In der Regel ist es ein komplexes und anspruchsvolles Unterfangen, ein qualitatives Forschungsprojekt zu konzipieren und umzusetzen. Gleiches gilt auch für das Schreiben einer qualitativen Forschungsarbeit. Diese Schummelseite gibt Ihnen in kompakter Form einen Überblick über die wichtigsten Punkte, die Sie in Ihrer qualitativen Forschung auf jeden Fall beachten sollten.
ZIEL UND VORAUSSETZUNG DER QUALITATIVEN FORSCHUNG
Wenn Sie ein qualitatives Forschungsprojekt konzipieren und umsetzen, sollten Sie sich immer bewusst sein, was das Ziel der qualitativen Forschung ist und welche Voraussetzung dafür notwendig ist (vgl. auch Kapitel 1):
Das Ziel der qualitativen Forschung ist es, auf der Grundlage von lebensweltlichen Erfahrungen der Menschen und unter Berücksichtigung möglichst aller Details das Typische in den kontextbezogenen Gedanken, Emotionen und Verhaltensweisen der Menschen zu entdecken und zu verstehen, um auf dieser Grundlage verallgemeinerbare Theorien zu entwickeln.
Die Voraussetzung dafür ist, dass der bestehende Wissensstand rudimentär ist. Dies bedeutet, dass aus der bestehenden Literatur keine Theorie in ausreichender Breite und Tiefe entwickelt werden kann.
STRUKTUR VON QUALITATIVEN FORSCHUNGSARBEITEN
Qualitative Forschungsarbeiten folgen in der Regel immer einer gleichen Struktur, die Sie auch in Ihrer Forschungsarbeit berücksichtigen sollten (vgl. auch Kapitel 2):
Einleitung
Theorie und Stand der Forschung Forschungsfragen
Methodik
Ergebnisse
Diskussion
MERKMALE VON FORSCHUNGSFRAGEN IN QUALITATIVEN FORSCHUNGSPROJEKTEN
Um die Qualität Ihrer Forschungsfragen in Ihrer qualitativen Forschungsarbeit zu sichern, sollten Sie sich an den folgenden Merkmalen guter Forschungsfragen orientieren (vgl. auch Kapitel 3):
Die Forschungsfragen müssen nachvollziehbar und intersubjektiv logisch aus der Theorie abgeleitet sein.
Qualitative Forschungsfragen zielen darauf ab, auf der Grundlage eines rudimentären Wissensstandes Neues zu entdecken.
Die Forschungsfragen müssen einen fokussierten Untersuchungsgegenstand erschöpfend und differenziert abdecken.
Die Forschungsfragen müssen offen formuliert sein und durch eine qualitative Methodik beantwortbar sein.
PRINZIP DER THEORETISCHEN SENSIBILITÄT
Sie werden an ein qualitatives Forschungsprojekt zwangsläufig mit bestimmten Vorannahmen herangehen. Dabei müssen Sie das Prinzip der theoretischen Sensibilität berücksichtigen, indem Sie auf die folgenden Aspekte achten (vgl. auch Kapitel 4):
Seien Sie sich Ihrer theoretischen Vorannahmen bewusst und reflektieren Sie diese.
Lassen Sie mehrere theoretische Perspektiven auf Ihren Untersuchungsgegenstand zu.
Finden Sie die Balance zwischen den abstrakten Konstrukten der Theorie und den lebensweltlichen Phänomenen der Probanden.
CHARAKTERISTIKA EINER GUTEN FORSCHUNGSARBEIT
Beim Schreiben Ihrer qualitativen Forschungsarbeit sollten Sie für die Qualitätssicherung die folgenden Charakteristika berücksichtigen (vgl. auch Kapitel 5):
In einer akademischen Forschungsarbeit müssen neue Erkenntnisse gewonnen werden.
In einer akademischen Forschungsarbeit müssen generalisierbare Erkenntnisse gewonnen werden.
Die neuen und generalisierten Erkenntnisse müssen mit einer nachvollziehbaren und überprüfbaren Methodik gewonnen werden.
Die Ergebnisse einer akademischen Forschungsarbeit müssen intersubjektiv logisch gewonnen werden.
Das Thema einer akademischen Forschungsarbeit muss erschöpfend behandelt werden.
BEWUSSTE FALLAUSWAHL FÜR EINEN HOHEN ERKENNTNISGEWINN
In der qualitativen Forschung findet eine bewusste Fallauswahl statt. Dabei sollten Sie die beiden folgenden Aspekte berücksichtigen (vgl. auch Kapitel 6):
In qualitativen Studien sollten Probanden rekrutiert werden, für die das zu untersuchende Phänomen eine hohe subjektive Relevanz hat, sodass ein hoher Erkenntnisgewinn zu erwarten ist.
In qualitativen Studien sollten Probanden rekrutiert werden, die bereit und in der Lage sind, über das zu untersuchende Phänomen Auskunft zu geben.
TEILSTRUKTURIERTES LEITFADENINTERVIEW:
DEFINITION UND ERKENNTNISZIEL
Das teilstrukturierte Leitfadeninterview ist ein zentrales Verfahren der qualitativen Datenerhebung. Wenn Sie teilstrukturierte Interviews in Ihrem qualitativen Forschungsprojekt einsetzen, sollten Sie ein klares Verständnis von der Definition und dem Erkenntnisziel eines teilstrukturierten Interviews haben (vgl. auch Kapitel 7):
Definition: Das teilstandardisierte Interview ist die Befragung eines Probanden durch einen Forscher, die auf vorab definierten und in einem Leitfaden festgehaltenen offenen Fragen basiert. In den Interviews selbst sind die Reihenfolge und konkrete Formulierung der Fragen flexibel einzusetzen, um sich dem Probanden und seinem lebensweltlichen Verständnis anzupassen.
Erkenntnisziel: In teilstandardisierten Interviews soll herausgefunden werden, wie Menschen einen Untersuchungsgegenstand wahrnehmen, bewerten und sich diesem gegenüber verhalten.
GRUPPENDISKUSSION: DEFINITION UND
ERKENNTNISZIEL
Die Gruppendiskussion ist ein zentrales Verfahren der qualitativen Datenerhebung. Wenn Sie Gruppendiskussionen in Ihrem qualitativen Forschungsprojekt einsetzen, sollten Sie ein klares Verständnis von der Definition und dem Erkenntnisziel von Gruppendiskussionen haben (vgl. auch Kapitel 8):
Definition: Die Gruppendiskussion, auch als Fokusgruppe oder Focus Group bezeichnet, ist ein qualitatives Verfahren der Datenerhebung, bei dem mehrere Probanden unter der Moderation eines Forschers über ein vorgegebenes Thema diskutieren.
Erkenntnisziel: Gruppendiskussionen werden dazu eingesetzt, kollektive Wissenstatbestände und Einstellungen sowie soziale Prozesse und Strukturen zu entdecken.
AUFZEICHNUNG DER DATENERHEBUNG UND TRANSKRIPTION
Wenn Sie in Ihrem qualitativen Forschungsprojekt Daten mithilfe von qualitativen Interviews, Gruppendiskussionen etc. erheben, müssen diese Daten festgehalten werden. Dabei sollten Sie die folgenden Punkte beachten (vgl. auch Kapitel 10):
In (fast) jedem qualitativen Forschungsprojekt ist eine Audio- oder Videoaufzeichnung der Datenerhebung zwingend erforderlich. Die Audio- oder Videoaufzeichnungen müssen transkribiert, also wörtlich abgeschrieben werden.
In den Transkripten müssen alle Inhalte festgehalten werden, die für die Beantwortung der Forschungsfragen notwendig sind.
GROUNDED THEORY METHODOLOGY: THEORIENBILDUNG ÜBER DAS CODIEREN
Wenn Sie Ihre qualitativen Daten mit der Grounded Theory Methodology auswerten, entwickeln Sie Theorien mittlerer Reichweite über die Codierung. Dabei werden drei Codier-Arten unterschieden (vgl. auch Kapitel 11):
Offenes Codieren: Beim offenen Codieren werden Inhalten der Transkripte Bedeutungen in induktiver Weise zugeordnet. Die so gebildeten Codes werden dann zu abstrakteren Kategorien zusammengefasst.
Axiales Codieren: Beim axialen Codieren werden die zuvor gebildeten Kategorien in deduktiver Weise in Beziehung zueinander gestellt und gegebenenfalls anhand der Daten »angereichert«.
Selektives Codieren: Beim selektiven Codieren wird das zuvor entwickelte Gesamtmodell in deduktiver Weise auf Logik und Konsistenz geprüft.
QUALITATIVE
INHALTSANALYSE: DEDUKTIVE UND INDUKTIVE KATEGORIENBILDUNG
Wenn Sie Ihre qualitativen Daten mit der qualitativen Inhaltsanalyse auswerten, entwickeln Sie normalerweise ein hierarchisches Kategoriensystem, das aus deduktiv gebildeten Kategorien und induktiv gebildeten Kategorien besteht (vgl. auch Kapitel 12):
Deduktive Kategorienbildung: Deduktive Kategorien werden vor der Datenanalyse aus der bestehenden Literatur abgeleitet.
Induktive Kategorienbildung: Induktive Kategorien werden während der Datenanalyse aus den Transkripten gebildet.
PHASEN UND ARBEITSSCHRITTE DER
QUALITATIVEN ANALYSE, MODELLENTWICKLUNG UND ERGEBNISDARSTELLUNG
In Kapitel 13 dieses Buches finden Sie einen anwendungsorientierten Leitfaden für die qualitative Analyse, Modellentwicklung und Ergebnisdarstellung in einer qualitativen
Forschungsarbeit. Diesen im Folgenden skizzierten Prozess können Sie als Rahmen für Ihr qualitatives Forschungsprojekt nutzen:
Phase 1: Vorbereitende Schritte
Arbeitsschritt 1.1: Festlegen des Analyserahmens auf der Basis von Theorie, Forschungsfragen und Leitfaden
Arbeitsschritt 1.2: Transkription der Interviews oder Gruppendiskussionen
Phase 2: Codierung und Kategoriensystem
Arbeitsschritt 2.1: Ganzheitliches Vertrautmachen mit den Transkripten
Arbeitsschritt 2.2: Bildung der deduktiven Kategorien auf der Basis von Theorie, Forschungsfragen und Leitfaden
Arbeitsschritt 2.3: Deduktive und induktive Codierung der Transkripte sowie Entwicklung eines (hierarchischen) Kategoriensystems
Phase 3: Modellentwicklung
Arbeitsschritt 3.1: Analyse des Kontexts der Kategorien
Arbeitsschritt 3.2: Ableitung eines theoretischen Modells aus dem Kategoriensystem und dem Kontext der Kategorien
Phase 4: Ergebnisdokumentation in der Forschungsarbeit
Arbeitsschritt 4.1: Dokumentation der Kategorien
Arbeitsschritt 4.2: Dokumentation des entwickelten Modells
Qualitative Forschung für Dummies
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Coverfoto: Yori Hirokawa – stock.adobe.com
Korrektur: Petra Heubach-Erdmann
Print ISBN: 978-3-527-72107-8
ePub ISBN: 978-3-527-84347-3
Inhaltsverzeichnis
Cover
Titelblatt
Impressum
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Ziel dieses Buches
Aufbau dieses Buches
Wie Sie dieses Buch lesen sollten
Symbole, die in diesem Buch verwendet werden
Teil I: Der qualitative Forschungsansatz
Kapitel 1: Grundverständnis und Erkenntnisziel der qualitativen Forschung
Grundverständnis von Wissenschaft und Realität im Allgemeinen
Ausflug in den quantitativen Forschungsansatz
Wissenschaftstheoretische Grundlagen der qualitativen Forschung
Erkenntnisziel der qualitativen Forschung
Qualitative Forschung als Entdeckungs- und Interpretationsverfahren
Prinzipien der qualitativen Forschung für die praktische Anwendung
Zusammenfassung: Grundverständnis und Erkenntnisziel der qualitativen Forschung
Anwendungsbeispiel Moral Dilemma Decisions –Grundverständnis und Erkenntnisziel von qualitativer Forschung
Übungsaufgaben zu Kapitel 1
Kapitel 2: Struktur von qualitativen Forschungsarbeiten
Gliederung von qualitativen Forschungsarbeiten im Überblick
Standardgliederung und ihre Kapitel
Übungsaufgaben zu Kapitel 2
Kapitel 3: Forschungsfragen und Herangehensweise an qualitative Forschungsprojekte
Forschungsfragen in qualitativen Forschungsarbeiten
Herangehensweise an qualitative Forschungsprojekte
Übungsaufgaben zu Kapitel 3
Kapitel 4: Theorieteil in qualitativen Forschungsarbeiten
»Aufgaben« von Theoriekapiteln in qualitativen Forschungsarbeiten
Inhalt und Aufbau von Theoriekapiteln
Theoretische Sensibilität als zwingende Voraussetzung für die qualitative Forschungstätigkeit
Literaturrecherche in der Forschungspraxis
Übungsaufgaben zu Kapitel 4
Kapitel 5: Qualität und Gütekriterien der qualitativen Forschung
Charakteristika einer guten akademischen Forschungsarbeit im Allgemeinen
Klassische Gütekriterien und qualitative Forschung
Drei Kataloge von Gütekriterien in der qualitativen Forschung
Zusammenfassung: Gütekriterien und forschungspraktische Empfehlungen zur Qualitätssicherung
Übungsaufgaben zu Kapitel 5
Teil II: Erhebung qualitativer Daten
Kapitel 6: Stichprobe und Fallauswahl in der qualitativen Forschung
Stichprobenziehung als bewusste Fallauswahl
Stichprobenzusammensetzung und Fallarten
Verfahren der Fallauswahl
Besonderheiten bei der Fallauswahl für Experteninterviews
Zusammenfassung und forschungspraktische Hinweise
Übungsaufgaben zu Kapitel 6
Kapitel 7: Qualitative Interviews
Einführung und Überblick zu den qualitativen Interviews
Teilstandardisiertes Leitfadeninterview
Narratives Interview als offene Interviewform
Experteninterview als Spezialfall des Leitfadeninterviews
Übungsaufgaben zu Kapitel 7
Kapitel 8: Gruppendiskussionen
Grundlegende Charakteristika von Gruppendiskussionen
Settings von Gruppendiskussionen
Phasen von Gruppendiskussionen
Rolle des Diskussionsleiters und seine Aufgaben
Übungsaufgaben zu Kapitel 8
Kapitel 9: Weitere Verfahren der qualitativen Datenerhebung
Schriftliche und Online-Befragungen
Lautes Denken
Rollenspiele
Beobachtungen
Auswertung von Sekundärdaten
Übungsaufgaben zu Kapitel 9
Teil III: Auswertung und Interpretation qualitativer Daten
Kapitel 10: Aufzeichnung und Transkription von qualitativen Daten
Dokumentation der Daten mittels Audio- oder Videoaufnahme
Transkripte als Datenmaterial und erste Interpretation
Methodische Entscheidungen bei der Transkription
Etablierte Transkriptionssysteme und Transkriptionsregeln
Organisation und »technische« Umsetzung der Transkription
Anonymisierung der Transkripte
Übungsaufgaben zu Kapitel 10
Kapitel 11: Auswertung mit der Grounded Theory
Methodology
Methodologische Grundlagen der Grounded Theory Methodology
Codierung als Auswertungskern der Grounded Theory
Methodology
Übungsaufgaben zu Kapitel 11
Kapitel 12: Auswertung mit der qualitativen Inhaltsanalyse
Grundlagen der qualitativen Inhaltsanalyse
Kategorien als Auswertungskern der Inhaltsanalyse
Techniken und Basismethoden der qualitativen Inhaltsanalyse
Übungsaufgaben zu Kapitel 12
Kapitel 13: Anwendungsorientierter Leitfaden für die qualitative Analyse, Modellentwicklung und Ergebnisdarstellung
Vorbereitende Schritte
Codierung und Kategoriensystem
Modellentwicklung
Ergebnisdokumentation in der Forschungsarbeit
Übungsaufgaben zu Kapitel 13
Kapitel 14: CAQDA – Computerunterstützung bei der Auswertung
Auswertung mit Paper-Pencil vs. Auswertung mit Computerunterstützung
Computerunterstützung bei den einzelnen Auswertungsschritten
Teil IV: Der Top-Ten-Teil
Kapitel 15: Zehn »Grundregeln« für qualitative Forschungsprojekte
Qualitative Methodik muss den Forschungsfragen und der Theorie folgen
Qualitative Forschung bedeutet Entdecken und Interpretieren
Die Grundlage für den Forschungserfolg wird am Anfang gelegt
Qualitative Forschungsarbeiten folgen einer klaren Struktur
Offenheit in allen Forschungsphasen ist das A und O
Forschung sollte zu plausiblen und klaren Schlussfolgerungen kommen
Ein guter roter Faden wertet eine Forschungsarbeit auf
Eigene Meinungen gehören nicht in eine Forschungsarbeit
Qualitative Forschung muss nachvollziehbar und im Detail dokumentiert werden
Ohne Disziplin und harte, ehrliche Forscherarbeit geht es nicht
Kapitel 16: Zehn Punkte, die bei der Fallauswahl beachtet werden sollten
Ohne gute Fallauswahl keine guten Ergebnisse
Statistische Repräsentativität ist kein Kriterium für die Fallauswahl
Ein guter Fall verspricht Erkenntnisgewinn
Heterogene Stichproben sind (fast immer) besser als homogene
Stichproben
Diskussionsgruppen sind zugleich heterogen und homogen
Für qualitative Stichprobenpläne gilt »keep it simple and strong«
Das Prinzip der Sättigung ist eine gute Orientierung für die Fallauswahl
»Ersatzspieler« für nicht funktionierende Interviews sollten geplant werden
Experteninterviews benötigen »echte« Experten
Experten haben mehr als nur Wissen
Kapitel 17: Zehn Tipps für die Durchführung von qualitativen Interviews und Gruppendiskussionen
Das einzige Ziel eines Forschers in qualitativen Interviews ist der Erkenntnisgewinn
In qualitativen Interviews wird überwiegend offen gefragt
Interviewleitfäden dienen nur der Orientierung und sind keine Fragebögen
Für Interviewleitfäden gilt »weniger ist mehr«
Vor den »eigentlichen« Fragen steht der Beziehungsaufbau
Forscher sollten in der Regel als »interessierte Laien« in Experteninterviews gehen
Mit Gruppendiskussionen sollten kollektive Einstellungen oder soziale Prozesse und Strukturen erforscht werden
Diskussionsgruppen sollten normalerweise aus acht bis zwölf Teilnehmern bestehen
Der Diskussionsleiter ist ein zurückhaltender und neutraler Moderator
Qualitative Interviews und Gruppendiskussionen müssen aufgezeichnet werden
Kapitel 18: Zehn Hinweise für die qualitative Datenauswertung und Ergebnisdarstellung
Einfache Transkripte im Wortlaut der Probanden sind normalerweise die beste Lösung
Nicht das Gefühl kommt zu guten Ergebnissen, sondern eine solide qualitative Analyse
»Standard-Verfahren« der qualitativen Analyse müssen für jedes Forschungsprojekt angepasst und konkretisiert werden
Die »Richtung« der Analyse wird durch die Forschungsfragen und die Theorie vorgegeben
Der Kern der qualitativen Analyse ist das Codieren und Kategorisieren
Konstruierte Kategorien sollten mit Benennung, Definition und Beispiel beschrieben werden
In der Regel sollte ein hierarchisches Kategoriensystem gebildet werden
Qualitative Analyse ist ein zirkulärer Prozess
Ziel von qualitativer Analyse ist in der Regel die Modellentwicklung
Das entwickelte Modell sollte normalerweise als Grafik dargestellt werden
Anhang: Lösungen zu den Übungsaufgaben und Literaturverzeichnis
Anhang A: Lösungen zu den Übungsaufgaben
Lösungen zu den Übungsaufgaben aus Kapitel 1
Lösungen zu den Übungsaufgaben aus Kapitel 2
Lösungen zu den Übungsaufgaben aus Kapitel 3
Lösungen zu den Übungsaufgaben aus Kapitel 4
Lösungen zu den Übungsaufgaben aus Kapitel 5
Lösungen zu den Übungsaufgaben aus Kapitel 6
Lösungen zu den Übungsaufgaben aus Kapitel 7
Lösungen zu den Übungsaufgaben aus Kapitel 8
Lösungen zu den Übungsaufgaben aus Kapitel 9
Lösungen zu den Übungsaufgaben aus Kapitel 10
Lösungen zu den Übungsaufgaben aus Kapitel 11
Lösungen zu den Übungsaufgaben aus Kapitel 12
Lösungen zu den Übungsaufgaben aus Kapitel 13
Anhang B: Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Stichwortverzeichnis
End User License Agreement
Tabellenverzeichnis
Kapitel 6
Tabelle 6.1: Stichprobenplan des Forschungsprojekts »Subjective Decision-making ...
Kapitel 9
Tabelle 9.1: Typische Entwicklung von Forscherrolle, Forscherperspektiven und Be...
Kapitel 10
Tabelle 10.1: Transkriptionsregeln nach Jefferson (1984)
Illustrationsverzeichnis
Kapitel 1
Abbildung 1.1: Vereinfachtes Verständnis von Wissenschaft und Realität im Allgem...
Abbildung 1.2: Beispiel einer Theorie, die als grafisches Modell dargestellt ist
Abbildung 1.3: Grundprinzip des hermeneutischen Zirkels
Abbildung 1.4: Grafische Darstellung des grundlegenden Trolly-Dilemmas
Kapitel 2
Abbildung 2.1: Kapitel und Inhalte einer qualitativen Forschungsarbeit
Kapitel 3
Abbildung 3.1: Hierarchisches System von Forschungsfragen
Abbildung 3.2: Idealtypische Struktur der grundsätzlichen Forschungsansätze in d...
Abbildung 3.3: Entwicklung der Forschungsfragen als zirkulärer Prozess zu Beginn...
Kapitel 4
Abbildung 4.1: »Aufgaben« des Theoriekapitels in qualitativen Forschungsarbeiten
Abbildung 4.2: Inhalte des Theoriekapitels und Aufgaben der Literaturrecherche i...
Abbildung 4.3: Verhältnis von bestehenden Definitionen und Theorien und eigenen ...
Abbildung 4.4: Suchergebnis von Google Scholar zum Suchbegriff »moral dilemma de...
Abbildung 4.5: Beispiel für ein über Google Scholar gefundenes Abstract (https:/
Abbildung 4.6: Die wichtigsten Zusatzfunktionen von Google Scholar bei der Liter...
Kapitel 6
Abbildung 6.1: Grundsätzliches Vorgehen beim Theoretical Sampling
Abbildung 6.2: Auszug aus dem Screening-Fragebogen »Switch« des Forschungsprojek...
Kapitel 7
Abbildung 7.1: Allgemeine Informationen am Anfang des Interviewleitfadens des Fo...
Abbildung 7.2: Interviewleitfaden für die Interviews mit Probanden, die eine uti...
Kapitel 10
Abbildung 10.1: App Whisper Transcription – Auswahl des Sprachmodells, das der T
Abbildung 10.2: App Whisper Transcription – Benutzeroberfläche für die Auswahl v
Abbildung 10.3: Beispiel einer ersten Transkription mit Whisper und der dafür no...
Kapitel 11
Abbildung 11.1: Mögliche Vergleiche im Rahmen der Grounded Theory Methodology am...
Abbildung 11.2: Grundsätzliche Struktur von Daten, Codes und Kategorien in der G...
Abbildung 11.3: Offenes, axiales und selektives Codieren in der Struktur von Dat...
Kapitel 12
Abbildung 12.1: Schematische Darstellung von Kategoriensystemen
Kapitel
13
Abbildung 13.1: Forschungspraktische Phasen und Arbeitsschritte für die Analyse ...
Abbildung 13.2: Grafische Darstellung des im Forschungsprojekt »Subjective Decis...
Abbildung 13.3: Grafische Darstellung des im Forschungsprojekt »Subjective Decis...
Kapitel 14
Abbildung 14.1: MAXQDA User Interface mit Document System (1), Code System (2), ...
Abbildung 14.2: MAXQDA User Interface – geladene Transkripte und Anlegen von fal...
Abbildung 14.3: MAXQDA User Interface – Erstellen von Kategorien (Codes) und daz...
Abbildung 14.4: MAXQDA Smart Coding Tool – Überprüfung und Anpassung des Kategor
Abbildung 14.5: MAXQDA User Interface – Export des Kategoriensystems und der Kat...
Einleitung
Die qualitative Forschung musste über weite Teile des 20. Jahrhunderts in vielen Disziplinen ein »Schattendasein« fristen.
Sozialwissenschaftliche Forschung erfolgte fast ausschließlich quantitativ. Es wurden Theorien aus bestehender Literatur abgeleitet und dann vorwiegend durch standardisierte Befragungen oder Experimente in der Realität getestet.
Wissenschaftlicher Erkenntnisgewinn besteht jedoch aus mehr als nur dem Testen von Theorien an der Realität. Und hier kommt die qualitative Forschung ins Spiel. Qualitative Forschung zielt – wie Sie im Verlauf dieses Buches lernen werden – darauf ab, die Lebenswelt von Menschen zu erklären und zu verstehen, um auf dieser Grundlage Theorien zu entwickeln.
Dieses für den Wissensfortschritt sinnvolle und auch notwendige Erkenntnisziel lässt es wenig verwunderlich erscheinen, dass die qualitative Forschung in den letzten Jahrzehnten an Bedeutung und Popularität gewonnen hat. Immer mehr wissenschaftliche Veröffentlichungen basieren auf einer qualitativen Methodik. Auch in der kommerziellen Marktforschung werden immer häufiger qualitative Verfahren eingesetzt. Und nicht zuletzt nimmt die Zahl an qualitativen Haus- und Abschlussarbeiten an Hochschulen zu.
Dies bedeutet, dass ein »guter« Forscher – sei es ein Wissenschaftler, Marktforscher oder Student – heutzutage nicht mehr an der qualitativen Forschung vorbeikommt.
Ziel dieses Buches
Die qualitative Forschung sollte zum methodischen Repertoire jedes ganzheitlich ausgebildeten Forschers und damit auch jedes Studenten der Sozialwissenschaften gehören.
Dementsprechend richtet sich dieses Buch insbesondere an Studenten, die zum ersten Mal ein qualitatives Forschungsprojekt konzipieren und
umsetzen müssen. Es soll aber auch Wissenschaftlern und Marktforschern, die bisher überwiegend quantitativ geforscht haben, die qualitative Forschung näherbringen.
Das Ziel ist es, dass Sie, nachdem Sie dieses Buch gelesen haben, das Know-how haben, um Ihr eigenes qualitatives Forschungsprojekt eigenständig konzipieren und umsetzen zu können. Darüber hinaus sollen Sie in die Lage versetzt werden, einen qualitativen Forschungsartikel oder eine qualitative Haus- oder Abschlussarbeit zu schreiben.
Aufbau dieses Buches
Um dieses Ziel – Sie können Ihr eigenes qualitatives Forschungsprojekt konzipieren, umsetzen und in Ihrer Forschungsarbeit dokumentieren –bestmöglich zu erreichen, besteht dieses Buch aus fünf Teilen.
Teil I Der qualitative Forschungsansatz
Im ersten Teil dieses Buches stehen die methodologischen Grundlagen der qualitativen Forschung und die qualitativen Forschungsarbeiten, die das letztendliche Ergebnis Ihrer Forschung sind, im Mittelpunkt. Ziel ist es, dass Sie mit einer soliden Basis und klarer Zielorientierung in Ihr eigenes qualitatives Forschungsprojekt gehen können. Zu diesem Zweck lernen Sie im ersten Teil dieses Buches, …
… welches methodologische Verständnis und Erkenntnisziel der qualitativen Forschung zugrunde liegt (Kapitel 1).
… wie Sie qualitative Forschungsarbeiten aufbauen (Kapitel 2).
… wie Sie an qualitative Forschungsprojekte herangehen und Ihre Forschungsfragen formulieren (Kapitel 3).
… wie Sie den Theorieteil in Ihrer qualitativen Forschungsarbeit schreiben (Kapitel 4).
… wie Sie die Qualität Ihrer qualitativen Forschung sichern (Kapitel 5).
Teil II Erhebung qualitativer Daten
Die Grundlage von empirischer Forschung und damit auch von Ihrer qualitativen Forschung sind Daten. Dementsprechend erfahren Sie im zweiten Teil dieses Buches, …
… wie Sie die Probanden für Ihre Datenerhebung auswählen (Kapitel 6).
… wie Sie qualitative Interviews konzipieren und führen (Kapitel 7).
… wie Sie Gruppendiskussionen planen und umsetzen (Kapitel 8).
… welche weiteren Verfahren der qualitativen Datenerhebung Sie einsetzen können (Kapitel 9).
Teil III Auswertung und Interpretation qualitativer Daten
Im dritten Teil dieses Buches wird erläutert, wie Sie qualitative Daten auswerten und interpretieren können. Sie lernen im Speziellen, …
… wie Sie qualitative Daten aufzeichnen und transkribieren (Kapitel 10).
… wie Sie qualitative Daten mit der Grounded Theory Methodology analysieren (Kapitel 11).
… wie Sie eine Auswertung mit der qualitativen Inhaltsanalyse vornehmen (Kapitel 12).
… wie Sie auf der Basis eines anwendungsorientierten Leitfadens in Ihrer qualitativen Analyse, Interpretation und Ergebnisdarstellung konkret vorgehen (Kapitel 13).
… wie Sie Software bei Ihrer qualitativen Auswertung als Unterstützung nutzen (Kapitel 14).
Teil IV Der Top-Ten-Teil
Wie in jedem für Dummies-Buch darf der Top-Ten-Teil nicht fehlen. Hier erhalten Sie einige forschungspraktische Tipps, …
… die Sie grundsätzlich bei qualitativen Forschungsprojekten berücksichtigen sollten (Kapitel 15).
… die Ihnen bei der Fallauswahl helfen (Kapitel 16).
… die Sie bei der Durchführung von qualitativen Interviews und Gruppendiskussionen unterstützen können (Kapitel 17).
… die Ihre qualitative Auswertung erleichtern können (Kapitel 18).
Anhang Lösungen zu
den
Übungsaufgaben und Literaturverzeichnis
Am Ende der ersten 13 Kapitel finden Sie Übungsaufgaben, mit denen Sie überprüfen können, ob Sie alles verstanden haben. Die Lösungen zu diesen Übungsaufgaben finden Sie in Anhang A. Darüber hinaus finden Sie in Anhang B dort die Literatur, auf die in diesem Buch verwiesen wurde.
Wie Sie dieses Buch lesen sollten
Wenn Sie als Anfänger oder nur mit wenigen Vorkenntnissen zur qualitativen Forschung gekommen sind, sollten Sie alle Kapitel Schritt für Schritt gründlich nacheinander durcharbeiten. Wie Sie im vorherigen Abschnitt sehen konnten, bauen die einzelnen Teile dieses Buches aufeinander auf. Sie werden vom methodologischen Grundverständnis über die Datenerhebung zur Datenauswertung und Ergebnisdarstellung geführt.
In den meisten Kapiteln werden Sie Querverweise auf andere Kapitel finden. An diesen Stellen sollten Sie kurz innehalten und sich bewusst machen, auf welchen anderen Inhalten die jeweiligen Textstellen aufbauen und mit welchen anderen Inhalten sie zusammenhängen. Sie werden so ein umfassendes und konsistentes Verständnis für die qualitative Forschung entwickeln.
Nachdem Sie ein Kapitel gelesen haben, sollten Sie die Übungsaufgaben lösen, die Sie jeweils am Ende des Kapitels finden. Ihre Lösungen können Sie mit den richtigen Antworten abgleichen, die in Anhang A
dargestellt sind. Sie können so Ihr Wissen und Ihr Verständnis der qualitativen Forschung kontinuierlich überprüfen und herausfinden, ob Sie sich einzelne Inhalte noch einmal genauer anschauen sollten.
Nachdem Sie dieses Buch Kapitel für Kapitel gelesen und seine Inhalte verstanden haben, sollten Sie in der Lage sein, Ihr eigenes qualitatives Forschungsprojekt zu konzipieren und umzusetzen. Wenn Sie dann an Ihrem qualitativen Forschungsprojekt arbeiten, können Sie dieses Buch als eine Art Nachschlagewerk und Leitfaden nutzen. Schauen Sie sich dann gezielt die einzelnen Kapitel an, die zu dem jeweiligen Forschungsschritt passen, an dem Sie sich gerade befinden.
Symbole, die in diesem Buch verwendet werden
Um Ihnen beim Lesen den Überblick über die erläuterten Inhalte zu erleichtern, finden Sie in diesem Buch – wie in allen Dummies-Büchern – Textstellen, die mit den folgenden Symbolen gekennzeichnet sind:
Dieses Icon gibt hilfreiche Tipps, mit denen Sie Zeit und Gehirnschmalz sparen können.
Diese Textstellen sind wirklich wichtig! Sie enthalten Infos, die Sie auch dann noch wissen sollten, wenn Sie das Buch wieder zugeklappt haben.
Dieses Symbol kennzeichnet Fallen, in die Anfänger oft tappen.
Hier finden Sie ausführliche Informationen zu Themen, die im Text nur am Rande behandelt werden.
Hier finden Sie Beispiele, die Ihnen helfen können, sich einen abstrakten Sachverhalt zu veranschaulichen.
Teil I Der qualitative Forschungsansatz
IN DIESEM TEIL ERFAHREN SIE, …
… was der grundlegende Charakter der qualitativen Forschung ist.
… welche Erkenntnisziele Sie mit qualitativer Forschung verfolgen.
… wie Sie qualitative Forschungsarbeiten strukturieren.
… wie Sie an ein qualitatives Forschungsprojekt herangehen.
… wie Sie die Forschungsfragen in der qualitativen Forschung formulieren.
… wie Sie das Theoriekapitel einer qualitativen Forschungsarbeit schreiben.
… was eine gute qualitative Forschungsarbeit ausmacht.
… wie Sie die Qualität Ihrer qualitativen Forschung sichern.
Kapitel 1
Grundverständnis und Erkenntnisziel der qualitativen Forschung
IN DIESEM KAPITEL LERNEN SIE, …
… welches Verständnis der qualitativen Forschung zugrunde liegt.
… welches Erkenntnisziel Sie mit qualitativer Forschung verfolgen
… welche Prinzipien Sie in der qualitativen Forschung beachten müssen.
Das Ziel dieses Kapitels ist es, dass Sie ein Grundverständnis des qualitativen Forschungsansatzes erhalten und das zentrale Erkenntnisziel von qualitativen Forschungsprojekten kennen. Ferner sollen Sie verstehen, was dies für Ihre konkrete qualitative Forschung in der Anwendung bedeutet.
Zu diesem Zweck werden im Folgenden zunächst das allgemeine Verständnis von Wissenschaft und Realität sowie der quantitative Forschungsansatz erläutert. Davon ausgehend werden dann die wissenschaftstheoretischen Grundlagen und das zentrale Erkenntnisziel der qualitativen Forschung dargestellt. Anschließend erfahren Sie, was Sie in Ihrer eigenen qualitativen Forschung beachten müssen, um das zentrale qualitative Erkenntnisziel zu erreichen. Abschließend soll ein konkretes qualitatives Forschungsprojekt zur Veranschaulichung dienen.
Grundverständnis von Wissenschaft und Realität im Allgemeinen
Bevor wir zum Grundverständnis der qualitativen Forschung kommen, soll in diesem Abschnitt die Rolle der Wissenschaft im Allgemeinen erläutert werden.
Manche Menschen argumentieren, dass der Wissens- und Erkenntnisfortschritt an sich sinnvoll ist und aus sich selbst heraus Sinn ergibt. Diese Auffassung soll hier nicht abgewertet werden, jedoch wird gemeinhin die Wissenschaft nicht als Selbstzweck betrachtet. Vielmehr wird davon ausgegangen, dass die Wissenschaft einen Nutzen für unser Leben haben soll.
Kommen wir zuerst zur Realität, also unserem »normalen« Leben. Sie kennen wahrscheinlich viele Beispiele aus Ihrem eigenen Leben, die zeigen, wie komplex und schwer beherrschbar vieles ist – seien es Beziehungsprobleme, gesellschaftliche Konstellationen, Situationen im Studium oder bei der Arbeit. Dies bedeutet, dass wir in einer komplexen, nicht immer offen sichtbaren und sich ständig verändernden Welt leben. Wissenschaft soll nun dabei helfen, diese komplexe Realität ein wenig besser zu erklären und zu verstehen, indem die Realität als wissenschaftliche Theorie abgebildet wird. Auf der Basis der gewonnenen Erkenntnisse über die Realität sollen dann Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie diese Realität verbessert werden kann. Dies heißt, dass Wissenschaft durch die bessere Erklärung der Realität die Grundlage liefert, »unser Leben« für uns besser zu gestalten. Diesen Zusammenhang finden Sie auch in grafischer Darstellung in Abbildung 1.1.
Abbildung 1.1: Vereinfachtes Verständnis von Wissenschaft und Realität im Allgemeinen
Ein Teil der Wissenschaft ist die empirische Forschung, zu der die quantitative und qualitative Forschung gehören. In beiden Forschungsrichtungen – quantitativ und qualitativ – geht es darum, empirische Sachverhalte in Theorien abzubilden. Empirische Sachverhalte sind Merkmalsausprägungen, Prozesse etc., die Sie in der Realität finden, zum Beispiel Ihre Motivation, qualitative Forschung zu verstehen und dann in einem eigenen Forschungsprojekt erfolgreich anzuwenden. Theorien bestehen aus vereinfachten und verallgemeinerten Konzepten und deren Beziehungen zueinander. Im gerade genannten Beispiel würden Ihre Motivation, das Verstehen und die erfolgreiche Anwendung von qualitativer Forschung die drei Konzepte einer Theorie darstellen. Die Beziehungen zwischen diesen Konzepten könnten zum Beispiel so aussehen: Wenn Sie hoch motiviert sind, werden Sie die qualitative Forschung besser verstehen; wenn Sie die qualitative Forschung besser verstehen, werden Sie Ihr eigenes Forschungsprojekt erfolgreicher umsetzen. Diese Theorie ist grafisch in Abbildung 1.2 dargestellt.
Abbildung 1.2: Beispiel einer Theorie, die als grafisches Modell dargestellt ist
Im wissenschaftlichen Kontext können Sie die Begriffe Theorie und Modell als austauschbar auffassen, da sie im Kern das Gleiche beschreiben. Ein Modell und damit auch eine Theorie wird als vereinfachtes Abbild der Realität verstanden, das aus Konzepten und deren Beziehungen zueinander besteht.
Das soeben dargestellte allgemeine Grundverständnis von Wissenschaft gilt für die qualitative und quantitative Forschung. Jedoch bestehen zwischen beiden Ansätzen Unterschiede im Hinblick auf das Verständnis von Realität sowie im Hinblick auf die Art und Weise der Erkenntnisgewinnung. Diese Unterschiede müssen im jeweiligen Forschungsprozess berücksichtigt werden.
Ausflug in den quantitativen Forschungsansatz
In der Wissenschaft hat sich im 20. Jahrhundert der quantitative Forschungsansatz »durchgesetzt« und den qualitativen Forschungsansatz »an den Rand gedrängt«, auch wenn in den letzten Jahrzehnten eine »Rehabilitation« und »Wiederbelebung« der qualitativen Forschung zu erkennen ist. Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll, den quantitativen Forschungsansatz in seinen Grundzügen zu verstehen, um auf dieser Grundlage ein besseres Verständnis für den qualitativen Forschungsansatz entwickeln zu können.
Sie werden vermutlich schon mit quantitativer Forschung in Berührung gekommen sein. Man bekommt üblicherweise einen Fragebogen, in dem man Antwortmöglichkeiten ankreuzt. Diesen Fragebogen bekommen nicht nur Sie, sondern in der Regel mehrere Hundert oder sogar mehrere Tausend Personen. Die so gewonnene große Anzahl von Daten wird dann statistisch ausgewertet und es werden Tabellen und Schaubilder der Ergebnisse veröffentlicht.
Die wissenschaftstheoretische Grundlage für dieses quantitative Vorgehen liegt im Kritischen Rationalismus nach Karl Popper (1934/1989).
Im Rahmen des Kritischen Rationalismus wird davon ausgegangen, dass es eine objektiv existierende Welt gibt. Diese Realität ist vor allem durch drei Merkmale gekennzeichnet:
Die Realität ist komplex – Beispiel: Denken Sie an ein modernes Auto. Die Vielzahl an elektronischen und digitalen Einzelteilen macht es auch für sehr gut geschulte Mechaniker häufig unmöglich, alle möglichen Probleme, die Sie mit Ihrem Auto haben könnten, alleine zu lösen.
Die Realität ist nicht vollständig sichtbar – Beispiel: Denken Sie unter anderem an Motive oder Einstellungen. Solche