Hubertus Franzen
Der Maestro
hubertus Franzen
Der Maestro
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hubertus Franzen
Der Maestro
Impressum © 2013 edition-efm-voltaiere UG (haftungsbeschränkt) Meusdorferstraße 5, 04277 Leipzig www. editionvoltaire.com Coverabbildung: Uli Pforr, Hamburg Covergestaltung: Dipl. -Ing. Juliane Ehrlicher (FH), edition-efm-voltaire, Leipzig Herstellung: Dipl. -Ing. Juliane Ehrlicher (FH), edition-efm-voltaire, Leipzig ISBN 978-3-944657-05-9 Alle Rechte vorbehalten.
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Die Damen und Herren im Großen Festspielhaus zu Salzburg klatschten rhythmisch, und Leonard von Karibidache schaute wie ein Triumphator auf die Wirtschaftspotentaten aus Deutschland, Europa, die Bankiers Manhattens mit Damen, und Österreichs Geld- und sonstigen Adel. »Superb ist der Karibidache wieder gewesen, und wie er einen an den Karajan erinnert, man glaubt schon, dass der Herbert wieder auferstanden ist von den Toten, und sein Bruckner, ja einfach wunderbar. Die Neunte, die haben Sergiu Celibidache und Herbert von Karajan auch ned besser dirigiert, ned wahr, Adolf ?« Adolf Hiedler nickte. Seine Frau hatte schon Recht. Jeder Zoll an dem Leonard von Karabidache war, wie wenn der Herbert von Karajan, wieder aus seinem Grab in Anif auferstanden wäre, um Salzburg und den Rest der Welt mit seinem Genie zu bezwingen. Und das Publikum tobte ja noch immer wie besessen. Auch die Gräfin von Anstetten – ja mei, was die wieder für ein fesches Abenddirndl trug! – klatschte und schrie sich die Begeisterung von der Seel. Ja und der Maestro dachte ja nicht daran, das Volk noch mit einer Zugabe zu beglücken, das hatte der Karajan ja auch nicht gemacht. Einen Rolls Royce, made by BMW, fuhr ja der Leonard von Karabidache, wie man in den Salzburger Nachrichten hatte lesen dürfen, eines der Glanzstücke seines umfangreichen Fuhrparks. Und das war doch seine Frau, die da in einem schwarzen Abenddirndl stand, mit sehenswertem Dekolleté, die allgemeine Begeisterung der High Society kühl registrierend. War es nun die fünfte Frau des Maestros oder doch schon die sechste? Er sollte ja eine der reichsten Frauen New Yorks geheiratet haben. Ja mei, und da war ja auch die Exzellenz, der Erzbischof von Salzburg und Primas Germaniae, der Alois Kothgasser, der immer noch ned die Hoffnung aufgegeben ein Kardinal seiner Kirche zu werden, die der Sohn Gottes selbst gegründet, indem er vom Himmel herabsteigen musste, so des Vaters Wille, und die Landeshauptfrau, die Maria Haydn-Bleibtreu, war auch mit Ehemann gekommen, oder war das nur eine vorübergehende Erscheinung, der Mann an ihrer Seite? Und der Beifall wollte ja wirklich ned enden. Wie oft hatte der Leonard von Karabidache schon herauskommen müssen, aus der Bühnengasse, um sich zu verbeugen? Es ging schon so an die zwanzig Mal, und die Wiener Philharmoniker, die wollten nach Haus, das sah man denen schon an. Ja, was war Salzburg ohne die Wiener Philharmoniker? Eine Anhäufung von denkmalgeschützten Häusern rund um den Dom und die Abtei
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von Sankt Peter mit einem Erzbischof, der sich fürchtete auf die Straße zu gehen, und wenn, dann nur in Zivil, damit er nicht weiter auffalle. Wie sich die Zeiten geändert hatten. In früheren Zeiten, als der Mozart noch lebte, da waren die Fürstbischöfe die Landesherrn gewesen, und der Erzabt von Sankt Peter, der Benedikt Röck, oder war er immer noch nur der Administrator, war ja auch ins Festspielhaus gekommen Ja, nahm denn das kein End mit dem Beifall? Der Tisch im Goldener Hirsch war ja Gott sei Dank reserviert, denn nach der Neunten von Bruckner, da brauchte man schon einen Tafelspitz mit Krenn, dazu einen Grünen Veltliner aus der Wachau, und nachher, bittschön, einen Palatschinken mit Marillen. Dreihundert Euro hatte das Ticket gekostet, da war ja das Dinner im Goldenen Hirsch geradezu geschenkt. Im Goldner Hirsch hatte der Leonard von Karabidache ja seinen Stammtisch, da, wo auch immer der Karajan gesessen. Und wo wohnte man, wenn man Adolf Hiedler hieß, und im Vorstand der Bank Austria saß? Im Schlosshotel Fuschl natürlich, dass belegt war mit den Gästen des Audi-Vorstandes und der Credit Suisse, die alle in Audi A8 Limousinen vom Schlosshotel zum Festspielhaus und zurück von bildschönen Maderln, heute Hostessen genannt, gefahren wurden. Aber das Dinner im Goldenen Hirsch, das musste schon sein. Seine Frau, die zu den Freunden und Förderern der Salzburger Festspiele gehörte – bitte, man hatte keine arme Frau geheiratet, sondern eine, welche Geld, viel Geld mit in die Ehe gebracht – bestand ja darauf, dass man sich nach den Musikalitäten im Goldenen Hirsch erhole. Obwohl das heute keine Strapaze gewesen, die Neunte des Anton Bruckner, denn die hatte der Leonard von Karabidache schon flüssig dirigiert, nicht wie Sergiu Celibidache, Gott hab ihn selig, bei dem hatte man ja gedacht, dass man kaum vor Mitternacht die Philharmonie am Gasteig verlassen würde, und alle Lokalitäten, in denen zu essen sich lohne, schon geschlossen hätten. Der Name Karabidache war schon eigenartig! Das klang nach einer Zusammenfassung von Karajan und Celibidache, so, als hätte sich jemand einen Scherz erlaubt. Aber Leonard von Karabidache, der Maestro, war wirklich als ein von Karabidache auf die Welt gekommen und nicht als Hitler oder Mozart. In diesem Falle hätt man eine Namensänderung verstehen können. Und der Konzertmeister, der Schmidl Joseph, dem sah man jetzt aber wirklich an, dass er noch im Beißl einen Rostbraten essen wollte, aber wirklich.
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Großkritiker Professor Dr. Joachim Kayseresch klatschte auch ganz gegen seine Gewohnheit. Sollte ihm wirklich die Neunte gefallen haben, oder hatte ihn Leonard von Karabidache gekauft, wie alle Welt behauptete, denn Kayseresch – wie konnte man nur Kayseresch heißen? – sollte käuflich sein. Das hatte zumindest der Generalintendant der Bayerischen Staatsoper, der Bachler Klaus, der Ruinator des Burgtheaters behauptet, dem Kayseresch wiederholt attestiert, dass er von bayerischem Bier und bayerisch-österreichischem Katholizismus mehr verstehe als von der Musik als solcher und der Kunst ein Opernhaus zu leiten. Der Bachler Klaus hätte auch in der katholischen Kirche Karriere machen können, zum Kardinalerzbischof von München und Freising vom Aussehen her taugend, wie der Ratzinger Joseph – der Benedikt XVI., der jetzt als Stellvertreter Gottes agierte, aber der Seehofer Horst, der Landesvater der Bayern und Franken, hatte er noch einen Volkstamm vergessen, die Bayerischen Schwaben! -- hatte den Bachler zum Generalintendanten der Bayerischen Staatsoper machen müssen, an welcher Karabidache Tristan und Isolde dirigiert und inszeniert hatte. Gnadenlos hatte das Feuilleton den Regisseur Karabidache verrissen, der es gewagt, das Werk aus dem Geiste der Musik zu inszenieren. Auch war die Sängerin der Isolde, Gertrude Michaelis, in zweiten Akt nicht nackt aufgetreten, was für die Mehrheit der Kritiker ein unverzeihlicher Fehler, eine nicht wieder gut zu machende Unterlassung gewesen, sondern hatte Tristan im nächtlichen Park in einem Gewand aus fließender weißer Seide erwartet. »Ist denn ein solcher Kitsch heute, im Zeitalter von amerikanischem Kreuzrittertum und Al Quaida noch möglich?« -- hatte der Musikkritiker Wolf von Sternberg geschrieben, Kayseresch an Häme in der Regel noch übertreffen wollend, der seinen glatt rasierten Schädel mit 4711 einrieb, und schwarze Anzüge trug, als Schwuler sich bekennend, wie Klaus Wowereit, der Bürgermeister der Schuldenstadt Berlin, keine Noten lesen konnte, aber Maestro Karabidache attestierte, dass er zwar ein guter bis sehr guter Dirigent wäre, besonders in den Symphonien Anton Bruckners, Christian Thielemann, dem zukünftigen Herrn und Gott von Dresden, aber das Wasser nicht reichen könne – eine Frechheit war das! -- aber doch bitte die Regie besser in die Hände von Regisseuren lege, die auf den Höhen des gesellschaftlichen Bewußtseins ständen. Und Wolf von Sternberg hatte auch gleich den Aktionskünstler Peter Schweinsteiger genannt, mit Bastian Schweinsteiger, dem begnadeten
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Fußballer des FC Bayern, weder verwandt noch verschwägert, der noch nie eine Oper gesehen noch gehört, aber auf der Biennale in Venedig hundert nackte Männer und zweihundert nackte Frauen auf Säulen gestellt, auf jede Säule einen Mann und zwei Frauen, damit nicht nur den Protest des Patriarchen von Venedig, Angelo Kardinal Scola, hervorrufend, der den Untergang des christlichen Abendlandes in dem Beitrag Deutschlands zur Biennale gesehen, sondern ebenso in das allgemeine Bewußtsein der kunstinteressierten Öffentlichkeit eindringen konnte. Und noch immer wollte die internationale High Society das Festspielhaus am 20. August Anno Domini 2011 nicht verlassen, und der Orchestervorstand der Wiener Philharmoniker, Professor Clemens Hellsberg, sah demonstrativ auf die Uhr, das untrügliche Zeichen, dass die Philharmoniker gedachten, das Podium zu verlassen -- welch eine Haltung, bittschön, was für eine Ignoranz! --, die jedoch nicht dazu führte, dass der Bundespräsident der Alpenrepublik, Heinz Fischer, und seine Frau, die Margit, das Klatschen eingestellt hätten. Doch Leonard von Karabidache fand, dass nach Bruckners Neunter sein Körper nach einem Bier verlange, auch freute er sich auf das obligatorische Wiener Schnitzel, denn nach Bruckner war ihm immer nach einem Wiener Schnitzel zumute, während er nach Mozart und Beethoven den Tafelspitz bevorzugte. Auch hatte seine Frau Judith Goldberg von Karabidache ein paar Damen eingeladen, mit denen man im Goldenen Hirsch das Dinner einnehmen würde, darunter Contessa Levi-Pucci aus Rom und Esther Silbermann aus New York, beides Damen, die Schönheit, Klugheit und Reichtum auf das Angenehmste miteinander verbanden, und die holde Gattin, die fünfte in seinem nun fünfundvierzig Jahre schon währenden Leben, war ja auch eine Augenweide. Der Weg zum Goldener Hirsch konnte kürzer nicht sein, und der Applaus der mit Diamanten behängten Damen, auch Modeschmuck war zu sehen und viel geliftetes Fleisch, brandete dem Maestro entgegen, als er sich da niederließ, wo schon Herbert von Karajan lange Jahre bis zu seinem Ende, im Jahre des Herrn 1989, gesessen und den köstlichen Tafelspitz des Hauses genossen. »Ein Bier bitte für meinen Mann, Herr Joseph!« Judith Goldberg-Karabidache, die Milliardärin aus Manhattan, Wohnungen in Rom, Paris, einen Landsitz in der Toskana und auf Long Island besitzend, lächelte in die Runde, während Kathrin Gräfin von Anstetten an den Tisch trat, um dem Meister für das wirklich große Erlebnis zu danken.
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»Ich erlebe Sie heuer schon zum siebten Male in Salzburg, denn ich habe alle Ihre Konzerte mit Ihrem Salzburg-Festival-Orchestra gebucht, jedes Ihrer bisherigen Konzerte war ein Höhepunkt der Salzburger Festspiele 2011, wie auch schon 2010. Danke Maestro, dass Sie wieder nach Salzburg kommen. Ich hab’s auch der Präsidentin der Festspiele, der Helga Rabl-Stadler gesagt, mein Gott, wenn wie die Helga nicht hätten. Man möchte garnicht darüber nachdenken.« »War das Ihre erste Neunte, gnädige Frau?« Leonard von Karabidache, aussehend wie ein Principe von den Ufern des Tiber, zu dessen Vorfahren mindestens zehn Kardinäle der Kirche gehörten, die Gott selbst gegründet, dazu einen Pontifex maximus, einen Clemens oder Benedikt, schaute auf den Busen der Dame, der ihm geradezu aus dem kostbaren Dirndl entgegen fiel. »Ich habe die Neunte schon dreimal von Ihnen erleben dürfen, Meister!« Gräfin von Anstetten bedachte den Maestro mit einem Blick, der ihm alle Wonnen des Paradieses verhieß, wenn er denn ihr Paradies betreten würde. »Die Dame wird dich noch am Tisch vergewaltigen!« Judith Goldberg-Karabidache, die Sprache benutzend mit der Moses die Kinder Israels einstens aus Ägypten geführt, und ihnen einen Gott machte, der auch zum Gott Benedikt XVI. aus Marktl am Inn geworden, lächelte spöttisch, sich erinnernd, dass sie die fünfte Frau des Dirigenten, dem man Liebesaffären andichtete, die er allein aus zeitlichen Gründen nicht gehabt haben konnte, denn Leonhard, der Mehrsprachige, hätte nur noch das getan, was er nach dem Dirigieren als seine schönste Freizeitbeschäftigung bezeichnete. Auch wurde behauptet, dass er nicht nur dem weiblichen Geschlecht zuneige, eine böse Unterstellung, denn er hatte einen Abscheu gegen Schwule, nachdem er im Internat von Hollabrunn fast das Opfer des Anstaltsleiters, Monsignore Groers und seines Lateinprofessors, des Geistlichen Rates, Dr. Josef Graf von Ziel, geworden, eines Jesuiten, den Dr. Kurt Krenn, der Bischof von St. Pölten, später vom Dienst suspendieren musste, aber nicht wollte, während Hans Hermann Groer zum Erzbischof von Wien, Primas von Österreich und Kardinal aufsteigen sollte, in die Geschichte der katholischen Kirche Österreichs als Knabenschänder von Hollabrunn eingehend und durch Johannes Paul II. zum Amtsverzicht gedrängt werdend. Die Vertreter Gottes hatten von ihrem Leonardo, schmerzvoll lächelnd, abgelassen, sich wieder die Soutane zuknöpfend, nachdem er gedroht, in
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den Gottesdiensten des Internates nicht mehr die Orgel zu spielen und auch seiner Mutter die Sünden seiner Lehrer zu beichten. Mutter Isabella Johanna Maria von Karabidache, das Konzert nicht erlebend, da auf der MS Europa durch das östliche Mittelmeer reisend, hatte nach den priesterlichen Sexualgelüsten, das Geschlecht ihres Sohnes betreffend, ein Internat in der Schweiz für ihren hochtalentierten Sohn gewählt, der schon mit drei Jahren das Wohltemperierte Klavier Johann Sebastian Bachs ebenso beherrschte, wie im Alter von vier die Solosuiten für Cello des Thomaskantors, in welchem die Attacken katholischer Erzieher nicht möglich, da es in diesem Eliteinstitut Priester der katholischen Kirche nicht nur nicht gab, sondern überhaupt keine Geistlichen, die an einen dreifaltigen Gott im Religionsunterricht zu glauben lehrten. »Ich bin stolz auf dich, Leonard!« Der Dirigent, fühlend, dass ihn seine Fünfte mit dem Knie berührte, lächelte dankbar: »Weder Herbert von Karajan noch Sergiu Celibidache dirigierten die Neunte besser als du, und auch Thielemann kann es nicht besser.« Judith Goldberg-Karabidache, in den Disziplinen Gynäkologie und Psychologie promoviert, ihr erster Mann war der Bankier und Immobilienmogul Joseph Liebermann gewesen, der ihr ein Vermögen von mehr als vier Milliarden US-Dollar hinterlassen, dazu zehn Wolkenkratzer an der Fifth- und Park Avenue, und auf dem jüdischen Friedhof von Brooklyn ruhte, lächelte ironisch, und auch die weiteren Ehemänner jüdischen Glaubens, und beschnitten, hatten keine Lebensdaten als Nobelpreisträger in Physik, Chemie und Medizin, als Geigenvirtuosen und Literaten, doch riesige Vermögen hinterlassen, das Erbe Joseph Liebermanns noch übertreffend, doch mit Leonard von Karabidache war sie bereits drei Jahre verheiratet, eine lange Zeit, wenn man von der Dauer ihrer Ehen mit Jonathan Goldberg und seinen Vorgängern, Isaak Krakauer, Yehudi Bronstein, und Jakob Rosenfeld absah, die aus naheliegenden Gründen erst mit dem Tode der reichen und einflußreichen Juden endeten. Der Satz »Ich bin stolz auf dich!« -- wurde von Judith Goldberg-Karabidache ständig variiert, und Leonard von Karabidache kannte schon vierundzwanzig Variationen, was ihn keineswegs störte, stören tat ihn auch nicht, dass es bereits in Salzburg einen Herbert-von-Karajan-Platz gab. Herbert von Karajan ruhte seit 1989, bei Nacht und Nebel durch seine Witwe, die schöne Eliette begraben -- erstaunt hatte sich alle Welt die Augen gerieben --, auf dem Friedhof von Anif, dort, wo er, Leonard von Karabidache, sich auch ein Haus gebaut, beziehungsweise Judith hatte
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es gebaut, als Geschenk mit in ihre sechste Ehe bringend, wie auch die Gründung des Salzburg-Festival-Orchestra ihre Idee gewesen, von ihr finanziert und durch eine eigene Agentur mit Sitz in Salzburg und New York gemanagt. Und sie hatte, klug wie sie war, und mit Rücksicht auf vielerlei Befindlichkeiten, das exklusive Haus in Anif nicht größer bauen lassen als das Domizil des Vorgängers auf dem Thron von Salzburg, doch von keinem geringeren als dem Stararchitekten Renzo Piano entworfen, der ein Haus im alpenländischen Stil errichtet, welches keine Wünsche offen ließ. »Ich bin auch stolz auf dich meine Judith.« Leonard von Karabidache blickte in die Augen Esther Silbermanns, der Cello spielenden Milliardärin, die, ihm gegenüber sitzend und mit einem Deutschen, einem Professor Dr. Murx, liiert, immer wieder seine Aufmerksamkeit auf sich lenkte, der nicht nur Klavier spielen, sondern auch der Sohn einer Nazigröße, eines SS-Arztes, sein sollte, der noch bis in die fünfziger Jahre hochgeachtet in München gelebt, ehe seine schauerliche Vergangenheit entdeckt und, so wurde behauptet, er mit Hilfe des Vatikans, wie auch schon Adolf Eichmann, Alois Brunner, der beste Helfer Eichmanns, Joseph Mengele, der Arzt von Auschwitz, und weitere Massenmörder, nach Südamerika gelangte. Auch Contessa Levi-Pucci reizte seine Sinne, überhaupt waren die Freundinnen seiner Frau außergewöhnliche Persönlichkeiten, die schon die Phantasie während seiner Dirigate beflügelten, wie, und nicht zuletzt, die beiden Managerinnen seines Salzburg-Festival-Orchestra, Hava Sandler, die wunderbare Frau aus München, in Tel Aviv geboren, deren Großvater Mitbegründer des Israel Philharmonic Orchestra gewesen und Golda Perez, die, in New York residierend, die Salzburg-Festival-Orchestra-Zyklen in der Carnegie Hall, in Boston, Chikago und Los Angeles managte. In den ersten Tagen des Adagios der brucknerschen Siebten am gestrigen Abend, war die seine Sinne reizende Contessa Levi-Pucci nackt vom Himmel in seine Arme geschwebt, die Frau des italienischen Außenministers a. D., die Milliardärin vom Hudson River, und während des Adagios hatte er sich in seinen Traumbildern mit Esther Liebermann gepaart, während die phantastischen Damen und wenigen Herren seines SalzburgFestival-Orchestra, 85 Prozent waren hinreißend aussehende Damen aus elf verschiedenen Ländern, doch mehrheitlich Chinesinnen, mit denkbar höchster Virtuosität seinen Zeichen gefolgt waren. Auch musste er während seiner Dirigate immer wieder an die schöne Managerin seines
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Orchesters denken, die wunderbare Hava, was für eine Frau, die Freundin seiner Frau. Wie hatte Judith gesagt: »Nur Hava Sandler, meine Freundin aus Tel Aviv, in München lebend, kommt als Managerin unseres SalzburgFestival-Orchestra in Frage. Sie hat alle Eigenschaften, die notwendig und sie lässt sich von dir nicht verführen, was du auch unternehmen solltest, um sie ins Bett zu kriegen.« Hava Sandler war eine außergewöhnliche Frau, Geige und Klavier spielend, die auch sein Osterfestival leitete, wie Judith entschieden, die das Osterfestival finanzieren würde. Und wie schön die Sandler war, doch leider unerreichbar für ihn, den Liebling der Frauen, die Leonardo zu ihm sagte, dass sich augenblicklich sein Geschlecht aufrichtete und die ihn nur mit Sie ansprach. Es war unglaublich. Und wie die Sandler ihn wieder anlächelte, schön war sie und dann das Dirndl, welches sie trug, und diese Figur, blendend. Saß auch eine Dame an seinem Tisch, die nur als mehrfache Millionärin eingestuft wurde? Ja natürlich! Frau Baumgärtl aus München, eine höchst erotische Witwe. Ihr Mann hatte sich im Dachstein-Gebirge, oder waren es die Dolomiten, vor sechs Wochen das Genick gebrochen, mit einem Fußballspieler von Bayern München derzeit das Bett in ihrer Villa am Isarhochufer in München-Harlaching teilend, der nur zwei Dinge beherrschen sollte, wie Judith seine Frau gelästert. Der Mensch wirkte denn auch wie ein Fremdkörper, obwohl er, blendend aussehend, der deutschen Sprache mächtig. »Kommen Sie aus Brasilien?« Leonard von Karabidache, ein Fan Bayern Münchens, mit Franz Beckenbauer und Uli Hoeneß befreundet, und eine Loge in der Allianz-Arena habend, in welche Hava Sandler alle die in München von Rang und Namen zu den Spielen des FC Bayern einlud, blickte freundlich auf den Fußballstar, der das Glück hatte, der Spielgefährte der reichen Dame der Münchner High Society zu sein. »Ich wurde in Dortmund geboren und bin Pole!« Der Ballkünstler, noch in der letzten Saison dreizehn Tore für Borussia Dortmund schießend, Tore, die Uli Hoeneß nachdenklich hatten werden lassen, spürte die kostbar beringte Hand der schönen und reichen Witwe auf seinem Oberschenkel »Es war mein erstes Konzert, Maestro, und ich bin noch ganz aufgewühlt, ein unglaubliches Erlebnis, danke.« Leonard von Karabidache und die Damen schauten auf Maria Baumgärtl, die strahlend auf ihren jungen Helden blickte: »Krzysztof Penderecki ist einer Ihrer großen Bewunderer, Maestro, und dabei kennt er Sie
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nur von Aufnahmen. Er hat sich die DVD Ihrer Neunten schon mehrfach angesehen und vor allem angehört.« Leonard von Karabidache, mit dem Namen Penderecki, den bedeutendsten Komponisten Polens verbindend, im ersten und dritten Konzert der insgesamt acht Konzerte seines Salzburg-Festival-Orchestra-Zyklus im Rahmen der diesjährigen Salzburg Festspiele Werke Penedereckis aufführend, der in der Herbert von Karajan Epoche Salzburgs oft gespielt, hochgeschätzt von Karajan – Monsieur Mortier, der karajansche Nachfolger, hatte Henze und immer wieder Hans Werner Henze aufführen lassen -- erblickte unter den Gästen des Goldener Hirsch den Außenminister Rußlands, Sergej Lawrow, den mit einer jungen Dame den köstlichen Tafelspitz verzehrenden. Die Schönheit war doch Tatjana Putinowa, die russische Diva, welche Männer die Opernkassen stürmen ließ, die eigentlich nicht wussten, wer die Oper La Traviata komponiert, derzeit höher gehandelt als Anna Netrebko? War das nicht ein Grund, über eine Opernaufführung von Verdis Traviata im Rahmen der Salzburger Osterfestspiele nachzudenken, deren künsterischer Leiter er ab dem Jahre 2013 sein würde, denn er hatte die Absicht, Opern nur noch im Rahmen der von ihm geleiteten Osterfestspiele zu inszenieren und zu dirigieren und mit diesen Produktionen an der Scala und der Met zu gastieren, denn die Regisseure, die sich an den Opernhäusern herumtrieben, waren absolute Dilettanten, und das war ja noch ein Kompliment. In Bayreuth gaben sich diese Unkönner ebenfalls die Klinke in die Hand, darunter Theaterregisseure, die weder in Aachen, Pforzheim noch Cottbus ihr Handwerk gelernt, nicht wissend, dass die C-Dur Tonleiter keine Vorzeichen hatte, nur erkennend, dass die Partitur auf dem Kopf stehe, weil der Text des Parsifal nicht lesbar. Provokateure, welche, die Frauen hassend, mit Schwulen aller Zonen den Grünen Hügel in einen Lustberg von Bayreuth verwandelten. Schwachsinnige, die sich etwas darauf einbildeten, dass sie vor Bayreuth noch nie ein Opernhaus von innen gesehen, nicht einmal die Theater von Greifswald, Schwerin, Stralsund oder Lübeck, wo mit wenigen Mitteln hervorragend gearbeitet wurde. Es war doch alles unglaublich. Aber die eigentlichen Schuldigen waren ja die Intendanten, die diesen Provakateuren die Türen ihrer hochsubventionierten Häuser öffneten, wie es selbst der Alte von Bayreuth getan, der, hätte Adolf Hitler, der liebe Onkel Wolf, München zur Hauptstadt seiner Bewegung machend, den von
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ihm angezettelten Krieg gewonnen, Generalintendant aller Opernhäuser der östlichen Reichshälfte geworden, bis zum Ural und Kaukasus, und der allzu früh verstorbene Wieland, ebenso Enkel des Leipziger Großvaters Richard Wagner, die Musiktempel der westlichen Reichshälfte, bis zum Atlantik und den Britischen Inseln. Unvorstellbar, aber wie oft war das Unvorstellbare zur grauenhaften Realität geworden. Zum Glück für Europa und die Welt hatte Onkel Adolf den Krieg verloren, aber wen mussten seine Augen erblicken? Ignatius Rieder, der ehemalige Landeshauptmann von Salzburg, den jetzigen Vorstandsvorsitzenden der Salzburger Landesbank, der es gewagt, die Konzerte des Israel Philharmonic Orchestra im Rahmen der Salzburger Sommerfestspiele in Frage zu stellen, dieser unsägliche Ignorant, mit einer Frau an seiner Seite, die er wirklich nicht verdient, traute sich an seinen Tisch im Goldener Hirsch? Womit hatte Österreich einen Politiker wie Ignatius Rieder verdient? Hatte Österreich, hatten nicht die Frauen und Männer der Alpenrepublik Politiker verdient, die weiter als ihre Wiederwahl, ihren Machterhalt und ihre sagenhaften Pensionsansprüche denken konnten, die dieses herrliche Land mit ihrer Inkompetenz ruinierten? »Ja, Herr von Karabidache, das war ja wieder einmal superb. Ich habe zu meiner Frau, der Evamaria, gesagt, die Neunte, die macht niemand besser als unser Leonard von Karabidache, auch nicht der Abbado, der Muti, der Welser-Möst, der Luisi oder Thielemann, von den anderen will ich ja erst gar ned reden, wie etwa vom Harnoncourt oder dem Maazel, den Inder, den Metha nicht vergessend, und auch nicht den Barenboim und den Holländer, den alten, wie ist denn noch der Name? Nie kann ich mir den Namen dieses Holländers merken. Wieso kann ich mir den Namen ned merken? Weißt du den Namen, Evamaria? Sehen S’, Herr von Karabidache, meine Frau, die Evamaria, die weiß den Namen auch ned. Doch jetzt fällt mir der Name wieder ein, der Bernhard Haitink ist’s. Aber natürlich! Ich hab ja noch den Bernstein, den Leonard, mit der Neunten gehört. Aber der Bernstein, der durfte ja zu Zeiten des seligen Herbert von Karajan nicht im Rahmen der Salzburger Festspiele auftreten. Da musste man schon nach Wien, New York oder Schleswig-Holstein fahren, beziehungsweise fliegen. Aber schön, dass Sie die Osterfestspiele ab 2013 wieder zu neuem Leben erwecken wollen. Die Hotelbranche braucht das schon, es ist halt doch noch ein besseres Publikum als im Sommer, ned wahr, Evamaria. Die Evamaria, die lässt mich immer reden, ned wahr, Evamaria?«
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Leonard von Karabidache war sichtlich erleichtert, denn der Saalchef, Herr Joseph -- hatte Herr Joseph auch noch einen family name? -- brachte das Wiener Schnitzel, und der ehemalige Landeshauptmann von Salzburg, der gehofft, dass er am Tisch des Weltberühmten und seiner milliardenschweren Gattin sitzen dürfe -- wie konnte er? -- stand etwas verloren im Restaurant, auch hatte er gehofft, er würde durch den Maestro den Damen Silbermann und Levi-Pucci, den milliardenschweren Jüdinnen vorgestellt, denn Salzburg brauchte Investoren, auch wenn sie Frauen und Jüdinnen waren. Die Frauen wurde ja immer stärker. Bitte, wer dachte, wenn er nicht an Frauenstärke denken musste, an die Merkel der Bundesdeutschen, der Pifkes? »Ja, dann wollen wir uns einen Platz suchen, Evamaria!« »Nehmen S’ doch bittschön Platz an der Bar, Herr Landeshauptmann!« Herr Joseph lächelte verbindlich, »wenn a Tisch frei wird, dann hol ich Sie. Der Apero, der geht aufs Haus, Herr Dr. Rieder, bittschön, Herr Landeshauptmann!« »Solltest du nicht den Rieder, den Landeshauptmann a. D., an den Tisch bitten, Leonard?« »Nein, das möchte ich nicht. Oder hast du vor, dich mit diesem Menschen zu langweilen, der übrigens ein Antisemit ist! Dabei war Jesus, der hier in Salzburg als Sohn Gottes besonders verehrt werdende, wie auch sein Mutterl, die Maria, a Jud und sie eine Jüdin. Wir sollten wieder einmal hinauf nach Maria Plain, zum Gnadenbild fahren, und beim Brandstätter ein Saftgulasch essen.« Rieder hatte während seiner Amtszeit moniert, dass das Israel Philharmonic Orchestra immer und immer wieder nach Salzburg eingeladen würde. Und dann hatte der Landeshauptmann a. D. die Namen Abbado, Muti und Welser-Möst in den Mund genommen, wenn auch negativ, und diese Namen durften, auch nicht mit Schmach bedeckt, in seiner Anwesenheit erwähnt werden, von den anderen ganz zu schweigen. »Ich freue mich auf Ihre nächsten Konzerte in New York?« Esther Silbermann lächelte, nach der Peinlichkeit des Auftretens des Landeshauptmannes außer Diensten, des Dr. Rieders, einen Übergang für den Fortlauf des Gespräches anbietend. Es war schon erstaunlich, wer alles in diesem herrlichen Land sich anmaßte und angemaßt, politische Verantwortung zu übernehmen oder übernommen hatte. Aber wo war das schon anders? Dass Politik den Charakter ruiniere, falls denn ein solcher vorhanden gewesen, konnte schon bei Aristoteles nachgelesen werden. Es war wirklich unglaublich.
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Die Geschichte war eine einzige Kette der Brutalitäten, eine Dummheit reihte sich an die nächste, hervorgerufen durch Muttersöhne von Julius Caesar über Nero, Napoleon, Pius XII. bis Hitler und Stalin. Und auch Friedrich der Große, der nur sinnlose Kriege geführt und seinen Vater gehasst, war ein mutterbezogener Mensch, zusehen müssend, wie sein Erzeuger, Friedrich Wilhelm I., der Soldatenkönig, die Mutter über den Tisch legte, und dies während des Essens, und das tat, was er als seine ehelichen Pflichten vor Gott und den Menschen bezeichnete. Doch die absolute Herrschaft der Männer ging zu Ende, und das war gut für den Fortbestand der Welt und ihrer Ressourcen. Immerhin waren der Landeshauptmann und Bürgermeister des Bundesstaates und der Stadt Salzburg Frauen, nach der geradezu indiskutablen, Jahrhunderte dauernden Herrschaft der katholischen Kirche und ihrer Fürstbischöfe über Stadt und Land Salzburg, die im Zeitalter des Fürsten Metternich eine Restauration erlebten, um dann nach dem ersten Weltkrieg, dem Untergang des Kaiserreiches Österreich, der zweimaligen Kanzlerschaft des Priesters Dr. Ignaz Seipel, der eine klerikal-faschistische Dikatur aufgebaut, von den Sozialdemokraten als »Prälat ohne Gnad« und »Blutprälat« bezeichnet, und nach den Katholik-Faschisten und Kanzlern Dollfuß, Schuchnigg und Adolf Hitler, für viele der größte Österreicher aller Zeiten, endlich in die Demokratie zu münden. Das einzig Sinnvolle, was die Fürstbischöfe von Salzburg auf der Habenseite verbuchen konnten, war die herrliche Stadt, in Jahrhunderten durch sie entstanden, wie sie sich heute in ihrer ganzen Schönheit darbot. Das deutsche Rom, wie die Stadt genannt wurde, hatte in ihren Mauern Wolfgang Amadeus Mozart gesehen, der kein Lakai des Erzbischofs von Colloredo mehr sein wollte. »In der kommenden Saison 2011/12, Madame Silbermann, mache ich sechs Programme an jeweils zwei Abenden mit meinem Salzburg-FestivalOrchestra, dazu ein anschließendes Konzert in Boston und in zwei Jahren dirigiere ich zusätzlich den New-York-Zyklus der Wiener Philharmoniker in der Carnegie Hall, gnädige Frau.« Leonard von Karabidache lächelte, zwischen zwei Gabelbissen des Wiener Schnitzels, bewundernde Blicke auf Lady Silbermann und Hava Sandler, die phänomenale Managerin seines Orchesters werfend, in Verbindung mit einem Schluck Grünen Veltliner aus der Wachau. »Ich weiß, Herr von Karabidache, denn ich bin die Chairwomen des Board der Carnegie Hall.«
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»Kommen Sie zu meinem Parsifal. Ab dem Jahre 2013 bin ich künstlerischer Leiter der Osterfestspiele, Generalmanagerin des Eastern-Festivals ist unsere Hava Sandler, den Parsifal dirigierend und inszenierend, Kayseresch freut sich schon jetzt, die Ostern 2013 kaum noch erwartend könnend. Kayseresch ist der größte Ignorant des internationalen Musiklebens. Er hat keine Ahnung von dem, über was er schreibt, aber er schreibt so, dass ich seine Geistesergüsse lese. Er ist der Einzige unter den sogenannten Großkritikern, der orignell schreiben kann, fast so gut schreibend, aber auch nur fast, wie der bedeutende Literatur -- und Musikpapst Professor Dr. Joachim Kaiser, der Starschreiber der liberalen Süddeutsche. Zeitung. »Und was lesen Sie als erstes, Maestro, wenn Sie morgens die Zeitungen aufschlagen?«Maddalena Levi-Pucci schenkte dem Mann ihrer Freundin Judith einen ironischen Blick. »Zuerst den Sport, Fußball, ich bin Fan von Bayern München, und habe seit Jahren eine Loge in der Allianz-Arena, in welcher unsere Hava Sandler Freundinnen und Freunde empfängt und bewirtet, leider kann ich selten ein Spiel sehen, dann den Wirtschaftsteil, sodann werfe ich einen Blick über die politischen Seiten – nur Dummheiten lesend, die politische Klasse ist völlig inakzeptabel – und zum Schluß, angewidert, überschlage ich das Feuilleton der fünf sechs wichtigsten internationalen Zeitungen, vor allem aber der Zeitung Die Süddeutsche. Dafür brauche ich drei Minuten, es sei denn, Kayseresch hat wieder einmal eine seiner boshaften, inkompetenten doch stilistisch hoch interessanten Kritiken geschrieben, denn wie gesagt, Kayseresch versteht nichts von Musik, aber er hat ein hohes schriftstellerisches Niveau, und man langweilt sich bei Kayseresch auch dann nicht, wenn er eigentlich ein Konzert beschreibt, in dem das bemerkenswerteste des Abends die Figur der Sängerin gewesen. Selbst wenn er schlecht über mich schreibt, ist es doch wenigstens amüsant zu lesen. Aber die meisten Kritiker sollten über Gynäkologie schreiben, denn davon glaubt ja jeder etwas zu verstehen, das hat übrigens Sergiu Celibidache gesagt, der sich mehr als einmal über die Kritiken Joachim Kaisers ärgern musste.« Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, am Nebentisch seiner Begleitung den Brotkorb reichend, hatte die Worte des Stardirigenten nicht überhören können, auch wollte er den Tisch und das Restaurant nicht eher verlassen, bis dass er den Damen, die an der Tafel des Maestros
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saßen, vorgestellt worden, denn ihm war die Bedeutung der Damen auf den internationalen Finanzmärkten nicht unbekannt, und Salzburg war in der internationalen Finanzwelt ein jährliches und absolutes Muß, eine Kontaktbörse der besonderen Art, auch den Vorstandsvorsitzenden einer Großbank in die Geburtsstadt Mozarts fliegen lassend. Er zollte darum Maestro von Karabidache seine Anerkennung, nicht unerwähnt lassend, dass die Wiedergabe der Neunten in Worten gar nicht zu beschreiben, und nachdem er seinen Namen genannt, fragte Judith Goldberg-Karabidache, ob sie den Vorstandsvorsitzenden der Bank vor sich sehe, der ihr Aktien im Werte von fünfhundert Millionen Euro habe anbieten lassen, dazu Daimler-Aktien, der Telekom, Siemens und noch einiger anderer Dax-Unternehmen. »Und, haben Sie mein Angebot angenommen?« Der Vorstandsvorsitzende, es war Dr. Josef Ackermann höchst persönlich, lehnte sich etwas vor, um die Schönheit der Damen noch intensiver zu genießen. »Ich habe meinen Vermögensverwalter, Dr. Abraham Mendelssohn, ermächtigt, den Deal zu tätigen und ich hoffe, wir werden es nicht bereuen. Wie war noch Ihr Name?« »Ackermann, Dr. Josef Ackermann, Chairman der Deutsche Bank AG., dem Verein der Freunde und Förderer der Salzburger Festspiele und der Osterfestspiele angehörend. Ich war beglückt, als ich das Programm der Salzburger Festspiele 2011 zur Kenntnis nehmend, lesen durfte, dass Ihr Mann im Rahmen der Festspiele mit einem eigenen Zyklus seines Salzburg-Festival-Orchestra auftreten würde, wie wunderbar, gnädige Frau, eine echte Konkurrenz der Wiener Philharmoniker.« »Sie sagen es Mister Ackermann!« Judith Goldberg-Karabidache reagierte mit wachsendem Desinteresse. Für die Vorstände von Banken war Dr. Mendelssohn zuständig, der ihr Vermögen von Jahr zu Jahr sinnlos vermehrte. »Wie soll ich denn das Geld ausgeben, Abraham?«, war ihre ständige Frage. Noch in der vergangenen Woche, Abraham Mendelssohn war von New York an die Salzach gekommen, hatte sie ihn gefragt, wie viele Wolkenkratzer ihr in New York derzeit gehörten, und Abraham Mendelssohn hatte ihr die Zahl auf einen Bierdeckel geschrieben, noch einen Palatschinken mit Marillen bestellend. Dr. Josef Ackermann spürte, dass es psychologisch sinnvoll, weder den Maestro weiter mit Lob zu überschütten noch das Frage- und Antwortspiel mit der schönen Gattin des Dirigenten zu forcieren, auch brachte Herr Joseph persönlich die Frittatensuppe, auf die er sich schon während
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des letzten Satzes der Neunten gefreut, denn er war, dem Jet der Bank entsteigend, bereits im Smoking sich befindend, im bankeigenen Audi A8 direkt vor das Festspielhaus gefahren worden, und nach dem Abendessen würde er nach Frankfurt zurückfliegen, denn am Morgen hatten die führenden Vertreter der Banken und Industrie ein Gespräch mit Frau Bundeskanzlerin Merkel in Berlin, und es war ein besonderer Zufall, dass er den letzten Zweiertisch direkt neben der Tafel des Dirigenten erhalten und die Damen Levi-Pucci, Silbermann und Goldberg-Karabidache, welche die Aufmerksamkeit der internationalen Finanzwelt in höchstem Maße auf sich zogen, als Zugabe erhielt, eine Gelegenheit, die nicht ungenutzt verstreichen durfte, das sah auch Dr. Melanie Wagner nicht anders, die Leiterin der juristischen Direktion der Deutschen Bank, welche mehr als überrascht, den charmanten, doch kühl agiernden Vorstandsvorsitzenden in einer Haltung vor den Wallstreet-Damen zu erleben, nicht zuletzt die Gattin des Stardirigenten betreffend, wie sie Herrn Josef Ackermann bisher nicht erleben konnte. Dr. Melanie Wagner, Absolventin der Business-School der Harvard University, blickte kühl auf den Dirigenten, der so geschmacklos, seine Kollegen öffentlich mit Ironie und Häme zu bedenken. Auch andere konnten dirigieren, ein Abbado, Muti und Welser-Möst, Luisi und noch mindestens zwanzig weitere, Christian Thielmann nicht vergessend, der mit wechselnden Spitzenorchestern Triumphe in der Alten Oper Frankfurt feierte. Aber Leonard von Karabidache war ein Mythos, wie Anne Sophie Mutter, Dr. Joseph Ackermann, Franz Beckenbauer, Angela Merkel, Uli Hoeneß, Jürgen Klopp, Michael Schumacher und Jogi Löw, Bastian Schweinsteiger, Manual Neuer, Herbert von Karajan und weitere Gestalten, die jeder kannte. Nein, man musste schon die Sportheroen bemühen. Auch die Bäckersfrau an der Ecke kannte Herrn von Karabidache, der im Goldener Hirsch Hof hielt, wie einstmals Kaiser Franz Joseph I., der Ahnungslose auf dem Kaiserthron, der in den ersten Weltkrieg gestolpert, weil er in seinem ganzen Leben kein einziges Buch gelesen. Aber auch dieser Vergleich hinkte. Hitler war Katholik und Schriftsteller gewesen, auch er ein Idiot, Millionen Tote hinterlassend, jedenfalls hatte er sich in seiner Lieblingsstadt Weimar bereits 1924 im Hotel Elephant als Schriftsteller in die Gästeliste eingetragen. »Darf ’s für den Maestro und die Damen noch ein Palatschinken
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sein?« Herr Joseph, der Oberkellner -- das Restaurant war noch immer bis auf den letzten Stuhl besetzt --, war an den Tisch des Maestros getreten. Niemand hatte die Gaststube bisher verlassen, wartend, dass der Dirigent und seine Damen sich erhebend das Zeichen zum allgemeinen Aufbruch gaben, um mit Rolls Royce made by BMW oder Bentley den Landsitz in Anif anzusteuern, beziehungsweise ansteuern zu lassen. »Ich nehm noch einen Palatschinken und die Damen bittschön auch, Herr Joseph!« Leonard von Karabidache warf einen Blick auf die Begleitung des Vorstandsvorsitzenden. Wie hieß noch der Chairman? Ackermann oder Thielemann? Einen Abs hatte es doch auch irgendwann schon einmal gegeben. Eine Legende der Nachkriegsgeschichte, aber dieser Ackermann oder Thielemann, wieso kam er immer auf Thielmann? -- war eine Persönlichkeit. Wollte der CEO nicht Opernsänger werden? Hieß er nun Thielemann oder Ackermann? Thielemann war Assistent Herbert von Karajans gewesen. Sollte Karajan ein so schlechter Lehrer gewesen sein? Aber Ackermann, doch ja, der Chairman der Deutsche Bank hieß Ackermann und nicht Biedermann oder Thielemann, war nach Salzburg gekommen, seine, die karabidachische Neunte hören wollend, die Anton Bruckner notiert hatte. Erdenken konnte man viel, aber was nutzte das noch so gut Erdachte, wenn es von Dilettanten ruiniert wurde? Und wer bitte hatte nicht schon alles Bruckner ruiniert? Jeden Tag wurde irgendwo auf der Welt Bruckner von einem Frackträger ruiniert. Entsetzlich, indiskutabel. Was hatte Maddalena Levi-Pucci, die Frau des ehemaligen Außenministers von Italien, gesagt? Sie wolle keinen Palatschinken, sie nehme nur Waldfrüchte? Bitte, dann eben Waldfrüchte. Wer hatte nicht schon im Goldenen Hirsch einen Marillen-Palatschinken und Waldfrüchte gegessen und vorher schamlos Bruckner, Mozart, Beethoven und Brahms ruiniert? Natürlich Arturo Toscanini! Toscanini hatte nicht nur Bruckner ruiniert, wie Sergiu Celibidache gelästert, doch die Wahrheit sagend, Celibidache hatte immer und überall über seine Kollegen die Wahrheit, die grausame, gesagt, die Ruinatoren der Werke Mozart, Beethoven, aber vor allem Bruckners. Karl Böhm hatte Bruckner ebenso ruiniert, wie Eugen Jochum, Otto Klemperer, Georg Solti, Carlo Maria Giulini, wie Sergiu Celibidache gesagt. Dilettanten, wohin man nur hörte, hatte Sergiu Celbidache gesagt, der Furtwängler hatte gelten lassen, aber nur als Beethoven Interpret.
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Und wenn er, Leonard von Karabidache, an Hubertus Müller-Stolberg dachte, drohte ihm der Herzstillstand wie Giuseppe Sinopoli am 20. April 2001 in Berlin, dem Chefdirigenten der Dresdner Staatskapelle, während er die Oper Aida dirigierte, obwohl er erst in der Saison 2015/16, nach Lorin Maazel, sein Amt als Chefdirigent der Münchner Philharmoniker antreten würde, aber dieses Amt warf jetzt schon seine Schatten voraus. Er konnte nur Müller-Stolberg gedanklich eleminieren, indem er auf seine Hava Sandler blickte, die lautlos und mit der denkbar höchsten Effizienz sein Salzburg-Festival-Orchestra managte, die schöne Hava Sandler, und dann dieser herrliche Body, die nur mit dem Wort Leonardo sein Blut in Wallung bringende. Warum hatte er das Anhebot des Herrn Ude akzeptiert? Er hatte es akzeptiert, weil Sergiu Celibidache dort von 1979 bis zu seinem Tode im Jahre 1996 Chefdirigent gewesen und nach einer Zwischenperiode mit den Kollegen James Levine, Christian Thielemann und Lorin Maazel, wollte er eine neue Ära in München begründen, seine, die Ära Leonards von Karabidaches, und vor allem war er der Bitte seiner Frau gefolgt, deren erster Mann, der Bankier Joseph Liebermann in München geboren wurde, die Hauptstadt der Bewegung Adolf Hitlers nach dessen Machtübernahme verlassend. Ein Dilettant war der Intendant der Münchner Philharmoniker. Wo gab es einen Orchestermanager, der kein Dilettant der übelsten Art? Wo bitte? Dieser Mensch, dieser Professor Dr. Dr. Hubertus Müller-Stolberg, Flötist und Jurist, hatte, ohne ihn zu konsultieren, die Dirigenten Fabio Luisi, Manfred Honeck, Franz Welser-Möst, Christian Thielemann, Thomas Hengelbrock, und Mariss Jansons, Zubin Metha, den Ehrendirigenten des Orchesters nicht vergessend, für seine erste Saison, die Saison 2015/16, die er als Chefdirigent verantwortete, verpflichtet. Aber nicht so fabelhafte Dirigenten wie Peter Honecker, den unehelichen Sohn des Staatsratsvorsitzenden der Deutschen Demokartischen Republik, nicht Iwan Loginowitsch Goremykin, den Chefdirigenten der Philharmonie von Rostow am Stillen Don, nicht Maestro Tan Lihua, den Chefdirigenten des Beijing Symphonie Orchestra und auch nicht Enoch zu Guttenberg, den Vater der großen Politikers, Wirtschaft - und Verteidigungsminster Karl Theodor Freiherr von und zu Guttenberg, der einer Intrige Angela Merkels und Horst Seehofer zum Opfer gefallen, nicht Gustav Kuhn, der einen Intendaten geohrfeigt – endlich! – den Intendanten und Dirigenten des Tirol Festivals Erl.
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