Die kommunalen Mandatsräger und dir Kriminalitätsprävention

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EUROPÄISCHES FORUM

SECUCITES

SICHERHEIT & DEMOKRATIE

Die kommunalen Mandatsträger und die Kriminalitätsp rävention

Mit finanzieller Unterstützung des AGIS Programms Europäische Kommission - Generaldirektion Justiz und Inneres


EUROPÄISCHES FORUM FÜR DIE URBANE SICHERHEIT

SECUCITES DIE KOMMUNALEN MANDATSTRÄGER UND DIE KRIMINALITÄTSPRÄVENTION

Carla Napolano, Projektleitung Anne Wyvekens, Expertin

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Mit finanzieller Unterstützung des AGIS Programms Europäische Kommission - Generaldirektion Justiz und Inneres

Impressum 4. Quartal 2004 Druckerei Pérolle-Paris Nr.° 2-913181-30-9

EUROPÄISCHES FORUM FÜR URBANE SICHERHEIT 38, rue Liancourt 75014-Paris- France Tel. 003 (0) 1 40 64 49 00- fax 0033 (0) 1 40 64 49 10 Internet: http://www.fesu.org E-Mail: fesu@urbansecurtiy.org

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Wir möchten uns bei allen, die durch Ihre Erfahrungen oder ihren freundlichen Empfang zur Durchführung dieses Projekts beigetragen haben, herzlich bedanken. Insbesondere richtet sich unser Dank an die Mandatsträger und Fachleute der Städte Enschede (Niederlande), Fidenza (Italien), Saint-Denis (Frankreich), Mons (Belgien), Hackney (Vereinigtes Königreich), L’Hospitalet (Spanien) sowie der Provinz Arezzo und der Region Toskana (Italien), des Zweckverbands Syvicol (Luxemburg) und des Deutschen Präventionstags für ihre aktive Mitarbeit an den Seminaren und ihre Disponibilität anlässlich der Ortstermine. Zum Schluss möchten wir auch all denen, die bei den Ortsterminen anwesend waren, für ihre Professionalität danken.

Deutsche Übersetzung Petra Guénégou (Cabinet HAMM)

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DIE KOMMUNALEN MANDATSTRÄGER UND DIE KRIMINALITÄTSPRÄVENTION Zentrale Frage: Wie positionieren sich Mandatsträger über ihren Zuständigkeitsbereich hinaus zu Fragen der Sicherheit in der Stadt? Liegt es ihn ihrem Interesse, dabei eine Rolle zu spielen? Und wenn ja, wie? VORWORT

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EINLEITUNG 1. Kontext und Zielsetzung des Projekts

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2. Das Europa der Städte

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3. Methodik - Die Arbeitsgruppe - Die Vorgehensweise

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4. Der Protokollplan

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5. Die kommunalen Mandatsträger in den neun teilnehmenden Ländern: Politische und verwaltungstechnische Daten 18 1. DAS KOMMUNALWESEN IN DEN NEUN LÄNDERN

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a) Die Stadt als Schlüsselfunktion in der kommunalen Sicherheitspolitik 34 - Belgien und das Beispiel Mons - Spanien und das Beispiel L’Hospitalet - Frankreich und das Beispiel Saint-Denis - Slowenien und das Beispiel Ljubljana - Die Niederlande und das Beispiel Enschede - Vereinigtes Königreich und das Beispiel Hackney b) Die Regionalbehörden als Brücke zwischen Landes- und Kommunalwesen 44 - Luxemburg und das Beispiel von Syvicol - Italien und das Beispiel der Region Toskana in der Provinz Arezzo und der Stadt Fidenza - Deutschland am Beispiel des Bundeslandes Niedersachsen

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c) Stadt und Staat: Eine widersprüchliche Beziehung 2.

MANDATSTRÄGER UND PARTNER

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a) Partnerstrukturen - Menü oder ‘à la carte’ - Zwei Modelle

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b) Die Partner - Institutionen - Sonstige Partner

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c) Know-how - Internes Know-how *„Lokale Sicherheitsexperten“ *Prävention - Gezielter Einsatz externer Kompetenzen

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d) Der Mandatsträger als treibende Kraft der Partnerschaft - Der Mandatsträger als Vermittler und Bindeglied - Der Mandatsträger als Initiator

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3.

DER MANDATSTRÄGER UND DIE BEVÖLKERUNG

a) Was die Bürger erwarten und wie es um die Sicherheit steht b) Zwei Modelle c) Anhörung: gelegentliche Initiative oder Arbeitsmethode? 4.

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DER MANDATSTRÄGER UND DIE PRÄVENTIONSPOLITIK ALS WAHLTHEMA 77

a) Ein Lob auf den Pragmatismus

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b) Auf die Formulierung kommt es an

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5.

SCHLUSSFOLGERUNGEN: GEMEINSAME ANSATZPUNKTE UND DEBATTEN 81

6.

BIBLIOGRAFIE

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VORWORT Die Bescheidenheit eines von der Europäischen Kommission initiierten und finanzierten, einjährigen Austausches zwischen mehreren europäischen Städten enthebt nicht der Überlegung über die tieferen Beweggründe, die die Verantwortlichen dieser Städte dazu treiben, sich die Zeit zu nehmen, um auch in bescheidenem Maße über ihr Tun nachzudenken. Die innereuropäische Auseinandersetzung mit ihren Fragen und Zweifeln und die gegebene Zustimmung zur Veröffentlichung in ganz Europa verleihen diesen wenigen Äußerungen über die schwierige Aufgabe der kommunalen Mandatsträger ihr ganzes Gewicht. Diese Veröffentlichung ist Teil eines Forums, das das unklare Bild, das die europäischen Städte mit ihren Sicherheitsproblemen abgeben, deutlicher gestalten will. Die Regelung der Fragen, die unsere Welt beschäftigen, schließt sowohl die Förderung der Zivilgesellschaft als auch des kommunalen Mandatsträgers mit ein. In dem Maße wie die politischen Persönlichkeiten, die im Parlament sitzen oder der Regierung nahe stehen, mit einer Vertrauenskrise seitens der Wählerschaft konfrontiert sind, erleben die politischen Akteure, die mit kommunalen und regionalen Angelegenheiten befasst sind, eine relative Anerkennung durch die Wähler. Diese Anerkennung ist auf die Bürgernähe zurückzuführen. Seinen kommunalen Mandatsträger auf der Straße zu treffen, ihn direkt ansprechen zu können und sofort Antwort auf eine Frage zu bekommen, auch wenn sie nicht unbedingt zufrieden stellend ist, ist für den Bürger ein Grund zu wählen, vielleicht sogar, sich selbst für die nächsten Lokalwahlen zu bewerben, und verleiht der Wählerstimme ihren vollen Inhalt. Die markantesten Entwicklungen, was die Perfektionierung der Demokratie und ihrer Anwendung betrifft, zeigen sich in den unterschiedlichen Ausübungsformen der Mandate der Gebietskörperschaften. Alle diese Reformen und Entwicklungen versuchen sich in der Pflege der nachbarschaftlichen Beziehungen zum Wähler. In Großstädten und städtischen Ballungsräumen ist die Herausforderung groß. Diese Entwicklung muss auch die Verwendung von Kommunikationstechniken beinhalten, um die Bürger in höherem Maße an den Entscheidungen zu beteiligen. Aber all diese Entwicklungen sind in den einzelnen Ländern und innerhalb Europas noch sehr zögerlich. Vielmehr werden Verfassungsänderungen vorgenommen, die eher das fundamentale Gleichgewicht der Staatsgewalten untereinander behindern, als die Demokratie auf lokaler Ebene zu verbessern. Und doch spürt man, dass auch hier die Zukunft der großen sozialen Fragen wie z.B. die Integration der Einwanderer oder die künftige Sicherheit dahinter steht. Sicherheit und Kriminalitätsvorsorge fallen nicht mehr nur in den Zuständigkeitsbereich eines einzigen Vertreters der Staatsgewalt. Mehrere Regierungsebenen sind von der Einführung von Sicherheitsmaßnahmen betroffen,

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aber zunehmend herrscht die lokale Ebene bei der Analyse und Mitverfolgung dieser Maßnahmen vor. Zunehmend ist der kommunale Mandatsträger gezwungen, Aktionsbereiche zu berücksichtigen, die nicht unbedingt zu den ihm kraft Gesetz oder Budgetvorgaben erteilten Befugnissen gehören. Aber es ist der Wähler, der bestimmt, was Recht und Gesetz ist. Und dem Wähler sind die oftmals komplexen Verteilungen der Verwaltungszuständigkeiten zwischen den einzelnen Ebenen der Staatsgewalt ziemlich gleichgültig. Er neigt dazu, den ihm am nächsten stehenden Mandatsträger zu wählen, weil dieser die gleichen Alltagsprobleme hat wie er selbst, und dem deshalb vermeintlich daran gelegen ist, diese Probleme zu lösen. Deshalb ist eine so klar umrissene Frage, wie die der Sicherheit, aus ihrem allzu eng gefassten Bereich ausgebrochen und zu einem Teil der Problemstellung der Bürgermeister geworden. Diese neue Positionierung äußert sich nicht immer in der Übernahme neuer Zuständigkeitsbereiche durch den Mandatsträger, bringt ihn aber zumindest dazu, sich für das Tun und Lassen der sicherheitsrelevanten Stellen zu interessieren. Kommen diese neuen Aufgaben auf eine neue Art und Weise zur Ausführung? Oder werden einfach nur die Managementverfahren und -methoden aus anderen Sektoren übernommen und angepasst? Wie arbeitet in den europäischen Städten ein Mandatsträger, der mit Problemen wie Gewalt gegen Frauen und Kinder, Drogenmissbrauch, Straftaten, Rassenproblemen, Suchtprävention, mutwilliger Zerstörung von Stadtmobiliar und Gewalt in der Schule oder im öffentlichen Verkehr befasst ist? Diese kurze, nicht erschöpfende Aufzählung zeigt die Komplexität dessen, was man wohl als lokale Steuerung der mangelnden Sicherheit bezeichnen kann. Mit dieser Untersuchung, die wir der Mitarbeit der Städte des Forums verdanken, die zur Teilnahme bereit waren und gezeigt haben, wie sie diese neuen Zuständigkeiten auf lokaler Ebene anwenden, möchte das Forum zu einem besseren Ansatz einer europäischen Präventionspolitik beitragen. Wir müssen wissen, wie die lokale Präventionspolitik umgesetzt und weitergeführt wird, um die Entscheidungsfindung auf der nationalen Ebene, aber auch europaweit zu verbessern. Es genügt nicht, die von der Europäischen Kommission finanzierten Strategien weiterzuentwickeln, ohne zu wissen, was auf der lokalen Ebene der Demokratie vor sich geht. Auch wenn diese Untersuchung nicht vollkommen ist, soll sie dazu beitragen, die Regeln der Steuerung dieser unzähligen Mikrokosmen, die unsere Gemeinden überall in Europa bilden, zu verfeinern. Im Grunde stellt sich für uns Europäer eine einzige Herausforderung, nämlich die, durch den Austausch unserer Erfahrungen herauszufinden, was uns eint und unterscheidet, damit sich auf lange Sicht ein europäisches Entwicklungsmodell herauskristallisiert, das sich all denjenigen

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Herausforderungen stellt, die Armut, Ungleichheit, sozialen Ausschluss und mangelnde Sicherheit mit sich bringen. Durch diese – wenn auch indirekte – Mitwirkung des europäischen Bürgers an der Verwirklichung eines Dialogs über das gemeinsame Wohl muss Europa einen konstanten Beitrag zur Weltgeschichte leisten.

Michel Marcus Generalbevollmächtigter

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EINLEITUNG 1. Kontext und Zielstellung Seit mehreren Jahren und sogar Jahrzehnten ergeben europäische und internationale Umfragen1, dass Europa und seine Bevölkerung ein zunehmendes Gefühl mangelnder Sicherheit empfindet. Angesichts dieser verstärkten Suche nach Sicherheit und der gleichzeitigen Zunahme von Straftaten an Personen und Sachen und der Tatsache, dass die Strafverfolgungsbehörden der einzelnen Länder nicht in der Lage sind , das Problem allein in den Griff zu bekommen, richten die Einwohner vermehrt ihre Erwartungen an die lokale Ebene. Die Volksvertreter werden also direkt mit den Forderungen der Bevölkerung konfrontiert, die Situation zu verbessern. Sie müssen sich nun mit anderen Partnern zusammentun, z.B. der Polizei und der Justiz, um lokale Kriminalitätsvorsorge zu leisten. Aus einer erweiterten Konzeption der Kriminalitätspolitik sind so kommunale Partnerschaften entstanden. Welche Rolle spielen die kommunalen Mandatsträger angesichts dieser neuen Situation? Welche Form nimmt diese Partnerschaft an und wie entwickelt sie sich? Sind die Mandatsträger die Schlüsselfiguren der Präventionspolitik und in der Lage, der sozialen Forderung, die sich ihnen stellt, optimal nachzukommen? Die neue Position, die ihnen die Präventions- und Sicherheitspolitik verleiht, stellt sie in den Mittelpunkt der besagten Politik. Wie steht es mit Ländern, deren politische Traditionen, institutionelle Rahmenbedingungen und Praktiken anderer Art sind? Handelt es sich um eine allgemeine Tendenz, der die nationale und europäische Politik folgen sollte, oder um ein vereinzeltes Phänomen? Welche Fragen werden gestellt, welche Debatten angesichts dieser Entwicklung geführt? Welche Lektionen oder Empfehlungen kann man auf europäischer Ebene daraus ableiten? Das Untersuchen der Aufgaben und Zuständigkeiten der kommunalen Mandatsträger bei der Durchführung der lokalen Sicherheitspolitik und die Analyse, in welchem Maße diese Politik den gesellschaftlichen Entwicklungen gerecht wird und welche Auswirkungen sie auf die Partner vor Ort und die Zusammenarbeit innerhalb der Behörden hat: Solche Fragen stehen bei SECUCITES auf der Tagesordnung, kurzum die Aufgaben und Zuständigkeiten der Mandatsträger in Sachen Kriminalitätsvorsorge. Es geht nicht nur darum, die Zuständigkeiten der kommunalen Mandatsträger für die urbane Sicherheit aufzulisten, sondern es geht darum, ein Verständnis für ihre Rolle bei der Festlegung und Durchführung der 1

Chilenisches Innenministerium, Politicas de seguridad ciudadana en Europe y America latina, Lecciones y desafios. Artikel von M. MARCUS Les politiques de réduction de l’insécurité en Europe, Chile, März 2004

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Stadtsicherheitspolitik zu entwickeln. Das erfordert beispielsweise eine Analyse, auf welche Art und Weise die einzelnen Beteiligten sich diese Zuständigkeiten, abgesehen von den gesetzlich festgelegten, aneignen und sie zur Anwendung bringen. Geben sie sich damit zufrieden, die Vorgehensweise der betreffenden Dienstabteilungen mitzutragen, oder sind sie gewillt, eine führende Rolle in der kommunalen Sicherheitspolitik zu übernehmen? Ist die Sicherheit für sie eine zentrale Aufgabe? Und werden sie, sofern sie bereit sind, eine partnerschaftlich orientierte Rolle zu spielen, von den Staaten und europäischen Institutionen entsprechend anerkannt? Das Ziel des Programms ist nicht eine Genehmigung der Information oder die Erstellung des Profils des idealen Bürgermeisters, sondern eher ein Informations- und Praxisaustausch, um gemeinsame Überlegungen anzustellen und Know-how miteinander zu teilen. 2. Das Europa der Städte Seit zwanzig Jahren versuchen zahlreiche Anhänger der Präventionspolitik in Europa, die Bedeutung der lokalen Ebene als am besten geeignet hervorzuheben, Vorkehrungen zu treffen, die den Erwartungen der Bürger gerecht werden und das Gefühl der mangelnden Sicherheit abzuschwächen. Unsere Städte, lokale Realitäten, sind der beste Aufhänger für unsere nationale und europäische Politik - und nicht umgekehrt. Man kann nicht blindlings überall die gleiche Sicherheitspolitik zur Anwendung bringen. Die lokalen Besonderheiten ignorieren heißt, einem sicheren Misserfolg entgegengehen. Eine strukturierte und hierarchisierte Polizei und Justiz dürfen nicht die einzigen Akteure einer erfolgreichen Sicherheitspolitik sein. Die Städte müssen ebenfalls als wichtige Faktoren im Kampf gegen die mangelnde Sicherheit anerkannt werden. Wer von der Rolle der Städte bei diesem Unterfangen überzeugt ist, sieht die Mandatsträger und ihre Partnern, die tagtäglich von ihren Mitbürgern gefordert werden, als Schlüsselfiguren.2 Abgesehen von einigen Dokumenten wie z.B. der Europäischen Charta (1992), die vor allem unter Thema 63 eine Reihe von Grundsätzen festlegt, und dem Gutachten des regionalen Ausschusses, das die Rolle der Zwischen- und Lokalebene bei der Kriminalitätsbekämpfung klar unterstreicht, erkennen die europäischen

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Bonnemaison-Report www.fesu.org . Prävention Strafverfolgung Repression Solidarität, 1982 Thema 6 Sicherheit und Kriminalitätsvorsorge Europäische Charta, Kongress der Gemeinden und Regionen Europas (KGRE) des Europarates 1992 3

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Institutionen den Lokalpartnern nur zögerlich eine Schlüsselrolle in der Stadtsicherheitspolitik zu. Seitens des Europarats fordert die jüngste Empfehlung Rec(2003)21 des Ministerausschusses bezüglich der partnerschaftlichen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Kriminalitätsvorsorge die Mitgliedsstaaten sinngemäß auf, insbesondere die Notwendigkeit anzuerkennen, die lokalen Behörden und Körperschaften verfassungsmäßig einmal als Initiatoren und einmal als Zielgruppen in die Kriminalitätsvorsorge einzubeziehen. Das Europäische Forum für Urbane Sicherheit (EFUS, 1987 geschaffene Nichtregierungsorganisation, dem ca. 300 Gebietskörperschaften angehören) hat bereits zu Beginn die Schlüsselrolle der kommunalen Mandatsträger in der Stadtsicherheitspolitik festgelegt. Anlässlich der Konferenzen in Paris 1996 und Neapel 2000, bei denen das Manifest für Sicherheit und Demokratie4 herausgegeben wurde, haben die an der Debatte teilnehmenden Städte die Relevanz einer lokalen Bearbeitung des Kriminalitätsproblems und die Notwendigkeit eines Erfahrungsaustausches angesprochen. In einem sich erweiternden Europa mit seinen immer komplexeren kulturellen Unterschieden betrachtet das EFUS den weiteren Austausch und die Konfrontation als grundlegend, um den Wissenstand zu verbessern und einen gemeinsamen Background zu schaffen. Die Städte müssen ihre lokalen und nationalen Erfahrungen austauschen, damit die Präventionspolitik und die Debatten zu diesem Thema auf der Grundlage positiver Erfahrungen, aber auch der bisherigen Misserfolge voranschreiten können. In der gleichen Optik des praktischen Austausches fördern die Europäische Kommission und die Generaldirektion Justiz und Inneres seit mehreren Jahren Kofinanzierungen, z.B. das Förderprogramm für die polizeiliche und gerichtliche Zusammenarbeit in Strafsachen (AGIS). In Weiterführung des Programms, das in diesem Punkt von der Europäischen Kommission unterstützt wird5, wurde 2004 das Projekt „SECUCITES: Aufgaben und Zuständigkeiten der Mandatsträger bezüglich der Sicherheit in den Städten“ geschaffen, das neue Elemente einbringt, um die Überlegungen zur Relevanz des Umgangs mit den Problemen der Stadtsicherheit im lokalen Kontext zu vertiefen.

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www.fesu.org Mittel zur Aktion, Europäisches Forum für Urbane Sicherheit 1996 „Fördert die Partner- und Vertragspolitik einen integrierten und globalen Ansatz zur Bekämpfung des sozialen Ausschlusses?“ Europäisches Forum für Urbane Sicherheit 2000

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3. Methodik - Die Arbeitsgruppe Im Rahmen dieses Projektes haben sieben Städte, drei Zwischenbehörden und ein Zweckverband in acht EU-Ländern zwölf Monate an der Bestandsaufnahme über die Aufgaben und Zuständigkeiten der Mandatsträger bezüglich der urbanen Sicherheit gearbeitet. Die Partner wurden so gewählt, dass ein möglichst repräsentatives Panel entstand. Es sollte sich hauptsächlich aus Städten zusammensetzen. Entsprechend wurden die sieben Städte Saint Denis (F), Enschede (NL), London Borough of Hackney (GB), L’Hospitalet (ES)6, Fidenza (I), Ljubljana (Slowenien) und Mons (B) ausgewählt. Da es zum besseren Verständnis der effektiven Rolle der mit der Stadtsicherheit befassten Mandatsträger wichtig war, das Verhältnis zwischen den einzelnen Ebenen zu vertiefen (lokal, zwischengeschaltet, national), haben wir beschlossen, auch drei Zwischenbehörden einzubeziehen, nämlich die italienische Region Toskana und die Provincia d’Arezzo sowie das Bundesland Niedersachsen. Angesichts der Größe der luxemburgischen Städte haben wir auch den kommunalen Zweckverband Syvicol (Syndicat de Villes Luxembourgeoises) um seine Teilnahme gebeten. Er umfasst 118 Gemeinden und konnte den übrigen Partnern eine recht ausführliche Übersicht über die lokale Sicherheitspolitik vorlegen. Dank dieser Partnerschaft konnten wir nord- und mitteleuropäische Länder wie Frankreich, die Niederlande, Belgien und das Vereinigte Königreich für das Projekt gewinnen, die alle wegweisend auf den Gebieten Stadtsicherheit und Prävention sind und inzwischen konsolidierte nationale Strategien einsetzen. Ferner mitteleuropäische Länder, die innovative Praktiken auf lokaler Ebene entwickeln, und einen der zehn EU-Neuzugänge, Slowenien, das gerade anfängt, diese Praktiken lokal einzuführen. Insgesamt also ein repräsentatives Panel für Europa 2004. Neben dem geografischen Faktor wurden bei der Wahl der sieben Projektpartnerstädte auch ihre Größe, Bevölkerungsstärke sowie kulturelle und wirtschaftliche Besonderheiten berücksichtigt. Der kulturelle, soziale und wirtschaftliche Kontext spielt eine maßgebliche Rolle bei der Festlegung der Strategien und Politiken der kommunalen Mandatsträger. Es soll geprüft werden, 6

Wegen der Gemeindewahlen ist die Stadt L’Hospitalet inzwischen aus dem Projekt ausgeschieden und hat folglich nur an der Zusammenstellung des Fragenkatalogs und am ersten Arbeitsseminar teilgenommen.

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ob die gleichen Faktoren die Stadtsicherheitspolitik irgendwie beeinflussen und modellieren können. Ausgehend von diesen Kriterien lässt sich unser Panel in drei Gruppen untergliedern. Zu der ersten Gruppe gehören Kleinstädte, Zweckverband Syvicol und die Stadt Fidenza in gute wirtschaftliche Voraussetzungen haben und Probleme nicht als dringlich, sondern als Ansatz zur Erhaltung der Lebensqualität erachtet werden.

die durch den Luxemburger Italien vertreten sind, die beide in denen kriminalitätsbezogene für eine Präventionspolitik und

Die zweite Gruppe besteht aus den Städten Saint-Denis und Hackney mit 90.000 bzw. 250.000 Einwohnern. Im Vergleich zur ersten Gruppe haben diese Städte verhältnismäßig hohe Kriminalitätsraten und eher komplexe Probleme. Zwischen beiden Städten bestehen zahlreiche Parallelen. Rein geografisch liegen sie im Ballungsgebiet zweier europäischer Metropolen, Paris und London, mit den entsprechenden Vor- und Nachteilen. Beide beherbergen in ihrem Einzugsbereich zahlreiche unterschiedliche Ethnien (in Hackney werden über 60 Sprachen gesprochen) meist niedrigen sozialen und wirtschaftlichen Niveaus. Der Arbeitslosenanteil sowie die Anzahl der Sozialwohnungen sind sehr hoch. Die Komplexität des sozialen Geflechts und die kontinuierliche Einwohnerzunahme zwingen die Mandatsträger zu massiven Neuerungen und Reaktionen, um den Veränderungen und den Erwartungen der Bürger gerecht zu werden. Die Prioritäten dieser beiden Städte liegen in der Beteiligung und Integration der einzelnen Bevölkerungsgruppen durch die Förderung lokaler Partnerschaften. Im Laufe der Arbeiten wird sich herausstellen, dass die in diesen Städten eingesetzten Stadtsicherheitsstrategien trotz ihrer kulturellen Unterschiede ähnliche Prinzipien verfolgen. Die dritte Gruppe, die sich aus den Städten Mons, Enschede, Ljubljana und L’Hospitalet mit Bevölkerungszahlen zwischen 90.000 und 250.000 Einwohnern zusammensetzt, stellt ein Panel von Städten dar, das sich zwischen diesen beiden Extremen bewegt und mit komplexen Problemen konfrontiert ist, ohne dass jedoch eine Dringlichkeit besteht. Und schließlich stellen die beiden Regionen Toskana (mit der dazu gehörigen Provinz Arezzo) und das Bundesland Niedersachsen zwei Beispiele für Regionen dar, die innerhalb ihrer jeweiligen Länder auf dem Gebiet der Kriminalitätsbekämpfung innovativ sind und sich seit mehreren Jahren um eine integrierte und subsidiäre Stadtsicherheitspolitik bemühen.

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- Die Vorgehensweise Ausgangspunkt war die Vernetzung der partnerschaftlich zusammenarbeitenden Fachkräfte und Mandatsträger der Gebietskörperschaften. Auf dem Terminplan standen zwei Seminare mit den elf Partnern (12./13. März 2004 in Paris bzw. 28./29. Oktober 2004 in Enschede) sowie Ortstermine bei allen Programmpartnern (wobei ca. 90 Gespräche geführt wurden). Vor dem Termin wurde an sämtliche Partner ein Fragenkatalog7 verschickt, um eine erste Datengrundlage bzgl. Demografie, Wirtschaft, Sozialfragen usw. der einzelnen Städte zu erhalten und Informationen bzgl. der Präventionsmaßnahmen und/oder der damit befassten Fachkräfte und Mandatsträger zu bekommen. Auf dem ersten Seminar präsentierten Präventionsmaßnahmen und Strategien.

die

Partner

ihre

Probleme,

Parallel dazu wurden in jeder Stadt und Region Ortstermine anberaumt, meist um Einzelgespräche zu führen und die Kohärenz zwischen der Wahl der Mandatsträger und der Arbeit der Fachstellen festzustellen. Prioritäten bei diesen Ortsterminen waren:

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Das Verständnis über das zwischen den Mandatsträgern und ihren fachlichen Mitarbeitern herrschende Verhältniss sowie die Modalitäten des Informationsaustausches, der Handlungsspielraum und das Ergreifen von Initiativen usw. Die aktuellen und künftigen Maßnahmen. Wo liegen die Prioritäten der Stadt in der Kriminalitätsprävention? Wo liegen die Dringlichkeiten? Welches Budget ist verfügbar und wird für die Durchführung der Maßnahmen zur Verfügung gestellt? Welches sind die Mittel zur Durchführung? ... Die Partnerschaft und mehr noch die Beziehungen zwischen dem Mandatsträger und der Polizei, der Justiz, der Zivilgesellschaft und den Einwohnern. Der Informationsfluss. Welche Mittel werden eingesetzt und wie oft? Wird die Stadtsicherheit im Gemeindeblatt behandelt? ... Der Mandatsträger und sein Werdegang, seine politische Couleur, seine Prioritäten und seine Ansichten zum Thema Kriminalitätsprävention.

Vgl. www.fesu.org

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Einbezogene Personen: 29% Mandatsträger: Bürgermeister oder Präsidenten, Beauftragte für die urbane Sicherheit und/oder die öffentliche Ordnung; 53% fachliche Mitarbeiter und Gemeindeangestellte, Kabinettschefs; 18% Vertreter aus dem Vereinsleben, Nichtregierungsorganisationen u.ä. Das zweite Seminar, bei dem ursprünglich die „Ergebnisse“ der Ortstermine vorgelegt werden sollten, war letztendlich eher der Diskussion zwischen den Partnern und mit einigen niederländischen Mandatsträgern oder fachlichen Mitarbeitern gewidmet, die vom Gastgeber eingeladen worden waren. Zwar haben die teilnehmenden Städte sowie Provinz- und Regionalbehörden die Kompetenzverteilungsregeln in ihren jeweiligen Ländern dargelegt, aber die Strategien und politischen Entscheidungen stellen lediglich Realitäten und Optionen dar, die jedem Beteiligten eigen sind, und nicht eine globale Sicht des Landes. 4. Protokollplan Der erste Teil besteht in der Aufstellung der kriminalpräventiven Zuständigkeiten der Mandatsträger. Dabei handelt es sich um eine Beschreibung der Kompetenzteilung in Sachen Sicherheit zwischen der nationalen und der lokalen Ebene in acht europäischen Ländern sowie eine Beschreibung der Funktionsweise der entsprechenden Mittel und Maßnahmen im lokalen Kontext der elf Projektpartner. Der zweite Teil ist der Analyse der Beziehungen zwischen Mandatsträgern und sonstigen Protagonisten im Vergleich zwischen Partnerschaftssystemen und der Strukturierung der Präventionsmaßnahmen gewidmet. Der dritte Teil berücksichtigt insbesondere die Beziehungen Mandatsträger/Bevölkerung sowie die Methoden, um ihre Arbeit zu dokumentieren und die Bevölkerung in die Festlegung der Präventionsstrategie einzubeziehen. Im letzten Teil wird anhand der gesammelten Informationen die Rolle der Mandatsträger bei der Festlegung und Durchführung der Stadtsicherheitspolitik definiert. Die Debatte über den Zusammenhang zwischen Sicherheitspolitik und Wahlthemen wird angesprochen, aber nicht zu Ende geführt. Heute würde sie eine tiefgreifendere Überlegung verdienen.

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5. Der kommunale Mandatsträger in den neun teilnehmenden Ländern: politische und verwaltungstechnische Daten Um über die Zuständigkeiten der Mandatsträger in Punkto Stadtsicherheit sprechen zu können, muss zunächst an den administrativen Rahmen eines jeden Landes und die Strukturierung der lokalen Ebene, nämlich die Bestandteile, ihre Rolle und die Modalitäten zur Ernennung oder Wahl der Bürgermeister oder Präsidenten erinnert werden.

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LAND

ANZAHL STRUKTUR UND DETAILS KOMMUNALBEHÖRDEN 589, unterteilt in 262 - Bürgermeister wallonische, 10 Brüsseler und - Gemeinderat 308 flämische Kommunen. - Bürgermeister- und Schöffenkollegium

ZUSTÄNDIGKEITEN UND WAHLMODALITÄTEN Der Gemeinderat agiert als „Parlament“ der Kommune und erfüllt die legislativen Aufgaben. Seine Entscheidungen sind keine Gesetze, sondern Regelungen und Verfügungen, die nicht die gleiche Tragweite haben wie ein Bundesgesetz. Die Mitglieder des Gemeinderates werden in allgemeiner, unmittelbarer Wahl gewählt. Das Bürgermeister- und Schöffenkollegium agiert als „Regierung“ der Kommune. Es ist mit der alltäglichen Verwaltung befasst und hat dafür zu sorgen, dass die Beschlüsse des Rates zur Anwendung kommen.

Belgien

Spanien

Vereinigtes Königreich

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8.089 Gemeinden. - Bürgermeister Aufgrund ihrer Größe bilden - Gemeinderat Madrid und Barcelona städtische - Lokale Exekutive Großräume.

Die Kommunal- und Zwischenebene, vertreten durch: 264 Bezirksräte, davon 238 in England und 26

Die Dezentralisierung im Vereinigten Königreich unterscheidet sich von den übrigen europäischen Ländern

EU Ausschuss der Regionen: Untersuchung. Die Entwicklung der Demokratie – Der Dezentralisierungsprozess in Europa . http://www.cor.eu.int/fr/documents/progress_democracy.htm

Der Bürgermeister wird wie die Gemeinderatsmitglieder gewählt. Er wird dem Provinzgouverneur, von dem er vereidigt wird, von einer Mehrheit des Gemeinderates vorgeschlagen. Dann wird er vom König für die Dauer von sechs Jahren in den Gemeinderat berufen. Er ist der rechtmäßige Vorsitzende des Gemeinderates und des Schöffenkollegiums. Er vertritt die zentrale Staatsgewalt und ist damit für die Vollziehung des Gesetzes, der Verordnungen, Verfügungen, Regelungen und Entscheide der Regionen, Gemeinden, Gemeinschaftskommissionen, des Provinzrates und des Provinzialausschusses verantwortlich. Der Bürgermeister ist außerdem die Bezugsperson für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Chef der Amtspolizei im Einzugsgebiet der Gemeinde (es sei denn, der Innenminister, der Gouverneur und die zuständigen kommunalen Institutionen verfügen über besondere Zuständigkeiten); er sorgt für die Durchführung der Gesetze, Verfügungen und Polizeiverordnungen. Er kann seine Befugnisse jedoch unter eigener Verantwortung an einen der Schöffen weitergeben. Der Bürgermeister leitet den Gemeinderat und die kommunale Exekutive. Der Gemeinderat wird in allgemeiner, unmittelbarer Wahl gewählt, wählt den Bürgermeister und beruft ihn ab. Er kontrolliert die Organe der kommunalen Selbstverwaltung. Die kommunale Exekutive setzt sich aus dem Bürgermeister und von ihm ernannten Räten zusammen. Er unterstützt den Bürgermeister und erfüllt die ihm vom Bürgermeister und dem Gemeinderat übertragenen Aufgaben.8 Alle Mitglieder dieser Organe werden in allgemeiner, unmittelbarer Wahl nach dem Mehrheitswahlrecht in einem Wahlgang gewählt. In bestimmten Bezirken, u.a. den Städten, liegt die Verwaltung in den Händen einer einzigen


in Nordirland; 47 Grafschaftsräte, 36 Großstadtbezirksräte in England 33 Stadtbezirksräte + Stadt London, Unitary Authorities iu Wales und Schottland (mit 22 Grafschaltsräten in Wales und 32 in Schottland) in Schottland 1350 Grafschaftsräte

und zeichnet sich durch eine Kompetenzteilung zwischen der Kommunal- und der Zwischenebene aus. Die letzte Änderung, die eine Kompetenzteilung dieser beiden Ebenen festlegt, erfolgte im Mai 1997.

Die lokale Ebene in Luxemburg - Bürgermeister wird durch 118 Kommunen - Gemeinderat vertreten, die zu Distrikten und - Bürgermeister- und 70 kommunalen Beigeordnetenkollegium Zweckverbänden zusammengefasst sind. Luxemburg

Ebene der Bezirksregierung. Das Vereinigte Königreich hat eine kommunale Regierung, zu der nicht unbedingt ein Bürgermeister gehört9. Der Grafschaftsrat erfüllt ausschließlich (politische) Aufgaben und gemeinsame Aufgaben mit dem „Chief Executive“ in den anderen Bereichen. Bezirksräte, Großstadtbezirksräte und Stadtbezirksräte + Stadt London erfüllen ähnliche kommunale Aufgabe wie die Grafschaftsräte. Der Local Community Council (Gemeinderat) in Schottland ist ein Volksvertretungsorgan, das nicht mit den Organen der Gebietskörperschaften in England und Wales zu vergleichen ist.

Der Bürgermeister wird vom Großherzog aus der Mitte des Gemeinderates ernannt. Er ist zugleich Vertreter des Staates und der Gemeinde. Er hat den Auftrag, die Gesetze und Polizeiverordnungen auszuführen. Der Gemeinderat regelt alle Angelegenheiten kommunalen Interesses. Der Bürgermeister ist Mitglied des Bürgermeister- und Beigeordnetenkollegiums. Der Gemeinderat wird auf sechs Jahre in allgemeiner Direktwahl gewählt. Je nach Einwohnerzahl 7 bis 27 Ratsmitglieder. Wahl mit absoluter Mehrheit in Gemeinden unter 3.500 Einwohnern, Verhältniswahlrecht in den übrigen Gemeinden. Das Bürgermeister- und Beigeordnetenkollegium ist mit der Ausführung der Gesetze und Verordnungen des Großherzogs beauftragt. Ferner ist es Organ der Gemeinde und für das gute Funktionieren der Verwaltung verantwortlich.

Niederlande

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Ebenda

Die lokale Ebene in den - Bürgermeister Niederlanden besteht aus 496 - Gemeinderat Kommunen und kommunalen - Kollegium von Bürgermeister Zweckverbänden und Beigeordneten (Zusammenarbeit zwischen Gemeinden).

Der Bürgermeister und zwei bis sechs Beigeordnete, bestellt aus den Ratsmitgliedern, kontrollieren das Kollegium. Der Gemeinderat besteht aus 9 bis 45 in direkter und allgemeiner Wahl gewählten Mitgliedern (Verhältniswahlrecht, Ausländer sind stimmberechtigt). Den Vorsitz führt der Bürgermeister. Der Bürgermeister wird von der Regierung auf Vorschlag der Königin nach Anhörung des Gemeinderates für sechs Jahre ernannt (erneute Amtszeit möglich). Er ist das Gemeindeorgan und führt die Gemeindeverordnungen über die öffentliche Ordnung und Sicherheit durch. Er kann bei entsprechender Vereinbarung mit seinen Stellvertretern weitere Aufgabenbereiche


wahrnehmen. Das Kollegium von Bürgermeister und Beigeordneten besteht aus zwei bis neun Beigeordneten, die vom Gemeinderat aus seiner Mitte gewählt werden und auch von diesem abberufen werden. Exekutivorgan, das die laufenden Geschäfte führt, die Beschlüsse des Gemeinderates vorbereitet und ausführt und vor dem Gemeinderat verantwortlich ist. Das Kollegium muss alle zweckdienlichen Informationen an den Gemeinderat weitergeben und seine Handlungsweise rechtfertigen10. Die lokale Ebene in Italien wird - Bürgermeister oder Präsident der Provinz von 100 Provinzen, 80.103 Gemeinden und 14 städtischen - Gemeinde- oder Provinzialrat Großräumen vertreten11. - Exekutivausschuss der Kommune oder der Provinz

Die Provinzen bestehen aus einem Provinzialrat, dessen Mitglieder in direkter, allgemeiner Wahl gewählt werden. Besitzt lediglich eine allgemeine politische Orientierungsfunktion. Beschlussfassungskompetenz. Billigt den Haushaltsvoranschlag und den Haushaltsabschluss. Die Giunta, Exekutivorgan der Provinz12 , verfügt über weitgehende Zuständigkeiten für die Umsetzung der vom Provinzialrat und dem Präsidenten der Provinz festgelegten Leitlinien. Der Präsident der Provinz wird in direkter, allgemeiner Wahl gewählt.

Italien

Die Kommunen setzen sich aus dem Gemeinderat, dem Exekutivausschuss13 und dem Bürgermeister14 zusammen. Der Gemeinderat besteht aus in direkter allgemeiner Wahl gewählten Mitgliedern, Mehrheitswahlrecht bei Orten mit weniger als 15.000 Einwohnern und Verhältniswahlrecht bei Orten mit mehr als 15.000 Einwohnern. Beschlussfassungsorgan. Verfügt über eine allgemeine Richtlinienfunktion und billigt den Haushalt. Der Exekutivausschuss der Gemeinde wird vom Bürgermeister ernannt, der ihm einige Zuständigkeiten überträgt. Handelt gemäß den vom Gemeinderat / Stadtrat festgelegten Leitlinien. Der Bürgermeister wird wie der Gemeinderat in Orten mit weniger als 15.000 Einwohnern nach dem Mehrheitswahlrecht in allgemeiner, unmittelbarer Wahl gewählt. Bei

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Ebenda Aree Metropolitane, mit dem Gesetz Nr. 142/1990 wurden neun städtische Großräume festgelegt, deren Grenzen und endgültige Kompetenzen im Gesetzesdekret Nr. 267/2000 festgelegt sind. Fünf städtische Großräume werden durch die Regionen mit Sonderstatus definiert (Artikel 22 des Gesetzesdekrets Nr. 267/2000). 12 Giunta provinciale 13 Giunta 14 Sindaco 11


Stimmengleichheit ist ein zweiter Wahlgang zwischen den beiden Kandidaten, die die meisten Stimmen erhalten haben, vorgesehen. In Gemeinden mit mehr als 15.000 Einwohnern wird der Bürgermeister in allgemeiner, unmittelbarer Wahl mit absoluter Mehrheit der gültigen Stimmen gewählt. Wenn keiner der Kandidaten diese Mehrheit erzielt, ist ein zweiter Wahlgang vorgesehen15. Ca. 12.500 Städte

Für die kommunale Organisation sorgen die einzelnen Bundesländer. Folglich existieren mehrere unterschiedliche Systeme. Die Häufigsten sind:

Deutschland

Ratsverfassung mit Bürgermeister und unechte Magistratsverfassung

Die Bundesverfassung garantiert die Verwaltungsautonomie der Städte. Daraus ergeben sich starke Abweichungen zwischen den kommunalen Verfassungen (Wahlsystem) der einzelnen Regionen. In folgenden Zuständigkeitsbereichen sind die Städte autonom: Verkehr, Städtebau, Bau von Schulen, Krankenhäusern, Museen, Energieversorgung und Gemeindeabgaben. Die Ratsverfassung ist um einen Bürgermeister strukturiert, der in allgemeiner, unmittelbarer Wahl für fünf oder acht Jahre gewählt wird. Ferner gibt es einen Gemeinderat und eine Kommunalverwaltung. Der Bürgermeister bereitet die Ratssitzungen vor, die von ihm geleitet werden, führt die Beschlüsse aus und ist Leiter der Verwaltung. Der Gemeinderat wird ebenfalls in allgemeiner, unmittelbarer Wahl für überwiegend fünf Jahre gewählt, fasst Beschlüsse und erlässt Gemeindeverordnungen. Die unechte Magistratsverfassung umfasst einen Bürgermeister, ein Kollegium, einen Gemeinderat, eine Kommunalverwaltung und einen Vorsitzenden des Rates (ehrenamtliche Tätigkeit). Das Kollegium agiert als Exekutivorgan und setzt sich aus dem Bürgermeister und seinen Beigeordneten zusammen, Beamten, die für sechs Jahre gewählt werden und für einen bestimmten Bereich zuständig sind. Der Gemeinderat wird in allgemeiner, unmittelbarer Wahl für vier Jahre gewählt. Er wählt aus seiner Mitte den Vorsitzenden des Rates und wählt und überwacht das Kollegium.

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Artikel 5 und 6 des Gesetzes Nr. 81/1993


36.763 Kommunen; drei - Bürgermeister Metropolen: Paris, Lyon und - Gemeinderat Marseille16. Die Großstädte werden von einem Stadtrat, einem Stadtbezirksrat und einem Stadtviertelrat geführt. Frankreich

Der Stadt- bzw. Gemeinderat wird in allgemeinen, direkten Wahlen auf sechs Jahre gewählt. Den Vorsitz führt der Bürgermeister, der aus seiner Mitte gewählt wird. Die Gemeindeverwaltung untersteht dem Gemeindegeneralsekretär, einem Beamten der Gebietskörperschaft. In den Metropolen erfüllt der Stadtbezirksrat eine beratende Funktion gegenüber dem Stadtrat in Fragen der Raumplanung. Der Stadtviertelrat17 hat eine beratende Funktion auf lokaler Ebene. Der Bürgermeister ist Exekutivorgan, Leiter der Gemeindeverwaltung und Stellvertreter des Staates bei der Ausführung der Gesetze18.

192 Gemeinden, Stadtgemeinden19

davon

11 - Bürgermeister - Gemeinderat - Gemeindeausschuss

Slowenien

Die Stadtgemeinden verfügen über mehr Zuständigkeiten als die übrigen Gemeinden. Der Gemeinderat ist Beschlussfassungsorgan, wird in direkter Wahl nach dem Verhältniswahlrecht auf vier Jahre gewählt und besteht je nach Größe des Ortes aus sieben bis 45 Mitgliedern. Der Gemeindeausschuss hat beratende Funktion und wird vom Gemeinderat gewählt. Der Bürgermeister wird in direkter allgemeiner Wahl für vier Jahre gewählt und ist Exekutivorgan der Stadt. Seit 1999 ist er zugleich Vorsitzender der Gemeindeverwaltung und des Gemeinderates20.

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Gesetz Nr. 82-1169 vom 31. Dezember 1982, ergänzt durch das Gesetz Nr. 2002-227 vom 27. Februar 2002 17 Gesetz über bürgernahe Demokratie vom 27. Februar 2002 18 Europäische Union, Ausschuss der Regionen: Untersuchung. Die Entwicklung der Demokratie - Der Dezentralisierungsprozess in Europa. http://www.cor.eu.int/fr/documents/progress_democracy.htm 19 Unter Stadtgemeinde ist eine Gemeinde mit mehr als 20.000 Einwohnern zu verstehen, von denen mindestens 15.000 im Tertiärund Quartärbereich beschäftigt sind. 20 Europäische Union, Ausschuss der Regionen: Untersuchung. Die Entwicklung der Demokratie – Der Dezentralisierungsprozess in Europa. http://www.cor.eu.int/fr/documents/progress_democracy.htm


Diese Aufstellung zeigt, dass die lokale Ebene, egal, ob es sich um eine englische Grafschaft, eine italienische Provinz, eine französische Metropole oder ganz einfach um Gemeinden handelt, ein extrem wichtiger Teil der Gliederung Europas ist. Sie besteht aus einem sehr komplexen Geflecht mit zahlreichen Ähnlichkeiten. Die lokale Ebene ist in mehrere Organe aufgegliedert, nämlich ein Entscheidungsorgan, meist der Gemeinde- oder Stadtrat, dessen Mitglieder direkt von den Bürgern gewählte Mandatsträger sind; ferner ein Exekutivorgan, das die Beschlüsse des Rates verabschiedet, sowie eventuell eine dritte Instanz, die durch den Bürgermeister verkörpert wird, der oft auch die Rolle des Koordinators und Kontrollorgans spielt. In allen analysierten Ländern mit Ausnahme der Niederlande und des Vereinigten Königreiches wird das Amt des „ersten Bürgers“ der Stadt oder der Region (Bürgermeister oder Präsidenten) von Personen bekleidet, die von der Bevölkerung gewählt werden. Die entsprechenden Modalitäten der Wahl sind in den einzelnen Ländern unterschiedlich und können direkt (1) oder indirekt (2) sein: (1): Die Bürger bringen ihre Präferenz für einen bestimmten Kandidaten zum Ausdruck (z.B. in Italien). Im Mittelpunkt stehen eher die Persönlichkeit des Kandidaten und sein Programm als seine Ideologie oder Partei. Der Bürgermeister wird vor allem als Mitbürger betrachtet, der die Geschichte des Ortes und seine Prioritäten kennt und sich für das Wohl der Gemeinde und ihrer Bürger interessiert. Dies kann so weit gehen, dass Städte, die von jeher rechts oder links orientiert sind, mit absoluter Mehrheit einen Bürgermeister aus der Gegenpartei wählen, einfach weil er ein bekannter Bürger ist, der über seine politischen Überzeugungen hinaus allgemein geschätzt wird und als die richtige Person betrachtet wird, um die Interessen der Stadt zu vertreten. (2): Der Bürgermeister wird aus den Reihen der von den Bürgern gewählten Gemeinderatsmitglieder gewählt und geht aus einer aus den Wahlen hervorgegangenen politischen Mehrheit hervor. In England wird der Bürgermeister direkt oder indirekt gewählt. Derzeit haben sich nur elf Städte für erstere Methode entschieden, darunter auch Hackney. Die direkte oder indirekte Wahl des ersten Bürgers (Bürgermeister oder Präsident) ist kennzeichnend für den politischen Charakter dieses Amtes. In beiden Fällen ist die Amtszeit befristet und kann eventuell erneuert werden (in einigen Ländern kann der Bürgermeister unbeschränkt wiedergewählt werden).

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In den Niederlanden, wo der Bürgermeister von der Königin aus Fachleuten ernannt wird, die eine entsprechende Prüfung bestanden haben, wird ganz anders verfahren. Das Amt des Bürgermeisters wird einer beruflichen Karriere gleichgesetzt, deren Voraussetzung eine Art Befähigung ist, weil das Mandat auf Lebenszeit erteilt werden kann21. Der Wunsch der Bürger wird dahin gehend berücksichtigt, dass der in direkter Wahl gewählte Gemeinderat sich der Wahl der Königin widersetzen und eine Neuernennung fordern kann. Zurzeit wird über die Möglichkeit diskutiert, den Bürgermeister durch Wahl anstatt durch Ernennung der Königin aufzustellen .

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In den Niederlanden hat der Bürgermeister ein Mandat auf Lebenszeit. Er kann (von der Königin) für unterschiedliche Städte ernannt werden.

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Kapitel 1

DAS KOMMUNALWESEN IN DEN NEUN LÄNDERN

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DAS KOMMUNALWESEN IN DEN NEUN LÄNDERN Stadt, Provinz, Bundesland, Region: der Begriff „Kommunalwesen“ hat vielerlei Facetten. Ebenso vielseitig ist auch seine Rolle zu Fragen der Sicherheit. Die einzelnen Projektpartner haben diese Frage doppelt beleuchtet, nämlich generell bezüglich der Regeln der Kompetenzverteilung in den jeweiligen Ländern und bezüglich ihrer Strategien und spezifischen politischen Entscheidungen. Jedes Mal werden beide Aspekte dargestellt. Wir wollen uns zunächst mit den Städten beschäftigen, die eine „Schlüsselrolle“ einnehmen, und anschließend mit den Zwischenebenen und mit einer kurzen Darstellung des – variablen – Inhalts der Beziehungen zwischen der kommunalen und der nationalen Ebene enden.

a) Die Stadt als Schlüsselfunktion in der kommunalen Sicherheitspolitik Belgien und das Beispiel Mons In Belgien ist Sicherheit eine Verantwortung, die sich der Innenminister und die kommunalen Behörden teilen. Auf Bundesebene wurde innerhalb des Innenministeriums das Permanente Sekretariat für Präventivpolitik (Secrétariat Permanent à la politique de Prévention (SPP)22 geschaffen, das u.a. mit der Kriminalitätsvorsorge befasst ist und dessen Hauptaufgabe die Unterstützung lokaler Präventionsinitiativen und die allgemeine Präventionspolitik des Landes ist23. Ferner besteht seine Aufgabe darin, Daten zu sammeln und die Erscheinungsformen der Kriminalität zu analysieren, Lehrgänge und Arbeitsgruppen zu organisieren und die Sicherheits- und Gesellschaftsverträge sowie die Präventionsverträge zu verwalten und mitzuverfolgen. Seit der Polizeireform 199824 erfüllen 196 lokale Polizeikorps die Polizeifunktion auf der kommunalen Ebene in so genannten „unikommunalen“ Zonen, wo die Polizei dem Bürgermeister untersteht, sowie in „plurikommunalen“ Zonen, wo Verwaltung und Organisation des lokalen Polizeikorps Sache eines Polizeikollegiums ist, dem die Bürgermeister der jeweiligen Kommunen angehören25.

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SPP, kraft eines königlichen Erlasses vom 16. Mai 1994 Die sechs Vertragsschwerpunkte über die Unterstützung lokaler Initiativen durch das SPP: Prävention von Einbrüchen, Diebstählen und Autodiebstählen, Taschendiebstählen, Fahrraddiebstählen, Drogenprobleme sowie Gewalt. 24 Gesetz vom 07.12.98. Die Polizei ist in Kommunal- und Föderalpolizei untergliedert. Beide Ebenen sind autonom und unterstehen unterschiedlichen Behörden. 25 In diesem Falle bleibt der Bürgermeister für die Sicherung der öffentlichen Ordnung und das Wohlergeben in seiner Kommune verantwortlich. 23

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Städte und Gemeinde können unter gewissen Bedingungen26 einen Sicherheits- und Präventionsvertrag abschließen, für dessen Durchführung der Bürgermeister verantwortlich ist. Diese partnerschaftliche Zusammenarbeit, die seit 1992 möglich ist und die derzeit in 73 Kommunen zum Zuge kommt, wurde bereits mehrmals geändert, u.a. bei der Polizeireform. Die betreffenden Städte profitieren von kommunenübergreifenden Finanzierungen27, um die entsprechenden Maßnahmen umzusetzen. Zu Beginn zogen es die Bürgermeister oft (aber nicht immer) vor, die Leiter der örtlichen Polizei oder deren mit der Prävention befassten Delegierten28 mit der Ausarbeitung der kommunalen Präventionspolitik zu betrauten, anstatt gemeinsam mit den künftigen Lokalpartnern einen konzertierten Maßnahmenplan zu erstellen. Mons ist die Hauptstadt der Industrieregion Borinage und Verwaltungshauptstadt der Provinz Hainaut. Der Großraum Mons umfasst 19 Kommunen. Die Nähe zu den Hauptverkehrsachsen nach Brüssel, Lüttich und Nordfrankreich wirkt sich von jeher auf die Kriminalität in dieser Region aus. Um dieser Problematik Herr zu werden, betreibt die Stadt Mons seit Langem eine Kriminalitätsvorsorgepolitik und hat dabei die folgenden einzelnen Stadien der föderalen Präventions- und Sicherheitspolitik durchlaufen: Pilotprojekt, Präventionsvertrag, Sicherheitsvertrag und zurzeit Sicherheitsund Gesellschaftsvertrag. In Mons verfügt der Bürgermeister wie in allen belgischen Kommunen über die gleichen Zuständigkeiten wie die Polizei: Er ist der örtliche Polizeichef und sorgt insbesondere für die Ausführung der Gesetze und der Polizeiverordnungen. Bei Störungen der öffentlichen Ordnung, Gefahren oder unvorhergesehenen Ereignissen kann er polizeiliche Anordnungen treffen. Er ist Leiter der Amtspolizei und damit für Ordnung, Sicherheit und Wohlergehen der Bevölkerung verantwortlich. Er kann die Bundespolizei hinzuziehen, wenn die öffentliche Ordnung auf dem Spiel steht. Bis zur Zusammenlegung der lokalen und der föderalen Polizei29 hatte er die gleichen Zuständigkeiten wie ein Kriminalbeamter. Entsprechend besteht seine Aufgabe darin, solche Vergehen zu ahnden, die dem

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Die Kommunen schließen den Vertrag nach einem der folgenden Kriterien: städtischer Charakter (über 60.000 Einwohner), Kriminalitätsrate und wirtschaftliche Lage (geringes Pro-Kopf-Einkommen). 27 Durch den Föderalstaat und die Region (die regionalen Subventionen finanzieren die Einstellung kommunaler Bürgerbeauftragter sowie zusätzlicher Hilfspolizisten) 28 Mangelnde Erfahrung, Zuständigkeit und Befähigung der meisten Bürgermeister in Sachen Sicherheit sind der Grund für diese Vorgehensweise, die dazu beigetragen hat, die führende Rolle der Polizei bei der Ausarbeitung der Sicherheitsverträge zu verstärken. (Wichtig: Seit der Polizeireform entfällt der Teil bezüglich der Polizei in den Verträgen.) 29 Polizeireform 2002

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Polizeigericht vorgetragen werden. In seiner Eigenschaft als erster Magistrat seiner Gemeinde wird er über sämtliche Gemeindeangelegenheiten in Kenntnis gesetzt. 2004 hatte das Präventionsbüro der Stadt Mons sein zehnjähriges Bestehen. Aus diesem Anlass wurde ein Dokument herausgegeben, das die seit Beginn getroffenen Initiativen beschreibt, mit denen alle Einwohner inzwischen bestens vertraut sind. - Spanien und das Beispiel L’Hospitalet Auf dem Gebiet der Kriminalitätsbekämpfung ist Spanien seit rund zehn Jahren vom Modellstaat für Repression zu einer eher präventionsorientierten Politik und einer Zusammenarbeit mit den kommunalen Behörden und den Gemeinschaften übergewechselt. Aufgrund der Staatsstruktur besteht eine enge Zusammenarbeit zwischen den Regierungsebenen30 und den Schlüsselinstitutionen wie z.B. Innenministerium, Justizministerium, Ministerium für soziale Angelegenheit, Gesundheitsministerium, Polizei (in den städtischen Ballungsräumen), Guardia Civil (auf dem Land) und kommunalen Mandatsträgern. Politiker und Polizeivertreter treffen sich regelmäßig auf den drei Ebenen (Juntas Locales de Seguridad), um spezifische Programme umzusetzen und thematische oder lokale Analysen zu erarbeiten. Schwerpunkte der städtischen Sicherheitsarbeit sind Abschreckung, Vermeidung von Krisensituationen und Prävention innerhalb von sozialen Risikogruppen. Aber Kernpunkt der Debatte bleibt die Kompetenzteilung zwischen den einzelnen Polizeikräften. Auf lokaler Ebene sind vor allem der Bürgermeister, der von der Polizei bestellte Mandatsträger und der Sozialbeauftragte mit Sicherheitsfragen konfrontiert. Meist verfügen die Städte nicht über ein eigenes Büro für Prävention oder Stadtsicherheit. Die den als Gerichtsstand fungierenden Hauptorten übertragenen Zuständigkeiten betreffen die Sicherheit. Entsprechend muss ein Raum für den Polizeigewahrsam zur Verfügung stehen. Dieser Ort, der auch als Gefängnis verwendet werden kann, stellt eine hohe Verantwortung für den Bürgermeister dar. Ganz zu schweigen von den erheblichen Kosten, die nicht immer von den Subventionen der Generalitat gedeckt werden. 30

Die meisten Aktivitäten und Ressourcen konzentrieren sich auf die autonomen Gemeinschaften.

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Da Sicherheitsfragen unter die Rechtszuständigkeit des Staates fallen, legt hauptsächlich die Staatsgesetzgebung die kommunalen Zuständigkeiten auf diesem Gebiet fest31. Sei es wegen ihrer Zuständigkeit für die Koordination der lokalen Polizei aufgrund ihres „autonomen Status“ oder als Folge der Mossos d'Esquadra: Fakt ist, dass die Generalitat de Catalogne auch diese Frage regelt und kürzlich die Festlegung des Inhalts und der kommunalen Zuständigkeitsgrenzen in diesem Zusammenhang beschlossen hat32. Folglich werden die kommunalen Zuständigkeiten teils vom Staat, teils von der Generalitat de Catalogne vorgeschrieben. Andererseits erkennt die Grundlagenregelung der lokalen Bestimmungen den Kommunen Zuständigkeiten für die Sicherheit an öffentlichen Plätzen und die öffentliche Verkehrsregelung zu. Angesichts der schwierigen Lage in den Jahren 2002 und 2003, unter dem Zeichen des Abbaus der staatlichen Polizeikräfte und der Polizeikräfte Kataloniens sowie einer mangelnden Koordination zwischen den einzelnen Polizeikorps, hat die Stadtverwaltung von L’Hospitalet eine Neuorganisation vorgeschlagen, um das aktuelle Modell wirksamer effizienter zu gestalten. Seit dieser Umstrukturierung hat die Sicherheitsstrategie der Stadt L’Hospitalet vor allem folgende Schwerpunkte: •

• •

Einführung eines Koordinationsmechanismus, um die operativen Ebenen zu zentralisieren und gemeinsame Zentralen, Hot Lines und ein einheitliches Ortungssystem (GPS) zu schaffen; Rollenteilung und damit Definition der Befugnisse innerhalb des Systems, wie Vereinbarungen getroffen werden und wer diese einzuhalten hat; Unterzeichnung von Protokollen zwischen den einzelnen Polizeikorps des Territoriums, um eine Liste der Funktionen und Zuständigkeitsbereiche jedes Korps zu erstellen.

L’Hospitalet hat beschlossen, einen lokalen Sicherheitsausschuss unter Vorsitz des Bürgermeisters ins Leben zu rufen, der zusammen mit den übrigen betroffenen Partnern über die Sicherheitspolitik, den Sicherheitsplan und die Vereinbarungen zwischen den einzelnen Protagonisten befindet und seine Polizei mit den übrigen Behörden koordiniert. Der lokale Sicherheitsausschuss besteht aus dem Sicherheits- und Präventionsrat, der im Rahmen von Plenarsitzungen Beschlüsse über Themen wie z.B. Diagnose 31

Spanische Verfassung. Grundgesetz vom 2/1986 bezüglich der Staatssicherheitskorps und –kräfte und Grundgesetz vom 1/1992 über die öffentliche Sicherheit. 32 Gesetz Nr. 16/1991 über die kommunalen Polizeikräfte und Nr. 4/2003 über die Verteilung des öffentlichen Sicherheitssystems in Katalonien

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und Analysen trifft. Der Ausschuss beinhaltet auch ein operatives Koordinationszentrum, dessen Aufgabe darin besteht, Konflikte zu erkennen, die entsprechenden Maßnahmen zu planen und zu organisieren und die Wirksamkeit des Systems sicherzustellen. Zu diesem Zweck erteilt das Zentrum der gemeinsamen Kommandozentrale die entsprechenden Richtlinien. Die Kommandozentrale bringt die Maßnahmen zur Ausführung, verteilt die Ressourcen und regelt eventuelle Schwierigkeiten. L’Hospitalet hat wie Barcelona33 eine Menge Erfahrung mit der Koordination zwischen Sicherheits- und Sozialpolitik gesammelt. - Frankreich und das Beispiel Saint-Denis 1982 legt ein Ausschuss von Bürgermeistern unter dem Vorsitz von Gilbert Bonnemaison einen Bericht mit dem Titel „Face à la délinquance : prévention, répression, solidarité“34 über die neue Teilung der Befugnisse zwischen den Körperschaften und dem Staat auf dem Gebiet der Prävention vor35. Laut diesem Bericht sollte die Sicherheitspolitik, die sich nicht länger auf Prävention und Verbrechensbekämpfung beschränken, sondern auf ein Zusammenspiel aller setzen sollte, Sache der lokalen Ebene sein. Zum ersten Mal wird in Frankreich die Bedeutung der lokalen Ebene und die Rolle des Bürgermeisters klar dargestellt. Nach den kommunalen kriminalpräventiven Gemeinderäten 1983, die in Folge des Berichts aufgestellt wurden, bringt Frankreich im Oktober 1997 das System der lokalen Sicherheitsverträge (CLS)36 zur Anwendung. Hauptsächlich soll dadurch auf lokaler Ebene ein konkreter Maßnahmenplan erstellt werden, der auf einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen sämtlichen Akteuren der Sicherheit fußt. Bis heute haben in Frankreich rund 650 Gemeinden diesen Vertrag unterzeichnet. 33 Beispiel Barcelona: Bildung des „Fachlichen Stadtsicherheitsausschusses“ durch den Bürgermeister. Aufgabe dieses Ausschusses ist es, die Situation der Stadt bezüglich der Sicherheit zu analysieren und Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten. 1984 wurde aufgrund dieser Initiative der „Consell de Seguretat Urbana“ (Stadtsicherheitsrat) ins Leben gerufen. 1988 schafft der Bürgermeister den „Gemeinderat für soziales Wohlergehen“, der sicherheitspolitische Maßnahmen ohne Einsatz der Polizei vorschlägt (es handelt sich um soziale Maßnahmen) und sich als lenkende Struktur der Präventionsmaßnahmen auf lokaler Ebene versteht, die meist das Engagement des Mandatsträgers wiedergibt. Dieses Entscheidungsorgan setzt sich aus dem Bürgermeister, dem beigeordneten Bürgermeister für Sicherheitsfragen und den Vertretern der Ortspolizei sowie der Polizei Kataloniens. 34 Sicherheitsausschuss der Bürgermeister, Face à la délinquance : prévention, répression, solidarité (Zum Thema Straffälligkeit: Prävention, Strafverfolgung, Solidarität), Paris, La Documentation française, 1982. 35 FFSU-Städtemanifest 36 Definition der lokalen Sicherheitsverträge: Organisation einer aktiven und permanenten Partnerschaft mit allen Instanzen, die auf lokaler Ebene zur Sicherheit beitragen können.

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2002 entstanden in Folge eines Rundschreibens und einer Verfügung über die Sicherheits- und Kooperationssysteme zur Kriminalitätsvorsorge und –bekämpfung lokale kriminalpräventive Sicherheitsräte (Conseils Locaux de Sécurité et de Prévention de la délinquance (CLSPD) unter Vorsitz der Bürgermeister, Konzertierungsgremien für die Aufstellung von Prioritäten bei der Bekämpfung von Sicherheitsproblemen, die zum Interessenschwerpunkt der betroffenen Institutionen und öffentlichen wie privaten Organismen gemacht wurden37. In Frankreich hat der Bürgermeister die gleichen Zuständigkeiten wie die Amtspolizei und erfüllt unter Kontrolle des staatlichen Vertreters die entsprechenden Staatsgeschäfte. Kraft dieser Befugnisse, die er nicht auf den Gemeinderat übertragen kann, hat er für die öffentliche Ordnung, den Schutz, die Sicherheit und das Allgemeinwohl seiner Gemeinde zu sorgen38. Ihm untersteht die Gemeindepolizei, die er nach eigenem Ermessen aufstellen kann. Im Jahr 2000 hat die Stadt Saint-Denis einen lokalen Sicherheitsvertrag und 2002 einen lokalen Sicherheits- und Präventionsplan aufgestellt. Sie nimmt aktiv am französischen Forum für Urbane Sicherheit (Forum Français pour la Sécurité Urbaine) teil. Dessen Büro für „öffentliche Ordnung“ unterstützt die Förderung der lokalen Partnerschaften und die Konzertierungsgremien zu spezifischen Themen wie Rechtshilfe, strafrechtliche Entschädigung und in der Öffentlichkeit. Beispielsweise hat es eine starke Partnerschaft mit Polizei und Justiz aufgebaut, was zur Schaffung eines Zentrums für Justiz und Recht (Maison de la justice et du droit) geführt hat. Die Aktivitäten des Büros für öffentliche Ordnung verstehen sich als Unterstützung bei: • der Entwicklung einer starken Zusammenarbeit, die sämtliche öffentlichen und privaten Partner auf dem Gebiet der Kriminalitätsvorsorge mobilisiert; • der Vertrauensbildung bei den Nutzern öffentlicher Plätze und Einrichtungen durch Reduzierung der Zahl von Überfällen und Diebstählen; • der Förderung der Überwachung und Kontrolle öffentlicher Plätze und Einrichtungen, um eine bessere Nutzung der Stadt zu ermöglichen; • einer Intervention bei staatlichen Förderstellen, um der Stadt je nach Bedarf eine genügende Anzahl von Polizeikräften zur Verfügung zu stellen;

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Der CLSPD ist eine Instanz, der lokale Sicherheitsvertrag ein Entscheidungen des CLSPD. Artikel www.ffsu.org 38 www.ffsu.org

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Mittel zur Durchführung der


• • •

der Entwicklung einer bürgernahen Polizei und konzertierter Verwaltungsmodalitäten unter Einbeziehung der Bevölkerung; der Opferbetreuung und -hilfe nach Straftaten; der Entwicklung von Projekten als Reaktion auf die Jugendkriminalität und insbesondere zum Thema strafrechtliche Haftung.

- Slowenien und das Beispiel Ljubljana In Slowenien wird der Bürgermeister in allgemeiner direkter Wahl für vier Jahre gewählt und ist Exekutivorgan der Stadt. Seit 1999 ist er sowohl Leiter der Kommunalverwaltung als auch Vorsitzender des Gemeinderates39. Die Stadtsicherheit fällt vor allem unter die Zuständigkeit der Polizei. Das Polizeigesetz (Police Act) von 1998 empfiehlt die Zusammenarbeit zwischen der örtlichen Polizei und der Kommunalverwaltung im Kampf gegen die Stadtkriminalität. Sowohl der Polizeichef als auch der Bürgermeister kann einen lokalen Sicherheitsrat bilden40. Seit der Schaffung der Crime Prevention Councils, eines Anhörungsorgans, in dem unter Vorsitz des Bürgermeisters unterschiedliche Akteure der bürgerlichen Gesellschaft (Vereine, Stadtviertelräte, Universitäten) über Sicherheitsfragen beraten, verfügen die slowenischen Städte über eine partizipative Struktur. Die slowenische Hauptstadt Ljubljana hat 1998 auf Initiative ihres Bürgermeisters den „Local Citizen Safety Council“ geschaffen. In diesem Rat, der einmal alle vierzehn Tage zusammentritt, debattieren alle Akteure der Gemeinde gemeinsam über Sicherheitsfragen der Stadt und die entsprechenden Strategien. Die Teilnahme an den Arbeiten des Local Citizen Safety Council ist ehrenamtlich und fakultativ. Die Vertreter der Kommune, der Polizei, der bürgerlichen Gesellschaft und die Universitäten tauschen Informationen aus und schlagen innovative Lösungen vor. - Die Niederlande und das Beispiel Enschede Die Bemühungen um Kriminalitätsvorsorge in den Niederlanden haben sich 1979 landesweit in der Einführung eines Nationalen Präventionsgremiums41 innerhalb der Polizei und der Bildung der interministeriellen Arbeitsgruppe (RoethofKommission) niedergeschlagen, die den größten Vorstoß in Sachen Prävention

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EU Ausschuss der Regionen: Untersuchung. Die Entwicklung der Demokratie - Der Dezentralisierungsprozess in Europa. http://www.cor.eu.int/fr/documents/progress_democracy.htm Local Safety Council 41 National Prevention Office 40

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darstellt42. Das 1985 geschaffene Programm „Gesellschaft und Kriminalität“ (SEC – Samenleving en criminaliteit) hat die Finanzierung von rund 200 Projekten der Kriminalprävention auf lokaler Ebene ermöglicht. 1989 wurde eine Direktion für Kriminalitätsprävention innerhalb des Justizministeriums ins Leben gerufen. Sie verfolgt vier Hauptziele: Förderung der Kriminalitätsvorsorge in den Gemeinden, Finanzierung der polizeilichen Präventionsinitiativen, Koordination der Opferbetreuung sowie Regulierung des privaten Sicherheitssektors. Dabei fällt die Kriminalitätsprävention nicht allein in den Zuständigkeitsbereich des Justizministeriums, da einige Programme unter Mitwirkung anderer Ministerien in die Praxis umgesetzt werden, u.a. des Ministeriums für Gesundheit und Kultur (Vorgehen gegen Vandalismus sowie Drogen- und Alkoholmissbrauch bei Jugendlichen), des Wirtschaftsministeriums (Vorgehen gegen Ladendiebstähle) sowie des Innenministeriums (im Rahmen des Programms „Neue Sozialpolitik“). Auf lokaler Ebene sind der Bürgermeister, der Polizeichef und die Staatsanwaltschaft für Fragen der Kriminalitätsvorsorge zuständig. Zahlreiche Gemeinden haben Gemeinderäte gebildet, die sich mit der Kriminalitätsprävention befassen und denen neben den vorgenannten Personen auch Vertreter aus Jugendarbeit, Erziehung, Verkehr und Wohnungsbau angehören. Die niederländische Polizei besteht aus einer nationalen Polizeiagentur (KLPD) und 25 regionalen Polizeikräften. Gemeindevorsteher ist der Gemeinde- oder Stadtrat und nicht der Bürgermeister. Letzterer gehört zur Exekutive und ihm untersteht das Ressort für Stadtsicherheit. Zusammen mit dem Polizeichef sorgt er für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung. Die Gemeinderatsmitglieder können Vorschläge unterbreiten, Fragen stellen, Debatten eröffnen und Umfragen führen. Enschede liegt im östlichen Teil der Niederlande in der Nähe der deutschniederländischen Grenze. Mit ihren rund 160.000 Einwohnern hat die Stadt keine nennenswerten Kriminalitätsprobleme. Bezüglich der Sicherheit hat die Stadtverwaltung folgende Prioritäten gesetzt: Klärung von Straftaten und Vergehen, nachbarschaftliche Beziehungen, Verkehrssicherheit, Katastrophenschutz und Sicherheit von Industrieanlagen (nach der Explosion der örtlichen Feuerwerksfabrik).

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Im Mittelpunkt der Arbeit dieser Kommission standen u.a. die nationale behördliche Präventionspolitik, die Einbeziehung von Vertretern der Zivilgesellschaft in die Präventionspolitik und die Notwendigkeit, die Zusammenarbeit und Partnerschaft auf lokaler Ebene zu fördern.

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Die Strategie der Stadtsicherheit definieren der Bürgermeister und der Polizeichef in einer wöchentlichen Sitzung. Bei diesen Sitzungen werden Informationen ausgetauscht und Prioritäten der Stadtsicherheitsplanung gesetzt. Die derzeitigen Hauptthemen sind Drogenverbrechen, Gewalt in der Stadt und auf der Straße, Jugendkriminalität und Wiederholungsdelikte. Der Gemeindedistrikt, der zusammen mit der Polizei für Sicherheit sorgt, besteht aus einem Ausschuss, der die Prioritäten des Distrikts festlegt, einem Sicherheitsrat mit beratender Funktion und dem „Zentrum für Justiz und Sicherheit“, das sämtliche Beamte vertritt. - Das Vereinigte Königkeit und das Beispiel Hackney Im Vereinigten Königreich wird seit März 1988 im Rahmen des Programms „Safer Cities“ die Kriminalitätsverhütung auf der lokalen Ebene finanziert. Dieses Programm ermöglicht auch die Finanzierung eines Koordinators, eines Stellvertreters und eines Assistenten auf lokaler Ebene mit Unterstützung eines Organisationsausschusses43. Die landesweiten Bestrebungen, die kommunalen Behörden zu kontrollieren, der Schwerpunkt auf kurzfristigen, gezielten Interventionen und die Einbeziehung des privaten Sektors sind einige der markanten Aspekte des Programmes. Im Mai 1988 führt das Home Office (Innenministerium) die Organisation „Crime Concern“ ein, die die Entwicklung von Präventionsmaßnahmen auf lokaler Ebene fördern soll44. 1991 identifiziert der „Morgan Report“ eine Zuständigkeitsstruktur auf zwei Ebenen: Koordination seitens der Regierung, eine Sicherheitsstrategie-Gruppe auf der Ebene der lokalen Behörde. Organisation und Verwaltung der Polizei sind im Police Act von 1996 festgelegt. Derzeit gibt es 43 regionale Polizeigruppen, deren Stärke und Einzugsbereich von Dichte und Profil der Bevölkerung abhängt45. Das Innenministerium gibt der kommunalen und regionalen Polizei Jahr für Jahr die Prioritäten vor. Hinzu kommen der National Criminal Intelligence Service46 und der National Crime Squad47, die seit April 1998 von der zentralen Regierung unabhängig sind und den unabhängigen Verwaltungsbehörden (Service Authorities) unterstehen. Ein nationaler Unterausschuss für Kriminalitätsprävention, das Ministerial SubCommitte on the Criminal Justice System, wurde 2001 ins Leben gerufen. Alle diese Strukturen ebenso wie die offiziellen Schriftstücke formulieren das 43

Hinweis: Das Programm „Safer Cities“ hat aufgrund der finanziellen Einschränkungen nur einen begrenzten Einfluss. 44 Beispiel: Nachbarschaftsüberwachung, Bildung kriminalpräventiver Kommissionen 45 Andere, kleinere Polizeikräfte verfügen über spezielle nationale Zuständigkeiten, z.B. Bahnpolizeit, Polizei des Verteidigungsministeriums usw. 46 NCIS von 1997 47 NSA von 1998

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Partnerschaftsprinzip als Kernstück der Präventionspolitik. Folglich müssen auf lokaler Ebene Möglichkeiten zur Konkretisierung der partnerschaftlichen Arbeit geboten werden. Auf regionaler Ebene sorgen neun Einheiten zur Kriminalitätsbekämpfung in England und eine in Wales für die Kriminalitätsvorsorge. Sie organisieren zur Umsetzung der nationalen Leitlinien Partnerschaften und koordinieren die regionalen Akteure. Kraft des Crime and Disorder Act (CDA, 1998) wurden 376 lokale Partner aus den Distrikten eingesetzt48. Den Lokalbehörden wurde eine neue gesetzliche Verpflichtung bezüglich Entwicklung, Koordination und Förderung einer „lokalen Partnerschaft für die Stadtviertelsicherheit“ auferlegt. Die Lokalbehörden haben für Ordnung zu sorgen und diese Partnerschaften mit der lokalen Polizei und in Zusammenarbeit mit den einzelnen, lokal vertretenen Stellen und Organisationen durchzusetzen. Sie müssen Strategien ausarbeiten, und die Kooperation der einzelnen Beteiligten wird regelmäßig extern beurteilt49. Zahlreiche Lokalbehörden verfügen über Ausschüsse zur Kriminalitätsvorsorge und -reduzierung, die den Bürgermeistern jedoch keine größeren Zuständigkeiten einräumen50. Dazu sei noch zu bemerken, dass bezüglich der Kriminalitätsprävention mehrere Nichtregierungsorganisationen im Bereich Stadtsicherheit präsent sind. Die wichtigsten davon sind Crime Concern und NACRO (National Association for the Care and Ressettlement of Offenders). Die Statutory Crime and Disorder Reduction Partnerships (CDRPs) wurden organisiert, um die systematische Bildung von Stellen dieser Art auf lokaler Ebene zu fördern. Das Gesetz hat eine Infrastruktur geschaffen, in der über 350 lokale Gruppen entstanden sind. Die CDRP von Hackney sowie die übrigen englischen CDRPs fußen hauptsächlich auf prioritären Strategien, um sicherere Dienste für die Stadt zu entwickeln und zu leisten. Der Unterschied liegt in der Partnerschaft und dem Ausmaß der Bürgerbeteiligung Anhörung. Die Stadtverwaltung von Hackney hat beschlossen, ihren Bürgermeister direkt zu wählen. Als einer der elf in Direktwahl gewählten Mandatsträger des Landes ist der seit 2002 amtierende Bürgermeister der politische Vorsitzende des Stadtrats und kontrolliert das Budget und die Arbeit des Rates. Laut dem im Dezember 2003 von der Prüfungskommission vorgelegten Bericht hat er den 48

Es handelt sich um die „Community Safety Partnerships“. Bürger und Gemeinschaft werden besonders zur Mitwirkung angespornt. Der Bürgermeister von London legt die Zielvorgaben und das Budget der Londoner Polizei fest und ernennt 12 der 23 Mitglieder der Metropolitan Police Authority. 49 50

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Stadtrat auf transparente und verantwortungsvolle Weise geführt und deutliche Verbesserungen bei der finanziellen Stabilität des Stadtrates und der Funktionsweise seiner Arbeiten herbeigeführt. 2004 hat die zentrale Regierung Hackney als einen der besten Gemeinderäte des Landes bezeichnet51.

b) Die Regionalbehörden als Brücke zwischen Landes- und Kommunalwesen Neben den kommunalen Vertretern nahmen an dem Programm Vertreter der lokalen Zwischenebenen einiger Länder teil. Dank ihrer Mitwirkung konnte die spezifische Rolle gezeigt werden, die diese Ebenen sowohl als Motor als auch Förderer der politischen Richtungen spielen, die in den jeweiligen Städten vorherrschen. - Luxemburg und das Beispiel von Syvicol In Luxemburg wurden 1999 die Ordnungskräfte umstrukturiert52: die Gendarmerie (Gendarmerie Grand-Ducale) und die Polizei wurden zur Großherzoglichen Polizei zusammengelegt, die in drei Ebenen aufgegliedert ist: Generaldirektion, zentrale Einheiten sowie sechs regionale Dienste. Mehrere nationale Programme zur Kriminalitätsvorsorge wurden durchgeführt. So hat beispielsweise das Ministerium für Frauenfragen 1999 zusammen mit rund dreißig Verbänden eine landesweite Kampagne „Gewalt gegen Frauen53 und junge Mädchen“ geführt. Dieser Kampagne war 1993 eine ähnliche Aktion vorausgegangen, die hauptsächlich darauf abzielte, das „Schweigen zu brechen“ und Frauen und Kinder zu betreuen, die Opfer häuslicher Gewalt waren. Für die Opferbetreuung wurde eine besondere Abteilung (Service d'Aide aux Victimes (SAV)) innerhalb des Service Central d'Assistance Sociale der Generalstaatsanwaltschaft Luxemburg eröffnet54. Hier werden physisch und psychisch geschädigte Opfer von Straftaten betreut. In Luxemburg gehört die Kriminalitätsvorsorge hauptsächlich zum Zuständigkeitsbereich der nationalen Ebene. Innenminister, Justizminister und

51 Detaillierte Beschreibung der Präventionseinheit von Hackney in Kapitel 2 „Mandatsträger und Partner“ 52 Gesetz vom 31. Mai 1999 53 Mit dem Slogan: „Fini les compromis, contre la violence à l’égard des femmes et des filles“ (sinngemäß: Schluss mit Kompromissen, gegen Gewalt gegenüber Frauen und jungen Mädchen). 54 Laut dem Strafvollzugsgesetz vom 7. Juli 1994

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Erziehungsminister arbeiten innerhalb einer gemeinsamen Arbeitsgruppe an der Kriminalitätsvorsorge55. Auf lokaler Ebene sorgt die Zivilbehörde für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung. Wenn die öffentliche Ordnung bedroht ist, kann diese das Einschreiten der Polizei anfordern. In einem solchen Fall muss der Polizeichef die Zivilbehörde über die zu ergreifenden Maßnahmen informieren. Artikel 64 des Gesetzes vom 31. Mai 1999 sieht kommunale oder interkommunale Präventionsausschüsse zur Herstellung oder Verbesserung der Beziehungen zu den kommunalen Mandatsträgern auf der regionalen Ebene. SYVICOL ist der kommunale Zweckverband aller Luxemburger Städte und Gemeinden sowie aller übrigen kommunalen Zweckverbände gleicher Thematik. Er soll erstens die Interessen seiner Gemeinden vertreten und zweitens als Ansprechpartner der Regierung bei der Ausarbeitung aller Gesetze und gesetzlichen Regelungen auf lokaler Ebene agieren. Er bringt außerdem sämtliche Informationen bezüglich der 118 Gemeinden des Landes, der kommunalen Zweckverbände, der Distrikte sowie des Innenministeriums in Umlauf. Syvicol dient als Informationsträger der Gemeinden und begleitet diese bei der Durchführung spezifischer Aktionen. Obwohl Luxemburg keine größeren Sicherheitsprobleme zu beklagen hat, können und sollen die Städte seit der Polizeireform bei der Entwicklung der Präventionsund Sicherheitsstrategien mitwirken. In der Praxis äußert sich dies in der Bildung kommunaler (in Gemeinden mit mehr als 5000 Einwohnern) bzw. interkommunaler Präventionsausschüsse (Gemeindeverbände) sowie regionaler Konzertierungsausschüsse (in jeder der fünf regionalen Polizeibezirke). Die kommunalen und interkommunalen Präventionsausschüsse zielen darauf ab, eine Politik zur Kriminalitätsvorsorge und Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung sowie alle lokalen Akteure zu koordinieren. Den Vorsitz über den Ausschuss, der einmal pro Woche zusammentritt, führt der Bürgermeister. Dem Ausschuss gehören der Bürgermeister, der Direktor des Regionalbezirks der Großherzoglichen Polizei sowie vom Kommandanten des ProximitätsKommissariats ernannte Beigeordnete oder Gemeinderatsmitglieder an. Auch Vertreter der Justizbehörde und der Verwaltung können teilnehmen.

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Abgesehen von Strafmaßnahmen unterstützt diese Arbeitsgruppe gemeinsame Initiativen, u.a. in der Suchtbekämpfung; so versuchen Polizeibeamte in Zivil die Jugendlichen vom Drogenmissbrauch abzubringen und organisieren auch Veranstaltungen gegen den Drogengebrauch.

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- Italien und das Beispiel der Stadt Fidenza, der Provinz Arezzo und der Region Toskana Italien war durch drei Partner vertreten (Stadt, Provinz und Region). Die Konfrontation der Standpunkte war deshalb besonders interessant. Die regionalen Zuständigkeiten für Stadtsicherheit sind im Dekret von 1977 festgelegt56, das eine Dezentralisierung der Verwaltungsfunktionen des Staates und ihre Übertragung auf die Regionen und Städte vorsieht. Hauptaufgabe der Regionen ist die Koordination in Form von Vereinbarungen mit den anderen Ebenen57. Diese Vereinbarungen werden meist vom Präsidenten der Region, den Bürgermeistern der wichtigsten Städte und dem Präfekt (der den Staat vertritt) getroffen, um innovative Maßnahmen zu treffen. In diesen Vereinbarungen wird festgelegt, wer die Präventions- und Sicherheitsmaßnahmen durchführen soll. Bei bestimmten Aktionen können die Regionen auch in Abwesenheit des Präfekten kooperieren. Dieses Modell sieht vor, dass die Region die Art der Intervention festlegt, mit der anschließend die geeignetste Stelle betraut wird. Zu den wichtigsten Funktionen der Regionen zählen die Förderung von Projekten mit Geldern der Gemeinden und Provinzen, die Schaffung von Beobachtungsstellen für die Sicherheit und die Durchführung von Sonderlehrgängen für Polizisten und lokale Sicherheitskoordinatoren. Schließlich sind die italienischen Regionen gesetzgebendes Organ und können regionale Gesetze mit sofortiger Wirkung verabschieden. Sie können auch regionale Polizeidienste schaffen, was jedoch bisher nicht der Fall war. Die Rolle der Provinzen in der Stadtsicherheitspolitik verkörpert hauptsächlich der Präfekt in Vertretung des Staates. Seit 1981 werden Provinzausschüsse für die öffentliche Sicherheit unter Vorsitz des Präfekten gebildet, an denen mehrere lokale Protagonisten beteiligt sind (nämlich der Präsident der Provinz, die Bürgermeister der wichtigsten Städte sowie der Polizeichef58). Ziel ist es, die Zusammenarbeit der Beteiligten zu verbessern. Die Regionen und Provinzen ergreifen bei Präventionsoder Sicherheitsmaßnahmen nicht selbst die Initiative. Ihre Aufgabenstellung ist zweigegliedert: In den Städten wirken sie fördernd und spielen zum einen die Rolle der Lokomotive und wirken zum anderen unterstützend, was sich in

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Decreto legge del 1977 Protocolli d’intesa e le intese istituzionali di programma. Seit 1999 sind kraft des Gesetzesdekrets die Provinzausschüsse für die öffentliche Sicherheit auch noch anderen Akteuren zugänglich. 57

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Maßnahmen wie z.B. Beobachtungsstellen in Region und Provinz, beruflicher Ausund Fortbildung sowie diversen finanziellen Fördermaßnahmen äußert. Auf lokaler Ebene sind die Zuständigkeiten in Sachen Prävention und Strafverfolgung hauptsächlich in einem Gesetz von 1990 festgelegt59. Der Bürgermeister ist auf dem Territorium der Gemeinde offizieller Stellvertreter der Landesregierung. Der Polizei gegenüber spielt er damit die Rolle des Staatsvertreters, der über die öffentliche Ordnung wacht und dem Präfekten Bericht erstattet. Für die Verwaltung der Ortspolizei ist ausschließlich die Kommunalverwaltung zuständig. Seit 2000 vertritt die Region Toskana eine für Italien neue Stadtsicherheitspolitik. Ausgangspunkt war die Idee, die rein repressive Politik durch eine eher integrierte zu ersetzen. Grundlage dieser Politik sind die Prinzipien der Legalität, der Solidarität und der Betreuung sowie des sozialen Zusammenhalts. Das Projekt „Toscana Sicura“ geht von zwei Prinzipien aus: 1. 2.

dem Subsidiaritätsprinzip: Anerkennung der spezifischen Zuständigkeiten der lokalen Behörden; der Zusammenarbeit mit dem Staat zum Zweck der Koordierung der Sicherheitsmaßnahmen.

Ausgehend von diesen beiden Prinzipien hat die Region Maßnahmen auf Gebieten wie Opferbetreuung, verbesserte Sozialpolitik (Betreuung, Integration von Einwanderern, berufliche Eingliederung usw.), Wohnungsbaupolitik, Aus- und Fortbildung sowie Unterstützung der lokalen Polizeikräfte entwickelt. All diese Maßnahmen kamen kraft eines regionalen Sicherheitsgesetzes zustande60, dessen Ziel die Finanzierung von Projekten der lokalen Behörden zur Entwicklung der sozialen und territorialen Prävention, die Kontrolle der öffentlichen Bereiche, die Verstärkung der lokalen Polizei, die Opferbetreuung, die Bekämpfung von Kavaliersdelikten und die soziale Vermittlung sind. Von der finanziellen Unterstützung der Region Toskana haben 181 Städte und alle zehn Provinzen profitiert, insgesamt also ca. 90% der regionalen Bevölkerung. Seit 2001 hat die Region zahlreiche Grund- und Weiterbildungen für die lokalen und provinzialen Polizeibeamten organisiert und Partnerschaftsvereinbarungen mit dem Innenministerium und den Universitäten Florenz, Pisa und Siena getroffen.

59

Gesetz Nr. 142 vom 8. Juni 1990, geändert durch D.Lgs. 267/2000 Legge regionale n. 38, 16/08/2001 “Interventi regionali a favore delle politiche locali per la sicurezza della comunita toscana” 60

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Die Zusammenarbeit mit dem Innenministerium ist in einem „Protokoll61“ zu folgenden Themen festgelegt: •

Informationsaustausch hinsichtlich der Sicherheit;

Koordination der Arbeiten zum Zweck der Durchführung von Maßnahmen innerhalb des Territoriums;

Ausbildung und Spezialisierung von Sicherheitsfachleuten.

Seit November/Dezember 2002 ist auch die Zusammenarbeit mit den zehn Provinzen in diesem Protokoll festgeschrieben. Zu den von diesen Vereinbarungen betroffenen Provinzen gehört auch die Provinz Arezzo. Von der Region werden hauptsächlich die Datenerfassung der regionalen Beobachtungsstelle für integrierte Politik und spezifische Untersuchungen zu Themen lokalen Belangs finanziert. Da die Sicherheitsprobleme des Territoriums eher belanglos sind, basiert die Sicherheitspolitik auf einer präventiven Strategie. Trotzdem hat die Provinz eine Sicherheitseinheit unter direkter Kontrolle des Präsidenten geschaffen. Die Provinzpolizei, die es seit 1996 gibt, arbeitet direkt mit dem Provinzpräsidenten zusammen. Sämtliche Aktivitäten der Provinz fußen auf dem Subsidiaritätsprinzip der Kommunen bei der Schaffung integrierter Sicherheitsprojekte. Hauptsächlich hat die Provinz folgende Aktivitäten entwickelt:

Förderung einer Kultur der Legalität und der Sicherheit Informationsund Sensibilisierungskampagnen zum Thema Verhaltensvorschriften und -regeln, u.a. für Schulen und Jugendarbeit; diverse Veröffentlichungen.

Im Rahmen dieser Aktivitäten hat die Provinz die Kommission für die Kultur der Legalität und der Sicherheit gebildet, der 39 Kommunen, die Industrie-, Handelsund Gewerbekammer sowie die Schulbehörde angehören. Seit 1996 haben die Provinzialstellen für Sozial- und Jugendpolitik sowie Chancengleichheit eine Beobachtungsstelle auf Provinzebene eingerichtet, die 61

Vereinbarung vom 5. Novembre 2002

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anschließend durch Finanzierungen seitens der Region gefördert wurde. Sie arbeitet nach folgenden Prinzipien:

Integrierte Arbeit mit Schaffung eines (formalisierten oder nicht formalisierten) Netzes von Protagonisten, die von dem Problem betroffen sind. Dabei kann es sich um Institutionen handeln oder nicht. Kontinuierlicher Informationsaustausch und Reorganisation der Verwaltungsdienste Erstellung einer Datenbank und Verwendung der neuesten Technologien.

In den letzten Jahren hat die Provinz verstärkt in die Förderung der partnerschaftlichen Zusammenarbeit investiert. Oftmals arbeitet sie mit dem Landesverband der italienischen Kommunen (ANCI) und der Union der italienischen Provinzen (UPI) zusammen. Hauptsächlich koordiniert sie die unterschiedlichen Aktivitäten auf ihrem Territorium. Der Vorteil der Zusammenarbeit in diesem Gebiet wie auch in der gesamten Region Toskana und Emilia Romagna liegt darin, dass das soziale Geflecht von Tradition aus unter dem Zeichen einer starken sozialen Kohäsion und einer gut entwickelten Verbands- und ehrenamtlichen Arbeit steht. Die meisten Finanzmittel kommen von der Region Toskana. Für die Verteilung an die einzelnen Kommunen sorgt die Provinz. Die restlichen Mittel stammen aus der Provinz, die bestimmten Projekten den Vorzug geben kann. So hat die Provinz Arezzo beispielsweise Projekte zur Unterstützung bei der Wohnungssuche oder zur Integration ausländischer Mitbürger gefördert. Auch wenn die Kriminalitätsrate mit 2,5‰ im Vergleich zu ganz Italien extrem niedrig ist, hat die Stadt Fidenza ihre Arbeit auf die Entwicklung der Sicherheitspolitik und den Austausch von Informationen und Praktiken mit anderen europäischen Partnern konzentriert. Eine Schlüsselrolle bei den Sicherheitsbemühungen kommt der örtlichen Polizei zu, die in ständigem Kontakt zu der Kommune steht. Es geht hauptsächlich darum, kleinere Vergehen wie mutwillige Zerstörung oder Kavaliersdelikte zu bekämpfen, eine neue Verwaltungspolitik der Ortspolizei mit der Einführung von Stadtviertelpatrouillen (2002) umzusetzen oder Fachleute von der Polizei auf befristete Zeit in andere europäische Länder, vor allem Deutschland, Spanien und Frankreich zu entsenden. Die Verwaltung der Lokalpolizei sieht die Möglichkeit einer Koordination mit der nationalen Polizei vor. Die Stadtverwaltung von Fidenza hat außerdem ein Videoüberwachungssystem vor allem an den viel besuchten Plätzen in der Stadt und einer benachbarten Kommune

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installiert. Die Kameras sollen Kavaliersdelikte Geschwindigkeitsüberschreitungen, Fahrraddiebstähle usw. beobachten.

wie

- Deutschland am Beispiel des Bundeslandes Niedersachsen Deutschland hat sich als eines der letzten westeuropäischen Länder für die Prävention durch Partnerschaft entschieden. Lange Zeit war die Bundesregierung der Meinung, dass die einzelnen Bundesländer für Fragen der Prävention zuständig seien. Erst Ende 2001 wurde das Deutsche Forum für Kriminalprävention ins Leben gerufen. Außerdem herrschen in den einzelnen Bundesländern unterschiedliche Ansichten über die Frage der Prävention und es wird nicht unbedingt auf Partnerschaften gesetzt. Dass die Prävention Sache der Kommune ist, wird nur zögerlich akzeptiert.62. Niedersachsen ist eines der sechzehn Bundesländer. Es liegt südlich von Hamburg in einer strategischen Position im Herzen Europas, die für seine wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung mit ausschlaggebend war. Seine acht Millionen Einwohner machen rund 10% der deutschen Gesamtbevölkerung aus. Der Landespräventionsrat Niedersachsen ist ein unabhängiges Gremium, das sich in enger Zusammenarbeit mit der Regionalregierung mit diesem Thema beschäftigt. Der Landespräventionsrat besteht aus den 155 kommunalen Präventionsgremien seiner 155 Mitgliedsstädte, ferner Stiftungen, Universitäten sowie 16 Nichtregierungsorganisationen so unterschiedlicher Sektoren wie Bildung, Wirtschaft und Industrie. Die Partner treffen sich alle zwei Monate, um die Richtlinien der Regierung auf die lokale Ebene zu übertragen und gemeinsam die Leitlinien für das kommende Jahr festzulegen. An diesen Treffen nehmen der Ministerpräsident und jeweils ein Vertreter des Justizministeriums, des Innenministeriums, des Bildungs- und des Sozialministeriums teil. Der Rat fördert neue Projekte und Initiativen auf der Grundlage örtlicher Erfahrungen, organisiert Treffen zur Stärkung der Zusammenarbeit auf europäischer Ebene, und schlägt die Entwicklung spezifischer Projekte vor. Die Zusammenarbeit mit der Landesregierung erfolgt über fünf Vertreter der Städte, die im ständigen Kontakt mit dem Innenministerium stehen. Ein fachliches Team aus zehn Mitarbeitern in Hannover setzt die vom Landesrat beschlossenen Aktivitäten in die Praxis um. Zu den Aufgaben des Landespräventionsrates Niedersachsen gehören u.a.: 1. die Umsetzung lokaler Initiativen;

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Quelle: deutscher Bericht für den Sachverständigenausschuss in Vorbereitung der Empfehlung des Ministerausschusses des Europarats bezüglich der Partnerschaft in Präventionsfragen.

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2.

Die Information und Beratung der niedersächsischen Landesregierung in Punkto Prävention und Sicherheit; 3. die Förderung und Umsetzung spezifischer Projekte; 4. Durchführung des Deutschen Präventionstages. Um seine Arbeit noch nachhaltiger zu gestalten, hat der Landespräventionsrat neue Partnerschaften geknüpft. Während die Polizei noch vor wenigen Jahren auf die Zusammenarbeit mit dem Landesrat verzichtete, ist heute eine regelmäßige Kooperation auf gegenseitiger Basis zu beobachten.

c) Stadt und Staat: Eine widersprüchliche Beziehung Durch die Gegenüberstellung der Beteiligten konnte im Laufe der Seminare die Beschreibung der Zuständigkeiten und Praktiken von Städten und Ländern um Überlegungsansätze zur Art der Beziehungen zwischen Stadt und Staat in Sicherheitsfragen erweitert werden. Über die Wichtigkeit der kommunalen Ebene herrscht zwar a priori Einigkeit derart, wie alle Länder die partnerschaftliche Präventionspolitik auf dieser Ebene praktizieren63. Aber diese Einigkeit wird relativiert, wenn es um die Frage der Beziehungen geht, die zwischen der lokalen und der nationalen Ebene geknüpft werden sollten. Abgesehen von den institutionellen Differenzen sind es politische Unterschiede, die in den einzelnen Ländern auftreten. In zahlreichen europäischen Ländern existiert schon mehr oder weniger lange eine nationale Partnerinstanz, meist in Form eines kriminalpräventiven Rates. Parallel dazu ist in allen Ländern der lokale Ansatz von allerhöchster Wichtigkeit. Die Annäherung der Territorien ist nämlich mit dem Prinzip der Transversalität der zweite Schwerpunkt der europäischen Präventionspolitik. Generell erfolgt die Rollenverteilung zwischen der nationalen Ebene, die die allgemeinen politischen Leitlinien definiert oder zumindest als Motor für die lokale Ebene agiert, und eben dieser lokalen Ebene, wo diese politischen Leitlinien in die Praxis umgesetzt werden64. Aber auch ohne die nationale Partnerinstanz kann der Staat eine mehr oder weniger wichtige Rolle als Initiator der Lokalpolitik spielen. In diesem Zusammenhang werden unterschiedliche Vertragselemente geschaffen, eventuell mit einer staatlichen Beihilfe für lokale Maßnahmen. 63 „Die Körperschaften sind damit am besten platziert, um die Politik in die Praxis umzusetzen oder Ansätze auszuarbeiten, um das Problem der Kriminalitätsvorsorge global anzugehen. […].Durch ihre Bürgernähe erscheinen die Kommunalbehörden in den Augen der Öffentlichkeit als die zugänglichsten und über tatsächliche oder potenzielle Krisensituationen am besten informierten Instanzen.“, in La prévention de la criminalité urbaine. Un guide pour les pouvoirs locaux, Veröffentlichungen des Europarats. 64 Vgl. Wyvekens, A. „Quels partenaires pour quelle prévention?“, in Ekblom, P., Wyvekens A., Le partenariat dans la prévention de la délinquance, Veröffentlichungen des Europarats, 2004, S. 65 ff.

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Darüber hinaus kann sich die Rolle auf nationaler Ebene mit der Zeit weiterentwickeln. Dabei kommt es zu Gegenreaktionen. Aus den Debatten haben sich zwei widersprüchliche Situationen ergeben65. Einerseits beklagten die französischen Vertreter das abnehmende Engagement des Staates für die Sicherheitspolitik. Andererseits stellten die Vertreter der Niederlande bei den staatlichen Instanzen mit Bedauern einen verstärkten Wunsch zur Einmischung fest. Wie lassen sich solche Reaktionen erklären, die in beiden Fällen von lokalen Protagonisten kommen? Die Franzosen stellen global mangelndes Engagement der nationalen Polizei fest. Der Verzicht auf die Reform hinsichtlich der „Proximitäts-Polizei“, d.h. bürgernahen Polizei, hat dazu geführt, dass sich die Polizeibeamten auf die Kriminalitätsbekämpfung, auf Ermittlungen und Rechtsfragen konzentrieren und auf Aufgaben wie Verkehrsregelung, Schülerlotsendienst und Ausstellung von Reisepässen und Ausweisen verzichten. Entsprechend werden die täglichen Sicherheitsforderungen der Einwohner an die Stadt weitergeleitet, für die diese Aufgabe schwer zu bewältigen ist. Ebenso erwähnt ein Teilnehmer den Bürgermeister einer Stadt im Raum Paris, der den lokalen Sicherheitsvertrag schlicht und einfach ablehnt, weil seiner Meinung nach die Sicherheit unter den Zuständigkeitsbereich des Staates fällt. In den Niederlanden ist das Gegenteil zu beobachten. Die Sicherheit, die lange Zeit eine von vielen Fragen war, ist überall im Land zu einem Schwerpunkt geworden. Dafür gibt es die verschiedensten Erklärungen: terroristische Anschläge, Ermordung einer führenden Persönlichkeit der rechtsextremistischen Szene oder Rechtsruck der Regierung. In jedem Fall will der niederländische Staat seine direkte Präsenz behaupten, was sich u.a. in Form der Verträge mit den Städten und der Polizei niederschlägt; Voraussetzung für die entsprechenden Finanzierungen ist die Erreichung gesteckter Ziele (Verhaftungen, Geldbußen usw.). Die lokalen Akteure betrachten dies als kontraproduktiv: Die gesteckten Ziele machen die Städte nicht sicherer. Sie sind entweder rein bürokratischer Art oder werden mit Rücksicht auf die nationalen Prioritäten definiert und stehen in keinem Verhältnis zu den konkreten Notwendigkeiten, denen sie sich seit langer Zeit auf bewährte Art und Weise stellen. Auch wenn die französischen Vertreter gegen die Existenz und den unersetzlichen Charakter des lokalen Know-hows nichts einzuwenden haben, so bleibt für sie die treibende Rolle des Staates (bzgl. Finanzen und eventuell gesetzlichen Regelungen) eine Notwendigkeit. So können nämlich die Auswirkungen der bisweilen extremen Personalisierung der Initiativen abgemildert werden: „Der Staatsanwalt geht und sein System fällt in sich zusammen“. Aus dem 65 Mit diesen beiden Situationen sind die Möglichkeiten zwischen der lokalen und nationalen Ebene nicht ausgeschöpft. Vielmehr stellen sie durch ihre Gegensätzlichkeit zwei Extreme dar, die Stoff für erweiterte Überlegungen liefern.

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Meinungsaustausch ergibt sich, dass die Situation ganz anders ist als in den Niederlanden. Die Vertreter der großen Institutionen bleiben meist in ihrem Zuständigkeitsbereich und die kommunalen Mandatsträger sind häufig für längere Zeit im Amt. Außerdem ist die nicht von der Wahl abhängige, eher „professionalisierte“ Funktion des Bürgermeisters der Grund dafür, dass der Druck der Wiederwahl entfällt. Aber es sind „die Vertreter des Staates, die sich an das anpassen, was lokal aufgebaut wird“ und nicht umgekehrt. Das Community Center von Enschede, dem die Einwohner geringfügige Vergehen vortragen, ist ein Beispiel für diese Art der Partnerschaft. Außerdem spielt die Polizei eher die Rolle des Dienstleisters als des Beschützers und bleibt nicht hinter dem Schreibtisch sitzen, wenn in einem Viertel etwas nicht in Ordnung ist. Wie sieht es anderswo aus? Aus den Debatten haben sich einige Elemente ergeben, aber die Analyse müsste fortgesetzt werden. In Luxemburg sind die kommunalen (unter Vorsitz des Bürgermeisters) und die regionalen Präventionsausschüsse (unter Vorsitz des Präfekten) inzwischen obligatorisch. Zunächst befürchteten die Bürgermeister einen Einbruch in ihre Sicherheitsbefugnisse. Außerdem wurde die verstaatlichte Lokalpolizei durch eine Nationalpolizei ersetzt66. Laut Aussagen des Direktors von Syvicol „machten sich zu Beginn auf kommunaler Ebene Befürchtungen im Zusammenhang mit der Schaffung einer nationalen Polizei breit: Die Bürgermeister befürchteten eine Behinderung bei der Ausübung einer ihrer wesentlichen Aufgaben (ein Erbe der französischen Revolution), die in der Wahrung von Sicherheit und Bewegungsfreiheit, Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sorgfaltspflicht oder Nachsorge besteht. Dazu sei zu bemerken, dass es keine nationale Präventionsinstanz gibt: Der Minister befürchtet, dem Druck der kommunalen Mandatsträger ausgesetzt zu sein. Die lokalen Protagonisten erwarten ihrerseits von der nationalen Ebene eher einen politischen Impuls als finanzielle Mittel. Seit 2004 gehört die Sicherheit nicht mehr zum Zuständigkeitsbereich des Innen-, sondern des Justizministeriums. Die Besorgnis über diese Veränderung ist inzwischen verflogen… seit der Justizminister eine Erhöhung des Sicherheitshaushalts für 2005 angekündigt hat67. Im Vereinigten Königreich herrscht eine völlig andere Situation: Die partnerschaftliche Vorgehensweise ist Pflicht und die nationale Ebene finanziert den größten Teil des Kommunalwesens (70% der Mittel für die lokale Sicherheitspolitik kommen von staatlicher Seite). Daraus erklärt sich die starke Abhängigkeit der lokalen Ebene vom Home Office. 66

Gesetz vom 31. Mai 1999 15/11/2004 Syvicol-Konferenz und Luxemburger Forum für Sicherheit und Prävention in der Stadt. „Le diagnostic local de sécurité“, Luxemburg 67

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Kapitel 2 MANDATSTRÄGER UND PARTNER

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MANDATSTRÄGER UND PARTNER In allen europäischen Ländern hat die lokale Ebene Partnerschaftssysteme für Sicherheitsfragen gebildet. Eine Zusammenfassung der unterschiedlichen Formen der partnerschaftlichen Strukturen, der engagierten Akteure und der mobilisierten Kompetenzen gibt Aufschluss über die Rolle, die der Bürgermeister als Herzstück dieses Netzes spielen könnte. a) Die partnerschaftlichen Strukturen Partnerschaftssysteme, an denen sämtliche von Sicherheitsproblemen betroffene Instanzen beteiligt sind, basieren auf einigen wichtigen Grundsätzen: Konsensfindung; Förderung lokaler Strategien; Maßnahmenkoordination; Verstärkung des Begriffs der lokalen Einheit in der Region. a) Menü oder ‘à la carte’ Bezüglich der Stadtsicherheit legen die nationalen und/oder regionalen Gesetze die Funktionsweise der Partnerschaftssysteme auf lokaler Ebene fest. Diverse „Formeln“ sind möglich. 1.

Gesetzliche Verpflichtungen. Im Vereinigten Königreich schreibt der Crime and Disorder Act von 1998 auf lokaler Ebene eine Crime and Disorder Reduction Partnership (Partnerschaft zur Verminderung der Kriminalität und der Störung der öffentlichen Ordnung) vor, bei der die Lokalbehörde und die Polizei für die Durchführung einer Kriminalitätsvorsorgestrategie sorgen. Als Gegenleistung zur Finanzierung der Präventionsmaßnahmen wird die Lokalbehörde auf nationalem Niveau zu Fragen hinzugezogen, die als prioritär gelten. Diese Partnerschaft, bei der der Staat nicht nur als Financier und Entscheidungsträger auftritt, sondern als Hauptacteur der Partnerschaft, ist der Entwicklung einer Zusammenarbeit zwischen öffentlichen, privaten und ehrenamtlichen lokalen Gremien zuträglich.

2.

Gesetzlich festgelegte Kompetenzteilung. In den Niederlanden schreibt das Gesetz eine „Dreiecksstruktur“ aus Bürgermeister, Polizeichef und Staatsanwalt der Königin vor, die die lokale Stadtsicherheitspolitik festlegen. Diese drei Personen treffen sich regelmäßig zum Informationsaustausch und fällen gemeinsam Entscheidungen. Die Mitwirkung des Staatsanwalts der Königin garantiert die Kohärenz zwischen den lokalen Initiativen und der Landespolitik. Im Konfliktfall trifft die letztendliche Entscheidung der Bürgermeister oder der

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Staatsanwalt (der Polizeichef steht hinter diesen beiden zurück). Außerdem ist durch diese Dreieckstruktur die mehrheitliche Entscheidungsfassung gewährleistet, weil sie eine Stimmengleichheit ausschließt. 3.

Förderung der partnerschaftlichen Zusammenarbeit durch vertragliche Vereinbarungen mit Aussicht auf nationale oder regionale Finanzierungen. Die lokalen Präventions- und Sicherheitsverträge (Contrats Locaux de Prévention et Sécurité) in Belgien sehen Finanzierungen der lokalen Ebene durch die nationale Ebene vor. Im Gegenzug besteht die Verpflichtung zur Einhaltung der Vertragsbestimmungen. Das System sieht die Kontrolle und Beurteilung der so finanzierten Maßnahmen vor.

4.

Förderung der partnerschaftlichen Zusammenarbeit. In Frankreich sollen die seit 1997 geschlossenen lokalen Sicherheitsverträge (Contrats Locaux de Sécurité) eine erweiterte Partnerschaft zwischen Bürgermeister, Präfekt, Staatsanwalt und Leiter der Schulbehörde ermöglichen. Das System sieht keine Zuschüsse vor, sondern den Einsatz von Sicherheitspatrouillen und lokalen sozialen Vermittlern.

5.

Gelegentliche Form auf Grundlage gezielter Initiativen. In Italien existiert außer den Contratti di sicurezza über die Zusammenarbeit zwischen Präfekt und Bürgermeister keine Vorschrift, die zur Einführung vertraglicher oder partnerschaftlicher Stadtsicherheitssysteme ermuntert oder diese vorschreibt. Generell werden auf der regionalen Ebene Leitlinien zur Schaffung einer lokalen Partnerschaft ausgearbeitet.

- Zwei Modelle Wir haben also hauptsächlich mit zwei Arten der partnerschaftlichen Annäherung zu tun. In den nordeuropäischen Ländern wie dem Vereinigten Königreich und den Niederlanden hat sie eher einen vertraglichen und formellen Charakter, der die nationale Sicherheitspolitik auf lokaler Ebene widerspiegelt. In Italien oder Spanien beruht die Partnerschaft eher auf den territorialen Besonderheiten als auf nationalen Richtlinien und versucht, sich den kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Erwartungen auf regionaler Ebene anzupassen. So hat die Region Toskana mehrere Protokolle entwickelt68, die von einer Partnerschaft zwischen Protagonisten gleicher Motivation ausgehen. Diese Protokolle schreiben die Aktivitäten der Region fort, die sich in Finanzierungen, 68

Protocolli d’intesa

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Gesetzen für die Provinzen69 und spezifischen Gesetzen äußern, die sich auf die Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Institutionen beziehen, beispielsweise das Protokoll zwischen der Region und den lokalen Ebenen (Provinzen und Kommunen) über die „Regeln der regionalen konzertierten Aktion“70 für die Provinzen und Gemeinden zur gleichzeitigen Förderung einer partnerschaftlichen Strategie und einer kohärenten Zusammenarbeit. In diesem Protokoll sind regelmäßige „Konzertierungsgespräche“ zwischen den Lokalbehörden, dem öffentlichen und privaten Sektor und der Verbandsebene vorgesehen. Im Rahmen dieses Protokolls hat die Region unterschiedliche Aktivitäten der Provinzen und Städte finanziert und unterstützt. Im Vereinigten Königreich ist die partnerschaftliche Zusammenarbeit anders strukturiert als anderswo in Europa. Der Hauptunterschied liegt darin, dass sie nicht der Ausdruck eines lokalen politischen Willens, sondern die Umsetzung der nationalen Richtlinien ist. Aufgrund der nationalen Finanzierung ist die Stadt zur Schaffung solcher Systeme gezwungen. Dazu sei noch bemerkt, dass Hackney mit seiner Partnerschaftsstrategie eines der komplettesten und komplexesten Beispiele Europas darstellt. Die Safer Communities Partnership des Borough of Hackney hat in enger Zusammenarbeit mit der Bevölkerung eine Strategie zur Kriminalitätsvorsorge und -reduzierung für 2002-2005 erstellt. Die entsprechenden Aktivitäten werden in Verbindung mit anderen Strategien der Stadt vorbereitet. Hackney hat im Rahmen einer integrierten Strategie Stellen für die Drogenvorsorge, die Betreuung von Opfern häuslicher und rassistischer Gewalt sowie die Videoüberwachung und eine Notaufnahmestation eingerichtet71. Folgende Tabelle illustriert die Funktionsweise dieser Partnerschaft. Die Organisation besteht aus einem Fachgremium, das einmal monatlich zusammen mit der örtlichen Polizei und der Verwaltung die Strategie, die vorrangigen Maßnahmen und die verwaltungstechnischen Einzelheiten der Partnerschaft festlegt. Die partnerschaftliche Zusammenarbeit besteht also darin, gemeinsame Prioritäten und Ziele zur Senkung der Kriminalitätsrate zu setzen. Sämtliche Mitwirkende, Mandatsträger, fachliche Mitarbeiter, Verbände und Vereine usw. arbeiten an der Festlegung einer gemeinsamen Strategie und an der Durchführung der entsprechenden Maßnahmen mit.

69

Leggi direttive “Le regole della concertazione regionale” sottoscritto il 5.1.2001 e il “Protocollo d’intesa Giunta Regionale-Enti locali” sottoscritto l’11.9.2002. 71 Drug Action Support Team, the Community Safety team, The Domestic Violence and Racial Harassment Team, CCTV and Emergency Planning Team. 70

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Crime and disorder reduction strategy 2003-2005, Hackney LOCAL STRATEGY PARTNERSHIP

HACKNEY SAFER COMMUNITY PARTNERSHIP Police, local authority, Health Authority Crown prosecution Service and Probation service ,

DRUG ACTION TEAM

HACKNEY SAFER COMMUNITY SERVICE

Neighbourhood projects and programmes Metropolitan police service

Voluntary organisations

YOUTH OFFENDING TEAM

Borough-wide projects and programmes

CRIME AND DISORDER REDUCTION STRATEGY

Hackney council service

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Resident traders groups

Statutory organisations


b) Die Protagonisten der Partnerschaft Die Protagonisten auf lokaler Ebene sind die öffentliche Verwaltung in Gestalt des Bürgermeisters und die Institutionen, d.h. die (regionale und nationale) Polizei und Justiz, sowie Verbände und Vereine. - Die institutionellen Partner Polizei Von den institutionellen Partnern der kriminalitätspräventiven Politik wird zweifellos die Polizei als Dreh- und Angelpunkt angesehen. Der Debatte über die Beziehungen zwischen Mandatsträgern und Polizei wurde folglich ein guter Teil der Beiträge des ersten Seminars gewidmet. Wiederholt bemerkten einige Fachkräfte, aber auch Mandatsträger, dass „man allzu sehr dazu neige, nur von der Polizei zu sprechen, wenn es um die lokale Sicherheitspolitik geht“. In allen Partnerländern lässt sich feststellen, dass sich die Beziehungen zwischen Mandatsträger und Polizei in einer bilateralen Zusammenarbeit äußern. Dieses Verhältnis wird beispielsweise in Belgien dadurch vereinfacht, dass der Bürgermeister gleichzeitig Polizeichef ist. In Slowenien beispielsweise entsteht die Zusammenarbeit eher aus der Notwendigkeit, Informationen miteinander zu teilen. Im Vereinigten Königreich ist sie gesetzlich vorgeschrieben72. Die Hauptaufgabe der Polizei gegenüber dem Mandatsträger besteht nach wie vor darin, die Kriminalität in der Region aufzuspüren und Statistiken und Datenanalysen zu erstellen, um die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten. In mehreren Ländern haben die Rolle und das Verhältnis der Polizei zu den kommunalen Mandatsträgern zu heißen Debatten geführt, die noch zu keinem Ergebnis gekommen sind. In Spanien beispielsweise ist das Polizeimodell aufgrund der starken Dezentralisierung extrem komplex und besteht aus vier Polizeikorps mit unterschiedlicher Organisation, die nach eigenen Regeln funktionieren, oftmals hermetisch voneinander abgeriegelt sind und sich misstrauisch gegenüberstehen. Bei den katalanischen Bürgermeistern (die auch als Polizeichefs agieren) stehen zwei Optionen zur Debatte: Entweder spielen die lokalen Polizeikräfte und die Kriminalpolizei eine wichtigere Rolle auf dem Gebiet der Sicherheit, oder die Tätigkeit der lokalen Polizei beschränkt sich auf die Prävention, die Überwachung und die Erfüllung kommunaler Aufgaben. Die derzeitige Gesetzgebung scheint eher zu der zweiten Option zu tendieren. 72

The Crime and Disorder Act 1998 und The Police Reform Act 2002

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Kraft ihrer Zuständigkeit für die Koordination der lokalen Polizei und angesichts der Notwendigkeit, den Einsatz der katalanischen Polizei (Mossos d'Esquadra) mit der kommunalen Polizei zu koordinieren, hat die Generalitat de Catalunya verschiedene Zusammenarbeitsund Koordinationsmodelle zwischen Bürgermeister und Polizei entwickelt. Die Stadtverwaltung von L’Hospitalet hat ein System auf folgenden Grundlagen durchgesetzt, um eine wirksame Partnerschaft mit Polizei und Staat und die Koordination der Informationen und Kommunikationen zu erzielen: Bildung von Arbeitsgruppen aus beiden Polizeikorps der Region Erstellung einer einheitlichen Datenbasis der existierenden ProblemeSchaffung eines einheitlichen Kommunikationsnetzes Gemeinsame Bearbeitung der Informationen Koordiniertes Kommando Mobilisierung der Ressourcen Ziele dieser Strategie: Revision des Gesetzes über Sicherheitskorps und Sicherheitskräfte Festlegung einer gemeinsamen Einsatzstrategie der einzelnen Polizeikorps In den großen Städten Einrichtung einer Koordinationsstelle für Stadtsicherheit mit gesetzlich vorgegebenen Funktionen. Die Mitarbeiter dieser Stelle sollen direkt vom Bürgermeister aus den Reihen der Polizeikorps gewählt werden. Justiz Im Gegensatz zur Polizei hält sich die Justiz außer in Enschede und Saint-Denis aus den kommunalen Partnerschaftsinitiativen heraus, wo sich ihre Präsenz auf eine spezifische und gezielte Zusammenarbeit beschränkt. Zu der Frage nach den Gründen dafür wollte sich keiner der Partner äußern… Fest steht, dass eine engere Zusammenarbeit für alle Partner wünschenswert ist. So würde L’Hospitalet gerne die Justiz in die lokalen Sicherheitsprogramme und insbesondere in den Rat zur Beteiligung an Sicherheitsfragen und das lokale Sicherheitsgremium einbeziehen. Beispiel Saint-Denis und sein „Maison de la justice et du droit“ Die ersten Zentren für Justiz und Recht (Maisons de la justice et du droit (MJD)) entstanden in Frankreich Anfang der 90er Jahre. Ziel war es, die Justiz in Bürgernähe zu rücken und schneller und zugänglicher zu machen und die Bevölkerung über ihre Rechte und Pflichten aufzuklären. Die Zentren sind das Ergebnis einer gemeinsamen Initiative des Kommunalgerichts und der Kommune. Saint-Denis hat sein Maison de la Justice et du Droit 2003 im Rahmen des 2000 abgeschlossen lokalen Sicherheitsvertrags eröffnet.

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Das MJD untersteht dem Präsidenten des Landgerichts Bobigny (Tribunal de Grande Instance de Bobigny) und dem leitenden Oberstaatsanwalt. Bezeichnend ist die starke Konzentration auf die Partnerschaft, weil neben den Vertretern von Stadt und Justiz auch diverse Verbände für Rechts- und Opferhilfe sowie Rechtsbehörden zu Fragen des Strafrechts einbezogen werden. Rechtshilfe wird in Beratungsstellen erteilt, die auch bei der Wohnungssuche helfen und sich mit kleineren Vergehen und Opferhilfe beschäftigen. Neben der Rechtshilfe fungiert das MJD als bürgernahe Gerichtsbarkeit, die sich u.a. auch um Prävention und Wiedereingliederung, soziale Vermittlung, Schlichtungen usw. kümmert. Hier werden auch binnen kürzester Zeit alternative Maßnahmen für Strafverfahren getroffen, um kleinere Vergehen zu ahnden und Wiedergutmachungsansprüche an den Verursacher zu regeln. Stadt und Justiz teilen sich die Arbeit. Die Justiz stellt das Personal, die Stadt zahlt die Räumlichkeiten und den Posten eines „Correspondant ville-justice“, der das Bindeglied zwischen den beiden Partnern darstellt. Das Zentrum für Justiz und Recht ist also das Ergebnis einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit und vor allem eines starken politischen Engagements der Kommune. Die Stadtverwaltung von Mons hat in seiner Präventionsstelle ein Zentrum für alternative Justizmaßnahmen (Service des Mesures Judiciaires alternatives (SMJA) in Zusammenarbeit mit Stadt und Justizministerium geschaffen. Ihre Hauptaufgaben sind die Betreuung und Organisation alternativer Justizmaßnahmen (u.a. gemeinnnützige Arbeiten). 1998 hat die Präventionsstelle auch eine kostenlose Rechtsberatungsstelle für alle Einwohner der Stadt eingerichtet. - Die übrigen Partner Vereine Die Einbindung der Vereinsebene in die lokale Partnerschaft ist besonders wichtig, weil damit der kommunale Mandatsträger:

Zugriff auf genaue Informationen hat und sein Gebiet besser kennen lernt. Die Vereinsebene verfügt dank ihrer Bürgernähe über detaillierte Kenntnisse.

Kontakt mit den schwierigsten Bevölkerungsteilen aufnehmen kann. Der nichtoffizielle Charakter der Vereine vereinfacht den Kontakt zu diesen Bevölkerungsschichten, die Institutionen und deren Hilfsmaßnahmen meist misstrauisch entgegenstehen.

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unterschiedliche Arbeitsmethoden sieht. Die Vereinsarbeit konzentriert sich oftmals auf Einzelfälle und bedient sich anderer Mittel als eine Kommune.

gezielt auf spezifische Probleme reagieren kann. Angesichts der finanziellen und personellen Einschränkungen konzentrieren sich die Vereins meist auf einen bestimmten Teil der Stadt (Viertel, Bezirke, Straßen).

gezielte Aktionen im Rahmen einer gemeinsamen Strategie koordinieren kann.

Das Beispiel der Stadt Ljubljana ist symbolisch für ein besseres Verständnis der Rolle der Vereinsarbeit. In Ljubljana arbeitet eine kommunale Delegation zu den Themen Jugend, Drogenvorsorge, Gewalt gegen Risikogruppen (Frauen, Kinder…) usw. permanent mit der Vereinsebene zusammen. So erarbeitet die Stadtverwaltung beispielsweise nach Anhörung von Mitarbeitern des Gesundheitssektors, des Sozialdienstes, der Polizei, Vertretern der Justiz und Nichtregierungsorganisationen eine Strategie und einen Maßnahmenplan für die Drogenvorsorge. Danach und je nach Höhe des verfügbaren Budgets holt die Stadt Angebote ein und gibt den Rahmen für die jährliche Finanzierung vor. Obwohl in der Stadtverwaltung Leute sitzen, die sich mit dem Thema befassen könnten, werden fachlich versiertere Partner herangezogen. Die Rolle der Kommune ist aber wichtig, weil sie es ist, die entscheidet, wie vorgegangen wird und welche Organisationen bei der Projektdurchführung finanziell unterstützt werden. Mehrmals hat die Stadt Vereine unterstützt, die innovative Vorschläge unterbreitet hatten. Jeder Partner kommt dabei auf seine Kosten: Die Kommune vergrößert den Kreis der Personen und Instanzen, die ihr helfen können, eine angemessene Politik zu betreiben und die Vereine haben nicht nur Zugriff auf die notwendigen Gelder, sondern wirken auch bei der Festlegung der politischen Richtung mit. Privatsektor Ein weiterer wichtiger Partner ist der Privatsektor. Die nordeuropäischen Länder haben verstärkt eine Zusammenarbeit mit privaten Partnern entwickeln, die ihre Arbeiten mitfinanzieren. Enschede hat beispielsweise im Rahmen eines Stadtviertel-Modernisierungsprojekts eine Vereinbarung mit „kommerziellen“ Partnern (hauptsächlich Banken) getroffen, die ein umfangreiches Projekt ohne zusätzliche Leistungen seitens der Verwaltung ermöglicht hat. Diese Aktion ist für

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beide Partner von Vorteil, weil sich seit der Sanierung des Stadtviertels mehr Geschäfte und sonstige Aktivitäten dort angesiedelt haben und eine Abnahme der Delikte und mutwilligen Zerstörungen in diesem Teil der Stadt zu beobachten ist. c) Fachliche Kompetenzen Ebenso wie das lokale Engagement zu Sicherheitsfragen stellt die partnerschaftliche Zusammenarbeit eine neue Vorgehensweise dar, für die fachliche Kompetenzen erforderlich sind. Unterschiedliche Formen des „internen Know-hows“ sind zu beobachten. Außerdem holen die Städte Rat von außen ein. a) Das „interne Know-how“ Im Vereinigten Königreich ist die Partnerschaft gesetzlich vorgeschrieben. Außerdem wird allen Kommunen ein Organisationsmodell vorgegeben. Die Crime and Disorder Act legt die Prioritäten für die drei kommenden Jahre fest. Anhand wirtschaftlicher und sozialer Kriterien und der Kriminalitätsrate legt die Regierung die Höhe der Subvention fest. Hackney gilt aufgrund seiner eher negativen Parameter73 als eine der drei Städte Englands, für die dringend eine Problemlösung finanziert werden muss. Die Stadtverwaltung von Hackney hat entsprechend eine Dienststelle geschaffen, deren Mitarbeiter sich um sämtliche Sicherheitsprobleme kümmern. In anderen Ländern, wo Partnerschaften auf Initiative der einzelnen Körperschaften entstehen, unterscheidet man je nach Kommune zwei Haupttrends: meist ist ein Beamter oder eine kleine Gruppe mit der Koordination der Maßnahmen und dem Kontakt unter den einzelnen Partnern befasst. In manchen Städten wird jedoch ein Präventionszentrum mit mehreren Sektoren eingerichtet, die mehr oder weniger in diesem Problembereich tätig sind. Abgesehen von den diversen Organisationsformen ist auch die Aufgabenteilung zwischen Mandatsträger und Fachleuten stark unterschiedlich. *Die Koordinatoren74 als „lokale Sicherheitsexperten“75 Wenn die Partnerschaft nicht gesetzlich geregelt ist, wird in der Gemeinde häufig eine Fachstelle eingerichtet, die die Sicherheitsmaßnahmen koordiniert und für Informationsaustausch, Betreuung und Kontakt unter Partnern sorgt. Dies ist 73

Daten bzgl. Hackney. Crime and Disorder reduction strategy 2003-2005. Forum Français pour la Sécurité Urbaine, Le coordonnateur des politiques locales de sécurité, Février 1999 75 Vgl. J. Faget, F. Bailleau, Les experts locaux de la sécurité, Forschungsarbeit für das INHES, 2004.

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beispielsweise in Enschede, Saint-Denis, L’Hospitalet, der Provinz Arezzo und der Region Toskana der Fall. Der Bürgermeister oder der Sicherheitsbeauftragte überträgt einen Teil der Kontakte zu den übrigen Akteuren und der Durchführung der Maßnahmen auf seinen fachlichen Mitarbeiter. Mehrere wöchentliche Besprechungen zwischen Mandatsträger und Koordinator gewährleisten eine regelmäßige Mitverfolgung der Arbeiten. Der Koordinator als Schlüsselfigur der Partnerschaft schlägt Überlegungsansätze und Begriffe vor, die helfen können, die von den Mandatsträgern vorgegebene Richtung zu konkretisieren. Er interpretiert bestimmte Hinweise, u.a. die Polizeiund Justizstatistiken, um dem Mandatsträger entsprechend Bericht zu erstatten. Dank seiner transversalen und spezialisierten Position prüft er die Kohärenz der von den Mandatsträgern vorgegebenen Präventions- und Sicherheitspolitik mit den übrigen Richtlinien der Kommune und den sozialen Erwartungen. In sehr vielen Fällen hat der fachliche Mitarbeiter auch Repräsentationsaufgaben. Beispielsweise muss er oft im Namen des Mandatsträgers Stellung nehmen und seine politische Richtung verteidigen, z.B. in der Region Toskana. Deshalb sind Vertrauen, Transparenz und Austausch besonders wichtig. Aufgrund der interaktiven Beziehung zwischen Mandatsträger und Koordinator ist Letzterer nicht einfach ein Exekutivorgan einer starren Politik, sondern ist aktiv an ihrer Konzeption beteiligt. *Prävention als Dienst an der Öffentlichkeit Hier unterscheidet sich Mons von einigen anderen: Mehrere Mitarbeiter der Stadtverwaltung, die mehr oder weniger direkt mit Präventionsfragen befasst sind, sind in einem Präventionszentrum tätig, das 1994 auf Initiative des Bürgermeisters und mit Unterstützung seines fachlichen Mitarbeiters geschaffen wurde. Am Anfang stand ein Pilotprojet mehrerer Sozialarbeiter. Inzwischen arbeiten hier 107 Personen. Ziel der ersten Initiativen war eine bessere Kenntnis der Region und das Zusammentreffen mit lokalen Vereinen und Institutionen, u.a. den Stadtviertelausschüssen, um die Erwartungen der Bevölkerung in die Projekte einzubinden. Von Anfang an organisierten der Bürgermeister, sein Kabinettschef und der Projektleiter den Sicherheitsdienst gemeinsam. Die Methodik ist bis heute unverändert. Der derzeitige Kabinettschef und der Projektleiter des Präventionszentrums legen einmal wöchentlich gemeinsam die Maßnahmen und Prioritäten fest.

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- Gezielter Einsatz externer Kompetenzen Um ihre Kenntnisse über Sicherheitsfragen zu verbessern und auszuweiten, können die Mandatsträger (Bürgermeister, Präsidenten) in nationalen und internationalen Strukturen auch externe Unterstützung anfordern – bzw. am Informationsaustausch teilnehmen. So sind beispielsweise Saint-Denis, Mons, Fidenza, die Region Toskana und die Provinz Arezzo jeweils Mitglieder des französischen, belgischen bzw. italienischen Forums für Urbane Sicherheit. Syvicol hat 2003 das „Forum Luxembourgeois pour la sécurité“ mit dem Ziel ins Leben gerufen, Erfahrungen auszutauschen und die besten Praktiken auf lokaler Ebene zu fördern. Weiteres Beispiel: Der Mitarbeiter für Stadtsicherheit in der Region Toskana, der sich im Auftrag seines Präsidenten um die Beziehungen zu den europäischen Institutionen kümmert, arbeitet mit dem Europäischen Forum für Urbane Sicherheit am Sitz in Brüssel zusammen. d) Der Mandatsträger als treibende Kraft der Partnerschaft Wie steht der Mandatsträger zu dieser Strategie? Grundsätzlich hat er eine zentrale Position. Aber wie sieht es in Wirklichkeit aus? Mehrere Fragestellungen und mehrere Positionen sind möglich. Vielerlei Erwartungen werden an den Mandatsträger gestellt: Oftmals wird er als die Person beschrieben, die durch ihre zentrale Position und ihre Legitimität als Mandatsträger die schrittweise Entwicklung einer gemeinsamen Sprache unabhängig von Kultur und beruflichen Gegebenheiten möglich macht. Und als jemand, der konzertierte Aktionen angesichts bestimmter Sachverhalte ermöglicht, über die er als Erster in Kenntnis gesetzt wird. Unter „Mandatsträger“ ist hier der Begriff im erweiterten Sinne zu verstehen, nämlich einmal der Bürgermeister und einmal ein Sicherheitsbeauftragter. Von dem mehr oder weniger großen persönlichen Engagement des Mandatsträgers hängt auch die Rolle des Koordinators ab. Neben der persönlichen Position spielt auch der juristische und politische Kontext eine Rolle. So hat beispielsweise im Vereinigen Königreich, wo die Partnerschaft obligatorisch und einheitlich ist, der Bürgermeister wohl eine weniger wichtige Position. Es wäre auch interessant, die Auswirkungen des wahlunabhängigen Charakters des Bürgermeisteramtes in den Niederlanden näher zu untersuchen. - Der Mandatsträger als Vermittler und Bindeglied Die Partner bestätigen einstimmig den Koordinationsbedarf bei der Durchführung der Präventionsmaßnahmen. Im Laufe der Debatten zeigten mehrere Beiträge, welche Erwartungen in diesem Zusammenhang an die Person des Mandatsträgers

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gestellt werden. So ist beispielsweise für einen holländischen Polizisten der Bürgermeister jemand, der „ein Hindernis für die jeweiligen Stellen darstellt, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren, und der die Beteiligten zur Zusammenarbeit zwingt“. Nach Auffassung eines anderen Teilnehmers fördert der Mandatsträger „den beruflichen Austausch“. Auch über die Frage der Informationsübermittlung, die für die Festlegung und Durchführung einer konzertierten Sicherheitspolitik unerlässlich ist, wird viel gesprochen und geschrieben. Einhaltung der beruflichen Schweigepflicht, Grenzen, innerhalb derer vertrauliche Informationen „enthüllt“ werden können… Hier soll nicht die ganze Debatte wiedergegeben werden.76. Der oftmals schwierige Umgang mit der Schweigepflicht so unterschiedlicher Berufsgruppen wie Polizisten und Sozialarbeiter ist auch für den Mandatsträger eine delikate Sache. Wenn dieser die treibende Kraft in der Sicherheits- / Präventionspolitik ist und sie koordiniert, müssen ihm auch als Erstem die relevanten Informationen zukommen und er muss auch Rechenschaft verlangen können. In Frankreich ist ein Gesetzesentwurf, der den Bürgermeister zur zentralen Figur der Prävention machte und ihm die entsprechende Informationspflicht auferlegte (z.B. gegenüber dem Bildungsministerium beim Fernbleiben vom Unterricht), auf lebhafte Kritik gestoßen – inzwischen wird an der Umformulierung des Entwurfs intensiv gearbeitet. Dennoch ist die Sache ins Rollen geraten. So wurde ebenfalls in Frankreich eine Leitlinie für den Informationsfluss zwischen Bürgermeistern und Ministerium („Guide de bonne conduite dans la circulation de l’information entre les maires et le ministère public“) erstellt (2005). Der Mandatsträger kann auch zwischen der lokalen und der nationalen Ebene als Vermittler agieren und den staatlichen Gremien gegenüber für seine Gemeinde eintreten. In Enschede beispielsweise ging dies so weit, dass die Stadtverwaltung nicht nur die Finanzierung eines Projekts unternommen hat, sondern auch auf nationaler Ebene für die Steuerfreiheit der Immobilien eingetreten ist. - Der Mandatsträger als Initiator der partnerschaftlichen Zusammenarbeit Da der Mandatsträger an vorderster Linie steht und die Beschwerden der Bevölkerung entgegenzunehmen hat, kann er neben seiner Rolle als Bindeglied auch die Rolle des Projektträgers spielen. Dies ist beispielsweise bei besonders komplexen Problemen der Fall. In Holland werden dafür Task Forces eingesetzt. Eine Aktion in dem Stadtteil Enschedes, in dem anlässlich des zweiten Seminars ein Ortstermin stattfand, ist das Ergebnis einer solchen Vorgehensweise. Das Viertel gilt als vernachlässigt. Auf Initiative der Stadt wurde unter Einbeziehung 76

Forum Français pour la Sécurité Urbaine Secrets, partage, informations, Juli 2002.

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zahlreicher Partner (Polizei, Stadt, Sozialarbeiter, Banken, sozialer Wohnungsbau) eine groĂ&#x; angelegte Aktion zum Thema Strafrecht, Sozialfragen, Immobilien usw. durchgefĂźhrt.

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Kapitel 3 DER MANDATSTRÄGER UND DIE BEVÖLKERUNG

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DER MANDATSTRÄGER UND DIE BEVÖLKERUNG Die Analyse der Rolle und der Zuständigkeiten der kommunalen Mandatsträger ist nur möglich, wenn ihre Beziehung zu den Bürgern berücksichtigt wird, die sie wählen und ihr Tun konkret legitimieren. Unsere Partner haben einstimmig betont, wie notwendig und wichtig die Einbindung der Bevölkerung in die Kriminalitätsprävention ist. Warum betrachten die Mandatsträger diese Einbindung als ebenso unanfechtbar wie notwendig? Der Mandatsträger muss sich um die Bevölkerung kümmern, weil er bei Problemen an vorderster Front kämpft und seine Wiederwahl von der Zufriedenheit der Bürger abhängt. Er steht also unter Erfolgsdruck. Außerdem kann er davon ausgehen, dass ihm die Bevölkerung auch wertvolle Hinweise bringen kann, darüber, wo die Probleme zu suchen sind, Anregungen, wie diese anzugehen sind; manchmal aber auch tatkräftiges Engagement. Bevor der – wechselnde – Charakter dieses Verhältnisses auf Gegenseitigkeit genauer analysiert wird, wollen wir die Mittel aufzählen, die die einzelnen Projektpartner zur Kontaktaufnahme mit der Bevölkerung nutzen. Generell handelt es sich um: - Fragebögen und - Einwohnerversammlungen. Der Fragebogen ist das bevorzugte Hilfsmittel unserer Partner. Er kostet nicht viel, bringt eine Menge Informationen und zeigt vor allem, dass der Kommune an der Meinung der Bevölkerung gelegen ist. Der Fragebogen wird nicht wirklich für die Entscheidungsfindung verwendet77, liefert den Mandatsträgern aber eine Datengrundlage und dient ihnen als Anhaltspunkt. Alle Partner haben dieses Mittel schon in bestimmten Fällen verwendet. Die Mandatsträger des Projekts sind es auch gewöhnt, an Einwohnerversammlungen teilzunehmen, um ihre Aktionsprogramme zu präsentieren, sich die Bemerkungen und Vorschläge der Bevölkerung anzuhören und ihre Prioritäten und Erwartungen besser zu verstehen. Der Bürgermeister oder der Präsident der Provinz oder der Region kommt meist persönlich zu solchen Versammlungen. Seine Anwesenheit spornt die Einwohner, die sich direkt angesprochen fühlen, zur Teilnahme an, weil sie um ihre Meinung gefragt werden und ihre Erwartungen und Bedürfnisse äußern dürfen.

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Es darf nicht vergessen werden, dass die durchschnittliche Beteiligung bei allen Umfrageaktionen bei rund 20% der Befragten liegt.

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So organisieren beispielsweise die lokalen Präventionsausschüsse in Luxemburg Informationsveranstaltungen für die Bevölkerung, bei denen u.a. Sicherheitsfragen angesprochen und die Funktionen der Polizei erklärt werden. Die Stadtverwaltung von Hackney hat diverse transversale Ausschüsse, Seniorenräte und ein neues Jugendparlament eingesetzt, die nicht nur zum Zweck des Informationsaustausches angehört werden, sondern die auch Vorschläge und Ideen unterbreiten. Diese Arbeit wird vom Stadtrat und seinen Mitgliedern koordiniert. a) Die Erwartungen der Bürger und die Realitäten der mangelnden Sicherheit Was verbirgt sich hinter den Erwartungen der Bürger? Sehr oft78 haben die Einwohner extrem unterschiedliche Erwartungen, die nicht alle in engem Zusammenhang mit der Sicherheit stehen. So beschweren sich die Bürger von Saint-Denis hauptsächlich über Kavaliersdelikte oder Nachbarschaftsprobleme (herumstreunende Jugendliche, Lärm, Parkplatzprobleme, Autowracks...), die das Gefühl der Unsicherheit und Provokation in den einzelnen Stadtvierteln noch verstärken. Deshalb müssen die Mandatsträger auf zwei verschiedene Arten auf die Sicherheitsfragen reagieren. Einmal geht es um kriminelle Handlungen, um die sie sich je nach Sachlage selbst kümmern oder die sie mehr oder weniger auf die staatlichen Behörden abwälzen. Ein andermal ist wie z.B. in der Provinz Arezzo Sicherheit im weitesten Sinne einschließlich der Wahrung der öffentlichen Ordnung zu verstehen. Für Sicherheit sorgen heißt, für die Lebensqualität der Bevölkerung sorgen. In Mons hat die Stadtverwaltung eine Richtlinie zum respektvollen Umgang miteinander („Charte du respect de l’autre“) herausgegeben, die die alltäglichen Probleme wie z.B. wilde Müllablagerung, mutwillige Zerstörung, Lärm usw. beträchtlich reduzieren helfen sollen. Das Gefühl der mangelnden Sicherheit ist also nicht nur auf die Kriminalität zurückzuführen. Jedoch sind es scheinbar unwesentliche Störungen wie z.B. die Verwahrlosung eines Viertels, die dazu führen, dass die Bewohner das Interesse an ihrem Viertel verlieren und die Probleme immer größer werden. Ausgehend von dieser Überlegung ist es also wichtig, sich auch mit „kleinen Fischen“ zu beschäftigen. Und wenn die lokalen Behörden das berücksichtigen, was die Einwohner wirklich beschäftigt, auch wenn es sich scheinbar um Kleinigkeiten handelt, können sie im Gegenzug von der Bevölkerung erwarten, dass sie sich aktiv an der Sicherheit beteiligt. Ein Beispiel dafür ist das Chicagoer

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Während der Gespräche geprüft

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Modell des Community Policing79: weil die Polizei und die Stadt im Einvernehmen damit angefangen haben, schlechte Gehsteige oder defekte Straßenbeleuchtungen zu reparieren, können sie von den Einwohnern erwarten, dass sie ihnen größere Probleme melden und sie bei deren Lösung unterstützen. b) Zwei Modelle Auch wenn sich die Mandatsträger über die Wichtigkeit ihrer Beziehungen zur Bevölkerung einig sind, sind die Erscheinungsformen unterschiedlich. Zum Zweck der Analyse wollen wir hier das Untersuchungsraster heranziehen, das für einen Vergleich zwischen der Stadtpolitik in den USA und in Frankreich verwendet wurde80. Es wurde gesagt, dass auf der einen Seite der Mandatsträger und auf der anderen Seite die Bevölkerung (Wählerschaft) ein Interesse an der Zusammenarbeit haben. Worin besteht nun diese Zusammenarbeit? Man kann zwei Modelle unterscheiden: Einmal ist das Verhältnis zwischen Mandatsträger und Bevölkerung eher vertikal, einmal eher horizontal. Der erste Fall soll hier am französischen Beispiel und der zweite anhand des holländischen Beispiels vorgeführt werden. Die Kommunikation mit der Bevölkerung am Beispiel von Saint-Denis Im ersten Modell gründet die Beziehung hauptsächlich auf der Kommunikation. Die Lokalbehörde informiert die Einwohner und weist sie darauf hin, welche Strukturen zu ihrer Verfügung stehen, welche Politik zum Einsatz kommt, wie die Behörde auf dieses oder jenes allgemeine oder besondere Problem reagiert; sie klärt sie über Verpflichtungen auf, nimmt ihre Anfragen und Wünsche, aber auch ihre Beschwerden entgegen. Doch es fehlt der eigentliche Zusammenhang mit den Entscheidungen oder der Durchführung der Maßnahmen der Behörde. Es können mehr oder weniger aufwändige Mittel zum Einsatz kommen. So hat die Stadtverwaltung von Saint-Denis nicht nur Fragebögen herausgegeben und Versammlungen veranstaltet, sondern auch eine Anlaufstelle für neue Mitbürger eingerichtet. Sie können einen ganzen Tag die Begleitung der Mandatsträger und Fachkräfte in Anspruch nehmen. Nach der Begrüßung durch den Bürgermeister begleitet sie ein Beauftragter in die Stadtverwaltung, stellt ihnen die Fachkräfte vor und präsentiert ihnen die Dienste, die die Kommune leistet. Dieser erste direkte Kontakt mit den Mandatsträgern und den Angestellten der 79

Donzelot, J., Wyvekens A., Community policing und Wiederherstellung der sozialen Bindung. Lokale Sicherheitspolitik in den USA und Frankreich, Les Cahiers de la Sécurité intérieure, Nr. 50, 4. Quartal 2002, S. 43-71. 80 Donzelot, J., mit Mevel C. und Wyvekens A., Faire société. La politique de la ville aux Etats-Unis et en France, Paris, Seuil, Coll. La couleur des idées, 2003.

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Stadtverwaltung soll schon zu Beginn die Dialogund Kommunikationsbereitschaft zeigen und ein Zugehörigkeitsgefühl verschaffen. Es soll „gezeigt werden, dass Saint-Denis nicht einfach eine Stadt ist, sondern eine Gemeinschaft, in der alle für die Lebensqualität verantwortlich sind81“. Einbeziehung der Bevölkerung am Beispiel Enschede Im zweiten Modell82 besteht zwischen den Mandatsträgern und der Bevölkerung eine eher horizontale, auf Gleichberechtigung ausgerichtete Beziehung. Die Bevölkerung soll sich ihrer eigenen Verantwortung bewusst werden. Im Gegenzug verpflichtet sich die Stadtverwaltung, ihre Handlungsweise zu rechtfertigen anstatt die Bevölkerung lediglich zu informieren. So arbeitet die Stadt Enschede seit ein paar Jahren gemeinsam mit der Bevölkerung an der Umgestaltung und Wiederbelebung eines der sensibelsten Viertel der Stadt. Die Bereitschaft der Einwohner und die für die niederländische Kultur typische Bereitwilligkeit zur Zusammenarbeit haben die Sache selbstverständlich vereinfacht. Die Bürger wurden von der Kommune beauftragt, sich an ihrer Stelle um bestimmte Orte und Plätze des Viertels zu kümmern. Die Arbeit wird von der Kommune finanziert, aber die Verantwortung tragen die Einwohner, d.h. sie haften direkt für mutwillige Beschädigungen der Geräte oder des Kindergartens und müssen diese selbst beseitigen. Bei einem Ortstermin im Viertel Velve-Lindenhof gaben kurze Gespräche mit den Anwohnern Aufschluss über ihr Engagement für das Projekt. Der hohe Grad an Veranwortungsübertragung seitens der Lokalbehörde hat diesen öffentlichen in einen halbprivaten Raum verwandelt. Dies geht sogar so weit, dass für Kinder aus anderen Vierteln, die sich an den Initiativen des Zentrums beteiligen möchten, die Erlaubnis der Anwohner eingeholt werden muss. Eine weitere Form der Übertragung der Verantwortung auf die Bevölkerung besteht darin, Personen, die sich über bestimmte Situationen beschweren, zu zeigen, dass es nicht einfach ist, mit den Problemen fertig zu werden, und sie in die Koordination des Projekts zu der von ihnen geforderten Lösung einzubinden. c) Bürgerbeteiligung: gelegentliche Initiative oder Arbeitsmethode? Ist die Art der Mandatsträger, sich der Bevölkerung gegenüber zu rechtfertigen und sie in ihre Aktivitäten einzubeziehen, als eine Arbeitsmethode zu betrachten oder handelt es sich um gelegentliche Initiativen? Ist der Wahlkampf für 81

Alain Lautte, Beauftragter für öffentliche Ordnung in Saint-Denis, Seminar vom 28. und 29. Oktober 2004 in Enschede 82 Es sei daran erinnert, dass es sich bei den Modellen um Konstruktionen handelt, die zur Überlegung anspornen sollen, und nicht um „Abbilder“ der Realität.

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die Mandatsträger eine Gelegenheit, die Bürgerbeteiligung und den Informationsaustausch zu fördern? Die Antworten der Teilnehmer sind sehr unterschiedlicher Art und entsprechen erstens der Strukturierung der lokalen Strategie und zweitens der Methode, nach der der Bürgermeister gewählt wird, und seiner politischen Strategie. Sie können in Kategorien zusammengefasst werden. Die Bürgerbeteiligung als Bestandteil der Kriminalitätsvorsorge Das Vereinigte Königreich unterscheidet sich durch eine gemeinschaftliche Annäherung, die bestimmten Bevölkerungsgruppen aufmerksam gegenüber steht. Im Rahmen der partnerschaftlichen Zusammenarbeit gibt es in Hackney eine ständige Bürgerkommission, die regelmäßig mit den Mitarbeitern des Hackney Safer Community Service an der Durchführung der Präventionsstrategie arbeitet. Die Kommission tauscht nicht nur Fragen und Informationen aus, sondern spielt auch eine fachliche Rolle und kann Vorschläge unterbreiten. Entsprechend setzt sie sich eher aus Fachleuten und Einwohnern und nicht aus Mandatsträgern zusammen. Die Beteiligung der Bevölkerung ist hier Teil einer komplexeren partnerschaftlichen Zusammenarbeitsstrategie, für die die politische Richtung des Mandatsträgers nebensächlich ist. Die Evaluation der Arbeit sind Bestandteil der Arbeitsmethode im Vereinigten Königreich. Die Mandatsträger und Dienste müssen während der Projektdurchführung laufende Bewertungen (jedes Quartal bzw. jedes Jahr bei mehrjährigen Projekten) und zusammenfassende Bewertungen vornehmen, die allen Partnern und Bürgern zugänglich sind. Bürgerbeteiligung an spezifischen Projekten oder wichtigen Ereignissen In Mons ist die Rechtfertigung den Bürgern gegenüber und ihre Einbindung in die Politik zwar Bestandteil der Strategie für Prävention und Sicherheit, kommt aber nur in bestimmten Fällen zum Tragen, z.B. im Projekt der „Richtlinie zum respektvollen Umgang miteinander“ („Charte du respect de l’autre83“. Zu diesem Projekt wurde die Öffentlichkeit befragt, u.a. auf der kommunalen Website. Zahlreiche Stellungnahmen (ca. 700) gingen ein und wurden bei den allgemeinen Überlegungen zur Projektänderung berücksichtigt. Im November 2002 wurde im Stadtrat eine Vorlage zur Bekämpfung von Kavaliersdelikten gemacht und gebilligt. Es ging um eine Umformulierung der allgemeinen Polizeivorschriften und der verschiedenen Zusatzregelungen unter Einfügung von Abschnitten zu den Themen Sicherheit, öffentliche Ordnung und Sauberkeit. Das Kollegium aus Bürgermeister und Beigeordneten veranstaltete fünf Bürgerversammlungen (im Oktober 2003), um das Projekt zu präsentieren und 83

Die komplette Fassung ist auf der kommunalen Website www.mons.be verfügbar.

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neue Meinungen zu hören, im Dezember 2004 wurde das Projekt vom Stadtrat verabschiedet. Anlässlich des Jazz-Festivals „Arezzo Wave“, bei dem sich die Bevölkerungszahl für die Dauer einer Woche verdoppelt, organisiert die Provinz Arezzo jedes Jahr Bürgerversammlungen, um das Ereignis u.a. zusammen mit den Geschäftsleuten zu organisieren und gemeinsame Ziele festzulegen. Bei solch wichtigen Gelegenheiten84 und angesichts der außerordentlichen Bedeutung des städtischen Raums wird die Bürgerbeteiligung zu einem grundlegenden strategischen Instrument für die Mandatsträger, die damit die Bedürfnisse der Bürger in den Vordergrund rücken und sie konkret an der Initiative beteiligen. Das Gleiche gilt in Sonderfällen, z.B. nach Unglücksfällen (wie der Explosion der Feuerwerksfabrik in Enschede), wo der Bürgermeister schnell und unmissverständlich reagieren und der Bevölkerung erläutern muss, welche Maßnahmen die Kommune zu ergreifen gedenkt. In solchen Situationen wird der Mandatsträger von der verunsicherten Bevölkerung. Man erwartet von ihm, dass er das Problem löst. Unter dem Druck der verängstigten Einwohner muss der Mandatsträger in solchen Sonderfällen meist eine kurzfristige Anhörung organisieren. Schriftverkehr mit dem Bürgermeister Ungeachtet ihrer unterschiedlichen Ausprägungen ist die Beteiligung der Bevölkerung eines der Hauptanliegen der Mandatsträger. Neben besonderen Einrichtungen wie z.B. Bürgerkommissionen oder thematisch orientierten Versammlungen ist und bleibt die Schriftform das beste Mittel, mehr über die Erwartungen der Bevölkerung zu erfahren. In Klein- und Großstädten ist der erste Reflex, dem Bürgermeister per Post oder E-Mail sein Anliegen mitzuteilen, so wie in kleineren Städten im persönlichen Gespräch – auch wenn es um die Sicherheit geht und es einen Sicherheitsbeauftragten gibt. Unabhängig von der internen Kompetenzverteilung ist es für die Einwohner der Bürgermeister, der für die öffentliche Ordnung und Lösung von Problemen zuständig ist. In unserem Panel ist Slowenien wohl aufgrund seiner Geschichte und Kultur das einzige Land, dessen Einwohner nicht ganz mit der Aufgabe des Bürgermeisters vertraut sind und die Polizei als einzig zuständige Stelle für Sicherheitsfragen betrachten. In jedem Fall interessieren sich die Mandatsträger in allen untersuchten Ländern für die vorhandenen Kommunikationsmedien, u.a. das Gemeindeblatt, und zunehmend für neue Technologien wie Internet. Die offiziellen Websites der Städte, Provinzen, Regionen oder Bundesländer informieren oft sehr detailliert 84

In der Region Toskana die G8-Sitzung in Florenz 2002 und in Mons die „Ducasse“.

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über die Zusammensetzung des Gemeinderates sowie erfolgte und künftige Maßnahmen und veröffentlichen Gespräche und Terminsowie Veranstaltungskalender. Auf der Website von Hackney können außerdem die Bilanz und die strategischen Richtlinien für die kommenden Jahre – bei Bedarf auch in mehreren Sprachen – eingesehen werden. In anderen Städten wiederum, wie z.B. Mons, verfügt das Präventionszentrum über eine eigene Informationsabteilung und gibt Broschüren über die Tätigkeitsbereiche des Zentrums heraus. Trotz aller Bemühungen um eine bessere Kommunikation mit den Einwohnern und sonstigen Akteuren wird generell behauptet, dass die Kommunikation eine Schwachstelle war und immer noch ist85.

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Bei den Ortsterminen haben Koordinatoren der Region Toskana und der Stadt Saint-Denis Folgendes festgestellt: „Trotz großer Bemühungen in den letzten Jahren bleibt die Kommunikation ein Sektor, in den in Zukunft noch weiter investiert werden muss.“

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Kapitel 4 DER MANDATSTRÄGER UND DIE PRÄVENTIONSPOLITIK ALS WAHLTHEMA

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DER MANDATSTRÄGER UND DIE PRÄVENTIONSPOLITIK ALS WAHLTHEMA In schwierigen Zeiten wird die Sicherheitsfrage überall in Europa mehr oder weniger zum nationalen und lokalen Wahlthema. In Frankreich ist dieses Phänomen seit Beginn der 80er Jahre zu beobachten. Ziel der lokalen und partnerschaftlichen Präventionspolitik der Bürgermeisterkommission war die Versöhnung zwischen der Rechten und der Linken, zwischen und Prävention86 mit eher bescheidenem Ergebnis87. In jüngster Zeit hat sich beispielsweise in der Präsidentschaftswahl 2002 gezeigt, in welchem Maße die Sicherheit wieder im Mittelpunkt der nationalen Debatte steht. In Italien ist das Thema Sicherheit seit Ende der 90er Jahre ein wichtiges Wahlthema88. Abgesehen von der klassischen Gegenüberstellung der Prävention - von „links“ - und der - von „rechts“ -, die mit der sozialen Vermittlung und der Videoüberwachung wieder an Bedeutung gewonnen hat, bleibt die Frage: Gibt es eine linke und eine rechte Politik der urbanen Sicherheit? Oder klarer ausgedrückt: Spielt die politische Couleur eine Rolle bei der Festlegung und Durchführung der lokalen Sicherheitspolitik? Im Rahmen unseres Programms wurde also die lokale Ebene daraufhin geprüft89. Was ist dabei herausgekommen? Im Alltag sind global zwei scheinbar widersprüchliche Tendenzen festzustellen, nämlich einmal die Bemühung um eine „Entpolitisierung“ der Sicherheitsfrage wobei es einfach nur um Effizienz gehen soll, und einmal entweder ein politisch gefärbter Diskurs oder eine „Abwendung von der politischen Zurückhaltung“, die sich in unterschiedlichen Formen äußert. Gespielt wird mit doppeltem Einsatz, und es ist nicht immer einfach, „Ideen zu verteidigen“ und „das Richtige zu tun und Bürgernähe zu beweisen“. a) Ein Lob auf den Pragmatismus Alle Partner unseres Programms haben betont, wie wichtig es ist, auf lokaler Ebene den rein politischen Rahmen zu verlassen und die Sicherheitsfragen 86

Siehe Bonnemaison-Report Leider steht seit Anfang 1986 die öffentliche Sicherheit nicht mehr auf der Tagesordnung, sondern ist zum Politikum geworden. Die ohnehin schon bescheidenen finanziellen Mittel wurden noch verkürzt und es wurden repressive Mittel eingesetzt, allen voran der Strafvollzug, nach der sprichwörtlichen französischen „Lerchen-Pastete“, halb Lerche, halb Pferd. Deshalb wird ohne zu zögern behauptet, dass die Prävention fehlgeschlagen ist… Gilbert Bonnemaison, 20eme anniversaire du Rapport. Face à la délinquance prévention répression solidarité. Forum Français pour la Sécurité Urbaine 2003. 88 Claudo Martini „…Ab den 90er Jahren ist die Sicherheitspolitik in Italien zum Mittelpunkt der Wahlkampagnen geworden.“ Konferenz „Rolle und Zuständigkeiten der übergeordneten Behörden in der urbanen Sicherheit“. Florenz (Italien), 22./23. Februar 2004. 89 Zu dieser Frage siehe auch die derzeit laufende Untersuchung von D. Katane und A. Toulgoat. 87

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zu entpolitisieren. Für sie ist Sicherheit als Priorität vor allem eine Bemühung um eine bessere Lebensqualität der Bürger. Zumindest in einigen Ländern kann diese Behauptung mit einem juristischen Element in Verbindung gebracht werden, nämlich den Zuständigkeiten des Bürgermeisters, die eher mit Verwaltungspolizei und Prävention zu tun haben als mit „Sicherheit“ im engsten Sinne, die oftmals eine Alleinbefugnis des Staates ist. In Italien und Luxemburg verfügt der Bürgermeister über die direkte Zuständigkeit gegenüber der Gemeinde- oder Verwaltungspolizei, nicht aber gegenüber der öffentlichen Ordnung. Im Unterschied dazu ist in Belgien der Bürgermeister gleichzeitig Polizeichef. Aber noch interessanter ist die Beobachtung in der Praxis. Das Schlagwort ist Pragmatismus. Auf Effizienz kommt es an. So setzt etwa eine links orientierte Stadt wie Fidenza alles daran, „sich von der Wohltätigkeitskultur freizumachen und ein bisschen zu bestrafen“ Ohne Wimpernzucken setzt die Stadtverwaltung sogar zur Verhütung von Fahrraddiebstählen die Videoüberwachung ein. Das kommunistisch verwaltete Saint-Denis gibt zu, „so naiv gewesen zu sein, zu glauben, dass soziale Aktionen, Prävention und Solidarität genügten“. Auch hier wird videoüberwacht. Der Polizeichef meint dazu, dass sich die Stadt zurzeit im Umbruch befindet und es deshalb wichtig ist, mehrere Systeme auszuprobieren. Das „sehr kompakte“ Stadtzentrum von Saint-Denis wird dementsprechend zum Zweck der Situationssicherheit ausgestattet (Einbeziehung der Sicherheitsanliegen in Überlegungen zur Stadtplanung). In der Provinz Arezzo, die ihre Sicherheitspolitik auf den sozialen Zusammenhalt stützt, sollen Kameras mutwillige Beschädigungen an historischen Bauwerken verhindern. Im Vereinigten Königreich ist die Videoüberwachung eine Priorität der staatlichen Richtlinien und wird als einfaches technisches Mittel betrachtet. Entsprechend wichtig ist die Rolle des Beauftragten dieses Sektors. Einer davon behauptet, dass er nicht wie der Mandatsträger dem Druck der Kriminalitätsrate ausgesetzt ist und generell da zum Zuge kommen kann, wo sich der Mandatsträger in gewisser Weise an eine Leitlinie halten muss“. b) Auf die Formulierung kommt es an Deshalb verschwindet aber der Politiker nicht von der Bildfläche. Kann man behaupten, dass er sich in Worte flüchtet und in die Art, die Maßnahmen auszuschmücken? Einiges weist vor allem in Frankreich und Italien in diese Richtung. Damit sind sie beispielsweise Holland, England und Deutschland voraus, die für diese ideologischen Aspekte viel weniger empfänglich zu sein scheinen. Taucht das Wort „Sicherheit“ im Namen der Abteilung oder Einheit auf? Einige links verwaltete Städte zögern. Saint Denis und die Provinz Arezzo nennen es lieber „Zentrum für öffentliche Ordnung“ und betonen damit eher den sozialen Aspekt als den der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung. Ebenso gibt man

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in Saint-Denis zu, dass das System der lokalen Sicherheitsverträge nicht gleich Anklang fand, weil „die Sicherheit nicht zu einem Geschäft oder einem politischen Argument werden sollte“. Auch die Art und Weise, wie die Maßnahmen dargestellt werden, zeigt, dass der Pragmatismus seine Grenzen hat. Eine Maßnahme wird sozusagen wegen ihrer zu erwartenden Wirkung beschlossen. Man nennt die Dinge nicht immer beim richtigen Namen. So heißt in Saint-Denis die Stadtpolizei nicht Police municipale, sondern gardes urbains (etwa: städtisches Bewachungskorps)… Bestimmte Maßnahmen der gleichen Art können unterschiedlich formuliert werden. Noch ein Beispiel: Bei einem Austausch anlässlich des zweiten Seminars erzählte ein Teilnehmer von einem Stadtviertelprojekt im Rahmen des Kriminalitätspräventionsprogramms. Dabei ging es u.a. um Gebäude, die Schauplatz unerlaubter Handlungen waren. Der Mandatsträger einer anderen Stadt regte sich zunächst über diesen Verknüpfung von Bevölkerung und Kriminalität auf. Dann ging aus der weiteren Diskussion hervor, dass ähnliche Aktionen auch in seiner Stadt durchgeführt wurden, aber vom Amt für sozialen Wohnungsbau und nicht im Rahmen der Kriminalitätsvorsorge. In einigen Ländern, z.B. Italien oder Frankreich, hat das „Etikett“, das bestimmten Initiativen aufgedrückt wird, vielleicht einen höheren Stellenwert. Könnte es sein, dass in südlichen Ländern der Bürgermeister vielleicht eine eher politisch gefärbte Rolle spielt, während er im Norden eher als Manager agiert? Wirken sich diese Unterschiede wirklich auf die getroffenen Maßnahmen aus oder handelt es sich um ein einfaches Problem der politischen Richtung? Und wenn ja, hängt die Organisation bei Fragen der Sicherheit eher von der Person des Bürgermeisters und seinem Werdegang oder von seiner politischen Couleur ab? Zu diesem Zeitpunkt der Debatte kann noch keine allgemeine Marschrichtung abgeleitet werden. Die Diskussion muss fortgesetzt werden.

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SCHLUSSFOLGERUNG: GEMEINSAME ANSÄTZE UND DEBATTEN

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SCHLUSSFOLGERUNG Am Ende des Programms lassen sich die Ergebnisse der gemeinsamen Arbeit in die beiden Kategorien „Errungenschaften“ und „Denkanstöße“ einteilen. Das Problem der Daseinsberechtigung der kommunalen Mandatsträger in Sicherheitsfragen hob erneut die Rolle des Forums als Ort des Austausches hervor – und zeigte auch, wie wichtig der Austausch bei der Erarbeitung einer gemeinsamen Philosophie der Kriminalitätsvorsorge in Europa ist. Denn auch wenn zum Schluss alle der Meinung waren, dass die Zeit für allgemein gültige Empfehlungen noch nicht gekommen sei, ist doch klar zu erkennen, warum dies der Fall ist und wie es weitergehen soll. Bei der Gegenüberstellung der Einzelerfahrungen, die stets ein wichtiger Teil solcher Projekte ist, konnte zunächst jeder Beteiligte seine Situation vortragen, seine Initiativen und Erfolge darstellen oder seine Besorgnisse mitteilen. Für alle Partner ist dies ein ganz wichtiger Punkt. Aber damit nicht genug. Die Erfahrung der einen ist eine Informationsquelle für die anderen. Was als Austausch von „Good Practices“ bezeichnet wird, ist ein weiterer Aspekt dieser Seminare. Aber den Ausschlag gibt wohl die Definition einer gemeinsamen Sprache, auch wenn dies der am wenigsten spektakuläre Teil der Gegenüberstellung ist. Selbst wenn alle von „lokal“ und „Partnerschaft“ reden, ist es bezeichnend, in welchem Maße die jeweiligen Unterschiede in den einzelnen Ländern und darin die relative mangelnde Kenntnis der Teilnehmer festzustellen sind. Daraus ergibt sich die absolute Notwendigkeit, eine gemeinsame Sprache zu finden, die diese Unterschiede berücksichtigt, noch bevor gemeinsame Empfehlungen ausgearbeitet werden. Zum Austausch der „Good Practices“ kommt also ein vergleichendes Vorgehen im komplexen Sinne hinzu. Die Konvergenzen und Divergenzen sollen überbrückt werden, um einen Sinn zu ergeben und dadurch die Praktiken in ihrem jeweiligen Rahmen weiterzuentwickeln. Über die wichtige Rolle der lokalen Ebene bei der Festlegung der Präventionspolitik sind sich alle einig. Auf dieser Ebene entwickelt sich in den meisten Ländern eine Partnerschaft. Davon abgesehen konnte auch (wieder) festgestellt werden, wie sehr sich die Beziehungen zwischen den einzelnen Partnern und den institutionellen Ebenen bezüglich ihrer Intensität und ihres Ausdrucks unter Berücksichtigung der juristischen Strukturen unterscheiden. Eher neu ist die Feststellung, wie eingeschränkt – auch von der Diversität her – die Rolle des Mandatsträgers als solche ist. Wenn man von der kommunalen Ebene spricht, so bezieht man sich zunächst auf die Arbeit der Gemeinde und der Beamten und auf die Zuständigkeiten, die dieser Ebene von der Struktur her zugemessen werden. Eine gründliche Untersuchung dessen, was in diesem Bereich abläuft, ist nur schwer von der politischen Aufgabe zu trennen. Deshalb galt diesem Aspekt ein wichtiger Teil der Überlegung. Nur kurz wurde angesprochen,

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was die nächste Etappe sein könnte, d.h. die Frage, welche Position der Mandatsträger bei der Erarbeitung und Durchsetzung der Sicherheitspolitik spielen könnte, sollte oder möchte. Eine solche Position scheint nicht sehr präsent zu sein. Als Institution fehlt sie völlig – abgesehen von den klassischen Zuständigkeiten der kommunalen Mandatsträger der Verwaltungspolizei, die allen Ländern mehr oder weniger gemeinsam ist. Außerdem waren trotz des Programmtitels nur wenige der Teilnehmer selbst Mandatsträger. Folglich können in dieser Hinsicht keine wichtigen Schlüsse gezogen werden. Die als „natürlich“ betrachtete Position der kommunalen Mandatsträger innerhalb der Partnerschaft zu Fragen der Sicherheit ist noch unbesetzt und muss genau umrissen und vielleicht auch relativiert werden: Man braucht nur an das Beispiel der Niederlande zu denken, einem der Länder, wo die lokale „Ebene“ am aktivsten zu sein scheint und wo der Bürgermeister kein Mandatsträger ist. Um die Überlegung noch zu vertiefen, sind zwei Ansätze denkbar. Beide bieten die Möglichkeit, in den Kern des Problems vorzustoßen, das der Politiker in seiner Person darstellt. Der erste Weg besteht darin, sich mit den Beziehungen zwischen dem Mandatsträger und dem- bzw. denjenigen zu beschäftigen, die innerhalb der Gemeinde mit Sicherheitsfragen befasst sind, nämlich „Präventions/Sicherheitsbeauftragte“, „Leiter der Abteilung für öffentliche Ordnung“ o.ä. Bezeichnend ist schon, dass es solche Funktionen überhaupt gibt. Die Unterschiede bezüglich der Positionierung und der Tätigkeit können das beleuchten, was der Funktion des Mandatsträgers eigen ist. Der zweite Weg betrifft die Beziehungen zwischen dem Mandatsträger und der Bevölkerung, d.h. zwischen dem Mandatsträger und seinen Wählern, die ihn zu dem machen, was er ist. Welche Haltung legt er ihnen gegenüber an den Tag? Wie bezieht er sie in die Sicherheitsbemühungen ein – oder auch nicht? Welche Art der Beziehung – vertikal oder horizontal – unterhält er zu ihnen? Welchen Stellenwert haben die Sicherheitsfragen in dieser Beziehung? Fortsetzung folgt…

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BIBLIOGRAFIE

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