Masterthesis SS2022 (p.1)

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Digitale Bürgerbeteiligung in der Stadtplanung

E-Partipazion anhand eines web-basierten Beteiligungstools

RWTH Aachen, SS2022

Masterarbeit zur Erlangung des Grades Master of Science (M.Sc.)

Digitale Bürgerbeteiligung in der Stadtplanung

E-Partipazion anhand eines web-basierten Beteiligungstools

vorgelegt an der RWTH Aachen von Alena Karle An der Junkersmühle 4

52064 Aachen

Matrikelnummer: 389596

Abgabetermin: 19.08.2022

Erstprüferin: Prof. Dipl.-Ing. Christa Reicher Lehrstuhl für Städtebau und Entwerfen

Zweitprüfer: Prof. Dr. Jakob Beetz Lehr- und Forschungsgebiet Computergestütztes Entwerfen

Aachen, August 2022

1. Einführung

1.1. Aufbau der Masterarbeit

1.2. Forschungsfragen und -ziele

1.3. Methodik

2. Grundlagen

2.1. Bürgerbeteiligung

2.1.1. Allgemein

2.1.1.1. Typen und Arten der Beteiligung

2.1.2. Digitale Bürgerbeteiligung

2.1.3. Pro und Kontra

2.2. Fahrradfreundlichkeit

2.2.1. ADFC Klimatests

2.2.2. Fahrradmonitor SINUS-Institut

3. Crowdmapping

3.1. Case Studies

3.1.1. radar-online.net

3.1.2. PedAhlen und Mainz Mapathon

3.1.3. munichways.de

3.1.4. senf.koeln

3.1.5. radwege-check.de

3.1.6. andere Melde- und Ideen Plattformen

3.2. Kriterien zur Aufbau einer Crowdmapping-Plattform

4. Prototyp

4.1. Technischer Hintergrund

4.1.1. Open Street Maps Eigenschaften

4.1.2. Ressourcen und Programmiersprachen

4.2. Konzept

4.2.1. Entwicklung des Konzepts

4.2.2. Aufbau des Prototyps

4.2.1.1. Bereich 1 “Startseite”

4.2.1.2. Bereich 2 “Info-Karte mit Ergebnissen”

4.2.1.3. Bereich 3 “Meldung eintragen”

4.2.1.4. Bereich 4 “Plattform Dashboard”

4.3. Innovativität

Inhaltsverzeichnis Abstract
7 9 11 11 12 13 13 13 14 16 17 18 20 20 26 26 27 28 30 31 32 33 35 37 37 38 39 45 46 49 50 51 53 55 56

4.3.1. Vergleich mit vorher analysierten Plattformen

4.3.2. Weitere Entwicklung und mögliche Anwendung

5. Kommunikation mit Experten

5.1. Vorgehensweise

5.2. E-Mail Rückmeldung und Gespräch: Agora Verkehrswende

5.3. E-Mail Rückmeldung und Gespräch: DIY Verkehrswende selber machen

5.4. E-Mail Rückmeldung und Gespräch: radar-online.net

5.5. E-Mail Rückmeldung: Projektleiter ADFC Fahrrad-Klimatest

5.6. Nächste Schritte

6. Nutzbarkeit

6.1. Nutzen für verschiedene Akteure

6.1.1. Bürger / Radfahrende

6.1.2. Verwaltung / Stadtplaner

7. Fazit

8. Abbildungsverzeichnis 9.

Literaturverzeichnis
Anhang ‘Kommunikation mit Experten’ 58 60 61 61 64 64 65 65 66 67 67 68 70 74 75 76 77
10.

Abkürzungen

siehe

Seite

Verfasserin

vergleiche

Zeile

zum Beispiel

Abbildung

beispielsweise circa ebenda

folgend

fortfolgend

Kapitel

Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club

Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland

Zweirad-Einkaufs-Genossenschaft

S.
Z.
ca.
ff.
s.
Verf. vgl.
z.B. Abb. bspw.
ebd. f.
Kap. ADFC
BUND ZEG

In den vorhergegangenen Jahrzehnten veränderte sich die Art und Weise, wie Bürger an der Erstellung von Informationen beteiligt werden, grundlegend. Der Fokus änderte sich zunehmend auf nutzergenerierten Inhalt (User Generated Content - UGC). Anhand der Schaffung von Daten durch Hilfe von Sensoren, sozialen Medien und anderen gesellschaftlich erzeugten Informationen, durch die Beteiligung der Bevölkerung an sozialen, wirtschaftlichen oder staatsbürgerlichen Aktivitäten, werden Bürger von passiven Subjekten (Umfrage- und Forschungsstudien) zu aktiven Generatoren von Informationen. Die vorliegenden Masterarbeit beschäftigt sich mit Crowdmapping (Kartendiskussion), wie die von Bürger*innen generierten Informationen auf einer Karte gesammelt werden und für alle zu sehen sind. Es werden digitale Beteiligungsplattformen, die auf dem Crowdmapping-Konzept basieren, analysiert, verglichen und bewertet. Die Analyse und Bewertung dient, eine Liste von Kriterien und Eigenschaften zu schaffen, welche für die Entwicklung einer digitale Kartendiskussion verwendet werden können. Es wird eine Crowdmapping-Plattform entwickelt, die den vorab definierten Kriterien entspricht und die vorteilhaftesten Eigenschaften vereint. Der zweite Teil dieser Masterarbeit beschäftigt sich mit der Verkehrswende in den Städten, über die in letzter Zeit vermehrt geschrieben wurde und sich erhöhter Aufmerksamkeit erfreut. Eine Lösung wie die Verlagerung auf den Umweltverbund aus Fußverkehr, Fahrrad, Schiene und ÖPNV gelingen kann, ist die Umgestaltung der Städte auf mehr Fahrradfreundlichkeit. Mithilfe der durch die Verfasserin im Zuge der Masterarbeit entwickelten Plattform, werden die Bürger*innen die Möglichkeit haben, Meinungen und Bewertungen zu Fahrradfreundlichkeit in den einzelnen Städten auf einer Karte einzutragen und somit aktiv zur Umgestaltung beitragen. Sämtliche Erkenntnisse, Ergebnisse und die entwickelte Plattform sind in den Kapiteln der vorliegenden Arbeit zu finden.

7 Abstract

In recent decades, there has been a fundamental shift in the way citizens participate in the creation of information, and much has been written about user-generated content (UGC). Through the use of sensors or social media and other socially generated information resulting from their participation in social, economic, or civic activities, citizens are moving from being passive subjects of survey and research studies to active generators of information. In my master thesis I focus on crowdmapping, where citizen-generated information is collected on a map for all to see. Digital participation platforms based on the crowdmapping concept are analyzed and evaluated. The analysis and evaluation will be used to develop a list of criteria and characteristics for a digital map discussion. In addition, a crowdmapping platform that meets the defined criteria and includes the most beneficial features will be developed. Second aspect, which has also been written a lot recently and which my master thesis is also related to, is the mobility transition in cities. One of the solutions for how to succeed in the transition to the environmental network of walking, cycling, rail and public transport is to make cities more bike-friendly. With the help of the participation platform that I am developing as part of my master’s thesis, citizens will have the opportunity to transfer their opinions and assessments of bicycle-friendliness in the cities onto a map.

8 Abstract

Durch einem grundlegenden Wandel in der Planungstheorie und dem Wechsel der Planer von rationalistischen zu kommunikativen Grundsteinen entwickelte sich die Planung zu einem wechselseitigen Lern- und Wissensbildungsprozess zwischen Planern und Bürgern. Bürgerinnen und Bürger werden ermutigt, sich am Planungsprozess zu beteiligen, dennoch gibt es einige Hindernisse, darunter zum Beispiel: öffentlichen Versammlung und deren Austragungszeitraum. Einsatz digitaler Technik kann die Beteiligungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger am Planungsprozess verbessern, indem diese simultane Telekommunikation ermöglicht, die Beteiligung orts- und zeitflexibel gestaltet und neue Methoden der Illustration unterstützt. Ceccato und Snickars (2000) betonten, ein wichtiger Grund für den Einsatz digitaler Technologie bestehe darin, die Transparenz von Entscheidungsprozessen und Materialien zu erhöhen. Webbasierte Technologien sind eine einfache und kostengünstige Möglichkeit, die Anzahl der Teilnehmenden während des Planungsprozesses auszuweiten und zu diversifizieren. (Nuojua et al., 2008). Der zusammengesetzte Begriff Public Participatory GIS oder PPGIS wird in der Literatur verwendet, um sich auf diverse Anwendungen zur Verwendung von GIS-Funktionen für partizipative Planungsanforderungen zu beziehen. (Ramasubramanian, 2010; Steinmann et al., 2004).

PPGIS-Anwendungen nutzen das Internet heutzutage als Plattform für bidirektionale Kommunikationskanäle in Echtzeit zwischen verschiedenen Parteien. Nuojua (2010) stellte fest, dass ein Großteil der webbasierten öffentlichen partizipativen GIS-An-

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1. Einführung

wendungen (WPPGIS) die E-Beteiligung unterstützen, indem Bürgern Informationen zur Verfügung gestellt werden, anstelle sie tatsächlich in den gesamten Entscheidungsprozess einzubeziehen. WPPGIS ist mit mehreren Hindernissen konfrontiert, darunter Vertrauen, Legitimität und Benutzervielfalt (Wong et al., 2001) sowie das Risiko, Dienste bereitzustellen, die die breite Öffentlichkeit nicht benötigt (Nuojua, 2010). Ein weiteres Problem stellen Barrieren zwischen den einzelnen Schnittstellen dar. Wichtig ist es eine leicht zugängliche intuitive Benutzeroberfläche zu schaffen, um keine beziehungsweise wenige Benutzer zu verlieren (Östlund, 2009). Die Anpassungsfähigkeit von Technologien ist eine Schlüsselvoraussetzung für Systeme zur Unterstützung der Partizipation, aber sie ist nicht ausreichend. Um besser auf das von Bürgern generierte Wissen einzugehen, ist es zudem wichtig, die Denkweise der Planer zu ändern. Forumsdiskussionen sollten wechselseitig sein. Bürgerbeteiligungs-GIS (PPGIS) ermöglicht Bürgerinnen und Bürgern, sich aktiv an Entscheidungsprozessen zu beteiligen.

Nichtprivilegierten Nutzergruppen wird die Möglichkeit gegeben, an Lösungen für individuelle Raumprobleme zu arbeiten. Es sind keine GIS-spezifischen Kenntnisse erforderlich. PPGIS ist somit eine partizipative Online-Anwendung, bei der unterschiedliche Stakeholder den Entscheidungsprozess über die räumliche Struktur beeinflussen (Dunn 2007, Obermeyer 1998, Oxley et al. 2004, Sieber 2006). Eine transparente Kommunikation wird zwischen allen am kommunalen Planungsprozess Beteiligten geschaffen. Alles Wissenswerte über Ihre Projektpläne und -fortschritte kann öffentlich zugänglich gemacht werden. Planungsverantwortliche können sich mit PPGIS an lokalem Wissen über die Lebens- und Erfahrungswelt der mitwirkenden Bürger bereichern, und somit die Umsetzung bürgernaher Planung unterstützen (Rambaldi et al. 2006).

Die Entwicklung eines Online-Tools, das es Planern wie auch Bürgern ermöglicht, sich aktiv am Planungsprozess zu beteiligen, ist das anzustrebende Ziel. Elemente eines SDSS sowie PPGIS sind in dem zu entwickelten Tool einzubauen.

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1.1. Aufbau der Masterarbeit

Im ersten Teil der Masterarbeit sind Grundlagen für die Thematik der Masterarbeit beschrieben. Da sind bereits wichtige Erkentnisse aud den Recherschen angedeutet. Im nächsten Teil ist bereits das Ergebniss der Recherche dargelegt, das als Fundament fürs praktische Teil der Masterthesis dient. Danach folgt die Beschreibung des Prototyps, der im Rahmen der Masterarbeit erstellt worden ist. Anschließend kommt die Kommunikation mit Experten hinter, wo es beschrieben ist, wie die Kommunikation mit den Gesprächspartnern verlief und welche Schlüße für den konzeptuellen Baustein der zu entwickelnden Plattform gezogen wurden. Nachfolgend ist eine Tabelle eingefügt, wo die Funktionen der Plattform und deren Nutzen für unterschiedliche Akteure in der Bürgerbeteiligung präsentiert sind.

1.2. Forschungsfragen und -ziele

Ziele:

Untersuchung der Auswirkungen von WPPGIS-App auf den Planungs- und Entscheidungsprozess.

Diskussion der Rolle von Planern und Planungsinstitutionen bei der Beteiligung der Öffentlichkeit mit Hilfe von WPPGIS

Untersuchung der Bereitschaft das Fahrrad häufiger zu nutzen? Welche Hindernisse existieren, die dies erschweren.

Identifizierung der bevorzugten Funktionen einer optimalen WPPGIS-App

Entwurf und Entwicklung eines Prototyps einer WPPGIS-App

Fragen:

Welche Auswirkungen haben die Neuen Medien auf die Stadtplanung?

Welche Typen und Arten der Bürgerbeteiligung gibt es?

Was kann die Online-Bürgerbeteiligung leisten? Welche Vor- und Nachteile gibt es?

Wie bekannt und gechätzt sind die Bürgerbeteiligungsprojekte?

Die Fragestellung, die über dem praktischen Teil dieser Arbeit steht ist:

Wie kann ein Tool zur Online- Bürgerbeteiligung für Fahrradfahrende und im Bezug auf Fahrradfreundlichkeit aussehen?

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1.3. Methodik

Für die Bearbeitung der Fragestellungen sind grundlegende Analysen von existierenden bzw. durchgeführten Bürgerbeteiligung-Projekten und relevanten Onlineplattformen vollzogen, sowie vorhandene Literatur recherchiert worden.

Aufgrund der offenen Fragestellung und dem Ziel des Informationsgewinns ist die Kommunikation mit Experten anstrebenswert.

Dank dem Insiderwissen lässt sich feststellen, welche Vorstellungen und Erfahrungen in Bezug auf Bürgerbeteiligungs-Projekte, sowohl analog als auch digital, vorhanden sind. Hierzu werden Experten befragt, die insbesondere im Kontext Fahrradfreundlichkeit in Städten Expertise besitzen, sowie im Bereich Fahrradnetzausbau in Städten als Vordenker gelten.

Für den praktischen Teil der Masterarbeit, in dem eine Online-Plattform entwickelt wird, wurden bestehende Online-Plattformen und deren Funktionalität analysiert. Für die Analyse wurden Plattformen ausgewählt, welche am meisten Relevanz, für die im Rahmen der Masterarbeit zu entwickelnde Plattform haben, d.h. Fahrradfreundlichkeit und Crowdmapping (Kartendiskussion) Funktion.

Darüber hinaus werden auch Fahrradfahrende interviewt, die mit tagtäglichen Herausforderungen der Fahrradinfrastruktur in Städten konfrontiert sind und somit über Wissen und Erfahrungen verfügen, welche theoretisch nicht recherchiert werden können.

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Unter Bürgerbeteiligung versteht man die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an der Vorbereitung von fachlichen Planungsprozessen und Entscheidungen. Einbeziehung von Bürgerinnen und Bürgern kann in einer Vielzahl von kommunalen Angelegenheiten wertvoll sein. Diese Richtlinien beziehen sich nur auf die Planung und Beteiligung an städtebaulichen und kommunalen Planungsvorhaben. Der Begriff „Bürger“ bezeichnet alle Mitglieder einer Gemeinde, nicht ausschließlich nur Bürgerinnen und Bürger im Ausdruck der Gemeindeordnung. Bürgerbeteiligung wird auch oft als Öffentlichkeitsbeteiligung bezeichnet, wie etwa im Baugesetzbuch (BauGB). Gelegentlich kommt das Wort „Partizipation“ in Verwendung. Eine gut durchgeführte Öffentlichkeitsbeteiligung liefert Informationen, schafft Transparenz und eine gemeinsame Wissensbasis. Daraus entsteht eine Kultur des Dialogs und der Planungsoptimierung auf Augenhöhe. Ein früher Einstieg verschafft Ihnen bestenfalls mehr Akzeptanz und schafft sicherere Pläne.

Die nachfolgenden vier Gründe beschreiben die Wichtigkeit der Bürgerbeteiligung in aktuellen Zeiten:

1. Bürgerinnen und Bürger haben das Bedürfnis gehört zu werden!

Es wird immer wichtiger für Menschen sich vor Ort zu engagieren. Beteiligungen an zivilgesellschaftlichen Initiativen helfen ihnen, ihre Anliegen zum Ausdruck zu bringen. Widerstand gegen den „souveränen“ Plan wird lauter und da das Endziel Schaffung von Städten und Gemeinden für die Bevölkerung ist, sollten aktuelle Pläne Wün-

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2. Grundlagen
2.1. Bürgerbeteiligung

sche und Ziele der Bürgerinnen und Bürger berücksichtigen.

2. Raumgestaltung und Städtebau profitiert von der „Menschen vor Ort“-Perspektive Stadtplaner, Architekten, Politiker, Manager, Investoren, Einzelhändler und Bürger sind in vielerlei unterschiedlich. Sie haben individuelle Absichten, Bedürfnisse und Wünsche. Im selben Zug haben städtebauliche Projekte komplexe technische Vorhaben. Das Einbeziehen außenstehender Perspektiven ist nicht nur ein wichtiger Teil neue Impulse zu sammeln, sondern trägt zur nachhaltigen Akzeptanz und zur Optimierung des Bauprojektes bei. Eine große Anzahl von Bürgerinnen und Bürger verfügen über einen reichen Erfahrungs- und Wissensschatz, der durch erfolgreiche Beteiligungsprozesse für die Planung genutzt werden kann.

3. Öffentlichkeitsbeteiligung als „Seismograf“ für Anliegen wie auch Konflikte

Durch die Berücksichtigung der Bürgerbeteiligung von Anfang an, können potenzielle Konflikte und Streitfragen frühzeitig erkannt und aus dem Weg geräumt werden. Durch Einbeziehung in die Planung werden Probleme früher gelöst und verringern beziehungsweise vermeiden Stresssituationen später.

4. Fehlende Legitimation für Nicht-Einbeziehen der Bevölkerung erzeugt nachträgliche hohe Kosten

Bürgerinnen und Bürger können Bauprojekte durch Proteste verzögern oder stoppen. Diese Situationen sind teuer und blockieren wichtige Entwicklungen des Städtebaus. Andererseits kann durch frühzeitige Einbindung der Einheimischen ein Schritt in die Bewegung der Massen erreicht und somit einer Eskalation entgegengewirkt werden.

Weiterführend wird in das Thema der Masterarbeit durch die Betrachtung der einzelnen Typen und Arten der Bürgerbeteiligung eingeführt. Die nachfolgende Auflistung veranschaulicht sämtliche Typen und Arten farblich, die Bezug auf die im Rahmen dieser Masterarbeit zu entwickelnde Plattform bzw. Webapp interessant sind.

Zielgruppe

14 Reichweite weltweit gemischt Bund Alter Bundesland Bildungsgrad Region Beruf Stadtteil sozioökonomischer Status Kommune Freizeitaktivitäten Quartier

Zweck

allgemeine Demokratieverbesserung

Kommunikations- und Verständnisverbesserung

Bewusstseinsbildung, Lernen, Kontaktbildung

Transparenz von Werten/Präferenzen und Bedürfnissen

Gegenseitige Wertschätzung, Vertrauensstärkung und Gemeinschaft

Aktivierung, Dynamisierung von Debatten und Planungen

Transparentmachung des Planungs- und Entscheidungsprozesses

Qualitätssicherung und Kosteneinsparung

Verbesserung von Problemlösungen

Erkennen und Abbau von Konfliktpotenzialen

Akzeptanz und Umsetzung von Planungen und Ergebnissen

Stufen

keine Beteiligung

Information

Formate

Mitwirkung

Mitentscheidung

Entscheidung

Selbstverwaltung

Flyer, Artikel, webbasierte Infos, Ausstellungen, Medienarbeit, Infoveranstaltung

Öffentliche Diskussionsveranstaltung, Befragung, Bürgerversammlung, Stellungnahmen, Web2.0, Interviews, Planspiele, Fokusgruppen

Arbeitsgruppe, Runder Tisch, Umweltmediation, Zukunftswerkstatt, Bürgerprojekte

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2.1.2. Digitale Bürgerbeteiligung

Neue moderne Möglichkeiten wie Bürgerinnen und Bürger an Informationen kommen, an Diskussionen teilnehmen und sich politisch engagieren können bietet das Web 2.0. Dieses erleichtert zudem die Mitarbeit und das Einbringen der Bevölkerung von Kommunen, Gemeinden oder Städten in den Entscheidungsprozess.

Aktuelle Beteiligungsmaßnahmen über das Internet müssen für Bürgerinnen und Bürgern einen Mehrwert bieten, welcher einen größeren Rahmen umfasst als die reine Informationsbeschaffung. Nicht nur Vorteile und große Chancen sind durch die Etablierung der Bürgerbeteiligung im Web 2.0 gegeben, sondern diese bringt auch verschiedene Probleme und Herausforderungen mit sich. Diese Herausforderungen umfassen Fragen nach dem Verhältnis von formeller und informeller Bürgerbeteiligung sowie der fehlenden Akzeptanz und Transparenz vieler Beteiligungsmöglichkeiten.

Probleme bereiten auch mangelndes Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger hinsichtlich der Umsetzung gemeinsam getroffener Entscheidungen. Zudem kann es zu Spannungen zwischen den Beteiligten, mangelnder Vernetzung und Kommunikationsschwierigkeiten kommen. Einige Kommunen und Städte setzen in der Auflösung der bestehenden Defizite auf verschiedene Möglichkeiten des internetbasierten Bürgerengagements, jedoch sind diese nicht in der Lage sämtliche Missstände zu beseitigen.

Aufgrund des weit verbreiteten Begriffs Web 2.0 im Allgemeinen gilt es bei den Internetnutzern in Deutschland als weithin bekannt und wir sehen in den kommenden Jahren ein hohes Wachstumspotenzial. Im Rahmen der Bürgerbeteiligung in Deutschland ist es unabdingbar, über die Anerkennung und Verbreitung innerhalb der Verwaltung nachzudenken. Auf Regierungsseite bietet das Web 2.0-Konzept das Potenzial, die transparente, direkte Kommunikation erheblich zu verbessern und die Information der Bürger zu optimieren. Web 2.0-Anwendungen bieten die Möglichkeit, verwaltungsinternes Wissensmanagement unterschiedlichen Stellen zur Verfügung zu stellen und die Servicequalität für Bürger und Unternehmen zu verbessern (Glock/Broens, 2008, S. 3f).

Chancen bestehen auch im Bereich der Behörden- und Bürgerkommunikation. Crowdsourcing ermöglicht es uns, das Wissen und die Informationen der Bürger zu nutzen, um Probleme und Streitpunkte schnell zu identifizieren und so direkt wie möglich zu reagieren. Zahlreiche Rückmeldesysteme (Rückkanäle) machen es einfacher und gezielter auf die Bedürfnisse der jeweiligen Bevölkerung der Kommune einzugehen (Löhr 2009, S. 38f).

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2.1.3. Bürgerbeteiligung

Unten in der Tabelle ist Ausschnitt aus den Ergebnissen (Stand 27. September)

des Bürgerrats zu der Frage: “Zu der Frage: Soll unsere bewährte parlamentarisch-repräsentative Demokratie durch weitere Elemente der Bürgerbeteiligung und direkter Demokratie ergänzt werden?” dargestellt. (Bürgerrat Demokratie 2021)

Es muss darauf hingewiesen werden, dass die Pro-Argumente und Contra-Argumente, die gegenüber in der Tabelle stehen, keinen Zusammenhang miteinander haben.

Meinungsaustausch

Förderung einer aktiven Bürgerschaft

Bürgerbeteiligung sorgt für bessere Repräsentativität

Hohe Anforderung an Bürgerinnen und Bürger

Großes Volumen an Informationsfluss muss bei Online-beteiligung bewältigt werden

Mögliche Beeinflussung der Bürgerinnen und Bürger

Kontrolle von Lobbyismus Problem der mangelnden Informiertheit

Größere Bürgernähe Online-Beteiligung problematisch für Repräsentativität

Mitbestimmung der politischen Agenda

Schaffung von Transparenz

Schaffung von Akzeptanz bei politischen Entscheidungen

Qualität der Entscheidungen

In der Schweiz hat sich Direktdemokratie seit langem bewährt

Ja/Nein-Entscheidungen nicht immer möglich

Ergebnisse ohne Wirkung

Minderheiten könnten benachteiligt werden

hoher finanzieller Aufwand

Deutschland zu groß und vielfältig für direkte Demokratie

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Pro & Contra Pro Contra

2.2. Fahrradfreundlichkeit

Ziel fahrradfreundlicher Städte muss die Förderung einer modernen, sozial- und umweltverträglichen Mobilität sein, wie von der Arbeitsgesellschaft „Fahrradfreundliche Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen“ hervorgeht. Das Fahrrad sollte ihren Ansehens als gleichberechtigter Partner zum Autoverkehr betrachtet werden. Die wünschenswerte Quote hinsichtlich des Radverkehrs sollte 25 % betragen, um eine Entlastung des Verkehrs innerhalb der Stadt zu erreichen. Gleichzeitig ist diese fahrradfreundliche Stadt auch ein Symbol für die Einwohnerinnen und Einwohner, um die eigene Gemeinde attraktiver und gleichermaßen sicherer erscheinen zu lassen. Verkehrsentlastung durch Radfahrer sowie attraktive und sichere Radverkehrsanlagen sind daher wichtig für eine fahrradfreundliche Stadt und erhöhen die Reisequalität.

Eine Methode, um die Fahrradfreundlichkeit in Städten zu verbessern, ist herauszufinden, welche Aspekte dazu führen, dass eine Stadt als nicht fahrradfreundlich wahrgenommen wird. Es gilt zu analysieren welche Bedürfnisse Bürgerinnen und Bürger haben, und welche Kriterien erfüllt sein müssen, um eine Stadt fahrradfreundlicher wahrzunehmen.

Als Beispiel für Interesse an der Verbesserung der Fahrradfreundlichkeit in Städten kann man das Projekt “Radfahren in Berlin”, zu finden auf der Website berlin-radsicherheit.de nennen. Die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt initiierte ein Projekt zur Verbesserung der Fahrradsicherheit in der Hauptstadt. Im Rahmen des Beteiligungsverfahrens wurden Bürgerinnen und Bürger aufgerufen, Kreuzungen oder Einmündungen zu benennen, an denen es beim Abbiegen häufig zu Kollisionen kommt oder bei denen Bürgerinnen und Bürger beim Abbiegen ein unangenehmes Gefühl haben. Ziel war es, einen Überblick die Kreuzungen und Abzweigungen in Berlin zu bekommen, die aus Sicht von Radfahrerinnen und Radfahrern mögliche Konfliktschwerpunkte darstellen.

In der aktiven Phase der Online-Interaktion konnten die Teilnehmer über ein Eingabeformular mit digitalem Stadtplan entsprechende Schlüsselkreuzungen, Abzweigungen oder Straßenabschnitte mit Stecknadeln markieren. Alternativ zur direkten Markierung auf der interaktiven Karte konnte die spezifische Adresse auch eingegeben werden. Neben Positionsmarkern wurden Titel und Beschreibungstexte als Pflichtfelder erhoben. Außerdem konnten Hinweise von anderen Teilnehmenden kommentiert werden. Registrierte Teilnehmer konnten die Beiträge anderer Nutzer über die Voting-Funktion unterstützen. Die 20 am häufigsten bewerteten Posts wurden in eine explizit ausgewiesene Top-Liste aufgenommen. Insgesamt wurden für dieses Projekt über 5.000 Hinweise,

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4.000 Kommentare und 22.000 Bewertungen eingereicht.

„Berlin Radfahren“ ist ein Paradebeispiel dafür, wie Bürgerinnen und Bürger die Stadtverwaltung auf Defizite in der städtischen Infrastruktur aufmerksam machen können. Diese Fallstudie zeichnet sich durch eine breite Zielgruppe und ein klar abgegrenztes Beteiligungsthema aus. Ein übersichtliches und relativ zugängliches Angebot entsprach den Anforderungen des digitalen Beteiligungsprojekts und das Projekt wurde vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) im Rahmen des Nationalen Radverkehrsplans (NRVP) gefördert und im Jahr 2014 auch mit einem Online-Beteiligungspreis ausgezeichnet.

Laut Statistiken von senf.koeln, einer webbasierten Ideenplattform, interessieren sich Bürgerinnen und Bürger am häufigsten für die Bereiche Verkehr und Mobilität. Von den 642 eingereichten Ideen bezogen sich 220 auf das Thema „Verkehr“ und 117 wurden dem Thema „Rad“ zugeordnet. Ähnlich hoch ist die Teilnahmequote auf der Plattform rader-online.net. Zugeordnete Informationen sind der untenstehenden Abbildung, welche der Plattform entnommen wurde, zu entnehmen.

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Abb.1 Statistikbereich der Plattform senf.koeln - Screenshot Abb.2-3 Plattform radar-online.net - Screenshot

2.2.1. ADFC Klimatests

Die ADFC-Fahrrad-Klimatest-Zahlen zeigen das immer größer werdende Interesse an Studien zur Fahrradfreundlichkeit von Städten. So nahmen 1998 am ersten Test 4.000 Personen teil, 2003, als die Zusammenarbeit mit dem BUND begann, 8.000 und zwei Jahre später 26.000. Die Teilnehmerzahl lag 2012 nach der Zusammenarbeit mit der ZEG bei 82.000, 2020 waren es über 230.000 Teilnehmer.

2.2.2. Fahrradmonitor vom SINUS-Institut

Studienhintergrund. Alle zwei Jahre erhebt der „Fahrrad Monitor“ die subjektive Stimmung deutscher Radfahrer. Dazu werden im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums Bürgerinnen und Bürger im Alter zwischen 14 und 69 Jahren im Rahmen einer repräsentativen Online-Studie befragt.

Aus den Ergebnissen wurden nur die für das aktuelle Masterarbeitsthema relevantesten Einzelstatistiken abgerufen. Darüber hinaus wurden Zeitvergleichsdiagramme aus denselben Statistiken für alle Jahre erstellt, um Trends zu verfolgen. Die Abbildung unten veranschaulicht, wie ein neues Bild wünschenswerter Verbesserungen im Radverkehr entstanden ist.

Die Zeitvergleichsgrafik dieser Frage zeigt einen leichten Rückgang des Sanierungsbedarfs der Straßenbeläge und eine Zunahme der Radwege, was auf Verbesserungen durch Politik und Verwaltung in diesem Bereich hinweist. Andererseits ist zu erkennen, dass die zunehmende Notwendigkeit, Fahrrad- und Autofahrer zu trennen, von der Politik nicht priorisiert wurde. Ebenso ist die Nachfrage nach breiteren Radwegen seit fast einem Jahrzehnt in etwa gleich geblieben.

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Abb.4 Übersicht der Teilnehmer Zahlen am ADFC Fahrradklimatest

Ähnlich ist es mit dem subjektiven Sicherheitsgefühl auf den Straßen. Fast die Hälfte aller Radfahrer fühlte sich im letzten Jahrzehnt im Straßenverkehr unsicher. Seit 2013 hat sich nicht viel geändert, allerdings gab es eine leichte Verbesserung: 52 % der Befragten fühlten sich 2013 sicher im Straßenverkehr, verglichen mit 56 % im Jahr 2019 und 63 % im Jahr 2021. Daraus lässt sich ableiten, dass das erhöhte Sicherheitsgefühl von 2019 bis 2021 mit der Corona-Krise zusammenhängt. Seit einiger Zeit gibt es weniger Autoverkehr auf den Straßen, da die Menschen zu Hause blieben und von zu Hause aus arbeiteten. Dies könnte der Grund für das gestiegene Sicherheitsgefühl beim Fahrradfahren bekräftigten.

Eine weitere relevante Statistik zum Thema Fahrradfreundlichkeit ist die Befragung hinsichtlich der Anreize, mit dem Fahrrad zur Arbeit oder zur Bildungsstätte zu fahren. Bemerkenswert ist, dass seit 2013 die Zahl der Befragten, die sich mehr Radwege

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Abb.5 Fahrrad-Monitor SINUS-Institut Zeitvergleich 2013-2021 Abb.6 Fahrrad-Monitor SINUS-Institut Zeitvergleich 2013-2021

wünschen, zugenommen hat. Im Vergleich der Werte von 2013 und 2019 liegt der Prozentsatz für mehr Radwege im Jahr 2019 um 14 % höher. Diese Frage wurde in der Umfrage 2021 nicht gestellt. Diese drei Dimensionen – bessere Radverkehrspolitik, mehr Sicherheit und Anreize zum Radfahren – haben auch andere Statistiken beeinflusst, die zeigen, wie sich die

Abb.7 Fahrrad-Monitor SINUS-Institut Zeitvergleich 2013-2021

Abb.8 Fahrrad-Monitor SINUS-Institut Zeitvergleich 2013-2021

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Häufigkeit des Radfahrens verändert hat. Beim Radfahren ist ein deutlicher Abwärtstrend zu erkennen. Es gilt jedoch zu beachten, dass andere Faktoren (Ziel zu weit entfernt, Wind und Wetter, anstrengende Bewegung, ein für die Arbeit wichtiges Auto usw.) die Nutzung des Fahrrads beeinträchtigen können. Die im Rahmen der vorliegenden Masterarbeit entstandene Plattform soll die drei oben analysierten Aspekte verbessern und Planern und Verwaltungsmitarbeitern aufzeigen, wo in der Stadt verfügbare Mittel effizienter eingesetzt werden können. Dies dient dem Zweck, die subjektive Wahrnehmung des Nutzungskomforts von Fahrrädern in der Stadt zu verbessern.

Abb.9 Fahrrad-Monitor SINUS-Institut Zeitvergleich 2015-2021

Abb.10-11 Fahrrad-Monitor SINUS-Institut Zeitvergleich 2015-2021

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Fehlertolerante Gestaltung

Auch eine fehlertolerante Gestaltung von Radwegen wurde im Plattform-Prototypen berücksichtigt. Fehlertolerant sind Radverkehrsanlagen, bei denen Fehlverhalten nicht unmittelbar zu Konflikten beziehungsweise Unfällen führt.

Das Konzept Vision Zero basiert auf dem verkehrspolitischen Ziel, ein Verkehrssystem zu gestalten, das zukünftig keine Verkehrstoten verursacht, basierend auf den Anforderungen und Bedürfnissen der schwächsten Verkehrsteilnehmer und der notwendigen Verkehrsplanung die Mittel aus. Dies. Die Verantwortung für die eigene Gesundheit liegt nicht mehr allein bei Individuen, die dazu erzogen wurden, sich in feindlichen Umgebungen zu behaupten. Von Menschen wird nicht mehr erwartet, dass sie sich an Transportsysteme anpassen, und von Verkehrswissenschaft und -planung wird erwartet, dass sie sich mit Menschen befassen, bevor sie Transportsysteme entwerfen. In der Vergangenheit haben Verkehrsingenieure Verkehrssysteme entwickelt, die weniger fehlertolerant waren und Menschen für ihr Verhalten zur Rechenschaft gezogen haben. Ausschlaggebend ist das Tempolimit, das auf ein Niveau reduziert werden sollte, bei dem Menschen nicht systematisch überfordert und gefährdet werden (vgl. Kiepe und Topp 2015).

2021 ist zu erkennen, dass weniger Interesse am Lastenrad-Verleihsystem besteht als 2017. Das zeigt, dass deutsche Städte keine tolerante Infrastruktur haben. Obwohl die Zahl der Lastenradnutzer im Vergleich zu 2017 leicht gestiegen ist, ist die Kaufwahrscheinlichkeit von Lastenrädern gesunken. Eine tolerante Infrastruktur ist auch für Kinder wichtig. Statistiken zeigen, dass immer mehr Kinder zwischen 10 und 15 Jahren Fahrrad fahren. Zusammenfassend hat die Entwicklung einer fehlertoleranten Radverkehrsinfrastruktur eine ebenso hohe Priorität, um die Verkehrssicherheit für bestimmte Radfahrergruppen zu gewährleisten.

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Abb.12 Fahrrad-Monitor SINUS-Institut Zeitvergleich 2017-2021

Abb.13 Fahrrad-Monitor SINUS-Institut Zeitvergleich 2013-2021

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3.1. Case Studies

Bevor das in dieser Masterarbeit beschriebene Konzept letztendlich entwickelt wurde, wurden andere Plattformen mit ähnlicher Thematik analysiert. Die Funktionen, welche von der Verfasserin mit hoher Priorität eingestuft wurden, wurden teilweise übernommen.

Einige Funktionen der unten aufgeführten Plattformen wiesen Ähnlichkeiten in ihrer Funktionalität mit denen der von der Verfasserin erstellten Plattform auf, wurden jedoch nicht übernommen. Diese wurden erst entdeckt, nachdem das Plattformkonzept fertiggestellt war. Diese Ähnlichkeiten bestätigen die Umsetzbarkeit des in dieser Arbeit beschriebenen Konzeptes.

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3. Crowdmapping

Ausgangspunkt für die geschaffene Plattform war die Meldeplattform radar-online. de des Klima-Bündnisses. Auf dieser werden Hinweise von Radfahrern auf der Karte mit Markierungen platziert, die Problemstellen definieren. Nachdem die Markierung gesetzt wurde, kann ein Kommentar hinterlassen sowie eine Kategorie ausgewählt werden. Außerdem werden Meldungen in positive, neutrale und negative Hinweise unterteilt. Alle generierten Meldungen sind für Benutzerinnen und Benutzer als Markierungen auf der Karte sichtbar. Es gibt zudem eine Methode der Kommunikation mit dem Verwaltungspersonal. Benutzer können die Anzahl der verarbeiteten und unverarbeiteten Meldungen sehen. Von dieser Plattform wurden teilweise Kategorien und deren Platzierung in Hauptkategorien übernommen. Die Abbildung zeigt die Unterkategorien der Hauptkategorie „Behinderung“. Folgende Unterkategorien wurden in der von der Verfasserin erstellten Plattform aufgenommen: Gegenstand verhindert Radfahren, Radweg permanent zugeparkt, wuchernde Pflanzen / Bäume. Einige Änderungen wurden an der Struktur der Unter- und Hauptkategorien vorgenommen.

27 3.1.1. radar-online.net
Abb.14 Plattform radar-online.net - Screenshots

Bürgerinnen und Bürger wurden nach ihren Ideen und Wünschen zur Verbesserung des Radverkehrs und der Fahrradsicherheit in Aalen befragt. Dabei kamen verschiedene Formate zum Einsatz, darunter Aktionstage, Passanten-Befragungen und interaktive Online-Karten. Angesprochen wurden rund 52.000 Bürgerinnen und Bürger der Stadt Aalen, über die endgültige Teilnehmerzahl liegen jedoch keine Angaben vor. Vorschläge sollen in Maßnahmen umgesetzt und an mehreren öffentlichen Informationsabenden diskutiert werden. Daher müssen tragfähige, von den Bürgerinnen und Bürgern gestaltete Instrumente der Stadt- und Verkehrsplanung entwickelt und umgesetzt werden.

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3.1.2. PedAhlen und Mainz Mapathon Abb.15 Ergebnisse des Projekts PedAhlen - Screenshot

Im Rahmen des Projekts „Mapathon Mainz“ wurde von Dezember 2020 bis Mai 2021 das Radhauptnetz der Stadt Mainz gestaltet. Dieses Radwegenetz wurde mit über 120 Radfahrern aus Mainz, dem Mainzer Fahrradforum und allen angeschlossenen Vereinen geschaffen und sieht wie nachfolgend beschrieben aus.

Durch die Mitwirkung und Unterstützung der verschiedenen Mainzer Vereine und Bürgerinnen und Bürger können viele Hoffnungen und Erfahrungen entstehen, die kein Verkehrsplaner der Welt realisieren kann. Am 5. Mai 2021 wurde der Radnetzvorschlag feierlich an Bürgermeister und Stadtrat übergeben.

Zwei der wichtigsten Merkmale dieses Projekts verbergen sich im Wort „Mapathon“. Im Wort verbirgt sich das englische Wort für Karte „Map“, sowie das Wort „Marathon oder Hackathon“, welches ein gemeinsames Vorhaben beschreibt durch Zusammenarbeit möglichst schnellen Fortschritt zu erreichen. Die Idee, im Rahmen des Projekts „Mapathon“ ein Fahrradnetz aufzubauen, wurde 2020 von der ADFC-Bundeszentrale entwickelt. In Mainz wurde das Projekt im Dezember 2020 von begeisterten Menschen einer Ortsgruppe des ADFC Mainz Bingen gestartet.

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Abb.16 Mapathon Mainz Ergebnisse - Screenshot

munichways.de prüft, ob die derzeit in München verfügbaren Wege für den Radverkehr geeignet sind, und identifiziert bevorzugte Radwege, die nach aktuellem Stand exzellente Voraussetzungen mit sich bringen und als Teil des Netzes als besonders wichtig erachtet werden. Laut den Machern von munichways.de braucht München ein lückenloses Radvorrangnetz, in dem das Fahrrad Vorrang hat und in der Priorität ganz oben ist. Die Strecken dieses Netzes bestehen aus zusammenhängenden Radfahranlagen mit geraden und ebenen Oberflächen. Routen halten sich von stark befahrenen Straßen fern und schaffen direkte und kürzeste Verbindungen zwischen einzelnen Stadtteilen. Damit bequem und sicher auf durchgehenden Strecken innerhalb der Stadt Rad gefahren werden kann.

Die vom Netz “RadlVorrang” auf der Karte markierten Strecken sollen beim weiteren Ausbau der Radwege priorisiert werden, um ein komfortables und sicheres Befahren durchgehender Radwege im gesamten Stadtgebiet zu ermöglichen.

Auf der Karte sind verschiedene Farben zu erkennen: Grün, Gelb, Rot, Schwarz und Grau. Diese Farben repräsentieren den Spaßfaktor der markierten Radstrecken. Nachfolgend werden die Farben und deren Bedeutung im Detail aufgelistet.

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3.1.3. munichways.de
Abb.17 RadlVorrangNetz - Screenshot; Abb.18-19 Flyer von munichways.de

Das Konzept der Plattform senf.koeln ist leicht verständlich. Auf einem interaktiven Stadtplan kann jede oder jeder Ideen direkt an bestimmten Orten platzieren. Dabei spielt es keine Rolle, ob als Bürger, Initiativen, Verein oder Politiker beigetragen wird. Über die Kommentarfunktion kann jederzeit und zu jedem Vorschlag eine Diskussion gestartet werden.

Die selbstauferlegte Aufgabe der Gründer ist es, alle Ideen für Vorschläge und Beschwerden an die Stadtverwaltung weiterzuleiten. Einschließlich Anfang Juli 2022 wurden insgesamt 38 Vorschläge bei der Stadt eingereicht.

Die Web-App www.senf.koeln generiert aus markierten Spots, Kommentaren und einem Voting-System einen Datensatz, welcher aufzeigt, was den Bewohnerinnen und Bewohnern von Köln besonders wichtig ist. Beispielsweise werden eingereichte Meldungen in der App als Kreise auf einer Karte angezeigt, und deren Größe variiert je nach der Bewertung des Abstimmungssystem. Das heißt je höher die Anzahl an „Gefällt mir“, welche der Hinweise gesammelt hat erreicht, um so größer ist der dargestellte Kreis. Es gibt zudem einen Statistikbereich, in dem eingesehen werden kann, welche Themen den Bürgerinnen und Bürgern am meisten Sorgen bereiten. Damit soll die Grundlage für Abstimmungs- und Neugestaltungsentscheidungen seitens der Stadt Köln geschaffen werden. Abb.20

31 3.1.4. senf.koeln
Plattform senf.koeln

Das Berliner Unternehmen „FixMyCity“ entwickelte und führte die Umfrage „Straßencheck“ in Zusammenarbeit mit dem Tagesspiegel Berlin durch. Über 22.000 Teilnehmer bewerteten 1.900 verschiedene Straßenzustände anhand von 3D-Bildern. Für die Online-Befragung der Teilnehmer wurde eine Schnittstelle geschaffen, um die realistische Darstellung der Straßensituation zu bewerten. Anhand einer Vier-Punkte-Skala kann das subjektive Sicherheitsempfinden in der dargestellten Verkehrssituation bewertet werden.

Die Arbeit mit Bildern von konkreten Straßenszenarien erlaubt im Rahmen der Untersuchung eine direkte Zuordnung des subjektiven Sicherheitsempfindens unterschiedlicher Infrastrukturen und deren Eigenschaften. Durch die Abfrage von Daten zum Verkehrsverhalten und demografischen Daten können diese subjektiven Empfindungen unterschiedlichen Bevölkerungs- und Verkehrsteilnehmergruppen (Autofahrer, Radfahrer etc.) zugeordnet werden.

Fixmyberlin.de nutzt interaktive Karten, um Informationen zur Straßenverkehrsplanung bereitzustellen. Die Planungsplattform visualisiert in einfacher und verständlicher Form anhand von Online-Karten wie die Radverkehrsplanungen vonstattengehen. Das erhöht die Akzeptanz von Planungsprojekten und entlastet die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Planungsdezernats von Anfragen der Öffentlichkeit. In Berlin werden Änderungen und Pläne – 238 Pläne für 12 Bezirke auf einer Karte – auf der Planungsplattform für alle Berliner Bezirke offen und transparent für die Bevölkerung dargestellt. Bürgerinnen und Bürger können den Fortschritt der Planung und des Baus von Fahrradinfrastruktur verfolgen und auf die öffentlich gemachten Daten zurückgreifen. Die Planungserfassung und Standardisierung erfolgt über ein Onlineformular/ Webinterface oder eine Excel-Liste. Dadurch entfallen zeitaufwändige Schulungen und die Arbeit der Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter wird vereinfacht.

Happy Bike Index kann Kreuzungen in Berlin auf einer Karte anzeigen, um Hinweise bezüglich der Fahrradfreundlichkeit wiederzugeben. Das laufende Projekt „Happy-Bike-Index“ sammelt verschiedene Daten zur Infrastruktur des Berliner Straßennetzes und wertet diese algorithmisch aus. Es wird zwischen Knoten und Kanten unterschieden.

Durch kontinuierliche Weiterentwicklung wird Happy Bike Index verbessert und das derzeitige Beta-Stadium umgewandelt in eine fehlerlose Anwendung.

32 3.1.5.
radwege-check.de

3.1.6. andere Melde- und Ideen Plattformen

Ein weiteres bemerkenswertes Projekt ist die Bürgerbeteiligungsplattform der Stadt Offenbach. Auf der digitalen Ideenkarte werden Projekte und Ideen angezeigt, welche im Jahr 2017 mit den Bürgerinnen und Bürgern erarbeitet wurden. Sämtliche Projekt können kommentiert werden, indem diese auswählt und ein Kommentar hinzufügt, wird. Ebenso kann über ein Projekt abgestimmt werden. Man aktiviert das Symbol “Daumen nach oben” und zeigt an, dass die Idee den eigenen Vorstellungen gefällt. Andersherum ist dies ebenfalls möglich, indem man auf “Daumen nach unten” klickt und mitteilt, dass man mit der ausgewählten Idee nicht miteinstimmt. Man kann neue Ideen oder Projekte eigenständig auf der Karte markieren: z. B. ein Ort, an dem es mehr Grün oder einen Fahrradabstellplatz geben sollte. Dazu sollte auf der Karte der Bereich markiert werden, wo das Thema zugeordnet und kurz beschrieben werden soll. Ziel war es, zwischen dem 27. Januar 2021 und dem 23. Februar 2021 bereits entwickelte Projekte zu visualisieren, zu reflektieren und neue Ideen aus der Öffentlichkeit zu sammeln.

Ähnlich ist die Plattform der Kreisstadt Eschwege aufgebaut.

Alle Markierungen weisen ein eigenes Symbol oder eine eigene Farbe auf, je nachdem, welchem Themenbereich die Meldung zugeordnet ist oder ob bereits eine Rückmeldung von der zuständigen Verwaltung vorliegt. Die Markierungen der Stadt Eschwege sind dreifarbig kategorisiert.

Grün – Meldung wurde bearbeitet

Gelb – Meldung in der Bearbeitung

Rot – Rückmeldung erwartet bzw. noch nicht in Bearbeitung

Abb.21 Plattformen für die Bürgerbeteiligung in Kommunen

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Abb.22-25 Plattformen für die Bürgerbeteiligung in Kommunen

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3.2. Kriterien zur Aufbau einer Crowdmapping Plattform

grundlegend

Nicht nur das Diskussionsthema soll definiert werden, sondern auch die Tiefe der Beteiligung. Die Bestimmung der Gründe und Zwecke, warum die Teilnahme durchgeführt wird, sollte gründlich durchdacht werden. Es sollte Klarheit herrschen, welche Ergebnisse und Ziele erreicht werden sollen und welche Vorteile die Mitarbeit den einzelnen Teilnehmerinnen und Teilnehmern bringt.

Wichtig ist es die Zielgruppe klar zu definieren. Zudem muss Konsens herrschen wie die Teilnehmenden an der Planung, durch ihre Teilnahme, beitragen.

Folgende Fragen sind zu beantworten:

Welche Methodik wird verwendet, um das Ziel zu erreichen?

Welche Ressourcen, hinsichtlich finanzieller, zeitlicher und personeller Kategorien, stehen zur Verfügung und können abgeschöpft werden?

organisatorisch

Die Verwaltung soll kontinuierlich und verlässlich bürgerschaftlich orientiert arbeiten.

Allgemeine Teilnahmevoraussetzungen wie Transparenz und Ergebnisoffenheit sollten garantiert sein.

Verschiedene Kommunikationsangebote mit Bürgerinnen und Bürgern sollen korreliert werden. Es gilt sicherzustellen, dass die tatsächlichen Teilnahmekriterien mit den E-Partizipationskriterien übereinstimmen.

Unterschiedliche Medien und Verfahren sind durch Abstimmung miteinander zu verknüpfen. (vgl. Pfluger, Selle und Sinning 2003)

Um der Digitalen Spaltung vorzubeugen, sollen öffentliche und für jedermann zugängliche Internetadressen verwendet werden. Wichtig ist, dass interessierte Bürgerinnen und Bürger gegebenenfalls auf Unterstützung bei der Verwendung der angebotenen Online-Angebote zurückgreifen können. (sehen. Pfluger, Selle, Sinning 2003)

inhaltlich

Technische Faktoren sollten nicht getrennt vom Planungsaspekt entwickelt werden. Beide Themenbereiche müssen in Einklang gebracht werden. (vgl. Pflüger, Selle und Sinning 2003)

Das volle Potenzial für Vernetzungs- und Visualisierungsmöglichkeiten soll herange-

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zogen werden. Die bereitgestellten Informationen sollten leicht verständlich, aktuell und zielgruppenorientiert aufbereitet sein.

gestalterisch

Besonderer Wert soll auf einfache Funktionen und Benutzerfreundlichkeit gelegt werden. Der Inhalt sollte gut strukturiert und durch Zwischenüberschriften klar gegliedert sein, um Leserinnen und Leser zu unterstützen. Die Verwendbarkeit und Benutzerführung sollen für eine intuitive Nutzung möglichst einfach sein.

Priorität hat ein flüssig lesbarer Text und vermiedenes Fachjargon. Gutes Verständnis, fehlerfreie Rechtschreibung und Grammatik sind wesentliche Grundeigenschaften der veröffentlichten Inhalte.

Nutzer sollen Online-Angebote durch einfache Handlungen mit Erfolgserlebnis genießen können. (vgl. Sinning 2005)

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