Januar 2011 6 Euro ISSN 1001-2011 01/2011
Magazin für die nördlichen Breiten
№1
Island
EDITORIAL
Warum der Norden? Warum die kalte Region? Warum nicht am Strand liegen und die Füße baumeln lassen? Wieso Dunkelheit den sonnenverwöhnten Ländern vorziehen? Weil uns der Norden suggeriert, dass er wild ist und ungestüm, dass man über tosende Meere fahren und Wälder durchqueren, über Gipfel stürmen und durch Eishöhlen kriechen muss, um ihn zu erkunden und dabei Abenteuer erlebt, wie man sie hierzulande niemals erleben würde. Unsere erste Ausgabe widmet sich Island, dem Land des Eises. Die kleine Insel verkörpert alles, was den Norden ausmacht. Vielen kommt sie daher als Reiseziel nicht in den Sinn. Dabei besitzt die Insel viel Charme, nicht zuletzt aufgrund seiner Bewohner: Menschen, die in der einsamen Wildnis der Westfjorde ein Hotel aufbauen (Seite 52), die mit Elfen verkehren (Seite 64) und einer, der als Komiker in die Politik geht (Seite 24). Aber auch die umwerfende Schönheit der isländischen Natur ist eigenwillig. Zum Beispiel die bunt gefärbten Solfatarengebiete, die der Nase aber einiges abverlangen. Oder die vulkanischen Aktivitäten (Seite 46), die der Insel jüngst viel Presse bescherten. Oftmals gibt es eben eine zweite Seite, die das Bild aber nicht trübt, sondern eher interessanter macht. Ein weiser Mann sagte einmal: »Das Leben ist wie ein Buch, und wer nicht reist, liest nur ein wenig davon.« Stimmen wir uns nun auf ein neues Kapitel ein.
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Inhalt
18 Home is where ourhouse is
In Reykjavík gibt es ein zu Hause
62 Köstlichkeiten
Gut abgehangener Hai. Nur in Island.
24 Der Clown
64 Elfen
28 Weg zum Glück
78 The Wolfmachine
38 Der wilde Westen
66 Baldurs Tod
46 Tanz auf dem Vulkan
72 Reykjavík
52 Nordlicht
84 Links
Reykjavíks first man ist ein Komiker
Eine deutsche Auswanderin in Island
Die Westfjorde halten noch viele Überraschungen bereit
Warum Island so etwas besonderes ist
Ein ehemaliger Fischerort feiert 25-jähriges Hotelbestehen
Glauben Isländer tatsächlich an Elfen?
Peter&Wolf aus Reykjavík spielen auch klassische Instrumente
Die Sagen erklären, wie alles begann und endete
Eindrücke aus der Hauptstadt
Alles weitere
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»Ég skildi, að orð er á Íslandi til um allt, sem er hugsað á jorðu« »I understood, that a word in Iceland exists, covering every thought on Earth.« Einar Benediktsson learning the Icelandic language at his mothers knee
Schwimmbad Krossnes, Westisland
Hรถfn, Ostisland
VatnajĂśkull, SĂźdisland
Sk贸gafoss, S眉disland
64° 09 0˝ N 21° 56 0˝ W
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Home is where Ourhouse is Nach durchzechter Nacht im jungen und wilden Reykjavík ist man froh, in sein Heim zurückkehren zu können – oder ins Ourhouse. Das macht eigentlich keinen Unterschied.
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o kommen denn auf einmal so viele Spanier her? Erbarmungslos laut vor sich hin schnatternd, besetzen sie die Küche. Na gut, dann stehen wir eben doch auf. An unserer Tür finden wir einen Brief, von Bedda, der Besitzerin des Gästehauses. Sie entschuldigt sich für die Reisegruppe, die das halbe Haus bevölkert und tröstet uns mit der Dachterrasse und dem Grill, wenn wir ungestört essen wollen. Das ist sehr nett von ihr. Zumal sie das nicht machen müsste – schließlich ist es ja nicht ihre Schuld, dass die spanische Reisegruppe so lautstark die Rückkehr ihres Stadtbummels ankündigt. Mit Wikingerhelmen.und Tröten. Vielleicht überlegt sie sich das nochmal mit den Reisegruppen. Mittlerweile kann sich Bedda vor Anfragen nämlich kaum retten, dabei ist das ihr erster Sommer als Gästehausmama. Seit Mai gibt es das »Ourhouse« im Herzen Reykjavíks, direkt am Wahrzeichen der Stadt, der Hallgrímskirkja, gelegen. Im Haus wohnten damals noch Bedda, ihr Mann und deren zwei Kinder, bis sie in ein Größeres umziehen wollten. Wegen der Krise aber, die Island bekanntermaßen schwer getroffen hat, stiegen ihre Schulden für das Haus stark an. Eine Geldquelle musste her. Und da die Isländer nicht lange fackeln, wurde das Eigenheim zum Gästehaus umfunktioniert.
Vieles an Dekoration und Inventar haben sie drin gelassen – und gerade das macht den Charme des Hauses aus. Denn so wurde aus ihrem Haus unser aller Haus. Das Kinderzimmer beispielsweise existiert noch als solches, mit »Bob der Baumeister« Deko an der blauen Wand und Ballonlampe an der Decke. So fühlt man sich sofort heimisch. Alle Räume wurden entweder zum Mehrbett- oder Einzelzimmer umfunktioniert. Die einzige größere Umbaumaßnahme erfolgte im Eingangsbereich, der nun als Rezeption und Empfangsraum dient. Dort sitzt die Hälfte der Zeit Eyrún am Schreibtisch. Sie kommt meistens morgens um die Betten neu zu beziehen.
Ansonsten besticht das Haus durch viele Annehmlichkeiten und seine moderne Ausstattung. Es gibt eine Sauna, freien Internetzugang, eine große Dachterrasse und sogar einen gemütlichen Wintergarten. Beim Betreten des Eingangsbereichs blickt man sofort in einen riesigen Spiegel unter dem steht: »Who is living in our house?« Mal nachsehen, Peter aus Kanada vielleicht? Von jedem Neuling wird nämlich ein Polaroid geschossen und aufgehängt, mit Namen und Herkunftsland versehen, damit auch jeder weiß, wer hier noch so unterwegs ist. Das ist praktisch, schmeichelte mir aber nicht gerade, als ich um 3 Uhr nachts nach anstrengender Anreise einfach nur müde ins Bett wollte. Aber das ist dafür umso gemütlicher. Und weil so viele Menschen mittlerweile Wind vom Ourhouse bekommen haben, hat Bedda noch einen Wohnwagen vor die Tür gestellt, damit dort wenigstens noch zwei weitere Gäste unterkommen können, wenn alles ausgebucht ist. Beim Frühstück in der großen Küche kommt man schnell mit den anderen Gästen ins Gespräch. Für die meisten ist Reykjavík Startpunkt des großen Abenteuers »Island«. Bedda hat für die Allgemeinheit einen Riesenpott süßes Porridge gekocht. Alles andere ist auch sehr liberal gehalten: Wer seine Lebensmittel mit einem grünen Punkt beklebt, stellt es somit den anderen zur freien Verfügung. Alles ist sehr gemeinschaftlich und aufgeschlossen. So sind wir dann auch traurig, als wir dieses Nest verlassen müssen und in die raue isländische Wildnis aufbrechen, wo wir Bett gegen Schlafsack eintauschen. Auch wenn wir unseren Senf schon in das Gästebuch geschrieben haben: Bedda, du bist die beste Gastmama, die man sich wünschen kann! Wir hoffen für euch, dass das Ourhouse auch weiterhin bis unter das Dach ausgebucht ist, aber wenn wir kommen, dann halte uns doch bitte noch ein Bett frei! ⚓
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links: Die Leseecke bei der Rezeption oben: Bedda bei der Arbeit//Zimmer â„–1//Die Hauspinnwand//EyrĂşn am Empfang//Die Bewohner auf Polaroids verewigt
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links: Eins der Doppelzimmer. oben: Im Flur h채ngen noch viele Bilder, die daran erinnern, dass hier mal eine junge Familie gewohnt hat.
Home is where ourhouse is
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DER CLOWN, DER DEM ESTABLISHMENT DAS LACHEN VERDARB Eine Geschichte, wie sie nur das Leben schreiben kann: Reykjavíks neuer Bürgermeister ist eigentlich hauptberuflich Komiker.
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er tschechische Schriftsteller und fleißige Aphoristiker Pavel Kosorin sagte einmal: »Der Clown ist nur unterhaltsame Gesellschaft, bis er auf dem Thron sitzt.« So dürften auch die Vertreter der etablierten Parteien in Island gedacht haben, als sie mit irritierter Miene am 27. Mai 2010 die Hochrechnungen zur Kommunalwahl in Reykjavík auf den Fernsehschirmen verfolgten. Der isländische Komiker und Clown Jón Gunnar Kristinsson (Künstlername: Jón Gnarr; Motto: »Humor ist ein Zeichen von Intelligenz«) startete mit seiner Spaßpartei »Besti flokkurinn« zum ersten Mal bei der Wahl um das Stadtparlament, ist seitdem Oberbürgermeister der isländischen Hauptstadt Reykjavík und ließ auf Anhieb alle wirklichen Parteien hinter sich: 35 Prozent der Stimmen und damit sechs von 15 Sitzen eroberte »Besti flokkurinn«, was übersetzt schlicht »Die beste Partei« bedeutet. Die konservative Unabhängigkeitspartei liegt mit 33 Prozent und fünf Sitzen knapp dahinter, die Sozialdemokraten werden mit 19 Prozent der Stimmen von nun an drei Abgeordnete stellen, die Linksgrünen lediglich einen. Was war eigentlich passiert, dass die isländische Version von Horst Schlämmer und »Der Partei« einen tatsächlichen Wahlerfolg einfahren konnte, während die genannten deutschen Pendants lediglich zum harmlosen Amüsementangebot an einem durchschnittlichen Blödelabend im Privatfernsehen gehören? Ende 2009 gründete der landesweit erfolgreiche Unterhaltungskünstler Kristinsson »Besti flokkurinn« als Parodie auf das Establishments des Parteiensystems, auf die ewig gleichen seitenbescheitelten und mannsbeweibten Sprachroboter von Rechts bis Links. Satire also, nichts weiter. Ein Programm, wie es die meisten etablierten Parteien in Wahlkämpfen gerne an Infoständen verteilen, mit Slogans wie »Rettet das Beamtentum!« über »Feng-Shui im Parlament für bessere Schwingungen!« bis hin zu »Reichtum für alle!«, hatte Kristinsson nicht im Angebot. Er versprach das kostenlose Verteilen von Handtüchern an heißen Quellen, einen neuen Eisbären für den Zoo und endlich Schluss zu machen mit der verdeckten Korruption. Stattdessen soll im Falle seines Wahlsieges offen geschmiert und bestochen werden. Als der in Island äußerst populäre Kristinsson dies dann zum ersten Mal in den Medien verkündete, lachten alle. Die Bürger wie die Politiker, ein willkommener Scherz in schwierigen Zeiten, da will niemand abseits stehen und den Spaßverderber geben. Nun aber hat nur noch einer gut lachen: Der Clown selbst. Doch wie kommen die Isländer, die bislang unter Europas Nationen nicht unbedingt durch verrückte Aktionen aufgefallen sind, dazu, diesen offensichtlichen Scherz für bare Münze zu nehmen und den 43 Jahre alten Kristinsson, der einige Jahre seiner Schulzeit auf einem Internat für schwer erziehbare Jugendliche verbrachte, und seine von Musikern, Künstlern und Schauspielern besetzte Liste auch zu tatsächlich zu wählen?
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Nun ja, es ist auch Finanzkrise in Island. Die beschauliche Insel, auf der im Prinzip jeder nach seiner FaÇon selig werden kann, wenn er nur genügend winterfeste Kleidung mit sich führt, wurde vom Crash-Chaos der Credit Default Swaps und Subprime-Wahnvorstellungen schwer getroffen. Nun ist der etwa 320.000 Einwohner zählende Inselstaat im Nordatlantik bislang nicht für Gordon Geckos mit obligatorischen Hosenträgern und Kunstschätzen in Millionenhöhe im Privatrefugium in den Hamptons bekannt, auch las man nie vom islän-dischen Treiben der Goldman Sachs- und JP MorganMeute zwischen Geysiren und dem Anbeten von Elfen. Und doch standen die Isländer der Naivität Europas und der USA in nichts nach: Die isländischen Banken lockten mit absurden Zinsversprechen zuhauf ausländische Investoren ins Land und das ohne Beteiligung an den Einlagensicherungsfonds in den Herkunftsvolkswirtschaften der privaten und institutionellen Anleger. Zusammen mit der Bankenexpansion entstand eine fremdfinanzierte Investitionswelle von Unternehmen aus heimischen Gefilden und dem Ausland sowie isländischen Verbrauchern. Kurzum: Alle waren beteiligt, Island schien ein Land der unbegrenzten Möglichkeiten zu sein, die financial community frohlockte. Der Rest ist Geschichte: Die Blase platzte, die Krise kam mit Wucht und das am alten Glauben und ihrer eigentümlichen Sprache hängende Inselchen sah sich mit einer rapide steigenden Inflationsrate konfrontiert, einem in gleicher Geschwindigkeit sinkenden BIP und einem wachsenden Haushaltsdefizit. Die Antwort der politischen Kaste? Ein Hilfspaket des IWF und die Verstaatlichung der drei großen Banken. Auch die Arbeitslosigkeit wuchs rasant und die hoch verschuldeten Isländer verhielten sich im Bezug zu ihren gewählten Vertretern in den Parlamenten ähnlich wie die Menschen von Berlin über Madrid bis nach Washington: Eine generelle, sich in den letzten Jahren entwickelnde Politikerverdrossenheit wie in den meisten westlichen Demokratien entlud sich, der Frustpegel stieg und stieg, das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Politiker und Parteien nahm drastisch ab, eine wahre Hasswelle schlug Bankern und anderen Finanzjongleuren entgegen. Da kam natürlich der »Stinkefinger für die etablierten Parteien« in Form eines in politischer Theorie bewanderten Komikers und Clowns gerade recht, um einer breiten Protesthaltung plastisch und ungewöhnlich Ausdruck zu verleihen. Dass sich Kristinsson im Wahlkampf dann urplötzlich in Teilen von den puren Spaß-Slogans verabschiedete und Parteien als »Hausbesetzer öffentlicher Gebäude« und deren Vertreter als »plappernde Idioten, die in den Zoo gehörten« beschimpfte, verstärkte den Hype um ihn nur. Bei etwa 320.000 Einwohnern benötigt es ohnehin keine sonderlich ausgeklügelte Kampagne, um bekannt zu werden, den Rest erledigten seine Anti-Establishment-Haltung und die allgemeine Stimmung. Sogwirkung mit erfolgreichem Ende also. Mittlerweile überrascht der meist etwas unwirsch dreinblickende Unterhalter auch mit Vorschlägen, wie man
sie aus den Politprogrammen mancher europäischer Parteien schon kennt: Arbeitslose sollen doch an öffentlichen Projekten zur Verschönerung des Stadtbildes mitwirken, das gäbe ihnen etwas zu tun und käme zugleich noch der Allgemeinheit entgegen. Ansonsten könne er sich nach eigener Aussage sowohl im programmatischen Angebot der politischen Rechten mit gewissen Positionen anfreunden, als auch in dem der Linken. Hatte ein deutscher Bundeskanzler also doch recht, als er sagte: »Das Amt formt die Person, die es inne hat.«? Wird aus dem Clown, der die Bezeichnung seiner Person als Entertainer noch nie mochte, nun doch ein ernsthafter Politiker? Würde das seinen Wählern überhaupt gefallen? Dachten diese eigentlich über den Wahltag hinaus? Auf einen gewissen Wandel von purer Satire hin zum notwendigen Ernst des Regierungsalltags deuten nicht nur seine häufiger werdenden ernstgemeinten Aussagen, die dann doch eher so klingen, wie man es nun schon tausendfach aus allen Lagern gehört hat, sondern auch, dass er sich mit den Sozialdemokraten nach einwöchigen Verhandlungen auf eine recht geschlossen und entschlossen wirkende Regierungskoalition geeinigt hat. Für den Beobachter der isländischen Politikszene beinhaltet dies eine weitere Erkenntnis: Kristinsson betonte kurz nach der Wahl, er würde mit jeder Partei koalieren, solange die Funktionäre dieser nur das sozialkritische Cop-Drama »The Wire« der US-Pay-TV-Serienschmiede HBO gesehen hätten. Wenn’s denn weiter nichts ist. Wird der Clown, der unerwartet Oberbürgermeister von Reykjavík wurde und damit zu einem mächtigen Spieler auf Islands politischem Schachbrett, nun Pappnase und Unterhaltungsattitüde ablegen und ernsthaft regieren? Allerdings ist im grauen Kleinklein des tristen Politbetrieballtags schon so mancher Außergewöhnliche am Ende zu einem eben jener Sprachroboter geworden, welche die Bürger Reykjavíks gerade abstraften. ⚓
Jón Gnarr hat alle Zweifler verstummen lassen, als er zum Bürgermeister gewählt wurde. Nun erscheint seine Geschichte als »Gnarr – der Film.«
Der Clown
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65° 44 46˝ N 19° 38 22˝ W
Weg zum Glück Zu ihrem ersten Islandbesuch musste Katja mehr oder weniger überredet werden. Mittlerweile kann sie sich ein Leben in ihrer alten Heimat Deutschland kaum noch vorstellen. Wie kommt man dazu, in einem mitten im kalten Nordatlantik gelegenen Land zu leben?
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atja Bröker hatte in Deutschland eigentlich eine gute Stelle als Zahntechnikerin. Nicht der aufregendste Job der Welt, aber sie ist immer gern zur Arbeit gegangen. Mit der Zeit aber wurden auch bei ihr im Betrieb mehr und mehr Stellen abgebaut. Sie konnte jederzeit die Nächste sein. Doch sie wartete erst gar nicht ab, sondern nahm ihr Schicksal selbst in die Hand. Zunächst plante sie nicht, auszuwandern und schon gar nicht nach Island. Das kam alles recht unerwartet. Ihre Freunde nahmen sie damals mit auf ihre erste Reise ins Eisland, wo sie eine Reittour geplant hatten. Katja liebt das Reiten. Also ließ sie sich überreden. Sie buchten bei Hestasport in Varmahlíð, einem 150 Seelen Dorf in der Region Skagafjörður in Nordisland. Die Region um den Fjord ist bekannt für seine Pferdezucht. Sie machten eine Tour durchs Hochland. Eine schwierige Angelegenheit, da dort das Wetter sehr schnell umschlagen kann und Nebel die Sicht verhindert. Bei klarem Blick aber wird man mit einer karg-schönen Lavawüste belohnt, deren Weite einen grenzenlose Freiheit spüren lässt.
Mit diesem Gefühl kehrte Katja wieder nach Deutschland zurück und wusste gleich, dass das nicht ihr letzter Besuch war. Nur 4 Wochen später saß sie wieder im Flieger. Diesmal blieb sie länger und fuhr mit einem alten VW Bus um die Insel, nur um am Ende festzustellen, dass es ihr in Varmalið irgendwie doch am besten gefällt. Doch damals dachte sie nicht daran, zu bleiben. Erst als bei ihr 1999 das Telefon klingelte, fiel der Groschen. Hestasport bot ihr einen 12-monatigen Arbeitsvertrag an. Katja überlegte nicht lange. Ihren alten Job kündigte sie. Zudem beeinflusste ein tragischer Umstand ihre Entscheidung erheblich. »Ein Freund von mir hatte damals einen tödlichen Unfall. Ich dachte mir: jeden Tag kann dein Leben zu Ende sein. Wenn ich jetzt nichts verändere, wann dann?« Gesagt, getan. Zwei Monate später war alles Nötige organisiert und gepackt, um das »Abenteuer Auswandern« anzugehen.
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Dabei sieht sie sich nicht als klassische Auswanderin. Sie hat schließlich nicht alle Brücken hinter sich abgerissen. Regelmäßig fährt sie zurück nach Deutschland um ihre Familie und Freunde zu besuchen. Und da gibt es schon hin und wieder Mal Tränen. Vor allem ihre Eltern hatten es vor zehn Jahren nicht leicht, zu akzeptieren, dass ihre Tochter fortan nicht mehr in ihrer Nähe wohnen würde. Anfangs war es für Katja sicher auch nicht einfach, aber die neue Arbeit nahm sie schnell ein. Sie hatte sich geschworen, sich auf alles einzulassen. »Nein sagen gilt nicht« denn, »wenn schon Veränderung, dann richtig.« Und man muss sich durchbeißen. Anfangs ohne eigene Bleibe, wohnte sie eben kurzerhand im Bürocontainer, ihrem Arbeitsplatz, wenige Kilometer vom Dorfzentrum entfernt. Sie wurde auch mit Aufgaben konfrontiert, mit denen sie damals nicht gerechnet hat. »Hier muss jeder alles können. Du musst flexibel sein.« Also führte sie eine Reitgruppe durchs Hochland. Eine Strecke, die sie selbst nur als Touristin kannte. Nur mit einem Kompass bewaffnet, schaffte sie es aber, alle Reiter und Pferde heil zu den Hütten zu bringen. Das hätte auch anders ausgehen können. »Wenn man sich da oben verirrt, dann kann man nicht mal eben jemanden fragen, wo es langgeht. Zumal damals mein Isländisch noch im Anfangsstadium war und ich nur wenig verstand.« Trotz Allem lernte sie die Sprache doch recht schnell. »Ich habe gleich von Anfang an versucht zu reden. Egal ob mein Gegenüber mich nun verstand oder nicht. Das macht einiges aus, denn das Sprechen trainiert. So konnte ich mich schnell verständigen. Wenn auch zunächst nur mit Händen und Füßen!« Aus den vertraglich festgelegten 12 Monaten wurden Jahre. Mittlerweile ist kein Ende mehr in Sicht. Sie will auch nicht mehr zurück. Deutschland langweile sie. Jedes Mal, wenn sie in die alte Heimat zurückkehrt, hat sie nach 2 Wochen schon wieder genug. Sie braucht dann wieder die isländische Ruhe. ➔
Katja Bröker wohnte die erste Zeit in diesem Bürocontainer. Mittlerweile hat sie sich ein Häuschen gekauft.
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Hestasport besitzt 35 Pferde, wobei im Sommer nochmal so viele von umliegenden HĂśfen geliehen werden.
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»Nein sagen
gilt nicht!«
Fehlt ihr denn wirklich gar nichts in Island? »Eigentlich nein. Man braucht sehr wenig um glücklich zu sein. Hauptsache man hat eine Arbeit, die einen ausfüllt und ein Dach über dem Kopf.« Ihr Leben ist viel flexibler geworden. Sie besitzt heute nicht viel mehr als das, mit dem sie damals angereist war. Geld ist generell nicht mehr so wichtig. Dafür umso mehr Eigeninitiative und Abenteuerlust. »In den zehn Jahren, die ich nun hier bin, habe ich so viel gelernt, wie in meinem ganzen Leben davor nicht. Ich mache Erfahrungen, wie sie heute viele junge Mädchen machen, die zum ersten Mal allein im Ausland sind.« So wie Franziska aus Bayern, eine von vielen, die im Sommer in Island mit Pferden arbeiten wollen. Sie ist sogar schon das zweite Mal hier. »Weil das genau ihr Ding ist. Das merkt man einfach. Sie blüht regelrecht auf in dem Job.« Viele verlieben sich auch in den Stallburschen und bleiben dann für immer. Ein Klischee? Ja, aber tatsächlich sind es viele Frauen, die hier ihr Herz verlieren, sei es nun an das Land oder an seine Bewohner. Mögen die Isländer die Deutschen überhaupt? »Die Deutschen sind bekannt für ihre Organisation. Das gibt es hier so nicht. Die Isländer sind da eher chaotisch veranlagt.« Kein Wunder also dass die Deutschen gerne eingestellt werden. Und das Vorurteil, die Isländer seien ein verschlossenes Völkchen? »Isländer sind sehr gastfreundlich, aber nicht die Extravertiertesten. Doch mit der Zeit, wenn man sie kennen lernt, kann man diese Hürde leicht nehmen.« Nach der Arbeit trifft man sich im ortseigenen Hot Pot. Das ist der Kneipenersatz der Isländer. Feierabendlich mal eben auf ein Bier mit Freunden treffen, das gibt es in Varmahlið nicht. Das vermisst Katja dann doch manchmal. Für heute aber ist es genug. Alle Reisegruppen sind versorgt und der Papierkram erledigt. Katja schaut nochmal nach den Welpen. Vor einigen Wochen hatte die Hündin geworfen. Die kleinen müden Knäuel kriegen gleich Futter. »Die sind alle schon vergeben. Jeder Mitarbeiter will eins mit nach Hause nehmen.« Sie lacht. Ein herzliches Lachen. Man merkt, dass sie ihr Glück gefunden hat. ⚓
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Katja Bröker hat ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht. Pferde spielten schon immer eine große Rolle in Katjas Leben.
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Zur Hochsaison sind ca. 15 Mitarbeiter beschäftigt. Im Winter hingegen sind nur Katja und ihr Chef Magnús im Büro.
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Im Sommer gibt es nur wenig Zeit zum Ausruhen für Katja und ihre Kollegen von Hestasport. Neben Reittouren bieten Sie auch Hütten zum Übernachten an.
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66° 04 33˝ N 23° 07 29˝ W
Der wilde Westen Wenn man die Isländer fragt, welchen Ort sie an ihrem Land am liebsten mÜgen, wird oft von den Westfjorden gesprochen. Die Halbinsel, die fernab jedes Touristenstromes einen noch wilden, unberßhrten Charme ausstrahlt, ist gerade dadurch bei Wanderern sehr beliebt. Wir haben uns auf den Weg gemacht, den Westen zu erkunden
Der Fischfang und Fischprodukte sind der Hauptbestandteil isländischer Wirtschaft. Sie machen rund 76% des Exports aus.
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ie Westfjorde mit ihrer Hauptstadt Isafjörður beherbergen lediglich 7300 Einwohner, das entspricht weniger als 3% der gesamten isländischen Einwohnerzahl. Die immer knapper werdenden Arbeitsplätze in Agrarund Fischereiwirtschaft sowie die isolierte Lage sind Gründe für eine extreme Landflucht. In den letzten Jahren hat man nun den Tourismusausbau verstärkt in Angriff genommen, um ihr entgegen zu wirken. Aber damit hier viele Menschen anreisen können, fehlt es noch an gut ausgebauter Infrastruktur, denn vielerorts sind nur Schotterpisten angelegt, die sich teilweise in einem sehr schlechten Zustand befinden. Im Winter ist ein Vorwärtskommen in weiten Teilen der Region schier unmöglich. Aber gerade das macht auch den Reiz dieser Gegend aus. Wer die Einsamkeit sucht, und wem der Rest von Island schon zu überfüllt war, ist hier genau richtig.
Unsere Reise beginnt im Süden. Wir wollen einmal die Halbinsel umrunden. Die Westfjorde stellen nur 10% der Fläche, aber rund ein drittel der Küstenlinie Islands. Also machen wir uns auf lange Fahrten über Serpentinen gefasst. Noch die deutschen Asphaltwiegen gewohnt, glaubt man gar nicht, wie damals überhaupt Fuhrkutschen ohne Gummireifen diese Steinfolter durchgestanden haben. Umso überraschter sind wir, heil und ohne Platten in Patreksfjörður anzukommen. Von dort aus fährt man ein paar Kilometer weiter zum Látra-
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bjarg, ein beliebter Ort für Ornitologen, denn hier kann man Scharen von Papageientauchern beobachten. Die bis zu 400 m hohe und 14 km breite Steilküste ist der größte Vogelfelsen im Nordatlantik und der westlichste Punkt Europas. Hier brüten jährlich über eine Million Vögel. Über einen schmalen Pass weiter südlich erreicht man Rauðasandur, einen roten Muschelstrand. Die Landschaft ist sehr abwechslungsreich. Steilküsten, Tafelberge, Sandstrände und grüne Weideflächen gehören genauso zum Bild der Westfjorde, wie verlassene Höfe und alte rostige Schiffe. In Patreksfjörður übernachten wir bei einer netten alten Dame, die uns schnell zwei Betten fertig macht. Ihren Keller im rustikalen 50er Jahre Stil hat sie für Gäste ausgebaut, um sich noch ein wenig dazu zu verdienen. Am nächsten Tag fahren wir weiter in Richtung Norden, über steile Pässe, durch Nebel und Regen. Oftmals treiben einen Stürme in den Wahnsinn oder zumindest ins Zelt zurück. Wo man dann wartet. Manchmal Tage. (Glücklicherweise haben wir ein fahrbares Dach über dem Kopf.) So erreichen wir Isafjörður, die Hauptstadt der Westfjorde. Von hier aus kann man Hornstrandir, den nördlichsten und abgelegensten Zipfel der Insel, besuchen. Vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert war die Halbinsel dicht besiedelt. Doch mittlerweile ist die Gegend im Winter unbewohnt. Einige Häuser dienen noch als Sommerresidenz für die Einheimischen, aber auch ➔
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immer mehr Touristen finden ihren Weg nach Hornstrandir. So besuchen wir Hesteyri, ein ehemaliges Fischerdorf, mit dem Boot, etwa eine Stunde Fahrt entfernt. Auf dem Weg durch den Fjord sehen wir Wale und Papageientaucher. Mit dem Schnellboot werden wir an den Anlegesteg gebracht. Hier herrscht vollkommene Ruhe. Keine Straßen. Kein Menschenlärm. Nichts. So war es nicht immer. Es gab früher sogar eine Fischfabrik, eine Kirche und eine Schule. Mittlerweile steht dort, wo einst die Kirche war, ein Gedenkstein mit einer Kirchenglocke, die Fabrik liegt verlassen in Ruinen und Kinder werden hier nicht mehr aufgezogen. Wenige Häuser verstecken sich vereinzelt am Hang, hinter riesigen Dolden von Angelikablüten.
Das Runenzeichen für den tilberi
Im Haus des ehemaligen Doktors wohnt nun eine patente alte Dame namens Birna, die dort ein gemütliches Gästehaus mit Café eingerichtet hat. Es werden vielerlei isländische Köstlichkeiten serviert und auch Fischsuppe kocht Birna noch nach altem Rezept. Sie ist auch die einzige, die hier ihren ständigen Wohnsitz hat. Wer einmal in Hesteyri gewohnt hat, heißt es, der kehrt sein Leben lang zurück. Wir glauben es sofort. Man fühlt sich, als lausche man in die Vergangenheit hinein. Das tut gut. Wenn man Glück hat, kann man sogar den Polarfuchs sehen, der, wie uns Freunde erzählen, sich völlig zutraulich verhält. Er kommt meist nachts, manchmal sogar bis zum Zelt. Leider ist unsere Besuchszeit um und wir müssen gehen. Definitiv ist das ein Ort, an den wir wiederkommen werden.
Das Runenzeichen für den nábrók
oben: Der »tilberi«, eine Kreatur aus Gebeinen und Schafswolle unten: Eine nachgebildete Leichenhose. Wer sie trägt, wird reich
Wir wollen weiter nach Djúpavík, also fahren wir die Küstenstraße entlang, bis zurück nach Holmavík. Dort gibt es ein Hexereimuseum, welches die relativ unbekannte Historie der isländischen Hexer aufzeigt. Seltsamerweise war die Zauberkunst fast ausschließlich eine Männerdomäne und zudem verstärkt in den westlichen Gefilden Islands zu finden. Schon in der Edda (1000 n.Chr.) wurde Hexerei erwähnt und auch in der Njáls Saga wird ein gewisser Svanur Svanshóll, Hexer aus Strandir, beschrieben. Die Zauberei steht in Verbindung mit dem alten germanischen Glauben und half den Menschen im Überlebenskampf in dieser rauen und oft unwirtlichen Natur. Viel ist allerdings nicht überliefert. Die erste Person, die für das Praktizieren von Hexerei auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde, war ein Landarbeiter in Eyjafjörður mit Namen Jón Rögnvaldsson. Er wure angeklagt, einen Toten erweckt und ihn auf den benachbarten Bauernhof gesandt zu haben, um dort Unheil anzurichten. Jón stritt alle Anschuldigungen ab, aber als einige Seiten mit verdächtigen Runen unter seinen Besitztümern gefunden wurden, ließen ihn die zuständigen Amtsmänner unverzüglich verbrennen. Zwischen 1625 und 1683 wurden 21 Isländer für das Praktizieren von Magie bei lebendigem Leibe verbrannt. Um die 130 Fälle von Hexerei und Magie finden sich in Gerichtsunterlagen sowohl des Zivilgerichts in Þingvellir. Von den Angeklagten waren etwa 10% Frauen, der Rest waren Männer, die meisten aus den unteren sozialen Schichten, obwohl auch einige Amtmänner und Geistliche beschuldigt wurden. Eine besonders skurrile Kunst war die »Nábrókarstafur« oder auch »Leichenhose«. Diese wurde, nach vorheriger Absprache mit dem Eigentümer, aus der intakten Haut des unteren Teils eines männlichen Körpers hergestellt, der aus einem Friedhof ausgegraben wurde. Wenn sie getragen wird, lässt sie sich nicht mehr von der eigenen Haut unterscheiden.
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Das besonders raue Wetter in den Westfjorden ist nicht jedermanns Sache. Einige sehen genau das allerdings als Herausforderung, besonders bei längeren Trekkingtouren, wie z.B. im Gebiet der fast gänzlich unbewohnten Halbinsel Hornstarndir im äußersten Norden.
Ein Runenzeichen sollte im Hodensack aufbewahrt werden, zusammen mit einer Münze, die einer armen Witwe entweder an Weihnachten, Pfingsten oder Ostern gestohlen wurde. Der Hodensack füllt sich fortan ständig neu mit Geld. Allerdings ist das Seelenheil des Trägers gefährdet, wenn er sich nicht der Hose entledigt, bevor er stirbt. Sonst wird er sofort nach dem Tod mit Läusen befallen. Der Zauberer muss jemanden finden, der bereit ist, in das rechte Hosenbein zu steigen, während er aus dem linken fährt. Eine andere, ebenfalls skurrile Kunst, die ausschließlich Frauen vorbehalten war, ist der sogenannte »tilberi«, eine wurmähnliche Kreatur, die Milch von Nachbars Vieh stehlen konnte. Das Ritual ging wie folgt: Die Zauberin stahl eine Rippe an einem Pfingstsonntag von einem Friedhof, wickelte sie in Schafswolle und trug es zwischen ihren Brüsten. In den darauffolgenden Sonntagen musste sie Messwein trinken und auf das Knäuel spucken. Nach dem dritten Male erwachte das »snakkur« (Säugling), wie es auch genannt wurde, zum Leben. Es wird genährt durch eine Zitze an der Innenseite des Oberschenkels, die sich die Frau einritzen muss. Ein ausgewachsener tilberi kann auf einem Schaf liegen und gleichzeitig an zwei Zitzen trinken. Wenn jemand auf Verdacht den Butterknoten, eine Zauberrune, auf das Butterfass geritzt hat, wird die Butter, gemacht aus der gestohlenen Milch, zerfallen. Wenn die Hexe das snakkur loswerden wollte, muss sie es mit dem Auftrag losschikken, Schafsexkremente aus dem Hochland aufzusammeln. Unermüdlich wird es so viel hinunterschlucken, bis es explodiert. Nach diesen interessanten Einblicken in das Leben und Wirken der Menschen aus dem Mittelalter genießen wir noch unseren letzten Hot Dog an der Tankstelle. Ein Deutscher fragt uns auf englisch ob wir ihn mitnehmen können. Morgen geht es wieder zurück in den Süden. ⚓
Der wilde Westen
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In Hesteyri scheint die Zeit stillzustehen.
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Tanz auf dem
VULKAN Islands Landschaften sind so vielfältig wie bizarr. Man ist sofort fasziniert von den Felsformationen, heißen Quellen und Schwefelfeldern. Aber alles hat einen Ursprung: Islands besondere geografische Lage.
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n jedem Jahr beginnt im Frühsommer die isländische Freiluftsaison und die ersten Wanderer sind auf dem Laugavegur, dem beliebtesten Wanderweg Islands, Richtung Landmannalaugar unterwegs. Auch in diesem Jahr gibt es eine Handvoll Leute, die sich die anspruchsvolle Verlängerung der eigentlichen Strecke von Skógar nach þorsmörk nicht entgehen lassen wollen. Doch im Gegensatz zu den Jahren zuvor, ist der Weg nun noch gefährlicher. Im März begann der Ausbruch des Eyjafjallajökull – die Folgen waren unter anderem ein Riss genau auf der Wegstrecke des Laugavegur. Die Reaktion der isländischen Behörden: Der Weg über den Fimmvörduhals wurde einfach neu markiert und über frische Lava, die diverse Wanderstöcke zum schmelzen brachte, umgeleitet. Dies ist nur ein Beispiel, wie die Natur das Alltagsleben der Isländer bestimmt. Gleichzeitig zeigt es auch die bewundernswerte Gelassenheit, mit der auf der kleinen Insel im Nordatlantik den Naturgewalten begegnet wird.
Doch warum prägt der Vulkanismus Islands Landschaft seit ihrer Entstehung? Um dies zu verstehen, müssen wir weit in der Zeit zurückgehen. Vor ca. 60 Millionen Jahren, im Zeitalter des Paläozän, begannen sich die Süd- und Nordamerikanische, die Eurasische und die Afrikanische Platte aufgrund der Plattentektonik voneinander zu entfernen und schufen so langsam aber sicher den Atlantischen Ozean. Innerhalb dieser Divergenzzone entstand durch das sogenannte »Sea Floor Spreading« das größte zusammenhängende Gebirgssystem unserer Erde – der Mittelatlanti-
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sche Rücken. Durch das Überlagern der Spreizungszone und des sogenannten Island-Plume, einer extrem heißen Gesteinsströmung aus dem tiefen Erdmantel, an einer relativ dünnen Stelle der Erdkruste, ist zu erklären, warum gerade Island als eine der wenigen Erhebungen des Mittelatlantischen Rückens über der Wasseroberfläche liegt, während der Rest des Gebirges in den Tiefen des Meeres ruht. Im Groben kann man sagen, dass sich die Hauptspreizungszonen und somit auch die vulkanisch aktiven Zonen im Laufe der Zeit nach Osten bewegt haben. Dies führte zu der sich aktuell immer weiter entwickelnden aktiven Zone rund um den Vatnajökull, welche auch für den Vulkanausbruch des Eyjafjalljökull verantwortlich war. Verglichen mit historischen Eruptionen in Südisland war der Ausbruch des Frühjahrs jedoch sehr klein. Ein beeindruckendes Beispiel für die Macht eines Vulkanausbruchs ist die Eruption rund um Laki. Zwischen 1783 und 1784 wurde bei einer Ausbruchsserie im Süden Islands derart viel vulkanisches Material zu Tage gefördert, dass es infolgedessen weltweite klimatische Veränderungen und konsequenterweise viele Misseernten gab. In Island verendete ca. 75% des Viehbestands und ein Fünftel der isländischen Population starb in den Folgemonaten. Giftige Aschewolken sorgten auch in Europa für Hungerkatastrophen und trugen ihren Teil zum Beginn der französischen Revolution bei. Doch der Ausbruch um Laki formte auch eine der faszinierendsten Landschaften Islands – die sog. Lakagígar – eine über 100 Kegel zählende Kraterreihe, die sich auf über 20 km verteilt ➔
Tanz auf dem Vulkan
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Vulkanaktivität in Island
Amerikanische Platte
Eurasische Platte
Krafla
Askja Laki-Fogrufjoll Grimsvötn
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Hekla Vatnajöjull Katla Surtsey Heimaey
wichtigste Vulkane Islands Hauptvulkanzone
und grün-schwarze Farbkontraste bietet, die ihresgleichen suchen. Sicher, der Ausbruch liegt schon weit über 200 Jahre zurück - doch wer einmal den Strokkur riesige Wassermassen hat in die Luft heben sehn, wer einmal die Schwefelfelder und brodelnden Schlammtöpfe von Hverir oder die Fumarole der Krafla mit eigenen Augen gesehen und der eigenen Nase gerochen hat, der weiß ob der anhaltenden gewaltigen Kraft, die unter Islands schöner Oberflache nach wie vor aktiv ist. Die besonderen geologischen Gegebenheiten lassen sich allerdings auch an vielen anderen Stellen auf etwas ruhigere Art und Weise erleben. In einer der vielen natürlichen heißen Quellen zu sitzen und sich den kalten Wind um die Nase wehen zu lassen, ist eine der besten Entspannungsmöglichkeiten überhaupt. Für die Ästheten wiederum gibt es etwas rund um das kleine Dörfchen Bakkagerði. Es liegt in den Ostfjorden und ist nur über eine abenteuerliche Schotterstraße zu erreichen. Bakkagerði ist von wunderbar bunten und teilweise bizarr geformten Rhyolitbergen umgeben. Dieses vulkanische Gestein beeindruckt durch vielfältige Farbspiele und unterschiedliche Schattierungen. Ebensolche Rhyolitberge befinden sich um Landmannalaugar, dem Endpunkt des eingangs beschriebenen Laugavegur. Einen Sonnenaufgang, der die Bergkette in warmes Licht taucht und die Farben in einer unglaublichen Intensität leuchten lässt, vergisst man so schnell nicht mehr. Geologisch gesehen ist Island immer noch in der Entstehung und wir alle können daran teilhaben. ⚓
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oben: Eine Schlammquelle im Solfatarengebiet Hverir bei Mývatn unten: Ausbruch des »Strokkur«, der kleine Bruder des berühmten großen Geysir in Haukadalur. Er eruptiert regelmäßig alle 10 Minuten und erreicht eine Höhe von bis zu 35 Metern.
Tanz auf dem Vulkan
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65° 56 41˝ N 21° 33 25˝ W
NORDLICHT Der kleine ehemalige Fischerort Djúpavík liegt versteckt im Nordwesten Islands, umgeben von Gebirge und Meer. Jedes Jahr findet an diesem entlegenen Ort an einem Wochenende im Sommer die Djúpavíkurdagar, die Djúpaviktage, statt. Ein Grund mehr, uns über die 60 km lange Schotterstraße zu quälen.
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links: Der Wasserfall Djúpuvíkurfoss oben: Der Name bedeutet »tiefe Bucht«
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or etwa 80 Jahren war Djúpavík eine blühende Fischersiedlung. Damals wurde eine Heringsfabrik errichtet und zog damit Arbeiter aus dem ganzen Land an. Doch rund 20 Jahre später wanderten die Fischschwärme wieder ab, und mit ihnen die Menschen, die nun ohne Arbeit, im Ort keine Zukunftsaussichten mehr hatten. Djúpavík geriet in Vergessenheit. Bis eines Tages in den 80ern Asbjörn Thorgilsson herausfinden wollte, wo sein Großvater herstammte. Beim zweiten Besuch nahm er seine Frau Eva mit. Beide faszinierte der verlassene Ort, wo es anfangs wie auf einem Schlachtfeld ausgesehen haben muss. Niemand zeigte großes Interesse an der alten Fabrik und dem roten Haus, in dem früher die Arbeiterfrauen untergebracht waren. So entschlossen sie sich, ein Hotel daraus zu machen. Denn Wanderer und Touristen kamen zwar in die Gegend, hatten aber bislang keine Möglichkeit der Unterkunft oder Hütte. Mittlerweile, nach Jahren der Arbeit im und um das Haus, erfreut sich das Hotel großer Beliebtheit. Im Sommer herrscht Hochbetrieb, besonders an den jährlich stattfindenden Djúpavík-Tagen. Ein Wochenende mit Ausstellungen, Musik, leckerem Essen, Kuchenschlemmen und vielem mehr. Dieses Jahr gibt es noch einen Grund mehr zu feiern, das Hotel hat 25-jähriges Jubiläum. Zum Anlass gibt es ein Fischbüffet. Fisch in allen möglichen Varianten. Darunter z.B. auch Plokkfiskur, ein isländisches Nationalgericht.
Es besteht aus Fisch und Kartoffeln, die einfach zusammengerührt werden. Sieht seltsam aus, schmeckt aber gut. Parallel zum Essen laufen in der alten Heringsfabrik, welche die beiden teilweise zum Museum umgebaut haben, gleich mehrere Ausstellungen. Einerseits die Dauerausstellung zur Geschichte Djúpavíks, andererseits verschiedene Wechselausstellungen junger isländischer und internationaler Künstler. Mittendrin und auch in der Ausstellung vertreten ist Claus Sterneck aus Deutschland. Genauer gesagt, aus Hanau in Hessen. Ihn hat es vor einigen Jahren nach Djúpavík verschlagen. 2003 hatte er einen Artikel über das Hotel im »Magazin« gesehen. Er hatte ihn noch nicht einmal gelesen, nur die Überschrift, die: »Vom Glück am Meer« oder: »Alles ist möglich« lautete und das Foto, übte auf ihn eine große Faszination aus. Dies veranlasste ihn, kurz entschlossen seine Koffer zu pakken, um seine erste Reise nach Island anzutreten. Er war überzeugt, dort hin zu gehören. Seitdem kam er jeden Sommer und half neben Asbjörns und Evas Kindern im Hotel aus, wenn der Besucherstrom anrückte. Mittlerweile ist er fest integriert und hat sein neues Leben mit dem Umzug nach Reykjavík fest gemacht: Im Winter arbeitet er nun als Postbote und im Sommer in Djúpavík. Nebenbei fotografiert er und ist Mediengestalter. Seine Eindrücke hielt er in »pictures and their sounds« fest, ebenfalls zu sehen und zu hören in der Ausstellung vor Ort. ➔
Nordlicht
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Die Wolken lichten sich langsam, als es Abend wird. Freunde, Familie und alte Bekannte zieht es nun ins Hotel, alle sitzen zusammen. Es herrscht eine familiäre Athmosphäre. Beim Essen lernt man sich schnell kennen und rätselt um die Köstlichkeiten, die nicht immer sofort erkennen lassen, was sie beinhalten. Die Köchin hat sich mächtig ins Zeug gelegt, alle satt zu bekommen. Und es schmeckt. Besonders der Nachtisch – Blábaerjaskyrterta – eine Art Blaubeerquarktorte. Mmm. Langsam wird das Licht gedimmt bis nur noch wenige Kerzen auf den Tischen leuchten. Hraun, die Band des Abends, stellen sich nun auf. Für sie ist es nicht das erste Mal hier bei den Djúpavíktagen. Sie gehören quasi schon zur Familie. Der kleine Raum füllt sich mittlerweile mit jungen Menschen, die aus der Umgebung angereist sind. Die Sitzgelegenheiten werden knapp. Leises Gemurmel. Asbjörn hängt erschöpft im Sessel und schläft fast ein. Da spielen Hraun das erste Lied. Ein wenig melancholisch zu Beginn, werden die Lieder zum Ende hin heiterer. Alle können mitsingen, die Stimmung ist gut. Auch wenn er seine kleinen Gemeinheiten über die Deutschen im Allgemeinen zum Besten gibt (Wie im Song »Leipzig«) kann man herzhaft mitlachen. Um Punkt zwölf geht es dann hinaus ans Lagerfeuer. Dort, am Meer, wird weiter gesungen, getrunken und getanzt. Spätestens jetzt fühlt man sich so zu Hause wie sonst nirgendwo auf der Welt. Man braucht keine Clubs, Bars und keine hippe Großstadt, wenn man ein Feuer und eine Gitarre hat. Als das letzte Lied, das romantischste an diesem Abend, angestimmt wird, zeigen sich am Himmel Schwaden von grünem Licht. Für einen Moment kann es perfekter nicht sein. Dann ist es auch schon wieder weg. Einfach so. Haben wir ein Glück. Denn bald geht die Sonne schon wieder auf. ⚓
Djúpavík liegt in einer der einsamsten Regionen Islands: Die Einwohnerdichte beträgt nur 0,07 Einwohner/km² links: Die M/S Suðurland von 1919 diente gerade in der kalten Jahreszeit als Unterkunft für viele Arbeiter
Nordlicht
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oben: An den jährlich stattfindenden Djúpavík Tagen wird als abendlicher Höhepunkt ein Lagerfeuer entfacht. Die Band Hraun spielt dazu. rechts: In dem alten Tank der Heringsfabrik haben auch schon Sigur Rós Aufnahmen für eines ihrer Alben gemacht.
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Nordlicht
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64° 58 57˝ N 23° 0 1.8˝ W
Köstlichkeiten Was die Isländer so alles essen, ist nicht unbedingt jedermanns Geschmack. Eine Spezialität ist der Hákarl. Sieht aus wie Schinken, ist es aber nicht. Es ist gammeliger, alter Hai.
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och nie etwas von isländischer Küche gehört? Kein Wunder, denn diese Unterart der traditionellen skandinavischen Küche wird hierzulande leider weit weniger beachtet als Küchen aus anderen Regionen. Warum das so ist, lässt sich recht simpel mit den vorhandenen Vorurteilen erklären. Wer denkt bei Island schon an kulinarische Höhenflüge, an ein Erlebnis für die von Fast Food geschundenen Geschmacksknospen? Nein, wenn man von isländischer oder skandinavischer Küche hört, denkt man hauptsächlich an Fisch. Und damit liegt man nicht einmal falsch. Fisch ist einer der wichtigsten Zutaten der Isländer und auch Gegenstand der kulinarischen Reise auf die wir uns nun begeben.
Der Weg führt uns nach Westisland, auf die in die Grönlandsee ragende Halbinsel Snæfellsnes. Nur gut zwei Autostunden von der Hauptstadt Reykjavík entfernt, entfaltet sich hier eine ursprüngliche und raue Welt, die Jules Vernes dazu inspirierte, genau hier, auf dem nach der Halbinsel benannten Vulkan Snaefellsjökull, den Einstieg zum Mittelpunkt der Erde zu beschreiben. Ca. 25 km westlich des knapp 1000 Einwohner zählenden Fischerortes Stykkishólmur fällt der Blick auf den Wegweiser nach Bjarnarhöfn. Im rechten Winkel biegt hier eine abenteuerliche Schotterpiste gen Küste ab, um nach mehreren holprigen Kilometern den alten Fischhof von Hildibrandur Bjarnason zu erreichen. Schafft man es, die Autotür trotz des schneidenden Nordwindes aufzustemmen, steigt sofort ein merkwürdiger Geruch in die Nase. Was ist das nur? Es riecht irgendwie tranig, gammelig und je nach dem, zu welcher Jahreszeit man hier verweilt, beißend nach Ammoniak. Hier kommt etwas auf den Tisch, was andernorts schnellstmöglich in die nächste Biotonne wandern würde. Folgt man dem Geruch, findet man womöglich Hildibrandur, wie er eines seiner blitzenden Messer schwingt und einen riesigen, an einem Kran hängenden Fischberg bearbeitet. Es ist ein Grönland-
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˚nord Island
oder auch Eishai. Das besondere an ihm ist die Tatsache, dass er keine Nieren hat und sich so die Stoffwechselgifte im Fleisch ablagern. Folglich ist er im frischen Zustand ungenießbar. Immer wenn ein Grönlandhai den Fischern von Stykkishólmur unbeabsichtigt ins Netz geht, tuckert Hildibrandur oder sein Sohn Duðjon die Schotterstraße in seinem Pickup entlang und holt sich seinen Schatz ab. Hat er einmal den Fisch in seine Bestandteile zerlegt, folgt stets die gleiche Prozedur: Die fünf bis zehn Kilogramm schweren Stücke werden in Holzkisten mehrere Monate dem Verfall überlassen und während dieses Prozesses wandern die Gifte langsam durch das Fleisch nach außen. Danach werden die immer noch recht unansehnlichen Stücke in der hölzernen Trockenhütte dem isländischen Wind ausgesetzt. Durch die kühlen Temperaturen und die salzige Meeresluft trocknet der Hai recht schnell und nimmt das Aussehen eines reifen Schinkens an. Nur Hildibrandur kann den optimalen Verwesungs- und Trocknungszustand allein am Geruch erkennen. Ist dieser zufriedenstellend, zeigt sich ein verschmitztes Lächeln auf seinem wettergegerbten Gesicht. Jetzt ist eine der ältesten Spezialitäten der isländischen Küche fertig: Hákarl. Man isst dazu ein Stückchen Rugbrauð (eine Art Schwarzbrot) und spült beides mit ein, zwei kräftigen Schlücken Brennívin, dem isländischen Nationalschnaps, runter. Sicher ist das kein Gericht für zart besaitete und zu Hause würde sich so was auch niemand freiwillig bestellen. Doch lässt man sich in Bjarnarhöfn den Wind um die Nase pfeifen und schaut sich Hildibrandurs altes Fischerboot an – welches nebenbei bemerkt das älteste noch betriebene seiner Art in Island ist – so sollte man sich das Erlebnis Gammelhai auf keinen Fall entgehen lassen. Wie es schmeckt? TV Koch Vincent Klink beschreibt es als eine Mischung aus »Romadur im Endstadium und Pferdeurin«. Gjörið svo vel! ⚓
oben: Im Museum lässt sich die Tradition der Hákarlherstellung besichtigen// Das Hofpferd mitte: Der Hof Bjarnahöfn auf Snæfellsnes unten: Allerlei Tand gibt es im Museum auch zu sehen // Der fermentierte Hai// Duðjon führt die Tradition seines Vaters weiter
Köstlichkeiten
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Glauben Isländer tatsächlich an
ELFEN ? Die meisten Isländer verdrehen die Augen, wenn man ihnen die Elfenfrage stellt. Fakt ist aber auch, dass kaum einer die Existenz von Elfen abstreiten mag, wenn er sie schon nicht bejahen kann.
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as, was den meisten Menschen zu Elfen einfällt, sind entweder rot-grün bekleidete Weihnachtsmannhelfer oder Fantasiewesen à la Tolkien mit wallendem, engelsgleichem Haar und Spitzohren. Aber sie haben eines gemeinsam, sie wohnen alle irgendwo im Norden. Und das speziell an besonders verwunschen wirkenden Orten. Island ist so einer. Hier haben die alten Geschichten und Mythen noch eine ganz andere Bedeutung als bei uns, deren heidnische Kultur mit der Zeit systematisch ausgemerzt wurde. Die Isländer hingegen haben noch einen direkten Zugang zu ihrer Vergangenheit: nahezu unverändert können sie 1000 Jahre alte Aufzeichnungen noch lesen. Und was den Menschen damals, als sie im unwirtlichen Land ihre Wohnstatt errichteten und versuchten, im Einklang mit der unberechenbaren Natur zu leben, eine Erklärung für so manche seltsamen Ereignisse diente, scheint auch heute noch zu gelten. Wie zum Beispiel damals, als im Jahr 1970 in der Nähe von Reykjavík, in Kopavogur, eine zweispurige Straße verengt werden sollte und dabei ein großer Stein, von dem gesagt wurde, dort würden Elfen leben, im Wege stand. Alle Versuche, ihn zu zerstören, schlugen fehl. Seltsamerweise versagte alles technische Equipment in seiner Nähe. Heute steht der Stein immer noch an Ort und Stelle. Die Straße wurde letztendlich drumherum gebaut. Anwohner glauben, dass die Elfen mittlerweile umgezogen sein müssten, denn das grelle Licht und der Lärm würden sie zu sehr stören. Desöfteren gibt es solche Konflikte mit dem »húldur folk«, den Unsichtbaren, der Parallelgesellschaft der besonderen Art. Dann wird meist ein Medium, ein Mensch, der die Fähigkeit besitzt, mit den Elfen zu kommunizieren, beauftragt, Kontakt aufzunehmen. Zum Beispiel im Jahr 1996, als Hjortur Hjartarson einen Felsbrocken niederreißen wollte, um Platz für einen Friedhof zu schaffen. Nachdem zwei Bulldozer mehrmals den Geist aufgaben, wurde die Arbeit eingestellt. Sie kamen aber zu einer Einigung mit den Elfen, die letztendlich einen Umzug akzeptierten.
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Isländer haben aber nicht immer nur Schwierigkeiten mit ihren Elfen, sondern offensichtlich auch sehr viel Spaß: Hallgerdur Hallgrímsdóttir hat ihre ganz eigenen Erfahrungen gemacht, die in ihrem Buch »Please yours(elf)« den Sex mit Elfen beschreibt. »Man sollte einfach rausgehen und versteckte Orte aufsuchen. Elfen sind sehr schüchtern. Sie wollen nicht, dass jemand dabei zusieht.« Der Sex sei aber etwas ganz Besonderes. Sex mit Menschen sei dagegen langweilig geworden, klagt sie. »Elfen können spüren, was du brauchst, auch wenn du es selbst nicht mal weißt. Das ist sehr befriedigend.« Außerdem ist der Verkehr viel sicherer mit Elfen: »Sie übertragen keine Krankheiten und schwanger wird man auch nicht. Außer man will es so.« Aber wie sehen Elfen denn nun aus? Sie werden sehr unterschiedlich wahrgenommen. Mal als menschenähnliche, großgewachsene Wesen, die in altertümlicher Kleidung umherwandeln. Oder als klein und vorwitzig. Sie wohnen auch ab und zu im Garten und leihen sich Küchengeräte. Wie bei Elly Erlingsdottir. Ihre Schere fand sie eine Woche später ganz woanders wieder. »Man soll nicht denken, dass wir Isländer an kleine Wesen glauben, die in Steinen wohnen und umher tanzen. Vielmehr glauben wir an eine übersinnliche Macht, die von gewissen Dingen ausgeht.« Es ist ein nordisches Klischee, sagte Björk einmal im Interview, dass jede Band in Island, die die Frage, ob sie an Elfen glauben würde, mit Ja beantwortet, einen Plattenvertrag angeboten bekäme. Aber auch Björk weiß, dass Natur weitaus stärker als der Mensch ist und eine spirituelle Kraft uns alle zusammenhält. Dieser Glaube an das Übernatürliche zeigt sich deutlich in ihrer Musik. In Reykjavik gibt es sogar eine Elfenschule, in der über die »hidden people« erzählt wird. Magnús Skarphéðinsson gründete sie 1991. Seitdem besuchten sie über 9.000 Menschen, hauptsächlich Touristen. Ihm selbst ist aber noch kein Elf begegnet. ⚓
Glauben Isl채nder tats채chlich an Elfen?
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BALDURS TOD
Der Anfang vom Ende für die heidnischen Götter: Baldur, der Gott des Lichtes, wird auf heimtückische Weise ermordet. Und somit wird der Ragnarök, der Untergang der Welt, eingeleitet. Ein Auszug aus der alten nordischen Mythologie
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nd das ist der Anfang dieser Sage, daß Baldur, der gute, schwere Träume träumte, die seinem Leben Gefahr deuten. Und als er den Asen seine Träume sagte, pflogen sie Rat zusammen und beschlossen, dem Baldur Sicherheit vor allen Gefahren auszuwirken. Da nahm Frigg Eide von Feuer und Wasser, Eisen und allen Erzen, Steinen und Erden, von Bäumen, Krankheiten und Giften, dazu von allen vierfüßigen Tieren, Vögeln und Würmern, daß sie Baldurs schonen wollten. Als das geschehen und allen bekannt war, da kurzweilten die Asen mit Baldur, daß er sich mitten in den Kreis stellte und einige nach ihm schossen, andere nach ihm hieben und noch andere mit Steinen warfen. Und was sie auch taten, es schadete ihm nicht; das dünkte sie alle ein großer Vorteil. Aber als Loki, Laufeyjas Sohn, das sah, da gefiel es ihm übel, daß den Baldur nichts verletzen sollte. Da ging er zu Frigg nach Fensal in Gestalt eines alten Weibes. Da fragte Frigg die Frau, ob sie wüßte, was die Asen in ihrer Versammlung vornähmen. Die Frau antwortete: sie schossen alle nach Baldur; ihm aber schadete nichts. Da sprach Frigg: Weder Waffen noch Bäume mögen Baldur schaden: ich habe von allen Eide genommen. Da fragte das Weib: »Haben alle Dinge Eide geschworen, Baldurs zu schonen?« Frigg antwortete: »Östlich von Walhall wächst eine Staude, Mistel genannt, die schien mir zu jung, sie in Eid zu nehmen.« Darauf ging die Frau fort; Loki nahm den Mistelzweig, riß ihn aus und ging zur Versammlung. Hödur stand zuäußerst im Kreise der Männer, denn er war blind. Da sprach Loki zu ihm, warum schießt du nicht nach Baldur? Er antwortete: »Weil ich nicht sehe, wo Baldur steht; zum anderen hab ich auch keine Waffe.« Da sprach Loki: »Tu doch wie andere Männer und biete Baldur Ehre wie alle tun. Ich will dich dahin weisen wo er steht: so schieße nach ihm mit diesem Reis.« Hödur nahm den Mistelzweig und schoß nach Baldur nach Lokis Anweisung.
Der Schuß flog und durchbohrte ihn, daß er tot zur Erde fiel, und das war das größte Unglück, das Menschen und Götter betraf. Als Baldur gefallen war, standen die Asen alle wie sprachlos und gedachten nicht einmal, ihn aufzuheben. Einer sah den anderen an; ihr aller Gedanke war wider den gerichtet, der diese Tat vollbracht hatte; aber sie durften es nicht rächen: es war an einer heiligen Freistätte. Als aber die Asen die Sprache wieder erlangten, da war das erste, daß sie so heftig zu weinen anfingen, daß keiner mit Worten dem anderen seinen Gram sagen mochte. Und Odin nahm sich den Schaden um so mehr zu Herzen als niemand so gut wüßte als er, zu wie großem Verlust und Verfall den Asen Baldurs Ende gereichte. Als nun die Asen sich erholt hatten, da sprach Frigg und fragte, wer unter den Asen ihre Gunst und Huld gewinnen und den Helweg reiten wolle, um zu versuchen ob er da Baldur fände, und der Hel Lösegeld zu bieten, daß sie Baldur heimfahren ließe gen Asgard. Und er hieß Hermod, der schnelle, Odins Sohn, der diese Fahrt übernahm. Da ward Sleipnir, Odins Hengst, genommen und vorgeführt, Hermod bestieg ihn und stob davon. Da nahmen die Asen Baldurs Leiche und brachten sie zur See. Hringhorni hieß Baldurs Schiff, es war aller Schiffe größtes. Das wollten die Götter vom Strande stoßen und Baldurs Leiche darauf verbrennen; aber das Schiff ging nicht von der Stelle. Da wurde gen Jötunheim nach dem Riesenweib gesendet, die Hyrrockin hieß, und als sie kam, ritt sie einen Wolf, der mit einer Schlange gezäumt war. Als sie vom Rosse gesprungen war, rief Odin vier Berserker herbei, es zu halten; aber sie vermochten es nicht anders als indem sie es niederwarfen. Da trat Hyrrockin an das Vorderteil des Schiffes und hieß es im ersten Anfassen vor, daß Feuer aus den Walzen fuhr und alle Lande zitterten. Da ward Thor zornig und griff nach dem Hammer und würde ihr das Haupt zerschmettert haben, wenn ihr nicht ➔ Baldurs Tod
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alle Götter Frieden erbeten hätten. Da wurde Baldurs Leiche hinaus auf das Schiff getragen und als sein Weib Nanna, Neps Tochter, das sah, da zersprang sie vor Jammer und starb. Da wurde sie auf den Scheiterhaufen gebracht und Feuer darunter gezündet, und Thor trat hinzu und weihte den Scheiterhaufen mit Miölnir, und vor seinen Füßen lief der Zwerg, der Lit hieß, und Thor stieß mit dem Fuß nach ihm und warf ihn ins Feuer, daß er verbrannte. Und diesem Leichenbrand wohnten vielerlei Gäste bei: zuerst ist Odin zu nennen, und mit ihm fuhr Frigg und die Walküren und Odins Raben, und Freyr fuhr im Wagen und hatte den Eber vorgespannt, der Gullinbursti hieß oder Slidrugtanni. Heimdall ritt den Hengst Gulltopp und Freyja fuhr mit ihren Katzen. Auch kam eine große Menge Hrimthursen und Bergriesen. Odin legte auf den Scheiterhaufen den Ring, der Draupnir hieß, der seitdem die Eigenschaft gewann, daß jede neunte Nacht acht gleich schöne Goldringe von ihm tropften. Baldurs Hengst wurde mit allem Geschirr zum Scheiterhaufen geführt. Von Hermod aber ist zu sagen, daß er neun Nächte tiefe dunkle Täler ritt, so daß er nichts sah, bis er zum Giöllflusse kam und über die Giöllbrücke ritt, die mit glänzendem Gold belegt ist. Modgud heißt die Jungfrau, welche die Brücke bewacht: die fragte ihn nach Namen und Geschlecht und sagte, gestern seien fünf Haufen toter Männer über die Brücke geritten, und nicht donnert sie jetzt minder unter dir allein, und nicht hast du die Farbe toter Männer: warum reitest du den Helweg?« Er antwortete: »Ich soll zu Hel reiten, Baldur zu suchen. Hast du vielleicht Baldur auf dem Helweg gesehen?« Da sagte sie: »Baldur sei über die Giöllbrücke geritten; aber nördlich geht der Weg hinab zu Hel.« Da ritt Hermod dahin, bis er an das Helgitter kam: da sprang er vom Pferd und gürtete es fester, stieg wieder auf und gab ihm die Sporen: da setzte der Hengst so mächtig über das Gitter, daß er es nirgends berührte. Da ritt Hermod auf die Halle zu, stieg vom Pferd und trat in die Halle. Da sah er seinen Bruder Baldur auf dem Ehrenplatze sitzen. Hermod blieb dort die Nacht über. Aber am Morgen verlangte Hermod von Hel, daß Baldur mit ihm heim reiten solle, und sagte, welche Trauer um ihn bei den Asen sei. Aber Hel sagte, das solle sich nun erproben, ob Baldur so allgemein geliebt werde als man sage.
»Und wenn alle Dinge in der Welt, lebendige sowohl als tote, ihn beweinen, so soll er zurück zu den Asen fahren; aber bei Hel bleiben, wenn eins widerspricht und nicht weinen will.« Da stand Hermod auf und Baldur geleitete ihn aus der Halle und nahm den Ring Draupnir und sandte ihn Odin zum Andenken, und Nanna sandte der Frigg einen Überwurf und noch andere Gaben, und der Fulla einen Goldring. Da ritt Hermod seines Weges zurück und kam nach Asgard und sagte alle Dinge, die er da gehört und gesehen hatte. Danach sandten die Asen Boten in alle Welt und geboten. Baldur aus Hels Gewalt zu weinen. Alle taten das, Menschen und Tiere, Erde, Steine, Bäume und alle Erze; wie du schon gesehen haben wirst, daß diese Dinge weinen, wenn sie aus dem Frost in die Wärme kommen. Als die Gesandten heimfuhren und ihr Gewerbe wohl vollbracht hatten, fanden sie in einer Höhle ein Riesenweib sitzen, das Thöck genannt wurde. Die baten sie auch, den Baldur aus Hels Gewalt zu weinen. Sie antwortete: Thöck muß weinen mit trocknen Augen über Baldurs Ende. Nicht im Leben noch im Tod hatt ich Nutzen von ihm: Behalte Hel, was sie hat. Man meint, daß dies Loki gewesen sei, der den Asen so viel Leid zugefügt hatte. 68
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64° 09 0˝ N 21° 56 0˝ W
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101 REYKJAVÍK Die kleine bunte Großstadt inmitten des Nordatlantik sprüht nur so vor kindlicher Verspieltheit und Charme.
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auptstädte eines Landes sind immer sehr komfortabel für die Touristen. Sie beanspruchen den Großteil der Einwohner und scheinen das gesamte Land auf ihre Art zu repräsentieren. Deshalb bereist man sie gern und fährt wieder nach Hause in dem Glauben, Land und Leute zu kennen. Wohingegen aber die meisten Länder groß genug sind, noch weitere Ballungszentren zu beherbergen, in denen sich das Leben vieler Menschen abspielt, ist Reykjavík tatsächlich Islands Zentrum, das Herzstück des Landes. Bei einer Gesamteinwohnerzahl von knapp 300 000 auch nicht allzu verwunderlich. Man sagt, hier in der Bucht Faxaflói wurde die erste permanente Siedlung durch Ingólfur Arnarson um 870 gegründet. Ab 1786 hatte sie den Status einer Stadt, danach wuchs die Einwohnerzahl stetig an. 1944, nach Ausrufung der Republik Islands, wurde Reykjavík, die rauchende Bucht, offiziell zur Hauptstadt erkoren. Reykjavíks Metropolregion beherbergt heute zwei Drittel der Einwohner Islands.
Und natürlich wohnen hier die meisten jungen Menschen, die zum studieren an einer der vier Hochschulen oder zum Arbeiten hinziehen. Das Durchschnitts-
alter liegt bei 34,5 Jahren (hingegen das Durchschnittsalter der deutschen Hauptstadt: 42,7 Jahre). Zudem leben hier die jüngsten Mütter mit der höchsten Geburtenrate in Europa. Im Schnitt bekommen die isländischen Frauen 2 Kinder mit 25,5 Jahren. Beruf und Karriere zu vereinen gelingt ihnen scheinbar mühelos, auch ohne staatliche Hilfsmittel wie Kindergeld oder Steuervergünstigungen. Die Stadt strahlt Dorfcharme und Urbanität gleichermaßen aus. Kultur und Kunst findet man an jeder Straßenecke, aber durch die Kompaktheit wirkt alles nicht zu anonym. Klar ist Reykjavík (leider) auch von Tourismus geprägt. Viel zu viele Souvenirshops reihen sich in den Haupteinkaufsstraßen nebeneinander. Aber hier hat sich noch kein H&M niedergelassen und die letzte Mc Donalds Filiale schloss 2009. Wer hier Burger essen will, geht zum Hamborgarabúllan, dem besten Burgerladen der Stadt, direkt am Hafen. Reykjavík ist Heimat vieler Künstler und Musiker. Nicht zuletzt die Wahl des neuen Bürgermeisters und seiner »besti flokkurinn« Partei (siehe Seite 24) hat gezeigt, dass die Künstler eine besondere Rolle in diesem Land spielen. Und Jón Gnarr hat versprochen, Reykja-
vík zu einer Stadt zu machen, in der die Menschen wieder öfter was zu lachen haben. Bisher konnte man sich aber schon ganz gut amüsieren. Allabendlich findet irgendwo ein Konzert statt, eine Ausstellung oder eine Party. Besonders turbulent geht es an Veranstaltungstagen und -nächten zu, wie z.B. der Culture Night, wenn viele Museen und Konzerte umsonst besucht werden können. Dann ist die ganze Stadt voll mit Menschen, die auch bei noch so schlechtem Wetter ausgelassen auf der Straße feiern und dem nächtlichen Feuerwerk über dem Hafen zusehen. Überraschungen bietet die Stadt auch an normalen Tagen. So kann es durchaus vorkommen, dass der geneigte Szenekneipen-Gänger plötzlich in der neu entdeckten Bar einen Fischerchor vorfindet, dessen Mitglieder alte Seemanslieder mit bierschwangerer Stimme zum Besten geben. Alle hören gespannt zu, rauchen, trinken und applaudieren. Und danach legt wieder ein DJ auf. Oder man geht zum Badestrand, unweit des Zentrums, mit beheizter Einstiegstelle zum Meer. Also beim nächsten Islandurlaub auf jeden Fall die Badehose einpacken. ⚓
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oben: Die Hallgrímskirkja, das Wahrzeichen der Stadt. links: Ansichten aus Reykjavík
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WOLFMACHINE Island, diese kleine Insel mit ihren gerade mal 300 000 Einwohnern, scheint wie kein anderes Land vergleichbarer Größe an Kreativität überzusprudeln. Besonders in musikalischer Hinsicht erfasst uns regelmäßig eine nordische Welle: Ob nun Björk oder Sigur Rós, Emiliana Torrini oder GúsGús. Aber die Insel hat noch weit mehr als das zu bieten.
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in Beispiel dafür ist die Band Peter&Wolf, die auf ihrem gleichnamigen Album, welches bereits 2008 erschien, sich voll und ganz dem Rausch hingeben. Wortwörtlich. Die beiden Bandmitglieder sind Bjarki Markusson und Pétur Úlfur. Beide kennen sich schon sehr lange und begannen ihre Zusammenarbeit, nachdem Bjarki aus der Band Pornopop hinausgeworfen wurde. Danach schlossen sie sich in ein Studio ein und experimentierten mit bewusstseinserweiternden Mitteln und der dabei entstehenden Musik. Das Album versucht die Stimmung einzufangen, die während der Aufnahmen herrschte. Daher ist es auch wenig geradlinig, sondern durchsetzt mit Gesprächsfetzen und Geräuschen. Erinnerungen in Form von alten privaten Tonbandaufnahmen sind als einzelne Tracks zu hören. Da spielt die Mutter auf dem Akkordeon und singt ein altes Volkslied. Dazu im Gegensatz die computersynthetisierten Melodien von Pétur. Hauptkomponente ist ein altes Harmonium, das Bjarki einmal mitbrachte. Dieses sorgt für Schwere und Melancholie, die sich wie ein Teppich unter alle Stücke zu legen scheint. Pétur hat sich den Zweitnamen Úlfurinn gegeben, was nichts anderes als »Wolf« bedeutet. Aber der Bandname fiel nicht den beiden ein, sondern Bjarkis Cousin. »We liked the idea because everyone knows the old Peter&Wolf classic music, that's what you learn in school. I liked it very much, that every character has its own instrument like the bassoon for example, you wouldn't have known what that is!« Aber vielleicht ändern oder vielmehr erweitern sie ihren Namen ja bald zu »Repeat and the Wolfmachine«.
Mit Peter&Wolf ist ein monströses Werk entstanden, das sie auseinandernehmen mussten, um die Limitierung, die eine CD so mit sich bringt, einhalten zu können. Das bedeutet, eine Vielzahl entstandener Stücke liegt noch ungehört in der Datenbankecke. Besonders beworben wurde das Album nicht, somit verkaufte es sich auch nicht gut. Gerade einmal 50 Exemplare. Und nur 5 Konzerte. Aber das ist beiden nicht so wichtig. Sie haben nie gedacht, dass sie nur mit Musik ihren Lebensunterhalt finanzieren könnten. Angebote von Plattenfirmen gab es zwar, die haben ihnen aber nur viel versprochen und wenig gehalten. Sie wollen lieber ihr eigener Herr sein und ihre Kreativität nicht einschränken lassen. Peter&Wolf liegt gerade sowieso etwas auf Eis. Beide haben momentan mehr mit ihren vielen anderen Projekten zu tun. Pétur z.B. hat noch 6 weitere Bands, darunter so klangvolle
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Namen wie »Ikea Satan« oder auch »California Cheeseburger«. Mit dem selbst gegründeten Label »chingchingblingbling« bringt er alle unter ein Dach. Zudem hat er das Musikportal »gogoyoko« aufgebaut, bei dem man Musik direkt vom Künstler kaufen kann. Die Betreuung der dazugehörigen Website hat ihn in letzter Zeit voll in Beschlag genommen. Das soll sich zukünftig ändern, denn er will sich nun ausschließlich der Musik widmen. Beim Schreiben seiner Stücke lässt er sich ganz von seinen momentanen Ideen in Bezug auf Sounddesign leiten. Zu welchem Projekt das Lied am Ende am besten passt, stellt sich dann heraus. Er ist immer auf der Suche nach neuen Klängen. Gerade hat er mit Drums experimentiert, bis er den gewünschten Effekt gefunden hat. Pétur hört privat viel Musik, ganz im Gegensatz zu Bjarki. Möglicherweise beeinflusse ihn andere Musik zu sehr in seinem eigenen Schreiben, vermutet er. Lieber geht er auf Konzerte von jungen, neuen Bands, die noch keiner kennt. Sein Soloprojekt »Orrustubjarki« kommt gerade ins Rollen. Warum scheinen alle Isländer Musik zu machen? Woher kommt der kreative Überschuss? Vielleicht weil ihnen so langweilig ist. Und weil sie verwöhnt sind. Isländern geht es einfach zu gut. Also füllen sie die Zeit mit Musik. Gibt es Lieblingsmusiker, Vorbilder? Sicher gibt es die. Bjarki nennt sogar eine deutsche Band: Can. Gefolgt von Slayer. Natürlich wird auch Nirvana aufgezählt. Sie alle sind weniger musikalische Idole als Brüder im Geiste. Und was halten sie von ihren berühmten Landsleuten wie Sigur Rós oder Björk? Björk ist klar die Übermutter. Sie verstehen schon, was Sigur Rós da machen, mit dem Elfenkram. Sie waren ja sogar mal Vorband für sie. Und sie sind einfach gut. Man bekommt Gänsehaut bei ihren Konzerten. Aber es ist eben nicht ihr Ding. Als wir auf Deutschland zu sprechen kommen, ist natürlich das erste, was Bjarki einfällt: Hitler. »We let Hitler down!« Er erzählt mir einen fast zu recht wenig beachteten Teil der Weltgeschichte: »Back then when Hitler was a fan of us Icelandics, because he thought we were tall and all blond and stuff, he sent some spies over, but they realized, we are not like the norwegians, we are more like sheep blonde. More dirty. Like this!« (Zeigt mir seine dunkelblonden Haare) »So write that. We let Hitler down!« Zu Befehl! Und was passiert als nächstes mit Peter&Wolf? Erst einmal abwarten. Das nächste Album soll aber tanzbarer werden. ⚓
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oben: Das alte Harmonium bestimmt den Grundton auf Peter&Wolfs DebĂźt
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rechts: Das Studio von Peter&Wolf liegt in einem Hinterhof in ReykjavĂk. links: Das Musikportal gogoyoko ist eins von PĂŠturs vielen Projekten
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LINKS
Seite 18-23: ourhouse.is
Wetter:: vedur.is
Wandern: isafold.de
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Straßenverhältnisse: vegagerdin.is/english/ road-conditions-and-weather/
Aurora Forecast: gedds.alaska.edu/ auroraforecast/
Seite 28-35: riding.is
Flug: icelandair.de icelandexpress.de germanwings.de
Jeep Vermietung: cheapjeep.is
Seite 38-45: galdrasyning.is Seite 52-59: djupavik.com clausinisland.de hraun.co.uk
Fähre: smyrilline.de Flüge innerhalb Islands: airiceland.is
Seite 62: bjarnarhofn.is
Fähren: eimskip.is
Seite 64: elftruths.blogspot.com
Hostels: hostel.is
Seite 72-77 grapevine.is visitreykjavik.is
Busfahrpläne aller Gesellschaften: nat.is/travelguideeng/ bus_schedules_iceland.htm
Seite 78-83: gogoyoko.com chingchingblingbling.com/ artist/peter-and-wolf
Busgesellschaften: re.is sterna.is GPS Mapsource Karte: ourfootprints.de/gps/ mapsource-island.html
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PKW Vermietung: geysir.is sadcars.is airportcarrental.is Walbeobachtung: northsailing.is gentlegiants.is Karten: geobuchhandlung.de Adventure Touren: mountainguides.is Stadtführung Reykjavik: wheninreykjavik.com Hundeschlittentouren: www.eskimos.is
IMPRESSUM ˚nord ist eine Bachelorarbeit, entstanden an der HS Mannheim, Fakultät für Gestaltung im WS 2010/2011 unter der Betreuung von Prof. Göldner Autoren: Elisabeth v. Mosch Sven Scholtysik Felix Scholtysik Druck: octopusprint Mannheim myoctopus.de Papier: Munken Polar 130 g/m² Munken Polar 280 g/m² Schrift: Museo, Museo Sans Vielen Dank an: Parachute Type parachute.gr für die Centro Slab Besonderen Dank an: Sven Scholtysik Katja Bröker, Pétur & Bjarki Bedda, Claus, Felix Scholtysik, Jennifer Mantel, Anna Bechtloff, Ina Hollmichel, Herrn Prof. Göldner und Frau Prof. Götz Für die Hilfe und Geduld!
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»Það er löng leið frá Íslandi til Himnaríkis.« »It is a long road from Iceland to Heaven.« The Pearly Gates, Davíð Stefánsson