Nachtragsliquidation nach dem liechtensteinischen Personen- und Gesellschaftsrecht (PGR)

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Die Nachtragsliquidation nach dem liechtensteinischen Personen- und Gesellschaftsrecht (PGR 1)

1.

Allgemein

Gemäss Art. 139 PGR 2 ist eine Nachtragsliquidation vorzunehmen, wenn sich nach der Löschung und ihrer Eintragung im Handelsregister noch weiteres, der Verteilung unterliegendes Vermögen herausstellt. Diese Vorschrift findet nach Art. 139 Abs. 2 PGR sinngemäss Anwendung, wenn eine juristische Person infolge Konkurses aufgelöst worden ist und nicht seitens des obersten Organs besondere Liquidatoren ernannt wurden oder die Fortsetzung der Verbandsperson beschlossen wird. 2.

Antrag

Das Nachtragsliquidationsverfahren wird auf Antrag eines Beteiligten 3 eingeleitet. Dies können etwa ein Gläubiger, ein ehemaliges Organ sowie ein Liquidator sein. Der Antrag ist beim Amt für Justiz in Vaduz zu stellen und hat Folgendes zu enthalten:  Die Bezeichnung des Nachtragsliquidators 4.  Die Bescheinigung des nachträglich hervorgekommenen Vermögens. 2.1.

Der Nachtragsliquidator

Sowohl eine oder mehrere natürliche als auch eine juristische Person können als Nachtragsliquidator bestellt werden. Jedoch hat wenigstens einer der Nachtragsliquidatoren die Voraussetzungen nach Art. 180a Abs. 1 PGR zu erfüllen oder als juristische Person über eine Bewilligung nach Art. 31 Abs. 1 des Gesetzes über die Treuhänder zu verfügen. Das Amt für Justiz kann jedoch auf Antrag von Beteiligten oder von Amt wegen auch eine andere geeignete Person zum Nachtragsliquidator bestellen, sofern wichtige Gründen vorliegen. 5 Aufgabe des Nachtragsliquidators ist das nachträglich hervorgekommene Vermögen nach der konkursrechtlichen Rangordnung 6 zu verteilen.

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Personen und Gesellschaftsrecht vom 20. Januar 1926; LGBl. 1926 Nr. 4 idgF. Im Fürstentum Liechtenstein ist die Nachtragsliquidation anders als in Deutschland und Österreich nicht in Spezialgesetzen vorgesehen. 3 Nach der Rsp des liechtensteinischen OGH kommen alle Personen, die ein rechtliches Interesse an der Verteilung nachträglich hervorgekommener Vermögenswerte haben, als Beteiligte in Betracht (LES 1990, 123ff.). 4 Eine amtswegige Bestellung ist zwar möglich, die Kosten werden jedoch vom Land Liechtenstein nicht getragen. 2

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Analoge Anwendung von Art. 132 Abs. 1a PGR.

Die Beachtung der konkursrechtlichen Rangordnung erlangt etwa Bedeutung, wenn das neu entdeckte Vermögen nicht ausreicht, um alle Gläubiger zu befriedigen. 6

Mag. Edgardo Arévalo, Notizen zum liechtensteinischen Recht Nr. II 09/2015

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2.2.

Das nachträglich hervorgekommene Vermögen

Das nachträglich hervorgekommene Vermögen ist vom Antragsteller zu bescheinigen. Dies kann je nach Art des Vermögens beispielsweise in Form eines Kontoauszuges, einer Vertragskopie, eines Grundbuchauszugs usw. erfolgen. Dieses Vermögen muss unmittelbar der Verteilung unterliegen. Das heisst:  Es muss einerseits die Kosten einer Nachtragsliquidation übersteigen.  Andererseits muss es sogleich verteilt werden können. 3.

Eintragung ins Handelsregister

Erst mit rechtskräftiger Bestellungsverfügung werden die Eröffnung der Nachtragsliquidation, die Person des Nachtragsliquidators und dessen Vertretungsbefugnis in das Handelsregister eingetragen. Die Firma enthält den Zusatz „In Nachtragsliquidation“. 4.

Aufsicht

Auch wenn der Nachtragsliquidator als Organ der gelöschten juristischen Person zu qualifizieren ist, unterliegt er der Aufsicht des Amtes von Justiz. 5.

Beendigung der Nachtragsliquidation

Nach Durchführung und Beendigung der Nachtragsliquidation hat der Nachtragsliquidator seine Abberufung sowie die Löschung der im Handelsregister eingetragenen Nachtragsliquidation beim Amt für Justiz zu beantragen. Zusammen mit dem Antrag ist ein Schlussbericht bezüglich des verteilten Vermögens vorzulegen. 6.

Exkurs: Der Rechtsbeistand gemäss Art. 141 PGR

Obwohl die vorliegende Notiz sich mit der Nachtragsliquidation auseinandersetz, soll in diesem Zusammenhang auch die Person des Rechtsbeistandes kurz dargestellt werden. Wie in den obigen Punkten erklärt wurde ist ein Nachtragsliquidator zu bestellen, wenn das neu entdeckte Vermögen sich ohne weiteres verteilen lässt (Siehe oben Punkt 2.2). Muss jedoch das Vermögen erst, etwa, durch eine Prozessführung, beschaffen werden, ist die Bestellung eines Rechtsbeistandes gemäss Art. 141 PGR notwendig. Anders als bei der Nachtragsliquidation ist der Antrag zur Bestellung des Rechtsbeistandes beim Fürstlichen Landgericht zu stellen. Sollte sich jedoch herausstellen, dass ein Nachtragsliquidator und nicht ein Rechtsbeistand erforderlich ist, wird der Antrag zuständigkeitshalber an das Amt für Justiz weitergeleitet.

Mag. Edgardo Arévalo, Notizen zum liechtensteinischen Recht Nr. II 09/2015

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Quellenverzeichnis: Drygala/Staake/Szlai, Kapitalgesellschaftsrecht mit Grundzügen des Konzern und Umwandlungsrechts (2012); Neudorfer Helmuth, Die Nachtragsliquidation LJZ 2/90 (1990), 65; Rieder/Huemmer Gesellschaftsrecht (2008); Roth, Patrick Die Beendigung mit Liquidation von Körperschaften des liechtensteinischen Personen- und Gesellschaftsrechts (2001). Bazdaric Sabine, Die Nachtragsliquidation nach dem liechtensteinischen Personen- und Gesellschaftsrecht (PGR) unter besonderer Berücksichtigung der Praxis des Grundbuch- und Öffentlichkeitsregisteramtes (2009); Schwärzler/Wagner, Verantwortlichkeit im liechtensteinischen Gesellschaftsrecht (2007).

Mag. Edgardo Arévalo, Notizen zum liechtensteinischen Recht Nr. II 09/2015

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