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5 Computergestützte Physik und künstliche Intelligenz
Die Algorithmen und Methoden der künstlichen Intelligenz (KI) werden auf zahlreichen Gebieten bereits mit grossem Erfolg kommerziell eingesetzt. Einige dieser neuen Anwendungen betreffen unseren Alltag und unsere Daten werden tagtäglich von Grosskonzernen genutzt. Während über die Verwendung von persönlichen Daten als Trainingsgrundlage ein gesellschaftlicher und ethischer Diskurs geführt werden muss, stellen die KI-Algorithmen aus technisch-wissenschaftlicher Sicht ein interessantes Forschungsgebiet dar, das aktuell einen ausgeprägten Innovationsschub erfährt und selbst wiederum viele Neuerungen ermöglicht. Am ICP interessieren uns die Anwendungen, in denen computergestützte Physik und künstliche Intelligenz kombiniert werden. Konkret geht es dabei um maschinelles Lernen (ML) und dessen Kombination mit der Numerik. Unsere Kernkompetenz liegt weiterhin in den physikalischen Modellen, die Phänomene aus Natur und Technik in der Regel durch Differentialgleichungen beschreiben und die von physikalischen Gesetzen abgeleitet sind. Es ist eine grosse Chance, zum jetzigen Zeitpunkt dieses Wissen mit dem aufstrebenden Feld des maschinellen Lernens zu kombinieren. Wir strukturieren im Folgenden die möglichen Einsatzgebiete, und zeigen auf, welche Beiträge wir leisten können.
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Physikalische Simulation zur Generierung von synthetischen Daten
Es werden physikalische Simulationen eingesetzt, um für die ML-Algorithmen die nötigen Trainingsdaten für die Lernphase bereitzustellen. Dabei kommen klassische numerische Methoden zum Einsatz und die Herausforderung besteht darin, die richtigen Fragestellungen zu finden und die Ergebnisse in nützlichen Anwendungen konkret umzusetzen. Oft möchte man dabei neuronale Netze, die mit simulierten Daten trainiert wurden, auf ungesehene reale Daten anwenden. Aktuell gibt es dazu am ICP zwei Projekte. Sie werden auf Seite 29 und 41 im vorliegenden Forschungsbericht im Detail dargestellt. Kurz zusammengefasst: Unterstützung der Analyse von Solarzellen mit neuronalem Netzwerk: Dazu wird ein neuronales Netz mit simulierten Bilddaten trainiert. Die Simulationen basieren auf einem multiphysikalischen Finite-Element-Modell, das für den Trainingsschritt tausendfach evaluiert wurde. Optimale Steuerung einer Wärmepumpe: Mit einer Simulation von mehreren hundert Betriebsjahren wird ein neuronales Netz in einer Wärmepumpensteuerung so trainiert, dass es sparsam mit dem Strom umgeht, die stochastischen Fluktuationen des Wetters ideal ausgleicht und jederzeit für ein angenehmes Raumklima sorgt. Unsere Kompetenzen im Umgang mit Industrieprojekten und unser unternehmerisches Denken erlauben es uns, hier Brücken zu bauen und das maschinelle Lernen den Unternehmen zugänglich zu machen, die sie bis jetzt noch nicht einsetzen.
Physikalisch informierte neuronale Netze
Ein Verschmelzen der Disziplinen der Physik-Simulation und des maschinellen Lernens besteht darin, die physikalischen Gesetze in die ML-Algorithmen zu integrieren, entweder als Nebenbedingungen oder beispielsweise auch in die Struktur der eingesetzten neuronalen Netzwerke. Dabei entsteht ein riesiges neues Forschungsgebiet und derzeit werden mehr offene Fragen erkannt als Antworten generiert [1]. Man entfernt sich dabei von der Prämisse, dass datengesteuerte Modelle mit einem minimalen Vorwissen und einer grossen Menge an Trainingsdaten gefunden werden sollen. Es wird vielmehr versucht, das über Jahrhunderte erworbene Domänenwissen in die Algorithmen zu integrieren. Die Kombination
führt zu erklärbaren datengesteuerten Modellen, die auf weniger Daten als das klassische maschinelle Lernen angewiesen sind.
Wissenschaftliches maschinelles Lernen
Ziel des wissenschaftlichen maschinellen Lernens ist, durch die Nutzung der strukturierten wissenschaftlichen (Differentialgleichungs-)Modelle zusammen mit den unstrukturierten datengetriebenen Modellen des maschinellen Lernens Simulationen zu beschleunigen, die Wissenschaft wahren Systemen besser anzunähern, und dies alles bei gleichzeitiger Robustheit und Erklärbarkeit der mechanistischen dynamischen Modelle. Ein holistischer Ansatz fokussiert sich beim Formulieren der konkreten Fragestellung ganz auf die Anwendung und lässt am Anfang die Wahl der Methode offen. Dabei stehen altbekannte Optimierungsmethoden wie die Ausgleisrechnung als Option bereit wie auch das Lernen mit synthetischen Trainingsdaten oder datengesteuerte Modelle, die nahe an den Differentialgleichungen der Physik sind und Methoden für inverse Probleme und automatische Modellfindung. Erste Anwendungen kommen aus den Bereichen nachhaltige Energieproduktion, Sensorik, Unterhaltungselektronik und Medizintechnik. Dabei werden konkrete Optimierungsschritte mit maschinellem Lernen unterstützt. Die angewandte Forschung und Entwicklung wird damit insbesondere auch in den Bereichen beschleunigt, in denen rein physikalisch basierte Modelle an ihre Grenzen der praktischen Anwendbarkeit stoßen. Die besondere Herausforderung des wissenschaftlichen maschinellen Lernens ist die Frage, wie das Wissen aus der physikalischen Modellierung effizient und effektiv in das maschinelle Lernkonzept integriert werden kann. Evelyne Knapp und Andreas Witzig
Referenzen:
M. Raissi et. al., Physics-informed neural networks: A deep learning framework for solving forward and inverse problems involving nonlinear partial differential equations, Journal of Computational Physics, Vol. 378, Pages 686707, Feb 2019. https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0021999118307125