auf engstem Raum von 37 Qua­ dratkilometern über 20 Filialen. Und dies ist der beste Beweis für das Bedürfnis nach persönlichem Kontakt. Ein weiteres Beispiel ist unser «Easy Trading»-Produkt. Das funktioniert per Telefon. Und das ist deshalb bei trading orientierten Kunden so beliebt, weil es schnell und einfach funk­tioniert und erst noch eine Beratungs­ leistung bezüglich des besten Einkaufs bietet. Diese «uralte» Telefontechnologie ist nun einmal hocheffizient. Professor Martin Janssen: Das Telefon ist deshalb so effizient, weil der beratende Händler direkten Zugriff auf die relevanten Informationen hat. Bezogen auf das Thema Individualisierung und Standardisierung heisst das: An der Kundenschnittstelle muss individualisiert werden. Aber die Limitenüberwachung, die Compliance und die Erarbeitung von Anlagevorschlägen kann man durchaus industrialisieren und maschinell unterstützen. Aber sobald es zum Kundenkontakt kommt, dann steht auch heute noch bei 80 Prozent der Kunden die persönliche Betreuung im Vorder­ grund. Im Hintergrund müssen jedoch die Verarbeitungsprozesse maschinell unterstützt werden. ICT in Finance: An der Kundenfront ist der Banker und im Hintergrund arbeiten die ICT-Spezialisten. Das erzeugt oft Verständnisprobleme. Wie können diese aus­ geräumt werden? Peter Gertsch: Wir lösen dies auf sehr praktische Art, indem wir unsere Informatiker zusammen mit dem Banker zum Kunden schicken. So werden sie mit der Kundenoptik konfrontiert. Umgekehrt lassen wir die Kundenbetreuer bei Projekten mit­ arbeiten, damit sie auch verstehen, welche technologischen Konsequenzen aus ihrer Sicht «einfache» Anliegen haben können. ICT in Finance: Werden die Fachbereiche auch in den Entscheidungsprozess mitein­ bezogen? Peter Gertsch: Die Hauptverantwortung

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liegt immer im Fachbereich. Bei Infrastruk­ turprojekten wie «Voice over IP» entscheidet die IT-Abteilung. Aber die Einführung des Gesamtbanken-Pakets von Avaloq hat der Fachbereich entschieden. ICT in Finance: Sie sind als Chief In­ forma­tion Officer Mitglied der Geschäftsleitung. Seit wann ist die IT in der Ge­ schäfts­leitung der Basler Kantonalbank vertre­ten? Peter Gertsch: Seit rund 10 Jahren. Professor Martin Janssen: Das Top-Management ist sich nicht immer im klaren darüber, was die ICT eigentlich alles er­ mög­lichen könnte. Deshalb erachte ich es als wichtig, dass die IT-Abteilung auf der strategischen Ebene miteinbezogen wird. ICT in Finance: Ist die ICT in der Vergangenheit zu sehr nur zu Rationalisierungszwecken und zur Produkteinnovation, aber zu wenig zur Verbesserung der Kundenbin­ dung eingesetzt worden? Peter Gertsch: Bisher ist die Effizienzsteigerung im Vordergrund gestanden. Wir sind uns aber auch der Bedeutung der Kundendaten bewusst. Hier kommt es dar­auf an, wie man diese nutzt. Wir haben zwei Produkte, das eine heisst «Lady Consult», also Betreuung von Frau zu Frau. Sehr erfolgreich ist unser Senioren-Team. Das ist ein Betreuer-Team von «alten» Ban­kern, die «alte» Kunden betreuen. Und das funktioniert hervorragend. Die Akzep­ tanz ist besser. Der Kunde kann im Laufe der Jahre mit dem Kundenbetreuer zusam­ men älter werden. ICT in Finance: In letzter Zeit hat mit der Diskussion um das Bankgeheimnis auch das Thema Datensicherheit an Bedeutung gewonnen. Professor Martin Janssen: Das Thema «Datendiebstahl» hat erst in den letzten drei bis vier Jahren an Bedeutung gewon­ nen. Vor 10 bis 20 Jahren wäre es undenk­ bar gewesen, dass Staaten gestohlene Daten kaufen, um eigene Bürger an den Pranger zu stellen. Und wenn die Schweiz das Bankgeheimnis zur Disposition stellt, dann heisst dies, dass es an Bedeutung verliert. Es handelt sich letztlich um ein gesellschaftspolitisches Problem. ICT in Finance: Werden die Effizienz und Kompetenz sowie die «Performance after Tax» an Bedeutung gewinnen? Kommen hier neue Geschäftsmodelle zum Tragen?


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Peter Gertsch: Aus der Technologisierung der Gesellschaft auf neue Geschäftsmodelle für die Banken zu schlies­ sen, ist problematisch. Professor Martin Janssen: Man muss unterscheiden zwischen den universell täti­gen Kantonalbanken und Vermögensverwaltungsbanken. Bei den Ersteren wird sich nicht viel ändern. Aber die «Performance after Risk and after Tax» wird an Bedeutung gewinnen. Dann kommen wie­ der Themen wie der Lebenszyklus ins Spiel. Ein junger Bankkunde hat ein ande­ res Risikoprofil als ein alter Kunde. Ganz generell muss und wird die Qualität in diesem Geschäft zunehmen. Peter Gertsch: Ich finde die Qualität der Bankdienstleistungen im Grossen und Gan­zen in Ordnung. Vor allem im Vergleich mit anderen Dienstleistungsbranchen. Die Banken bieten verglichen mit anderen Branchen gute Beratungsleistungen an.

Peter Gertsch, Basler Kantonalbank: «Neue Vorschriften können jederzeit kosteneffizient in das Standard- Softwarepaket eingebaut werden.»

Professor Martin Janssen: Der reale Zins einer risikolosen Anlage beträgt heute etwa 1,5 Prozent. Nach Abzug der Steuern und Gebühren bleibt für den Kunden praktisch kein realer Ertrag mehr übrig. Das System ist somit nicht mehr geeignet, den Sparprozess zu unterstützen. Hier muss sich in nächster Zeit etwas ändern, sonst ergeben sich gesamtwirtschaftliche Probleme. Aber dessen sind sich die Banken sehr wohl bewusst. Und sie sind daran, dies zu ändern.

ICT in Finance: Die Banken sind Informationsverarbeiter. Ist deshalb der Einsatz von IT matchentscheidend geworden? Was bedeutet dies für die Ausbildung der Mitarbeiter? Peter Gertsch: Die IT ist zu einem Produktionsfaktor im Banking geworden. Die Basler Kantonalbank ist neben dem Zinsdifferenzgeschäft auch im Private Bank­ ing und im Handelsgeschäft aktiv. Bei Letz­terem spielt die IT eine gros­se Rolle. Die jungen Mitarbeiter verfügen über die notwendigen Grundvoraussetzun­gen für den Umgang mit der IT. Die Ausbildung konzentriert sich im Wesentlichen auf bank­­spezifische Applikationen. Ande­rer­ seits set­zen wir gerne Hochschul­ab­sol­­ ven­ten für Routinearbeiten ein. Diese fühlen sich unterfordert und entwickeln oft gerade deswegen zusammen mit der IT neue rationellere Verarbeitungsprozesse, weil sie diese unvoreingenommen ana­ly­ sieren. ICT in Finance: Damit fördern sie direkt auch das Verständnis dieser künftigen Kaderleute für Komplikationen bei rein administrativen Tätigkeiten? Professor Martin Janssen: Viele dieser Abläufe sind zu einer Zeit entstanden, als noch keine IT-Unterstützung möglich war. Und genau da braucht es den Einsatz von Querdenkern, die innovative Lösungen aus­tüfteln. ICT in Finance: Gibt es bei Banken Ihrer Grösse auch sogenannte Legacy-Probleme, die zum Beispiel noch den Einsatz von Cobol-Spezialisten erfordern, die immer rarer werden? Peter Gertsch: Die Basler Kantonalbank und die Bank Coop hatten bisher un­ terschiedliche Kernbankenlösungen. Die Ba­s­ler Kantonalbank hat vor kurzem von RTC auf Avaloq migriert. Dasselbe Migrationsteam kommt nun bei der Migration der Bank Coop von deren Eigenbau-Lösung auf Avaloq zum Einsatz. Die alte Eigenkonstruktion bei der Coop Bank basierte noch auf Cobol und PL/I. Professor Martin Janssen: Man darf das nicht unterschätzen. Bei einem beachtlichen Teil der Schweizer Banken kommt noch Cobol zum Einsatz. Peter Gertsch: Das Problem liegt nicht in den fehlenden Programmier-Spezialisten, sondern im fehlenden Wissen über die

Funk­tionsweise der Programme oder einer ungenügenden Programmdokumentation. Die Programmiersprache Cobol an sich ist lernbar. ICT in Finance: Neben Zürich und Genf gilt auch Basel als Private-Banking-Platz. Wie aktiv ist die Basler Kantonalbank im Vermögensverwaltungsgeschäft und wie stark setzen Sie auf IT gestützte Lösungen? Peter Gertsch: Wir sind eine mittelgros­ se Bank. Im Quervergleich mit typischen Kantonalbanken sind unser Private Bank­ ing und das Handelsgeschäft ausgeprägter. Vor allem die externen Vermögens­ verwal­ter, die mit uns zusammenarbeiten schätzen unsere IT-Unterstützung. Der typische Private-Banking-Kunde ist weniger technologie-affin. ICT in Finance: Die Regulierungsflut der letzten Jahre wird sich in Zukunft noch ver­stärken. Sind solche Regulierungen ohne Weiteres in ein Standard-Softwarepaket integrierbar? Peter Gertsch: Neue Vorschriften können jederzeit kosteneffizient in das StandardSoftwarepaket eingebaut werden, weil die Änderung für sämtliche Anwenderbanken durch den Hersteller in einem Schritt erfolgt. Professor Martin Janssen: Sollte die vom Präsidenten der Bankiervereinigung propagierte Abgeltungssteuer für ausländische Guthaben in der Schweiz dezentral realisiert werden, wird noch mancher Anbieter von Standard-Software ins Schwitzen kommen, weil länderspezifische Lösungen notwendig sind. ICT in Finance: Warum haben sich die Kantonalbanken eigentlich für unterschied­ liche Softwarepakete entschieden? Peter Gertsch: In letzter Zeit hat sich eine deutliche Konzentration zu Gunsten von Avaloq und Finnova ergeben. Professor Martin Janssen: Die Banken werden inskünftig die moderne ICT noch viel besser und intensiver zur Erreichung ihrer Ziele einsetzen müssen. Dafür sorgen der zunehmende Wettbewerb und die steigenden Ansprüche der Kunden. Peter Gertsch: Letztlich geht es darum, aus der täglichen Datenflut zeitgerecht die relevanten Informationen für den Kunden zu generieren.

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Informationsmanagement und Netzwerkompetenz werden die die Bank der Zukunft prägen

Mass Customization ist Trumpf TExt Brigitte Strebel-Aerni

Nicht das Internet und ICT haben das Bankgeheimnis unterwandert. Es waren andere wie der Human-Faktor oder die Entwendung von Daten. Nun müssen die Geschäftsmodelle neu definiert werden. Eine von den beiden Universitäten Leipzig und St. Gallen gemeinsam erarbeitete Studie kommt zum Schluss, dass vernetzten und stärker den Konzepten der Mass Customization folgenden Banken die Zukunft gehört. Dabei geht es um die Tatsache, dass Internet und ICT Gegensätze auflösen und die Individualisierung des Retailkunden ermöglichen.

Professor Rainer Alt vom Institut für Wirtschaftsinformatik an der Universität Leipzig hat bereits im Jahre 2004 zusammen mit Thomas Zerndt vom Direct-Management-Institut St. Gallen das Konsortialpro­ jekt «CC Sourcing in der Finanzindustrie» gestartet. «Damals sind wir in einer ersten Studie mit der Frage gestartet, welche Sourcing-Modelle im Bankenbereich mög­lich sind und ökonomisch Sinn machen. Bei Abschluss dieser ersten Studie im Jahre 2005 zeigte sich eine erhebliche Diskrepanz zwischen den eigenen Kernkompetenzen einer Bank und der effektiven Eigenfertigungstiefe. Während erstere mit Ausprägungen von 20 bis 40 Pro­zent ein verhältnismässig klares Profil besitzen, ist die zweite mit Werten zwischen 60 und 80 Prozent unspezifischer. Erstaunlicherweise ergibt die inzwischen erneut durchgeführte Studie das glei­che Ergebnis, mit anderen Worten existiert auch heute noch ein hohes Fokussierungs- und damit Vernetzungspotenzial», erklärt Professor Rainer Alt. Beispiele dafür finden sich in kleineren Be­reichen wie etwa Vertriebskooperatio­nen mit externen Partnern, einer offeneren Gestaltung der Produktbeschaffung oder dem vermehrtem Bezug von Einzelleistungen wie dem Kundenoutput. Mehrheitlich ak-

zeptiert ist aber im Wesent­lichen nur der Bezug von Rechen­zen­trums­leistungen. Zur systematischen Beurteilung neuer Vernetzungs- bzw. Sourcing-Modelle hat das CC Sourcing gemeinsam mit Ban­ ken­vertretern ein prozessorientiertes Ban­ ken­modell erstellt. Dieses umfasst die bankfachlichen Bereiche Beratung und Ver­trieb, Produkte und Kompetenz-Zent-

Thomas Zerndt: «Sourcing wird zum Thema der Unternehmensstrategie.»

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ren, Ausführung und Abwicklung sowie Unterstüt­zungsleistungen. Interessant an der jüngs­ten, Ende 2009 abgeschlossenen Studie ist die Tatsache, dass sie erste Auswirkun­gen der Krise bereits berücksichtigt. Diese Untersuchung enthält Antworten von über hundert befragten Personen auf 98 Fra­gen. Zusätzlich zu den Fragen wurden noch persönliche Interviews durchgeführt. Dies war insofern wichtig, weil diese individuellen Interviews die Ergebnisse aus den Fragebögen gezielt hinterfragt und teilweise relativiert haben. Dabei wurden gemäss Thomas Zerndt solche Interviews nicht nur mit Banken, sondern auch mit Vertretern von National­ bank und Aufsichtsbehörden durchgeführt: «Interessanterweise ist aufgrund der letzten Krise keine Veränderung im gesamten Trend zu beobachten. Aber von der Krise geht ein eindeutiger KatalysatorEffekt aus. Zwar werden die Entscheidun­ gen zum Sourcing nicht schneller gefällt, aber es werden vermehrt und intensivere Fragen gestellt. Es zeigt sich eine immer differenziertere Auseinandersetzung, welche mittlerweile auch alle Be­reiche einer Bank umfassen. Dadurch wird Sourcing immer mehr zu einem Thema der Unternehmensstrategie. Ausserdem zeigt sich


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ein deutlicher Trend zur Veränderung und in Richtung Konsolidierung bei den Providern. Bei Banken wird der Trend zur Konsolidierung in Deutschland von der Studie eher gestützt; in der Schweiz sind hierfür die Ergebnisse jedoch uneinheitlich.» Inzwischen haben sich im Bereich der Ausführung und Abwicklung zwei grundsätzlich verschiedene Sourcing-Modelle entwickelt, eines mit und eines ohne Bankenlizenz. Das Modell einer Transaktionsbank mit Bankenlizenz geht davon aus, dass sich die Kundenbanken mit den Be­ ratungs­leistungen gegenüber ihrer Kundschaft profilieren und bestrebt sind, die gesamte Kompetenz im Wertschriftenbereich inkl. der Handelsgeschäfte einem Partner zu überlassen. Für Insourcer ohne Bankenlizenz gehört der Handel zum Kern­ geschäft der Kundenbank. «Es ist nicht so, dass nur das eine oder andere stimmt,» erklärt Zerndt, «wir untersuchen die Vorund Nachteile einzelner Modelle und deren Eignung für unterschiedliche Banken­ typen.» «Wir beurteilen dies anhand des Kundenverhaltens, der Marktentwicklung der Geschäftsfelder und der regulatorischen Vorschriften. Diese wiederum haben Auswirkungen auf die Organisation, die Standardisierung und die IT-Architektur. Ein Ziel unserer Forschungs­aktivitäten ist es, Ergebnisse zu einer mög­lichst integrierten Modellierung und Bewertung zu erarbeiten», ergänzt Professor Alt. Individualisierung nur via Standardisierung möglich Die moderne ICT zwingt zu vermehrter Standardisierung und diese wiederum ermöglicht eine Produktevielfalt und eine Individualisierung des Retailkunden, ähnlich wie dies von der Automobilindustrie bekannt ist. «Eigentlich sollte die Bank ihre Kunden – wie heute schon in einzelnen Beispielen zu sehen – direkt in die Produktentwicklung mit einbeziehen», erklärt Thomas Zerndt, «daraus entstehen dann auch kundengerechtere Dienstleistungen.» Professor Rainer Alt sieht zwei ganz Trends, die das künftige Geschäftsmodell der Banken prägenwerden. «Zunächst werden sich die Preismodelle ändern und weniger transaktionsbasiert sein, denn der Druck seitens des Marktes geht zum einen auch im Retailbanking vermehrt

in Richtung beratungsintensiverer Bankdienstleistung und der technologisch gestützten individualisierten Betreu­ung des Retailkunden Der zweite Trend zeigt ganz klar in Richtung einer vermehrten Selbständigkeit des Kunden und dem bank­ unabhängigen Bezug von Bankdienst­leis­ tungen. Das ist deshalb möglich, weil das Internet und die moderne ICT Gegen­sätze

Professo Rainer Alt:«Erster Schritt ins Zeitalter der Performance after Tax»

wie Individuum und Masse auflösen. Dank moderner Technologien – von MultitouchTechnologien über Produktkonfigu­ratoren hin zu serviceorientierten Archi­tek­­tur­kon­ zepten – können vermehrt Retailkun­den individualisiert betreut werden. Im Grunde genommen ist dies bereits der erste Schritt in ein neues Zeitalter, in dem die «Perfomance after Tax» mehr wiegt, als ein inzwischen merklich aufgeweichtes Bankgeheimnis. «Die zunehmende Vernetzung zwischen Banken und Kunden sowie Banken und Finanzinstituten untereinander lässt viele Schnittstellen entstehen. Je standardisierter diese Schnittstellen sind, desto geringer sind die damit verbundenen Koordinations- und Netzwerksteuerungskosten. Standardsoftware wird eine besondere Bedeutung bei der Erarbeitung und Verbreitung dieser Standards besitzen», bemerkt Professor Rainer Alt. Das ebenfalls ICT-getriebene Kundenverhalten wiederum führt zu einer Vision ei-

nes «Haus des Geldes» das verschiedene Anbieter integriert, ähnlich einem FinanzWikipedia. Die Marktdifferenzierung der Banken untereinander werde vermehrt über deren Informationsmanagement und deren Netzwerkkompetenz gegenüber dem Kun­den definiert werden, meint Thomas Zerndt. Dies ist nicht nur wesent­ lich für die Kundenbetreuung, sondern auch für das Risikomanagement der Bank. Vielfalt statt Einfalt Ein weiteres und ganz zentrales Thema sei aber auch der Bereich «Security». Wenn Professor Alt und Thomas Zerndt heute aufgrund der Studienresultate eine neue Bank gründen müssten, dann würden sie sich an den Grundsatz «Vielfalt statt Einfalt» halten. Es ginge dann vor allem auch darum, die nachwachsende Generation mit spezifischen Dienstleistungen stärker abzuholen. Dazu müssten die verschiedensten modernen Medien (mobile, web etc.) über innovative FrontendTechniken genutzt werden. Professor Alt nennt auch Beispiele hin zum «Proverbial Wallet», einen mit dem Konto interagieren­ den Geldbeutel. Es gilt, vermehrt interaktive Beratungstools zu entwickeln, damit man zusammen mit dem Kunden bedarfs­ gerechtere Lösungen für seine Anlageund Finanzierungsprobleme erarbeiten kann. Damit kann auch den Trends zur ver­mehrten individuellen Beratung bei gleich­zeitig steigendem bankunabhängigen Tech­nologieeinsatz entsprochen wer­ den. «Zielführend wird sein, dass man das Kundenvertrauen gewinnt über das Verständnis des Kunden. Dies ist aber nur möglich, wenn man beispielsweise Risikoüberlegungen wirklich und konsequent aus der Sicht des Kunden anwendet», erklärt Thomas Zerndt. Informationen zum Kompetenzzentrum: http://ccsourcing.org. Die Studie «Transformation zur Bank 2015» mit ergänzenden Detailauswertungen kann dort bezogen werden.

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FRÜHWARNSYSTEM FÜR FINANZDIENSTLEISTER

Schutz gegen Debitorenverluste TEXT Sam Plecic*

DER RISIKOANALYST DUN & BRADSTREET LANCIERT EIN AUF ZAHLUNGSERFAHRUNGEN BASIERENDES FRÜHWARNSYSTEM, DAS SEINEN KUNDEN CASHFLOW-PROBLEME BEI GESCHÄFTSPARTNERN BEREITS MONATE IM VORAUS MELDET UND WIRKSAM DEBITORENVERLUSTE VERHINDERN KANN.

Frühwarnsysteme verfolgen das Ziel, Gefahren frühzeitig als solche zu erkennen. Gefährdete sollen rechtzeitig gewarnt wer­ ­den und die richtige Entscheidung tref­fen können, um die drohende Gefahr abzu­ wenden. Was zeichnet nun aber ein gutes Frühwarnsystem aus? Ausschlaggebend für ein erfolgreiches Frühwarnsystem ist, dass es funktioniert, d. h., dass das System über die qualitativ beste Infor­mation zum richtigen Zeitpunkt verfügt – und die Infor­ mation für den Empfänger so ver­ständ­lich auf­bereitet ist, dass dieser daraus die richtigen Schlüsse ziehen und die nötigen Entscheidungen zur Risiko-Minimierung treffen kann. Informationsqualität, das Tim­ ­ing der War­nung, die technische Aufberei­ tung und die richtigen Prozesse sind somit der Schlüssel, um Gefahren abzu­wen­den. Für Finanzdienstleister sind vor allem Informa­tionen über Bonität und Zahlungs­ erfahrungen relevant – und hier trennt sich im Markt die Spreu vom Weizen. Informationsvorsprung dank Zahlungserfahrungspool Seit Ausbruch der Finanzkrise im Herbst 2008 nehmen die Konkurse schweizweit dramatisch zu, der Dezember 2009 zeichnete sich durch einen Rekord an Firmenkonkursen aus. Dass in einem derartigen Marktumfeld das Risiko von Debitorenver­ lusten dramatisch steigt, ist vorhersehbar. Der Risikoanalyst Dun & Bradstreet hat im Sommer 2008 ein Tradeprogramm einge-

führt, dessen Zahlungserfahrungspool die Datenbasis eines in dieser Form neuartigen Frühwarnsystems bildet: D & B, dessen Kunden und die D & B-Trade-Part­ nerfirmen tauschen dabei laufend Zahlungserfahrungen über Firmen und Privat­ personen aus – mittlerweile um­fasst das Tradeprogramm in der Schweiz Zahlungsinformationen von weit über zwei Mil­lio­ nen Privatpersonen und Firmen und speist ein Frühwarnsystem, das D & B-Kunden Bonitäts- und Cashflow-Entwick­lungen von Marktteilnehmern mit hoher Zuverlässigkeit prognostiziert. Dabei wird die Gesamtentwicklung eines Zahlers über

einen längeren Zeitraum beobachtet und nicht nur schlechte, sondern auch gute Zahlungserfahrungen erfasst – entscheidend für die Bewertung im Scoring-System ist somit das Gesamtbild. Die bisherigen Quellen reichen nicht aus Normalerweise erkennen Scoring-Systeme einen möglichen Debitorenverlust erst auf Stufe Inkasso resp. Betreibung – freilich zu spät, um den dro­henden Verlust vermeiden zu können. Erschwerend kommt hinzu, dass zahlreiche Firmen das In­kasso selbst pflegen – somit decken

Einzigartig: D&B-Kunden und -Trade-Partner teilen ihre Zahlungserfahrungen über 2 Mio. Firmen und Personen via D&B-Zahlungserfahrungspool.

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die in den Datenquellen vorhandenen In­ kas­so­fälle nur einen Teil der exis­tierenden In­kas­sofälle ab. Konkret bedeutet das, dass beim konventionellen Angebot der Wirtschaftsinformationenanbieter ein Zahler, der immer erst ab der dritten Mahnung bezahlt oder gar ein Inkasso ris­kiert, als «guter Zahler» durchgeht, weil er von den Scoring-Systemen erst auf Stufe Betreibung sicher erfasst wird. Im Tradeprogramm von D & B sind Infor­mationen bereits ab der zweiten Mahnung vorhanden, was ein wirksames präventives Handeln bei anstehenden Ge­schäften ermöglicht. Praxisbeispiel Die Herrenmatte-Garage in Wimmis (BE) ist – oder besser – war ein klassisches Schweizer KMU und meldete im Januar 2009 Konkurs an. Die D&B-Zahlungsinformationen zeigten bereits ein halbes Jahr vorher eine stark negative Entwicklung des eigenen Zahlungsverhaltens an, was auf ein Cashflow-Problem hinwies. Die Zahlungsverzugskurve (gelb) beginnt bei etwa 40 Tagen und entwickelt sich zuerst auf 60 bis 65 Tage, um dann drei Monate vor dem Konkurs auf über 75 Tage durchschnittlichem Zahlungsverzug zu landen. In der nebenstehenden Grafik erkennt man anhand des Branchendurchschnittes (Zahlungsverhalten der Branche im Schnitt, blaue Kurve), dass es innerhalb des Marktsegmentes zwar nicht gerade floriert. Trotzdem lässt sich früh und klar ableiten, dass es der Herrenmatte-Garage in diesem Zeitraum deutlich schlechter ging als den meisten anderen Marktteilneh­ mern. Da der Firmenscore permanent angepasst wird (rote Kurve), waren die D & BKunden bereits Monate vor dem Konkurs über die Situation informiert und konnten entsprechend handeln. Prävention ist möglich Die Kunden dieses Frühwarnsystems ver­ fügen über eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage, die eine Prognose über die mittelfristige Debitoren-Entwicklung eines Geschäftspartners erlauben. Sei es bei anstehenden oder bereits laufenden Geschäften: Anwender dieses effizienten Risk Management Tools können ihr Debitorenverlust-Risiko massgeblich reduzie-

Praxisbeispiel Garage Herrenmatte – der D&B-Score warnte bereits 6 Monate vor dem Konkurs.

Das D&B-Frühwarnsystem ermöglicht präventive Handlungen ab Stufe Mahnung.

ren, indem sie aufgrund der erhaltenen Warnung bei anstehenden Geschäften vor­gängig die Zahlungsart bestimmen kön­nen (Vorauszahlung, Teilzahlung, weitere Sicherungsmittel wie Pfand o. ä.) oder bei laufenden Geschäften einen Lieferstopp verhängen – zu einem Zeitpunkt,

wo Handeln noch möglich ist und Schaden leicht und präventiv verhindert werden kann. *Sam Plecic ist Geschäftsleiter der Consulting-Firma SPBP.ch Weitere Informationen zum Thema: www.dnbprognose2.ch

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Finance Forum Update Session: Die steigende Datenflut erschwert den Datenschutz

Dringender Handlungsbedarf Text Brigitte Strebel-Aerni

Die Finanzindustrie muss sich auf eine Regulierungsflut vorbereiten. Das bedeutet noch mehr Daten und es wird noch schwieriger werden, diese zu verarbeiten, auszuwerten und zu lagern. Ganz abgesehen vom Schutz der Daten vor dem Zugriff durch Unbefugte. Ein Problem, das an Aktualität kaum zu übertreffen ist. Die Kosten drohen zu explodieren. «Information Governance» heisst das Gebot der Stunde. Dies ist die Message der letzten Finance Forum Update Session. Wir werden von einem eigentlichen Daten-Tsunami überschwemmt und es wird immer schwieriger, die wesentlichen In­for­ ma­tionen vom eigentlichen Datenmüll aus­zusondern. Gute Vorsätze allein genügen nicht, es ist dringender Handlungsbedarf angesagt, erklärte René Stierli, ge­schäftsführender Partner itopia AG an­­ läss­lich der Finance Forum Update Session vom 19. Januar. Banken und Versicherungen müssen dringend ihre Informamationsbestände analysieren, Regulatorien sowie Organisation und Zuständigkeiten prüfen. Also gilt es, Weisungen und Richtlinien für Nutzung, Aufbewahrung, Schutz und Kontrolle von Daten zu erlassen. Neben der Auswahl geeigneter Archiv- und Dokumenten-Systeme, sowie

Mit seinem Records Lifecycle Mana­gement (RLM) hat Andreas Kellerhals, Direktor des Schwei­zerischen Bundes­ archivs, einen eigentlichen Paradigmenwechsel in der Bundesverwaltung in Rich­tung E-Governance bewirkt. Die ProDr. Kurt Mäder, Head Andreas Kellerhals, Dible­matik der nachrichtenCorporate Service Cenrektor Schweizerisches losen Konti habe damals ter LLB Bundesarchiv BAR nicht nur viel gekostet, sondern auch zu einem Reputationsschaden geführt, erklärte er. eines effizienten Storage- und BackupDer richtige Umgang mit der InformatiManagements kommt vor allem der Awaonsflut, die Wahrung der Übersichtlichreness und dem Training des Personals keit und die Beherrschung der Vielfalt besondere Bedeutung zu.

Die Computer-Forensik hat Hochkonjunktur Bei ausländischen Steuerbehörden zum Kauf angebotenen CDs könnte mithilfe computerforensischer Methoden die Identität des anonymen Anbieters ermittelt werden. Jegliche Art von digitaler Information, die auf einem Datenträger abgelegt wird, hinterlässt Spuren, die auf den ersten Blick für den Normalanwender nicht sichtbar sind. Mithilfe spezieller Verfahren aus der Datenrettung und Computer-Forensik ist es möglich, den Weg der Daten zu ihrem Ursprung zurückzuverfolgen. Auf diese Weise kann nachgewiesen werden, wann und an welcher Stelle die vertraulichen Informationen einen

Ort verlassen haben, den sie nicht verlassen hätten dürfen. So lassen sich Rückschlüsse auf den Brennort einer CD ziehen. Logfiles könnnen Zugriffe auf Datenbanken liefern, vorausgesetzt, die Logfiles sind noch gespeichert. Betroffene Banken können ihrerseits durch die Eingrenzung der Mitarbeiter, die überhaupt die technischen Möglichkeiten für den Datenbankzugriff haben, gezielt Untersuchungen anstellen lassen. Die gerichtliche Verwertbarkeit solcher Daten muss allerdings von Fachjuristen beurteilt werden.

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financeforum

Heinz von Allmen, Leiter Group Records Manage­ ment der UBS

und die Gewährleistung der Verlässlichkeit sind die grössten Herausforderungen an das Records Management. Wichtige Zugangskontrollen Ein effizientes Records Lifecycle Mana­ gement (RLM) setzt auf Prävention und Kooperation sowie Automatisieriung und Systemintegration. Die Gefahr des Daten­ zugriffs durch Unbefugte ist in letzter Zeit gestiegen. Neben einer sauberen Prozess­ modellierung sind detaillierte Organisa­ tionsvorschriften, ein logisches Ordnungs­ system und eine prospektive Selektion mit einer klaren Definition der Aufbewahrungsfristen nötig. Dazu gehören Vollstän­ digkeitsprüfung, Aussonderung, Konvertierung und Konservierung bzw. Migration der Daten sowie die Regelung der Zugangsrechte für die Mitarbeiter. Bei der Archivierung gelte der Grundsatz: «Reduce to the Max». Letztlich gehe es darum, einen maximalen systemischen Nutzen für das Records Lifcycle Mangement zu schaffen, zum Beispiel, wenn es darum gehe, durch die Gewährleistung hoher Datenqualität die Mitarbeiter optimal zu unterstützen. Je besser die Daten, desto effizenter werden auch die Steuerung, die Koordination und die Geschäftskontrolle durch das Management. Eine gute Datengrund­lage erleichtert die Finanz­ kon­trolle sowie die Wahrnehmung der aufsichtsrechtlichen Funktion durch den Verwaltungsrat oder – im Falle des Bundes – der Regierung. Records Management war und ist mehr denn je das Thema bei den grossen Schweizer Banken. «Bei der UBS ist das seit der Fusion der alten SBG mit dem

Bankverein, seit Enron und den nachrich­ tenlosen Vermögen ein Dauerthema», erklärt Heinz von Allmen, Leiter Group Records Management & Data Protection bei der UBS. Und dass Data Protection nicht nur bei der UBS ein brandheisses Thema ist, das beweisen die jüngsten Ereignisse rund um die bei ausländischen Regierungen zum Kauf angebotenen gestohlenen Daten. Bei der UBS hat man nach dem Jahr 2000 eine eigentliche IT Governance auf­gebaut, ein globales Record Management System und entsprechende Policies und Regulations eingeführt. Allerdings sei man noch nicht so weit im Modellieren von strukturierten Prozessen zur Verarbeitung unstrukturierter Daten. Kein «one size fits all» Weniger stark mit der Problematik des Datenmanagements sind die kleinen Ban­ ken konfrontiert, die sich auf eine grosse Gruppe im Hintergrund stützen können, wie Enrico Rondi, Presidente della Dire­ zione Banca Raiffeisen in Bellinzona, betont. «Hingegen stellte die Übernahme der Bank Linth für die Liechtensteinische Landesbank LLB eine echte Herausforderung dar», erklärt Dr. Kurt Mäder, Head

Corporate Service Center der LLB. Hier ging es darum, kleine Geschäftsstellen mit physischen Archiven ins Datenmanagement-System zu integrieren. Für Constantin Kahn, Domain Architect Enterprise Content Management bei der Credit Suisse, gibt es für Grossbanken im Bereich der Compliance kein «one Size fits all». Die moderne Informations- und Kommunikationstechnologie fordert das Business heraus, denn in Zukunft wird die laufend produzierte Datenmenge das bisher gespeicherte Volumen bei Weitem übertreffen. Hier werde der Einsatz von Knowledge Management nötig. Allerdings – so Dr. Kurt Mäder – könne die Datenflut auch als Chance interpretiert werden. Richtig analysiert und aus­ ge­wertet, können Kundenverhalten und Kun­denbedürfnisse besser interpretiert werden. Für Heinz von Allmen besteht die Herausforderung weniger in der Menge, als im Suchen und im Finden der richtigen Daten. Es gehe darum, die Daten zu kanalisieren und zu ordnen, die richtigen Verarbeitungsprozesse einzuführen und das Records-Lebenszyklus-Management in Gang zu setzen.

Die Krux des Informationszeitalters

Text Jacqueline Schleier*

Banknoten sind nichts anderes als physische Informationsträger. Deshalb sind Banken Informationsverarbeiter. Sie verarbeiten vertrauliche Informationen. Deshalb ist das Datenmanagement so wichtig geworden. Die jüngsten Ereignisse haben gezeigt, wie essenziell im Big-Brother-Zeitalter die Datensicherheit geworden ist. Wie wichtig es ist, kriminellen Elementen den Zugriff zu sensiblen Daten zu verwehren. Andererseits können Bankgeschäfte für die Kunden nur dann effizient und gut abgewickelt werden, wenn die dafür notwendigen Daten zur richtigen Zeit am richtigen Ort verarbeitet und ausgewertet werden können. Nur so können die Kundenbedürfnisse zeitgerecht erkannt und befriedigt werden. Das wiederum ist die Grundlage für eine gute Qualität der Dienstleistung und für zufriedene Kunden. Es gehört zu den Spezialitäten des Finance Forum, brisante Themen aufzugreifen, diese zu diskutieren und die Finanzindustrie dafür zu sensibilisieren. Nur wer rechtzeitig die Weichen stellt, kann sich im globalen Wettbwerb behaupten. Das Finance Forum hat sich das hohe Ziel gesetzt, die Interdependenzen zwischen der modernen Informations- und Kommunikationstechnologie und der Finanzindustrie aufzuzeigen. Daraus ergeben sich grosse Herausforderungen – aber auch Chancen. Wer das Datenmanagement und die IT-Governance beherrscht, der kann sich im immer härter werdenden globalen Wettbewerb behaupten. Das Finance Forum will dazu seinen Beitrag leisten! *Managing Partner Finance Forum AG

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PUBLIREPORTAGE

Kompromisslose Automatisierung im Retro-Management Interview Thomas Messmer

Das Fondsmanagement gerät immer stärker ins Visier strategischer Anpassungen. Banken sehen sich vor die Notwendigkeit gestellt, die Administration und Abrechnung aller Provisionszahlungen in die eigenen Prozesse zu integrieren. Dabei können die immer komplexer werdenden Abrechnungsmodelle manuell nicht mehr bewältigt werden. Zusätzlich verstärken neue Vorschriften nach mehr Transparenz den Druck auf das gesamte Retro-Management. Das wirft Fragen nach umfassender Automatisierung auf. Die Bank Julius Bär hat sich für diesen Schritt entschieden – mit Erfolg.

Als Leiter des Retro-Managements der Bank Julius Bär sind Sie verantwortlich für die Vertrags- und Provisionsadministration externer Vermögensverwalter und Finder – ein arbeitsintensiver Bereich. Vor welchen Herausforderungen stehen Sie und Ihre Mitarbeiter? Tobias Weidmann: Es ist vor allem die Vielzahl der Abrechnungs­ modelle, die unsere Administration auf eine harte Probe stellt. Die von unseren EAMs garantierte Flexibilität wächst zu einer echten Herausforderung heran. Eines unserer Ziele ist deshalb die effizientere Verwaltung der Retrozessionszahlungen. Ausser­ dem wollen wir den Service für unsere externen Vermögensverwalter und Fin­der komfortabler gestalten. Die reibungslose und nachvollzieh­bare Verwaltung ihrer Retroabrechnungen und Verträge ist eine un­serer Hauptaufgaben. Dazu gehören weiterhin die Pflege der Stammdaten, eine professionelle Analyse und ein ebensolches Reporting und selbst­verständlich die Auslösung aller Zahlungen an unsere Partner. Vor welchen Anforderungen steht die IT in solch abrechnungs­ inten­siven Bereichen einer Privatbank? Adrian Hirsig: Unser Problem war das Vorgängersystem. Es war eine individuelle Lösung, die schon längere Zeit im Einsatz war. Sie konnte mit den Entwicklungen zu mehr Flexibilität und den Forderungen nach mehr Transparenz nicht mehr Schritt halten. Ausserdem bot das System keine Unterstützung für elektronisch gesteuerte Arbeitsprozesse. Nur mit hohem personellem Aufwand liessen sich die Abrechnungen durchführen. Der Pflege­ aufwand unserer Individuallösung stand in keinem Verhältnis

mehr zu den aktuellen Anforderungen. Hier war ein unübersehbarer Handlungs­bedarf entstanden. Bei der Suche nach Lösungen, unsere Prozesse schnell und nachhaltig zu modernisieren, sind wir immer wieder auf das Thema Automatisierung gestos­ sen. Hier wollten wir ansetzen. Bei dem Stichwort Automatisierung denkt man schnell an den völligen Umbau der bestehenden Prozesse. Welche Anforderungen stellten Sie an eine Lösung, die ihre Arbeitsabläufe automatisieren konnte, dabei schlank blieb und sich rasch ins eigene Gesamtsystem integrieren liess? Adrian Hirsig: Im Fokus der Anforderungen stand ganz klar die Modernisierung des gesamten Abrechnungs-Workflows. Schlüs­ sel­­anforderung an die neuen Werkzeuge war deshalb, wie vollständig sie eine Automatisierung unserer Prozesse zuliessen. Berechnungs­modelle sollten zuverlässig ins neue System einge­ führt oder modifiziert werden können – und zwar ohne Abhängigkeiten von IT-Ressourcen. Das galt auch für künftige RetroBerechnungen und Regulierungsanforderungen. Für die Aus­wahl

«Bei der Suche nach Lösungen, unsere Prozesse schnell und nachhaltig zu modernisieren, sind wir immer wieder auf das Thema Automatisierung ge­stossen.» Adrian Hirsig

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PUBLIREPORTAGE

«Je disziplinierter und umfassender die Definition der Anforderungen formuliert wird, desto weniger muss dann in der eigentlichen Umsetzungs­ phase korrigiert werden.» Tobias Weidmann

der neuen Lösung war demnach entscheidend, dass sie auch für künftige Entwicklungen gerüstet war. Neben der Modernisierung des Retro-Managements stand grundsätzlich eine Verschlankung unserer Systemlandschaft an. Da der Pflegeaufwand für unsere individuellen Applikationen zu hoch war, kam nur eine Standardlösung in Frage, die gleichzeitig extrem flexibel auf die eigenen Bedürfnisse eingestellt werden konnte. Wir brauchten in jedem Fall eine Lösung, die gleichzeitig für unsere vorgelagerten und nachfolgenden Schnittstellen offen war. Eine weitere Kernanforderung an die neue Anwendung war die vollständige Nachvollziehbarkeit der Abrechnungsmodelle. Mit einem umfassenden Audit-Trail wollten wir unseren externen Vermögensverwaltern einen wesentlich verbesserten Service bieten. Ein umfassendes Reporting ist inzwischen unverzichtbares Instrument in unserer durchdeklinierten Regulierungslandschaft. Standardlösung mit hohem Individualisierungsbedürfnis klingt nicht unbedingt leicht vereinbar. Fertige Lösungen gibt es immer mehr und individuelle Anpassungen kann man selten im Vorfeld überprüfen. Wie sind Sie bei der Evaluierung für die Lösung ihrer Ansprüche vorgegangen? Tobias Weidmann: Wir haben einen eigenen Evaluationsprozess dafür eingesetzt. Kern dieses Vorgehens ist eine Bewertungsmatrix, die wir voll auf unsere Bedürfnisse zugeschnitten haben. Nach der Formulierung eines Anforderungskataloges haben wir Referenzgespräche mit den Bewerbern durchgeführt. Die einzelnen Anforderungen und Fragen haben wir nach unserer Matrix gewichtet und streng bewertet. Ausschlaggebend war dann auf Grund­lage dieser Matrix die Beurteilung durch unser gesam­ tes Projektteam. Auf diese Weise haben wir einerseits Bewertungskriterien, die sich auf klare Fakten stützen, und vernachlässigen auf der anderen Seite nicht die «weichen» Faktoren. Dieses Vorgehen bewährt sich, wie dieses Projekt gezeigt hat. Nachdem sie mit calculo von der Sowatec AG den geeigneten Kandidaten gefunden hatten, wie vollzog sich der Projektablauf? In welchem Zeitrahmen sind die ehrgeizigen Ziele umgesetzt worden und welche Probleme sind während der Umsetzung aufgetaucht? Tobias Weidmann: Das Projekt stellte gleichsam hohe Anforderungen auch an die terminliche Umsetzung der Lösung. Planungs- und Evaluationsphase waren nach zwei Monaten abgeschlossen. In den ersten sechs Monaten wurde die gesamte Kon­zeption der Lösung erarbeitet. Diese Phase sind wir mit gros­ ser Sorgfalt angegangen. Je disziplinierter und umfassender die Definition der Anforderungen formuliert wird, desto weniger muss dann in der eigentlichen Umsetzungsphase korrigiert wer-

den. Dank der konse­quenten Einhaltung dieses Vorgehens waren dann die Realisierung und das Rollout in nur einem Quartal geschafft. Nach insgesamt nur zehn Monaten konnten wir mit der Einbindung der Lösung in die bestehenden Systeme beginnen. Bei Projekten mit diesen komplexen technischen Anforderungen müssen selbst bei sorgfältigster Vorbereitung Eingriffe während der Umsetzung vorgenommen werden. Glücklicherweise hatten wir mit Sowatec einen Partner, der flexibel und schnell auf unsere Änderungswünsche reagierte. Wie haben sich seit Einführung der neuen Lösung die Arbeitsabläufe im Retro-Management verändert? Wie zufrieden sind Sie mit den neuen Werkzeugen und welche weiteren Massnahmen sind geplant? Tobias Weidmann: Der gesamte Abrechnungsprozess unserer Kickbacks läuft jetzt wesentlich effizienter und schneller. Seit Ein­führung von calculo kann der gesamte Workflow elektronisch rea­lisiert werden. Zudem sinkt das operationelle Risiko bei den Abrechnungen gegen Null, weil menschliche Eingriffe nicht mehr nötig sind. Die personelle Entlastung unserer Mitarbeiter ist gewaltig. Mit der Automatisierung der Retrozessionszahlungen haben unsere Fachleute wieder Kapazitäten für spezielle Aufgaben. Von den neuen Funktionen des Audit-Trail profitieren unsere externen Vermögensberater und Finder. Das verbessert unseren Service für sie signifikant. Und schliesslich konnten wir die Kosten für die Pflege und Weiterentwicklung der Applikationen deutlich senken. Zusammenfassend können wir sagen, wir sind mit der Lösung vollumfänglich zufrieden. Deshalb haben wir tatsäch­ lich den Ausbau des Systems ins Auge gefasst. Wir planen zusätzliche Reports und den Ausbau des Clients für Relation­shipManager.

Die Julius Bär Gruppe, gegründet im Jahr 1890, ist der führende reine Vermögensverwalter in der Schweiz und konzentriert sich aus­schliesslich auf Private Banking und Asset Management für private und institutionelle Kundschaft. Julius Bär betreute per 30. Juni 2009 Kundenvermögen von insgesamt CHF 367 Mrd, einschliesslich verwalteter Vermögen in der Höhe von CHF 299 Mrd. Julius Bär beschäftigt mehr als 4000 Mitarbeitende in über 20 Ländern und an 40 Standorten – unter anderem in Zürich (Hauptsitz), Buenos Aires, Dubai, Frankfurt, Genf, Hongkong, London, Lugano, Mailand, Moskau, New York, Singapur und Tokio.

Bei Fragen gibt Ihnen Thomas Messmer gern Auskunft oder sendet Ihnen die neue calculo-Produktbroschüre zu. Kontakt: messmer@sowatec.com, Telefon +41 44 952 55 55

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Das Avaloq Banking System

Mehr Freiraum und mehr Sicherheit Bernhard Zihler, Avaloq Evolution AG

Gesamtbankenlösungen ersetzen in immer mehr Banken veraltete proprietäre Software. Damit gewinnen die Institute an Flexibilität und können das System an ihre Bedürfnisse anpassen. Der Zugriff auf die Daten lässt sich mittels Profilen sorgfältig regulieren.

Die Schweizer Bankenplattformen zählen zu den besten in Europa: Das belegt die zunehmende Ablösung proprietärer Software in den meisten Schweizer Banken. Stattdessen kommen Kernbankenlösungen wie das Avaloq Banking System zum Einsatz, am häufigsten im Private Banking und im Retail-Segment. «Wir sind stolz darauf, sowohl die meisten grossen Kantonalbanken als auch zahlreiche Privatbanken im In- und Ausland in unserer Community zu haben», sagt Avaloq-CEO Francisco Fernandez. Auf Standards beruhende Kernbankenlösungen treiben die Industrialisierung der Bankprozesse voran. Die Schweizer Banken sind hierin weltweite Vorreiter, vollziehen den Umstieg, während im Ausland vielenorts erst darüber nachgedacht wird. «Swiss Banking» in Form von Software – ein nachhaltiges Erfolgsmodell. Mehr Flexibilität Die Gesamtbankenlösung ist hochgradig standardisiert, lässt sich modular erweitern und bindet über offene Schnittstellen auch Legacy-Lösungen mit ein. Banken und andere Unternehmen der Finanzbranche erhalten damit einen hohen Grad an Flexibilität und profitieren zudem vom regen Erfahrungsaustausch in der Avaloq-Community, dem Treffpunkt von IT-Spezialisten der Kunden, Partner und von Avaloq. Francisco Fernandez sieht die Innovationskraft dadurch gestärkt: «In jenen Bereichen, die nicht durch Standardprozesse abgedeckt werden, können die Banken ihre Kunden mit Innovationen an sich binden, individuelle Prozesse enger an den Geschäftsprozessen ausrichten.» Die Gesamtbankenlösung ist das Fundament einer neu strukturierten Softwarelandschaft, in die Bankprozesse leichter denn je eingebettet werden können. «Gesamt» bedeutet nicht starr; das Avaloq Banking System umfasst vielmehr das ganze Bündel an Prozessen und lässt sich dabei individuell an die Erfordernisse des Instituts anpassen. Denn die Märkte unterscheiden sich hinsichtlich der IT-Instrumentarien: Je nach Region, Spezialisierung

oder Kundensegment ist für eine Bank ein integrales PortfolioManagement wichtig, für eine andere dagegen eher eine Kontaktcenter-Funktionalität. Mehr Sicherheit Das Avaloq Banking System bietet aufgrund seiner modularen Softwarearchitektur die bestmögliche Unterstützung zur Abbildung aller Sicherheitsanforderungen. Es erlaubt einer Bank, die Zugriffe auf die Daten strikte zu regulieren. Sie kann dazu Profile definieren. Dies bedeutet, dass jegliche denkbare Anforderung, was gesehen und verändert werden darf, abgebildet und dann den Mitarbeitern zugewiesen werden kann. Dies wiederum setzt klare Spezifikationen der Bank voraus. Mehr Wachstum Die Finanzkrise führt zu einer globalen Neuordnung der Finanzmärkte; viele Schweizer Banken haben Vorwärtsstrategien for-

Dank des Avaloq Banking Systems können sich Kundenberater auf ihre Kernkompetenzen und die Kundenarbeit konzentrieren.

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Publiforum

Francisco Fernandez, CEO der Avaloq Evolution AG und Architekt des Avaloq Banking Systems

Über Avaloq Die Avaloq-Gruppe ist Schweizer Marktführer für standardisierte Bankensoftware. Mit dem Avaloq Banking System hat das Unternehmen eine integrierte und modular einsetzbare Gesamtbankenlösung für Privat-, Retail- und Universalbanken, Vermögensverwalter sowie Transaktionsbanken auf dem Markt, auf die bereits rund 40 Banken weltweit vertrauen. Daneben bietet Avaloq Serviceleistungen über den gesamten Lebenszyklus der Banking Software an. In der Avaloq Academy werden Kunden zur selbständigen Weiter­ entwicklung des Avaloq Banking Systems ausgebildet. Die AvaloqCommunity ist für über 35'000 User, Partner und Angestellte von Avaloq Plattform zum Austausch von Know-how und innovativen Ideen. Avaloq ist in Zürich und an weiteren Standorten in der Schweiz sowie mit Niederlassungen in Luxemburg, Frankfurt, Wien, Moskau, Dubai und Singapur präsent. Im Zuge der Internationali-

muliert und suchen Wachstum über eine Expansion ins Ausland, in die Emerging Markets oder mit Onshore-Strategien in Europa. Avaloq geht mit ihnen und verhilft ihnen zu mehr Effizienz und tieferen Kosten, indem Synergien freigesetzt werden. «Unsere Software erfüllt die höchsten Compliance-Standards und bietet ein hoch integriertes Reporting mit Bewertungen, Steuerrepor­ ting etc. an – und dies auch in komplexen Regulationsräumen wie Deutschland», sagt Francisco Fernandez. Die Gesamtbankenlösung entspricht laufend dem Stand der gesetzlichen Regulatorien. Immer mehr Sprachen kommen hinzu, immer mehr Themen deckt die Software ab, die sich dank ihrer Struktur leicht an die lokalen Märkte anpassen lässt. Die Anwender in den Banken müssen sich dank dem Avaloq Banking System nicht mit Routineaufgaben befassen, nicht mit den geänderten Rechtsvorschriften, sondern haben den Kopf frei für ihre Kernaufgaben und die Kundschaft.

sierungsstrategie werden weitere Niederlassungen angestrebt. Die Avaloq-Gruppe ist mit mehr als 500 Mitarbeitenden Marktführer in der Entwicklung von Bankensoftware. Über 35 Finanzinsti­ tute weltweit vertrauen auf das Avaloq Banking System. Es ersetzt bestehende IT-Systeme und integriert diese in eine universelle, modular aufgebaute Bankenplattform. Weitere Informationen: www.avaloq.ch

Kontakt: Avaloq Evolution AG Bernhard Zihler , lic. phil. PR & Communications Zürcherstrasse 59, CH-8800 Thalwil Telefon: +41 58 316 10 10 E-Mail: bernhard.zihler@avaloq.com

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@ Analyse

Finanzkrise, Risikomanagement und ICT

Brutale Schwachstellen Text Hans-Jürgen Maurus

Die globale Finanzkrise hat viele Schwachstellen an den Finanzmärkten, bei der Finanzaufsicht und zahlreichen Banken aufgedeckt. Auch das Risikomanagement vieler Finanzinstitute war mangelhaft oder hat schlicht versagt.

Spitzenbanker wollen aus den schmerz­ lichen Erfahrungen Lehren ziehen.

Spitzenmanager wie Deutsche Bank Chef Josef Ackermann fordern nicht nur «strategische Lehren» zu ziehen, sondern räumen zwischenzeitlich offen ein, dass das Risi­komanagement «neu strukturiert», aber auch die Risikodisziplin gewahrt bleiben muss. Der Vorstandschef der DZ Bank Wolfgang Kirsch brachte es auf der EURO FINANCE WEEK in Frankfurt im November 2009 gar auf die Formel, dass «Banken und Regulierer viel weniger über ihr Geschäft wissen als sie denken.» Eine bemerkenswerte Selbsterkenntnis.

Viele Lehren sind aus der globalen Finanzkrise zu ziehen. Mehr Transparenz, mehr Kompetenz, mehr Disziplin, aber auch besseres Risikomanagement zählen zu den Forderungen. Dabei kann IT eine wichtige Rolle spielen. Die Krise der Finanzmärkte und die ver­heerenden Folgen für die Volkswirtschaften haben vielen klargemacht, dass Rea­lität und Gefahren hochkomplexer globaler Systeme nicht zu unterschätzen sind. Die Finanzmärkte haben nach Einschätzung von Prof. Martin Jetter, Vorsitzender der Geschäftsführung von IBM Deutschland «nicht die nötige Geschwindigkeit und Dynamik, die das 21. Jahrhun­ dert erfordert. Banken konnten die vielfäl­ tige Vernetzung ihrer Produkte und deren Risiken kaum noch managen. Die mangelhafte Beherrschung der Komplexität führte zu gigantischen Schäden. Die dahinterliegenden Systeme wurden vor einem Jahrzehnt und mehr eingeführt – in einer anderen Welt.» Jetter spricht in seiner Bestandsaufnahme einen bedeutsamen Punkt an. Die Revolution an den Finanzmärkten der letz­ ten zwei Jahrzehnte war qualitativ und quan­titativ enorm, die IT konnte in vielen Fällen nicht mehr Schritt halten. Mehr noch. Im Zuge der global diskutierten und partiell implementierten Reregulierung der Finanzmärkte werden neue Institutionen und Rahmenkonzepte auf der Basis veral­ teter oder herkömmlicher Technologien

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eingeführt, ohne die anhaltende Dynamik der Finanzmärkte zu berücksichtigen. Dabei müssen schon heute weltweit 10 Milliarden Transaktionen im weltweiten Finanzsystem verarbeitet werden. Neben dieser Abwicklung dürften die steigenden regulatorischen Auflagen die Komplexität weiter erhöhen und für die Finanzakteure eine zusätzliche Herausforderung darstel­ len. Dabei gibt es heute schon 10 000 regulatorische Vorschriften, die quantitativ und qualitativ noch zunehmen werden. Datenstandardisierung als Chance für Krisenprävention Als eine der strategischen Lehren aus der Finanzkrise könnte der IT eine zentrale Rolle zukommen, künftige Volatilitäten und Krisen präventiv zu bekämpfen, wenn Regulierer, Finanzaufsicht und Industrie die Chance für eine Kooperation nutzen, meint Prof. Jetter, konkret etwa die operativen Vorteile der Datenstandardisierung anzuerkennen und umzusetzen. Dies ist umso wichtiger, wenn die politisch Verant­ wortlichen realisieren, dass die Sammlung, Verarbeitung und Auswertung der Daten aller Marktteilnehmer immer wichtiger wird, um aufkommende Risiken recht­zeitig zu erkennen und zu publizieren. Neue intel­ ligente Technologien sollten in der Lage sein, der Datenflut Herr zu werden. Dafür sprechen erstens die zu­nehmende Rechenpower von Supercomputern, zweitens immer grössere Haupt­speicher und


@ Analyse

drittens schnellere Speicher­technologien durch Datenkompression. Ob eine Analyse von Risikodaten in Echtzeit möglich wird, bleibt abzuwarten. Gleichwohl können smarte Technologien die Art der Datensammlung, Verarbeitung und Analyse verbessern. Allerdings nur dann, wenn eine Standardisierung der Daten und der unterliegenden Sprache erfolgt, argumen­ tiert IBM Topmanager Jetter, weil sich sonst die Schere zwischen dem beschleunigten Fortschritt der IT und der zu langsam voranschreitenden Datenstandardisierung weiter öffnet. Riskantes Silodenken Als eine der zentralen Ursachen für un­ zureichende Transparenz im eigenen Risiko­profil machen IT-Fachleute das Silodenken in den Banken aus. Das Risi­ komanagement sei fachlich und technisch von Silos an Risikoarten geprägt, z. B. Marktrisiko, Kreditrisiko oder operationel­ les Risiko, die hinter Trennwänden gemanaged werden. Hinzu kommen Silos von Geschäftsbereichen, Regionen oder bei Zentralfunktionen wie Risikocontrolling und Finanzen. Nur eine integrierte Sicht der Risiken, also ein integriertes Risikomanagement, kann diese Schwach­stelle beheben. Zum integrierten Risikomana­ gement gehört aber insbeson­dere auch eine Verbesserung des «Re­portings», um die Geschäftsleitung zeitnah und umfassend über das aktuelle Ri­sikoprofil zu informieren. Prof. Jetter fordert «holistische horizontale Organisationsmodelle», um das Silodenken zu über­winden. Die Simulationsmodelle hätten versagt, weil die Risiken in den Silos entstanden, aber die Gefahren nicht gesehen wurden. «Hatte man ein Risiko gegenüber Lehman, wusste man es nicht», beschreibt Stephen Skrobala, Direktor von Oracle Fi­ nancial Services, das Debakel bei vielen Finanzakteuren. Silos sind wie Felder, «man hat Produkte, aber keine Verknüpfung». Risiken wurden einfach weitergereicht, so lange, bis sie nicht mehr identifizierbar waren. «Risiken kann man nie aus­schalten», warnt Skrobala, «aber man kann sie identifizieren.» Auch die Modellgläubigkeit erwies sich als Risiko, weil potenzielle Gefahren unterschätzt wurden. Daten allein garantieren übrigens keine

Transparenz, vor allem dann nicht, wenn sie überall verstreut oder schwierig heraus­ zufiltern oder nicht formatiert sind. Zudem haben Daten aus operationellen Systemen häufig nur eine begrenzte Aussagefähigkeit. Umso grössere Bedeutung erhält daher eine integrierte Risikomanagement­ strategie. Sowie die Wachsamkeit des Managements, sich nicht blind auf Mathe­ matiker oder Risikomanager zu verlassen. Dazu gehört auch, kritische Fragen zu stellen, wenn Projekte oder Produkte nicht verstanden werden. Systemische Risiken und «golden source» Die globale Finanzkrise hat eine Vielzahl von Schwachstellen aufgezeigt, darunter das «Too big to fail» -Syndrom sowie ein hochgefährliches Systemrisiko, wenn etwa ein Schneeballeffekt nach dem Zusam­ men­bruch einer systemrelevanten Bank à la Lehman Brothers oder Hypo Real Estate droht. Auch bei der Betrachtung systemischer Risiken kommen Daten eine Schlüsselrolle zu. Denn die geplante Grün­ dung eines «European Systemic Risk Boards» macht unabhängig von den Kompetenzen nur dann Sinn, wenn eine solche Institution über ausreichende Informationen verfügt, um Anzeichen gefährlicher Trends zu erkennen und vor einer heraufziehenden Katastrophe zu warnen. Viele Fragen sind ungeklärt. Wie soll die Regulierung aussehen, um Systemrisiken auszuschalten? Welche Arten von Daten werden benötigt und sind sie überhaupt vergleichbar? Und wie werden Daten künftig gekennzeichnet und referenziert ? Relevante Daten müssten in jedem Fall zusammengeführt und konsolidiert werden. Regulatoren sind aber nur fähig, systemische Risiken effektiv zu beherrschen, wenn alle grossen Akteure die gleiche Sprache sprechen, soll heissen, die richtigen Daten rechtzeitig im gleichen Format zur Verfügung stehen. Nicht zu vergessen der gewaltige Umfang der Datenmengen. Neben Wertpapier- und Unternehmensdaten geht es auch um Informationen über Emittenten, Garantiegeber, Wertpapierstammdaten, Markt­daten etc. Und sollte die Politik gegenüber dem Schattenbankensystem Ernst machen und mehr Transparenz er-

zwingen, würde die Datenflut weiter zunehmen. Im Bereich Systemic Risk zeichnen sich laut Prof. Jetter vier Bereiche ab: 1. Modellierung von systemischen Risiken 2. Bereitstellung geeigneter Daten 3. Adäquate Rechenpower 4. Aufbau der Regulation Konkret arbeitet IBM am Forschungslabor Watson Research Center unter der Rubrik «Reference Data for Systemic Risk» und stützt sich dabei auf Konzepte, die von der Europäischen Zentralbank, der New York Fed und von SWIFT gefördert werden. Ziel der Forschung ist es, eine Plattform mit qualitätsgesicherten Stamm­­ daten über alle Wertpapiergattungen zu schaffen, keine «golden copy» sondern eine «golden source». Damit soll die Grund­ lage für eine effektive Unterstützung des Risikomanagements auf einer transparen­ ten Basis geschaffen werden. Davon könnten sowohl Regulatoren als auch einzelne Institute und Marktteilnehmer profitieren, vor allem in Hinblick auf das Erkennen und Bewerten systemischer Risiken. steigende komplexität Die Finanzkrise hat auch die Strukturschwächen im Bankenmanagement, bei den Aufsichtsbehörden, Zentralbanken, bei den Ratingagenturen und in der Politik offenbart. Allen gemeinsam ist ein wachsendes Kompetenzdefizit angesichts steigender Komplexität. Die angeblich so sicheren Simulationsmodelle erwiesen sich als wertlos, weil sie nicht zuletzt immer nur Risiken, Gefahren und Krisen aus der Vergangenheit simulierten. In der Regel wird auch die Komplexität der Materie aufgrund fehlenden Know-hows im Management unterschätzt. Viele Aufsichtsräte sind gar nicht in der Lage, Risiken zu durchdringen und zu erkennen. Eine Stärkung des Risikomanagements verlangt auch Bundesbankpräsident Axel Weber, der künftig Eigenkapitalerleichterungen nur noch dann gewähren will, wenn die Risikomanagementstrukturen verbessert werden.

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TECHNOLOGY REPORT

So können sich Versicherungen «App-heben»

Mobile Apps: Chance zur Differenzierung Text Claudia Bardola

Mobile Applikationen für das Handy bergen für die Assekuranz ein enormes Potenzial: Die Versicherer können damit nicht nur ihren Kunden einen deutlichen Mehrwert bieten, sondern gleichzeitig auch die internen Prozesse beschleunigen. Das Internet hat den Sprung in die Mobilität definitiv geschafft: Spätestens seit Apples iPhone den Markt vor gut zwei Jahren im Sturm erobert hat und quasi zur Blaupause für neue Smartphones wur­ de, ist das Internet aus der Hosentasche zur Massenanwendung geworden. Mittler­ weile sind in der Schweiz schätzungsweise rund 1,4 Millionen Smartphones in Betrieb – gut ein Drittel davon sind iPhones. Dementsprechend rasch steigt auch die Nachfrage nach mobilen Applikationen, den sogenannten Apps, die sich die Nutzer auf ihre Alleskönner-Handys laden: Jeder User installiert sich gemäss dem Be­ratungshaus Gravity Tank durchschnittlich rund 25 dieser Progrämmchen auf sein Mo­biltelefon. Von diesem Trend können auch Versicherungen in hohem Masse profitieren, ist Elgar Fleisch, Professor für Informationsund Technologiemanagement an der ETH Zürich sowie an der Universität St. Gallen überzeugt: «Mobile Applikationen bergen ein immenses Potenzial für die Assekuranz. Schliesslich ermöglichen sie nicht nur die Erschliessung eines neuen Servicekanals, sondern bringen auch eine klare Erhöhung der Kundenbindung und können in bestimmtem Mass auch als Vertriebskanal wirken. Und dies ist insbesondere in Zeiten, in denen die Versicherer unter hohem Differenzierungsdruck ste­hen, von grosser Bedeutung.» Fleisch weiss, wovon er spricht. Er ist Mitbegründer des I-Lab, das sich unter

an­derem die Erforschung der neuen Anwendungsmöglichkeiten des Mobiltelefons für Versicherungen auf die Fahne geschrieben hat. Das 2007 als gemeinsame Initiative der ETH Zürich und der Universität St. Gallen gegründete Kompe­ tenzzentrum sieht sich dabei in erster Linie als verlängerte Werkbankseiner Industriepartner. So führt es im Auftrag von Versicherungen oder Technologieunternehmen Studien durch, entwickelt Prototypen und versucht, die Bedürfnisse der Endkunden zu ergründen. So etwa im Rahmen einer Studie, die das I-Lab kürzlich gemeinsam mit der Swisscom durchgeführt hat. Deren erklär­ tes Ziel war es, relevante mobile Anwendungen für Versicherungen zu identifizieren. Dafür liessen die Wissenschaftler potenzielle Versicherungs-Apps von rund 2000 Nutzern bewerten. Das klare Fazit: Applikationen auf dem Handy haben bei den Nutzern eine weit höhere Akzeptanz, als von der hiesigen Assekuranz bislang vermutet. Dabei haben gemäss der Studie jene mobilen Dienste, die einen hohen Service­ charakter aufweisen, die besten Erfolgsaussichten: So schnitten in der Nutzerbewertung Tools, die unmittelbar in einem Schadenfall von Nutzen sind, wie beispiels­ weise ein Notfallknopf, eine Erste-HilfeUnterstützung oder ein mobiler Schadensmeldungsassistent mit Abstand am besten ab. Verkaufsorientierte Anwendun­ gen wie individualisierte Produkteinfor-

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Elgar Fleisch ist Professor für Infor­ma­ tions- und Technologiemanagement.

mationen oder der mobile Versicherungsabschluss kamen hingegen eher schlecht an. Vorreiterin in Sachen mobile Apps ist vor allem die US-amerikanische Assekuranz. So hat beispielsweise die in Ohio beheimatete Nationwide als erste Ver­ sicherungs­gesellschaft im vergangenen Frühling eine iPhone-Anwendung auf den Markt gebracht, die bei Autounfällen nütz­ ­liche Dienste leistet: Nachdem es gekracht hat, gibt das Programm dem Lenker Schritt-für-Schritt-Anweisungen, hilft beim Informationsaustausch mit dem anderen Fahrzeughalter und per Knopfdruck können Polizei, Krankenwagen, Ab­ schlepp­dienst oder der nächste Versiche­ rungsagent gerufen werden. Mithilfe von GPS und Handykamera wird der Unfallort exakt bestimmt und der Schaden kann auf diese Weise detailliert dokumentiert werden. Auch Farmers, eine Tochtergesellschaft der Zurich Financial Services, hat mittlerweile nachgezogen und eine ähnliche Applikation vorgestellt. Konkurrentin Geico hingegen setzt auf transak-


TECHNOLOGY REPORT

tionsbasierte Dienste: Mit ihrer Anwendung können Kunden Einsicht in ihre Versicherungs­police nehmen, diese anpassen und auch mobil abrechnen. Schweizer Assekuranz will aufholen In der Schweiz sind derweil mobile Applikationen von Versicherungen noch recht spärlich gesät. Bis auf Kalorienrechner, Wetteralarm oder ähnlich informationslastige Dienste sind bislang kaum entspre­ chende Angebote auszumachen. Doch das dürfte sich schon bald ändern, prognostiziert Fleisch: «Im vergangenen Jahr hat sich bei vielen Versicherern ganz klar die Erkenntnis durchgesetzt, dass man mit dem Mobiltelefon mehr tun kann, als bloss zu telefonieren und dass entsprechende Applikationen die Möglichkeit zur Differen­ zierung bieten. Ich bin überzeugt, dass wir in den nächsten zwei Jahren eine ganze Reihe neuer Apps sehen werden.» Das entsprechende Know-how ist auf alle Fälle bereits vorhanden. So hat das

wicklung im Schadenfall beeinflusst wird. Auf der anderen Seite profitiert auch die Versicherung selbst – nämlich dadurch, dass sie umgehend über den Schadenfall informiert wird und damit die Bearbeitungsprozesse beschleunigen und auch gezielt steuern kann. Denn statistisch gesehen werden heute nicht einmal ein Viertel der Kfz-Haftpflicht oder -Kaskoschäden in den ersten beiden Tagen nach dem Unfall gemeldet, sondern erst dann, wenn bereits Kosten entstanden sind. Bei einer zeitnahen Schadenmeldung hingen kann der Versicherer die bestmög­ liche Abwicklung veranlassen, beispielsweise, indem er seine Vertragspartner für Reparatur- und Abschleppdienste aufbietet. Experten gehen davon aus, dass in diesem Bereich Kosteneinsparungen von bis zu 15 Prozent drinliegen. Doch selbst bei einer Reduktion von lediglich fünf Pro­ zent könnte ein mittelgrosses Schweizer Versicherungsunternehmen jährlich zweistellige Millionenbeträge einsparen.

I-Lab etwa mit der Geschäftssoftwareschmiede SAP ein entsprechendes For­sch­ungsprojekt in Sachen mobile Schadenmeldung aufgegleist. In einem ersten Schritt wurden bestehende Geschäftspro­zesse im Schadenmanagement analysiert und Optimierungspotenzial identifiziert. Auf­­bauend auf diesen Ergebnissen wurde ein Demonstrator zur mobilen Scha­denmeldung gebaut. Grundsätzlich soll die Applikation für Smartphones unkompliziert den Kontakt zur Versicherung herstel­len. Neben dem direkten telefonischen Kontakt erfährt der Kunde auch interaktiv, wie er reagieren soll und welche Versicherungsleistungen er in Anspruch nehmen kann. Gleichzeitig wird der Schadensabwicklungsprozess bei der Versiche­rung automatisch ausgelöst. Gerade im Schadenmanagement können Versicherer mit mobilen Anwendungen also einen echten Mehrwert bieten. Und das scheint umso wichtiger, als dass die Zufriedenheit des Kunden mit seinem Versicherer heute vor allem durch die Ab-

Schweizer Versicherungen tun sich schwer mit dem Online-Marketing (iphone apps, widgets)

Offert-Tools für Prämienrechner?

Schweizer Versicherungen tun sich schwer mit dem OnlineMarketing

iPhone Apps, Widgets, Offert Tools, Prämienrechner?

ArgYou AG hat sich exklusiv den wichtigsten Anbietern von Versicherungsleistungen im Internet

Im zugewandt. Auftrag von ICT in Finance hat sich die ArgYou AG, als etablierte Anbieterin vonauf den Webseiten der Versicherungen angeboten Die bedeutendsten Themen, welche aktuellen Online-Marktforschungen, exklusiv den wichtigsten Anbietern von Unabhängig von der Grösse der Webauftritte beschäftigen sichoder Zürich Versicherung, Versicherungsleistungen Internet zugewandt. Die bedeutendsten Themen, werden, sindimOnline-Services, E-Business, Online-Tools, Online-Schadensmeldungen FinanzSwissRe und SwissLife derzeit am intensivsten mit den neuen Medienmöglichkeiten welche auf den Webseiten der Versicherungen angeboten werden, sind OnlineServices, E-Business, Online-Tools, Online-Schadensmeldungen oder Finanzrechner. im Online-Marketing. Schlusslicht bei diesem Vergleich ist AXA Winterthur. rechner. iPhone Apps oder Widgets sind offensichtlich (noch) kein Thema für die Assekuranz. iPhone Apps oder Widgets sind offensichtlich (noch) kein Thema für die Assekuranz.

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Online-Service

Zürich Financial

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Swiss Re

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Finanzrechner

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Die zehn wichtigsten Themen rund um Online-Applikationen gefunden auf den Webauftritten der fünf grössten Schweizer Versicherer.

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Die fünf grössten Schweizer Versicherer verglichen nach ihrer Online-Affinität.

Die zehn wichtigsten Themen rund um Online-Applikationen ge-

Die fünf grössten Schweizer Versicherer verglichen nach ihrer

funden auf den Webauftritten grössten Schweizer Versicherer.

Online-Affinität. Die ArgYou AG analysiert mit computergestützten Inhaltsanalysen systematisch Branchen und Trends in der Onlinewelt. Weiterhin misst ArgYou auch die Qualität von Online-Kampagnen sowie Webseiten und findet stets die richtige Agentur für jedes Online-Projekt.

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TECHNOLOGY REPORT

«Viele sind dem mobilen Trend bereits auf der Spur»

Umdenken! Text Claudia Bardola

Weshalb Versicherungen das Thema «Mobile Apps» auf ihrer IT-Agenda nach oben schieben sollten und wie sie sich dem Thema effizient annähern können, erklärt Albrecht Bereuter, Leiter des I-Lab, (eine gemeinsame Initiative der eth und der uni st. gallen) im Interview.

ICT: Herr Bereuter, bereits vor zehn Jahren war Mobile Commerce in der Assekuranz ein grosses Thema. Die damaligen Projekte sind praktisch allesamt gescheitert. Warum klappt es dieses Mal? Albrecht Bereuter: Vor zehn Jahren war die Technik nicht einmal ansatzweise bereit für den Mobile Commerce. Mittlerweile hat sich die Art und Weise, wie Mobiltelefone eingesetzt werden, völlig verändert. Das Handy ist zum emotionsgeladenen Gadget geworden, das man ständig bei sich trägt und längst nicht mehr nur zum Telefonieren nutzt. Schliesslich ist das mobile Internet durch wesentlich verbesserte Mobilfunkstandards mas­ sentauglich und dank Flatrates auch erschwinglich geworden. Selbst die Instal­lation von Applikationen auf dem Mobiltelefon ist heute alltäglich. Wo können Versicherungsunternehmen durch den Einsatz von mobilen Anwendungen am meisten profitieren? Mobile Applikationen sind primär im Servicebereich sowie in der Kundenansprache eine sehr vernünftige Ergänzung zu den bestehenden Kanälen. Der typische Versicherungskunde hat eigentlich nur im Schadenfall direkt Kontakt zu seinem Versicherer – und ein solcher tritt laut Statistik nur alle sieben Jahre auf. Mobile Dienste eignen sich hervorragend, um mit den Kunden in Verbindung zu bleiben. Als zusätzlicher Vertriebskanal sind mobile Anwendungen nur bedingt geeignet, weil die Schweiz ein sehr traditioneller Markt ist und rund 80 Prozent des Massengeschäfts nach wie vor über Agenten laufen. Es ist unwahrscheinlich, dass Kunden, während sie im Zug sitzen oder

auf den Bus warten, aus Langeweile eine Versicherung abschliessen. Denkbar wäre aber beispielsweise, dass im Bedarfsfall Zusatzdeckungen über mobile Anwendungen gekauft werden können, beispielsweise eine Ski- oder Reisekostenversicherung. Weshalb ist die hiesige Assekuranz dennoch so zögerlich, wenn es um den Einsatz von mobilen Apps geht? Viele Unternehmen sind mit der Ablösung von Kernapplikationen, der Abbildung ihrer Multichannel-Strategien oder der Industrialisierung an sich beschäftigt. Kein Wunder also, steht die Einführung von mobilen Anwendungen nicht zuoberst auf ihrer Agenda. Zudem darf man nicht vergessen, dass die Assekuranz bis vor wenigen Jahren noch ein stark regulierter Bereich war, in dem die Innovationskultur nicht besonders ausgeprägt war. Erst jetzt sind langsam erste Anzeichen auszumachen, dass die Versicherungen sich durch technische Innovation zu differenzieren und zu positionieren versuchen. Hinken die Schweizer Versicherer also den mobilen Trend hinterher? In unserer Forschungsarbeit sehen wir, dass das Gros der Schweizer Versicherungen dem Trend schon auf der Spur ist, und dass ein kleinerer Teil sich bereits in der Umsetzung befindet. Wir stehen noch ziemlich am Anfang der Trendkurve. Was empfehlen Sie jenen Versicherern, die sich erst in der Evaluierungsphase befinden? Es ist an der Zeit, sich mit dem Thema intensiver zu befassen. Es sollten kleinere Pilotprojekte initiiert und in diesem Rahmen erste Erfahrungen mit dem neuen

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Albrecht Bereuter, Kompetenz­zentrum I-Lab ETH ZH und Uni St. Gallen

Kanal gesammelt werden. Dabei gilt es spielerisch herauszufinden, wie das spezifische Kundenverhalten ist, was die Anwender wirklich interessiert und wie das Mobiltelefon als zusätzlicher Kanal in die gesamte IT-Architektur sowie in die Entwicklungs- und Software-Deploymentprozesse integriert werden kann. Wie schätzen Sie die Aufwände ein, mit denen ein Versicherer bei der Einführung von mobilen Services rechnen muss? Aus finanzieller Sicht sind solche Projekte absolut überschaubar und quasi «Peanuts» im Vergleich zu den grossen, noch immer anstehenden IT-Vorhaben. Aufwand besteht in organisatorischer Hinsicht: Es muss ein Wandel in den Köpfen stattfinden. Mobilen Anwendungen sind ein neuer Service-, Kommunikationsund Vertriebskanal. Dies betrifft die Kommunikation, das Design von Produkten, die Kundenansprache oder die Integration von sämtlichen Partnern, die in die Dienstleistungsprozesse involviert sind.


TECHNOLOGY REPORT

Die Auswirkungen moderner Internetdienste auf den Beratungsprozess

Web 2.0 im Private Banking Text Beat Fraefel*

Das World Wide Web hat sich von der hierarchisch organisierten Informationsquelle zum sozioökonomischen Marktplatz weiterentwickelt. Dies wird häufig unter dem Schlagwort «Web 2.0» beschrieben. Dabei handelt es sich um benutzergenerierte Inhalte, welche einen stärker partizipativen sowie emotionaleren Umgang mit dem World Wide Web ermöglichen.

Der Autor des Buchs «Web 2.0 im Private Banking»**, René W. Keller, gibt prak­tisch nutzbare Antworten, die für Nicht-Techniker wohltuend leicht verständlich sind. Da­ zu gibt er eine Übersicht über die verschie­ denen unter «Web 2.0» subsummier­ten Komponenten wie Weblogs (Blogs), Social Bookmarking, Wikis, Podcasts, RSS Feeds oder Online-Web-Services. Anhand eines standardisierten Kundenberatungsprozesses werden die denkbaren Wirkungsfelder aufgezeigt. Nicht alles technisch Mögliche stiftet wirklich einen Nutzen. Deshalb werden vier Anwendungsmöglichkeiten mit hohem Nutzen detaillierter aufgezeigt: • Anwendungen • Nutzen für die Bank • Nutzen für Kunde • Online Collaboration Software • Zeitersparnis (Verkürzung von internen Entscheidungen, effizienter Informa­ tionsaustausch). • Verkürzung des Beratungsprozesses. (Die Online-Zusammenarbeit mit Kun­den ist technisch möglich, erscheint jedoch vom Aufwand-Nutzen-Verhältnis für den Beratungsprozess wenig sinnvoll) • Produktbewertungen • Relevantes Feedback zu den bankeigenen Produkten und Dienstleistungen direkt vom Kunden. Erlaubt der Bank eine verbesserte Produktentwicklung

und erhöhte Kundenbindung • Erhält Informationen von anderen Kunden und bessere Entscheidungsgrundlagen. Kunde kann direkt Feedback zu Produkten/Services geben • Feeds und Podcasts • Thematische Rückmeldung über Kundenpräferenzen • Reduzierung redundanter oder nicht relevanter Informationen. Informationslieferung mit dem gewünschten Medium. • Kundenakquisition in Social Networks • Effiziente Identifikation von interessanten Neukunden • Wird gezielter auf seine Umstände und Bedürfnisse angesprochen. Kundenzentrierte Angebote • Web 2.0-Anwendungen mit hohem Nutzen für Finanzdienstleister Wesentliches Merkmal der «Web 2.0Philosophie» ist die Tatsache, dass jeder Nutzer auch ein potenzieller Ersteller von Informationen ist. Dieses «many-to-many Publishing» birgt neben den Chancen gerade im Private Banking verschiedene Risiken: Es gilt, Fragen zu Datenintegrität und Vertraulichkeit sowie Rechtsfragen zu beantworten, aber auch mangelndes Verständnis oder Unverträglichkeit mit der Kom­munikationskultur im Unternehmen können Stolpersteine sein. Der Autor kommt zum Schluss, dass der Einsatz von Web 2.0-Anwendungen in

der Regel keine grossen Investitionen erfordert, da diese vielfach auf der bestehenden technischen Infrastruktur implementiert werden können. Dies führt zur Em­pfehlung, dass sich die Finanzinstitute gezielt mit Web 2.0-Dienstleistungen im Beratungsprozess auseinandersetzen sol­ len, um praktische Erfahrungen zu sam­

meln. Der erfolgreiche Einsatz der Möglichkeiten von Web 2.0 ist also weniger eine technische Herausforderung, son­ dern vielmehr eine Denkhaltung, wie man Kunden und Mitarbeiter mittels Tech­no­ logie von Betroffenen zu Beteiligten macht. Gerade für Bankfachleute ohne technische Spezialkenntnisse bietet dieses Buch einen hervorragenden Einblick in die Chan­cen und Risiken von Web 2.0. **René W. Keller: Web 2.0 im Private Banking (Diplomarbeit Swiss Finance Institute, Haupt-Verlag, ISBN: 978-3-258-07468-9) *Beat Fraefel ist Change Management Consultant bei Fraefel & Partner GmbH und Präsident der Swiss Finance Institute Alumni Association.

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Business Solutions

Kernbankensoftware-Anbieter am Persischen Golf

Minenfeld Dubai Text Gérard Al-Fil

Dass es schweizerische Anbieter von Kernbankensoftware in den Mittleren Osten zieht, hat sich herumgesprochen. Wer aber sind vor Ort die Mitbewerber von Avaloq, Eri Bancaire, Temenos und Sungard? ICT in Finance sondiert den Markt. Wo neue Banken im Dutzend gegründet werden, sind Anbieter von Kernbankensoftware nicht weit. Alleine in dem Golfstaat Vereinigte Arabische Emirate (VAE) wurden in den letzten zwei Jahren drei neue Banken ins Leben gerufen: Ajman Bank, Noor Islamic Bank und Al Hilal Bank. Mit der Samba Financial Group aus Saudi-Arabien und der Doha Bank aus Katar stiessen zwei neue Auslandsbanken hinzu. Die gemessen an den Assets grösste Bank im Mittleren Osten, die Emirates NBD, ist in Dubai zu Hause. Damit stieg die Zahl der Kreditinstitute im wirtschaftlich offensten Golfstaat auf 54. Die Finanzkrise führte in der Region lediglich zu drei Bankenpleiten in Bahrain und Kuwait, in den USA waren es bis Redaktionsschluss allein in diesem Jahr 89. Die Wüste als grüne Wiese Als erster Anbieter aus der Schweiz ging die Temenos AG aus Genf in den Orient. Inzwischen verfügt das Unternehmen von CEO Andreas Andreades über Niederlassungen in Dubai und in Riad, Saudi-Arabien, und konnte prominente Kunden gewinnen wie Al Salam Bank in Bahrain und Al Hilal Bank in Abu Dhabi. Mit der Bank Muscat zählt Temenos den Marktführer im Golfstaat Oman zu ihrem Portfolio. Auf Vermögensverwalter hat es die ebenfalls in der Rhonestadt ansässige Eri Bancaire mit ihrer Lösung Olympic abgesehen. Eri Bancaire unterhält noch keine Niederlassung in Dubai, zeigt aber auf Finanzkonferenzen regelmässig am Golf Flagge. Der Schweizer Marktführer Avaloq, seit 2007 in Singapur ansässig, plant mit einer Branch in Dubai, die demnächst er-

öffnet wird, die geografische Lücke zwischen Ostasien und Europa zu schliessen und wird sich so zwangsläufig in einem Duell in Übersee mit dem heimischen Rivalen Temenos wiederfinden. Das vermeintliche Schlaraffenland entpuppt sich bei näherem Hinsehen als ein «Minenfeld», wie ein Schweizer IT-Manager in Dubai sagt. Der Grund: Von den 54 Banken sind 28 Auslandsbanken, die bei der Wahl der internen Software selten autonom entscheiden dürfen. Vielmehr sind sie an Weisungen der Muttergesellschaft am Heimatstandort gebunden. So-

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mit engt sich das Feld auf die lokalen Finanzinstitute ein, die noch vor wenigen Jahren mehrheitlich auf «inhouse-Solutions» setzten, d.h., sie haben ihre IT-Kernbankenarchitektur oft selbst aufgebaut. Dieser hohe Grad an Fertigungstiefe ist typisch für die Finanzbranche in den aufstrebenden Märkten. Im Mittleren Osten kommt noch die Macht der Unternehmerfamilien hinzu, die bei den meisten lokalen Banken Mehrheitsaktionäre sind und selbst kleinste Dienstleistungen nur ungern an fremde Dritte outsourcen. Das beste Beispiel ist die Mashreqbank in Dubai, die der Dubaier Milliardärsfamilie Al-Ghurair gehört und mit Mindscape IT ihre eigene IT-Tochter besitzt, die nur für das eigene Unternehmen, jedoch nicht am Markt operiert. Die Mashreqbank ist die das einzige Finanzinstitut in den VAE, an dem der Staat keine Anteile hält. Trotz dieser Widrigkeitenn konnte die Branche in den letzten Jahren einige bedeutende Deals an Land ziehen. I-Flex Solutions konnte mit der Commercial Bank of Dubai, der Nummer neun in den VAE, und der Dubai Islamic Bank, der ältesten islamischen Bank (gegründet 1975) zwei für ihren expansiven Kurs bekannte Instititute als Kunden gewinnen. Core-Banking-Solutions-Verträge sind langfristig angelegt und haben eine höhere Überlebenschance, wenn die Kundenbanken gemeinsam mit der Applika­ tion wachsen. «Mister X» als Mitbewerber Neben den auch in Europa bekannten Mitbewerbern wie Mysis, Pinnacle Infosys


Business Solutions

(nennt ABN Amro in Dubai als ihren Kunden) oder iFlex tummeln sich aber auch Konkurrenten am Persischen Golf, die in unseren Breitengraden fast unbekannt sind. Während Tata Consulting aus Indien, die in den Golfstaaten sieben Bankkunden vorweist, weltweit ein Begriff ist, lösen Brands wie InfrasoftTech und Polaris aus dem indischen Mumbai, Path Solutions aus dem Libanon oder Microlink aus Malaysia bei CIOs aus der Schweiz häufig eine «Wer?»-Reaktion aus. InfrasoftTech, die sich auf mittlere Banken konzentriert, zählt laut dem britischen Fachmagazin IBS Publishing zu den Top 3 der Bankensoftware-Programmierer, zusammen mit Temenos und Oracle. Angeblich konnte Infrasoft im vergangenen Jahr 34 neue Geldhäuser als Kunden gewinnen. Im Mittleren Osten ist der Infrasoft-Kunde Bank of Bahrain and Kuwait nennenswert. Infrasoft und Path Solutions haben auch eine Scharia-konforme Core-Banking-Solution im Angebot. Dies ist kein Luxus, sondern Pflicht. Nach Angaben der Bank Sarasin in Dubai werden in den VAE 2010 ein Viertel, in Saudi-Arabien sogar die Hälfte der Banken-Assets auf der Grundlage der koranischen Rechtsprechung angelegt werden, die Zinsen, Short-Selling, Derivate und Hedge Fonds kategorisch ausschliesst. Ausserdem werden Kundeneinlagen bei einer Islamic Bank als Aktivposten eingestuft und nicht wie bei einer konventionellen Bank zum Passivgeschäft hinzugerechnet. (Siehe auch ICT in Finance, Februar 2009: Islamic Banking zwischen Ethos und Chaos). Temenos bietet sein Flagschiffprodukt T24 in einer islamischen Version an. Avaloq wird nicht umhin kommen, eine IIslamic-Banking-Lösung zu entwickeln, falls sie im Nahen Osten bestehen will. Sungard hat sein AMBIT Core Banking für Islamic Banking bei MCB Bank Ltd. (Muslim Commercial Bank) im Einsatz. Dass es aber selbst für Anbieter mit einer Scharia-konformen Lösung schwer ist, Marktanteile zu sichern, zeigt das Beispiel Microlink Solutions. Der Anbieter aus Kuala Lumpur unter chinesischer Leitung ist in «seiner» Region Südostasien fest verankert. Er nennt in seinem Heimatland Malaysia 12 Banken als Kunden,

ausserdem zwei weitere im Sultanat Brunei und in Thailand. Das Unternehmen von CEO Young Kar Seng konnte aber trotz intensiver Marketingmassnahmen seit 2005 in den arabischen Ölstaaten bislang keinen bedeutenden Auftrag an Land ziehen. Die von Microlink entwickelte Core Banking Solution MiBS setzen im Mittleren Osten und Nordafrika der­zeit nur in Kuwait die International Leas­ing and Investment Company und im Sudan die Bank of Khartoum und die Capital Bank of Sudan ein. Ein Versuch, die Bankniederlassungen der niederländischen ABN Amro in Pakistan mit MiBS auszurüsten scheiterte 2005. Engpass Personal Massive Budgetkürzungen blieben in der IT-Branche am Golf trotz der Finanzkrise aus. Im Gegenteil: «Die Banken bremsten ihre Expansion im In- und Ausland und

nutzten die Marktflaute, um ihre internen Prozesse zu optimieren», sagt ein aktueller Bericht des IT-Research-Unternehmens IDC in Dubai. «Die Investitionen in IT-Sicherheit nahmen bei Banken in den VAE von 2005 bis 2008 um 200 Prozent zu», so ein Sprecher des Security-Giganten RSA in Dubai. Laut IDC nennen 70 Prozent der CIOs im Mittleren Osten den Mangel an qualifiziertem Personal als die grösste Herausforderung der nächsten Jahre. Der Markt dürfte noch enger werden. Inzwischen hat die Habib Bank AG Zurich (HBZ) angekündigt, ihre InhouseKernbankenlösung zu vermarkten. Dazu hat CEO Reza Habib den Bereich IT in einem Spin-off unter den Namen Bilogic Systems ausgelagert. Die HBZ spielte in den Golfstaaten eine Vorreiterrolle im E-Banking. Sie war die erste Bank, die Online- und Börsen-Banking über das Handy anbot.

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Business Solutions

Faizal Eledath, CIO, Dubai Bank

Scharia-konforme IT-Architektur Text Gérard Al-Fil

Faizal Eledath ist Chief Information Officer (CIO) bei der Dubai Bank. Sie verfügt über 20 Filialen in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und hat sich im Retail Banking und Private Banking einen Namen für Customer Service gemacht. Faizal Eledath lebt und arbeitet seit 16 Jahren in den VAE. Der aus Indien stammende CIO hält einen Masters in Computer Science der Univerisity of Alabama at Birmingham, USA.

ICT: Herr Eledath, vor welchen Herausforderungen standen Sie, als Sie in Ihrer islami­schen Bank, der Dubai Bank, die IT aufgebaut haben? Faizal Eledath: Unser Fall bei Dubai Bank ist recht speziell gelagert, da wir 2002 als konventionelle Bank gegründet wurden. Erst 2007 wurden die Operationen der Bank auf die Basis der koranischen Rechtsprechung, der Scharia, umgestellt. Die Herausforderung war also die Transmission von einer konventionellen Bank auf eine zu hundert Prozent schariakonforme IT-Architektur. Somit ist der erste Engpass die vergleichbar kleine Auswahl an scharia-konformer Kernbankensoftware, die es auf dem Markt gibt. Unsere Schwesterbank in Malaysia, die Bank Islam, hat ähnliche Erfahrungen gemacht. Eine bestehende Software neu zu program­ mieren ist ausserdem teuer und zeitaufwendig. Wenn Sie konventionelle Tätigkeiten «mappen», schaut die Islamic Finance auf das Problem aus einem völlig anderen Blickwinkel. ICT: Können Sie ein Beispiel nennen? Faizal Eledath: In der Islamic Finance ist es entscheidend, den Prozessablauf der Finanztransaktion exakt zu dokumentieren. Nehmen Sie das islamische FInanzierungsmodell Murabaha. Das ist die scharia-konforme Immobilienfinanzierung. Dabei kauft

die Bank das Haus und verkauft es dem Kunden zu einem höheren, auf Raten abgestellten Preis weiter. Eine im Islam verbotene Zinszahlung erfolgt nicht. Um dies zu dokumentieren, mussten wir einen «process layer» ausserhalb des Systems bauen, der die genaue Abfolge der Murabaha-Transaktionen überwacht. Es müssen mehrere Verträge unterschrieben werden. Der Kauf der Immobilie durch die Bank und der Weiterverkauf an den Kunden. Sie können Schritt zwei nicht vor Schritt eins unternehmen. Sonst meldet die Compliance einen fehlerhaften Ablauf und der Prozess ist unrein, also haram. ICT: Welche Kernbankenlösung haben Sie eingesetzt, bevor Sie zur einer islamischen Bank wurden? Als konventionelle Bank haben wir die Software Bankmaster der Firma Misys eingesetzt. Als wir die Migration zum Islamic Banking vornahmen, blieb uns ein Zeitrahmen von nur sechs Monaten. Das war viel zu wenig, um die Software umzuprogrammieren. Andere islamische Kernbankenlösungen erschienen uns 2007 noch nicht ausgereift. Wir entschieden uns deshalb, die islamischen Module intern in Eigenregie zu bauen. ICT: Ist dies nicht aufwendig? Faizal Eledath: Ja, aber der Aufwand hielt sich in Grenzen, weil wir die Module

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Faizal Eledath, CIO Dubai Bank: islamische Module in Eigenregie gebaut.

gemeinsam mit unseren bestehenden Partnern programmiert haben. Der General Ledger wurde beispielswiese zusammen mit Oracle Middle East entwickelt. Der General Ledger ist das zentrale Kontenverzeichnis einer Bank. Das Kundenverzeichnis verschoben wir auf Software von Microsoft. Auf Bankmaster von Misys läuft bei uns lediglich das Investmentbanking. Wir wollten flexibel bleiben und die Architektur nicht aus der Hand geben. ICT: Vor zwei Jahren waren mehrere korankonforme Core Banking Solutions auf dem Markt. Haben Sie den Kauf einer solchen in Betracht gezogen?


Business Solutions

Faizal Eledath: Wir haben in der Tat die Lösungen von Temenos, Flexcube von Oracle und Phoenix der Firma Harland Financial Solutions näher studiert. Dabei sties­­ sen wir auf zwei Probleme. Erstens waren wir unter Zeitdruck und mussten die neue Lösung innerhalb von sechs Monaten fertig haben. Dann hatten die Produkte noch nicht die Marktreife erlangt, wie man sie von einer Komplettlösung erwarten würde. Islamische Fenster sind eigens für das Islamic Banking etablierte Bereiche, um neben den herkömmlichen Finanzprodukten auch zinslose Halal-Lösungen für mus­ limische Kunden anzubieten. Fast alle bekannten Grossbanken der Welt verfügen über islamische Fenster. Unser Approach war kompliziert, weil wir eine vollständige Migration, also von konventionell auf islamisch, vornehmen mussten. ICT: Haben sich die Lösungen der Anbieter, die Sie nannten, aber nicht inzwischen verbessert?

Faizal Eledath: Die Entwicklerfirmen haben sich auch angepasst und verkaufen nicht mehr so häufig Kernbankensoftware ab der Stange, sondern vermehrt modulare Lösungen. Die ersten Architekturen waren sehr monolithisch und daher wenig flexibel. Dies hat sich geändert, weil der Markt es so verlangt. Nicht wir als Bank müssen uns an die Software anpassen, sondern das Programm muss zu uns passen und flexibel einsetzbar sein. ICT: Müssen Ihre Mitarbeiter mit dem Einmaleins der Islamic Finance vertraut sein? Faizal Eledath: Ja, denn die SchariaKompetenz bleibt bei uns. Wir haben bei der Dubai Bank 48 Mitarbeiter in der IT. Die Architektur programmieren wir selbst und entwickeln sie mit der Lancierung neuer Finanzprodukte durch die Dubai Bank ständig weiter. Unsere Implementationspartner wie Oracle oder Microsoft leisten die technische Pflege. ICT: Dann fällt es sicher schwer, qualifi-

ziertes Personal zu finden? Faizal Eledath: Auf jeden Fall. Wir stellen klare Anforderungen an unsere Bewerber, weil wir nicht alles auslagern wollen. Wir haben die Entwicklung und die Kompetenz aufgebaut und wollen diese nicht aus der Hand geben. Das funktioniert nur mit einem «Doppel-Know-how». Die Verschmelzung von IT und der Scharia ist die Synthese der Zukunft für Banking am Golf. ICT: Muss Ihre Lösung von einem Scharia-Board abgesegnet geben? Faizal Eledath: Wir haben ein SchariaTeam. Das fünfköpfige Board der SchariaGelehrten, das alle Finanzprodukte und die Bankenbilanz absegnen muss, verfügt nicht über das Wissen im IT-Bereich. Aber das Board kommuniziert mit unserem Scharia-Team jeden Schritt, den wir vornehmen, um die Transaktionen abzubilden.

agenda: Vorschau ITIL-Forum Schweiz, 4. und 5. Mai 2010, Hotel Krone, Brünigstrasse 130, 6061 Sarnen Mit optimaler Balance zum nachhaltigen Service Erfolg: 1. Tag: Motto = Ausgewogene Qualität in der täglichen Service-Erbringung 2. Tag: Motto = Ausgewogene Kontrollprozesse in der Führung der IT Services Keynote Speaker: Dr. Hannes Lubich, Howard Kendall, Dr. Ernest Wallmüller, Colin Rudd Referate: Von Roll – Service Desk: Der Puffer, Katalysator und Multiplikator, Paul Scherrer Institut – Moving on with Wiki Franke Management AG – Umsetzung Service Management SUVA – IT-Change Management Einführung Ruag Services AG – ISO 20000 - eine Vision wird Wirklichkeit, Credit Suisse AG – IT Service Portfolio Management CISCO Systems – Vom «Box Mover» zum Service Provider, itSMF Deutschland – Nischendisziplin Configuration Management Swiss Re – IT Transformation, Roche – effective and efficient measurement of service and process quality Zielpublikum: Dieses Forum richtet sich an Verantwortliche für Management und Betrieb von operativen Dienstleistungen, Geschäftsführer, Projektleiter und IT-Berater mit Verantwortung für die Planung, Implementierung oder Steuerung des Service Managements. ACADEMY FOR BEST EXECUTION INDIREKTE IMMOBILIENANLAGEN 2010, 19. Februar 2010 / Avireal Business Center, Kloten / 1 Tag 5. PRIVATE BANKING KONFERENZ, 18. März 2010 / Widder Hotel, Zürich / ½ Tag 5. RETAIL BANKING KONFERENZ, 22. April 2010 / Widder Hotel, Zürich / 1 Tag INSURANCE FORUM, 6. Mai 2010 / Avireal Business Center, Kloten / ½ Tag IMERGERS&ACQUISITIONS 2010 (anschl. Swiss M&A-Award 2010), 11. Mai 2010 / The Dolder Grand, Zürich / ½ Tag REAL ESTATE CONTROLLING 2010, 20. Mai 2010 / Avireal Business Center, Kloten / ½ Tag UNTERNEHMENSFINANZIERUNG 2010, 2. Juni 2010 / Widder Hotel, Zürich / 1 Tag BALSBERG FORUM, 24. Juni 2010 / Avireal Business Center, Kloten / ½ Tag

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Kolumne I impressum

AdvoCatus Diaboli

Ein CIO mit unternehmerischem Denken? Hochverehrte Leserschaft Es ist je nach Sichtweise eitle Illusion, guter Gag oder schnöde Notwendigkeit. Der Chief Information Officer soll nun, so monie­ren es die Auguren, Propheten und Evangelisten der Gartner- und ForresterFraktion, wie das Business denken. Lassen wir mal, das ist gut so, denn so­ lange lange sich Personalentscheide vor der Ein­­stellung darauf ausrichten IT-gestützt genau jene Kandidaten herauszufiltern, wel­che am besten einen technischen Ab­schluss, vermischt mit ein bisschen Betriebswirtschaftslehre und jeder Menge Pro­jekterfahrung im Rucksack haben, werden sowieso die businessorientierten CIOs seit Gedenken ausgewählt. Und die letzten wirklich verwendbaren Kandidaten, die wirtschaftlich denken wollen, werden durch ein nachhaltiges Verhin­dern von Kostentransparenz in der IT seitens des eigenen CFO in ihre Schranken verwiesen. Wo kämen wir hin, wenn wir auf einmal in der Chefetage jemanden hätten, der sich erlaubt, so zu denken, wie wir Spezia­ listen aus dem Produktions-, Finanz- und Marketingbereich. Wenn der Mann dann auch noch in nachverfolgbaren Arbeitsabläufen denkt und gleichzeitig die technische Expertise hätte, rauszufinden, ob das Business bis jetzt effizient gearbeitet hat, ist es aus mit dem Teppichetagenflair. Wo kommen wir da hin? Auf einmal sind Themen wie Corporate Governance Realität. Im biblischen Sinne fühlten sich die Ver­treter der bisherigen Businessfraktion wie Adam und Eva (… und sie erkannten, dass sie nackt waren – siehe Buch Genesis). Mehr noch, der vielgeliebte Sündenbock aus der entliehenen YomKippur-Tradition wäre auch nicht mehr vor­ handen. Die IT wäre ja nicht mehr Schuld an jedem Problem. Auch wenn es notwendig wäre, meine Schicksalsgenossen aus den Teppicheta­

IMPRESSUM

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ICT in Finance – Das Praxismagazin für Banken und Versicherungen Verlag: ProfilePublishing GmbH Pfadacher 5, CH-8623 Wetzikon ZH Telefon +41 (0)43 488 18 44 Fax +41 (0)43 488 18 43 info@profilepublishing.ch Anzeigenleitung: Karin Stich stich@ict-magazine.ch Chefredaktorin: Brigitte Strebel brigitte.strebel@strebelconsulting.ch Freie Mitarbeiter: Hans-Jürgen Maurus Daniel Meierhans Volker Richert Claudia Bardola Lektorat: Nadya Dalla Valle, Zürich Gestaltung/Produktion: ProfilePublishing GmbH, Wetzikon

Der «Advocatus Diaboli» frönt in loser Folge hier seiner Lieblingsbeschäftigung.

Druck: Buchdruckerei Lustenau GmbH A-6890 Lustenau Verkaufspreis: 9.60 CHF pro Exemplar Im Abonnement 31 .– CHF (zzgl. Porto & MwSt.) Erscheinung: 4 x jährlich

gen, ihr braucht keine Angst vor diesem Menetekel zu haben. Im Grunde wird diese Chuzpe erster Güte schon dadurch klar, weil ihr nicht erkannt habt, dass die CIOs heute schon wie Business-Vertreter denken. Ihr habt sie durch Outsourcing kastriert und zum Unit Manager Outsourced Service ernannt. Ihr habt ihnen ProzessTransparenz vorgeschrieben und sie dadurch in eine Realität geholt, die sie nie kennen durften. Ihr habt Ihnen Kostentransparenz und strategisches Denken vor­geschrieben. Nun wird von euch gefordert, was ihr selbst beherrschen solltet. Bedenkt: Bevor Herkules in den Olymp auf­genommen wurde, musste er 12 Heldentaten vollbringen. Nun das waren 12 Hel­dentaten mehr, als die Götter je zustande gebracht haben ... Euer Advocatus Diaboli

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ISBN-Nr.: 3-907659-82-1 Copyright: ProfilePublishing GmbH, Wetzikon Kooperationspartner: University of Friboug International institute of managent in technology Finance Forum Management AG

Kurznews- und Portalpartner: Moneycab.ch

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